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Editorial

Kann man Leidenschaft und Herzblut lernen?

Ja, es gibt sie. Hoteliers und Hotelier-Paare, die nicht nur und ständig über Leidenschaft und Herzblut reden, sondern dies auch im Alltag leben. Ich könnte an dieser Stelle viele Namen nennen, aber ich konzentriere mich auf ein junges Paar, das seit zwei Jahren eines der schönsten und ältesten Stadthotels der Schweiz führt, nämlich das aus dem 17. Jahrhundert stammende «La Couronne» in Solothurn, ein Barockbau direkt neben der St.Ursen-Kathedrale. Ein wunderbares kleines Vier-Sterne-Boutique-Hotel mit hervorragender (klassischer) Gastronomie und wunderschön sanierten Zimmern und Suiten. Der Inhaber der Liegenschaft, die Zürcher Immobilienfirma «Swiss Prime Site», hat rund 20 Millionen Franken in die Sanierung der ehemaligen «Krone» investiert. Seit Mai 2017 erstrahlt das Haus in neuem Glanz, wie man so schön sagt. Und hat glänzende Gastgeber, die als Musterbeispiel in einem Fachbuch über «Service Excellence» Erwähnung finden könnten. Motto: «So führt man mit Leidenschaft, Herzblut, Engagement und hoher Professionalität einen Hotelbetrieb.» Sie heisen Murat Baki und Claudia Vogl Baki. Seine Grosseltern sind türkisch-syrischer Abstammung, sie stammt aus Deutschland und Österreich. Murat und Claudia haben sich 2009 kennen- und lieben gelernt. Sie sind für mich das aktuelle «Hotelier-Traumpaar der Schweiz». Leider gibt es diese Kategorie in den Hotelratings (noch) nicht.

«Murat und Claudia, die wunderbaren Gastgeber im historischen Barockstädtchen Solothurn, ersetzen jedes Lehrbuch zum Thema «guest relations»

Murat und Claudia bringen (fast) alles mit, was erfolgreiche und engagierte Gastgeber auszeichnet. Sie sind so etwas wie «Bilderbuch-Gastgeber». Ja, ich spreche aus Erfahrung, denn ich habe sie «live» in ihrer Hotelwelt erlebt. Wie Murat seine Gäste empfängt, wie er auf sie eingeht, wie er mit ihnen kommuniziert – vorbildlich. Seine Frau Claudia, gelernte Restaurant- und Weinfachfrau (Sommelier), serviert den Gästen im stilvoll eingerichteten Restaurant nicht einfach schön zubereitete «Klassiker», nein, sie zelebriert die Speisen und Weine mit einem «inneren Feuer» und einer Ausstrahlung, wie ich das selten erlebe in Hotels. Und erst ihr junges, hoch motiviertes Team. Eine TopCrew. Sie haben längst begriffen, um was es in dieser Branche eigentlich geht: Der Gast will als Individuum wahrgenommen werden, er erwartet Aufmerksamkeit, authentischen, engagierten Service – er will etwas ganz Besonderes erleben. Und all das neben hoher Qualität, passendem Design, perfekt funktionierender Infrastruktur und einer nachhaltigen Un ternehmensphilosophie.

Kein Wunder, denken Murat und Claudia bereits an neue, spannende Herausforderungen. Zwar hätten sie «derzeit überhaupt nicht die Absicht», das wunderbare Haus in Solothurn zu verlassen, wie Claudia Vogl Baki im «Hotelier»-Talk erklärt, aber irgendwann in den nächsten Jahren wollen sie sich als Hotelier-Paar und Gastgeber verändern. Ihr Traum: ein schönes Boutique-Hotel am Wasser. Zürich. Ja, das wäre ihre Traumdestination, wie sie sagen. In die Stadt Zürich hätten sie sich verliebt, sagt Murat, dort sei auch ihr Sohn auf die Welt gekommen.

HANS R. AMREIN

Claudia und Murat sind nicht nur ein Paar. Hoteliers, die sechzehn Stunden am Tag durch ihr Hotel eilen und sich nur für ihr Haus aufopfern. Sie sind eine Familie, haben zwei kleine Kinder. Wie sie es schaffen, Familie, Kinder und Job unter einen Hut zu bringen, lesen Sie im erwähnten «Hotelier»-Talk. Das Beispiel Murat & Claudia zeigt eindrücklich, dass es absolut möglich ist, mit hundertprozentigem Engagement Beruf (sprich Hotel) und Familie in Harmonie zu leben. Und noch etwas: Murat und Claudia sind jung – aber bereits sehr erfolgreich, auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht. Murat Baki ist ein ausgewiesener Revenue-Management-Experte – er schafft es, dank cleveren Tools im Hintergrund, den Betrieb mit nur 37 Zimmern und Suiten sowie hohem Food-&-Beverage-Anteil (60%) mit Gewinn zu führen. Sein «Chef», der renommierte Gastronomieexperte Martin Volkart von der «Genossenschaft Baseltor», darf stolz sein auf sein «Traumpaar».

Was können wir von Murat Baki und Claudia Vogl Baki lernen? Leidenschaft und Herzblut sind, wie gesagt, nicht einfach schöne Worthülsen, sondern können im Alltag authentisch und professionell gelebt werden. Kann man Leidenschaft und Herzblut lernen? Kann man vielleicht sogar ein Diplom oder einen «Master in Herzblut» erwerben? Nein. Eine gewisse Begabung (DNA) muss vorhanden sein. Man muss in fiziert sein vom «Service-Virus» (nicht zu verwechseln mit dem Corona-Virus). Man muss dieses Virus tief in seinem Herzen tragen. Ja, Hospitality ist eine ganz besondere und deshalb faszinierende Branche. Warum? Weil es fast immer um Menschen, Kommunikation, Erlebnisse und Geschichten geht. Es ist, wie wir alle wissen, ein «People-Business» (tönt schrecklich). Und wo Menschen sind, spielen Leidenschaft, Achtsamkeit und Herzblut die zentrale Rolle. Zimmer über Booking.com vermarkten, ja, muss oder kann man. Essen und Trinken an den Gast bringen, ja, ergibt Sinn. Design und Hotelarchitektur, ja, kann ein Positionierungsmerkmal sein. Die Lage des Hauses, ja, kann relevant sein. Aber es geht nichts über Menschen und Geschichten. Murat und Claudia, die wunderbaren Gastgeber im historischen Barockstädtchen mit dem Namen Solothurn, ersetzen jedes Lehrbuch und jedes Weiterbildungseminar zum Thema «guest relations». 

Hans R. Amrein

Der Autor

Hans R. Amrein, Publizist, Hoteltester, Buchautor und Dozent, ist seit 2010 Chefredaktor der Fachzeitschrift «Hotelier». Er ist auch Mitglied mehrerer Fachjurys.

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