Ralph Gleis
Zwei Künstler, die auf den ersten Blick so gegensätzlich erscheinen wie Otto Rudolf Schatz (1900–1961) und Carry Hauser (1895–1985), in einem Atemzug zu nennen und gar in einer Ausstellung gegenüberzustellen, verlangt nach einer Erklärung. Der eine, hervor getreten durch seine ausdrucksstarken Holzschnitte aus der Welt der Arbeit, scheint doch grundverschieden vom anderen, der durch seine Madonnenbilder und traumbildhaften Aquarelle bekannt wurde. Demnach liegt der gedankliche Ausgangspunkt dieser Ausstellung auch weniger in den Gemeinsamkeiten der beiden Künstler als vielmehr in der methodischen Möglichkeit, durch einen komparativen Ansatz sowohl den Zug der Zeit zu erfassen als auch die individuellen Eigenheiten des jeweiligen Künstlers hervortreten zu lassen. Hauser und Schatz gehören nicht zu den wenigen richtungsweisenden österreichischen Jahrhundertkünstlern wie Schiele oder Kokoschka, sondern reagieren mit ihrem jeweiligen Werk sehr deutlich „auf die dominierenden Zeit- und Kunstströmungen“, wodurch sie wiederum in besonderer Weise als typisch für diese Zeit gelten können.1 Das Nachzeichnen zweier Künstlerviten in ihrem parallelen Schaffen zwischen 1918 und 1960 zeigt deutlich die Gemeinsamkeit und typische Proble-
matik dieser Generation im Spannungsfeld von Kunst und Politik auf. Ihr von Kriegen, Exil und politischen Systemwechseln geprägter Lebensweg verhindert die kontinuierliche künstlerische Entwicklung dieser „verlorenen Generation“. Da sie auch als sensible Chronisten ihrer Zeit und Umwelt tätig waren, beleuchtet der spannende Dialog dieser Positionen ebenso ein halbes Jahrhundert Wiener Geschichte in der künstlerischen Auseinandersetzung. Bei genauerem Hinsehen haben die Künstler aber durchaus mehr Gemeinsamkeit als den permanenten künstlerischen Neuanfang und stilistischen Wandel. Schatz und Hauser kannten einander als Protagonisten der Wiener Kunstszene und standen im künstlerischen Austausch. Einerseits durchlaufen beide das weite Spektrum künstlerischer Ausdrucksformen vom Expressionismus und Kubismus über die Neue Sachlichkeit bis hin zum Realismus der Nachkriegsjahre in je subjektiv gefärbten Varianten. Andererseits sind es Persönlichkeiten und Institutionen der Kulturszene, die wie ein Scharnier zwischen den beiden Werken stehen: Gemeinsame Förderer wie Arthur Roessler und Viktor Matejka verbinden die beiden, aber auch Verlage und künstlerische Zusammenschlüsse wie der Hagenbund und die Notgemeinschaft für Kunst und Schrifttum. 8
KONSTRUKTIVE KONFRONTATION
OTTO RUDOLF SCHATZ UND CARRY HAUSER VERSUCH EINER KONSTRUKTIVEN KONFRONTATION