Wien Museum Ausstellungskatalog „Werkbundsiedlung Wien 1932 - Ein Manifest des neuen Wohnens“

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Josef Frank kamen dabei seine Stellung im Wiener Kunstgeschehen und nicht zuletzt seine Ausstellungserfahrung zugute. Er hatte 1927 als einziger Österreicher ein Doppelhaus für die Werkbundausstellung „Die Wohnung“ auf dem Gelände des Weißenhofs in Stuttgart geplant, außerdem gestaltete er den österreichischen Beitrag für die „Internationale Presse-Ausstellung“ in Köln 1928 sowie für die Ausstellung „Heim und Technik“ in München. Die Wahl Josef Hoffmanns zum Vizepräsidenten lag auf der Hand, sollte denn der

Abb. 19 Exposition internationale des arts décoratifs et industriels modernes, Paris 1925, Orgelturm von Oskar Strnad. Foto: Bruno Reiffenstein

Ausgleich gelingen. Hermann Neubacher war Generaldirektor der „GESIBA Gemeinwirtschaftliche Siedlungs- und Baustoffanstalt“, die er zu einer der erfolgreichsten Einrichtungen der sozialdemokratischen Wiener Gemeinwirtschaft und der Siedlerbewegung entwickelte. Unter seiner Führung kamen auch Viktor Fadrus, Direktor des Pädagogischen Instituts der Stadt Wien, Otto Neurath, Direktor des Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums, sowie die Architekten Max FelGlanzpunkt“ der Pariser Ausstellung. (Abb. 18) Die

lerer, Oswald Haerdtl, Walter Sobotka und Oskar

französische Presse würdigte Österreichs Leistung ge-

Strnad in den Vorstand oder Ausschuss des Werkbun-

radezu überschwänglich, und Josef Hoffmann wurde

des. Die Arbeit erreichte schon wenige Wochen nach

mit dem Kommandeurkreuz der französischen „Le-

der Wahl eine große Breitenwirkung.16

gion d’honneur“ ausgezeichnet. Für Bundespräsident Michael Hainisch war die Teilnahme Österreichs an

Der Gedanke zur Werkbundsiedlung entsteht

dieser internationalen Ausstellung ein persönlicher

Zusammen mit Haerdtl, Kalmár und Sobotka fuh-

Erfolg und zeigte eindrucksvoll seine Arbeitsmethode.

ren Frank und Neubacher 1929 zur Tagung des Deut-

Er hatte damit eine Entwicklung eingeleitet, die kultur-

schen Werkbundes nach Breslau und zur Besichtigung

politisch über seine Amtszeit hinaus wirken sollte. Die

der Ausstellung „Wohnung und Werkraum“. Dort

Einigung der Werkbundbewegung kam in Gang und

luden sie den Deutschen Werkbund ein, in Erinnerung

führte letztlich zur Werkbundsiedlung 1932.

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an die Tagung von 1912 seine Jahrestagung 1930 in Wien abzuhalten. Im Rahmen einer großen Werk-

Arbeit und Erfolge 1929–1932

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bundausstellung sollte auch eine Werkbundsiedlung

Die Krise im Werkbund wie auch in der Wiener

errichtet werden. Neubacher, die GESIBA und die

Werkstätte ließ im Frühjahr 1926 zahlreiche Persönlich-

„Heimbauhilfe“ der Gemeinde Wien sollten die Finan-

keiten des kulturellen und wirtschaftlichen Lebens

zierung und Organisation sicherstellen, Josef Frank die

nach einem Ausweg suchen. Der naheliegende Ge-

künstlerische Leitung und den Entwurf der Gesamtan-

danke war, die Zersplitterung der Kräfte zu überwinden

lage übernehmen.

und den Österreichischen Werkbund auf eine neue,

Die damalige Aufbruchsstimmung und die nun ver-

umfassende Grundlage zu stellen. Ende Mai 1926 er-

stärkte Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen

klärte sich der „Werkbund Wien“, also die Gruppe um

und dem Österreichischen Werkbund sind nicht zu-

Josef Hoffmann, bereit, wieder in den Österrei-

letzt vor dem Hintergrund der Mitteleuropa-Politik um

chischen Werkbund einzutreten. Die Verhandlungen

1930 zu sehen, in deren Zentrum die Schaffung einer

waren aus wirtschaftlichen Gründen schwierig. Erst

Zollunion zwischen dem Deutschen Reich und Öster-

Ende November 1928 erfolgte – nach sieben Jahren

reich stand. Der Plan scheiterte im September 1931 an

Trennung – die Wiedervereinigung der beiden Bünde.

den Großmächten. Im Jahr 1932 verfasste Hermann

Zum Präsidenten wurde Hermann Neubacher gewählt,

Neubacher die von der Österreichisch-Deutschen Ar-

Josef Frank und Josef Hoffmann zu Vizepräsidenten.

beitsgemeinschaft herausgegebene Denkschrift Kampf


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