SRB-AKTUELL R ADSPORT IN S ACHSEN 01/2013
ein. Wieder in guter Verfassung begann 1976 die zerstörerische Maschinerie der Staatssicherheit ihr Werk. Um seine Erfolge zu verhindern, schloss ihn der DRSV auf höheren Befehl aus seiner BSG Wismut Karl-Marx-Stadt aus. Was die Radsportler der BSG Aufbau Centrum Leipzig nicht hinderte, ihn bei sich aufzunehmen. Um der Sperre wegen Vereinswechsel zu entgehen, zog Wolfgang zu Dieter Hillert nach Zwenkau um. Obwohl die Bestimmungen eindeutig dafür keine Sanktionen vorsahen, sollte er dennoch seine Lizenz abgeben.
Für 10 Monate ins Gefängnis
Wolfgang Lötzsch beim Start zum Klassiker Berlin – Leipzig am 3. April 1988. Links neben ihm Gus-Erik Schur.
Trauriger Höhepunkt der im Juli 1976 unterbrochenen Karriere war der Einsatz von Polizeigewalt in Bad Saarow, wo er am Start gehindert wurde, obwohl er vom Bürgermeister als ehemaliger Sieger von „Rund um den Scharmützelsee“ eine persönliche Einleitung hatte. Bereits vorher hatte es beim Olympia-Qualifikationsrennen in Falkenberg einen Eklat gegeben, als die Trainer der Platzierten nach seinem hoch überlegenen Sieg ihren Schützlingen verboten hatten, an der Siegerehrung teilzunehmen. Im Oktober hatte dann das MfS seinen großen Auftritt, inszenierte einen Zwischenfall und konnte endlich den „OV Speiche“ für zehn Monate inhaftieren. Auch beim DRSV atmete man auf und um ihn
völlig zu zermürben, wurde er nach Abbüßung seiner „Haftstrafe“ wegen „republikfeindlichem Verhalten“ trotz zweier Gnadengesuche für ein weiteres Jahr vom Rennsport ausgeschlossen. Doch Wolfgang gab nicht auf! 1979/80 meldete er sich mit 116 (!) Siegen im BSG-Bereich eindrucksvoll zurück, erhielt den Nimbus der Unschlagbarkeit. Inzwischen hatte ich selbst, nach der durch die Stasi abrupt beendeten beruflichen Karriere, viel Zeit für den Radsport. Mein Engagement für ihn kostete mich die Stellung als amtierender Produktionsdirektor in einem Leipziger Großbetrieb. Als dann Ende 1980 ein mir auferlegtes zweijähriges Funktions-
verbot zu Ende gegangen war, wurde ich, der gut bewachte „OV Lenker“ völlig überraschend in das Präsidium des Radsport-Verbandes als Verantwortlicher für den BSG-Rennsport und später auch den Stehersport kooptiert, eine Entscheidung, die aus heutiger Sicht nur dazu dienen sollte, diese Bereiche besser kontrollieren zu können.
Mühselige Verbesserungen der Situation Nach vielen Rückschlägen gelang es, den sportfeindlichen, nicht leistungsorientierten Beschluss der Nichtteilnahme der besten BSGFahrer an den Rennen der ClubLeistungsklasse nach und nach
aufzuweichen, 1981 waren es acht, ein Jahr später 15 Starts, aber erst 1983 wurden auch die sogenannten Klassiker für die BSGRennfahrer geöffnet. Obwohl Lötzsch mittlerweile bereits 31 Jahre alt war, gewann er nach neunjähriger Pause das berühmte „Rund um Berlin“, raste den Assen bei der „Erzgebirgsrundfahrt“ davon und sicherte sich die Etappenfahrt von Langenau. Mein Vorstoß, 1984 auch die internationalen Rennen um den „Tribüne“Bergpreis sowie die Oder-, Thüringen- und DDR-Rundfahrt zu öffnen, scheiterten noch immer. Vor dem versammelten Präsidium erklärte DRSV-Vizepräsident Axel Tönsmann, einen Knastbruder wie Lötzsch könne man nicht auf unsere Clubfahrer loslassen, der hätte nur zu arbeiten, um seine schwere Schuld zu sühnen! Aber der siegte weiter, u. a. bei der Sachsentour, Berlin-Cottbus-Berlin, Rund um Pirna sowie der Erzgebirgsrundfahrt und belegte beim längsten Straßenrennen Europas für Amateure, Prag – Karlsbad – Prag über 270 km, den Ehrenplatz. Nachdem er im 50 km Zeitfahren viermal in Folge von 1981 bis 1984 DDR-Vizemeister war und der fast sichere Titel 1985 durch Defekt verhindert wurde, schaffte man diese Titelkämpfe, zusammen mit der im Kriterium, kurz entschlossen ab. Noch einmal trainierte Lötzsch auch intensiver auf der Bahn. Der Vizetitel hinter Mario Hernig, dem er nur infolge des schlechteren Materials hauchdünn unterlag, war für ihn Anlass, seine Leistungsfähigkeit zu beweisen. Auf den Tag genau zur Qualifikation der 4000 Meter-Spezialisten bei der WM im italienischen Bassana del Grappa durchraste er auf der schweren Bahn von Karl-Marx-Stadt die 4 kmDistanz in einer Zeit, die in Italien in der Vorrunde den fünften Rang bedeutet hätte. Was wäre mit bestem Material auf der wesentlich schnelleren WM-Piste für ihn möglich gewesen, auf der DDR-Starter infolge zu schlechter Leistungen nicht starten durften!
Normalität und Wende
1988 durfte zum zweiten Mal eine BSG-Auswahl an der DDR-Rundfahrt teilnehmen: Heiko Gebhardt, Martin Goetze, Heiko Latocha, Thomas Tinius, Michael Oßowski und Wolfgang Lötzsch (v. l.).
1986 waren endlich alle Wettkämpfe innerhalb der DDR für Lötzsch und die übrigen leistungsstarken BSG-Sportler wieder offen, ein fast zehnjähriger Kampf zu Ende. Nach zwölf Jahren Abstinenz wiederholte Lötzsch seinen Sieg beim Tribüne-
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