Wendt & Kühn - elfpunktepost 37 (Herbst / Winter 2023)

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AUS DEM HAUSE WENDT & KÜHN DAS MAGAZIN 37. AUSGABE HERBST/WINTER 2023 ®

4 Mit Fantasie, Charme und roter Zipfelmütze Geschenk-Tipp

5 Willkommen in einer neuen Welt Wendt & Kühn-App

G wie Grün der Engelflügel Grünhainichener Lexikon

6 Goldglanz und Lesefreuden im Jubiläumsjahr

Neuheiten und Wiederauflagen 2023

8 Was der Elfpunkte-Engel zu seinem Geburtstag erfährt Kinderbuch

9 Großes Staunen und feuchte Augen

Ausstellung in der Wendt & Kühn-Welt

10 Eine faszinierende Frau Grete Wendt

14 Himmlische Bühne

Engelberge

16 Das große Engel-Buch

Ein Jahrhundertwerk

18 Mein Lieblingsengel

Lebendige Tradition

20 Ein Werkstattbesuch

Restaurierung Urkunde

21 Termine und Veranstaltungen

Wendt & Kühn erleben

22 Auf Wiedersehen

Letztmalig 2023 gefertigt

LIEBE LESERINNEN UND LESER,

selten haben wir über das Titelbild für eine elfpunktepost so ausführlich diskutiert wie bei dieser Ausgabe, die Sie gerade in den Händen halten. Letztendlich haben wir uns dafür entschieden, diesmal keine Figur aus dem Sortiment abzubilden. Stattdessen haben wir eine künstlerisch-grafische Interpretation eines Flügels unserer Elfpunkte-Engel gewählt. Mit dieser Abstraktheit und der Konzentration auf die inzwischen legendären elf weißen Flügelpunkte möchten wir zum Ausdruck bringen, welche Bedeutung der 100. Geburtstag der Elfpunkte-Engel in diesem Jahr für unser Familienunternehmen, für unsere Fachhändler und für Zehntausende Fans und Liebhaber auf der ganzen Welt hat.

Die ersten drei dieser Figuren hatte meine Großtante Grete Wendt im Herbst 1923 geschaffen – gedacht als Weihnachtsgabe an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Manufaktur. Ein Jahrhundert später sind die ElfpunkteEngel – in ihrer Grundform unverändert – weltbekannt und beliebter denn je. Wie kann das sein? Wie viele verschiedene Elfpunkte-Engel wurden in 100 Jahren in unserer Manufaktur gefertigt? Worin liegt ihre Gabe begründet, Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen zu berühren? Ist der 100. Geburtstag nicht auch der Moment, sich der Persönlichkeit ihrer Schöpferin Grete Wendt mit einem großen Porträt zu nähern?

Unser Anspruch war es, im Jubiläumsjahr Antworten auf diese und weitere Fragen zu finden. Entstanden ist „Das große Engel-Buch: Enzyklopädie eines Design-Klassikers“, das wir auf den Seiten 16/17 erstmals aufschlagen, um Sie dazu einzuladen, darin bereits ein wenig zu blättern. Ende November dieses Jahres wird es dann zunächst in deutscher Sprache erscheinen und direkt in der Manufaktur sowie überall dort erhältlich sein, wo auch unser Sortiment zu haben ist.

Apropos Sortiment: Auf den Seiten 6 bis 8 stellen wir Ihnen die Neuheiten und Wiederauflagen vor, die in diesem Jahr bereits hinzugekommen sind oder ab Mitte Oktober erwartet werden. Dazu gehören unter anderem der Stall für die Krippenfiguren sowie der Adventskalender 2023, der mit feinsten Pralinen und wiederum einer exklusiven Figur Genuss und Sammlerfreude gleichermaßen beschert.

Doch zunächst wünsche ich Ihnen viel Freude, neue Inspirationen und gute Unterhaltung mit dieser elfpunktepost und den darin enthaltenen interessanten Geschichten.

Ihre Claudia Baer, geb. Wendt

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Mit Fantasie, Charme und roter Zipfelmütze

Im Gedicht „Die Heinzelmännchen zu Köln“ von August Kopisch (1836) kommen die kleinen Gehilfen bei Nacht ganz still und heimlich, um allerlei Arbeiten für die Menschen zu verrichten. Bei Sonnenaufgang jedoch sind die Heinzel verschwunden, noch bevor sie jemand sehen kann. Wir finden: Das ist schade. Deshalb erfreuen die „Heinzelmännchen zu Grünhainichen“ die Menschen auch bei Tag.

Mit ihren kecken Zipfelmützen, ihren leuchtend roten Hosen und Hemden und ihren langen weißen Bärten „werkeln“ sie sich in die Herzen ihrer Betrachter. Immer emsig, immer fleißig. Ganz egal, ob sie gerade einen köstlichen Kuchen backen, Kaffeebohnen mahlen, ein Geschenk verpacken, im Garten beim Gießen, Graben oder Pflanzen helfen, Holz hacken oder Schuhe putzen – sie tun es stets mit einem gütigen Blick. Elf Heinzel befinden sich aktuell im Sortiment von Wendt & Kühn. Ein schöner Reigen, der zu Geschenken für liebe Menschen inspiriert. So erfreut der Heinzel mit Kaffeemühle die Liebhaber der fei -

nen Bohne. Der Heinzel mit Kuchen überrascht zum Geburtstag. Der Geselle mit Geschenk sagt vielleicht auf liebevolle Weise „Du bist ein Geschenk für mich“. Die Gärtner-Heinzel eignen sich wunderbar als Präsent für Blumenfreundinnen und Gemüsebauern. Was alle vereint – sie lassen schmunzeln, verzaubern Jung und Alt. Und sie werden zu liebenswerten Begleitern im Alltag, auch abseits der großen Feste.

Tipp: Erweitern Sie das Heinzel-Geschenk um thematisch passende Beigaben. Das Heinzelmännchen mit Kaffeemühle kann dem Beschenkten edle Kaffeebohnen mitbringen, der Kuchen-Heinzel eine leckere Geburtstagstorte, die Gärtner eine außergewöhnliche Pflanze und der Heinzel mit Malpalette hält einen neuen Farbkasten für den kleinen oder großen Künstler bereit. So entstehen ganz persönliche Geschenk-Arrangements – mit Fantasie, Charme und roter Zipfelmütze.

GESCHENK-TIPP 4

GRÜNHAINICHENER LEXIKON

WILLKOMMEN IN EINER

NEUEN WELT

Wendt & Kühn immer bei sich haben – diesen Wunsch erfüllen wir demnächst mit einer App. Am besten umschreiben lässt sich die App mit einem „digitalen Sammelheft“, in dem sich die Lieblingsfiguren befinden. Doch die App kann mehr als nur kennzeichnen, welche Figuren bereits zur eigenen Sammlung gehören: Kleine Steckbriefe geben Auskunft über den Entwurf, das Entwurfsjahr und gestalterische Variationen der Himmelsboten. Nutzer haben also gewissermaßen ein virtuelles Lexikon immer dabei. Den Auftakt machen, passend zum Jubiläum, auch in der App die ElfpunkteEngel. Versprochen sei schon so viel: Auch andere Sortimentsgruppen wie die Blumenkinder werden später in der App enthalten sein. Die kostenfreie Variante bietet einen Überblick über das aktuelle Sortiment. Weitere Funktionen wie das Erstellen einer Wunschliste, ein Terminkalender und die Möglichkeit, eigene Engel fotografisch in der Sammlung festzuhalten, erwarten Sie in der Premium-Version. Darin sind zudem auch alle uns bekannten Elfpunkte-Engel hinterlegt, die aktuell nicht mehr im Sortiment sind, sowie alle Engel, die speziell für Firmen oder Händler entwickelt wurden – ein zusätzliches Highlight für jeden Sammler.

Die App wird im Apple App Store und im Google Play Store für iOS und AndroidGeräte erhältlich sein. Sobald die App verfügbar ist, informieren wir darüber auf unserer Internetseite. Wir wünschen viel Freude beim Erkunden dieser digitalen Welt.

Es grünt so grün bei Wendt & Kühn: Grüntöne gibt es in der Manufaktur viele, über 50 verschiedene finden sich in den Farbtöpfen der Malerei. Einen davon haben die Elfpunkte-Engel für ihre Flügel reserviert. Warm und sanft mutet er an und setzt dennoch am Engel, der mit nur wenigen Farben auskommt, einen markanten Akzent. Mit einem breiten Pinsel streichen die Malerinnen die Farbe auf, auf die später die namensgebenden elf Punkte getupft werden. Früher wurde das Grün in der Manufaktur – vermutlich sogar von jeder Malerin selbst – angemischt, was gelegentlich zu gewissen Farbschwankungen führen konnte. Heute gehört das Flügelgrün zu den wenigen Farben, die fertig gemischt angeliefert werden. Warum Grete Wendt, als sie die Elfpunkte-Engel 1923 entwarf, gerade diese Flügelfarbe wählte, ist nicht überliefert. Grün gilt gemeinhin als die Farbe der Hoffnung. Vielleicht wollte sie ganz bewusst ein solches Zeichen setzen in einem Jahr, das in Deutschland von Verunsicherung und Hyperinflation geprägt war. Grün steht außerdem für Harmonie und die Natur – beides spielte in Grete Wendts Leben eine wichtige Rolle und floss sicherlich auch in die Gestaltung der legendären Elfpunkte-Engel ein.

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WENDT & KÜHN-APP
G WIE GRÜN DER ENGELFLÜGEL

Lesefreuden im Jubiläumsjahr Goldglanz und

Glanzvoll präsentiert sich der „Komponist“, die neue Goldedition, und ergänzt musikalisch die Figuren des Jubiläumsjahres (im Überblick auf Seite 7). Und er „stimmt ein“ auf zwei Buchveröffentlichungen, die wir für den Spätherbst und Winter planen. Auf den Seiten 8 und 16/17 stellen wir sie Ihnen vor.

HINWEIS

Sie fragen sich vielleicht, warum der Engel mit Lichterbogen und der Schwebe-Engel mit Balalaika, die wir für dieses Jahr bereits angekündigt hatten, nicht auf Seite 7 zu finden sind. Die Fertigung beider Figuren mussten wir ins Jahr 2024 verschieben. Denn obwohl wir mit viel Einsatz an der Herstellung der Figuren arbeiten, bleiben die Kapazitäten unserer Manufaktur begrenzt. Und unser Sortiment erfreut sich großer Beliebtheit. Um die Wünsche möglichst vieler Liebhaber und Sammler nach dem aktuellen Sortiment erfüllen zu können, ist bei diesen beiden Figuren noch etwas Geduld gefragt.

Die Artikel aus unserer Manufaktur erhalten Sie bei Ihrem Fachhändler oder in den hauseigenen Geschäften von Wendt & Kühn in Grünhainichen und in Seiffen sowie auf unserem Online-Marktplatz unter www.wuk-shop.de.

VOM ZAUBER DER MUSIK

Beschwingt scheinen die Noten auf den Linien zu tanzen, die der Engel der Goldedition No – 16 behutsam in den Händen hält. „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“, schrieb schon der Philosoph Friedrich Nietzsche (1844–1900). Ein Gedanke, von dem sich offenbar auch der „Komponist“ leiten lässt. Eindrucksvoll verkörpert er, welch’ Zauber von der Musik ausgeht. Ohne Worte kann sie beflügeln, glücklich stimmen oder Erinnerungen wachrufen. Emotionen wecken und Menschen verbinden. Sie berührt die Seele all jener, die die Magie der Klänge spüren.

Die sanft geschwungenen Linien, die zarten Noten sowie der kunstvoll ausgearbeitete Notenschlüssel sind in 999er Gold gehüllt. Glanzvoll stehen sie für die hohe Kunst der Klangmalerei. Welche Melodie sich hinter der goldenen Notenzeile ver-

birgt? Mit den ersten Tönen von „Happy Birthday“ stimmt der „Komponist“ das wohl bekannteste Geburtstagslied an –zum Jubiläum der Elfpunkte-Engel und zu den Ehrentagen all ihrer Liebhaber. Dieses Lied begeht 2023 übrigens ein eigenes großes Jubiläum: Seit 130 Jahren begeistert es Jung und Alt.

Der „Komponist“ ist ein wundervolles Geschenk für all jene, die sich an Musik erfreuen. Für kleine Tondichter und große Klang-Enthusiasten. Für Geburtstagskinder und Liebhaber der schönen Künste. Und für Menschen, die der Engel darin bestärkt, beschwingt durchs Leben zu gehen.

In der Ausführung mit vergoldetem Sockel ist der Engel streng limitiert – nur 22.222 Mal wird er seine Besitzer musikalisch verzaubern.

AB SOFORT IM SORTIMENT
Goldedition N o – 16 KOMPONIST, ENGEL MIT NOTENLINIE, VERGOLDET (6 cm) 650/129 Limitierte Goldedition N o – 16 KOMPONIST, ENGEL MIT NOTENLINIE AUF METALLSOCKEL, VERGOLDET, IN SPANSCHACHTEL (6 cm) 650/129/LE
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JUNGE MIT SONNENBRAUT (13 cm)

5248/29

WEITERE NEUHEITEN BEREITS VORGESTELLT

HEINZELMÄNNCHEN MIT KUCHEN (6,5 cm)

5243/18

KRONENENGEL MIT ZWEI LICHTNÄPFEN UND HOLZKERZEN (10,5 cm)

6236/1

MARGERITENENGEL, SITZEND, MIT GEBRANN TEN MANDELN (4 cm)

634/70/43

ENGEL MIT QUERFLÖTE, AUF KLEMME (5,5 cm)

650/90/18

GEBURTSTAGSENGEL 2023, MIT STAFFELEI (5 cm)

650/2023

ausschließlich 2023 gefertigt

CHRISTBAUMENGEL IM RING, MIT GITARRE (6,5 cm)

6308/38

RINGELBAUM, AUF STERN (5 cm)

RINGELBAUM/ST

ausschließlich 2023 gefertigt; ab Mitte Oktober im Sortiment

ENGEL MIT SCHALMEI, IM STERN (9 cm)

650/70/75

Der Baum wird mittels einer speziellen Drechseltechnik mit höchster Sorgfalt gefertigt. Da der natürliche Werkstoff Holz bei seiner Bearbeitung ganz unterschiedlich „reagieren“ kann, ist es dennoch möglich, dass die „Astringe“ unterschiedlich ausgeprägt sind – ganz so wie in der Natur, wo kein Ast dem anderen gleicht.

ADVENTSKALENDER 2023, MIT FIGUR (33 x 45 cm)

AK2023

Figur exklusiv im Kalender erhältlich; ab Mitte Oktober im Sortiment

WANDUHR, GROSS, MIT 36-STIMMIGEM MUSIKWERK (38,5 x 38,5 x 12 cm)

5202

STALL, FÜR KRIPPENFIGUREN (18 x 13 x 21 cm)

5250/15K

Der Stall wird aus edlem, gedämpftem Robinienholz gefertigt. Weniger als vier Millimeter dünn sind die verwendeten Holzplatten. Ihre Herstellung in dieser „Zartheit“ – bei relativ großer Holzbreite –ist eine wahre Herausforderung. Auch die exakte Verleimung des Stalls erfordert viel Geschick und eine ruhige Hand.

TRIO JUBILÄUMSENGEL, AUF VERGOLDETEN STERNENSOCKELN (6 bzw. 8,5 cm)

650/SET2023/LE

limitiert auf 5.555 Sets

MÄDCHEN MIT LEBERBLÜMCHEN, AUF HÜGEL, MIT SCHALE AUS MEISSNER PORZELLAN (Figur 9,5 cm | Schale 12 x 9 cm)

5226/3

ausschließlich 2023 gefertigt

SERVIETTEN „GARTENFREUDE“ (33 x 33 cm geöffnet) 526/22/Garten

KALENDER 2024, KOMPLETT (23 x 17,5 x 4,5 cm) 2024

MIT EXKLU SIVER FIG U R
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Was der Elfpunkte-Engel zu seinem Geburtstag erfährt

Im Jahr 2015 erschien das Buch „Wie der Engel zu seinen elf Punkten kam“. Inzwischen in dritter Auflage ausverkauft, erzählt es, wie der Engel mit Schalmei es geschafft hat, sich mit guten Taten seine elf weißen Punkte auf den grünen Flügeln zu „verdienen“. Gegen Jahresende veröffentlichen wir eine neue Geschichte für Kinder, wiederum geschrieben von Tina Nero und erneut illustriert von Ralf Brenner.

Was ist diesmal der Stoff für die Geschichte?

Tina Nero: In Grünhainichen steht ein bedeutendes Jubiläum an: Die ElfpunkteEngel feiern ihren 100. Geburtstag. Der Schalmeien-Engel aus dem ersten Buch ist ja eines der jüngeren Mitglieder im weltberühmten Orchester, „geboren“ 2015. Deshalb weiß er vieles aus der Geschichte seiner Geschwister noch nicht. Zum Beispiel: Wer war ihre Schöpferin? Was war das für eine Zeit, in der die Engel geboren wurden? Und: Wieso sind die Menschen bis heute so begeistert von den ElfpunkteEngeln? Er macht sich also auf den Weg, Antworten auf seine Fragen zu finden. Und findet er sie?

Tina Nero: Zunächst erst einmal muss er jemanden finden, der sich in der langen Geschichte gut auskennt. Seine innere Stimme rät ihm, den Geburtstagsengel zu fragen. Jenen Maler auf Bänkchen mit Staffelei, der seit Tagen in einem eigens für ihn eingerichteten Atelier in den Grünhainichener Werkstätten den Engelmusikanten mit der Flöte malt – einen der ersten drei Elfpunkte-Engel aus dem Jahr 1923. Der Engel mit Schalmei denkt sich, wer ein Porträt zeichnet, der muss schließlich viel wissen von demjenigen, den er abbildet. Nur so kann doch ein Maler mit Pinsel und Farbe auf die Leinwand bringen, was dem Wesen der Elfpunkte-Engel und ihrer Erscheinung entspricht. Der Weg ins Atelier bringt manche unerwartete Begegnung mit sich …

Handelt es sich um eine Fortsetzungsgeschichte?

Ralf Brenner: Ja, in Bezug auf die illustrative Erzählweise und die kindliche Lebendigkeit der Figuren auf jeden Fall. Auch Format und Gesamterscheinung stehen in einer direkten Linie zum ersten Buch. Aber auf seiner Reise erlebt der kleine Schalmeien-Spieler neue Abenteuer, trifft auf weitere Figuren und erkundet interessiert andere Schauplätze.

Tina Nero: Inhaltlich ist es keine direkte Fortsetzungsgeschichte, wenngleich der Engel mit Schalmei wieder eine wichtige Rolle übernimmt und das Geschehen hauptsächlich in der Manufaktur spielt. Aber das neue Buch ist auch gut zu verstehen, ohne das erste gelesen zu haben. Es steht gewissermaßen für sich. Andererseits: Wer die Auftaktgeschichte kennt, wird nahtlos anschließen können.

Sie kennen sich beide gut aus mit der Geschichte von Wendt & Kühn: Haben Sie denn noch etwas Neues erfahren, als Sie am Buch gearbeitet haben?

Tina Nero: Ja, insbesondere Details zur damaligen Fachgewerbeschule für Spielzeugmacher mit ihrem Direktor Albert Wendt, dem Vater von Grete. Und zum Ort Grünhainichen, in dem viele Spielzeugmacherfamilien lebten. Es beeindruckt mich, wie aus diesem ehemals kleinen Dorf ein weltbekannter Ort geworden ist.

Ralf Brenner: So intensiv hatte ich mich bisher noch nicht mit dem Jahr 1923, dem Geburtsjahr der Elfpunkte-Engel, beschäftigt. Erfahrungsgemäß spiegelt sich Zeitgeschichte immer auch persönlich, und ich glaube, dass Grete Wendt gerade deshalb und zu diesem Zeitpunkt mit den ersten drei Engeln ein Zeichen der Hoffnung setzen wollte – mit ihren Mitteln und in ihrer ganz unverwechselbaren Art. Wie auch immer – es ist gut, wenn Dingen immer noch ein kleines Geheimnis innewohnt.

Das Buch erscheint Ende 2023/Anfang 2024.

KINDERBUCH 8

Großes Staunen und FEUCHTE AUGEN

Seit April dieses Jahres nimmt die Ausstellung „100 Jahre Elfpunkte-Engel: Design – Liebe – Geheimnis“ die Besucher der Wendt & Kühn-Welt in Grünhainichen mit auf eine Reise in die Welt der grün geflügelten Himmelsboten. Unzählige Gäste standen seitdem fasziniert vor den Vitrinen und Schaukästen, in denen sich über 250 Elfpunkte-Engel, historische Zeichnungen, Fotografien, Presseartikel und weitere Schriftstücke befinden.

Am meisten staunen die Besucher immer, wenn sie vor dem großen Engel-Baum stehen“, beschreibt Katja Findeisen, Leiterin der Wendt & Kühn-Welt, ihre Beobachtungen und die ihrer Kolleginnen. Besagten Engel-Baum (auf dem Foto am rechten Bildrand) schmücken 48 schwebende und sechs sitzende Engel. Ein wahrlich imposantes Ensemble, ganze 75 Zentimeter hoch. Nicht minder beein druckend ist der große Engelberg mit der Madonna und 15 Engeln auf Sternen sockeln – seltene Exemplare aus dem fir meneigenen Archiv.

Auch elf Lieblingsengel unserer Samm ler und ihre Geschichten, die in der Aus stellung präsentiert werden, ziehen die Besucher in ihren Bann. Nicht selten stehen sie minutenlang vor den Schautafeln und lesen jede Zeile. „Und manchmal rollt auch ein kleines Tränchen“, schildert

Katja Findeisen die „Gefühlslage“ in diesem Teil der Ausstellung. Viele Besucher greifen dann selbst zu Zettel und Stift und verfassen ein paar Zeilen zu ihrem persönlichen Lieblingsengel. Und schreiben so die Geschichte der Elfpunkte-Engel fort.

„Eine wunderbar gestaltete Sonderausstellung, die sämtliche Facetten zum 100. Geburtstag des Elfpunkte-Engels beleuchtet“, resümiert die Besucherin Anke Hankammer aus Rühen, die an einer Führung teilnahm, in einer E-Mail an Wendt & Kühn. Und schreibt weiter: „Die Ausstellung zeigt Zeitgeschichtliches, seltene Stücke, die Gestaltung des Engels in den verschiedenen Zeitepochen und wie er die Welt von Grünhainichen aus eroberte und somit ergreifende Geschichten entstehen konnten. Jeder konnte in sich hineinspüren, was der Engel für ihn bedeutet.“ Ihr Fazit: „Die Führung war interessant, lebhaft, kurzweilig und einfach nur packend. Eine Ausstellung, die noch lange nachwirken wird.“ Auch Sie sind herzlich eingeladen, sich von den Elfpunkte-Engeln und ihrer Geschichte „packen“ zu lassen –ganz gleich, ob mit Führung oder auf eigene Faust.

Aufgrund des großen Interesses haben wir uns entschieden, den Ausstellungszeitraum zu verlängern. Das gesamte Jahr 2024 über wird die Ausstellung täglich von 10 bis 17 Uhr im historischen Bereich der Wendt & Kühn-Welt in Grünhainichen zu sehen sein (auch sonn- und feiertags). Der Eintritt ist frei.

AUSSTELLUNG IN DER WENDT & KÜHN-WELT
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AUCH DIESER GEFIEDERTE GESELLE stakst munter durch die Ausstellung. Er zeigt auf wundervolle Weise, wie Grete Wendt und Olly Sommer (später Wendt) zusammenarbeiteten: Olly entwarf 1923 den Storch, Grete setzte ihm 1924 den Engel mit Flöte auf den Rücken.

Es ist wohl keineswegs übertrieben, Grete Wendt als eine faszinierende Frau zu charakterisieren: Aus dem aufgeweckten und wissbegierigen Mädchen, aufgewachsen in einem liebevollen, konservativen wie toleranten Elternhaus, wurde eine selbstbewusste Frau, begnadete Künstlerin und erfolgreiche Unternehmerin. Aus Anlass des 100. Geburtstages der Elfpunkte-Engel ist ein Porträt ihrer Schöpferin entstanden. Auszüge daraus sind hier zu lesen. Das vollständige Porträt wird in „Das große Engel-Buch: Enzyklopädie eines DesignKlassikers“ erscheinen.

Eine faszinierende Frau GRETE WENDT

THEMA
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Mittags, um 12.45 Uhr, kam für Albert Wendt, den Direktor der Fachgewerbeschule für Spielzeugmacher in Grünhainichen, die erlösende Nachricht: Seine Frau Hedwig hatte ihm eine Tochter geschenkt. Der Kalender zeigte den 24. Februar 1887, als Katharina Auguste Margarete Wendt – so der Eintrag auf der Geburtsurkunde – als viertes Kind der Familie das Licht der Welt erblickte. Ein hübsches, kräftiges und gesundes Mädchen, das fortan alle Grete nannten. Bruder Curt war sieben, Schwester Gertrud drei, der zehn Jahre ältere Bruder Fritz war schon sehr jung gestorben. Wenige Monate nach Gretes Geburt starb auch Gertrud. Die aufgeweckte Grete und Curt halfen den Eltern, über die Trauer hinwegzukommen. Vier Jahre später komplettierte Brüderchen Johannes das Familienglück. Grete und er standen sich von Beginn an besonders nahe. Daran sollte sich ein Leben lang nichts ändern.

Gern und oft waren die Kinder beim Vater in der Lehrwerkstatt, wo wunderschönes Spielzeug hergestellt wurde, und sie versuchten sich auch selbst daran. „... auch ich habe unter der Leitung meines Vaters gezeichnet, das Schnitzen, Brennen, Malen u.s.w. gelernt und mancherlei Gegenstände hergestellt, deren Bearbeitung mir Freude gewährte“, erinnerte sich Grete.

FRÜHES TALENT

1893 wurde Grete eingeschult. Rückblickend notierte sie: „Meine Schulzeit verlief ziemlich gleichförmig. Unter der Leitung treuer Lehrer habe ich mir die Anfangsgründe des Wissens und Könnens angeeignet ... Nachdem ich meiner achtjährigen Schulzeit in der Volksschule genügt hatte, wurde ich Ostern 1901 entlassen und am Palmsonntage desselben Jahres konfirmiert.“ Für andere Mädchen ihres Alters war mit der Konfirmation die Schulbildung abgeschlossen. Doch Gretes Eltern wollten mehr für ihre kluge und wissbegierige Tochter und ließen das Mädchen weiter privat unterrichten – in Französisch, Englisch und Weltgeschichte. Grete hatte ein festes Berufsziel, wie in ihrem Lebenslauf aus dem Jahr 1902 zu lesen ist: „Schon in meiner frühesten Schulzeit habe ich den Wunsch gehegt, einmal Lehrerin zu werden.“

Ihr Vater hingegen war überzeugt davon, dass seine Tochter einmal eine sehr gute Spielzeugmacherin werden könnte. Er hatte das Talent seiner Tochter schnell erkannt, und er förderte es mit Liebe, aber auch mit konservativer Strenge und Disziplin.

Eines Tages besuchte der Dresdner Kunstprofessor Erich Kleinhempel die Grünhainichener Fachgewerbeschule, wo er auch einige Arbeiten der inzwischen 17-jährigen Grete sah. Er bot Albert Wendt an, das Mädchen in seinem privaten Zeichenatelier weiter auszubilden – und sie so auf ein Studium vorzubereiten. Grete Wendt nahm die Einladung nach Dresden an, der Vater stimmte zu. „Eineinhalb Jahr blieb ich bei ihm und lernte gründlich zeichnen“, erinnerte sie sich. In dieser Zeit begegnete ihr die ein Jahr ältere Margarete Kühn, die sich – wie Grete – in Kleinhempels Zeichenatelier auf ein Studium an der Kunstakademie vorbereitete.

1907 erhielten beide die Zulassung zum Studium an der Dresdner Königlich-Sächsischen Kunstgewerbeschule. Die jungen Frauen waren überglücklich, denn bislang war Frauen der Zugang zu den großen Akademien verwehrt geblieben. Die erste Damenklasse war Ergebnis einer breiten Reformbewegung, die in Deutschland an Einfluss gewann und zum Beispiel die handwerklichen Traditionen gegen die Schnelllebigkeit der aufkommenden industriellen Massenprodukte verteidigte.

Grete war im letzten Studienjahr, als der Direktor der Deutschen Werkstätten Hellerau, Karl Schmidt, auf die talentierte Studentin aufmerksam wurde. Er bot ihr ab Herbst 1910 ein mehrmonatiges Praktikum in Hellerau an, das sie erfreut annahm. Als einzige Frau hatte sie einen Arbeitsplatz im großen Zeichensaal. Karl Schmidt schien mit der Arbeit der Studentin sehr zufrieden zu sein, denn er beauftragte sie mit dem Entwurf einer Weihnachtskrippe. Diese sollte die erste Arbeit Grete Wendts sein, die in Produktion ging und die mehr als 100 Jahre später aktuell eine Neuauflage im Wendt & Kühn-Sortiment erfährt. In Gretes Abschlusszeugnis der Deutschen Werkstätten Hellerau vom

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SCHÜLERINNEN IM ATELIER der KöniglichSächsischen Kunstgewerbeschule in Dresden, 1911. Grete Wendt: erste Reihe links. Rechts neben ihr: Grete Kühn.

30. Juni 1911 ist zu lesen: „Wir schätzen sie als eine sehr begabte Dame. Alle Arbeiten hat sie mit Fleiß und Geschick zu unserer vollen Zufriedenheit ausgeführt, sodass wir ihr die besten Empfehlungen mitgeben können.“ Zwei Wochen später beendete sie auch ihr Studium mit Bestleistungen.

Die Absolventin entschloss sich, nach München zu gehen. Doch zunächst hatte sie keinen Erfolg. Erst als sie mit eigenen Entwürfen für eine Ausstellung der Bayrischen Gewerbeschau, die 1912 stattfand, auf sich aufmerksam machte, fand sie dort eine Anstellung und stürzte sich hoch motiviert in ihre Arbeit als Mittlerin zwischen Künstlern, Gewerbetreibenden sowie Fabrikanten. Bei eigenen Entwürfen blieb sie insbesondere dem Werkstoff Holz verbunden. Nachdem ihr die Arbeit bei der Bayrischen Gewerbeschau viel Anerkennung und zahlreiche Aufträge eingebracht hatte, dachte Grete darüber nach, in München zu bleiben und dort ein eigenes Atelier zu eröffnen. Ihren Eltern schrieb sie: „Ich glaube, daß ich jetzt hier in München ganz gut selbstständig arbeiten könnte …“

ERSTE ERFOLGE

Stattdessen kehrte Grete Ende 1912 nach Grünhainichen zurück. Warum sie sich letztlich doch anders entschied, ist nicht bekannt. Im Frühjahr 1913 beteiligte sie sich an einem „Wettbewerb für geschmack-

volle Reiseandenken“ des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz. Sie reichte ihren Entwurf der drei noch heute im Sortiment befindlichen „Beerenkinder“ ein und wurde dafür mit dem zweiten Preis ausgezeichnet. „Da kamen soviel Anfragen und Bestellungen, daß mir ganz himmelangst wurde“, erinnerte sie sich an die Resonanz. Mithilfe von Familie und Bekannten machte sie sich daran, die Aufträge am heimischen Küchentisch abzuarbeiten. „Ja, auf diese Weise bin ich eben in Grünhainichen hängengeblieben“, dachte sie später zurück.

Nur ein Jahr später brach der Erste Weltkrieg aus. Auch Gretes geliebter Bruder Johannes musste in den Krieg ziehen. Um ihm eine Freude zur ersten Kriegsweihnacht zu machen, entwarf sie einen Schutzengel mit weißem Kleid und grünen Flügeln, den sie ihm am 28. November 1914 an die Front schickte. Als „28er“ Engel ging dieser in die Firmengeschichte ein und wird bis heute in verschiedenen Größen angefertigt. Statt für Beerenkinder und Co. erhielt Grete nun immer mehr Aufträge für Grabmäler. Allein war die Arbeit bald schon nicht mehr zu bewältigen. Sie nahm Kontakt zu ihrer Studienfreundin Margarete Kühn auf, und gemeinsam schmiedeten die beiden jungen Frauen Pläne für eine eigene Firma. Am 1. Oktober 1915 war es dann so weit: Sie gründeten ihr Unternehmen „M. Wendt & M. Kühn“ und beteiligten sich im nächsten Frühjahr erstmals an der Leipziger Messe. Die Geschäftskontakte entwickelten sich schnell und brachten der Firma viele Aufträge aus dem Inund Ausland ein. Doch bereits 1920 endete dieses

THEMA
GRETE WENDT
„N ur wenn man etwas mit Liebe tut, kann das auch wieder Liebe geben.“
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TYPISCH GRETE WENDT: die weiße Seidenbluse mit eleganter Schleife, die sie selbst unter ihrem Arbeitskittel trug (Foto: 1930er Jahre).

Kapitel der Partnerschaft. Margarete Kühn heiratete und schied aus der Firma aus. Beide hatten das vorab beschlossen, weil nach damaligem Recht der Besitz einer Frau bei der Hochzeit auf den Ehemann überging.

Gretes ehemalige Professorin an der Dresdner Kunstakademie, Margarete Junge, half und vermittelte ihre beste Studentin: Olga (Olly) Sommer. Sie kam für ein Praktikum – und blieb ihr ganzes Leben. Olly bereicherte die Firma nicht nur als hervorragende Künstlerin. 1930 heiratete sie Gretes Bruder Johannes und schenkte der Familie im selben Jahr die Zwillinge Sigrid und Hans.

IHR JAHRHUNDERT-ENTWURF

Grete und Olly inspirierten sich in ihrer Kreativität gegenseitig. Ihre wohl genialste Idee hatte Grete 1923. Ursprünglich als Weihnachtsgeschenk für ihre Mitarbeiter gedacht, entwarf sie drei Engel mit grünen Flügeln und elf weißen Punkten darauf: einen mit Fackel, einen mit Flöte und den dritten mit einer Geige. Sie konnte nicht ahnen, dass 100 Jahre später Menschen auf der ganzen Welt noch immer von den Elfpunkte-Engeln fasziniert sein würden, die zum Markenzeichen von Wendt & Kühn wurden. 1937 zeigte Grete auf der Pariser Weltausstellung einen „Engelberg mit Madonna“. Dieses Ensemble wurde mit dem Grand Prix und einer Goldmedaille geehrt.

Doch mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs stagnierte das Geschäft. Und Grete musste viele weitere Schicksalsschläge überwinden: Johannes, ihr Bruder und Firmenmitinhaber, kehrte nach einem Verhör, zu dem ihn sowjetische Soldaten im September 1945 geholt hatten, nie wieder zurück. Erst 17 Jahre später erfuhr die Familie, dass er bereits 1945 in russischer Gefangenschaft gestorben war. Im Juni 1946 wurde das Familienunternehmen teilverstaatlicht. Erst nach massiven Einsprüchen gelang es, die 50 Prozent Firmenanteile, die zuvor Johannes Wendt gehört hatten, wieder zurückzukaufen. Von alledem ließ sich Grete nicht unterkriegen. 1957 übergab die inzwischen 70-Jährige die Firmenleitung an ihren Neffen Hans, widmete sich weiter ihrer künstlerischen Arbeit und entwarf bis ins hohe Alter neue Figuren. Am 28. April 1972, als die Manufaktur in der DDR zwangsverstaatlicht wurde, verließ sie das Unternehmen, das sie 57 Jahre erfolgreich durch Höhen und Tiefen geführt hatte. Sie fühlte sich ihres Lebenswerkes beraubt.

Grete Wendt starb am 1. Juli 1979 im Alter von 92 Jahren in Grünhainichen. Ihr Geist indes ist in der Manufaktur bis heute gegenwärtig und erlebbar – in den historischen Räumlichkeiten, im Musterschrank und in den Werkstätten, in denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Manufaktur ihre Entwürfe und die Handwerkskunst am Leben erhalten. Und nicht zuletzt in den Menschen in aller Welt, die ihre Figuren lieben, sammeln und sich von ihnen jeden Tag ein Lächeln ins Gesicht zaubern lassen.

Quellennachweis: Wir weisen darauf hin, dass alle verwendeten Zitate hinsichtlich ihrer Schreibweise den Originalen im Archiv von Wendt & Kühn entsprechen.

PERSÖNLICHE ERINNERUNGEN

Wenngleich sie selbst keine eigenen hatte, liebte Grete Wendt Kinder sehr. Menschen, die ihr begegnet sind, erinnern sich gern daran.

„Ich war fünf Jahre alt, als wir im Jahr 1944 mit nichts im Erzgebirge ankamen. Eines Tages lud Grete Wendt meine Mutter und mich nach Grünhainichen ein. Allein schon das schöne Haus mit seinen hellen Räumen begeisterte mich. Als sie aber die Tür zu einem Zimmer öffnete, traute ich meinen Augen nicht. Es war Mai, doch ich dachte, es ist Weihnachten. In meiner Erinnerung war der Raum voller Schränke mit vielen kleinen Figuren. Dann hat Frau Wendt einen Schrank geöffnet und mir eine dieser Figuren geschenkt. Ihre Freundlichkeit und ihre Zuwendung haben mir so gut getan. Ich werde Grete Wendts liebevolle und freundliche Art niemals vergessen. Und die Figur von damals halte ich bis heute in Ehren.“

ROSEMARIE HARAND (84), PARIS

„Obwohl längst über 70, störte es Tante Grete nicht, wenn unsere drei Kinder Florian, Tobias und Claudia sie bestürmten. Sie liebte diese ‚Rasselbande‘, die jederzeit ihr ‚Unwesen‘ bei ihr treiben konnte, ohne dass sie ärgerlich oder unfreundlich wurde. Und wenn es noch so turbulent zuging, sie behielt die Ruhe. Sie spielte mit ihnen oder las ihnen vor. Überhaupt hat die Liebe zu Kindern sie strahlen lassen, das war ihre Welt.“

HELGA FÖRSTER-WENDT (86), FRANKENBERG Sie lebte mit Grete Wendt 17 Jahre lang gemeinsam unter dem Dach des Fachwerkhauses in Grünhainichen.

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MIT DEN DREI KINDERN ihres Neffen Hans verbrachte Grete viel Zeit. Das Foto (1974) zeigt die 87-Jährige mit Tobias und Claudia in ihrem Wohnzimmer.

Himmlische BÜHNE V

Seite an Seite stehen die Engelmusikanten in der frohen Erwartung, endlich ihre Instrumente erklingen lassen zu können. Ein jeder hat seinen Platz auf den Stufen des Engelberges eingenommen. Zu ihren Füßen leuchten auf dunkelblauem Grund die unzähligen Sterne der Nacht – eine wahrlich himmlische Bühne für ein ebenso himmlisches Orchester. Zum 100. Jubiläum der ElfpunkteEngel möchten wir den Blick auch auf diesen „Unterbau“ und seine Geschichte richten. Der oft gestellten Frage, wie der Engelberg „richtig“ bestückt wird, wollen wir ebenfalls nachgehen.

ermutlich um 1924 – folglich nur kurze Zeit, nachdem Grete Wendt im Herbst 1923 die ersten Elfpunkte-Engel entworfen hatte –gestaltete sie bereits einen Engelberg als Präsentationsfläche für ihre Musiker. Die Schar der Engel wuchs – damit brauchten sie auch eine würdige Bühne für ihr Konzert, muss die Schöpferin wohl gedacht haben. So entwarf sie einen halbrunden Engelberg, auf dem sie die Elfpunkte-Engel arrangierte, und krönte ihn mit einer Madonna, begleitet von zwei betenden Engeln. In der Preisliste von 1924 finden sich erstmals detaillierte Angaben zu dieser Komposition, die ein reichliches Jahrzehnt später in Paris die Blicke auf sich ziehen sollte.

Paris, 1937. Die Stadt der Mode und des Designs war bereits zum sechsten Mal Schauplatz der Weltausstellung. 46 Nationen stellten ihre landestypische Kunst und Kultur vor, aber auch neue Entwicklungen aus Forschung und Technik. Im deutschen Pavil-

ENGELBERGE
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lon zeigten Unternehmen aus verschiedenen Regionen Deutschlands ihre Produkte einem internationalen Publikum. Innerhalb von sechs Monaten lockte die Schau 34 Millionen Besucher an. Auch Grete Wendt stellte aus. Die beeindruckende Komposition „Engelberg mit Madonna“ wurde von einer Fachjury mit dem Grand Prix und einer Goldmedaille gewürdigt. Dies löste weltweit Begeisterung für die grün geflügelten Engel aus.

Zur Pariser Weltausstellung war Grete Wendt mit einem sechsstufigen Engelberg gereist. Nach 1945 und später in den 1990er Jahren kamen weitere halbrunde Varianten hinzu: ein kleiner und ein großer Engelberg mit drei Stufen und jeweils einer mit vier und fünf Stufen. Zudem noch ein „Exot“ – ein kreisrunder Engelberg, dreistufig. Meist war der Berg in blaue Farbe gehüllt, dem Himmel gleich. Aber auch eine beige Variante ist bekannt. Die fünf halbrunden Engelberge befinden sich bis heute im Sortiment, eine vierstufige Engelberg-Ecke (Viertelkreis) kam 2010 hinzu. Sie passt besonders gut in die Ecken eines Schrankes und lässt sich wunderbar mit bereits vorhandenen Engelbergen zu stimmungsvollen Dekorationen kombinieren.

AUF DIE PLÄTZE

Und wie werden die Engel nun aufgestellt? Um eines vorwegzunehmen: Die eine „richtige“ Positionierung gibt es nicht. Schaut man alte Fotoaufnahmen, Kataloge und Postkarten an, wird deutlich, dass die Engel schon immer ohne feste Vorgaben platziert wurden. Oft ist es eher ein Gefühl, das die Sammlerinnen und Sammler leitet, wenn sie in der Weihnachtszeit ihren Berg mit jedem weiteren Engel zum Leben erwecken. Und manchmal ist es auch schlicht und ergreifend eine Platzfrage: Die großen Sockelplatten der Engel mit Drehorgel, Kesselpauke, Schlagzeug oder Zither passen am besten auf die oberste Stufe des Berges. Bei den drei- und fünfstufigen Versionen ist die obere Stellfläche extra großzügig gestaltet. Hier können mit ganz besonderen Schmuckstücken Akzente gesetzt und der Engelberg mit dem Engel am Flügel, der Madonna oder der Orgel gekrönt werden.

Viele Zuschriften und Fotos von beeindruckenden Engelorchestern unserer Sammlerinnen und Sammler erreichen uns. Nicht selten staunen wir über den Umfang und die Sorgfalt, mit der die Figuren aufgebaut werden. Manche Engel haben stets ihren festen Platz ganz vorn in der ersten Reihe, weil sie eine besondere Bedeutung für ihre Besitzer haben. Auch lesen wir von festen Sitzordnungen, die jedes Jahr exakt gleich von den Engeln eingenommen werden. Sammlerin Heike Gaerdt aus Berlin kann davon ein himmlisches Lied singen: „Jedes Jahr zur Weihnachtszeit bauen meine Schwiegereltern ihr Engelorchester auf. Die liebste Beschäftigung meines Mannes und seiner Zwillingsschwester war es, alljährlich die wohlsortierte Ordnung ein klein wenig

durcheinanderzubringen, indem sie ein oder zwei Engel die Plätze tauschen ließen. Aber es dauerte immer nur ein paar Minuten, bis mein Schwiegervater es entdeckte und die feste Ordnung wiederherstellte. Auch heute noch vergessen es mein Mann und seine Schwester (beide heute 60 Jahre alt) bei keinem Besuch, mindestens einen Engel aus der Reihe tanzen zu lassen, was meine Schwiegereltern kommentarlos, aber stets mit einem Schmunzeln zur Kenntnis nehmen und wie eh und je die Geiger links, die Bratschen rechts und die Trompeter dahinter wieder neu aufbauen.“ Eine Anekdote, die lächeln lässt. Und eine, die zu einer weiteren möglichen Bestückungsvariante führt: Liebhaber klassischer Musik stellen ihre Engel zuweilen nach der Platzordnung eines Sinfonieorchesters auf. Diese ist ebenso streng durchkomponiert wie die Musik selbst, Instrumentengruppen werden nach vorgegebenen Regeln platziert: Üblicherweise sitzen die Streicher halbkreisförmig vor dem Dirigenten, dahinter reihen sich die Holzblasinstrumente ein, gefolgt von den Blechbläsern. Ganz hinten stehen das Schlagwerk und die Pauken. 12 bis 16 erste Violinen, 10 bis 14 zweite Violinen, 8 bis 12 Bratschen, 8 bis 10 Violoncelli und 6 bis 8 Kontrabässe gehören üblicherweise zu einem Sinfonieorchester, wenn man allein die Gruppe der Streicher näher betrachtet. Und tatsächlich gibt es Engel-Liebhaber, die ihr Orchester in dieser Hülle und Fülle aufbauen. Dann reichen selbst die Stellflächen des größten Engelberges, auf den circa 70 bis 80 Figuren passen, kaum mehr aus.

Doch ganz egal, ob Sie auf Ihrem Engelberg eine kleine Kapelle oder ein großes Sinfonieorchester arrangieren, wohlsortiert oder bunt gemischt – folgen Sie einfach Ihrem Herzen, dann finden die Engelmusikanten mit Sicherheit den richtigen Platz.

Weitere Informationen zu den Engelbergen, zu deren Größe und elektrischer Beleuchtung finden Sie in der Rubrik „Engelberge und Zubehör“ unter www.wendt-kuehn.de/kollektion.

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ETWAS AUS DER REIHE tanzt der historische runde Engelberg. Auf drei Stufen können die Engel rundherum platziert werden. Die oberste Stellfläche krönt auf diesem Bild eine schlanke Madonna (Foto von vor 1972).

Das große ENGEL-BUCH

Ein lang gehegter Wunsch vieler Sammler und Fans wird in Erfüllung gehen, wenn „Das große EngelBuch“ Ende November 2023 erscheint. In unzähligen Stunden der Recherche-, Analyse- und Archivarbeit wurden Daten, Fotomaterial und Geschichten zu den Elfpunkte-Engeln zusammengetragen, ausgewertet und miteinander verknüpft. Es entsteht eine Enzyklopädie, welche die Elfpunkte-Engel in einem noch nie da gewesenen Umfang beleuchtet. Wir schlagen die ersten Seiten gewissermaßen bereits auf und laden Sie ein, vorab gemeinsam mit uns darin zu „blättern“.

Das 100-jährige Jubiläum bietet aber auch Anlass, zu hinterfra gen: Wie schaffen es die kleinen Holzfiguren, Menschen auf der ganzen Welt in ihren Bann zu ziehen? Der Philosoph Dr. Chris toph Quarch geht dieser Frage nach und taucht dabei tief ein in die Welt der Elfpunkte-Engel. In seinem philosophischen Auf satz nähert er sich seinem Sujet, dessen Schöpferin und Herstel lungsverfahren und setzt sie in Bezug zum Zeitgeist. Er begibt sich auf die Augenhöhe der Engel, lauscht ihrer Sprache, folgt ihrem Spiel und nähert sich der Liebe, aus der sie einst entstan den. Und der Liebe, die sie bis heute schenken. Nicht zuletzt finden die Betrachtungen zur Historie und zum Wesen der Elf punkte-Engel ihre Zusammenführung in Geschichten, in denen Sammlerinnen und Sammler einzigartige Einblicke in ihr Leben und ihre Sammlungen gewähren. Elf Geschichten zu persönli chen Lieblingsengeln beantworten die Frage, was die kleinen Geschöpfe den Menschen bedeuten.

Ohne zu übertreiben, können wir bei diesem Buch von einem Jahrhundertwerk sprechen. Nicht nur, weil es die spannende Geschichte der 100-jährigen Jubilare, ihrer Entstehung und Herstellung und damit von Beständigkeit und Weiterentwicklung erzählt. Nicht nur, weil es detailgenau jeden uns bekannten Elfpunkte-Engel, der in den vergangenen 100 Jahren in Grünhainichen „geboren“ wurde, auflistet. Sondern weil dieses Buch die Fakten einbindet in einen Lesestoff, den es so noch nie gegeben hat. So zeichnet das erste ausführliche Porträt zu Grete Wendt das Leben der Schöpferin der Elfpunkte-Engel nach. Was war sie für ein Mensch? Wie wurde sie zu einer solch talentierten Gestalterin? Was spornte sie an? Zahlreiche Originalzitate Grete Wendts und ihrer Weggefährten geben einen authentischen Einblick in ihre Lebenswelt und ergründen behutsam ihren Charakter. Dafür wurden unzählige Schriftstücke, viele davon mehr als 120 Jahre alt, gesichtet und „entziffert“ – Handschrift und Schreibweise verlangten nicht selten ein besonders scharfes Auge. Zahlreiche Zitate aus dem intensiven Briefwechsel zwischen Grete und ihren Eltern lassen die Leser staunen und schmunzeln. Die bisher teils unveröffentlichten Fotografien aus dem Firmenarchiv komplettieren das „Bild“ der Firmengründerin.

Auf den nächsten Seiten „geht es rund“: Unterschiedlichste, meist kreisrunde Bodenmarken aus einem Jahrhundert präsentieren sich im Wandel der Zeit und ermöglichen Sammlern Rückschlüsse, aus welchen Zeiträumen ihre Lieblingsstücke stammen. Mit dieser Übersicht wird das große Engel-Buch künftig die zeitliche Einordnung der eigenen Schätze erleichtern. Blättern wir weiter, präsentiert sich ab dem zweiten Drittel des Buches die Schar der Elfpunkte-Engel in einer beeindruckenden Vielfalt und Fülle: eine Übersicht über alle uns bekannten ElfpunkteEngel, die jemals in den vergangenen 100 Jahren in den Grünhainichener Werkstätten entstanden sind. Ein wahrer Meilenstein in der Geschichte der Elfpunkte-Engel. 500 verschiedene Himmelsboten werden in diesem Nachschlagewerk wohlstrukturiert in Bild und

EIN JAHRHUNDERTWERK
ENZYKLOPÄDIE EINES DESIGN-KLASSIKERS DAS GROSSE ENGEL-BUCH, ENZYKLOPÄDIE EINES DESIGN-KLASSIKERS (23 x 31 cm), circa 180 Seiten* FB2023
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* Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses befindet sich das Buch noch in Arbeit.

derheiten beschrieben. Es werden Engel mit und ohne Instrument aufgeführt, Christbaumschmuck und Jubiläumsengel. Aber auch Auftragsarbeiten für Firmen oder Fachhändler. Spieldosen, Orgeln, Uhren, Tischkränze und Leuchter, auf denen sich Elfpunkte-Engel tummeln, finden ebenfalls Eingang in das EngelBuch und werden sicherlich für so manches Staunen sorgen.

MIT AKRIBIE UND LANGEM ATEM

Was eher zwischen den Zeilen zu lesen ist, ist die lange und intensive Recherche, die der Erstellung der redaktionellen Texte im ersten Buchteil und des Engel-Verzeichnisses im zweiten vorausging: Bei Letztgenanntem erfolgte in einem ersten Schritt eine Bestandsaufnahme, welche Engel überhaupt im Firmenarchiv schlummern. Anschließend galt es, die Daten zu jeder Figur mit höchster Akribie zusammenzutragen – ein Prozess, der nicht selten bedeutete, sich tagelang Seite für Seite durch die Preislisten der vergangenen 100 Jahre zu kämpfen. Immer in der Hoffnung, den einen wichtigen Hinweis zu finden, der beispielsweise Rückschlüsse auf den Fertigungszeitraum ziehen lässt. Da Grete Wendt ihre Zeichnungen nur sehr selten datierte, war diese Auswertung auch notwendig, um den Zeitraum für die Gestaltung der jeweiligen Figur präzisieren zu können. Dass man ihre Entwürfe eines Tages archivieren, dokumentieren und sogar in einem großen Buch veröffentlichen würde, daran hatte sie wohl nie gedacht. Vielmehr konzentrierte sie sich darauf, mit unbändiger Kreativität zu skizzieren, zu variieren und ihre Entwürfe auszuarbeiten. Mithilfe historischer Fotografien, Postkarten und Veröffent-

raturabteilung, bei denen schon so manch seltenes Stück auf dem Arbeitsplatz landete, lieferte wichtige Hinweise.

Die größte Herausforderung bei der Erarbeitung der Figurenübersicht war jedoch schlicht und ergreifend, die enorme Menge an Elfpunkte-Engeln zu erfassen und darzustellen. Und dennoch ist es möglich, dass es auch noch Engel gibt, die selbst unseren Expertinnen bisher nicht bekannt sind. Es ist durchaus vorstellbar, dass Liebhaber und Sammler noch weitere Engel-Exemplare in ihren privaten Musterschränken finden.

Nach über einem Jahr intensiver Arbeit wird mit dem großen Engel-Buch die wohl umfangreichste Publikation zu den weltberühmten Elfpunkte-Engeln erscheinen, die ganz zu Recht den Untertitel „Enzyklopädie eines Design-Klassikers“ trägt. Ein Buch zum Nachsinnen und Nachschlagen. Bleibt am Ende noch die Frage, wie Grete Wendt wohl auf dieses Buch reagiert hätte. Vermutlich hätte sie mit gütigen Augen auf das Druckwerk geblickt und sanft – und vielleicht auch ein wenig gerührt – zustimmend gelächelt.

Das Buch ist ab Ende November 2023 in den hauseigenen Geschäften von Wendt & Kühn in Grünhainichen und in Seiffen, bei autorisierten Fachhändlern sowie auf unserem Online-Marktplatz unter www.wuk-shop.de erhältlich. Auch ein Postversand direkt ab der Manufaktur ist möglich.

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IN EINER ART STECKBRIEF wird jeder Engel vorgestellt: Der Leser erfährt, wann der Engel entworfen und gefertigt wurde und was es außerdem Besonderes zu ihm zu berichten gibt.

Lieblings ENGEL MEIN

Genau ein Jahr ist es her, dass wir die Leserinnen und Leser der elfpunktepost baten, uns die Geschichte ihres Lieblingsengels zu schreiben. Ein Aufruf mit „Folgen“ – weit über 900 Zuschriften erreichten uns, und immer noch treffen E-Mails und Briefe bei uns ein. Sechs Geschichten möchten wir hier mit Ihnen teilen. Viele weitere finden Sie auf der Jubiläumswebsite: www.wendt-kuehn.de/engel-jubilaeum-2023/ lieblingsengel-geschichten.

Den Weltenbummler habe ich von meinem Mann bekommen, als wir bei Ihnen in Grünhainichen waren. Wir reisen viel in unseren Ferien. Leider wird das schwieriger, weil wir nicht mehr so gut laufen können wie damals. Aber der Engel mit Koffer hält die Erinnerungen an unsere schönen Reisen wach. Ich sammle die Goldeditionen und die Engelmusikanten und stelle sie immer zum Weihnachtsfest auf – anstatt eines Weihnachtsbaumes. Alle Engel lassen uns zurückdenken an die Orte, an denen wir sie gekauft haben. Aber mit dem Weltenbummler aus Grünhainichen verbinden wir immer die schönsten Erinnerungen.

Als meine Zwillinge in die dritte Klasse gingen, hatten sie ihre erste „große“ Ausfahrt mit der Grundschule. Es ging nach Dresden und natürlich bekamen beide einen kleinen Geldbetrag mit, um sich unterwegs eine Leckerei kaufen zu können. Als sie am späten Nachmittag wieder eintrafen, waren sie voller Erzähldrang und konnten es gar nicht erwarten, mir einen kleinen Karton zu übergeben. Als ich diesen öffnete, blickte mich ein Flöte spielender Elfpunkte-Engel an. Sie hatten ihr Geld zusammengelegt und sich sogar noch bei einem Freund etwas geborgt, um mir (einer Sammlerin in dritter Generation) eine Freude zu bereiten. Ich war sehr gerührt und seitdem hat dieser Engel einen Ehrenplatz in der Vitrine.

LEBENDIGE TRADITION | Teil 22
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Mein Lieblingsengel ist „Der Achtsame“ und er hat eine Geschichte: Im Frühling letzten Jahres besuchten mich meine Tochter und mein Schwiegersohn aus Australien. Sie kamen zum Helfen und zum Erledigen aller Arbeiten in meiner Wohnung, die ich mit 86 Jahren nun nicht mehr bewältigen kann, die aber so dringend erledigt werden mussten. Vier Wochen lang waren sie unermüdlich tätig, haben mich verwöhnt und mir alle Arbeit abgenommen. Ich sollte es mal so richtig gut haben, so sagten sie. Als Dank schenkte ich ihnen den Engel mit dem Zweig. Ich fand ihn so wunderschön, wusste aber nicht um seinen Namen und seine Bedeutung. Erst später las ich in der elfpunktepost, dass dieser Engel „Der Achtsame“ heißt und für besondere Werte steht. Ich habe also ganz intuitiv den richtigen Engel gewählt. Das hat mich sehr glücklich gemacht und ein ganz klein wenig an Magie glauben lassen. Nun steht „Der Achtsame“ in Australien in einer Glasvitrine als Erinnerung an eine Zeit der Hilfe, der Liebe und der Achtsamkeit.

Es war im Oktober 2020, als das Telefon klingelte und meine Tochter sagte: „Mama, ich glaube, ich wurde gerade wiederbelebt.“ Eine Krankenschwester erklärte mir, dass meine Tochter einen Herzstillstand hatte. Ich hatte das Gefühl, dass mir der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Drei Engel waren zur Stelle gewesen, hatten fast zehn Minuten gekämpft und meiner Tochter das Leben gerettet. Was sie nicht wussten, sie retteten gleich zwei Menschen, denn meine Tochter war im dritten Monat schwanger. Ich bin so unendlich dankbar für ihre schnelle Reaktion und Courage. Nur „Danke“ zu sagen, war mir zu wenig, aber wie sollte ich meine Dankbarkeit zeigen? Schließlich gibt es nichts, womit diese Tat aufzuwiegen wäre. Dann dachte ich an die Engel von Wendt & Kühn, denn was wäre passender als ein Engel für einen Engel? Also kaufte ich für jeden einen mit goldenem Herz. Seitdem hat diese Figur eine ganz besondere Bedeutung für mich. Heute geht es meiner Tochter soweit gut und mein kleiner Enkel ist jetzt zwei Jahre alt und ein richtiger Sonnenschein.

Heute möchte ich Ihnen meine Geschichte erzählen, wie es kam, dass ich begann, die Engelchen zu sammeln. Wir schreiben das Jahr 1969. Damals arbeitete ich als junge Krankenschwester auf der Station für Tuberkulose nahe Bad Berka in Thüringen. Wir hatten einen Patienten aus Leipzig, der in einem Leipziger Orchester als Dirigent tätig war. Eines Tages, es war kurz vor Heiligabend, stand auf seinem Nachtschränkchen eine kleine, blaue Wolke voller Engelmusikanten mit grünen Flügeln und weißen Pünktchen. Vor der Wolke war der Engel mit dem Taktstock in der Hand platziert. Das ganze Stationspersonal war begeistert und schaute voller Freude nur auf die Engel, denn keiner kannte diese Schönheiten. Am 1. Weihnachtstag hatte ich Dienst. Der Patient sagte: „Suchen Sie sich einen Engel aus.“ Ich konnte es nicht glauben und mir standen die Tränen in den Augen. Ich nahm den Engel mit dem Akkordeon, hielt ihn ganz fest und war überglücklich. Ja, seitdem hat mich die Sammelleidenschaft gepackt.

In der Weihnachtszeit stand in unserer Familie immer eine Kapelle mit Engeln auf dem Schrank. Ich habe sie heiß geliebt, habe sie aber nicht bekommen. In späteren Jahren habe ich Ausschau nach ihnen gehalten – ich fand zwar Engel, aber nicht diese. Viele Jahre später fuhr mein Partner für ein paar Tage in den Harz. Ich bat ihn, mir einen Brief zu schreiben. Als er zurückkam, schmollte ich, weil kein Brief gekommen war. Er lächelte und überreichte mir ein kleines Päckchen. Er sagte, dass das besser wäre als ein Brief. Zu meiner Freude befand sich in dem Kästchen ein kleiner Engel, in der linken Hand ein Herz, in der rechten ein kleines Vögelchen mit einem Brief im Schnabel. Er war der Anfang meiner Sammlung und ist nach wie vor mein Lieblingsengel.

ANONYM 19

Fast 90 Jahre alt ist die Urkunde, die Grete Wendt 1937 für den „Engelberg mit Madonna“ auf der Weltausstellung in Paris erhielt. Viele Jahre wurde sie stolz im früheren Musterzimmer in Grünhainichen präsentiert – das hat Spuren hinterlassen. Die erfahrene Papier-Restauratorin Wiebke Schneider arbeitet das wertvolle Zeitdokument wieder auf. Gelegenheit zu einem Gespräch an ihrem Arbeitsplatz.

Ein Werkstattbesuch

DIE BLATTRÄNDER sind durch Insektenfraß beschädigt. Mit Klebeband wurde einst versucht, die „Überreste“ zu fixieren.

Welche Beschädigung weist die Urkunde auf? Es ist ein ganzes Bündel an Schäden! Licht hat das Papier vergilben lassen. Außerdem ist die Urkunde mit Feuchtigkeit in Kontakt gekommen, wodurch Wasserflecken und Verschmutzungen entstanden. Außerdem sind nahezu auf dem gesamten Karton Fraßspuren von Insekten – vermutlich Silberfischchen. Sie haben die Oberfläche des Papiers abgetragen, sodass die Urkunde viele „dünne“ Stellen aufweist. Die Ränder des Papiers haben sich die „Nagetierchen“ besonders schmecken lassen. Hier fehlen ganze Stücke. Die „Reste“ wurden einst mit Klebeband fixiert. Das war damals gut gemeint, stellt mich heute aber vor die große Herausforderung, es ohne Beschädigung der Urkunde rückstandslos zu entfernen. Das Klebeband ist sozusagen der Erzfeind der Restauratoren (schmunzelt)

Können die Schäden überhaupt behoben werden? Und wenn ja, wie? Nicht jeder Schaden kann beseitigt werden. Die verblichene Unterschrift unten links auf der Urkunde kann auch ich nicht wieder zurückholen. Und dann stellt sich natürlich auch immer die Frage, wie makellos das Objekt überhaupt aussehen soll. Oft würde es dann seinen Charme verlieren. Das ist wie bei den Figuren, die bei Ihnen zur Restaurierung in die Manufaktur kommen. Auch bei ihnen wird der „Zauber des Alten“ erhalten ... Und dann mache ich mich an die Arbeit –mit ruhiger Hand und viel Geduld, denn oft heißt es warten, bis das Papier nach einem Arbeitsgang getrocknet ist. Die Flecken entferne ich mit einem speziellen „Zaubermittel“. Dank meiner langjährigen Berufserfahrung weiß ich heute ganz genau, was ich einsetzen muss und in welcher Dosierung. Dem Klebeband rücke ich mit einem Spezialgerät zu Leibe:

Heiße Luft hilft, es zu lösen. Die Kleberreste entferne ich vorsichtig mit einer Art Radiergummi. Die Löcher an den Rändern des Dokuments schließe ich entweder, indem ich ein neues, möglichst ähnliches Papierstück ansetze, oder ich streiche die Fehlstellen dünn mit einem „Brei“ aus Zelluloseflocken, Weizenstärke und Thylose aus. Ist die Masse getrocknet und gepresst, ist die „Füllung“ kaum noch zu sehen.

Was ist bei diesem Restaurationsobjekt die größte Herausforderung? Das ist eindeutig das Medaillon in der Mitte der Urkunde. Es ist kunstvoll geprägt und mit – so vermute ich – Blattgold veredelt. In diesem Fall darf ich nur äußerst behutsam mit Feuchtigkeit arbeiten, damit sich das Papier – vor allem nahe dieser Stelle –nicht verzieht und unter Spannung gerät. Wie sich das Papier verhält, lässt sich schwer vorhersehen. Und (in ernstem Ton): Papier verzeiht nichts! Aber das bekomme ich hin und bald erstrahlt die Urkunde wieder in „neuem alten“ Glanz.

Dann setzt Wiebke Schneider ihre Stirnlampe mit integrierter Lupe auf den Kopf, rückt diverse Döschen zurecht und vertieft sich wieder in ihre Arbeit. Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser elfpunktepost wird die Urkunde bereits zurück in Grünhainichen sein – sicher und unter bestmöglichen Bedingungen verwahrt im Archiv der Manufaktur.

MIT EINER ZELLULOSE-MISCHUNG füllt Wiebke Schneider die Fehlstellen mit einem Spatel aus. DIE RESTAURATORIN säubert mit einem Wattestäbchen vorsichtig das „Herzstück“ des wertvollen Zeitdokuments: das goldene Medaillon im Zentrum der 50 mal 65 Zentimeter großen Urkunde.
RESTAURIERUNG URKUNDE 20

Immer einen Ausflug wert

Am 30. September 2023 feiert die Wendt & KühnFigurenwelt ihren 20. Geburtstag – ein schöner Anlass, mal wieder einen Ausflug nach Seiffen zu planen. Aber auch an allen anderen Tagen des Jahres ist ein Besuch im „grünen Haus“ eine Reise wert.

FÜR KURZENTSCHLOSSENE Am 30. September 2023 herrscht in der Figurenwelt von 10 bis 17 Uhr kunterbuntes Treiben: An diesem Tag sind alle Gäste zu Sekt und Kuchen eingeladen. Die Sterne des markanten Himmels der Figurenwelt „begegnen“ den Besuchern an der Bastelstraße und in der Kreativ-Galerie – hier können Klein und Groß persönliche Kunstwerke gestalten. Eine Fotokulisse und die Schauvorführung einer Leimerin und einer Malerin aus der Grünhainichener Manufaktur runden den erlebnisreichen Tag ab.

FÜR KREATIVE In der Figurenwelt können die Besucher auch selbst zum Künstler werden und mit Pinsel und Farbe ein eigenes Erinnerungsstück aus Holz gestalten – noch bis zum 13. Oktober, dann wieder ab Januar 2024. Ob kleiner oder großer Farbvirtuose, jung oder jung geblieben – in unserer Kreativ-Galerie stehen

unterschiedliche Hängedekorationen, Rahmen, Spandosen und vieles mehr in verschiedenen Größen und Preiskategorien bereit, um von Ihnen verziert zu werden. Details zur Anmeldung sowie eine Übersicht der Gestaltungsangebote finden Sie auf unserer Internetseite www.wendt-kuehn.de in der Rubrik „Erleben“ unter „Wendt & Kühn-Figurenwelt in Seiffen“.

FÜR DEKO-BEGEISTERTE In der Verkaufsgalerie bleiben keine (Figuren-)Wünsche offen: Denn hier finden Sammler, Liebhaber und all jene, die sich selbst und anderen gern eine Freude bereiten, das komplette Sortiment der Manufaktur. Ideen, wie man die Figuren später daheim in Szene setzen kann, gibt es auch gleich noch dazu: Auf 250 Quadratmetern können sich die Besucher von liebevoll inszenierten Figurenarrangements zu stilvollen Dekorationen inspirieren lassen.

SCHAUTAGE

Kunsthandwerk

In weihnachtlicher Atmosphäre können Sie den Kunsthandwerkerinnen und -handwerkern über die Schulter schauen und sich in der Wendt & Kühn-Welt zu Geschenk- und Dekoideen fürs Weihnachtsfest inspirieren lassen. Fotokulisse, Bastelstraße und Schautage-Café machen den Adventsausflug zu einem Erlebnis für die ganze Familie.

Manufaktur Wendt & Kühn

Grünhainichen

2. und 3. Dezember 2023, 10 bis 17 Uhr

VERANSTALTUNGSREIHE

… erwartet Sie ein besonderes Highlight in Grünhainichen: von einer Kuratorinnen-Führung durch die Ausstellung über ein Elf-Punkte-Bingo bis hin zur Taschenlampenführung durch die Manufaktur. Da sich die Events großer Beliebtheit erfreuen und zum Teil bereits ausgebucht sind, planen wir, ausgewählte Aktionen im nächsten Jahr erneut zu veranstalten.

Wendt & Kühn-Welt

Grünhainichen

An jedem 11. des Monats

Ausführliche Informationen und den Kontakt für eine Anmeldung zu diesen und weiteren Veranstaltungen finden Sie auf unserer Website. Natürlich freuen sich unsere Mitarbeiterinnen im Kundenservice ebenfalls darauf, Ihre Fragen am Telefon oder per E-Mail zu beantworten. Eine Anmeldung zu den Schautagen ist nicht erforderlich.

www.wendt-kuehn.de/termine

Telefon (037294) 86 128

erlebnis@wendt-kuehn.de

ONLINE IM ÜBERBLICK
und
des Monats
erleben Termine
Details An jedem 11.
IN SEIFFEN
WENDT & KÜHN-FIGURENWELT
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Auf Wiedersehen

Die abgebildeten Figuren wurden in diesem Jahr vorerst letztmalig dem Fachhandel zum Verkauf angeboten. Anschließend kehren sie für mindestens fünf Jahre in den historischen Musterschrank der Manufaktur zurück. Einige dieser Artikel sind zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser elfpunktepost bereits komplett von unseren Wendt & Kühn-Fachhändlern vorbestellt. Nur dort lässt sich die tatsächliche Verfügbarkeit erfragen.

MARGERITENENGEL, SITZEND, MIT HAMPELMANN (4 cm)

634/70/19

MARGERITENENGEL, SITZEND, MIT NIKOLAUSSTIEFEL (4 cm)

634/70/20

MARGERITENENGEL, SITZEND, MIT REITERLEIN (4 cm)

634/70/21

BLUMENKIND, GROSS, MIT STIEFMÜTTERCHEN (92 cm)

5248/9G

LAUBBAUM, UNBEMALT (15 cm)

5302/9

MÄDCHEN MIT KRANZ (6 cm)

641/N/5

KERZE „LEBKUCHENENGEL“ (12 cm, Durchmesser 10 cm)

WK/150

IMPRESSUM

Editorische Notiz (Schreibweise männlich/weiblich/divers):

Wir haben uns aus Gründen der besseren Lesbarkeit dafür entschieden, in einigen Texten das generische Maskulinum zu verwenden. Selbstverständlich sind damit alle Gendergruppen gemeint.

JUNGE MIT BLUME (6 cm)

641/N/6

SET WANDPRÄSENTATION MIT MARGERITENENGELN, 7 FIGUREN (Abmessung Verpackung 13 x 26 x 52 cm)

634/Set/1/D

KERZE „REICH BEMALTE ENGEL“ (12 cm, Durchmesser 10 cm)

WK/553

elfpunktepost · 37. Ausgabe · Grünhainichen, September 2023

KERZE „WEIHNACHTSZAUBER“ (12 cm, Durchmesser 10 cm)

WK/Weihn

Herausgeber: Wendt & Kühn KG · Chemnitzer Straße 40 · 09579 Grünhainichen · Telefon (037294) 86 286 · info@wendt-kuehn.de · www.wendt-kuehn.de

Verantw. Redakteure, V.i.S.d.P.: Claudia Baer, Thomas Rost, Wendt & Kühn KG · Redaktion: Lena Sabotta, Thomas Rost, Sophie Lässig, Wendt & Kühn KG; Heidi Diehl (S. 10 – 13) ·

Gestaltung: schech.net | Strategie. Kommunikation. Design. · Bildnachweise: schech.net (1), Mirko Hertel (1, 2, 14), Kristian Hahn (4), ruemmlerfotografie (5, 21), Wendt & Kühn (5 – 7, 16 – 18, 19, 22), brennerdesign (8, 23), Juliane Mostertz (9, 20), Archiv Wendt & Kühn KG (9 – 13, 15), Katja Fouad Vollmer/TMGS (21), Adobe Stock (21), Marcus Heilscher (Postkarte) · Druck: Gutermuth, Grünhainichen

GEFERTIGT
LETZTMALIG
| 2023
22
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