Prolog Mai 2017 | Wiener Staatsoper

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JONAS KAUFMANN ALS CAVARADOSSI Ein Exempel grenzenloser Begeisterung

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Cavaradossi (Tosca) 5., 8., 11. Mai 8. Mai Gratis-Livestream Mehr auf www.omv.at/tosca

iener Staatsoper, 16. April 2016: man gibt Tosca in einer Superbesetzung mit Angela Gheorghiu, Jonas Kaufmann und Bryn Terfel, am Pult steht Jesús López Cobos. Zwei Akte lang lodern die Leidenschaften – und der Geist von Giacomo Puccini scheint präsent. Doch im 3. Akt wird es spektakulär: Jonas Kaufmann beginnt die berühmte Sternenarie in zartestem – leicht melancholisch verschleiertem – Piano, steigert sich mit seiner dunklen Heldentenor-Stimme, die in der strahlenden Höhe an Franco Corelli erinnert, zur Höchstform und verwandelt das Publikum in einen „Hexenkessel“ der Begeisterung. Jubel, Bravi, „Bis“-Rufe und Extase-Pfiffe. Die Arie E lucevan le stelle dauert gute drei Minuten, der Applaus – mit ständig sich steigenden Phonzahlen – dauert nun schon doppelt so lang. Da gibt Jonas Kaufmann nach: er wiederholt die Arie Und es blitzten die Sterne. Nun ist das Publikum so hypnotisiert, dass es nicht nochmals in einen unwiederholbaren Begeisterungstaumel verfallen will. Und prompt kommt es nun zum Eklat: Floria Tosca – alias Angela Gheorghiu – erwartet sich nach der Wiederholung neuerlich einen Jubelorkan und verpasst ihren Auftritt. Erst mit zweiminütiger Verspätung beginnt das Finale ordnungsgemäß. Man kann dieses Exempel grenzenloser Begeisterung – wie heute üblich – auf YouTube nacherleben. Oder man kann gespannt sein, wie die aktuelle Tosca-Serie mit Angela Gheorghiu und Jonas Kaufmann in der Wiener Staatsoper diesmal ausfallen wird. Jedenfalls können sich die Fans des 1969 in München geborenen Tenors auf diese Tosca-Serie freuen. Jonas Kaufmann hat ein turbulentes Jahr – inklu­ sive Sing-Pause – hinter sich. Aber seit seiner Rückkehr auf die Bühne beim Wiener Opernball 2017 mit der Arie des Don José und dem Lehár-Schlager Dein ist mein ganzes Herz steht fest: der attraktive Sänger setzt seine schier unglaubliche Karriere ungemindert fort – er feierte als Lohengrin in Paris und mit der anspruchsvollen Rolle des Andrea

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N° 209

www.wiener-staatsoper.at

Chénier in München rauschende Erfolge. Und im nächsten Monat plant er sein Otello-Debüt in Covent Garden/London. Wie wird man jedoch ein so begehrter Sänger? Die Anfänge des Startenors waren jedenfalls alles andere als außergewöhnlich. In einer Opernwerk­ statt verglich er seine Anfänge mit den vielzitierten Galeeren-Jahren von Giuseppe Verdi. Aufgewachsen ist er zwar mit seiner älteren Schwester in einer gutbürgerlichen Familie in München. Fürs Klavierspielen sind seine Finger aber noch zu klein – so entdeckt er als Ersatzhandlung das Chorsingen. Dennoch beginnt er nach dem Abitur ein Mathematik-Studium und singt so nebenbei im Zusatzchor des Gärtnerplatz-Theaters. Erst mit 20 Jahren entscheidet er sich endgültig für die Oper und beginnt ein Studium der Musik an der Hochschule für Musik und Theater in München. In der Saison 1993/1994 debütiert er in Regensburg als Caramello in der Nacht in Venedig. Im Mai 1994 singt er seinen ersten Tamino in einer konzertanten Zauberflöte im Münchner Prinzregenten-Theater. Dann geht er zwei Jahre nach Saarbrücken. Lortzing, Mozart und Johann Strauß sind seine Komponisten, keine Rede von den großen Werken von Verdi, Puccini und Wagner. In den Folgejahren agiert er als Freelancer und sammelt wertvolle Erfahrungen. Seine wichtigsten Partien sind weiterhin der Belmonte, der Ferrando und schon – als Vorbote des späteren Heldentenors – der Florestan. Wichtig wird 2003 eine Traviata in Chicago. Denn mit dieser Oper beginn am 4. Februar 2006 an der MET die Geschichte des „Startenors Jonas Kaufmann“. Attraktion des Abends war auch damals Angela Gheorghiu, die zu den absoluten MET-Lieblingen gehörte. Jonas Kaufmann, der drei Jahre zuvor James Levine vorgesungen hatte, hoffte auch auf ein positiv gestimmtes Publikum. In der Biographie von Thomas Voigt „ Jonas Kaufmann“ (Henschel 2010) wird dieser Abend im Untertitel


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