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am SID
Was heisst «in eine Richtung zu lenken»?
Wir alle sind jetzt Gastgeber! Heute dürfen wir sagen, dass das Haus und unser Team sehr erfolgreich aufgestellt sind.
Und die Pandemie, die uns seit März 2020 beschäftigt und im Gastgewerbe zu einer Krise führte?
Claudia Vogl Baki: Wir haben diese Krise für uns genutzt und – zum Beispiel – das Restaurant in eine komplett andere, erfolgreiche Richtung gelenkt. Wir waren und sind immer gut gebucht – und wir er reichen unsere Zahlen, darauf bin ich schon etwas stolz. Die Verluste aus dem Bankettgeschäft konnten wir mit der Gastronomie weitgehend wieder kompensieren.
Wie hoch ist denn eigentlich der Anteil Food & Beverage am Gesamtumsatz?
Murat Baki: Fünfundsechzig Prozent.
Ist das Haus mit 37 Zimmern und hohem Gastronomie-Anteil rentabel, das heisst: Verdienen Sie damit gutes Geld?
Ja, der Betrieb ist selbsttragend. Wir erwirtschaften sogar einen kleinen Gewinn. Wir verdienen so viel Geld, dass wir immer wieder investieren können. Im Corona-Jahr 2020 war das natürlich völlig anders, da lagen keine Gewinne drin.
Nochmals: Wie schaffen Sie es, mit nur 37 Zimmern und 65 Prozent Food & Beverage einen Gewinn zu erzielen?
Wir schaffen es mit einem professionellen uns strikten Revenue- und Ertragsmanagement. Wir achten darauf, dass wir zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Raten haben. Die Airlines machen es uns ja seit vielen Jahren vor!
Dank Ihrem klugen Revenue-ManagementSystem haben Sie mehr Zeit für die Gäste.
So ist es.
Wie haben Sie das Krisenjahr 2020 überlebt?
Nachdem Ende März fast alles zusammenbrach, war der Sommer 2020 hervorragend, ab Mai hatten wir eine Auslastung von über 80 Prozent. Auch der Herbst war sehr gut, bis Mitte Dezember, als die Restaurants erneut schliessen mussten. Claudia Vogl Baki: Wir sind stolz, dass wir keine Mitarbeitenden entlassen mussten.
Kommen wir zum Werbespot für Ihr Hotel. Warum soll ich in Solothurn ausgerechnet im Hotel «La Couronne» absteigen?
Claudia Vogl Baki: Wir reden nicht nur von Gastfreundschaft und Herzlichkeit, wir leben sie. Murat Baki: Auf allen Bewertungsportalen sind wir top. Auf Tripadvisor sind wir schon lange die Nummer eins in Solothurn. Ein Indiz dafür, dass die Gäste unser Haus mögen. Der Gast steht bei uns immer im Mittelpunkt. Unsere ganzen Prozesse im Hintergrund sind darauf ausgerichtet.
«La Couronne» ist einer der ältesten Gasthöfe der Schweiz. Welche Rolle spielt die Geschichte des Hauses im Jahr 2021?
Murat Baki: Wir bieten hier 500 Jahre Geschichte! Laut Urkunden ist unser Haus das zweitälteste Hotel der Schweiz. Die Anfänge gehen bis ins Jahr 1418 zurück, die heutige Barockfassade sowie die Grundstruktur des Hauses stammen aus dem Jahr 1772. So eine Geschichte hat nicht jeder Hotelier.
Das Hotel wurde nach einer zweijährigen Sanierung im Mai 2017 neu eröffnet. Wie viel Geld haben die Investoren, die Immobiliengruppe «Swiss Prime Site», in das Haus gesteckt?
Murat Baki: Ins Haupthaus wurden unter Denkmalschutz rund 18 Millionen investiert, weitere zwei Millionen in unsere Dependance «Atelier».
Geschichte, Gastfreundschaft, Herzlichkeit, Design, gutes Restaurant: Wie würden Sie die aktuelle Positionierung des Hauses umschreiben?
Murat Baki: Es gibt hier mehrere Positionierungsmerkmale. Einige haben Sie bereits angesprochen, so zum Beispiel die Geschichte. Wir sind auch Mitglied bei «Swiss Historic Hotels». Das historische Flair spürt man nach wie vor im ganzen Haus. Wir sind ein Boutique-Hotel mit Anlehnung an die französische Lebens- und Gastronomiekultur. Deshalb auch der Name «La Couronne». Das Haus ist seit vielen Jahren ein gesellschaftlicher Mittelpunkt. Hier trifft sich die Stadt. Fast jeder Solothurner hat hier etwas erlebt – ein Fest, einen Ball, eine Geburtstagsfeier, eine Hochzeit …
Claudia, warum ist Ihr Restaurant so einzigartig?
Auch in der Gastronomie lassen wir Traditionen wieder aufleben: Wir bieten Grossstücke an, flambieren, filetieren und tranchieren am Tisch. Wir bieten dem Gast bewusst eine klassische, eher französisch geprägte Küche, die dort ansetzt, wo sie in den Siebzigerjahren mal war.
Und Ihre Weinkarte? Die wirkt im ersten Moment nicht sehr umfangreich …
Claudia Vogl Baki: Auf die Menge kommt es ja nicht an. Wir haben die Karte erst vor zwei Jahren neu arrangiert. Einer der Schwerpunkte ist immer noch Frankreich, dazu kommen eher unbekannte, kleinere Winzer. Was mir wichtig ist: Die Weine werden bei uns am Tisch im Restaurant zelebriert – und nicht einfach serviert. ➤
CLAUDIA VOGL BAKI
Die Genossenschaft Baseltor
Die Geschichte der heutigen Genossenschaft Baseltor in Solothurn beginnt 1978 im selbstverwalteten, basisdemokratischen Löwen mit dem Künstler Schang Hutter als erstem Präsidenten. Die Utopie der Pionierzeit – kollektiv zusammenleben und -arbeiten, die Gesellschaft durch Gastronomie und Kultur verändern, stellt die Aktivistinnen und Aktivisten der ersten Stunde auf eine harte Probe. Neben den langen Arbeitstagen im gut besuchten Löwen werden zusätzlich am Sonntag Entscheidungen in Vollversammlungen gesucht. Es wird diskutiert, argumentiert und gestritten, und dennoch: Die Beiz versinkt weder im Chaos, noch leidet die Motivation. Was zählt, sind der Idealismus und die Begeisterung fürs Kollektiv bei gleichem Lohn für alle. Der Löwen ist schon dannzumal der «Place to go» in Solothurn.
1992 erfolgt der Umzug ins ehemalige Chez Derron im Domherrenhaus bei der St.-Ursen-Kathedrale. Die Liegenschaft wird gekauft, renoviert und mit 6 (heute 17) Hotelzimmern ausgestattet. Beim Umbau wird die alte Bausubstanz geschickt mit neuen Elementen kombiniert, wofür die Genossenschaft Baseltor auch einen Architekturpreis gewinnt.
Die Genossenschaft entwickelte sich langsam und stetig weiter. Der Betrieb wurde professioneller, ohne dabei genossenschaftliche Werte aufzugeben, und im Zehn-Jahres-Rhythmus kamen neue Betriebe in der Stadt dazu. Auch in diesen neuen Lokalen gelang das Zusammenspiel von attraktiver Gastronomie, zeitgemässem Design und historischer Bausubstanz.
Heute führt die Genossenschaft Baseltor die vier Betriebe Baseltor, Solheure, Salzhaus und HOCH3 Catering, die zusammen einen wesentlichen Beitrag zu einer lebendigen Stadt mit kultureller Ausstrahlung leisten. Im Mai 2017 übernahm die Genossenschaft die damalige Krone, das erste Haus am Platz. Es wurde nach einer umfassenden Sanierung neu als La Couronne Hotel & Restaurant eröffnet.
Die Genossenschaft Baseltor ist heute ein Unternehmen mit 300 Genossenschaftern. Sie beschäftigt rund 110 Mitarbeitende und erwirtschaftet einen Gesamtumsatz von rund 12 Mio. Franken. Sie wirtschaftet nachhaltig, die Gewinne kommen den Mitarbeitenden zugute und werden in die Entwicklung der Betriebe reinvestiert. Delegierter im Vorstand ist der Gastronomie-Berater Martin Volkart.

Mir fällt auf, dass Sie überdurchschnittlich motivierte und junge Mitarbeitende beschäftigen. Wie schaffen Sie es, das Team täglich zu motivieren?
Murat Baki: Wir geben unseren Mitarbeitenden Freiraum und schenken ihnen Vertrauen. Wir nehmen unsere Leute so, wie sie sind. Wir betonen ihre Stärken. Läuft an einem Tisch mal was schief, kann die Service-Mitarbeitende direkt entscheiden und dem Gast was Gutes tun. Unser Ziel: Wir wollen einen zuvorkommenden, authentischen, professionellen und herzlichen Service bieten. Übrigens auch ein Positionierungsmerkmal.
Ich sehe vor mir ein junges Direktionspaar. Früher waren solche Paare in Hotels stark verbreitet, denken wir an Emanuel und Rosmarie Berger (Victoria-Jungfrau) oder Helen und Vic Jacob (Suvretta House), jetzt haben in vielen Hotels die Manager das Zepter übernommen. Drängt es sich nicht bald auf, ein eigenes Haus zu besitzen und zu führen?
Claudia Vogl Baki (lacht): Ein eigenes Hotel? Das können wir uns gar nicht leisten.
Sie könnten als Pächter ein Hotel übernehmen, damit sind Sie auch Unternehmer.
Claudia Vogl Baki: Wenn das richtige Angebot auf uns zu kommt, würden wir uns das sicher überlegen.
Das richtige Angebot?
Murat Baki: Es ist, ähnlich wie «La Couronne», ein kleines, feines Boutique-Hotel. 50 bis 80 Zimmer, dazu eine schöne Gastronomie …
Sie haben eine besondere Beziehung zu Zürich. Müsste dieses Hotel an der Limmat angesiedelt sein – und warum eigentlich Zürich?
Murat Baki: Wir sind beide 2009 in Zürich gestartet, Claudia in den Kunststuben bei Horst Petermann, ich im damaligen «Sheraton Neues Schloss Hotel», zuletzt als Front Office Manager. Claudia Vogl Baki: Ich war von 2009 bis 2013 bei Petermanns – als Restaurantleiterin und Sommelier. Iris Petermann war mein grosses Vorbild, eine wunderbare Gastgeberin!
Sie haben also in Zürich gearbeitet, aber warum sollte Ihr künftiges Hotel dort stehen?
Murat Baki: Wir haben uns in die Region Zürichsee verliebt – ja, und wir mögen den See. Claudia Vogl Baki: Kommt hinzu, dass unser Sohn in Zürich geboren wurde. Murat Baki: Es spielt uns eigentlich keine Rolle, ob wir als Direktionspaar oder Pächter ein Haus führen. Wir sehen uns in jedem Falle als Gastgeber.
Wenn ich Sie so höre, werden Sie Solothurn bald einmal verlassen und vielleicht eben in Zürich ein Hotel übernehmen. Oder liege ich falsch?
Claudia Vogl Baki: «La Couronne» verlassen? Nein, im Moment ist das kein Thema für uns, aber später werden wir vielleicht weiterziehen und eine neue Herausforderung annehmen. Wir sind noch nicht an dem Punkt angekommen, wo man sagen müsste: Wir haben hier in Solothurn alles erreicht.
Viele jüngere Hoteliers träumen vom grossen Luxushaus. Eine Option?
Murat Baki: Definitiv. Claudia Vogl Baki: Wichtig ist uns, dass wir gemeinsam vorne beim Gast präsent sein können. Und noch etwas: Wir arbeiten und engagieren uns als Direktionspaar, das macht uns aus.
Wer hat den Lead?
Murat Baki: Wir beide, auch grundsätzlich Dinge besprechen und entscheiden wir immer gemeinsam.
Zurück nach Deutschland?
Wir bleiben in der Schweiz.
Ein Haus in der Türkei oder in Syrien ist also keine Option.
Murat Baki (lacht): Nein, definitiv nicht. Ich hatte tatsächlich auch schon Angebote aus Istanbul oder Izmir.
Welche Hotels oder auch Restaurants sind für Sie so etwas wie «Traumbetriebe»?
Claudia Vogl Baki: Ich denke dabei wieder an Zürich – zum Beispiel an das Hotel Storchen und das «Widder Hotel». Faszinierende Häuser. Lage, Gastronomie, Geschichte – da stimmt alles. Murat Baki: Mich haben viele Häuser, auch im Ausland, fasziniert. Das Althoff Seehotel Überfahrt am Tegernsee gehört dazu. Ich liebe Hotels am Wasser. Auch das Hotel Alex in Thalwil, direkt am See gelegen, finde ich grossartig. Es gibt viele tolle Hotels, in New York, Hamburg … oder eben in Zürich.
Claudia und Murat Baki, vielen Dank für das
Gespräch und weiterhin viel Erfolg!

Ein Power-Hotelierpaar

«Ich wusste schon als 14-jähriger Bub, dass ich später einmal Hoteldirektor werden wollte»
MURAT BAKI
[01] Hotelier-Traumpaar Murat Baki und Claudia Vogl Baki (vor dem historischen Hotel La Couronne).
[02] Historisches Haus mit Barockfassade aus dem 18. Jahrhundert: La Couronne Solothurn.
[03] Junior Suite.
[04] Badezimmer.
[05] Konferenz- und Tagungssaal im La Couronne.
[06] Das klassisch-französische Restaurant. Seit zwei Jahren sind die Eltern zweier Kinder (Florin und Ilara) als Gastgeber im historischen Hotel «La Couronne» in Solothurn tätig. Während sich Murat Baki als Direktor in erster Linie um das Hotel, Management und Marketing kümmert, zeichnet sich Claudia Vogl Baki als Directrice für das Restaurant sowie Personal verantwortlich. Die beiden sind ein eingespieltes Team, denn bereits von 2015 bis 2019 waren sie gemeinsam tätig: Sie führten das familiäre Boutique-Hotel «L’Auberge» im bernischen Langenthal mit Erfolg.
Bis der Traum der gemeinsamen Arbeit als Hotelierpaar in Erfüllung gehen konnte, durchliefen Claudia wie auch Murat intensive Ausbildungs- und Wanderjahre in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Geboren in der ersten Hälfte der 1980er-Jahre, absolvierten Claudia und Murat klassische Ausbildungen. Während Murat den Weg zum Hotelfachmann einschlug, meisterte Claudia – als Tochter einer Gastronomiefamilie nicht weiter verwunderlich – die Ausbildung zur Restaurationsfachfrau. Ihre ersten beruflichen Erfahrungen sammelte sie in Wien im Restaurant Steirereck und im Palais Coburg, wo sie auch die Leidenschaft zum Wein entdeckte und sich zur diplomierten Sommelière weiterbildete. Murat seinerseits verdiente sich seine ersten Sporen am Tegernsee, im Seehotel Überfahrt und auf hoher See, auf der MS Europa.
Ihre Wege kreuzten sich schlussendlich in Stuttgart, wo beide im Hotel Steigenberger Graf Zeppelin tätig waren. Nach weiteren, getrennten Stationen in Deutschland, zogen die beiden 2009 nach Zürich, wo Murat unter anderem als Front Office Manager im Sheraton Neues Schloss Hotel arbeitete. Claudia ihrerseits war unter Iris und Horst Petermann in Petermann’s Kunststuben (19 Punkte, 2 Sterne) als Chef de Service und Chef-Sommelière tätig. Nach operativen Leitungsstellen in Oerlikon und Zürich folgte ein Abstecher in die Bündner Herrschaft, wo Claudia gemeinsam mit Iris Petermann das Hotel und Restaurant Weiss Kreuz in Malans übernahm und erfolgreich aufbaute. Murat arbeitete während dieser Zeit in Davos für die drei Hotels der Seehof Selection Gruppe als Rooms Division Manager.
Murat und Claudia sind Gastgeber, Hoteliers, Gastronomen, aber auch Eltern und Eheleute mit grosser Leidenschaft. Geschickt vereinbaren sie Berufung und Familie und lassen es an keinem der beiden Orte an Herzlichkeit fehlen.