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Kleinkunst: Interview mit

«Ich muss nicht auf die Bühne. Ich kann und darf.»

Stilvoll in Blau und Violett. Das Duo «Schertenlaib & Jegerlehner».

Gerhard Tschan wurde für sein künstlerisches Schaffen mit dem Grossen Kulturpreis der Stadt Thun ausgezeichnet. Ein Gespräch über Austausch, Wertschätzung und Leidenschaft.

Dann nehmen Sie während Auftritten bewusst eine Bühnenper-

sönlichkeit an? Genau. Natürlich haben diese Persönlichkeiten immer viel mit mir zu tun, aber ich bin jeweils froh, wenn ich keine «private» Rede halten muss. Wenn ich alleine auf der Bühne stehe, bin ich nicht Gerhard Tschan, sondern schlüpfe in meine Rolle, bin die Figur, die dann mit dem Publikum kommuniziert. Danach gehe Gerhard Tschan, wie entsteht ein Programm von Ihnen oder von ich als Gerhard Tschan nach Hause: in den Garten – «d Gummistifle «Schertenlaib & Jegerlehner»? Gerhard Tschan: Die meisten mei- alege u chly ga buure» –, kochen oder ein Buch lesen, und habe wie ner Stücke sind Auftragsarbeiten, von daher ist die Ausrichtung jeweils vorgegeben. Im «Die Wirkung meiner alle anderen einfach meine Arbeit getan. Natürlich zensuriere ich mich auch selbst: Wenn Detail arbeite ich das Ganze mit Material Auftritte hängt stark ich merke, dass etwas nicht zu mir passt oder aus, das ich schon habe, und versuche, auch aktuelle Ereignisse, die zur Thematik passen, vom Austausch mit zu persönlich eingefärbt ist, passe ich die Dinge an die Figur an, die ich spiele – ich will einzubringen. So habe ich ein fixes Pro- dem Publikum ab.» ja nicht auf der Bühne privat wettern (lacht). gramm, das sich leicht erweitern lässt. Im Duo haben wir einen Fundus an Liedern, aus denen wir bei Auftrit- Sind Ihre Programme von A bis Z durchgeplant oder spielt auch ten die passenden auswählen. Die Musik ist als untermalendes Improvisation eine wichtige Rolle? Die Programme sind alle sehr Medium sehr hilfreich, da man mit verschiedenen Stilen die Stim- genau einstudiert. Ich pflege zu sagen, dass man, wenn man genau mung im Publikum stark beeinflussen kann. Wenn ich alleine auf- weiss, was man machen will und diese Dinge beherrscht, auch frei trete, spielt das Theater eine wichtigere Rolle. Ich arbeite auch mit ist, zu improvisieren. Wenn ich den Raum, in dem ich mich beLiedern, aber der Fokus liegt definitiv auf dem Theatralischen. wege, sehr genau kenne, kann ich aus dem Moment schöpfen. Oft

Gerhard Tschan in seinem Element. Auf der Bühne vergisst er die Zeit.

denken die Leute, das Gespielte sei spontan. Für mich ist das ein Gütesiegel, denn es zeigt mir, dass meine Auftritte locker daherkommen, obwohl sehr viel Arbeit dahinter steckt.

Betreffend die Zukunft: Wie lange werden Sie noch auf der Bühne

stehen? Geplant habe ich nichts, aber ich habe das Gefühl, dass ich meine Erfüllung gefunden habe. Schon als Kind war ich von Clowns fasziniert, aber wie das Leben so spielt, habe ich zuerst Gibt es Situationen, in denen Sie merken, dass etwas beim Publi- alle anderen Sachen gemacht. Ich habe meine anderen Berufe kum nicht so ankommt wie erhofft? Ja, aber ich kann mit meiner gerne ausgeübt, aber es hat immer etwas gefehlt – das Theater, Erfahrung gut auf solche Situationen reagieren. Ich die Bühne. Das war immer mein Traum. Man glaube, dass ich auch sagen darf, dass ich normaler- «Meine Arbeit kann sich solche Träume bewahren, ohne sie anweise nicht mit dem Programm falsch liege, sondern dass die Gesamtsituation nicht optimal ist. Wenn ich gibt mir unzugehen, oder aber versuchen, sie umzusetzen. Das kann in die Hosen gehen und dann ist der an einer Tagung auftrete, an der die Leute nicht pri- glaublich viel.» Traum vorbei, aber das war bei mir zum Glück mär wegen mir teilnehmen, ist es manchmal schwie- nicht so. Meine Arbeit gibt mir unglaublich viel, rig, den Funken überspringen zu lassen. Die Wirkung meiner Auf- und ich werde vielleicht noch mit 90 auf der Bühne stehen, wenn tritte hängt stark vom Austausch mit dem Publikum ab, und wenn ich so alt werde. das Publikum nicht auf Komik eingestellt ist, funktioniert der nicht wirklich. Interview Martina Witschi, Werd & Weber AG Bilder zvg

Was macht man, wenn man als Komiker einen schlechten Tag hat? Es gibt einen Schalter, der sich umlegt, wenn ich auf die Bühne trete. Ich vergesse dann alles um mich herum und bin sehr fokussiert. Meistens beschäftige ich mich vor den Shows auch nicht allzu sehr damit. Früher war das anders: Ich machte Stimm- und Turnübungen und habe das halbe Programm noch einmal durchgesprochen. Mit der Erfahrung hat sich das gelegt, und mittlerweile bin ich der Meinung, dass man vor einem Auftritt leer sein sollte, damit man ohne Erwartungen auf die Bühne treten, die Stimmung in sich aufnehmen und alles aus sich heraussprudeln lassen kann.

Wie fühlt es sich an, Preise wie den Salzburger Stier und den Gros-

sen Kulturpreis entgegenzunehmen? Es ist eine wahre Freude. Auch weil man solche Auszeichnungen nie erwartet – das ist wirklich so! Besonders der Salzburger Stier kam in einer schwierigen Zeit und gab uns als Duo einen grossen Motivations- und Energieschub. Auch mit dem Grossen Kulturpreis ist es so: Zu merken, dass ich als Künstler wahrgenommen und geschätzt werde, obwohl ich nicht ein «Star» im eigentlichen Sinne bin, ist sehr schön.

Gerhard Tschan

Der 1962 geborene Thuner arbeitete als Lehrer, Beizer und Koch, bevor er mit 36 Jahren seiner Leidenschaft folgte und berufsbegleitend die Ausbildung zum Clown absolvierte. Er begann, eigene Stücke zu schreiben und aufzuführen, und gewann 2005 den Thuner Kulturpreis der Sparte Theater als freischaffender Künstler. Er tritt sowohl allein als auch mit Michel Gsell im Duo «Schertenlaib & Jegerlehner» auf. 2013 wurden die beiden mit dem Salzburger Stier ausgezeichnet.

Auftritte in naher und ferner Zukunft:

www.gerhard-tschan.ch Zahlreiche Auftritte im Dezember mit Tinu Heiniger in dessen «Heiniger Abend» www.schertenlaibundjegerlehner.ch Grosse Tour durch die ganze Schweiz mit dem Programm «ZUNDER – EIN NACHBRAND»

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