Die Monatliche - Ausgabe 44

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würde den Wohnvierteln eine Seele einhauchen, und die Jungfamilien würden auch nicht im Laufe der Zeit wegziehen, weil sie eine intaktes Kleinstadtambiente vor sich finden und der Blick aus dem Fenster auch nach einigen Jahren nicht mehr langweilig wird. Die Angst vor Disneyland Angekommen im Amtsgebäude 2 hinter der Stadtpfarrkiche wird man zum Zeitreisenden. Dieses Amtsgebäude verdient seinen Namen allemal: Besser kann man sich Amtsflair nicht vorstellen. Schon im Eingangsbereich begrüßt einen eine Tafel, in der die einzelnen Buchstaben in kleine Schienen eingeschoben wurden und alle Abteilungen anzeigen. Im zweiten Stock hinter einer grauen Holztüre findet man das Büro des Baudirektors. Die im Vorzimmer stehenden Schreibtische sind so alt, dass sie mittlerweile schon wieder modern sein könnten. Mit etwas ängstlichem, aber trotzdem ruhigem Blick begrüßt einen der Baudirektor. Es scheint, er fühlt sich etwas gestört in seinem Reich. Unsympathisch wirkt er aber nicht. Sein Name: Karl Pany. Pany ist einer der wichtigsten Beamten der Stadt. Und er ist der Mann, der das Aussehen der Stadt maßgeblich beeinflusste. Er hat die Oberhoheit, über jedes Bauprojekt zu entscheiden. Und er hat wie jeder Architekt auch eine Bauideologie. Pany vertritt eine rund 100 Jahre alte Ideologie, die bis heute meint, modern zu sein. Es geht um Reduktion, um Vereinfachung. Schnörkel und Verzierungen gelten als Verbrechen. Panys Reduktionismus ist so extrem, dass er anscheinend Architektur unsichtbar machen will. Das widerspricht aber sogar den geistigen Vätern der Baulehre, die den Fokus aufs Wichtige legen wollte. Pany will den Fokus aufs Unsichtbare richten. Warum er diese Art von Bauen bevorzugt, scheint er selbst nicht zu wissen. Es gefällt ihm anscheinend. Trotzdem wirkt er nicht inkompetent – im Gegenteil. Sein Wissen über die architektonische Geschichte der Stadt ist beachtlich. Ein längeres, durchaus interessantes Gespräch entsteht.

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Aufgrund der Breite des Themas und der fehlenden Zeit muss ein zweiter Termin vereinbart werden. Bevor dieser zustande kommt, kündigt er seine Pensionierung an. Es stimmt einen fast traurig, da einem der weißhaarige Mann mit dem gewöhnungsbedürftigen Architekturgeschmack fast schon ans Herz gewachsen ist. Es ist auch schwer verständlich, dass ein intellektueller, charmanter und gewitzter Mann wie Pany – mit dem man eigentlich gerne bei einer Flasche Wein die Nacht durchdiskutieren will – für so viele Bausünden in Wels verantwortlich ist und jahrelang Stadtentwicklung verhindert hat, weil er die Stadt künstlich kleinhalten wollte. Der zweite Termin kam trotz der angekündigten Pensionierung zustande. Bestimmt ist er vom Thema Gebäudehöhe. Panys einziges Qualitätsmerkmal für ein Gebäude scheint eine möglichst geringe Anzahl an Stockwerken zu sein. Häuser über drei Stockwerke werden meist nicht genehmigt. Er meint, es sei nicht menschengerecht, im 20. Stockwerk eines Hauses zu wohnen. Auf die Frage, ob es auch unmenschlich sei, im 5. Stock zu wohnen, will er nicht antworten. Er holt stattdessen stolz ein Miniaturmodell einer kleinen Siedlung, die in der Nähe der Autobahn entstehen soll. Mit etwas euphorischer Stimme meint er, dass in Richtung Autobahn zweistöckig gebaut wird und dahinter nur mehr ebenerdig. Natürlich wieder alles militärisch angeordnet. „Das ist alles schon verkauft, bevor es schon gebaut wurde“, meint er siegessicher. Ob das nicht eher an der akuten Wohnungsnot in Wels liegt als an der tollen Planung? Pany legt das Modell wieder beiseite. Warum er so darauf bedacht ist, nur kleine Einheiten zu schaffen, die aber dann in einer vollkommen vereinheitlichten, künstlichen Atmosphäre im DDR-Stil zu planen? Pany weicht aus. Es wirkt so, als hätte ihm noch nie jemand solche Fragen gestellt. Keine Konzepte Auch in der zweiten Garde der Welser Baudirektion gibt es keine großen Lichtblicke: Die eine scheint sich ausnahmslos mit Fahrrädern zu beschäftigen, der andere mit der milimetergenauen

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Team auftreten wollten. Es gab dann ein Interview mit beiden Beteiligten. Das besagte Team wollte auch ausdrücklich nicht mit Namen genannt werden. Die beiden Beamten wirkten generell nicht erfreut, dass sie von einem Ein genaues Konzept, wohin sich Journalisten etwas gefragt werdie 60.000-Einwohner-Stadt Wels den, vielleicht sogar bewertet. in den nächsten 80 Jahren weiterentwickeln sollte, existiert nicht. Der eine Herr wollte sich nicht Einzig das sogenannte „örtliche über die Vergangenheit der Entwicklungskonzept“ regelt für Stadtentwicklung in Wels undas nächste Jahrzehnt, wo man in terhalten, sondern nur über die Zukunft Spielplätze oder Indust- Zukunft. Auf die Zukunft angeriebetriebe ansiedeln will. sprochen, verwies er auf das in der Vergangenheit erarbeitete Nicht zuständig örtliche Entwicklungskonzept Zwei Personen aus der Bauabtei- und auf in der Vergangenheit lung wurden unabhängig vonei- beschlossene Gesetze, die halt nander zum Interview gebeten. so sind, wie sie sind. Die beiden verweigerten gesonderte Interviews, weil sie nur als Größe von Leuchtschriften und der Dritte mit der Abdeckung von alten Wandbemalungen in diversen Schulen, die eventuell gewaltverherrlichend sind, weil Ritter und Schwerter zu sehen sind.

Im zweiten Stock hinter einer grauen Holztüre findet man das Büro des Baudirektors. Die im Vorzimmer stehenden Schreibtische sind so alt, dass sie mittlerweile schon wieder modern sein könnten.


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