Wendt & Kühn - elfpunktepost 26 (Frühjahr/Sommer 2018)

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ZAHLREICHE SKIZZEN UND N AT U R S T U D I E N dokumentieren die intensive Auseinandersetzung der Gestalterinnen mit den faszinierenden Vögeln.

mit den gefiederten Gesellen beschäftigt, sie lieb gewonnen und ist zu einer wahren Eulenexpertin geworden. Gewisse „Vorkenntnisse“ gab es schon – pflegte ihre Familie doch vor einigen Jahren einen Waldkauz, der sich beim Zusammenstoß mit einem Auto am Flügel verletzt hatte. „In unserer heimischen Werkstatt kam er wieder zu Kräften und flog schließlich gut erholt davon“, berichtet Katrin Wojtkowiak fast ein wenig wehmütig. „Sein Federkleid – jede einzelne Feder fein gemustert und akkurat gelegt – faszinierte mich schon damals. Dies nun bei unseren wieder aufgelegten Eulen umzusetzen, war für mich eine Herzensangelegenheit.“ Doch nicht nur die Farbgestaltung zeugt von Exzellenz, auch die Formgebung beeindruckt: Unzählige Schleifgänge lassen aus den symmetrischen Drehteilen in Glocken- oder Ellipsenform einen Korpus entstehen, der die charakteristische Gestalt der Eulen ausmacht. Außerdem sind viele Anschnitte notwendig – zum Beispiel für die Flächen der großen Eulenaugen, die im Gegensatz zu den Augen anderer Vögel starr nach vorne gerichtet sind. Die winzigen Schnäbel der zwei IN DER DREHEREI

entstehen zunächst glockenförmige Drehteile. Erst durch viele Schleifgänge wird der sanft geschwungene Eulenkörper geformt. Sogenannte Lehren – zum Beispiel für das Bohren und Schleifen – sind dabei nützliche Hilfsmittel.

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kleineren Nachtschwärmer sowie die Federbüschel am Kopf des Eulenkindes sind aus Reifen gedreht. Die Kunst des Reifendrehens ist weltweit einmalig und typisch für das Erzgebirge. Mit erfahrenem Blick und sicherer Hand arbeitet der Drechsler mithilfe seines Werkzeugs aus einem hölzernen Ring die Kontur der Schnäbel und Büschel heraus. Scheibchenweise werden diese anschließend abgeschnitten. Auch bei den markanten Federbüscheln, die den Kopf der zwei größeren Figuren schmücken, blieb Olly Wendt bei der Gestaltung dem Naturvorbild treu: Ganz sanft geschwungen rahmen sie das Gesicht der Eulen. Ein kleines, aber nicht unwesentliches Detail – denn gerade diese entzückenden Feinheiten machen die Figuren so einzigartig und liebenswert. VON GLÜCK, UNGLÜCK UND WEISHEIT

Doch was fasziniert uns an den Flugkünstlern so sehr, dass sie über alle Zeitepochen hinweg eine symbolträchtige Rolle im Leben der Menschen spielen? Vielleicht liegt es an ihrem freundlichen Äußeren, durch das sie uns eine gewisse Vertrautheit vermitteln. Ihr Gesicht mit dem kleinen Schnabel, den wangenähnlichen Flächen und den großen Augen erinnert an das eines Menschen. Ihr weiches Gefieder und der Federflaum schaffen ein Gefühl der Geborgenheit. Wegen ihres lautlosen Fluges in der Nacht umgab die Eulen schon immer eine Aura des Besonderen, aber auch des Geheimnisvollen. Im Laufe der Zeit wurden ihnen die unterschiedlichsten Eigenschaften zugeschrieben – sie wurden verehrt, bewundert, gefürchtet. Im antiken Griechenland galt der Ruf der Eule als schlechtes Vorzeichen. Im Isergebirge weist ihr Erscheinen am helllichten Tag zum Glück nur auf einen Regenschauer hin. Volksglauben und Symbolik sind


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