"die beste Zeit" Juli-September 2019

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Keramikschalen und Vasen. Rechts liegt, vier Häuser weiter, die „South Brooklyn Casket Compagny“, ein Großhandel für Särge. Schräg gegenüber kann man in einem Barbecue Restaurant mit rustikalem Ambiente an langen Holztischen sitzen und von einer überschaubaren Speisekarte wählen. Ein Stück New Yorks also, das vielschichtig aufgestellt ist. Ute Zimmermann teilt sich den Shop seit kurzem mit ihrer ehemaligen Angestellten, einer jungen Chinesin. Sie verkaufen an Anwohner und die immer häufiger vorbeischauenden Touristen wunderschöne Postkarten, das „Gowanus Swim Team“-Shirt mit Totenkopf, handgemachte Seifen, Schmuck, Antikes, Ölbilder, Bücher und vieles andere mehr. In der Regel sind es lokale Künstler die sie vertreten bzw. die das Angebotene hergestellt haben.

andere Geschichten über die jüngste Vergangenheit dieser Region ausgraben und feststellen, dass der Westen Brooklyns eine faszinierende Gegend mit großem Potenzial ist. Ute Zimmermann erklärt auf die Frage, warum gerade Gowanus ihre Seele berührt habe, dass sie dieses Viertel als ganz besonders empfinde. Durch die relativ flache Bauweise könne man den Blick ungewöhnlich weit schweifen lassen, sogar bis Manhattan. Und es sei mit dem industriellen Charme und den vielen zugewanderten Künstlern ein echt cooles Quartier. Das Interesse an Gowanus wuchs in den 90er-Jahren, vor allem weil hier noch bezahlbarer Wohnraum zu finden war. Mit der spürbaren Renaissance dieser Gegend hat sich leider auch der Wohnpreis in langsam schwindelerregende Höhen bewegt.

Besondere Events werden ebenfalls regelmäßig auf der Website des Souvenir Shops angekündigt. Mein Glück, dass ich zwei Tage nach meinem geplanten Besuch von Ute Zimmermann zum chinesischen Neujahrsfest eingeladen wurde. Dort konnte ich einen beeindruckenden Drachentanz und die Geister vertreibende Knallerei erleben.

So ist das bewährte Schema New Yorker Stadtteilveränderungen im Ansatz auch hier erkennbar. Erst kommen die Künstler, dann die Galerien, Cafés, Restaurants und Bars, parallel versuchen die Immobilieninvestoren, ihren Deal zu machen. Die Attraktivität dieses Viertels resultiert zudem aus seiner guten Erreichbarkeit. Gowanus liegt nur wenige U-Bahnstationen von Manhattan entfernt. Ute Zimmermann kommentiert diesen, allen New Yorkern geläufigen Tatbestand: „Die Menschen hier lassen sich nicht davon beeindrucken und werden deshalb so schnell auch nicht aufgeben. Sie kämpfen mit legalen Mitteln, dass ihr Ort zumindest teilweise so bleibt, wie er ist, und ‚ihrem‘ Quartier der vorhandene Charme nicht völlig genommen wird.“ Die „Let´s do it“-Energie der New Yorker spielt da auf alle Fälle eine große Rolle.

Der Besuch ihres Shops lohnt sich auf jeden Fall, nicht nur wegen der angebotenen Souvenirs, sondern auch weil es Spaß macht, mit den aufgeschlossenen Besitzerinnen ins Gespräch zu kommen. So erzählte Ute Zimmermann, dass hier, in der früheren Bodega, der florierende Handel mit unverzollten Zigaretten blühte und bald die Gesetzeshüter auf den Plan rief. Sie ließen den Laden hoch gehen und für immer schließen. Neugierige Touristen werden bestimmt noch

Text und Fotos: Karl-Heinz Krauskopf Graffiti an der Union Street peppen die tristen Hauswände auf.

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