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AUF INS THEATER!

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ICH BIN FREI.

ICH BIN FREI.

Unter der Leitung von Barbara Frazier, die auch selbst Regie führt, ist das JUST+ mit einem neunköpfigen Team seit der Spielzeit 21/22 vertreten und sendet schon damit ein starkes Signal aus: Für jede Sparte von Tanz bis Konzert ist künftig mindestens eine spezialisierte Pädagogin tätig. Besondere Anliegen des Teams sind die Öffnung in die Stadt, der Abbau von Barrieren und der Austausch mit den Menschen in der Stadt ebenso wie aus dem ländlichen Raum. Wir haben sie zum Interview eingeladen, um mir ihr über Veränderungen, Neuerungen und die emotionalen Reaktionen auf die aktuelle Produktion „Die Zauberflöte“ zu sprechen.

Seit zwei Jahren leitest du das JUST+ – Junges Staatstheater+. Was hat sich seitdem verändert? Vielleicht ist es sinnvoll, einmal vorab zu beschreiben, was das JUST+ eigentlich ist: Unsere Aufgabe innerhalb des Staatstheaters ist es, einen Spielplan für junges Publikum zu erstellen und umzusetzen; sprich: Gemeinsam mit der Dramaturgin Bernadette Binner suche ich Stücke und Projekte aus, die wir für ein Kinder- und Jugendpublikum auf die Bühne bringen wollen. Wir arbeiten dabei oft spartenübergreifend, weil wir wollen, dass gerade junges Publikum mit allen Darstellungsformen in Kontakt kommt. Verändert hat sich vielleicht, dass wir versuchen, die Trennung von Publikum und Bühne aufzuheben, performativer und partizipativer zu werden und das Publikum dadurch zum aktiven Bestandteil des Geschehens zu machen.

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Das Junge Staatstheater+ ist aber noch mehr: Wir sind auch die Vermittlungsabteilung, die alle Produktionen des Theaters dem Publi- kum jeden Alters zugänglich macht. Mit Beginn meiner „Amtszeit“ hat sich das Team erweitert und stärker vernetzt. Wir sind elf Frauen (inklusive zweier BFD-Stellen), die unterschiedlichste Lebens- und Berufswege hinter sich haben und nun alle zusammen versuchen, ein gemeinsames Ziel zu erreichen: Theater in die Stadt zu tragen, Berührungsängste abzubauen, Barrieren zu verkleinern, ein Theater für alle zu werden.

Wofür steht das +?

Das Plus steht für die Einbeziehung von Laiendarsteller*innen in unseren Profi-Spielbetrieb. Wir sprechen hier von „Expert*innen des Alltags“, wie es viele andere sogenannte „Bürger*innen-Bühnen“ deutschlandweit schon lange praktizieren. Menschen aus Kassel und Umgebung stehen mit ihren Geschichten, ihren Körpern, ihren Weltansichten auf unseren Bühnen. In der ersten Spielzeit war das u. a. in „Fliegen Lernen“ und „Krabat“ der Fall, aber auch beispielsweise in der Oper „La Muette de Portici“. Diese Spielzeit hatten wir „Hey, Alter“ – ein Tanzprojekt für junges Publikum ab 12 Jahren auf dem Spielplan: Zwei Profi-Tänzerinnen standen zusammen mit Kindern und Senior*innen auf der Bühne, um gemeinsam über Alter und Altern zu sprechen und zu tanzen.

Durch unsere enge Zusammenarbeit mit Menschen, die nicht Teil der „Theater-Blase“ sind, sondern ganz andere Geschichten und Realitäten kennen, erfolgt ein Perspek- tivwechel für alle Beteiligten. Das ist eine enorme Bereicherung, die ich nicht missen möchte. Das Plus symbolisiert aber auch, dass „Jung“ in „Junges Staatstheater“ sich nicht nur auf das Alter beziehen muss. „Jung an Erfahrung“ ist ein Großteil unseres Publikums, dem wir versuchen einen Erstkontakt mit Theater zu ermöglichen. Wir wollen auch die Menschen kennenlernen und anlocken, die Theater bislang nicht für sich entdeckt haben, weil sie vielleicht nicht das Gefühl hatten, dort gewünscht oder vertreten zu sein.

Du hast als freie Theaterpädagogin u. a. in Palästina gearbeitet. Erzählst du uns bitte etwas darüber? Das ASHTAR Theatre in Ramallah, bekannt durch sein weltweites Theaterprojekt THE GAZA MONOLOGUES, hat ein internationales Theaterfestival für Jugendliche ausgerichtet: Junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren aus dem Westjordanland, Gaza, Belgien, Italien, der Türkei und Deutschland haben zu verschiedenen Themen geforscht und performt. Als Regisseurin und Theaterpädagogin habe ich mit meiner Gruppe zu Gruppendynamik und Schwarmverhalten in Bezug auf Aristophanes , DIE VÖGEL gearbeitet. Wir hatten keine gemeinsame Sprache, daher war die Kommunikation sehr körperlich und sehr abhängig von der Geduld und dem

Miteinander der Gruppe. Das Festival war so organisiert, dass wir außerdem noch verschiedene Städte in Palästina besuchen konnten, Theaterstücke gesehen haben und jeden Abend gemeinsam gegessen, gefeiert und getanzt wurde.

Welche Projekte plant ihr mit der Uni Kassel?

Im JUST+ versuchen wir uns verstärkt in die Ausbildung der Lehrkräfte einzuklinken. Wir möchten ihnen Tools mitgeben, die die spätere Zusammenarbeit mit Kulturbetrieben (wie Theater), aber auch das ästhetische Forschen innerhalb des Unterrichts oder die Selbst-Präsentation vor einer Schulklasse erleichtern. Ich persönlich erhoffe mir auch, dass noch mehr Studierende den kostenlosen Eintritt in unsere Stücke nutzen und sich zahlreich bei unseren Castings für die anstehenden Plus-Projekte anmelden.

Worauf freust du dich in dieser Spielzeit noch?

Ich freue mich sehr auf die kommenden Vorstellungen der ZAUBERFLÖTE. Neben meiner Funktion als Leiterin des JUNGEN

STAATSTHEATERS+ bin ich auch als Regisseurin tätig. Mein letztes Projekt war DIE ZAUBERFLÖTE in Co-Regie mit dem Intendanten Florian Lutz. Innerhalb der Inszenierung darf das Publikum mitbestimmen, wie DIE ZAUBERFLÖTE gezeigt werden soll, sodass wir vorab nie wissen, wie der Abend verlaufen wird. Das ist stressig und aufregend zugleich. Hinzukommend hat unser Regiekonzept wahnsinnig polarisiert, die Leser*innenbriefe reichen von Hasstiraden bis Lobeshymnen und die Vorstellungen sind umjubelt und beschimpft. Diese Lebendigkeit und Emotionalität waren früher fester Bestandteil von Theater – heute gibt es das eher selten; dabei ist es doch genau das, was Kunst im besten Fall auszulösen vermag.

Mit welcher Persönlichkeit aus der Gegenwart würdest du gern mal auf der Bühne stehen?

Oh, das ist einfach: Mit Phoebe Waller-Bridge, der Autorin und Protagonistin von FLEABAG.

Was macht dir an deiner Arbeit am meisten Spaß?

Sehr vieles! Fällt mir schwer, nur eines zu benennen, aber ich liebe mein Team und unsere JUST+-

Tage, an denen wir uns treffen, um uns weiterzubilden, Übungen und Arbeitsweisen auszutauschen und einander Feedback zu geben.

Was bedeutet Glück für dich?

Beruflich wie privat: meinen Horizont erweitern zu können. Und Pringles.

›› www.staatstheater-kassel.de

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