BALLETT
Der heimliche Star der Josephs Legende: Das Heckelphon
B
eständig auf der Suche nach neuen Klangeffekten war Richard Strauss, der Meister der Instrumentation. In seinen ergänzenden Kommentaren zu Hector Berlioz’ Instrumentationslehre schrieb er: „Einen neuen Gewinn für das Orchester bildet die aus der Fabrik von F. Lorée in Paris stammende Bariton-Oboe, der unlängst in dem von Wilh. Heckel in Biebrich erbauten Heckelphon ein gefährlicher Rivale erwachsen ist. […] Eine Oktave tiefer als die Oboe klingend ist es von reichem und wohltönendem Timbre.“ Selbiges schlug Strauss so sehr in seinen Bann, dass er das Instrument in den Kompositionen Salome, Elektra, Festliches Prä ludium für großes Orchester und Orgel, Josephs Legende und Eine Alpensinfonie verwendete. Trotz der Begeisterung von Strauss (auch Paul Hindemith setzte es im Bereich der Kammermusik ein) blieb das Heckelphon bis heute leider eher exotisch: Die Wilhelm Heckel GmbH, gegründet 1831 in Wiesbaden, baute bislang lediglich 155 Exemplare davon. Das im Besitz der Wiener Staatsoper befindliche Instrument, Opus-Nummer 42, wurde imJänner 1909 übergeben und bis heute als ein besonderer Schatz gehütet. Gegenwärtig ruht die Verantwortung für das Instrument, dem Richard Strauss unvergessliche Momente anvertraute, in den Händen von Alexander Öhlberger, der im Orchester der Wiener Staatsoper als Oboist wirkt. Als Mitglied der Oboenfamilie wird das Heckelphon, auch der Grifftechnik wegen, von Oboisten gespielt, Alexander Öhlberger würde es dennoch näher dem Fagott zuordnen: „Ich stamme aus einer Fagott-Familie, mein Onkel, mein Vater und mein Bruder haben sich diesem Instrument gewidmet. Es macht mir deshalb große Freude das Heckelphon zu spielen, weil das Instrument vom Ansatz – also vom Mundstück, man sagt kurz „Rohr“ dazu – her doch eher ein Fagottinstrument ist. Die Griffe sind 1:1 Oboengriffe (mit Ausnahme der
Daumenklappen, die man zum Beispiel am Schluss der Salome benötigt), aber es werden Fagottmundstücke verwendet.“ Klanglich kann es dabei durchaus zur Sache gehen, wie Öhlberger berichtet: „Das Instrument ist in der Lage, einen sehr durchdringenden Klang zu entwickeln. Wir haben es unlängst mit neuen Erfindungen des Instrumentenbaus und auch älteren Bariton-Oboen verglichen: Das Heckelphon ist und bleibt definitiv ein Spitzen instrument, an das andere Konzepte klanglich nicht heranreichen. Verwendet wird es bevorzugt im tiefen Register. In der Höhe wird es im Spiel etwas mühsam. Es würde aber auch nichts bringen, extreme Höhe zu verlangen, denn dann könnte man ja gleich auf der Oboe spielen. Klangfarblich betrachtet setzt sich das Heckelphon andererseits aber auch deutlich von der Oboe ab: Während man zwischen Oboe und Englischhorn bei Einzeltönen manchmal nur schwer unterscheiden kann und daher mitunter eine ganze Phrase benötigt, um das jeweilige Instrument zu identifizieren, gelingt das beim Heckelphon immer auf Anhieb. Man ordnet es sofort anders ein, als die Oboe. Daher ist es auch erforderlich, sich als Oboist gut auf eine Heckelphon-Partie vorzubereiten. In diesem Zusammenhang habe ich so manchen Abend geopfert, um mich auf Vorstellungen mit dem Instrument einzustellen. Wenn ich weiß der Ansatz stimmt, das Instrument spricht an und es funktioniert alles, dann bin ich beruhigt. Für ein Werk wie die Josephs Legende macht die Vorbereitung auch besondere Freude. Vor allem der Schluss der Josephs Legende ist genial, ein herrliches Orchesterwerk.“ Als die unverwechselbare Stimme des klanglichen Herzens von Richard Strauss trägt das Heckelphon zur Fülle dieser Klangpracht bei, die das Wiener Staatsballett durch den ganz Richard Strauss gewidmeten Ballettabend Verklungene Feste | Josephs Legende begleitet. Oliver Peter Graber
www.wiener-staatsoper.at
N° 198
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Alexander Öhlberger
Verklungene Feste | Josephs Legende 22. und 25. April 2016