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Interview Andreas Züllig

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Frontex

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Andreas Züllig.

Ukrainekrieg: Gespräch von Hilmar Gernet mit Andreas Züllig, Präsident HotellerieSuisse

Logiernächte nicht gegen Leid der Flüchtlinge aufrechnen

Bilder: zVg

Die Flüchtlinge, wie sie aus der Ukraine jetzt in der Schweiz eintreffen, sind für Andreas Züllig eine Art Déjàvu. Als zehnjähriger Bub, erzählt er zu Beginn unseres Gesprächs, erlebte er im elterlichen Hotel am Bodensee, wie 1968 – nach dem Prager Frühling – Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei in die Schweiz kamen. «Im grossen Saal unseres Hotels haben wir etwa 100 Flüchtlinge aufgenommen, die auf Matratzen auf dem Boden geschlafen haben. Ich habe den Flüchtlingskindern meine Spielsachen geschenkt.» In der gegenwärtigen Flüchtlingssituation tauchten diese Erlebnisse und Erinnerungen wieder auf, machen ihn betroffen und lassen ihn mitfühlen.

«Nach dem Mauerfall 1989», so Züllig, «schien der Kalte Krieg überwunden.» Mit der politischen Entwicklung seither, mit der Globalisierung, der Digitalisierung und den neuen Medien seien wir doch davon ausgegangen, dass «ein Krieg in Europa nicht mehr passieren kann». Umso härter sei es, sich von dieser Haltung zu verabschieden. Wir müssten uns auf die neue Realität einstellen. «Das Leid in der Ukraine ist unglaublich. Wir dürfen es nicht aufrechnen mit Logiernächten, die wir in der Schweiz verlieren, oder mit höheren Benzinpreisen. Das sind keine grossen Probleme im Vergleich mit jenen in der überfallenen Ukraine. Uns geht es noch immer sehr gut», analysiert er die Lage der Schweiz. Klar ist auch, dass die Fernmärkte USA und Asien nun nicht die eigentlich erwartete Erholung bringen. «Für Gäste aus diesen Weltregionen herrscht in Europa Krieg», sagt er weiter.

Wie schätzen Sie die direkten Kriegsfolgen für die Hotellerie in der Schweiz ein?

Für die einzelnen Betriebe werden die Kosten steigen. Energie ist ein wesentlicher Kostenfaktor in unserer Branche. Die höheren Lebensmittelpreise aufgrund der ausfallenden Ernten in der ukrainischen Kornkammer oder das wegfallende russische Gas werden den finanziellen Aufwand in den Hotelbetrieben erhöhen. Diese Kosten können aber nicht eins zu eins an die Gäste weitergegeben werden. Schliesslich ist mit einer gewissen Inflation zu rechnen und die Hypothekarzinsen dürften steigen. Das sind neue finanzielle Realitäten, die viele Unternehmen stärker belasten werden.

Dennoch haben viele Hotels sehr schnell ihre Hilfe angeboten und Flüchtlingen unbürokratisch ihre Infrastrukturen und ein Bett zur Verfügung gestellt.

Das war eine wunderbare Geste. Wir haben gezeigt, dass wir eine empathische Branche sind und uns in die Menschen einfühlen können.

Es gab aber auch negative Stimmen. Man hörte, dass Hotels aus dem Leid der Flüchtlinge ein Geschäft machten.

Da kann ich nur den Kopf schütteln. Das ist schon fast eine bösartige Unterstellung. Bei einem Betrag von 70 Franken für eine Übernachtung und 50 Franken für die Vollpension kann absolut nicht von einer Volldeckung der Kosten gesprochen werden. Zu bedenken ist weiter, dass auch der Bund Aufwand und Kosten hätte, wenn er Unterbringung und Verp egung der Flüchtlinge selbst in die Hand nehmen müsste. Ich sehe in vielen Hotels in der jetzigen Situation aber nicht eine kleinliche Buchhaltermentalität. Vielmehr wird spontane Hilfe geleistet, und Flüchtlinge werden teilweise kostenlos aufgenommen. Eine beachtliche Zahl von Hotels verzichtet auf einen Bundesbeitrag, weil sie etwas von der selbst erfahrenen Hilfe während der akuten Coronaphase zurückgeben möchten.

Erachten Sie es als realistisch, dass Flüchtlinge mit dem Schutzstatus S in der Hotellerie und im Gastgewerbe eine Arbeitsmöglichkeit nden?

Mir scheint es, in unserer Branche gute Möglichkeiten zu geben. Viele Flüchtlinge aus der Ukraine sind gut ausgebildet und sprechen Englisch. Solche Personen haben gute Chancen, in die Arbeitsprozesse einbezogen zu werden, die in einem Hotel zu leisten sind. Dass Deutschkurse mit bis zu 3000 Franken unterstützt werden, begrüsse ich. Es ist ein Beitrag, um Flüchtlinge aus- und weiterzubilden. Ihnen so auch eine Tagesstruktur zu geben, erachte ich als sehr wichtig. Nichts Schlimmeres, als wenn sie nichts tun können und immer an den Krieg, ihre Angehörigen und Freunde in der Ukraine denken müssen.

Wird HotellerieSuisse besondere Aktivitäten für die Ukraine-Flüchtlinge lancieren?

Das ist nicht vorgesehen. Aber unsere Branche ist sehr gut geeignet, durch direkte und konkrete Angebote in den Hotels vor Ort und in Zusammenarbeit mit den Behörden zu helfen. Zudem hat der Verband sehr schnell eine Website zur Ukraine geschaltet. Da nden sich alle relevanten Infos für die Hoteliers und die Zusammenarbeit mit den Ämtern. Zudem kommen jetzt die in den letzten Jahren aufgebauten guten Kontakte mit den beiden Staatssekretariaten für Migration, SEM, und für Wirtschaft, SECO, zum Tragen. Dieses Netzwerk ist bei der erneuten Krisenbewältigung sehr nützlich.

Sie liefern das Stichwort: Wir stecken seit Jahren im Krisenmodus. Die Bankenkrise 2008, dann die Eurokrise 2015, seit 2020 gefolgt von der Coronakrise und nun der Ukrainekrieg. Immer wieder muss die Hotel- und Tourismusbranche neu anfangen, wenn auch nicht ganz bei null. Stellen Sie nicht langsam eine Motivationskrise in der Branche fest?

Bei uns gibt es keine Motivationskrise. Sie haben die Krisen genannt, die sich den Stafettenstab sozusagen übergaben. Aber die Resilienz in der Branche ist enorm hoch. Zudem gab es in den letzten Jahren auch Lichtblicke. Trotz Corona konnten die auf den Binnenmarkt Schweiz ausgerichteten Hotels gute Ergebnisse erzielen. Und noch jetzt gehen wir davon aus, dass die Europäer weiterhin zu uns in die Schweiz kommen.

Das klingt schon beinahe professionell berufsoptimistisch.

Mit Krisen und ausserordentlichen Situationen umzugehen, gehört bei uns Hoteliers zur Grund-DNA. Das ist auch in unserem Berufsalltag so, wo wir immer wieder die individuellsten Wünsche unserer Gäste erfüllen. Aber ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass es derzeit darum geht, Mitgefühl zu zeigen und den Flüchtlingen zu helfen. Der Blick auf ihre traurige Situation relativiert unsere eigenen Sorgen.

Ukrainekrieg ruft bei Andreas Züllig Kindheitserinnerungen wach.

Sinnstiftende Branche

Es ist die Kinderzeit, die diese Haltung bei Andreas Züllig prägte. Diese lässt er sich auch heute nicht nehmen. So erachtet er politische Vorstösse für die Hotelbranche im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg momentan als nicht nötig. «Wir sind gut aufgestellt. Das System funktioniert. Unsere Kontakte zur Politik spielen gut.» Der HotellerieSuisse-Präsident ist überzeugt davon, dass die Hotelbranche gerade jetzt ihre besten Trümpfe spielen kann. «Wir sind eine sinnstiftende Branche. Wir können den Menschen etwas Gutes tun.» Und man glaubt ihm, wenn er damit gleichermassen die Hotelgäste und die Flüchtlinge meint, die jetzt unsere Gastfreundschaft benötigen.

Brillantes, das berührt

Was das Uhrwerk für die Zeitmesser ist, sind sie für ihre Bijouterie und ihr Schmuckatelier: die Herzen, die es in Schwingung halten. Brigitte und Patrick Aeschbacher über Uhrenhandwerk und Schmuckunikate, die verbinden.

Text: Daniela Dambach Bilder: zvg

8.58 Uhr. Pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk schliessen Brigitte und Patrick Aeschbacher ihre Bijouterie im Bälliz auf – wie sie das seit über 20 Jahren tun. 21, um genau zu sein, denn ihr Geschäft ist die Genauigkeit. Aber auch der gute Geschmack, die Haute Horlogerie und das Handwerk. Im Jahr 2000 haben sie den Laden übernommen, dessen Geschichte weiter zurückreicht. Das Rad der Zeit mit einem schwungvollen Schubs retourgedreht, landet man im Jahr 1965, als Ursula und Fred Bläuer ihr Uhrengeschäft in un gründeten. Wer die 200 Quadratmeter der Bijouterie Bläuer betritt, vermutet, ein vielstimmiges Ticken zu vernehmen. Doch die Schönheiten folgen stumm ihrem Sinn, denn alle Zahnrädchen greifen präzise ineinander, leise, rhythmisch und reibungslos. Es versammelt sich die gesamte Virtuosität der Uhrmacherkunst in den Vitrinen. Luxuriöse Zeitmesser von Manufakturen wie Breitling, Rado, Certina oder Chopard, zwecks fachkundigem – oder einfach fasziniertem – Blick eins zu eins nebeneinander auf die ebenhölzerne eke oder gar um die Handgelenke gelegt, zu vergleichen, ist ein Kaliber für sich. Schliesslich müssen Uhrenvernarrte üblicherweise ein, zwei Stündlein mehr einplanen, um die markenspezi schen Stores abzuklappern. Auch die Services, bei denen die Uhrmacher das Innenleben der Zeitmesser hemmungslos o enlegen, bietet Bläuer im hauseigenen Atelier. Durch eine Glasscheibe hindurch lassen sich die Uhrmacher beobachten, wie sie mit Vergrösserungsglas, Zehntelmass und Schraubenzieherchen an reiskornkleinen Komponenten operieren.

In den Ateliers, nur wenige beschwingte Schritte entfernt von der Bijouterie, beugen sich die Meister ihres Fach in ähnlicher

«Wir sind zwei – und doch eins, für immer vereint» – das symbolisieren die Colliers Mother & Daughter, die aus zwei Anhängern bestehen, die einzeln oder kombiniert tragbar sind. In verschiedenen Gold- und Edelsteinvariationen erhältlich.

Jahrzehntelange Erfahrung bei farbigen Juwelen: Was die Gemmologen erlesen, daraus fertigen die Goldschmiede in den Thuner Ateliers Schmuckkreationen.

Weise über die Werkbänke, doch was sie unter der Lupe formen und feilen, dient nicht der prunkvollen Pünktlichkeit, sondern der zeitlosen Zierde. Seit über 120 Jahren be ndet sich hinter den Fassaden des schmalen Altstadthauses die Schmuckmanufaktur Frieden, die Brigitte und Patrick Aeschbacher 2018 übernommen haben.

Das Frieden-Team sorgt für Strahlen und Leuchten – sowohl mit Unikaten, die es von der Skizze bis zum sprichwörtlichen «letzten Schli » individuell gestaltet, wie auch mit eigenen Schmucklinien. Was vor Jahren in Wien bei einem Hofjuwelier mit ersten Schritten begann, führt Brigitte Aeschbacher heute leidenschaftlich fort: Die hochkarätigen Preziosen tragen ihre Handschrift, wie jüngst die Kollektion Mother&Daughter. «Als Hommage an die Verbindung zwischen Mutter und Tochter», beschreibt sie ihre Idee, die bei einem Spaziergang am unersee mit ihrer Tochter Alexandra entstand. Sorgfältig löst sie das Collier von ihrem Hals, um den Kunstgri vorzuführen: Aus einem Schmuckstück werden zwei. Die trennbaren Anhänger zieren Farbedelsteine – eine Faszination, welcher omas Frieden mehr als sein halbes Leben lang frönt. Die Suche führt den Gemmologen an entlegene Orte der Welt, wo er seltene Schätze aufspürt mit einem Sinn, den man als «siebten» bezeichnen muss, denn mit Wissen allein sind seine kostbaren Funde nicht zu erklären. Sie sind sowohl Wertanlage wie «Grundstein» für Geschmeide, für die es Brigitte Aeschbacher gewiss nicht an Inspirationen mangelt. «Kommt eine Idee bei meinem Mann gut an, kommt sie überall gut an», stellt sie lächelnd fest. Er sei der «purste Kritiker», be nden beide einstimmig. Wie eingespielte Zugfedern treibt das Unternehmerpaar ihr Tagewerk an, bis es sich dem widmet, wofür es sich immer genügend Zeit nimmt: der Familie.

Zwei Herzen im Gleichtakt: Brigitte und Patrick Aeschbacher führen seit 2000 die Bijouterie Bläuer, vor vier Jahren übernahmen sie die Schmuckmanufaktur Frieden.

Bijouterie Bläuer Bälliz 40, 3600 Thun www.blaeuer-uhren.ch

Schmuckmanufaktur Frieden Obere Hauptgasse 37, 3600 Thun www.frieden.ch

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