Oktober 2010 | Wiener Staatsoper

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BALLETT

ONEGIN

Ein Handlungsballett par excellence

Dirigent: Guillermo García Calvo / James Tuggle

Als Beispiel eines weltweit gefeierten Handlungsballetts aus der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts steht John Crankos Onegin im Oktober vier Mal auf dem Spielplan. Es markiert den Höhepunk einer Entwicklung, deren Anfang im Wien des 18. Jahrhunderts liegt. Hier nämlich, an den Hoftheatern Maria Theresias, vollzog sich jene Reform, aus der das Ballett als ein von der Gattung der Oper emanzipiertes Kunstwerk hervorging. Der Ballettschaffende, dem dieses Reformwerk gelang, war der Franzose Jean Georges Noverre. Die 200. Wiederkehr seines Todestages feiert die Ballettwelt am 19. Oktober. Seine Reformbestrebungen hatte Noverre schon 1760 in seinen mittlerweile legendären „Briefen über die Tanzkunst und das Ballett“ niedergelegt. Wesentlichste Forderung dieser Schriften war, das Ballett als eine Form des Musiktheaters zu etablieren, die – zum Unterschied zu den in Opern gegebenen Divertissements – eine Geschichte erzählt. Mit neuen tänzerischen und gestisch-mimischen Mitteln sollte diese „dramatische Aktion“ den Zuschauer erschüttern, die Choreographie zudem kontrastreich sein, um die Tragik der Handlung noch zu steigern.

Onegin: Eno Peci / Roman Lazik / Vladimir Shishov Tatjana: Irina Tsymbal / Nina Poláková / Ketevan Papava Lenski: Denys Cherevychko / Andrey Teterin / Eno Peci Olga: Natalie Kusch / Maria Alati / Liudmila Konovalova Fürst Gremin: Gregor Hatala / Vladimir Shishov / Kirill Kourlaev 3., 7., 9., 13. Oktober

Gerade die letzte Noverresche Forderung ist neben anderem in dem 1965 uraufgeführten und zwei Jahre später überarbeiteten Ballett Onegin in idealer Weise realisiert. Die das Cranko-Ballett dominierenden Pas de deux des Protagonistenpaares Onegin und Tatjana, das heißt, das private Zusammensein, das mit Fortschreiten der Handlung sich immer dramatischer gestaltet, werden mit den groß angelegten Gesellschaftsbildern kontrastiert. Diese zeigen nicht nur, worin die Charaktere eingebettet sind, sie erhöhen auch die Intensität der privaten Tragödie. Tatjanas Geschichte wird schnell und ohne Umschweife erzählt, sie fordert den Tänzern das äußerste an Gestaltungskraft ab. Während der Brite John Cranko zu früh starb, um königlicher Ehren teilhaftig zu werden, durfte sich Noverre schließlich „k. k. Hof-Ballet und Tanzmeister“ nennen. Der erfolgreich agierende Choreograph gehört aber auch einer ganzen Linie von großen Persönlichkeiten des französischen Balletts an, an deren Spitze nunmehr der neue Direktor des Wiener Staatsballetts, Manuel Legris, steht. www.wiener-staatsoper.at

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Nina Poláková, Roman Lazik


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