Fischer von Erlach

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Johann bernhard Fischer von Erlach

Residenz Verlag



Johann bernhard Fischer von Erlach Herausgegeben von Andreas Nierhaus und Peter Husty

Fotografien von Werner Feiersinger


Benedikt Richter, Medaille auf Johann Bernhard Fischer von Erlach, Silber, ziselierter Guss, 72 mm; Wien, Kunsthistorisches Museum, Münzsammlung


9 Vorwort Martin Hochleitner und Matti Bunzl 13 Fischer von Erlach in Salzburg und Wien Peter Husty und Andreas Nierhaus 17 Rom Werner Feiersinger 33 Johann Bernhard Fischer von Erlach und seine »ungemeine Wissenschaft in der Bau-Kunst« Werner Oechslin

95 Die Fischer von ErlachAusstellung 1956 Irina Morzé und Andreas Nierhaus 101 Fischer von Erlach Werner Feiersinger 221 Zeichnungen und Stiche 315 Biografische Daten 316 Werkverzeichnis 319 Literatur

51 323 Geometrische Konfiguration Impressum und Festkörpergefüge – Kompositionsprinzipien Johann Bernhard Fischers von Erlach Richard Bösel 65 Pavillons – Casinos – Follies Eine zeichnerische Annäherung Martin Feiersinger 75 Der Bildhauer als Architekt Andreas Nierhaus 85 »einige Gebäude von des Autoris Erfindung und Zeichnung« – Bildstrategien der Selbstinszenierung im vierten Band von Fischers ›Historischer Architektur‹ Anna Mader-Kratky


Johann Adam Delsenbach, Johann Bernhard Fischer von Erlach, Kupferstich und Radierung, 11 × 7,8 cm; Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. mp7244

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Die Porträts, die wir von Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656–1723) kennen, zeigen einen einmal würdevoll, dann wieder griesgrämig dreinblickenden Herrn mit mächtiger Allongeperücke – ein modisches Accessoire, das Egon Friedell »das tiefste Symbol der Menschheit des siebzehnten Jahrhunderts« genannt hat, weil es steigert, isoliert und stilisiert.1 Johan Huizinga griff diese Lesart auf und sah darin »das Barockste des Barock«.2 Dass auch der klingende Name Fischer von Erlach in Österreich zum Inbegriff des Barock geworden ist, hat vor allem mit dem Wirken des Architekten in Salzburg und Wien zu tun, wo einige seiner wichtigsten Bauten stehen. Die Basis für die steile Karriere des Grazer Bildhauersohnes legte ein langjähriger Aufenthalt in Italien. In Rom war er in der Werkstatt der Tiroler Künstlerfamilie Schor als Bildhauer und Architekt tätig und muss sich im Kreis der führenden Künstler und Gelehrten seiner Zeit – Gian Lorenzo Bernini, Giovan Pietro Bellori, Athanasius Kircher – bewegt haben. In Neapel war er für den spanischen Vizekönig tätig, nach dessen Tod er in seine Heimat zurückkehrte. Was Fischer in Italien gesehen und gelernt hatte, bildete ein künstlerisches und kulturelles Kapital, das er zu nutzen wusste. Nicht zufällig erkundigte sich ein späterer Bauherr, »ob derjenig, so bey dem Cavaglier Bernini 16 Jahr sich aufgehalten, Fischer heysse«.3 Fischer – der sich übrigens selbst meist Fischers schrieb – gelang es, die tiefen Eindrücke seines Aufenthaltes in Italien – von den Monumenten der Antike bis zu den neuesten Bauten des barocken Rom – in eine künstlerische Sprache zu integrieren, die Architektur als plastisches Gestalten mit geometrischen Körpern begreift und die sowohl skulpturale als auch bildmäßige Wirkung der Bauten berücksichtigt. Damit unterschied er sich markant von seinen Zeitgenossen und wer ihn beauftragte, konnte mit ungemeinen Inventionen rechnen, um eine zeitgenössische Redensart zu bemühen. Fischer war gesellschaftlich etabliert, wie nicht zuletzt die Erhebung in den Adelsstand 1696 zeigt. Und dennoch muss er – zumindest in seinen letzten Jahren – den Ruf eines Sonderlings gehabt haben, wenn Fürst Schwarzenberg 1719 schreibt, der »Kayserliche Architectus Fischer von Erlach« habe »wenig seinesgleichen in diesen Landen und doch im Kopfe sichtbarlich einen Sparren zu viel«.4 Seinem Nachruhm konnte eine solche Einschätzung indes nichts anhaben. Mit seinen Bauten hat Fischer das Stadtbild Salzburgs wesentlich geprägt. Innerhalb weniger Jahre, zwischen 1694 und 1709, konnte er im Auftrag des Erzbischofs eine ganze Reihe hochrangiger Projekte realisieren und mit der Kollegienkirche die berühmte, von mittelalterlichen und frühbarocken Bauten bestimmte Silhouette der Stadt durch eines seiner Hauptwerke vervollständigen. In Wien, wo er bis zu seinem Tod lebte, musste Fischer dagegen häufig um die Gunst seiner Auftraggeber werben und selbst als Oberinspektor aller kaiserlichen Hofund Lustgebäude (seit 1705) noch am Wettbewerb um die Karlskirche teilnehmen. Wie die Kollegienkirche in Salzburg ist auch dieser Bau

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Fischer von Erlach in Salzburg und Wien Peter Husty und Andreas Nierhaus


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zu einem Wahrzeichen geworden. Unterschiedlich ist dagegen Fischers Hinterlassenschaft in den beiden Städten und Regionen: Während mit seinem Aufenthalt in Salzburg die Zeit der großen Bautätigkeit im Erzstift allmählich zu Ende geht, beginnt in der Reichshaupt- und Residenzstadt und den Erblanden der Habsburger ein veritabler barocker Bauboom, der bis in die 1730er-Jahre anhält. Fischer hatte seine ersten Bauten für den Hochadel in Wien und Mähren verwirklicht und war zum Architekturlehrer des Thronfolgers Joseph ernannt worden, als er vermutlich 1691 erstmals mit dem Salzburger Erzbischof Johann Ernst Graf Thun und Hohenstein in Berührung kam. Der Künstler hielt sich zu dieser Zeit in Böhmen auf, wo er für Maximilian Thun und Hohenstein, den Bruder Johann Ernsts, arbeitete.5 Ab 1694 erhielt er vom Salzburger Erzbischof eine Reihe von bedeutenden Aufträgen, darunter nicht weniger als fünf Kirchen – Dreifaltigkeitskirche und Priesterhaus, Kollegienkirche, Ursulinenkirche, St. Johannesspitalkirche und die Wallfahrtskirche Maria Kirchental bei Lofer. Für die Franziskanerkirche entwarf Fischer einen neuen Hochaltar. Auch das Portal des Hofmarstalls, das Hoyos-Stöckl und das Schloss Kleßheim gehen auf seine Entwürfe zurück. Als Erzbischof Johann Ernst 1709 starb, war auch Fischers Tätigkeit beendet. Ein geplantes Stichwerk mit den Salzburger Aufträgen kam nicht mehr zustande. Während Fischers Tätigkeit für den Salzburger Erzbischof waren in Wien der Bau von Schloss Schönbrunn in Angriff genommen und die Paläste für Prinz Eugen und Graf Batthyány errichtet worden. Nach 1709 entstanden Hauptwerke wie das Wiener Palais Trautson und das Palais Clam-Gallas in Prag. Nach dem Tod Josephs i. widmete Fischer dem neuen Kaiser Karl vi. im Jahr 1712 das Manuskript einer Publikation, die neun Jahre später in Wien erstmals erschien: Der Entwurff Einer Historischen Architectur war der erste Versuch einer Universalgeschichte der Baukunst in Bildern, der neben den Monumenten der Antike erstmals auch osmanische, persische und chinesische Bauten gleichrangig berücksichtigte und nicht zuletzt auch Fischers eigene Bauten integrierte. Die Historische Architektur begründete noch zu Lebzeiten den Ruhm des Architekten über die Grenzen des Habsburgerreichs hinaus. In seinen letzten Lebensjahren war Fischer, unterstützt von seinem Sohn Joseph Emanuel (1693–1742), neben der Karlskirche mit weiteren kaiserlichen Aufträgen beschäftigt, allen voran mit dem sein Schaffen krönend abschließenden Prunksaal der Hofbibliothek. Der Bau wurde 1723 begonnen, jenem Jahr, in dem Fischer am 5. April »nach langabsiechender Krankheit« 6 in Wien verstarb. Dank der Präsenz seiner Bauten in Salzburg und Wien blieb die Erinnerung an Fischer selbst in Zeiten, die dem Barock ablehnend gegenüberstanden, erhalten. Doch erst durch die vom Barock faszinierten Künstler des Späthistorismus und die kunsthistorische Forschung rückte Fischers Werk seit dem Ende des 19. Jahrhunderts allmählich wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Albert Ilg veröffentlichte 1895 die erste, quellenreiche Monografie zu Fischers Œuvre,7 Alois Riegl widmete sich zehn Jahre später erstmals seinen Salzburger Bauten.8 Dagobert Frey


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befasste sich 1921 mit Fischer und der Wiener Palastfassade9 und 1925 erschien Hans Sedlmayrs Dissertation über den Architekten.10 Seine Studien wurden 1956 in einer umfassenden (1976 überarbeiteten und neu aufgelegten) Monografie veröffentlicht, die bis heute den Ausgangspunkt jeder Beschäftigung mit Fischer bildet.11 Allerdings sind manche offen deutschnationale Interpretationen des nsdap-Mitglieds Sedlmayr heute nicht nur zum Glück überholt, sondern auch widerlegt. So die Rede von den politischen Implikationen eines deutschen ›Reichsstils‹, den Fischer aus der Synthese der italienischen und französischen Architektur geschaffen habe – eine Synthese, die vor 1945 als genuin deutsch, nach 1945 dann kurzerhand als typisch österreichisch bezeichnet wurde.12 Als heroischer deutscher Künstler wurde Fischer von Erlach auch vom ns-Bildhauer Josef Thorak dargestellt, der 1943 ein viereinhalb Meter hohes Modell eines Denkmals des Architekten schuf und dessen Umsetzung in Marmor für Salzburg noch 1950 ernsthaft betrieben wurde.13 An der Mythisierung Fischers hatten auch Ausstellungen keinen geringen Anteil. Die erste überhaupt fand 1923 im städtischen Museum Carolino Augusteum (heute Salzburg Museum) unter Leitung des damaligen Direktors Julius Leisching statt.14 Die große Schau anlässlich des 300. Geburtstags 1956/57 stilisierte Fischer dann endgültig zum größten Helden der österreichischen Kunst. Zugleich markierte diese Ausstellung durch ihren von Hans Aurenhammer verfassten Katalog aber auch einen Höhepunkt der fundierten, sachlich-wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Fischer und wies zudem eine innovative künstlerische Gestaltung auf, die sie von anderen historischen Ausstellungen jener Zeit deutlich unterschied.15 Seit den 1980er-Jahren wurden dann der Mythos Fischer von Erlach, nicht zuletzt durch die kritischen Revisionen auf Initiative von Hellmut Lorenz, gründlich dekonstruiert und Forschungsfragen weiter differenziert.16 Als 2004 auf Initiative von Regina Kaltenbrunner und kuratiert von Peter Prange in Salzburg wieder eine Ausstellung über Fischer gezeigt wurde, lag der Schwerpunkt auf seinen Zeichnungen.17 Seit 2012 sammelte Kaltenbrunner Ideen und Material für eine Ausstellung zum 300. Todesjahr, deren Realisierung sie nicht mehr erleben konnte. Ausgehend von den Vorzeichnungen und Stichen der Historischen Architektur und wesentlich unterstützt durch Werner Feiersingers künstlerischen Zugang zum Thema möchten die Ausstellungen in Salzburg und Wien nun abermals einen neuen Blick auf Fischer werfen: Während seine auf der bildmäßigen Wirkung plastischer Körper beruhenden Bauten und Entwürfe ein künstlerisches Denken verraten, das von der Skulptur kommt, sind seine Darstellungen zeitlich und räumlich weit entfernter Bauten ein eindrucksvoller Beleg für ein historisch-wissenschaftliches Interesse, das weit über die Grenzen des barocken Europa hinausreicht.


15 Vgl. dazu den Beitrag von Irina Morzé und Andreas Nierhaus in diesem Band. 16 Vgl. zuletzt die umfassende Publikation von Karner, Schütze, Telesko 2022 (wie Anm. 5). 17 Peter Prange, Entwurf und Phantasie. Zeichnungen des Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656–1723) (Schriften des Salzburger Barockmuseums 28), Salzburg 2004.

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1 Egon Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit (Neuauflage der Originalausgabe von 1928), München 1976, S. 526. 2 Johan Huizinga, Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel (Neuauflage der Originalausgabe von 1938), Hamburg 1987, S. 200. 3 Michael Johann ii. Graf Althan an Maximilian ii. Jakob Fürst Liechtenstein, 15. April 1688, zit. nach Hans Sedlmayr, Johann Bernhard Fischer von Erlach (Neuauflage der Ausgabe von 1976), Stuttgart 1997, S. 413. 4 Adam Franz Fürst Schwarzenberg an Baumeister Paul Bayer, 3. August 1719, zit. nach Sedlmayr 1997 (wie Anm. 3), S. 423. 5 Andreas Kreul, »… benahmten Residenz Statt Salzburg, welche andrer orthen ohne daß gleichsamb als ein Teutsches Rom Laudirt …«. Die Kollegienkirche in Salzburg – im Kontext, in: Herbert Karner, Sebastian Schütze, Werner Telesko (Hg.), Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656–1723) und die Baukunst des europäischen Barock, München 2022, S. 111–121, hier S. 111. 6 Totenprotokoll vom 5. April 1723, zit. nach Sedlmayr 1997 (wie Anm. 3), S. 424. 7 Albert Ilg, Die Fischer von Erlach. i. Leben und Werke Joh. Bernh. Fischer’s von Erlach, Wien 1895. 8 Alois Riegl, Salzburgs Stellung in der Kunstgeschichte, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 45 (1905), S. 1–22. 9 Dagobert Frey, Johann Bernhard Fischer von Erlach. Eine Studie über seine Stellung in der Entwicklung der Wiener Palastfassade (Kunstgeschichtliche Einzeldarstellungen 6), Wien 1923. (Erstveröffentlichung 1921) 10 Hans Sedlmayr, Fischer von Erlach der Ältere, München 1925. 11 Hans Sedlmayr, Johann Bernhard Fischer von Erlach, Wien–München 1956; Ders., Johann Bernhard Fischer von Erlach, Wien 1976. 12 Erstmals bei Hellmut Lorenz, Der habsburgische »Reichsstil« – Mythos und Realität, in: Thomas W. Gaethgens (Hg.), Künstlerischer Austausch – Artistic Exchange (Akten des xxviii. Internationalen Kongresses für Kunstgeschichte, Berlin 1992), Bd. 2, Berlin 1993, S. 163–176. 13 Salzburger Volkszeitung vom 24. 8. 1950, S. 3. 14 Friedrich Wimmer, Fischer von ErlachAusstellung in Salzburg, in: Leipziger Kunstchronik 1923, S. 610 f.


Rom Werner Feiersinger

19 Trajanssäule, 112/113 n. Chr.; Santa Maria di Loreto, Antonio da Sangallo d. J., Giacomo del Duca, 1522–1573 20, 21 San Carlo alle Quattro Fontane, Francesco Borromini, 1638–1667 22 Sant’Agnese in Agone, Girolamo und Carlo Rainaldi, Francesco Borromini, Gian Lorenzo Bernini, 1652–1672 23 Vierströmebrunnen, Gian Lorenzo Bernini, 1647–1651 24 Sant’Andrea al Quirinale, Gian Lorenzo Bernini, 1658–1670 25 Santi Luca e Martina, Pietro da Cortona, 1634–1650 26 Piazza del Popolo, Santa Maria di Monte Santo und Santa Maria dei Miracoli, Carlo Rainaldi, Carlo Fontana, Gian Lorenzo Bernini, 1662–1679

27 Collegio di Propaganda Fide, Francesco Borromini, ab 1652 28, 29 Oratorium des hl. Filippo Neri, Francesco Borromini, 1637–1650 30 Cathedra Petri im Petersdom, Gian Lorenzo Bernini , 1657–1666 31 Baldachin im Petersdom, Gian Lorenzo Bernini, Francesco Borromini , 1624–1633 32 Nymphäum im Palazzo Borghese, Johannes Paul Schor, Carlo Rainaldi, 1670–1673

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18 Cestius-Pyramide, 18–12 v. Chr.


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