Wien Museum Katalog „Ballgasse 6“

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Ist es eine Gemeinschaftsausstellung von Wolfgang Kos und Peter Pakesch? Auch das wurde ich gefragt. Hier lautet die Antwort klipp und klar: Nein. Es handelt sich ja um keine Autobiografie des ehemaligen Galeristen. Die Konzeption und damit die Entscheidung, was wie und in welchem Kontext gezeigt werden soll, lag ausschließlich beim Kurator. Aber ohne die Beratung von Peter Pakesch wäre es natürlich nicht möglich gewesen, die Materialien aus dem Archiv zu befragen, Hintergründe kennenzulernen oder zu erfahren, in welchen Sammlungen sich einst von ihm verkaufte Werke befinden. Durch diesen Katalog ziehen sich Gespräche, die ich mit Peter Pakesch und zahlreichen Künstlern (und mit Beatrix Sunkovsky auch mit einer der wenigen Künstlerinnen, die von der Galerie vertreten wurde) und Weggefährten im Lauf der letzten Monate geführt habe. MOLTO BRUTTO So hieß die wichtigste Wiener Band im experimentellen Zwischenraum zwischen neu-wilder Musik und vehementer Malerei. Den Protagonisten gemeinsam ist, dass für sie Punkrock, Noise oder Elektropop künstlerischer Bezugsrahmen und die prägende Generationserfahrung war. Neben ‚richtigen‘ Musikern wirkten bei Molto Brutto, die es trotz wüstem Sound und experimentellen Texten zu einer LP auf einem kommerziellen Label schafften, unter anderen Gunter Damisch, Josef Danner, Fritz Grohs (alias Blihal) und Gerwald Rockenschaub mit. Ihr Name war Programm. Ähnlich genial wie Sehr häßlich waren die Bandnamen Wirr und Dumpf, zwei andere Querfeldein-Ensembles, die sich aus dem Freundeskreis der Pakesch-Boys rekrutierten. Weitere wichtige und unter ihrem Wert erinnerte Avantgarde-Ensembles aus dem kunststudentischen Milieu waren Pas Paravant (mit Karl Kowanz, Hans Weigand und vielen anderen), Halofern (mit Heimo Zobernig und Marcus Geiger), Graf + ZYX, Monoton alias Konrad Becker, die Projekte um Gary Danner (ab 1987 Station Rose) oder Rosachrom. Sogar eine Kunstlehrer-Kapelle gab es, das Hotel Morphila Orchester mit Peter Weibel und Loys Egg. Ein wichtiges Kapitel der Ausstellung heißt somit „Künstler als Musiker, Musiker als Künstler“.

8.8

Konzertplakat Molto Brutto, 1981 Gestaltung: Gunter Damisch Gunter Damisch

Wolfgang Kos

18

Denn ohne Musik wäre dieser Kunstreport unvollständig. Es sind Raritäten zu sehen und zu hören, einerseits künstlerisch gestaltete Plattencovers, Musikkassetten und Plakate, andererseits Musikstücke aus den 80er-Jahren in einem speziellen Hörraum. Es werden vier 10-MinutenProgramme angeboten, zwei mit Audiomaterial, zwei mit Videos. Da die Ausstellung in eine Zeit zurückführt, in der Videokameras noch teuer, exklusiv und selten waren und das neue Medium Videoclip erst in den Anfängen war, gibt es nur ganz wenige Videodokumente. Dafür sind auch Probenmitschnitte dabei. Viele Künstler haben für diese Schau in ihrem bereits historischen Audio- und Videomaterial gewühlt. Parallel zur Ausstellung und zum Katalog hat Thomas Mießgang, der Kurator des Musikkapitels, auch eine CD (Ballgasse 6 – Wiener Avantgarde der 80er) für die „Edition Wien Museum“ kompiliert, die auf dem von Walter Gröbchen reanimierten Label Schallter erschienen ist. MEIN LETZTES VORWORT / DANK Somit geht mein letztes Vorwort für einen Katalog des Wien Museums zu Ende. Vorworte sind hybride Texte – und für Menschen, zu deren Pflichten es gehört, sie rechtzeitig vor Drucklegung zu liefern, eine eher belastende. Man erwartet Vorworte, aber man liest sie nur manchmal. Da in Wien geraunt wird, dass es Kunsthallen- und Museumsdirektoren gab und gebe, die nicht nur diverse Texte ghostwriten ließen, sondern sogar eine so persönliche Textsorte wie das Vorwort nicht eigenhändig verfassten, gebe ich somit bekannt, dass ich alle Vorworte für das Wien Museum mit eigenem Kopf und eigenen Fingern produziert habe – natürlich unter Verwendung von Bausteinen, für deren Zureichen ich danke. Als jemand, der gerne über Gott und die Welt schreibt, war es für mich eine merkwürdige Erfahrung, in zwölfeinhalb Jahren nur sehr selten Journalistisches oder Wissenschaftliches verfasst zu haben, sondern ‚nur‘ über 100 Vorworte. Ich habe zumindest versucht, über das Intro-Ritual hinaus, auch Grundsätzliches zum thematischen Kontext, zu Selbstverständnis und Arbeitsweise oder zu den Zielen und Motiven des Museums


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