Wien Museum Katalog „O.R. Schatz & Carry Hauser“

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Abb.3 Carry Hauser, Porträt Arthur Roessler, 1919

Nachlass in die Sammlung des Wien Museums eingegangen ist, ist der zentrale Beleg einer langjährigen Kooperation (Abb. S. 50). Die erste Seite ist vom jungen Otto Rudolf Schatz gestaltet, es folgen noch zwei weitere Werke von seiner Hand in größerem zeitlichen Abstand. Neben vielen illustren Gästen sticht Carry Hauser als zweiter Künstler hervor, der sich zweimal dort mit einem kleinen Kunstwerk verewigt und dessen Frau ein Gedicht beigetragen hat. Der Roessler-Nachlass bildet zum Schaffen beider Künstler die jeweils umfangreichste institutionelle Sammlung und den Grundstock für die Ausstellung. Während Schatz, insbesondere in seinen freien Landschaftsbildern, stark an Schiele angelehnt ist, neigen Hausers Arbeiten nach Kriegsende immer mehr dem deutschen Expressionismus eines George Grosz und Otto Dix zu. Er malt 1920 das heute verschollene Ölgemälde Ermordung der Rosa Luxemburg, das ebenso wie eine diesem Thema zuzuordnende Zeichnung für eine linke politische Orientierung spricht. In dieser Richtung ist auch sein Engagement für Frauenschicksale zu deuten, das mit den Illustrationen für Else Feldmanns sozialkritischen Fortsetzungsroman Der Leib der Mutter deutlich wird. Diese erscheinen 1924 ebenso wie ein von Hauser in Holz geschnittenes Porträt von Karl Marx in der Arbeiter-Zeitung, bei der Roessler Kunstkritiker ist.

sich die Weiterentwicklung vom Expressionismus über den Kubismus und futuristische Anklänge bei Hauser stärker ausgeprägt findet, bevor am Ende des Jahrzehnts beide ihre Hauptwerke in den geklärten Formen der Neuen Sachlichkeit präsentieren. Zunächst vom Verismus beeinflusst, setzt Hauser die facettenreiche Realität in detailreichen Gesellschaftsszenen um. Mensch und Umwelt sind in ein rhythmisches Liniennetz spitzwinkliger Kontraste eingepasst. Das Themenspektrum von Gewalt- und EINE VIELSCHICHTIGE ZEIT, Drogenexzessen, Prostitution und Kriminalität verEINE VIELSCHICHTIGE KUNST mengt sich mit urbanen Vergnügungen wie dem Tanz, Theater und Varieté, wie sie im Wiener Prater zu finden sind. Das Paradebeispiel für ein solches Panoptikum Im Zentrum der Ausstellung stehen die 1920er- und der Gesellschaft in den Goldenen Zwanzigern liefert 1930er-Jahre, die den künstlerischen Höhepunkt im Schaffen von Schatz und Hauser markieren. Die Roa- Otto Dix mit seinem Triptychon Die Großstadt (Abb. 4), ring Twenties zwischen dem Ersten Weltkrieg und der das Huren und Kriegskrüppel mit einer zentralen TanzWeltwirtschaftskrise von 1929 sind geprägt von einer szene zur Musik einer Jazzband verbindet. Ebenso hat Schatz „in figurenreichen Gemälden und in verschiestarken Dynamik auf dem sozialen, kulturellen und denen düsteren Holzschnittzyklen Großstadtmisere, künstlerischen Gebiet. Nach der im Feuer des Ersten Einsamkeit und Verbrechen anklagend kommenWeltkrieges untergegangenen alten Werteordnung stand die nun ausgerufene Demokratie auf wackeligen tiert“.10 Vergleichbar ist etwa Schatz’ Holzschnittserie mit Kriegsgewinnlern und Schiebern, Dieben und Beinen. Tauziehen um eine politische Neuordnung Mördern mit Hausers Zyklus Irrende Menschen in gleiund Straßenkämpfe bestimmten das Geschehen in den Städten. In der komprimierten Form der Kunst ent- cher Technik (Abb. S. 72–73). Neben den gesellschafts­ steht der Eindruck, dass die Gesellschaft sich tatsäch- kritischen Ansätzen zeugen die Motive von psychischen Extremzuständen. Insbesondere die Traumdeutung lich umgestülpt habe: Das, was zuvor am Rande der Gesellschaft existierte, bestimmt nunmehr die Bildwelt. von Sigmund Freud steht Pate, um sich künstlerisch auf eine Entdeckungsreise ins Unbewusste, Fantastische Schatz und Hauser verarbeiten diese Zeitumstände und Surreale zu begeben. Gibt es bei Schatz eine bisin zahlreichen Werken. Beide suchen nach ihrem lang wenig beachtete Auseinandersetzung mit dieser Debüt nach der eigenen künstlerischen Form, wobei 11


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