Die österreichische Leistung – Josef Hoffmann und
Museum „die gesamten Interessen der heimischen
Oskar Strnad errichteten ein eigenes Haus mit einem
Kunstindustrie zu fördern und dieselben nach jeder
Innenhof, ausgestattet mit österreichischem, insbe-
Richtung hin zu vertreten“.12 Der Kunstgewerbeverein
sondere böhmischem Kunsthandwerk – führte zu
hatte seit 1912 eine eigene Verkaufsstelle im Palais Pal-
einem beispiellosen Erfolg, obwohl der Kritiker Walter
lavicini, die Wiener Werkstätte eine am Graben und
Curt Behrendt mit fast an Loos gemahnender Schärfe
zudem Verkaufsstellen in Breslau und Marienbad, ab
feststellte, dass dies „Luxuskunst für die oberen Zehn-
1917 auch in Zürich und ab 1929 in Berlin. Die Wiener
tausend der modernen Großstadt, etwas für die mon-
Werkstätte hatte von ihrer Gründung 1903 bis zu ihrem
dänen Launen von Snobs und für die Bedürfnisse de-
Ende 1932 stets mit wirtschaftlichen Misserfolgen zu
kadenter Ästheten, aber im Grunde doch nicht recht zu
kämpfen. Sobald der Werkbund begonnen hatte, eine
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gebrauchen“ sei. (Abb. 17) Wenngleich es also berech-
eigene Politik zu betreiben und nicht mehr nur Hilfs-
tigte Kritik im Hinblick auf die Aufgaben gegenüber
organisation der genannten Einrichtungen sein wollte,
der Massengesellschaft des Industriezeitalters gab, gab
mussten die Schwierigkeiten ihren Anfang nehmen.
es auch viel Lob in der offiziellen Besprechung der Ausstellung im Jahrbuch 1915 des Deutschen Werkbundes
Die Zersplitterung der Kräfte 1920–1928
mit der Feststellung, dass alle Hoffnungen und Wün-
Anders als im Deutschen Reich, wo der Werkbund
sche des Werkbunds sich nirgends der Erfüllung mehr
in der Weimarer Republik rasch großen kulturpoliti-
genähert hätten als im Österreichischen Haus. Der
schen Einfluss erlangte, geriet der Werkbund in Öster-
Wiener Kunsthistoriker Max Eisler formulierte 1916
reich im Jahr 1920 aus fachlichen und wirtschaftlichen
treffend: „Das österreichische Kunstgewerbe hat auf
Gründen in eine schwere Krise, die beinahe zur Auflö-
der Kölner Ausstellung neuerdings bewiesen, dass sein
sung führte. Die Kunstschau 1920 wurde, trotz großer
besonderer Nerv das Handwerk ist, die Industrie sein
Not, von zwei Staatsämtern und der Stadt Wien finan-
Nebengebiet, also etwa das gerade umgekehrte Ver-
ziell gefördert. Josef Hoffmann stand dem Ausstel-
hältnis wie im Bezirke des reichsdeutschen Schaffens.
lungskomitee vor und war zu dieser Zeit auch Werk-
Wirtschaftlich mag dies ein Schaden sein, künstlerisch
bundpräsident. Für die Schau bevorzugte man beson-
ist es gewiss ein Vorteil [...] damit haben wir unsere be-
ders exzentrisches Kunstgewerbe, womit sie im Ge-
sondere Rolle im Rahmen deutscher Gemeinarbeit
gensatz zu den Zielen des Werkbundes stand. Hoff-
klargelegt, uns und den anderen.“11
mann und seine Kollegen gerieten in die Kritik. Die Vorgeschichte: Hoffmann hatte im Jänner 1920 im
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Der Kampf der vielen Mitbewerber gegeneinander
Werkbund überraschend den Antrag gestellt, die Ver-
In Österreich vollzog sich der Rückgang des Hand-
kaufsstelle aufzulösen, weil dort zu viel Kunstgewerbe
werks langsamer als in Deutschland. Nach der Be-
ohne Qualität verkauft werde. Die Kunstschau, die Ver-
triebszählung im Jahr 1902 gab es in Österreich rund
flechtungen des Österreichischen Museums mit der
600.000 Klein- und Mittelbetriebe, in denen 1.300.000
Kunstgewerbeschule und der Wiener Werkstätte, die
Gewerbetreibende beschäftigt waren. Die Förderung
Vermischung von öffentlichen Einrichtungen und pri-
all dieser war auch eine Aufgabe des Werkbundes, wes-
vaten Geschäften führten im Sommer 1920 aller Orten
halb er im Dezember 1915 eine Verkaufsstelle einrich-
zu Empörung. Nach wochenlangen Streitigkeiten kam
tete. Dazu wurde im Grand Hotel an der Ringstraße ein
es zum Austritt Josef Hoffmanns und fast des gesam-
Lokal angemietet, in den Statuten war nun neben den
ten Vorstands und später zur Abspaltung eines „Werk-
Ausstellungen auch der „nutzenfreie Verkauf“ von
bundes Wien“ durch diese Gruppe. Der Österrei-
Werken der Kunst, der Industrie und des Gewerbes ver-
chische Werkbund blieb weiter bestehen und festigte
ankert.
sich unter neuer Leitung um die Jahreswende 1920/21.
Josef Hoffmann und seine Wiener Werkstätte hat-
Die Verkaufsstelle bauten Präsident Robert Örley und
ten eine starke Stellung im Werkbund. Dazu kamen der
Wilhelm Haas intern zu einer Ausstellungs-, Messe-
mächtige Einfluss des Museums für Kunst und Indus-
und Exportabteilung aus, 1926 wurde sie zu einer reg.
trie, der Kunstgewerbeschule und die Konkurrenz des
Genossenschaft m.b.H. und unabhängig vom Werk-
1884 gegründeten Wiener Kunstgewerbevereins, des-
bund. Durch kaufmännisches Unvermögen entstan-
sen Ziel es war, in Zusammenarbeit mit dem genannten
den dem Österreichischen Werkbund Ende 1923 bei