Das Schweizer Fachmagazin für Hotellerie & Gastronomie
Gespräch mit Andrea, Peter und Nathalie Hauenstein
Sie besitzen eine kleine, feine Hotelgruppe am Thunersee
Szenarien: Wo steht die Schweizer Hotellerie nach der Corona-Krise?
Report Schweiz: Die Liebesgeschichte eines Hotelier-Paares Management: Ist Hotellerie 4.0 die Lösung nach der Krise?
Hausbäcker der Schweizer Luxushotels.
Unser Handwerk hat 47 Jahre Tradition – Sie scha en das in wenigen Minuten! Denn mit unseren in der Schweiz hergestellten Backwaren und Konditoreiprodukten servieren Sie Ihren Gästen zu jeder Zeit hochwertige süsse und salzige Köstlichkeiten. Nebst Luxushotels bedienen wir weitere Unternehmen, denen nur das Beste gut genug ist.
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4 Editorial
6 . Szene
12 Zu Gast
Hotelier Talk
14 Was ist das Besondere an den Hauenstein Hotels?
Report Schweiz
22 Die Liebesgeschichte eines Hotelier-Paares
28 «Wir wollen den Hoteliers eine Perspektive geben»
32 Wie innovativ ist dieses «Labor-Hotel» wirklich?
Report Ausland
36. Warum Hilton auf hybride Hotel-Konzepte setzt
40. «Krise? Die Chancen liegen in der Zukunft»
Food & Beverage
42. Was steckt hinter den Restaurants ohne Gäste?
50 Das Wunder der Walliser Heida-Weine
Management
56 Ist Hotellerie 4.0 die Lösung nach der Krise, Herr Thomann?
62 Wo steht die Hotellerie nach der CoronaKrise?
Digital
65 Warum individuelle Hotels eine grosse Zukunft haben
66. Wenn Service-Roboter Gäste beliefern …
Serie
68 Teil 2: Wie lockt man Gäste in die kleine Osteria
Architektur
74 Wie sieht die Hotellobby der Zukunft aus?
VDH-News
77 Rückblicke und Zukunftsvisionen
Sommelier
78 Silvia Auckenthaler, warum schlägt Ihr Herz für den Wein?
79 . Bewerben Sie sich, liebe Sommeliers!
10 Fragen
81 . Was haben Sie aus der Krise gelernt?
82 Am Markt
Corona-Krise: Wo bleibt da die Perspektive?
Leider machen uns die Einschränkungen, Verbote und Massnahmen der Regierung zur Bekämpfung der Covid-Krise nach wie vor arg zu schaffen. Vor allem die Gastronomie leidet unter der Tatsache, dass die «Beizer» seit mehr als drei Monaten (!) nicht arbeiten dürfen. Faktisch hat der Bundesrat den Wirten, Barund Restaurantbetreibern ein Arbeitsverbot auferlegt. Dabei sind gastronomische Betriebe alles andere als «Hotspots», wo sich besonders viele Menschen mit dem Virus anstecken. Jedenfalls gibt es bis jetzt keine wissenschaftliche Studie weltweit, die das Gegenteil belegt. Und die Schutzkonzepte der Gastronomie und Hotellerie sind nahezu perfekt.
Deshalb verstehe ich den Präsidenten von GastroSuisse, Casimir Platzer, gut, wenn er die sieben Bundesräte und ihre BAG-Bürokraten nach den jüngsten Beschlüssen vom 19. März scharf kritisiert: «Die Enttäuschung im Gastgewerbe ist immens. Dieses überaus zögerliche Vorgehen des Bundesrats verschärft die Situation im Gastgewerbe weiter. Es bleibt absolut unverständlich, weshalb der Bundesrat den BranchenLockdown nicht sofort aufheben will. GastroSuisse fordert einen anderen Umgang mit der Pandemie und eine Anpassung der Strategie».
Ich teile die Kritik von Platzer. Ja, wir brauchen jetzt dringend eine neue Strategie im Umgang mit der Pandemie. Lockdowns oder Shutdowns haben keine
Wirkung mehr (siehe Deutschland, Italien, Frankreich usw.). Der Schaden in Gesellschaft, Bildung, Wirtschaft und Kultur ist immens und steht in keinem Verhältnis zur Wirkung an der epidemiologischen Front. Vor einem Jahr war das anders, aber jetzt verfügen wir über das aktuell wirksamste Mittel gegen Covid-19: die Impfstoffe. Und immer mehr Experten, Politiker und Wissenschaftler sind sich einig: Die neue Strategie gegen das Virus lautet «impfen, impfen, impfen, testen, testen, testen und gleichzeitig vorsichtig lockern und öffnen.» Nur haben das (offensichtlich) die sieben Räte zu Bern in ihrem antiquierten «Bundesratszimmer» (noch) nicht begriffen. Sie sprechen lieber von der «dritten Welle», von irgendwelchen britischen, südafrikanischen oder «aargauischen» (die Red.) Mutationen, steigenden oder stagnierenden Fallzahlen, R- oder Inzidenzwerten – und verbreiten dadurch weiterhin Angst und Verunsicherung. Wo bleibt da die Perspektive – vor allem fürs Gastgewerbe und die Kulturszene? Bleiben die Restaurants und Bars jetzt auf unbestimmte Zeit einfach geschlossen? Sollen Künstlerinnen und Artisten künftig ihr Geld auf Banken oder auf der Strasse verdienen?
Der Autor
Hans R. Amrein, Publizist, Hoteltester, Buchautor und Dozent, ist seit 2010 Chefredaktor der Fachzeitschrift «Hotelier». Er ist auch Mitglied mehrerer Fachjurys.
Und noch etwas: Die meisten Menschen zwischen Genf und Romanshorn (ich zähle mich dazu) haben jetzt die Nase voll von den behördlich verordneten Einschränkungen und Verboten, die teilweise absurd und alles andere als nachvollziehbar sind. Haben Sie, zum Beispiel, gewusst, dass die Schliessung der Läden im Januar und Februar laut jüngsten Studien überhaupt keine Wirkung hatte in Bezug auf die Entwicklung der Infektionszahlen? Oder haben Sie gewusst, dass Bordelle im Kanton Bern offen sind? Externe ErotikDienstleistungen sind also möglich, doch in der Familie dürfen sich nur zehn Leute treffen. Sex in Corona-Zeiten: Wer spricht da von 1,50 Meter Abstand?
Ich lese täglich in der Presse irgendwelche Thesen- und Horrorgeschichten unter dem Motto: «Fallzahlen steigen, die dritte Welle ist da, wann folgt der nächste Lockdown?». Oder: «Die britische Virenmutation ist gefährlicher und tödlicher, Spitäler werden schon bald wieder an ihre Grenzen stossen».
Ich sage: Alles reine Spekulation, Annahmen oder Hypothesen, Vermutungen, Schreckensbilder, die in der Regel nicht mal belegt werden können. Die «TaskForce» des Bundes ging Anfang Dezember davon aus, dass die «dritte Welle» –aufgrund der britischen Virusvariante –spätestens Mitte bis Ende Januar über die Eidgenossenschaft hereinbrechen würde. Was ist passiert? Die Fallzahlen, die Zahl der Patienten mit eher schwerem Krankheitsverlauf und die Zahl der Covid-Toten gingen zurück – und stagnierten Anfang März. Seither verzeichnet man eine leichte Zunahme der Infektionen, doch die Spitäler sind nicht am Limit – und die Todeszahlen gehen markant zurück. Zudem zeigt der Impfstoff bei den über 85-Jährigen erste Erfolge, denn es erkranken «massiv weniger alte Menschen mit Vorerkrankungen», so ein Chefarzt des Berner Inselspitals, der die Situation in den Kliniken genau kennt.
«Haben Sie gewusst, dass Bordelle im Kanton Bern offen sind?
Externe ErotikDienstleistungen sind also möglich, doch in der Familie dürfen sich nur zehn Leute treffen. Sex in CoronaZeiten: Wer spricht da von 1,50 Meter Abstand?»
Ich will damit die aktuelle epidemiologische Lage in keiner Weise verharmlosen. Aber es gibt auch gute News – auch von der virologischen Front. Deshalb, lieber Herr Berset, öffnen Sie jetzt endlich die «Beizen»! Und vor allem: Ändern Sie die Strategie! Beschaffen Sie zusätzliche Impfstoffe – und sorgen Sie dafür, dass sich jeder und jede testen lassen kann.
Von der Pandemie zurück zum Tourismus. So eigenartig es klingt: Es gibt auch Gewinner der Krise – sogar in der Hotellerie. Lesen Sie in dieser Ausgabe, warum Christian Lienhard, Gastgeber im Wellnesshotel Hof Weissbad (Appenzell), Erfolg in der Krise hat. Und warum viele Hotels im Tessin, in den Bergen oder an den Seen seit Wochen stark belegt oder gar ausgebucht sind – und einen Rekordsommer 2021 erwarten. Schöne Aussichten!
In diesem Sinne: Auf die nahe Zukunft ohne Lockdowns! Dem Impfstoff sei Dank …
Hans R. Amrein
HANS R. AMREIN
«HOTELIER»-INTERVIEW MIT
ANDREA SCHERZ, INHABER «GSTAAD PALACE»
«Dank Reserven werden
wir die Krise überleben»
Andrea Scherz führt in der dritten Generation das weltberühmte und geschichtsträchtige «Gstaad Palace» im Berner Oberland. Ein legendäres Luxushaus, das in «normalen Zeiten» vor allem von wohlhabenden Gästen aus aller Welt frequentiert wird. Wie erlebt «Palace»Hotelier Scherz die Krise?
Andrea Scherz, wie geht es Ihnen? Mir persönlich geht es recht gut, aber die Krise hinterlässt tiefe Spuren in unserem Hotel. Seit über einem Jahr befinden wir uns im Krisen- oder Ausnahmezustand. Unglaublich!
Sie leben ja vor allem von ausländischen Gästen. Ja, der Anteil Ausländer im «Gstaad Palace» liegt bei 80 Prozent. Unser Hauptmarkt ist total eingebrochen, da die Amerikaner, Engländer, Franzosen und andere Interkontinental-Gäste gar nicht mehr richtig reisen konnten.
Hotels, die in der Vergangenheit vor allem auf den Schweizer Markt gesetzt haben, stehen jetzt sehr gut da … ja, das stimmt, deshalb müssen auch wir in der Schweiz aktiver werden.
Wie war denn die wichtige Wintersaison 2020/21?
Der Umsatz lag bei minus 60 % zum Vorjahr. Das schlechteste Szenarium ging von
minus 75 % aus. So gesehen können wir «glücklich» sein, dass wir minus 60 % erreicht haben. Bei minus 75 % hätten wir das Hotel schliessen müssen.
Wie haben Sie die bisherige Krise überstanden?
Als im März 2020 der Lockdown verhängt wurde, war unsere Liquidität so gut wie lange nicht mehr. Wir hatten stabile Reserven und konnten deshalb die nächsten Monate überstehen. Zudem verhängten wir einen Investitionsstopp.
Sie werden die Krise also überleben?
Ja, dank unseren Reserven. Würde die Krise aber nochmals ein Jahr andauern, würde es trotz Reserven und Kostenmanagement eng. Das würden wir wahrscheinlich nicht überleben.
Wann kommen die Amerikaner ins «Gstaad Palace» zurück?
Da die Impfaktionen in den USA sehr gut laufen, rechne ich mit einer Rückkehr des US-Marktes im Sommer dieses Jahres.
Mussten Sie in den letzten Monaten Mitarbeitende entlassen?
Nein, aber wir haben den Personalbestand der jeweiligen Nachfrage angepasst. Ich sage Ihnen: Ich bin echt stolz, dass wir keine Leute entlassen mussten!
Wie war der wichtige Februar 2021?
Die Auslastung lag bei 59 Prozent. Zum Vergleich: 2020 (vor Beginn der Krise) lagen wir im Februar bei 89 Prozent. Minus 30 Prozent. Unglaublich! Und noch etwas: Im Food & Beverage machten wir während der ganzen Saison ein Minus von 70 Prozent.
Was haben Sie aus der bisherigen Covid-Krise gelernt?
Das Leben geht auf und ab, so gibt es eben auch Krisen. Sie gehören zum Leben. Ich muss sagen: Im «Gstaad Palace» haben wir es bis jetzt gut gemacht, unser Team hat sich engagiert und unsere sehr guten Schutzkonzepte professionell umgesetzt.
Und wie sehen Sie den Markt für Ihr Hotel in Zukunft?
Auch wenn die Schweiz nicht unser primärer Markt ist, hatten wir in den letzten Monaten viele Schweizer Gäste im «Palace». Viele neue Gäste, die zum ersten Mal im «Palace» weilten. Sie waren begeistert und lobten den sehr persönlichen Service und die lockere Stimmung im Haus.
Haben Sie aufgrund der Nachfrage die Preise gesenkt?
Nein. Wir setzen auf Mehrwert und top Service.
Wird der Schweizer Markt in Zukunft vielleicht der wichtigste Markt im «Gstaad Palace»?
Wir werden in jedem Fall in den Schweizer Markt investieren und versuchen, noch mehr Einheimische ins «Palace» nach Gstaad zu locken. Wissen Sie, viele Schweizer haben oder hatten ein falsches Bild des Hauses. Motto: Das «Gstaad Palace» ist so ein Promi-Luxushotel, ein Hort der Superreichen, wo nur Millionäre, Stars und Milliardäre verkehren … Und jetzt sind sie überrascht und staunen, dass vor dem Hotel nicht nur Ferraris stehen.
In diesem Sinne auf die neuen Schweizerinnen und Schweizer im «Gstaad Palace»!
Die Präsenz der Schweizer im «Palace» war für mich eine schöne Erfahrung im Corona-Jahr 2020/21.
[01] Gstaad Palace. «Viele Schweizerinnen und Schweizer haben oder hatten ein falsches Bild des Hauses. Motto: Hier steigen nur Stars und Milliardäre ab …»
[02] «Palace»-Inhaber und Gastgeber Andrea Scherz: «Ich bin echt stolz, dass wir keine Leute entlassen mussten.»
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«Wir sind fit für die Zukunft»
Sie führen als Delegierter des Verwaltungsrates den Swiss Holiday Park (Morschach) seit November interimsmässig. Wie läuft der Betrieb in Zeiten der Covid-Krise?
Wir hatten und haben grosses Glück! Der Swiss Holiday Park performt in der Krise sehr gut, jede Optimierung ist im Moment ein Treffer und erzielt die gewünscht Wirkung.
Wie erklären Sie sich diesen Erfolg in der Krise?
Dies ist meines Erachtens eine Kombination daraus, dass Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammenhängend aufeinander abgestimmt sind. Wobei die Situation, dass die Grenzen schwierig zu passieren sind (Quarantänen) und die Schweizerinnen und Schweizer im eigenen Land bleiben, uns sicher hilft. Zurzeit befinden wir uns eher im Aquarium als im Haifischbecken. Kommt hinzu, dass die ehemaligen SHP-Betreiber Walter Trösch und Isabelle Roth ein visionäres, einzigartiges, vielseitiges und gut strukturiertes Resort geschaffen haben. Auf so einem Fundament lässt sich gut aufbauen – und es ist dank der Diversifikation eher krisenresistent. Und noch etwas: Das Team mit über 260 Mitarbeitenden vor Ort leistet einen grandiosen Job.
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Hatten Sie denn bisher keine Verluste im Swiss Holiday Park aufgrund der Krise?
Doch, die hatten und haben wir auch. Die aktuell fehlenden externen Eintritte in den Bäder-, Wellnesssowie Sport- und Spielbereich fehlen uns. Diese Einnahmen sind reiner Cash-Flow. Da wir aber die Organisationsstrukturen flexibilisiert und die Wertschöpfung im Beherbergungsbereich optimiert haben, können wir die Verluste im Moment auffangen. Im letztjährigen Lockdown hingegen war der Ausfall immens. Glücklicherweise haben wir mit der Crédit Suisse eine Eigentümerin, mit der rasch, professionell und konstruktiv eine für beide Seiten adäquate Lösung gefunden werden konnte.
Stadthotels leiden derzeit besonders unter den Verboten und Einschränkungen der Regierung. Was raten Sie einem Stadthotelier? Wie kann er die Krise überleben?
Eine generelle Empfehlung ist schwer abzugeben. Aus meiner Arbeit als Hospitality-Experte weiss ich, dass Luzern nicht Zürich ist, «Longstay» nicht gleich «Shortstay» und hybride Geschäftsmodelle nicht gleich einer Single-Nutzung. Folgende Gedanken gebe ich dennoch gerne mit: Ich empfehle, die aktuelle Situation gut zu analysieren und zu hinterfragen. Suchen Sie nicht nach Gründen und Problemen, sondern finden Sie die Ursache (nebst der Pandemie) und suchen Sie Lösungsansätze. Ist das aktuelle Geschäftsmodell auch für die Zukunft noch richtig? Auch wenn es über Jahrzehnte erfolgreich war? Werden die bestehenden und künftigen Kunden die gleiche Erwartung an den Kundennutzen haben oder verändert sich dieser? Haben Sie Mut für Veränderungen!
[01] Swiss Holiday Park in Morschach. «Das Team mit über 260 Mitarbeitenden vor Ort leistet einen grandiosen Job» (Michael Thomann).
[02] Michael Thomann, Delegierter des Verwaltungsrates der Swiss Holiday Park AG, Morschach: «Da wir die Organisationsstrukturen flexibilisiert und die Wertschöpfung im Beherbergungsbereich optimiert haben, können wir die Verluste im Moment auffangen.»
Erwarten Sie im Sommer 2021 wieder Rekordzahlen (so wie im Sommer/Herbst 2020)? Wir gehen davon aus, dass einzelne Schweizerinnen und Schweizer im Sommer das Ausland aufsuchen werden, sofern die Quarantänen aufgehoben werden. Wir sind auch überzeugt, dass wir ähnliche Resultate wie im letzten Sommer erreichen können. Dies zeigt auch der aktuelle Forecast, der im Moment auf +/– 5 % genau ist. Wir sind uns aber bewusst, dass wir wahrscheinlich mehr für unseren Gewinn an Marktanteilen kämpfen müssen. Die entsprechenden Massnahmen sind eingeleitet oder bereits in der Umsetzung, wir sind «ready for the future» und nehmen die Herausforderung an.
«HOTELIER»-INTERVIEW MIT
MIKE JAUSSI, HOTEL GOLDENER SCHLÜSSEL BERN
Wie geht es Ihnen im ältesten
Gasthof von Bern, Herr Jaussi?
Das Hotel Goldener Schlüssel an der Rathausgasse in Bern. Erstmals im Jahr 1508 urkundlich erwähnt. Es ist das älteste Gasthaus der Bundesstadt. Geführt wird das kleine BoutiqueHotel seit 2019 von Mike Jaussi (36). Was steckt hinter den alten Fassaden des kleinen Stadthotels? Welche Spuren hinterlässt die aktuelle Krise?
INTERVIEW Hans R. Amrein
[01] Maik Jaussi, seit 2019 Direktor und Gastgeber im «Goldenen Schlüssel» in Bern.
[02] Das alte Wirtshausschild. Der «Goldene Schlüssel» ist das einzige grössere Hotel mit über 30 Zimmern in der unteren Berner Altstadt.
[03] Der «Goldene Schlüssel» gilt als «ältester Gasthof von Bern», er wurde um 1508 als Herberge mit Pferdeunterstand eröffnet.
[04] Restaurant im «Goldenen Schlüssel». Man setzt hier mit Erfolg auf eine klassisch-schweizerische Küche.
Mike Jaussi, wie würden Sie die aktuelle Positionierung Ihres Hauses umschreiben?
Nun, wir sind bekannt für unsere gelebte Gastfreundschaft in einem familiären Ambiente. Unsere Gäste geniessen individuelle Aufmerksamkeit und ihre Erwartungen werden durch unsere Mitarbeiter übertroffen …
Schön gesagt, aber das tönt wie aus einem Werbeprospekt.
Ja, aber danach leben und arbeiten wir. Als kleines Stadthotel mit 34 Zimmern sind wir zwangsläufig familiär und persönlich unterwegs. Wir sind mitten in der Stadt Bern – man erwartet hier nicht unbedingt ein Hotel, das so persönlich geführt wird. Damit heben wir uns sicher von den Mitbewerbern ab.
Der «Goldene Schlüssel» gilt als der älteste Gasthof von Bern und wurde 1508 als Herberge eröffnet. Profitieren Sie von dieser Geschichte?
Ja, für internationale Gäste ist das ein Buchungskriterium. Gerade amerikanische Touristen lieben es, in einem historischen Haus abzusteigen. Es erinnert sie vielleicht ein wenig an einen Film von Walt Disney. Auch im Restaurant kommt die Geschichte zum Ausdruck: Wir sind eine richtige «Bärner Beiz»!
Sie traten mit der Führung des Hotels ein «Erbe» an, welches das Hotel rund 25 Jahre lang prägte: Marianne und Jost Troxler haben das Haus durch ihre Persönlichkeiten stark geprägt. Was hat sich seit dem Weggang der Troxlers 2018 verändert? Wir haben ja nicht alles einfach so übernommen. Im Restaurant gab es die grössten Veränderungen, obwohl wir auch da nur sanfte Anpassungen machten. Will man gewisse Traditionen und Gästegruppen behalten, darf man nicht einfach mit dem Hammer um sich schlagen. Wir hatten das Glück, dass wir am Erfolg der Troxlers anknüpfen konnten.
Was ist eigentlich das Besondere am Restaurant? Da setzen wir auf eine sehr klassische Schweizer Küche. Als «Bärner Beiz» führen wir neben dem «Schlüssel Cordon bleu» einen «Suure Mocke» mit Kartoffelstock und auch
Kalbsleber mit Rösti. Nun hat sich das Essverhalten der Gäste auch etwas verändert, und so findet auch ein Vegetarier oder Veganer etwas auf der Karte.
Der «Goldene Schlüssel» ist ein 3-Sterne-Betrieb.
Wer sind Ihre Gäste?
Seit 1508 hat sich nicht so viel verändert.
Wie bitte?
Es sind nach wie vor Handelstreibende, Gelehrte und Reisende aus aller Welt, die hier absteigen. Wir bezeichnen sie heute einfach anders. Im «Schlüssel» verkehren alle – vom Manager über Handwerker, Diplomaten, Politiker bis hin zu Familien, die hier Ferien machen.
Wem gehört das Hotel (Immobilie) heute? Und wer steckt hinter der Hotel Goldener Schlüssel AG?
Die Liegenschaft gehört einer Berner Immobilienfirma, die in Familienbesitz ist. Die Hotel Goldener Schlüssel Bern AG ist ebenfalls in Berner Hand. Die Firmengründer sind sehr eng mit der Gastronomie und Hotellerie verbunden und führen eigene Betriebe in der Stadt Bern und Umgebung, sie sind auch als Dozenten an Hotelfachschulen tätig.
Wann wurde das Hotel zum letzten Mal saniert oder erneuert?
Es wird laufend etwas gemacht, leider bremst uns die aktuelle Krise etwas aus. Kurz vor Corona, im Januar bis März 2020, wurden zum Beispiel die Nasszellen renoviert und aufgewertet.
Wie haben Sie die bisherige Covid-Krise erlebt?
In jeder Krise steckt eine Chance. Wir haben viel gelernt und mussten uns mit fast allen Prozessen auseinandersetzen. Das hilft uns sicher für die Zukunft. Wir sind dadurch auch flexibler geworden. Was mich am meisten berührt, ist der Rückhalt von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie haben die schwierige Situation sofort erkannt und haben uns voll und ganz unterstützt.
Wie haben Sie reagiert, als die Krise vor über einem Jahr ihren Anfang nahm?
Wie mussten den gesamten Betrieb kurzfristig runterfahren und sofort Kosten sparen. Ja, wir hatten auch schlaflose Nächte und Ängste. Man wusste ja nicht, wie es weitergehen würde. Und plötzlich konnten wir unser Leben als Gastgeber nicht mehr führen und unsere Gäste begeistern. Hinzu kam ein grosser finanzieller Verlust, der Umsatz brach um rund 50 Prozent ein.
Das Hotel ist jetzt, Mitte März – trotz geschlossenen Restaurants –, offen.
Wo liegt denn aktuell die Auslastung?
Das Hotel hatte immer offen, wir konnten immer Gäste empfangen, auch wenn es nur wenige waren. Unsere Auslastung liegt aktuell bei 40 Prozent – dies, weil wir ein Restaurant im Haus haben. Viele Gäste, darunter auch Einheimische, buchen ein Zimmer, sodass sie wieder mal auswärts essen können.
Was reizt Sie, den «Goldenen Schlüssel» zu führen und wie sehen Sie Ihre Gastgeberrolle?
Es ist ein historisches Gebäude, nicht zu gross und nicht zu klein. Ich kann das Hotel sehr persönlich führen und den direkten Kontakt mit den Gästen geniessen. Jeder Tag ist anders, herausfordernd und spannend, das fasziniert mich. Ja, und das Team arbeitet Hand in Hand, als wären wir ein Familienbetrieb.
«HOTELIER»-INTERVIEW MIT ANDREAS STÖCKLI, GENERAL MANAGER IM «SCHWEIZERHOF», ZÜRICH
Wie überstehen Sie die Krise, Herr Stöckli?
Die Verbote und Einschränkungen der Regierung im Zusammenhang mit der Pandemie machen der Stadthotellerie schwer zu schaffen. Und das seit über einem Jahr. «Hotelier» sprach mit Andreas Stöckli, General Manager im «Schweizerhof» in Zürich, über die Krise und mögliche Zukunftsszenarien.
INTERVIEW Hans R. Amrein
Andreas Stöckli, wie schaffen Sie es, die momentane Krise im Hotel Schweizerhof Zürich zu über stehen?
Wie wohl bei allen Stadthotels ist die Liquiditätssicherung das oberste Gebot. Zurzeit sind etwa 65 Prozent der Mitarbeitenden in Kurzarbeit, und wir haben Härtefallhilfen in Anspruch genommen. In allen Bereichen des Hotels mussten die Kosten reduziert und eine Reorganisation durchgeführt werden. Dazu gehörten das Nachverhandeln von Serviceund Lieferverträgen, Versicherungen und weiteren Gebühren, die im Arbeitsalltag anfallen. Neben dem Quarantäne-Angebot bieten wir neu – in Zusammenarbeit
mit der Firma Education Event Impact –für Gäste PCR-Tests direkt im Hotelzimmer an.
PCR-Tests im Hotelzimmer. Wie geht das konkret?
Anstelle des umständlichen und unangenehmen Nasenabstrichs wird bei der PCR-Testneuheit auf Speichelbasis ein sogenannter PCR (Speichel)-Test abgenommen. Das Testergebnis liegt bereits nach acht Stunden vor – anstelle der bisher üblichen 24 bis 48 Stunden. Zudem bietet sich für die Luxusreisenden nach wie vor die Möglichkeit, von einem 5-Sterne-Service in einer der 22 «Dufour Suites & Rooms» zu profitieren.
Schweizerhof Zürich
Das Hotel Schweizerhof liegt an bester Lage, direkt gegenüber dem Hauptbahnhof Zürich. Im traditionsreichen Haus, das 1876 erbaut und seither laufend renoviert wurde, finden die Gäste 98 Zimmer. In den im Sommer 2020 neu entstandenen 22 Dufour Suites & Rooms erhalten Freizeitgäste die Möglichkeit, von einem FünfsterneService zu profitieren. Im Restaurant «La Soupière» geniessen die Gäste regionale und französische Spezialitäten und im «Café Gourmet» findet man eine französische Bistro-Atmosphäre.
hotelschweizerhof.com
Wie hoch in etwa ist der bisherige Verlust seit Frühjahr 2020?
Weil der internationale Markt nicht vorhanden ist und wir auf unsere internationalen Gäste verzichten mussten, wurde ein Umsatzverlust von 75 Prozent gegenüber dem Vorjahr (2019) verzeichnet.
Die Krise hat die Stadthotellerie besonders hart getroffen. Glauben Sie, dass im Business- und Event/ MICE-Markt in Zürich schon bald wieder eine grössere Nachfrage entsteht?
Wir haben bereits Anfragen für kleine, nationale Meetings erhalten. Da spüren wir einen Nachfragedruck. Dieser Bereich wird sich schnell wieder erholen. Grösseres nationales und internationales MICE-Business wird erst wieder zurückkehren, wenn von menschlicher Interaktionen keine grosse Gefahr mehr ausgeht und die Wahrscheinlichkeit einer schweren Infektion gering ist. Das bedeutet, sobald das Impfen und Testen im grossen Stil durchgeführt wird. Verschiedene Quellen berichten von einer Erholungsnachfrage für Frühjahr 2023, andere rechnen eher mit Anfang 2024.
«Zürich Tourismus» setzt aufgrund der fehlenden Nachfrage im Businessmarkt jetzt vermehrt auf das Leisure-Segment. Ist das eine sinnvolle und erfolgversprechende Lösung – oder bloss eine kurzbis mittelfristige Marketingaktion?
Es ist sicherlich nicht falsch, diesen Markt verstärkt zu bearbeiten. Das Reisen und Entdecken von anderen Ländern ist ein globales Bedürfnis der Menschen. Somit könnte Zürich eine zentrale HubFunktion für Schweiz-Reisen sein. Wenn es uns gelingt, als Stadt begehrenswert zu sein, kann das Freizeit-Segment die Lücken des Verlustes von Geschäftsreisen eventuell längerfristig schliessen und ergänzen.
Sie haben im Februar/März die Gästeaktion «Eat, Drink & Sleep» lanciert. Man erhält für 339 Franken ein Doppelzimmer mit Halbpension (2 Personen), inklusive 3-GangMenu und Frühstück. War die Aktion erfolgreich?
«Eat, Drink, Sleep & Repeat» ist zurzeit unser Topseller und wurde bisher über zweihundertfünfzig Mal verkauft. Wir sind selbst überrascht, dass Halbpension in einem Stadthotel so gut ankommt und funktioniert. Die Krise macht es möglich, dass Gäste lokal wie regional für 170 Franken pro Person in einem Viersterne-Superior Hotel essen, übernachten und frühstücken können.
Wie lauten Ihre kurz- und mittelfristigen Prognosen für die Zürcher Stadthotellerie?
Das Jahr 2021 wird im Würgegriff der Krise bleiben. Die Gastronomie wird helfen, etwas Liquidität in die Hotels zu spülen. Für das Jahr 2022 gehen wir von einer Verdoppelung der Übernachtungszahlen gegenüber dem Vorjahr (2021) aus.
Wann also herrscht in der Hotellerie und Gastronomie in Zürich wieder so etwas wie «Normalzustand»?
Sobald die Politik es zulässt, wird die Gastronomie in ihrer Funktion als «gesellschaftlicher Kit» einen Schub erfahren und sofort wieder funktionieren, davon bin ich überzeugt. Zusätzlich wird Take-away salonfähig werden. Der Hotellerie werden verschiedene Kriterien wie der Zustand der Zulieferer (Airlines), Stand der Gesundheitskrise des Herkunftslandes, sich ständig ändernde
Reise- und Einlass-Restriktionen und politische Entscheidungen sicherlich bis 2023 oder 2024 Kopfschmerzen bereiten.
Wird die Covid-Krise nachhaltige Veränderungen in Tourismus und Hotellerie zur Folge haben?
Oder bleibt fast alles beim Alten? Ich sehe meine drei Töchter im TeenAlter. Ihre aufgestaute Reisesehnsucht ist gross. Der Mensch vergisst schnell, passt sich rasch an und wenn der Preis stimmt und die Möglichkeit besteht, wird sich das Verhalten der Tourismuskonsumenten wenig ändern. Im Geschäftsreiseverhalten werden die Zoom-Kultur und Homeoffice sicherlich ihre Spuren hinterlassen. Meiner Meinung nach werden vorerst weniger, jedoch Reisen mit einer längeren Aufenthaltsdauer unternommen. Wird das nachhaltig so bleiben? Wir werden es sehen.
Schlussfrage: Werden Sie das aktuelle Geschäftsmodell für den Schweizerhof Zürich – aufgrund der Krise – verändern? Oder bleibt der Schweizerhof seiner bisherigen Positionierung treu?
Mit unserem Dufour-Konzept sprechen wir den zukünftigen Freizeitgast an, der grosszügige Raumverhältnisse bevorzugt. Mit dem restlichen Produkt bleiben wir im Hotel Schweizerhof Zürich ein «brandneues» Traditionshaus an allerbester Lage.
[01] «Schweizerhof»-Chef Andreas Stöckli: «Das Jahr 2021 wird im Würgegriff der Krise bleiben. Die Gastronomie wird helfen, etwas Liquidität in die Hotels zu spülen.»
[02] Vier-Sterne-Superior-Hotel Schweizerhof Zürich, direkt am Hauptbahnhof und an der weltberühmten Bahnhofstrasse gelegen. «Wir bleiben ein brandneues Traditionshaus an allerbester Lage» (Andreas Stöckli).
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Guglielmo
L. Brentel über Tourismus und Hotellerie nach der Corona-Krise
Wir Hoteliers sollten nun viele Dinge neu denken
«Die Werte werden sich nach Corona verschieben. Man reist bewusster, Qualität und Nachhaltigkeit nehmen an Bedeutung zu.»
Nichts ist so, wie vor Corona. Und viele Dinge werden nach Corona anders sein. Zumindest für diejenigen Unternehmungen, die diese epochale Krise überleben. Die gegenwärtigen Diskussionen in Politik und Wirtschaft drehen sich fast ausschliesslich darum, wie wir durch diese Krise gehen – und viel zu wenig darum, wie wir nach der Pandemie wieder durchstarten. Auch darum hat «Zürich Tourismus» bereits im letzten Herbst ein «Whitepaper» publiziert, um, manchmal auch provokativ, verschiedene Thesen aufzustellen, damit die Diskussion nicht auf das Jetzt und Heute, sondern auf eine längerfristige Perspektive gerichtet wird. Und wichtig: das Ganze aus der Perspektive des Gastes!
Wir haben eine Pandemie, keine Systemkrise!
Oft hört man die Meinung, dass es nie wieder so sein werde wie vorher. Statt zu reisen, würden Gespräche nur noch digital und per Video geführt. Die Globalisierung
und damit auch die Reisetätigkeit würden sich nicht mehr erholen. Da bin ich anderer Meinung, denn wir haben eine Covid-19Krise und keine Systemkrise! Die Menschen wollen sich (wieder) treffen, sie wollen andere Kulturen und Länder kennenlernen. Jeder, der Videokonferenzen abhält, spürt sofort den grossen Unterschied zwischen digitalen und persönlichen Treffen. Es fehlen die Zwischentöne, man kann die Stimmung schlechter einschätzen, es wird weniger diskutiert, formell und vor allem informell. Geschäfte bauen auf Vertrauen auf – dieses digital zu gewinnen, ist schwieriger. Und eine Stadt, eine Region lernt man mit allen Sinnen kennen, haptisch, mit persönlichem Kontakt zu Menschen und durch olfaktorische Wahrnehmungen. Das macht das Reisen aus! Deshalb bin ich überzeugt, dass «analoge Erlebnisse» digital nicht zu ersetzen sind. Zusammen lachen, essen und trinken, flirten, wie soll das digital ersetzt werden?
Wir können nicht billiger sein, nur besser!
Wovon ich jedoch überzeugt bin: Die Werte werden sich nach Corona verschieben. Man reist bewusster, Qualität und Nachhaltigkeit nehmen an Bedeutung zu. Sicherheit und Zuverlässigkeit werden wichtiger als Masse und Billigpreise. Und da ist die Schweiz, Stadt und Land, Berg und Tal, in einer hervorragenden Ausgangslage. Wir können nicht billiger sein, nur besser. Wir können nicht grösser sein, nur effizienter und zuverlässiger. Die touristischen Highlights verteilen sich in unserer föderalen Schweiz viel besser auf verschiedene Städte und Regionen. Distanzen sind in unserem Land viel kürzer.
So liegen die Flughäfen Basel und Zürich nicht viel weiter auseinander wie die Londoner Flughäfen City und Heathrow. Alle touristischen Sehenswürdigkeiten können bequem und effizient mit dem ÖV erreicht werden. Unsere Mitarbeitenden haben attraktivere Arbeitsbedingungen als anderswo, das Gesundheitswesen ist top – und zur Natur wird Sorge getragen, zwar noch nicht genug, aber mehr als anderswo. All diese Dinge sind künftige Wettbewerbsvorteile!
Was heisst das nun für uns Hoteliers und Touristiker?
Ich sage: Wir müssen noch radikaler aus der Perspektive des Gastes denken: Was ist wichtig für ihn? Was biete ich ihm an und was (bewusst) nicht – so gut wie nötig, nicht so gut wie möglich? Wie kann ich diese Dienstleistungen effizienter und stabiler erbringen (Stichwort Digitalisierung)? Wie vereinfache ich Abläufe (Stichwort Effizienzsteigerung)? Welches Erlebnis sucht der Gast (Bündelung von Angeboten)? Und, nicht zuletzt: Wie biete ich was auf welchem Kanal welchem Kunden wann und zu welchem Preis an (Stichwort New Marketing)?
Kooperationen sind jetzt gefragt!
Unsere Angebote müssen emotional aufgeladen werden. Das erreichen wir zusammen besser als jeder einzelne für sich. Stichwort: Integrierte Angebote entlang der Wertschöpfungskette. Als Vorbild dazu dient mir das urschweizerische «AllmendPrinzip» – dabei haben die Bauern seit Urzeiten im Sommer die Kühe zusammen auf
GUGLIELMO L. BRENTEL
die Alp gebracht, haben zusammen einen Alpsenn engagiert und gemeinsam die Alp unterhalten. Der produzierte Käse jedoch wurde anhand der Milchleistung jeder einzelnen Kuh anlässlich der «Chästeilet» auf die einzelnen Bauern aufgeteilt.
Nun, dieses Prinzip könnte auch der Hotellerie als Vorbild dienen. Gemeinsam könnten die Hoteliers neue, attraktive Angebote kreieren und vermarkten. Einige Leistungsträger bieten das bereits mit Erfolg an. Also gilt es, Kooperationen ganz anders zu denken und Probleme gemeinsam anzugehen. Die Leistungsträger einer Destination können gemeinsam Events (z. B. St. Moritz Jazz Festival oder «Food Zurich») oder zeitlich limitierte Attraktionen auf die Beine stellen (z. B. schwimmende Brücke von Christo und Jeanne-Claude auf dem Lago d’Iseo). Jeder einzelne Anbieter kann dann seine eigene «Kuh» melken!
Wir brauchen den Sonntagsverkauf!
Ja, und dann gibt es noch ganz einfache, eigentlich profane Massnahmen, die man nach Corona umsetzen sollte. Zwei Beispiele: Unsere Städte müssen attraktiver werden. Besonders für internationale Kunden ist es befremdend, dass unsere Läden am Sonntag geschlossen sind. Der Sonntag ist übrigens auch online der beste Verkaufstag! Viele Arbeitnehmende arbeiten gerne am Sonntag. Der Sonntags-
verkauf sollte auch in den Städten sofort möglich sein. Und sei es nur provisorisch für drei Jahre – als Massnahme, um möglichst rasch aus der Krise zu kommen.
Und der grenzüberschreitende Verkehr sollte bald wieder einfach, zuverlässig und mit einheitlichen Regeln möglich sein. Es braucht Impfungen und Schnelltests – und nicht Quarantänen. Solange Einschränkungen durch Quarantänen existieren, wird sich der internationale Tourismus nicht erholen. Und denken Sie daran: Jeder zweite ausländische Tourist reist mit dem Flugzeug an! Unsere Landesflughäfen sind deshalb existentiell.
Die Rolle der Tourismusorganisationen sollte ebenfalls überdacht werden. Zusätzlich zum eigentlichen Marketingauftrag (Sehnsucht wecken, Positionierung der Destination, Vermarktung von Freizeit und MICE) existieren weitere wichtige Aufgaben. Beispiel: «Food Zürich» ist ein Projekt mit dem Ziel, Zürich international als Food-Destination zu positionieren. Man will also ein zusätzliches, stets wachsendes Gästesegment vermehrt nach Zürich locken. Ich sehe es als eine unserer Hauptaufgaben, nicht nur dafür zu sorgen, dass der Gast nach Zürich kommt, sondern auch die verschiedenen Angebote so zu bündeln, dass die Gäste-Journey noch emotionaler und unvergesslicher und damit instagramtauglicher wird.
Der Autor
Guglielmo L. Brentel (64) ist Hotelier und seit Juni 2015 Präsident von «Zürich Tourismus», der grössten Tourismusregion den Schweiz. Zuvor war Brentel während 9 ½ Jahren Präsident von HotellerieSuisse und während drei Jahren Präsident der Holding der Ecole hôtelière de Lausanne (EHL). Brentel ist auch im Verwaltungsrat der Flughafen Zürich AG. Seit 1990 hat er im Rahmen seiner Firma H&G Hotel Gast AG verschiedene Führungs-, Beratungsund Verwaltungsratsmandate in der Hotellerie inne.
Vor dieser Zeit arbeitete Brentel in verschiedenen Positionen in Hotels in der Schweiz, in den USA und in Peru und spricht fünf Sprachen fliessend. Er besitzt einen Abschluss der Ecole Hôtelière de Lausanne und der Cornell University, USA.
Wir sehen einer guten Zukunft entgegen, wenn …
Wenn es uns gelingt, diese schwierige Zeit von Corona zu nutzen, um unsere Hausaufgaben mit Elan anzugehen, sehen wir einer guten Zukunft entgegen. Wir haben unsere Dienstleistungen geschärft, die wirtschaftlichen und organisatorischen Abläufe vereinfacht und dadurch die Qualität und damit die Zufriedenheit unserer Gäste erhöht. Mit gebündelten Angeboten sind wir noch attraktiver auf dem internationalen Markt – und wenn es uns gelingt, diese Angebote emotional rüberzubringen, dann entpuppen sich unsere etwas höheren Preise eher als Vorteil – und nicht als Nachteil. Dies alles hat – und das sage ich als Hotelier und Unternehmer – zum Ziel, dass unsere Margen wieder steigen und wir die Gewinne nachhaltig investieren können.
«Hotelier»-Gespräch mit Nathalie, Andrea und Peter Hauenstein
Was ist das Besondere an den Hauenstein Hotels?
«Mit einem Hotel können Sie nie satte Gewinne generieren. Sie können aber etwas Gutes und Schönes für die Region tun, etwas, das auch Spass macht.»
PETER HAUENSTEIN
Links: Mirco Plozza Rechts: Rudolf Rath
Ihre Hotelwelt ist die Region Thunersee. Hier führen sie in der Firmengruppe unter anderem drei Hotels und sieben Restaurants sowie eine Rehabilitationsklinik. Sie erzielen damit einen Gesamtumsatz von rund 50 Mio. Franken. Peter Hauenstein (63) hat in den letzten Jahrzehnten viele Millionen in seine Häuser investiert. Jetzt führen seine Töchter Nathalie und Andrea das Unternehmen weiter.
Was ist das Besondere an den Hauenstein Hotels?
INTERVIEW Hans R. Amrein
Nathalie Hauenstein, Sie sind für die Hotels und Restaurants der Hauen stein Gruppe verantwortlich. Sagen Sie mir: Wodurch zeichnen sich Ihre Hotels besonders aus?
Nathalie: Die Betriebe der Hauenstein Hotels sind eigenständige Hotels und Restaurants mit unterschiedlichen Betriebskonzepten. Die vereinenden Elemente sind die Verwurzelung in der Region, die hervorragenden Standorte und das gemeinsame Ziel, qualitativ hochwertige Gastronomie- und Hotelleistungen am Thunersee anzubieten.
Sie, Nathalie, haben den Hotels und Restaurants in den letzten Jahren viele neue Inputs gegeben. Es ging mir in den letzten fünf Jahren darum, den Fokus auf die gruppenübergreifende Zusammenarbeit zu legen. Wir haben neue Strukturen geschaffen und Synergien genutzt, ohne dass die Betriebe ihre Teilautonomie verloren haben. Auf dieser Grundlage sollen die Betriebe jetzt laufend optimiert und weiterentwickelt werden. Schwerpunkte sind dabei die Standardisierung, Digitalisierung und Zentralisierung von Prozessen. ➤
Links: Timo Horber
Rechts: Bruno Affentranger
Alle Hauenstein Hotels werden künftig die gleichen Betriebskonzepte haben.
Nein, ganz im Gegenteil. Die Betriebe werden unterschiedlich sein.
Andrea: Der rote Faden findet eher «hinter den Kulissen» statt und betrifft vor allem administrative Prozesse.
Ihre Hotelgruppe besteht heute aus zwei Restaurants (Restaurant Burehuus, Thun und Landgasthof Grizzlybär, Längenbühl) und drei Hotel betrieben (Deltapark Vital resort, Thun/Gwatt, Belvédère Strandhotel, Spiez und Solbadhotel, Sigriswil). Was sind denn konkret die Gemeinsamkeiten der drei Hotels?
Nathalie: Unsere gemeinsame und übergeordnete Vision der Hauenstein Gruppe lautet: Wir realisieren Lebens(t)räume. Unser Ziel ist es, wie gesagt, hochklassige Gastronomie- und Hotelleistungen rund um den Thunersee anzubieten und diese laufend weiterzuentwickeln. Alle Hotels liegen an einzigartigen Standorten am
Thunersee mit Blick auf den See und die Berge. Alle Betriebe bieten Erholung und Genuss. Alle Betriebe bieten eine moderne und umfassende Infrastruktur: Wellness, Seminarangebote, Restaurants, Bars …
Ihr Motto im MICE-Bereich lautet: «Tagen, wo andere feiern oder Ferien machen.»
So ist es. Und das alles in bester Aussichtslage und in inspirierender und entspannender Umgebung. Wir setzen zudem auf eine hohe Dienstleistungsqualität. Der Gast steht bei uns im Mittelpunkt – und wir gehen auf die Bedürfnisse und Rückmeldungen der Gäste ein.
Was tun Sie für Ihre Mitarbeitenden, sodass diese stets motiviert sind und Ihre Grundsätze umsetzen?
Es herrscht bei uns «Chancengleichheit für alle». Wir investieren laufend in die Zukunft unserer Mitarbeitenden und bilden auch Lernende in verschiedenen Berufen aus.
Ihre Hotels und Restaurants sind regional stark verwurzelt.
Ja, wir bevorzugen regionale oder zumindest Schweizer Rohprodukte und Lieferanten. Und wir achten auch auf kurze Anfahrtswege. Ein weiteres Beispiel: Wir kämpfen aktiv gegen Food-Waste.
Haben Sie die Absicht, weitere Hotelbetriebe in der Region zu erwerben?
Dass wir unser heutiges Portfolio erweitern, ja, das ist denkbar. Sofern der Betrieb rund 45 Autominuten vom Firmenhauptsitz aus erreichbar ist, rentabel betrieben werden kann und zu unserer Philosophie passt.
Wie lautet denn eigentlich Ihre Wachstumsstrategie?
Der Fokus liegt in den nächsten Jahren auf der Optimierung und Entwicklung der bestehenden Betriebe.
Verdienen Sie mit den Hotels Geld?
Rentieren die Häuser?
Peter: Das Deltapark Vitalresort und das Belvédère Strandhotel sind in der Aufbauphase und können rentabel betrieben werden. Das Solbadhotel Sigriswil und die Klinik Schönberg sind ebenfalls rentabel. Doch bei den Restaurants, sind wir noch nicht an einem Punkt angelangt, wo der Betrieb finanziell rentiert.
Nathalie: Man muss dazu sagen, dass die Geschäftsliegenschaften in unserem Besitz sind. Die Betriebe befinden sich in unterschiedlichen Lebenszyklen.
Was heisst das?
Das Deltapark Vitalresort wurde im Mai 2016 eröffnet und ist noch in der Startphase, verspricht aber hohes Wachstum. Das Belvédère Strandhotel in Spiez wurde soeben neueröffnet, wird aber noch weiterentwickelt und verspricht ebenfalls gutes Wachstum. Das Solbadhotel Sigriswil ist bereits in der «Cash-Cow»-Phase.
Grundsätzliche Frage: Warum investieren Sie in die Hotellerie und ins Gastgewerbe? Es gibt ja lukrativere Geschäftsfelder?
Nathalie: Mein Grossvater, Walter Hauenstein, der Gründer des Unternehmens, hat immer gesagt: Es ist mir eine Freude, in tolle Hotels und in den Genuss zu investieren.
Andrea: Auch wenn Hotels, rein wirtschaftlich gesehen, nicht das lukrativste Business sind: Wir schaffen damit Arbeitsplätze! Und wir dokumentieren damit unsere tiefe Verbundenheit zur Region
Peter: Wir sollten nicht nur über Finanzen sprechen, sondern über diese wunderschöne Region. Ein Traum! Einer der schönsten Flecken der Schweiz.
Nathalie: Bei mir kommt die Leidenschaft für den Tourismus hinzu, insbesondere für die Hotellerie und Gastronomie.
Nathalie Hauenstein, Sie haben ja die Hotelfachschule Thun besucht und sind Hôtelière-Restauratrice HF. Richtig.
Was, wenn morgen ein reicher Investor kommt und Ihnen eine enorme Summe für die Hotels bietet? Verkaufen Sie?
Peter: Nein, kommt überhaupt nicht in Frage.
Nathalie: Unsere Unternehmensstrategie sieht dies nicht vor. Natürlich gibt es immer wieder Interessenten.
Die Hauenstein Hotels sind aktuell unabhängig und nicht Mitglied einer Hotelkooperation oder Genossenschaft wie «Romantik Hotels» oder «Swiss Quality Hotels».
Nathalie: Ihre Aussage ist nicht ganz korrekt. Wir sind per se eine eigene Hotelkooperation, die in den Bereichen Einkauf, HR, IT, Logistik, Finanzen, Marketing und Sales gemeinsame Prozesse und Aktivitäten hat. Das Deltapark Vitalresort ist zudem Mitglied bei «Preferred Hotels» und «Selfness & Genuss Hotels».
Was bringt Ihnen die Mitgliedschaft bei «Preferred Hotels»?
Wir erhalten dadurch Zugang zu den Überseemärkten. Und die Mitgliedschaft bei den «Selfness & Genuss Hotels» macht Sinn, da Selfness, Gesundheit und Vitalität Megatrends im Tourismus sind und das Deltapark Vitalresort Angebote im Bereich Prävention verkauft. ➤
«Auch wenn Hotels, rein wirtschaftlich gesehen, nicht das lukrativste Business sind: Wir schaffen damit Arbeitsplätze. Und wir dokumentieren damit unsere tiefe Verbundenheit zur Region.»
ANDREA HAUENSTEIN
Rechts:
Alle drei Hotels haben bis vor der Covid-Krise auch aufs Tagungs-, Seminar- und Incentive-Geschäft gesetzt. Experten gehen davon aus, dass dieser sog. MICE-Markt nach der Krise stark schrumpft. Werden Sie deshalb auf dieses «Business» verzichten?
Nathalie: Ja, diese Frage beschäftigt uns. Wir arbeiten gerade an Massnahmen und unterschiedlichen Szenarien für den MICE-Markt. So bieten wir schon heute in allen Häusern hybride Events an. Ich gehe davon aus, dass das Seminargeschäft nicht ganz weg bricht, doch es wird sich verändern.
Einige Branchenkenner sind der Meinung, dass sich die Hotellerie nach der Covid-Krise verändern wird. Wie sehen Sie das?
Nathalie: Sprechen Sie von der Branche an sich oder von der Dienstleistung?
Von der Branche.
Nathalie: Die Hotellerie wird zweifellos lange mit den Auswirkungen der Krise zu
kämpfen haben. Vor allem das MICEGeschäft und die Stadthotellerie werden neue Nutzungsmöglichkeiten suchen müssen. Wichtig ist die Frage, wie sich das Reiseverhalten verändern wird. Bleibt alles beim Alten? Was ist mit den Geschäftsreisen? Ich kann Ihnen derzeit keine klare Antwort geben.
Ab 1. Juni 2021 werden Sie, Nathalie Hauenstein, die Funktion als Generalmanagerin der Hotels und Restaurants abgeben. Wer ist dann für das Generalmanagement der Betriebe verantwortlich?
Nathalie: Ich habe während fünf Jahren die gruppenübergreifende Zusammenarbeit der Hotels aufgebaut und entsprechende Strukturen geschaffen. Auf diesem Fundament kann nun weiter aufgebaut und optimiert werden. Anfang Juni 2021 wird David Romanato die Funktion des Generalmanagers übernehmen. Er führte von 2014 bis 2018 das Belvédère Strandhotel, zusammen mit Bruno Affentranger.
Links: Luzia Wicki
Mitte: Herbert Wicki
Heidi Buri
«Die
Hotellerie wird lange mit den Auswirkungen der Krise zu kämpfen haben. Vor allem das MICE-Geschäft und die Stadthotellerie werden neue Nutzungsmöglichkeiten suchen müssen.»
Und in welcher Form arbeiten Sie ab Juni für die Hotels?
Nathalie: Ich werde als Mitglied der Geschäftsleitung der Hauenstein Gruppe nach wie vor für die Sparte Hotels und Restaurants zuständig sein und zusammen mit David Romanato das Geschäftsfeld weiterentwickeln.
Die Personal- und Unternehmensentwicklung sei Ihnen ein besonderes Anliegen, haben Sie mir kürzlich gesagt. So ist es. Ich möchte eine Arbeitsumgebung schaffen, wo Zusammengehörigkeit und Kreativität gefördert werden. Ich weiss ja aus eigener Erfahrung, dass in der momentan schnelllebigen und leistungsorientierten Zeit die Herausforderungen an Führungskräfte immer komplexer werden. Deshalb sollten wir die Führungskräfte unterstützen. Ich bin davon überzeugt, dass Unternehmen, die diese Verantwortung wahrnehmen, einen Wettbewerbsvorteil erlangen.
Wie meinen Sie das?
Als empathische Führungspersönlichkeit, Unternehmensentwicklerin und betriebliche Mentorin möchte ich andere Menschen unterstützen und inspirieren, sich bestmöglich zu entwickeln. Ich will ihnen helfen, den Umgang mit Herausforderungen zu verbessern und innovative Ansätze zu finden. Ich entwickle derzeit Angebote, die eine positive und empathische (Selbst)Führung fördern.
Andrea Hauenstein, Sie sind die «Finanzministerin» der Hauenstein Gruppe. Sagen Sie mir: Unter welchen Bedingungen können Hotels, wie Sie sie betreiben, rentabel geführt werden?
In der Branche geht man von den folgenden Schwellenwerten aus, damit eine Rentabilität erreicht werden kann: 1,5 Millionen Umsatz und/oder 50 Hotelzimmer. Dies primär mit der Absicht, Skalierungseffekte zu erreichen. Generell kommt es jedoch auf das Betriebskonzept, die Betriebsstruktur und die Effizienz drauf an. ➤
[01] Deltapark Vitalresort, Gwatt bei Thun.
[02] Zweite und dritte Generation: Peter Hauenstein mit seinen Töchtern Nathalie (rechts) und Andrea (links).
[03] Belvédère Strandhotel Spiez.
[04] Solbadhotel in Sigriswil.
[05] Nathalie Hauenstein mit David Romanato.
[06] Restaurant «Burehuus», Thun.
[07] Landgasthof Grizzlybär, Längenbühl.
NATHALIE HAUENSTEIN
«Mein Job ist eine spannende und nicht ganz kleine Herausforderung. Doch es ist spannend und macht Freude, mit den richtigen Leuten im Boot zu sitzen.»
ANDREA HAUENSTEIN
Links: Alberto Lipoveci Rechts: Eliane Lipoveci
Links: Engelien Kramer Rechts: Marina Portmann
Peter Hauenstein, Sie haben die Hotels von Ihrem Vater, Walter Hauenstein, übernommen und weitergeführt. Sie haben sich auch schon kritisch zu Ihrem Hotelengagement geäussert. Motto: Ein sehr kostenintensives, aber wenig rentables Geschäft. Warum haben Sie die Hotels in den letzten Jahren nicht einfach verkauft?
Peter: Glauben Sie mir, Rendite ist nicht alles! Es geht immer auch um Herzblut und Freude. Es gibt eine Ausnahme: die «Seerose» in Faulensee. Dieser kleine Saisonbetrieb mit nur zehn Zimmern konnte auch nach über zwanzig Jahren nicht rentabel geführt werden, also haben wir ihn verkauft.
Ihr Ziel ist es, dass die Hotels als Profit Center eigenständig funktionieren und rentabel sind. Ja.
Das grösste Hotelprojekt, das Sie umgesetzt haben, ist das Deltapark Vitalresort in Gwatt bei Thun. Da haben Sie eine Menge investiert …
fast 80 Millionen Franken inkl. Delta Privé und 50 Millionen Franken rein der Hotelbau.
Werden Sie im Deltapark eines Tages satte Gewinne erzielen?
Mit einem Hotel können Sie nie satte Gewinne generieren. Sie können aber, wie bereits gesagt, etwas Gutes und Schönes für die Region tun, etwas, das auch Spass macht. Ich habe meinem Vater immer gesagt: Immobilien sind Geschäft, damit wollen wir Geld verdienen. Hotels und Restaurants sind dein Hobby, und das muss man sich leisten können. Natürlich macht ein Hobby mehr Spass, wenn man nicht täglich Geld aus der Tasche ziehen muss. Es gibt nur eine Methode, um mit einem Hotel oder Restaurant ein kleines Vermögen zu machen …
und wie geht das?
Sie müssen mit einem grossen Vermögen beginnen.
Im November haben Sie das «Zepter» an Ihre beiden Töchter und Geschäftsführer Daniel Eschmann übergeben. Ziehen Sie sich jetzt in die Karibik oder zumindest in die Hängematte am Thunersee zurück? Ich besitze keine Hängematte.
Nathalie: Er hat einen Liegestuhl …
Peter: Ich bin da und stehe zur Verfügung, wenn man mich fragt. Ich helfe sehr gerne. Dann komme ich gelegentlich auch ins Büro.
Und was machen Sie mit der Zeit, die Sie jetzt gewinnen?
Es gibt viele Dinge, die mich interessieren. Ich schlafe auch gerne aus. Wer mich kennt, macht keine Termine vor 9 Uhr morgens ab.
Schlafen ist das eine, haben Sie noch andere Hobbys?
Oh, ich tue vieles!
Nathalie: Er fährt gerne mit dem Boot, er sammelt Pilze und geht auch gerne fischen. Er liebt antike Möbel und restauriert ab und zu ein altes Möbelstück…
Peter: Ich bin Jäger und Sammler.
Mal ganz ehrlich, Peter Hauenstein: Können Sie wirklich loslassen?
Diese Frage müssen andere beantworten. Warum soll ich mich einmischen, wenn die andern einen guten Job machen? Für meinen Vater war es viel schwieriger, loszulassen, denn er begann damals, 1954, bei null. Das Unternehmen war sein Lebenswerk.
Sie sind erst 63. Nicht ein wenig zu jung für den Ruhestand?
Soll ich warten, bis ich ganz alt bin, um das Leben etwas mehr zu geniessen?
Nathalie und Andrea Hauenstein, wie fühlen Sie sich als verantwortliche Managerinnen und Macherinnen der Hauenstein Gruppe?
Nathalie: Ich gebe zu, in Zeiten einer Krise und des steten Wandels ist so eine Aufgabe nicht immer einfach. Ich bin aber motiviert und schätze es, ein gutes Team an meiner Seite zu wissen.
Andrea: Es ist eine spannende und nicht ganz kleine Herausforderung. Doch es ist spannend und macht Freude, mit den richtigen Leuten im Boot zu sitzen.
Nathalie, Andrea und Peter Hauenstein, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!
«Die Hotels einem reichen Investor aus China oder Russland verkaufen? Nein, kommt überhaupt nicht in Frage.»
PETER HAUENSTEIN
Hauenstein Hotels
Zahlen & Fakten (2019/20)
• Gesamtumsatz: rund CHF 50 Mio.
• Bauinvestitionen in den letzten 10 Jahren rund CHF 90 Mio. und rund CHF 10 Mio. Unterhalt
• 5 Standorte
• 3 Hotels und 7 Restaurants
• Anzahl Zimmer und Suiten total: 240
• Seminarräume: 30
• 1 Rehabilitationsklinik
• Wellness: 3000 m2 Wellnessbereich
• Mitarbeitende: über 200 im Tourismus über 500 in der Hauenstein Gruppe
• Nationalitäten Mitarbeitende: 55
• Lehrlinge: 14 Lernende in 7 Lehrberufen
Silvia Bezzola und Ernst Scherz (Gstaad Palace)
Die Liebesgeschichte eines Hotelier-Paares
Liebesbriefe gibt es keine. Auch kaum Persönliches. Aber wer kann so viele Jahre so eng zusammenarbeiten, ohne sich zu lieben?
Sie lernten sich bei der Arbeit kennen, in Flims, im elterlichen Hotel von Silvia Bezzola. Edle Hotels blieben ihre Welt, das «Palace Gstaad» wurde zum Gemeinschaftswerk. Ernst und Silvia Scherz übernahmen das Grandhotel auf dem Tiefpunkt der Weltwirtschaftskrise, kämpften sich durch die schwierigen Jahre des Zweiten Weltkriegs, erneuerten das Haus mit knappsten Ressourcen, belebten es mit waghalsigen Ideen. Sie waren vollendete Gastgeber; ihre Liebesgeschichte ist die Erfolgsgeschichte des «Palace». Und nebenbei erzogen sie vier Kinder, auch das erfolgreich.
Die Buchautorin Franziska Schläpfer hat die Liebes- und Lebensgeschichte von Silvia Bezzola und Ernst Scherz recherchiert. «Hotelier» publiziert Auszüge aus dem Kapitel über die Palace-Gastgeber.
TEXT Franziska Schläpfer
«Ich komme mit!» Silvia Clara Bezzola ist verliebt und eine Trennung von ihrem Verlobten undenkbar. «Beinahe unerträglich», findet auch Ernst Scherz, der für die Wintersaison im Hotel Kulm in St. Moritz verpflichtet ist.
Jetzt, im Sommer 1935, sind beide noch in Flims. Die 28-jährige Silvia leitet den Hausdienst im Parkhotel Waldhaus, das ihre Eltern seit fast drei Jahrzehnten führen. Ernst, zwei Jahre jünger, ist der neue Chef de Réception. Der Bankierssohn hat seinen Berufswunsch durchgesetzt, sich in
renommierten Häusern die Sporen verdient, zuletzt im Shepheard’s Hotel, Kairo. Das «Waldhaus» erscheint ihm «wie ein kleines Königreich»: gegen 400 Betten in drei Gebäuden, prächtiger Park, dunkle Tannenwälder, blauer See. Hier ist Silvia geboren und aufgewachsen, zusammen mit dem älteren Bruder Roman. Der Vater, Eduard Bezzola, Spross einer alteingesessenen Engadiner Familie aus Zernez, erfolgreicher Hotelier, engagiert sich leidenschaftlich für die romanische Sprache. Die Mutter, Clara Bezzola-Wiedemar, entstammt einer Berner Industriellenfamilie.
[01] Das «Palace»-Paar auf der Skipiste. Der 22. Mai 1936, ein strahlender Frühlingstag, wird zum schönsten Tag ihres Lebens. Nach dem Standesamt begleiten Familien und Freunde das Paar zur kirchlichen Trauung im Berner Münster, zum Fest im Landgasthof Sternen in Muri.
Sie teilt mit ihrer Tochter das künstlerische Talent. Silvia wollte selbständig, berufstätig sein und lernte das Handwerk der Kunstweberin. In Zürich führte sie zusammen mit einer Freundin ein Atelier für Kunstgewerbe. Später, als Hotelière, wird sie jahrelang die Hausweberei Saanen präsidieren. Im Herbst 1935 verlobt sich das Paar. Eine Heirat ohne angemessene Verlobungszeit, «an die man sich nicht zuletzt aus Respekt und Rücksicht auf die zukünftigen Schwiegereltern hielt, war damals unstatthaft», schreibt Ernst Scherz in seinen Erinnerungen. ➤
Report Schweiz
Ein paar Tage vor seiner Abreise eröffnet Silvia dem wehmütig gestimmten Geliebten: «Ich komme mit!» Das «Palace» in St. Moritz brauche eine Telefonistin, sie habe sich heimlich beworben.
Erste Begegnung mit dem «Palace»
Palace? Der Name erinnert Ernst Scherz an eine Skitour im Februar 1922. Es hatte ununterbrochen geschneit, die ganze lange Abfahrt vom Turbachtal nach Gstaad. Auf dem Dorfplatz sangen die Buben schlotternd ein paar Pfadfinderlieder für Bewohner und Gäste. Dann liess das Schneetreiben nach «und wie von Zauberhand schälte sich hoch über uns ein majestätisch anmutendes Schloss aus dem weissen Dunst». Erleuchtete Fenster auf sieben Stockwerken und zwei beflaggte Dachtürme mit Schiessscharten. Das «Palace». Während des zweistündigen Aufstiegs zum Lagerdomizil, einer Alphütte, schaute der 13-Jährige immer wieder zurück. «Wie ein Stein gewordener Adlerhorst thronte das Hotel über dem Dorf.» Er lag lange wach und träumte sich unter der staubigen Militärwolldecke in den Märchenpalast.
Er sollte «Banker» werden
Ernst Scherz wuchs in Bern auf, zusammen mit den Schwestern Dora und Verena und dem erstgeborenen Bruder Alfred, dem späteren Buchhändler und Verleger. Als Jüngster war er im Dachgeschoss bei den Grosseltern untergebracht. Grossvater Samuel Scherz, Armeninspektor, als Mitglied der Sozialdemokratischen Partei aktiver Politiker, war dem Enkel «Idol und Vorbild». «Die unzähligen Abende in der gemütlichen Wohnstube, wo ich unter einer Petrollampe über Rechenproblemen brütete, während mein Grossvater in einer grossen Bibel las, gehörten zu meinen eindrücklichsten Jugenderinnerungen.» Das Diplom der «Ecole de Commerce» in La Neuveville in der Tasche, eröffnete er seinem Vater, er habe sich für die Hotelbranche entschieden. «Das schlägst Du Dir besser aus dem Kopf», meinte dieser. Ernst Samuel Scherz, Direktor der Berner Kantonalbank, Mitbegründer der Hotel-Treuhand AG, auch «Hotelheiland» genannt, musste in den 1920er-Jahren zahlreiche Hotels sanieren. Seine Berichte am Familientisch hatten den Jüngling infiziert. Der Vater riet zu einer Banklehre: «Wer Hote-
lier werden will, sollte das Einmaleins des Geldes besonders gut kennen.» Im Dezember 1930 überraschte er den frischgebackenen Bankangestellten mit der Nachricht, er habe ihm für die Wintersaison eine Stelle als Kochvolontär im Hotel Palace in Wengen gefunden: «Wer es in der Hotellerie zu etwas bringen will, beginnt am besten in der Küche.»
Der schönste Tag ihres Lebens …
Winter 1935, Ernst ist Empfangschef im Hotel Kulm in St. Moritz. Generaldirektor Anton R. Badrutt, ein Hotelpionier, hat viele Jahre die «Upper-Egypt-Hotels» in Luxor und Assuan geleitet. Scherz ist ihm im «Shepheard’s» begegnet: «Wann immer Sie in der Schweiz eine Stelle suchen, ich werde mich für Sie verwenden.» Mit der Anstellung im «Kulm» öffnet Badrutt ihm eine weitere Türe. Ernst ist in seinem Element, knüpft Kontakte zu anderen Hoteliers, befreundet sich mit Hans und Liesel Bon, Besitzer des Hotels Suvretta House. Hotelier, meint Bon einmal, sei «ein Beruf, in welchem man viel Geld sieht, aber relativ wenig verdient». Und vieles erdulden muss. Dies erfährt Silvia als Telefonistin im «Palace»; verwöhnte Gäste strapazieren ihre Nerven. Devote Diplomatie ist nicht ihr Ding. Aber sie weiss, auf was sie sich einlässt.
Der 22. Mai 1936, ein strahlender Frühlingstag, wird zum schönsten Tag ihres Lebens. Nach dem Standesamt begleiten Familien und Freunde das Paar zur kirchlichen Trauung im Berner Münster, zum Fest im Landgasthof Sternen in Muri. Die Hochzeitsreise in einem DKW, ihrem ersten kleinen Auto, führt sie nach Belgien, Holland, Frankreich. Silvia und Ernst besuchen Freunde und Hotelgäste, die sie in Flims und St. Moritz kennengelernt haben. Wieder zurück, treten sie ihre Sommerstellen an: Empfangschef und Gouvernante im Parkhotel Waldhaus Flims.
Ein Inserat in der Hotel-Revue
Das «Palace» in Gstaad sucht einen Direktor für die Wintersaison 1938 / 39. Ernst erinnert sich an seine erste Begegnung mit dem verschneiten Märchenschloss – und bewirbt sich noch am selben Tag. Der Lebenslauf erscheint ihm zwar «kurz und karg» – ein Anfänger. Doch er wird zum
Gespräch eingeladen und fährt mit Silvia ins Berner Oberland. Kurz vor dem Ziel platzt ein Reifen. Ernst glaubt, seine Chance verspielt zu haben. Trotz der Verspätung werden sie freundlich empfangen, bestehen das Examen und besprechen den Vertrag bereits im Detail. Freie Kost und Logis plus ein Jahresgehalt von damals fürstlichen 8000 Franken – allerdings nur bei einem Betriebsüberschuss. Die erste Saison sei der abtretende Direktor noch dabei. Es ist Sympathie auf den ersten Blick: Der 71-jährige Wilhelm Michel, liebenswürdig, hilfsbereit, bescheiden, bewohnt mit seiner Frau zwei kleine Zimmer im Hotel. Silvia besteht auf einer separaten Wohnung. Vor dem Hotel steht ein 300 Jahre altes Bauernhaus, die Personalunterkunft. Die «Bärglimatt» wird ihr neues Zuhause.
Wirtschaftskrise und Kriegsjahre
Am 12. März 1938 marschiert die Wehrmacht in Österreich ein, tags darauf wird der «Anschluss» besiegelt. Mitte Oktober, auf dem Tiefpunkt der Weltwirtschaftskrise, ziehen Ernst und Silvia nach Gstaad, beeindruckt vom «lebensbejahenden, temperamentvollen Wesen der Saanenländer». Doch die politische Lage verdüstert sich. Am 9. November brennen die Synagogen –und dem 22-jährigen Maurice Bavaud misslingt sein Attentat auf Hitler. Die Schweizerische Bankgesellschaft, Hypothekargläubigerin des «Palace», plant dezentralisierte Tresoranlagen für den Fall einer Mobilmachung. Müssten grenznahe Geschäftssitze aufgegeben werden, würde sich die Bankdirektion im «Palace» einquartieren. Mitten im Réduit National als Hauptquartier einer Division bestimmt, scheint Gstaad ein sicherer Ort zu sein, das «Palace» mit seinen 250 Betten ist ideal. Im Juni 1939 leistet Ernst einen Wiederholungskurs, noch mit den Bündner Grenztruppen. Am 5. Juli kommt Ernst Andrea zur Welt. Im «Palace» sind alle Betten besetzt, denn zahlreiche Ausländerinnen und Ausländer warten in der Schweiz die politische Entwicklung ab. Am 29. August 1939 muss Oberleutnant Scherz in Maloja einrücken. Am 1. September überfällt die Wehrmacht Polen; am Tag danach ist Generalmobilmachung der Schweizer Armee. Ein grosser Teil der Mitarbeiter leistet Dienst; die letzten Gäste verlassen das «Palace». Silvia räumt notdürftig auf – und schliesst das Hotel während der Zwischensaison.
SILVIA BEZZOLA & ERNST SCHERZ
Alpenrosen für die Gäste
«Während des Krieges», erzählt der Sohn im Gespräch, «hielten in den Zwischensaisons drei Leute die Stellung: Vater, der Chef de Réception und der Chefmechaniker. Sie machten alles, schrieben Briefe: ‹Chèr Monsieur, nous sommes heureux, que vous voulez revenir à l’hôtel Palace, votre chambre sera prête.› Heute sind es 30, 40 Leute.» Einmal hätten die Eltern Alpenrosen gepflückt, diese in über hundert Kartonschachteln gefüllt und den Gästen geschickt: «Der Sommer kommt, wir freuen uns, Sie wieder im Palace begrüssen zu dürfen.» Am 25. April 1945 kommt das vierte Kind, AnneMarie, zur Welt. Deutsche Einheiten in Italien stehen vor der Kapitulation. Am 30. April begeht Hitler Selbstmord, am 8. Mai ergibt sich die Wehrmacht; die Friedensglocken läuten. Die Rationierung wird teilweise aufgehoben. Das bedeutet auch die Amnestie für den «Mahlzeitencoupon-Schuldner grössten Ausmasses». Der Direktor schnabuliert Meringues mit Schlagrahm, bis ihm schlecht wird.
Wie Ernst Scherz zum «Palace» kommt
Ernst Scherz weiss, wer anruft, als an einem Montagmorgen im März 1947 das Telefon klingelt: Joseph Diémand, Verwaltungsratspräsident und Mehrheitsaktionär der Royal-Hotel & Winter Palace AG Gstaad. Jeden Morgen erkundigt er sich nach dem Gang der Geschäfte. Der Ver-
waltungsrat sei überaltert, sagt er, und er selbst ermüdet von den Kriegen und Krisen; das «Palace» brauche frischen Wind. «Ich bin überzeugt, lieber Scherz, Sie wären nicht nur als Direktor, sondern auch als Besitzer der richtige Mann.» Der 76-Jährige offeriert seinen 45-Prozent-Anteil zum Kauf – und gibt Scherz 48 Stunden Zeit.
Vater Scherz, der sanierungserprobte Bankier, rät, die Finger davon zu lassen. Der Sohn hingegen will die Chance packen, findet aber keine Geldgeber. Am Morgen nach dem Verfalltag meldet sich der berüchtigte Spekulant Kurt von Jahn, ehemaliger Eigentümer des Schlosshotels Hertenstein bei Weggis, und stellt sich als neuen Besitzer des «Palasthotels» vor, aus dem er ein Erholungsheim für Fabrikarbeiter machen
wolle. Die Handänderung schockiert die Branche. «Sollte ich einen Rückkauf versuchen?» Aus diversen Kreisen kommen Hilfsangebote. Ernsts Hartnäckigkeit beeindruckt schliesslich auch den Vater. Grosszügig unterstützt vom Gstaader Dorfarzt Fritz Kaufmann gelingt es, die Mittel für eine Offerte zusammenzubringen. Von Jahn weist das Angebot erst zurück, dann, verunsichert durch die Entrüstung in Fachkreisen und der Presse, können Ernst und Silvia Scherz im Sommer 1947 mit einem «ansehnlichen Aufpreis» die Aktienmehrheit übernehmen. Der Verwaltungsrat wird neu konstituiert, die Finanzen mithilfe der Schweizerischen Hoteltreuhand-Gesellschaft restrukturiert, die Berner Kantonalbank übernimmt die Rolle der Hausbank. Über die Jahre wird es gelingen, den Anteil
Fragen an Buchautorin Franziska Schläpfer Warum ist
das Hotelier-Paar Scherz so besonders?
Franziska Schläpfer, wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Buch wie «Die Liebe ist ein schreckliches Ungeheuer» zu verfassen?
Aus purer Neugier. Ich wollte erfahren, wie es andere schaffen – mit der Leidenschaft, der Poesie, dem Alltag, der Ernüchterung, den Krisen. Die romantische, unverbrüchliche Liebe kommt nicht vor. Umso variantenreicher spielten die neun Paare die Liebe durch.
Im Buch wird das bekannte Hotelier-Paar Silvia Bezzola und Ernst Scherz (Gstaad Palace) porträtiert. Warum ist dieses Paar so besonders?
Sie sind Pioniere in ihrem Fach, der Hotellerie. Ihre Liebesgeschichte ist die Erfolgsgeschichte des Hotels. Ich suchte Schweizer Paare mit verschiedenen Tätigkeiten, mit verschiedenen Beziehungsformen. Silvia Bezzola und Ernst Scherz haben ein Leben lang eng zusammengearbeitet. Sie haben das PalaceHotel auf dem Tiefpunkt der Weltwirtschaftskrise übernommen und sich durch die schwierigen Jahre des Zweiten Weltkriegs gekämpft. Sie hatten waghalsige Ideen und waren vollendete Gastgeber.
Die Familie Scherz setzt im Gstaad Palace seit Jahrzehnten auf Diskretion und Verschwiegenheit. War es nicht schwierig oder fast unmöglich, private Geschichten, Anekdoten und Details aus dem Leben des Paares zu recherchieren?
Ich fand tatsächlich wenig Material. Das ist wohl bei den meisten Hoteliers so. Mein auserkorenes Paar lernte sich bei der Arbeit kennen, in Flims, im elterlichen Hotel von Silvia Bezzola. Ergiebigste Quellen mit wundervollen Anekdoten waren die Erinnerungen von Ernst Scherz «Und jeder König nur ein Gast» –sowie die Gespräche mit Ernst Andrea, dem Sohn.
Haben Sie persönlich eine besondere Beziehung zur Hotellerie?
Ich verweile gern in aussergewöhnlichen Gasthäusern, wie sie der Heimatschutz in seinen «schönsten Hotels der Schweiz» auszeichnet.
SILVIA
auf 97 Prozent zu erhöhen; ohne Aussicht auf Dividenden trennten sich die desillusionierten Aktionäre von ihren Anteilen.
Weltstars im Grandhotel
Soweit ist es noch nicht. Erst einmal ist das «Palace» wieder zu beleben, sind internationale Gäste in den Kurort zu locken. Hat Ernst Scherz in St. Moritz nicht erfolgreich auf Musik gesetzt? Könnten nicht berühmte Künstlerinnen und Künstler verwöhnte Gäste begeistern? Die Presse anlocken? Indes: Der «Palace»-Festsaal in Form einer «übergrossen Schuhschachtel» taugt nicht für glamouröse Events. Das Restaurant Chez Maxim’s in Paris vor Augen entsteht 1954 eine gleichnamige Reproduktion im Einverständnis mit dem Besitzer des Originals. Als einer der Ersten steht der Schauspieler und Chansonnier Maurice Chevalier mit Strohhut und Stöckchen auf der Bühne – für 6000 Franken. «Weisst Du, wie viele Glühbirnen wir dafür kaufen könnten?» Silvia ist konsterniert. Mit Chevalier verbindet Ernst Scherz daraufhin bis zu dessen Tod 1972 eine tiefe Freundschaft. Und das Konzept funktioniert: Galadiners mit Weltstars, unter ihnen Charles Trenet, Charles Aznavour, Ella Fitzgerald, Sylvie Vartan, Mireille Mathieu, Gilbert Bécaud, Georges Brassens, Johnny Hallyday, Benny Goodman.
Gastgeber alter Schule
In der grosszügig weiten Lobbybar hängen die Fotos der Stars. Mittendrin ein strahlendes Paar in Skipullovern: Silvia und Ernst Scherz-Bezzola. Silvia Scherz liebt das Tempo, auf Skiern, in Autos. Mehrmals gewinnt die «schnellste Saanerin» im sportlichen Simca das Bergrennen vom Kinoparkplatz Gstaad zum damaligen Hotel Alpina. Ein Dorfvergnügen, das Rennen mit Privatautos. In der Kurve zum «Palace» stellt die Hoteldirektorin jeweils den Zeiger raus – ein Scherz. Im Übrigen sind Silvia und Ernst Gastgeber alter Schule: Den Nachmittagstee nehmen sie stets so ein, dass die Gäste mit ihnen ins Gespräch kommen können. «Der Gast muss dich gernhaben, der Gast muss gerne hier sein, der Gast muss dankbar gehen, dann kommt er auch zurück.» Die beiden schaffen eine einzigartige Atmosphäre. Silvia, warmherzig, hilfsbereit, zurückhaltend vornehm. Ernst, elegant, char-
mant, extrovertiert, kümmert sich weit über seine Verpflichtungen hinaus um die Gäste, sucht und vermittelt ihnen auch Häuser. Der eigenwillige «Palace»-Stil ist jedoch schwer zu imitieren.
Der «Suppenhändler» und die Geliebte
Nur einmal hat Ernst Andrea seinen Vater weinen sehen. In den frühen 1960er-Jahren findet er ihn untröstlich an seinem Schreibtisch. Was war passiert? «Wir spielten Curling und diskutierten, wie der nächste Stein zu spielen sei, da meinte der belgische Bankier zu mir: ‹Tais-toi, marchand de soupe!›» War der Belgier nicht bekannt für seine rüde Art? Wie konnte der dumme Spruch derart verletzen? Der Sohn erklärt es sich so: «Da war ein Mann, ohne reiche Familie, ohne Universitätsbildung, aber mit Talent und Wille, wollte ein altes Hotel gegen alle Voraussagen zum Erfolg führen, hatte den unrentablen Betrieb unter grössten Risiken gekauft und ist dank harter Arbeit seinem Ziel ein Stück nähergekommen. Und jetzt das: Suppenhändler!»
Silvia erlebt Schmerzlicheres als die Suppenhändlerbeleidigung. Eine Geliebte an Ernsts Seite. Dieser, stets hilfsbereit, habe einer Amerikanerin auf der Suche nach einem eignen Chalet zur Seite gestanden, die dann Vaters Sukkurs wieder und wieder beansprucht habe – und mehr noch. So hat der Sohn die Geschichte mitbekommen. Der 15-jährige Ernst Andrea jedenfalls will die Frau im Chalet mit seinem Flobert 6 mm erschiessen. Er tut es nicht. Die Mutter ist stark. «Ich bleibe da», sagt sie, «ich halte durch». Das Hotel ist auch ihr Werk. Als Ernst sich für zwei, drei Monate verabschiedet und angeblich zu einer Werbereise aufbricht – zusammen mit der Amerikanerin –, baut sie kurzerhand das Familienhaus, die «Bärglimatt» um. Die Liaison endet, Silvia verzeiht, ihre Liebe wandelt sich. Ernst Scherz, im Alter zunehmend unbeweglich, leidet an einem Lungenemphysem. Silvia betreut ihn. Jeden Abend um 18 Uhr fährt er zum Aperitif ins Dorf, trinkt einen Whisky und isst eine Käseschnitte. Silvia kocht, er kommt ohne Appetit zurück – von der Käseschnitte kein Wort. Ernst stirbt im Dorfrestaurant, am 9. Dezember 1983, den Whisky in der Hand, eine Käseschnitte auf dem Teller. Ein Jahr zuvor hat er in seinem Erinnerungsbuch festgehalten: «Was hinter mir liegt, wäre einseitig, inhaltslos und
Die Liebe ist ein schreckliches Ungeheuer
Illustre Schweizer Paare
Ausserordentliche Persönlichkeiten, ungewöhnliche Liebesgeschichten –diesem roten Faden folgt Franziska Schläpfer. Die Autorin erzählt von neun Paaren des 20. Jahrhunderts, die in spannungsreichen Beziehungen lebten. Manche Personen kennt man – und verbindet sie mit ihrer Rolle in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Kunst und Kultur. Dass sie auch grosse Liebende waren, davon berichtet dieses Buch.
2020, 304 Seiten gebunden 978-3-03919-470-4
CHF 39.00
Verlag Hier und Jetzt
freudlos gewesen, hätte mir nicht durch all die Jahre jener Mensch zur Seite gestanden, dessen Liebe, Vertrauen und Zuversicht mir dieses Lebenswerk erst ermöglicht haben: meine Frau Silvia.»
Epilog
Silvia Scherz überlebt ihren Mann um fast zehn Jahre. Reist mit und zu Freunden. Ist auf den Langlaufloipen unterwegs. Bis Altersgebresten auch sie schwächen. Nach einem Herzinfarkt liegt sie im Spital, drängt aber nach Hause. Wenn sie die Treppe einen Stock hochsteigen könne, sagt der Arzt. Innert einer Woche ist es so weit, allerdings muss sie rund um die Uhr betreut werden. Bei einem seiner Besuche, erinnert sich der Sohn, habe sie gesagt: «Ich mag nicht mehr, kannst Du nicht etwas machen?» – «Ich bringe einen Holzhammer mit.» – Silvia lacht: «Bisch e Lööu!» –und stirbt im Februar 1993. «Ohne sie gäbe es das Hotel nicht. Sie hat Vater immer beraten. Er hatte verrückte Ideen, die verrücktesten hat sie ihm ausgetrieben.»
Kostenloses Aus- und Weiterbildungsprogramm
Perspektiven für Mitarbeitende
In der aktuellen Situation bietet die Möglichkeit, sich weiterzubilden, Betrieben und Mitarbeitenden eine Perspektive und sinnvolle zeitliche Überbrückung. Die vom L-GAV subventionierten Aus- und Weiterbildungen sind dank einer nationalen Bildungsoffensive bis Ende 2021 kostenlos*. Zusätzlich werden die Arbeitsausfallentschädigungen an den Arbeitgeber substanziell erhöht. Clemens Hunziker, Direktor Hotel Schweizerhof Luzern, profitiert regelmässig von den vom L-GAV subventionierten Angeboten:
Gut ausgebildete Mitarbeitende unterstützen uns dabei, die Gäste vom ersten Moment an wieder abzuholen. Diese erwarten die exakt gleiche oder gar bessere Dienstleistung nach einer vorübergehenden Schliessung. Ein professionell arbeitendes und gut informiertes Team ist auch wichtig, um unsere Unternehmenskultur zu pflegen und zu leben. Diese Kultur zu erhalten, ist für uns quasi überlebenswichtig in der derzeitigen Lage.
Hygiene im Fokus
Gewisse Weiterbildungen, etwa die Berufsprüfung Bereichsleiter/in Hotellerie- Hauswirtschaft, erhalten durch die Pandemie sogar einen höheren Stellenwert. Die Gäste wollen sich sicher fühlen und da ist die Hygiene entscheidend. Dies merken wir etwa bei den Gästefeedbacks; so schreiben viele: «Wir haben uns sehr wohlgefühlt und vor allem das Schutzkonzept sowie der Umgang mit Hygiene hat uns überzeugt.»
Im Hotel Schweizerhof Luzern nutzen wir das Aus- und Weiterbildungsprojekt des L-GAV häufig. Unsere Mitarbeitenden absolvierten beispielsweise die Berufsprüfungen Chefköchin/Chefkoch, Bereichsleiter/in Restauration oder Bereichsleiter/in Hotellerie-Hauswirtschaft. Wir sehen darin eine Win-win-win-Situation: für den Betrieb, für die Mitarbeitenden und für das Wohl der Gäste.
Anerkennung fördert Loyalität
Damit die Mitarbeitenden nach einer erfolgreich absolvierten Weiterbildung auch den nächsten Karriereschritt in unserem Haus machen, investieren wir viel in unsere Mitarbeiterkultur und haben sogar ein ALUMNI Schweizerhof. Ziehen gut ausgebildete Mitarbeiter weiter, so besteht immer die Möglichkeit, dass sie wieder zu uns zurückkehren. Dies erleben wir zum Beispiel oft bei Lernenden.
Ein Erfahrungsbericht
Alle durch den L-GAV finanzierten Ausund Weiterbildungen immer online. Jetzt alle Kurse gratis bis Ende Jahr! * Für Betriebe, die dem L-GAV zwingend unterstellt sind.
Der nächste Lehrgang für die im Bericht genannte Berufsprüfung Bereichsleiter/Bereichsleiterin Hotellerie-Hauswirtschaft mit eidg. Fachausweis startet im Mai 2021.
Kontakt weiterbildung-inklusive.ch
«Niemand will den Strukturwandel auf halten. Betriebe, die keine Optionen mehr haben, können auch beim Marktaustritt begleitet werden.»
«Hotelier»-Interview mit Dr. Ueli Schneider über das neue Coaching-Programm von HotellerieSuisse
«Wir
wollen den Hoteliers eine Perspektive geben»
Kleine und mittlere Schweizer Hotels mit maximal 60 Zimmern sollen mit staatlichen Geldern unterstützt und für die Zeit nach der Covid-Krise fit gemacht werden. Doch was bringt das neu gestartete Coaching-Programm von HotellerieSuisse den Hoteliers konkret? Was, wenn Hotels nicht mehr überlebensfähig sind? Leistet dann der Verband diesen Häusern eine Art «Sterbehilfe»?
INTERVIEW Hans R. Amrein
DR. UELI SCHNEIDER
Ueli Schneider, HotellerieSuisse lanciert zusammen mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ein Coaching-Programm für die Beherbergungsbranche. Man will damit die Hotels fit für die Zukunft machen. Was aber ist das konkrete Ziel dieser «Aktion»?
Die Beherbergungsbranche ist von der Corona-Krise besonders betroffen. Die Bedürfnisse der Gäste haben sich aufgrund der Krise rasant geändert. Dazu kommen weitere gesellschaftliche Trends wie Nachhaltigkeit oder Digitalisierung, die sich mit der Krise verstärkt haben. Um gezielt Potenziale und Chancen zu erkennen und zu nutzen, unterstützt das CoachingProgramm die Betriebe. So werden die Weichen für die Zeit nach der Krise bereits jetzt gestellt.
Was muss denn ein Hotelier tun, damit er in den Genuss des Coaching-Programmes kommt? Das Programm eignet sich vor allem für kleinere und mittlere Individualbetriebe, in denen die Direktion stark ins operative Alltagsgeschäft eingebunden ist. Um sich für das Coaching-Programm zu qualifizieren, müssen die Betriebe zwischen 10 und 60 Zimmer haben, keiner Hotelkette angehören und klassifiziert sein. Es braucht zudem eine klare Bereitschaft der Betriebe, sich weiterentwickeln zu wollen. Die Unternehmerinnen und Unternehmer können sich auf der Webseite von HotellerieSuisse für das CoachingProgramm anmelden. Danach wird geprüft, ob der Betrieb die Zulassungsbedingungen erfüllt. Falls der Betrieb ins Programm aufgenommen wird, folgt ein Evaluationsgespräch mit einer Fachperson von HotellerieSuisse, in dem die prioritären Handlungsfelder sowie eine Auswahl an geeigneten Coaches identifiziert werden. Die Hotelière oder der Hotelier wählt den passenden Coach selbst aus und dieser wiederum unterstützt sie oder ihn während fünf Tagen.
Können sich auch Hotels bewerben, die nicht Mitglied bei HotellerieSuisse sind?
Ja. Die Mitgliedschaft bei HotellerieSuisse ist keine Voraussetzung.
Im welchen Bereichen bieten Sie den Hotels Hilfe an?
– Restrukturierung und Finanzplanung
– Digitalisierung und Optimierung der Prozesse – Neupositionierung und Nachhaltigkeit
Wer finanziert das Coaching-Programm – und was kostet diese Dienstleistung den Hotelier oder Unternehmer?
Das SECO unterstützt pro Betrieb mit fünf Coachingtagen à CHF 160.– pro Coachingstunde (total CHF 6600.–). Hat der Coach höhere Stundensätze, muss die
Differenz vom Betrieb getragen werden. Ebenfalls müssen Betriebe für allfällige Spesen der Coaches selbst aufkommen. Das Evaluationsgespräch ist für Mitglieder kostenlos. Nicht-Mitglieder von HotellerieSuisse bezahlen eine Pauschale von CHF 1240.– für das obligatorische Evaluationsgespräch, die Administration sowie den Aufbau und Unterhalt des Programms.
Wie läuft denn so eine «Beratung» konkret ab?
Die Hotels werden ja in einer ersten Phase von den Lead-Auditoren des Verbandes analysiert Nicht analysiert. Es wird gemeinsam im Gespräch identifiziert, welche Handlungsfelder für die Entwicklung des Betriebs zielführend sind. Ausserdem ist es für uns als Verband wichtig, den Puls der Hotels zu spüren. Gerade das Persönliche ist während der Pandemie umso wichtiger geworden. Das CoachingProgramm soll eine klare Unterstützung für die Betriebe darstellen – es ist kein vorgezogener Auditprozess der Klassifikation. Dies heisst aber auch nicht, dass nicht Handlungsfelder offen angesprochen werden sollen. Nur wenn die betriebswirtschaftlichen Potenziale thematisiert werden, können auch gezielt Lösungen gefunden werden.
Der Coach tritt als Berater des Hotels auf und gibt Tipps, was die strategische Ausrichtung des Betriebs, die Digitalisierung, Finanzierung oder Positionierung betrifft. Erhält der betroffene Hotelier einfach eine Beratung – oder setzt der Coach auch Massnahmen um?
Das Ziel des Coaching-Programms ist eine gemeinsame Erarbeitung von Zielen und Massnahmen. Die Hoteliers sollen nicht einfach «Tipps» abholen! Während den fünf Coaching-Tagen wird ein Massnahmenplan erarbeitet und die Umsetzung begonnen. Es steht den Unternehmerinnen und Unternehmern selbstverständlich frei, den Coach auch nach den fünf Tagen auf eigene Kosten in die weitere Umsetzung einzubeziehen.
Das Coaching-Programm ist, wie bereits gesagt, offen für kleine und mittlere Hotels (10 bis 60 Zimmer). Warum dürfen nicht auch Hotels mit 100 oder mehr Zimmern diese Leistung beanspruchen?
Grundsätzlich ist das Programm auf kleinere und mittlere Betriebe ausgerichtet. Grössere Individualbetriebe sind nicht per se ausgeschlossen, müssen aber zusätzliche Kriterien erfüllen.
Experten gehen davon aus, dass etwa 30 Prozent der Schweizer Hotels nicht mehr markt- oder wettbewerbstauglich sind. Sie gelten als Sanierungsfälle mit wenig Zukunftschancen. Unterstützen Sie auch solche, ➤
nicht mehr oder kaum lebensfähigen Betriebe? Oder bieten Sie in solchen Fällen auch eine «Exit-Strategie» an, am Ende also die Schliessung des Betriebes?
Niemand will den Strukturwandel aufhalten. Betriebe, die keine Optionen mehr haben, können auch beim Marktaustritt begleitet werden. Wichtig sind das persönliche Gespräch und die Prüfung aller Optionen. Gerade in einer Situation, in der allenfalls der Ausstieg respektive der Verkauf als zielführender Weg identifiziert wird, ist eine fachkundige Begleitung sehr wichtig. Solche Entscheide sind sehr schwer zu treffen und werden – verständlicherweise – oft hinausgeschoben. Hier kann vielleicht im einen oder anderen Fall das Coaching-Programm den notwendigen Impuls geben und auf diesem schwierigen Pfad begleiten. Man darf nie vergessen, es geht hier immer um persönliche Existenzen!
Hoteliers gelten als besonders «beratungsresistent». Sie lassen sich nicht gerne sagen, wie sie ihren Betrieb führen sollen. So gesehen wäre das Coaching-Programm
bereits im Vorfeld gescheitert. Was gibt Ihnen die Zuversicht, dass es klappen wird?
Die Praxis zeigt immer wieder, das alte Stereotypen keine Gültigkeit mehr haben. Die Hotel- und Tourismusbranche ist innovativ und adaptiert gesellschaftliche Trends früher als andere Branchen. Die Resonanz, die wir auf das Programm bereits erhalten haben, widerlegt diesen Stereotyp ebenfalls. Ich bin davon überzeugt, dass die Unternehmer und Unternehmerinnen das Coaching-Programm genau als das sehen werden, was es ist: eine tolle Chance für die Weiterentwicklung des eigenen Betriebs.
Trotzdem: Was, wenn das CoachingProgramm bei den Hoteliers nicht ankommt?
Wir haben das Programm am 23. Februar 2021 lanciert. Und jetzt, Anfang März, haben wir schon fast den prognostizierten Anmeldestand von Mitte Jahr erreicht. Wir dürfen also vorsichtig sagen, dass dieser Fall wahrscheinlich nicht eintreffen wird.
Wer sind denn eigentlich die Coaches? Der Verband verfügt ja nicht
über die nötigen personellen Ressourcen
Parallel zum Anmeldeverfahren für Hotels läuft momentan auch die Akkreditierung der Coaches. Wie die Hotels, können sich die Coaches anmelden. Auch sie müssen gewisse Voraussetzungen erfüllen, welche auf der Website ersichtlich sind, um in den Pool von Coaches aufgenommen zu werden.
Man könnte das Coaching-Programm vielleicht als Konkurrenz zu den externen, freischaffenden Beratern sehen, denn die Stundenansätze der externen Berater sind höher als die Honorare, die Sie den externen Coaches anbieten. Wenn die Coaches die Voraussetzungen erfüllen, können sie sich akkreditieren lassen. Selbstverständlich gilt das auch für freischaffende Coaches. Jeder Coach legt seinen Stundensatz selbst fest, vom SECO werden einfach 160 Franken Stundensatz übernommen, die allfällige Differenz muss der Betrieb gegebenenfalls selbst bezahlen. Ich würde jedem Hotelier und jeder Hotelière wärmstens empfehlen, bei der Auswahl neben dem Preis auch auf Know-how,
Expertise und Persönlichkeit des Coaches zu achten. Es sind mitunter wohl heikle Fragen, die diskutiert werden müssen und da sollte die Chemie wirklich stimmen.
Das Coaching-Programm wird also vom SECO unterstützt und mit Steuergeldern finanziert. Insider sprechen von insgesamt etwa 2 Mio. Franken. Trifft dies zu?
Das Programm wird über die Neue Regionalpolitik NRP unterstützt und das Budget ist keine Insider-Information. Bis Ende 2023 möchten wir 450 Betriebe durch das Coaching-Programm unterstützen. Das sind also knapp 3 Mio. Franken, die hier voranschlagt wurden. Es ist mir ein Anliegen zu betonen, dass es sich hier um staatliche Gelder handelt, mit denen wir operieren. Entsprechend hoch ist der Anspruch an Transparenz im Umgang mit diesen Geldern. Wir haben deshalb zusammen mit dem SECO ein Wirkungsmodell für dieses Programm aufgestellt, das fortlaufend evaluiert und kontrolliert wird.
Schlussfrage: Die Covid-Krise hat Tourismus und Hotellerie in eine fast existenzielle Krise gestürzt. Wie lauten Ihre Prognosen für 2021 und später? Wann geht es der Schweizer Hotellerie wieder einigermassen gut?
Die Covid-Krise hat den Tourismus nicht nur fast, sondern direkt in eine existenzielle Notlage gestürzt, wie dies seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr geschehen ist. Eine Prognose in Pandemiezeiten ist wie der berühmte Blick in die Kristallkugel. Eine nachhaltige Erholung der Branche ist nur möglich, wenn die touristische Nachfrage im In- und Ausland wieder deutlich anzieht. Damit dies auch vor Erreichen der Durchimpfung möglich wird, müssen sich Impfen und Testen sinnvoll ergänzen. Wir sind der festen Überzeugung, dass schrittweise Öffnungen mit den Tests möglich sind.
hotelleriesuisse.ch
[01] Hotel Basel.
[02] Sorell Hotel Krone, Winterthur.
[03] Hotel Krone, Thun
Wer ist
Ueli Schneider?
Ueli Schneider (45) hat an der Universität Zürich in Betriebswirtschaftslehre (Marketing) doktoriert. Auf dem ersten Bildungsweg hat er im Hotel Krone in Solothurn eine kaufmännische Berufslehre absolviert und während dem Studium in diversen Hotelund Gastronomiebetrieben gearbeitet. Nach Stationen als Geschäftsführer eines öV-Betriebes und eines Startups im Inneneinrichtungsbereich, ist er seit sieben Jahren in der Geschäftsleitung von HotellerieSuisse tätig. Zuerst als Leiter Bildung, heute als Verantwortlicher des Business Developments. Zudem ist er Mitglied des Stiftungsrates der Hotelfachschule Thun. In Langenthal aufgewachsen, ist Schneider heute in Zürich und in Adelboden zuhause.
«Hotelier»-Interview mit Janine Rüfenacht über «The Lab Hotel» an der Hotelfachschule Thun
Wie innovativ ist dieses «Labor-Hotel» wirklich?
«The Lab Hotel». So nennt sich das neue «Labor-Hotel» an der Hotelfachschule Thun, das Anfang März eröffnet wurde. Das Hotel sei eine Innovationsplattform und ein Lernort für Studierende, betont die HF Thun. Damit nicht genug: «The Lab Hotel» sei einzigartig im DACH-Raum. Was steckt dahinter? Ist das neue «Labor-Hotel» wirklich so innovativ und einzigartig, wie die Initianten sagen?
INTERVIEW Hans R. Amrein
[01] Logowand.
[02] Janine Rüfenacht, Vizedirektorin an der Hotelfachschule Thun und Leiterin des neuen «The Lab Hotel».
[03] Treffpunkt «Workspace».
[04] Ego-Kapselzimmer.
[05] Easy-Zimmer.
[06] The Hub Bar.
Janine Rüfenacht, was ist eigentlich Sinn und Zweck dieses «LaborHotels», auf das Sie so stolz sind? Nun, das Hotel erfüllt mehrere Zwecke. Einerseits ist es eine wirtschaftliche Diversifizierung der Hotelfachschule. Andererseits bietet das Hotel eine Lehr- und Lernplattform für die Studierenden der Schule, auf der sie Praxiserfahrung sammeln und eigene Konzepte testen können.
Das Hotel sei Innovationsplattform und Lernort für die Studierenden, sagen Sie. Konkret: Was für Innovationen oder Innovationsprojekte planen Sie dort?
Die Innovationsprojekte können in allen möglichen Bereichen eines Hotels oder Gastronomiebetriebs ihren Platz finden. Sei es im Angebot, in der Infrastruktur, im Bereich von Dienstleistungen oder Services, in der Unternehmensorganisation bis hin zur Unternehmenskultur.
Das tönt alles plausibel, aber liegt der Schwerpunkt im «The Lab Hotel» nicht eher bei der Hotelinfrastruktur? In den letzten Monaten stand tatsächlich die Infrastruktur, sprich die Umbauarbeiten, im Vordergrund. Aber die Infrastruktur ist nur einer von vielen wichtigen Bereichen in der Hotellerie! Wir sind ebenfalls daran, unsere Organisationsformen weiterzuentwickeln und freuen uns auf die Visionen unserer Studentinnen und Studenten. Zudem möchten wir Bildung, Hotellerie und die Branche stärker vernet-
zen. Dies ist der Ort, in dem Trends, neue Technologien und Ideen aus Hotellerie und Gastronomie mit Branchenpartnern ausprobiert und umgesetzt werden können.
Das Hotel sei «die Schnittstelle zwischen Hotellerie, Branche und Bildung», sagen Sie. Können Sie mir das bitte konkret und anhand von ein oder zwei Beispielen erklären? Da sind zum Beispiel ganz klar unsere «Lab Rooms» zu nennen, die in der Branche in dieser Art und Weise einzigartig sind. Wir konnten in den vergangenen Monaten ein wertvolles Netzwerk aufbauen. Branchenpartner können in den «Lab Rooms» neue Produkte testen und mit uns gemeinsam weiterentwickeln. Im Bereich der Raumluft setzen wir zum Beispiel mit unserem Partner Arve ein innovatives Projekt um. Diese Testumgebung steht auch unseren Studierenden zur Verfügung, die aufgefordert sind, eigene Projekte umzusetzen.
Die Hotelfachschule Thun verfolgt seit 2018 eine strategische Neuausrichtung, wie das so schön heisst. Was umfasst diese «Neuausrichtung» konkret? Und welchen Stellenwert hat das «The Lab Hotel» in diesem Kontext?
Die Hotelfachschule Thun bietet seit über 30 Jahren die Weiterbildung zum dipl. Hotelier-Restaurateur HF oder dipl. Hotelière-Restauratrice HF an. Seit drei Jahren ist diese Weiterbildung auch berufsbegleitend möglich. Nun geht es darum, ➤
die Art des Lernens den Studierenden anzupassen, Möglichkeiten zu individualisiertem Unterricht einzubringen und neue Möglichkeiten wie eine Plattform für Experimente zu schaffen. Auf diese Weise können wir Theorie und Praxis noch stärker vernetzen und die Studierenden optimal auf das Berufsleben vorbereiten.
Wie wurde «The Lab Hotel» eigentlich finanziert? Und wie hoch ist die Investitionssumme?
Das «The Lab Hotel» wurde zu grossen Teilen klassisch finanziert. Die Hälfte der Investitionssumme von knapp 9 Mio. Franken wurde über einen Bankenkredit sowie der SGH finanziert. Zusätzlich konnten wir auf zinslose Darlehen der Stadt Thun, des Tschumi Fonds und der NRP zählen.
Im «The Lab Hotel» sollen ganz normale Gäste übernachten. Welche Gästesegmente sprechen Sie damit an? Und wie werden Sie das Hotel vermarkten?
Wir sprechen einerseits Gäste an, die länger in Thun verweilen. Für sie bieten wir die Serviced Apartments an, vollständig ausgestatte kleine Wohnungen mit den Annehmlichkeiten eines Hotels. Die weiteren Zimmerkategorien eignen sich für Individualreisende, Familien und Businessgäste. Die Kapselzimmer sprechen eher typische Hostelgäste an. Die «Lab Rooms» eignen sich für alle Gäste, die sich
auf Ungewohntes einlassen möchten. Primär versuchen wir, das Hotel über die eigene Website zu vermarkten. Aber wir sind natürlich auch auf den klassischen Buchungsportalen zu finden.
Warum sollte ein «normaler Gast» ausgerechnet in einem «Labor- und Schulhotel» absteigen? Und das erst noch am Stadtrand von Thun?
Wir bieten unseren Gästen immer wieder wechselnde Erlebnisse, sodass jeder Aufenthalt für sie einzigartig und überraschend anders sein wird. Bei uns ist immer etwas los, und wenn sie wollen, können die Gäste sogar einen Blick in den Alltag der Studierenden werfen und an kleinen Unterrichtssequenzen im öffentlichen Bereich teilnehmen. Unsere Lage sehen wir als Vorteil, denn der Thunersee ist in einer Gehminute vom «The Lab Hotel» erreichbar. Das Quartier ist ruhig, direkt ans Hotel grenzt der Schadaupark. Wir sind zentral gelegen, um die grossartige Umgebung rund um den Thunersee zu erkunden – und das Hotel ist nur wenige Minuten von der Autobahn entfernt.
«Lab Rooms», Zimmerkonzepte, digitale Check-in- und Check-outLösungen in Ehren, aber der Erfolg eines Hotels hängt stark von der jeweiligen Positionierung ab. Wird man sich im «The Lab Hotel» also auch mit Positionierung,
Profilierung, Differenzierung und solchen Themen befassen?
Natürlich! Auch diese Themen sind einerseits Teil des Hotelkonzepts und andererseits Teil des Unterrichts. Wir verstehen uns als Kompetenzzentrum für Hotellerie und Gastronomie. Wenn der Gast bei uns bucht, kann er immer wieder Neuartiges entdecken und Teil dieser wertvollen Community rund um das The Lab Hotel werden.
Die «Lab Rooms» stünden auch als «Versuchs- und Forschungslabor» für externe Partner zur Verfügung, schreiben Sie in der Medienmitteilung. Was soll denn da getestet und geforscht werden?
Wir konnten bereits in der Projektphase Partnerschaften eingehen. Diese Partner sind eher im Bereich der Infrastruktur und Software angesiedelt. Für die Zukunft sind auch andere Partnerschaften, z. B. Partner im Bereich Mobilität absolut denkbar und gewünscht. In diesem Bereich könnte getestet werden, ob und wie das Gästeverhalten bei der Wahl des Transportmittels bei der Anreise oder während des Aufenthalts gesteuert werden kann.
Sind Studierende einer höheren Fachschule wirklich in der Lage, innovative, kreative und vielleicht auch verrückte Konzepte zu entwickeln?
Absolut. Unsere Studentinnen und Studenten erhalten bei uns den Rahmen, um ihre
In Kürze
Anfang März 2021 wurde an der Hotelfachschule Thun das «The Lab Hotel» nach zweieinhalbjähriger Planungsund Umbauphase eröffnet. The Lab Hotel sei Innovationsplattform und Lernort für die Studierenden, erklärt die Schulleitung. «Neben neuen Hotelzimmern, Serviced Apartments, Work Space oder einer trendigen Bar bilden die sogenannten Lab Rooms das Herzstück des Labor-Hotels und damit die Schnittstellen zwischen Hotellerie, Branche und Bildung.» Christoph Rohn, Direktor der Hotelfachschule Thun: «Die Kombination von Studium in Verbindung mit Praxismodulen im eigenen Hotel ist im gesamten Alpenraum einzigartig.»
thelabhotel.ch
Ideen und Konzepte zu testen und zu verwirklichen. Aus einer Idee kann bei uns zum Beispiel ein ganzes Hotelzimmer entstehen. Oder aber ein neuartiges Food-Angebot an unserer «The Hub Bar».
Was gibt Ihnen die Gewissheit, dass «The Lab Hotel» funktionieren und Erfolg haben wird?
Einerseits passt unser Angebot in den Tourismusmarkt am Thunersee, da wir mit den Serviced Apartments und den Kapselzimmern zwei Übernachtungsformen anbieten, die es so im Grossraum Thun noch nicht gibt. Gerade bei den Serviced Apartments spüren wir schon länger eine gute Nachfrage.
Schlussfrage: Die Hotelfachschule Thun steht so ein bisschen im Schatten der «grossen Mutter» in Lausanne, der renommierten und weltberühmten EHL. Wollen Sie mit «The Lab Hotel» beweisen, dass auch die «kleine HF Thun» eine ernstzunehmende Schule mit innovativen Ansätzen ist? Die EHL und die Hotelfachschule Thun sind sehr unterschiedlich und sprechen unterschiedliche Kundengruppen an. Umso mehr freut es mich, dass wir bereits jetzt eng mit der EHL zusammenarbeiten und unsere Erfahrungen mit den Projekten im «The Lab Hotel» und im Village d’innovation regelmässig austauschen. Ebenfalls sind wir zusammen mit HotellerieSuisse im Aufbau des «Hospitality Booster», dem Innovationsnetzwerk des Verbandes. Wir verstehen uns als weiteren Baustein eines grossartigen Netzwerkes, von dem alle Partner gleichermassen profitieren können.
«Hotelier»-Interview mit Hilton-EuropaManager David
Kelly
Warum Hilton auf hybride HotelKonzepte setzt
David Kelly, die Covid-19-Pandemie hat die Hotelbranche stark in Mitleidenschaft gezogen. Wie geht
Hilton damit um?
Das vergangene Jahr und die ersten Monate 2021 haben uns vor einzigartige Herausforderungen gestellt, aber mit Blick auf die Zukunft wissen wir, dass es einen Nachholbedarf an Reisen geben wird. Eine kürzlich von Hilton durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass mehr als 55 Prozent der Europäer das Reisen durch die Pandemie wieder mehr zu schätzen gelernt haben. Der Durchschnittsbürger plant 2021 und 2022 zwei Auslandsreisen – eine Stimmung, die sich in ganz Europa widerspiegelt.
Was haben Sie im Frühjahr 2020 gemacht, als die Pandemie die Welt erfasste?
Hilton hat zu Beginn der Pandemie schnell und entschlossen gehandelt, um die Liquidität zu erhöhen und Unternehmensausgaben zu reduzieren. Wir haben uns schnell an die sich ändernden Einschränkungen angepasst und Innovationen entwickelt, um auf die sich ebenfalls wandelnden Erwartungen der Gäste zu reagieren – so stellen wir sicher, dass unsere Gäste an unsere Hotels denken, sobald sie wieder zu reisen beginnen.
Sie setzen trotz Krise auf Wachstum in Europa und der übrigen Welt. Richtig, wir haben Vertrauen in unser Geschäft. Derzeit befinden sich in ganz Europa – trotz Corona – mehr als 140 neue Hotels in der Pipeline.
Wie reagiert Hilton, einer der grössten Hotelkonzerne der Welt, auf die Covid-Krise? Neben Hygiene und Sauberkeit, flexiblen Stornierungsrichtlinien und modernster Konferenz technik setzt Hilton auf hybride Konzepte. Auszüge aus einem Gespräch mit David Kelly, Senior Vice President Continental Europe.
Hilton ist in erster Linie eine Business-Hotelmarke. Welche Erwartungen haben Sie?
Mit einem Portfolio von 18 Marken und einer Präsenz in 118 Ländern und Regionen, verfügt Hilton über eine fantastische Auswahl an Hotels und Resorts, die Geschäfts- und Freizeitreisende gleichermassen ansprechen. Statt Geschäftsreisen mit Freizeitreisen zu vergleichen, ist es wichtig, Loyalität unter den Gästen aufzubauen, damit diese sich bei jeder bietenden Gelegenheit für eines unserer Häuser entscheiden. Nehmen Sie beispielsweise einen Geschäftsreisenden, der unter der Woche in einem Hilton Garden Inn übernachtet, dann mit seiner Familie in einem HiltonResort am Meer Urlaub macht – oder ein wichtiges Jubiläum in einem Waldorf Astoria feiert. Diese Loyalität ist es, die unsere Leistung vorantreibt.
Accor-CEO Sebastien Bazin sagte kürzlich, er erwarte nicht, dass Geschäftsreisende nach Corona vollständig zurückkehren werden. Ihre Meinung dazu?
Der asiatisch-pazifische Raum gibt einen guten Hinweis darauf, was im Geschäftsreisesegment anstehen könnte, da er in der Erholungskurve einen Schritt voraus ist. In unseren Hotels in der APAC-Region (AsienPazifik) sehen wir durchaus, dass sich die Nachfrage nach Geschäftsreisen wieder verbessert – insbesondere bei inländischen Geschäftsreisenden auf dem chinesischen Festland. Die Auslastung dort ist bereits wieder auf dem Niveau von 2019.
Experten gehen davon aus, dass sich Businessreisen verändern werden. Wir erwarten Veränderungen in der Art und Weise, wie Unternehmen Meetings durchführen. Dies führt zu einer verstärkten Nachfrage nach «hybriden» Meetings, bei denen die persönliche und virtuelle Anwesenheit kombiniert wird, damit Unternehmen ihre Mitarbeiter in kleineren Gruppen zusammenbringen können –ergänzt durch Technologie. Obwohl es Möglichkeiten gibt, die Technologie weiter in den Arbeitsalltag zu integrieren, wird dies die persönliche Interaktion eher verbessern als sie zu ersetzen – und so erwarten wir auch, dass sich die geschäftliche Nachfrage in Europa im Einklang mit der Lockerung von Reisebeschränkungen auf der ganzen Welt durch die Verteilung des Impfstoffs wieder verbessern wird.
Wie können Sie sich an die veränderten Bedürfnisse anpassen? Da wir wissen, dass Unternehmen wahrscheinlich noch einige Zeit lang persönliche Meetings mit virtuellen Teilnahmen kombinieren werden – insbesondere da die Beschränkungen weiterhin schwanken –, haben wir kürzlich «Hilton Event Ready Hybrid Solutions» eingeführt. Dieses neue Produkt konzentriert sich auf die Erstellung eines auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittenen Meetings. Es wird Unternehmen die Möglichkeit geben, nahtlose Hybrid-Meetings zu veranstalten –über mehrere Standorte hinweg mit einem Hub-and-Spoke-Modell, wenn sie sich dafür entscheiden. In ausgewählten Hotels werden auch Übertragungstechnik und Bühnenausstattung verfügbar sein. ➤
Kann man mit hybriden Meetings in Hotels wirklich Geld verdienen?
Aus unserer über 100-jährigen Geschichte wissen wir, dass die Priorisierung von Kundenbedürfnissen und ständige Innovation zwei der wichtigsten Faktoren sind, um positive finanzielle Ergebnisse zu erzielen. Die Covid-Krise hat diese Innovation beschleunigt. Die meisten unserer Hotels in Europa wurden als «hybrid-ready» zertifiziert – das bedeutet, dass sie über die richtige Infrastruktur verfügen, um hybride Meetings zu veranstalten, ohne in zusätzliche Kapazitäten investieren zu müssen.
Welche weiteren Trends in der Hotellerie sehen Sie?
Das Arbeiten von zu Hause kann einige grosse Vorteile haben, aber für viele Menschen erweist es sich auch als Herausforderung. Daher erwarten wir eine anhaltende Nachfrage nach Remote-Arbeitsplätzen in unseren Hotels. Im Herbst haben wir –zunächst in den USA, Kanada und Grossbritannien – Hilton Workspaces eingeführt, um saubere, flexible und ablenkungsfreie Umgebungen für produktives Remote-Arbeiten zu schaffen.
Und wie sehen Sie die Trends im Freizeit-Bereich?
Wir sehen Chancen im «Bleisure»-Reisemarkt, wo Geschäfts- und Freizeitreisen in einer Reise kombiniert werden. Wenn wir in die Zukunft blicken, gibt es eine Reihe von Trends, die sich abzeichnen. Dazu zählt etwa ein Anstieg der Transformationsmöglichkeiten – unabhängige Hotels versuchen in globalen Markenportfolios unterzukommen und so von einer grösseren Reichweite und Sichtbarkeit gegenüber den Gästen zu profitieren – ebenso aber ein stärkerer Fokus auf hochgradig personalisierte Gästetechnologie und eine Kundenpräferenz für eine grössere Konsistenz des Erlebnisses.
Verschieben sich die Hilton Hotels mehr in den Freizeitbereich?
Hilton verfügt über Marken, die alle Marktsegmente abdecken, sodass unser Portfolio an Hotels und Resorts bereits perfekt positioniert ist, um Marktanteile sowohl bei Geschäfts- als auch bei Freizeitreisen zu gewinnen. Wir hatten einen starken Sommer 2020 in den europäischen Freizeitmärkten, und in den Wintermonaten haben wir wachsende Möglichkeiten im
Nahen Osten gesehen, angeheizt durch das inländische Freizeitgeschäft und die Rückkehr internationaler Reisen an einigen Orten. Letztes Jahr haben wir auch eine Reihe von spannenden neuen Resorts angekündigt, die bald in ganz Europa entstehen werden – unter anderem auf Kreta, in Portugal und auf den Azoren, an der Costa del Sol und in Kroatien.
Wie werden sich die Erwartungen der Gäste nach der Covid-Krise verändern?
Es gibt ein paar Kernbereiche, die für Gäste weiterhin entscheidend sein werden, wenn die Menschen wieder zu reisen beginnen. Erstens werden Sauberkeit und Hygiene ein Hauptaugenmerk bleiben. Bei anhaltenden Beschränkungen wird ferner auch die Flexibilität weiterhin ein absolutes Muss für Gäste und Kunden sein. Hilton hat frühzeitig Stornierungsmöglichkeiten eingeführt, und wir haben unsere Rückerstattungsund Stornierungsrichtlinien im Laufe der letzten zwölf Monate kontinuierlich aktualisiert. Wir bieten weiterhin völlig flexible Buchungsoptionen mit der Möglichkeit auf kostenlose Änderungen und Stornierungen. Damit wollen wir unseren Gästen zusätzliche Sicherheit geben.
Was ist Ihr Ausblick für dieses Jahr und für 2022? Wann werden wir ein «New Normal» erleben?
Wenn sich die Verteilung der Impfungen beschleunigt und Reisebeschränkungen gelockert werden, wissen wir, dass es einen grossen Nachholbedarf bei Reisen gibt. Als Unternehmen haben wir den Erfolg einer beschleunigten Impfstoffeinführung in Ländern wie Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten miterlebt und wir freuen uns auf weitere Erfolge, wenn die europäischen Märkte ihre Programme beschleunigen. Mit Blick auf eine längerfristige wirtschaftliche Erholung wird ein wichtiger Baustein der Zukunftsplanung sein, den Menschen nach der Impfung die Möglichkeit zu bieten, wieder zu reisen. Ausgehend von den Erfahrungen im asiatisch-pazifischen Raum und dem, was wir im Sommer 2020 hier in Europa gesehen haben, er warten wir, dass der Freizeittourismus als erstes zurückkehren wird, gefolgt von Geschäfts- und Gruppenreisen.
Quelle & Copyright (Erstveröffentlichung): AHGZ, Januar 2021. Autor: Rolf Westermann.
Was steckt hinter Hilton?
Conrad Hilton gründete die Hotelkette 1919 in Cisco / Texas mit dem Hotel «The Mobley», Hauptsitz heutzutage in Tysons Corner, Virginia, USA. Erstes Hilton-Hotel in den USA: 1925 in Dallas. Erstes Hotel ausserhalb der USA: 1949 in Puerto Rico. Eigentümer: HNA Group (China), Blackstone, Wellington Management Group und Streubesitz (börsennotiert). Marktkapitalisierung: 31 Mrd. US-Dollar. Präsident & CEO: Christopher J. Nassetta.
Rund 9,5 Mrd. US-Dollar Umsatz (2019), Betriebsergebnis ca. 1,7 Mrd. US-Dollar, etwa 200 000 Mitarbeiter (2019). Umsatz 2020: ca. 4,6 Mrd. Euro, Betriebsergebnis 2020: minus 150 Mio. US-Dollar.
Grösse weltweit: mehr als 6300 Hotels mit über 1 Mio. Zimmern in 118 Ländern, 18 Marken.
Gästebindungsprogramm: «Hilton Honors» mit ca. 110 Millionen Mitgliedern.
Region Kontinentaleuropa: mehr als 200 Hotels in 40 Ländern, davon drei Häuser in der Schweiz (Zürich-Airport, Davos, Genf).
WIR SIND DIE SPEZIALISTEN FÜR DEN VERKAUF VON HOTELS IN DER GANZEN SCHWEIZ
Zurzeit suchen wir Hotels für unsere Kunden besonders in den folgenden Städten und Regionen:
• in den Städten Genf Lausanne Zürich und Luzern
• im Umkreis Flughafen Zürich
• in Zermatt und in Saas Fee
• in der Jungfrau-Region
Es dürfen auch kleinere Hotels und B & B sein.
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«Hotelier»-Interview mit Matthias Winkler, Chef im Hotel Sacher Wien
«Krise? Die Chancen liegen in der Zukunft»
Das Hotel Sacher in Wien, ein weltberühmtes und traditionsreiches Luxushaus. Bis 2019 eine Erfolgsgeschichte. Und jetzt? Sacher-Chef Matthias Winkler musste mindestens 140 Mitarbeitende entlassen. Fast 30 Prozent der Belegschaft. Wie sieht er die Zukunft der SacherHotels in Wien und Salzburg?
Matthias Winkler, wirtschaftliche Ziele sind in der aktuellen Situation obsolet. Hat die Krise eine Änderung der Positionierung der Marke Sacher zur Folge?
Eine Positionierung von Sacher ist, dass wir in guten wie in schlechten Zeiten zu Wien und auch zu Salzburg gehören. In der Geschichte von Sacher sind alle Höhenflüge und alle Täler der Tränen ja nachzulesen. Sacher war der grosse Treffpunkt von Kunst, Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft, aber Sacher war ebenso schon pleite. Sacher hat sich in der Vergangenheit jedoch immer als krisenfest bewiesen. Wenn man zurückblickt und nachforscht warum, dann waren es letztlich die Persönlichkeiten, die hier gearbeitet haben und die für das Haus verantwortlich waren. Persönlichkeiten wie Anna Sacher oder meine Schwiegermutter, die das Hotel nicht als Nummer-1-Haus übernommen hat, sondern es erst dazu gemacht hat. Und dann der rechtzeitige Übergang zur nächsten Generation. Sacher hat viel richtiggemacht.
Die Hotels in Wien und Salzburg auf unbestimmte Zeit ganz zu schliessen – war das in der aktuellen Krise schon ein Thema?
Man könnte jetzt in Trauer, Sorge, Angst und Depression erstarren oder versuchen, gegen Corona zu kämpfen. Nichts davon wird zu einem besseren Ergebnis für das Unternehmen, die Mitarbeiter und die Gäste führen. Wie immer in der Geschichte, konzentrieren wir uns darauf, was wir daraus lernen und daraus machen können. Wir haben schon zu Beginn der Krise die Zeitrechnung auf null gestellt. Was vorher war, mag uns ein bisschen Sicherheit geben, aber die Chancen liegen in der Zukunft, nicht in der Vergangenheit. Das ist der erste, wichtige, jedoch schmerzhafte Schritt, weil man sich nicht mehr nur auf das verlassen kann, was einen immer – scheinbar – stark gemacht hat.
Nochmals: Werden Sie die Hotels aufgrund der Krise neu positionieren? Nein, die Positionierung bleibt, wir schreiben unsere Geschichte fort. Der Traditionsbetrieb ist eigentlich ziemlich innovativ, sonst könnte er nicht auf Dauer überleben. Die Corona-Krise macht es nicht leichter, spitzt zu, beschleunigt, Gutes wie Schlechtes. Jetzt sind umso mehr Führungsqualität und menschliche Qualitäten gefragt, um daraus etwas Gutes und Richtiges zu machen.
«Sacher war der grosse Treffpunkt von Kunst, Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft, aber Sacher war ebenso schon pleite»
WINKLER
Wie werden Sie diese guten Mitarbeiter in Zukunft gewinnen? Es wird zwar mehr Arbeitssuchende geben, gleichzeitig werden viele gut ausgebildete im Tourismusbereich in andere Branchen abwandern … Das ist unsere grösste Herausforderung, ohne Zweifel. Unser Tun hat eine grosse Überschrift – und die lautet: Wertschätzung. Da hat die Branche nicht immer und in jedem Betrieb als Vorzeigemodell funktioniert, aber das Thema Wertschätzung ist eine der zentralen Antworten darauf, wie ich die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekomme.
Sie mussten Leute entlassen …
Wir sind ein grosses Unternehmen. Wir hatten vor Corona 800, jetzt sind wir bei zirka 500 Mitarbeitern. Wir sind eine grosse Struktur, da brauchten wir in der Krise auch eine strukturelle, systemische Antwort.
Wie gross ist die Frage in der Hotellerie nach der Preisgestaltung in den kommenden Monaten? Werden die Raten sinken?
Es sagen alle, dass sie das nicht tun, viele machen’s dennoch. Sehr zum Ärger von
jenen, die es nicht tun. Wir versuchen, den Preis zu halten und bieten für den Preis auch ein grossartiges Erlebnis. Den Preis nach unten justieren dauert sechs Minuten, den Preis hinauf zu bringen sechs Jahre. Mit einem günstigen Preis können sie schnell eine hohe occupancy schaffen, aber es ist keine Strategie – für uns jedenfalls nicht.
Und wenn der Marktdruck steigt, werden Sie trotzdem Ihre Preisstrategie konsequent beibehalten?
Das ist eisern. Wir diskutieren über viele Dinge, aber darüber nicht.
Quelle und Erstveröffentlichung: Stammgast.online, AHGZ, 2021
[01] Hotel Sacher in Wien (hinter der Staatsoper): «Eine Positionierung von Sacher ist, dass wir in guten wie in schlechten Zeiten zu Wien und auch zu Salzburg gehören.»
[02] Sacher-Chef Matthias Winkler: «Man könnte jetzt in Trauer, Sorge, Angst und Depression erstarren oder versuchen, gegen Corona zu kämpfen. Nichts davon wird zu einem besseren Ergebnis führen.»
MATTHIAS
Gastro-Profi Michael Stutz über das erste Ghost-Kitchen-Angebot im Alpenraum
Was steckt hinter den Restaurants ohne Gäste?
Der Trend kommt aus den USA und wird jetzt erstmal im Alpenraum in FlimsLaax umgesetzt: Ghost-Kitchen. Die «Geisterküchen»-Restaurants, in denen nur gekocht wird, in denen aber keine Gäste bedient werden, entwickeln sich immer mehr zum Netflix und Spotify der Gastro-Branche. Ghost-KitchenInitiant Michael Stutz über sein virtuelles Restaurant in der «Weissen Arena».
INTERVIEW Hans R. Amrein
Michael Stutz, Ghost-Kitchen ist ein virtuelles Restaurant. Das Konzept wird jetzt erstmals in Flims-Laax umgesetzt. Wie funktioniert das konkret – aus der Gästeoptik?
Ein Ghost-Restaurant ist ein Restaurant, welches ausschliesslich digital existiert und ohne Gastraum auskommt. Das GhostRestaurant konzentriert sich auf das Ausliefern von Speisen. Unsere Ghost-Restaurants sollen die Emotionen, die man sonst bei einem herkömmlichen Restaurant-Besuch erlebt, auf dem digitalen Weg transportieren.
Ist das eine Premiere in der Schweiz? Ja, im alpinen Raum sind wir in der Tat die erste Ghost-Kitchen und Betreiber der ersten Ghost-Restaurants.
Es gibt vier virtuelle Restaurants. Nach welchen Kriterien haben Sie diese «Lokale» konzipiert?
Mir ist wichtig, dass ein Restaurant – ob nun virtuell oder herkömmlich – über eine scharfe Positionierung verfügt. Unsere vier Ghost-Restaurants bieten den «Gästen» echte alpine Küche: Poulet-Spezialitäten, Gourmet-Burger und neapolitanische Pizzen. Entscheidend für ein erfolgreiches Ghost-Restaurant ist zudem, dass sämtliche Überlegungen «delivery based» gemacht werden. Dies hat Auswirkungen auf die Abläufe, das Marketing und die TeamSchulung.
Sie wollen, wie Sie sagen, die virtuellen Restaurants «emotional noch mehr aufladen». Wie schaffen Sie es überhaupt, die erwähnten Emotionen auf dem rein digitalen Weg rüberzubringen?
Auf den ersten Blick ist das in der Tat nicht einfach. Schauen Sie, die digitale Welt ist
eine Spielwiese, die ebenso viele Kanäle und Möglichkeiten bietet wie die analoge Welt. In Zukunft soll der Gast – beziehungsweise der Besteller/die Bestellerin –dem Koch beim Kochprozess über die Schultern schauen können, indem wir die bewegten Bilder aus der Ghost-Kitchen dem Kunden in die Stube bringen. Restaurants mit Schauküche machen es uns vor: Show-Küchen wirken auf RestaurantBesucher wie Magnete. Wie oft sind Sie schon an einer Schauküche gestanden und haben den Koch bewundert, wie er gekonnt sein Handwerk ausübt? Mit Gamification bieten wir künftig Anreize, die den Kunden – während des Bestellprozesses und nach dem Essen – zum Verweilen einladen.
Was bringt dieses neuartige Geschäftsmodell dem Betreiber? Und wie profitabel ist Ghost-Kitchen? Eine Ghost-Kitchen kann nur profitabel und skalierbar sein, wenn konsequent «delivery based» gedacht wird. Wird eine Ghost-Kitchen nicht unabhängig, sondern etwa parallel zu einem normalen Restaurant betrieben, wird man kaum je das volle Potenzial ausschöpfen können. Die Denkweise dieser zwei Geschäftsmodelle (herkömmlich vs. Ghost) ist derart verschieden, dass man sie nicht kombinieren sollte.
Ist «Ghost-Kitchen» eine total neue Idee aus der Küche «Gastgeber 3.0» von Michael Stutz und seinen Partnern? Oder existieren bereits solche oder ähnliche Konzepte?
In den USA, in London, Asien und seit kurzer Zeit auch in Zürich existieren solche Produkte schon. Man sagt, dass sich die Ghost-Kitchens in den kommenden Jahren weltweit zu einem Multi-Milliarden-Markt entwickeln würden. Unsere Absicht ist es,
Ghost-Kitchen- Initiant und Gastroprofi Michael Stutz.
touristischeren Regionen einen Mehrwert zu geben und konsequent an der Emotionalisierung des Produktes zu arbeiten.
Wer sorgt im Hintergrund für Küche, Produktion, Wareneinkauf, HR, Logistik (Transport) usw.? Wir haben einen operativen Betriebsleiter – den «Delivery-Coordinator» – im Einsatz. Er schaut, dass die Speisen pünktlich an die richtigen Orte geliefert werden und dass nichts fehlt. In der Küche arbeiten zwei gelernte Köche. Dazu eine Hilfsköchin in Teilpensum.
In unserem Pool an «Delivery Boys & Girls» befinden sich 15 Fahrerinnen und Fahrer. Pro Tag kommen zwischen vier und zwölf zum Einsatz. Alle Support- und Managementleistungen werden durch die «Weisse Arena Gruppe» und die Gastgeber 3.0 AG übernommen.
Kommen auch Roboter zum Einsatz? Nein, noch nicht. Nur eine App.
Wie sind denn die ersten Reaktionen der « Gäste» auf Ghost-Kitchen? Die Gästezufriedenheit ist sehr hoch. Die Qualität der Speisen, die Freundlichkeit der Fahrer und die Lieferzeiten sind sehr gut.
Haben Sie die Absicht, Ghost-Kitchen an weiteren Orten zu lancieren?
Wir wären bereit, mit den richtigen Partnern das Ghost-Kitchen-Konzept auch in anderen Destinationen aufzuziehen. Die Skalierbarkeit ist gegeben. Aufgrund seiner örtlichen Kompaktheit wäre, zum Beispiel, Zermatt prädestiniert.
Röstfrisch
Was Sie über die Aufbereitung von Kaffee wissen müssen
TEXT Evelyne Rast
Wir orientieren uns beim Kaffee meist an den Herkunftsländern – doch müssten wir genau genommen von den unterschiedlichen Regionen und von den unterschiedlichen Aufbereitungsarten sprechen. Denn grundlegende Unterschiede im Kaffeeprofil, in Körper und Aroma von Kaffee entstehen in den unterschiedlichen Anbauregionen mit unterschiedlichen Bodenund Klimaeigenschaften und durch die unterschiedliche Aufbereitung, also durch die Verarbeitungsstufen direkt nach dem Ernten.
Um an die Rohkaffeebohnen zu gelangen, müssen diese erst aus ihrem Fruchtfleisch herausgelöst und getrocknet werden. Hierfür gibt es mehrere Verfahren. Die Aufbereitung ist eine diffizile und gleichsam bedeutende Arbeit. Mit zunehmender Nachfrage nach Spezialitätenkaffees experimentieren die Kaffeebauern vermehrt und variieren ihre Aufbereitung.
und weniger Körper als natural aufbereiteter Kaffee.
Bei der Natural-Aufbereitung werden die Kirschen mitsamt dem Fruchtfleisch an der Sonne getrocknet. Nach rund vier bis fünf Tagen sind die Kirschen trocken. Das getrocknete Fruchtfleisch wird von der Bohne abgelöst. Ein natural aufbereiteter Kaffee schmeckt man aufgrund eines vollen Körpers, einer ausgeprägten Süsse und eher weniger Säure.
Die Autorin
Evelyne Rast ist zusammen mit ihrer Schwester Beatrice Rast Inhaberin der Gourmetrösterei Rast Kaffee mit Sitz in Ebikon bei Luzern.
rast.ch
Bei der Aufbereitung wird grundsätzlich zwischen Washed Coffee (nasse Aufbereitung), Natural Coffee (trockene Aufbereitung) und immer neuen, innovativen, kreativen Mischverfahren unterschieden. Welche Methode gewählt wird, hängt historisch insbesondere auch davon ab, wie viel Platz und Wasser in der jeweiligen Anbauregion vorhanden sind.
Bei der Washed-Methode werden die Kaffeekirschen in Wassertanks oder Schwemmkanälen vorsortiert. Um das verbleibende Fruchtfleisch von der Bohne zu lösen, werden die Bohnen in Tanks mit Wasser bis zu 72 Stunden fermentiert. Danach werden sie an der Sonne getrocknet. In der Tasse unterscheidet sich der gewaschene Kaffee insbesondere durch seine ausgeprägten Fruchtaromen und seiner klaren Säure. Hingegen hat er tendenziell weniger Süsse
Zu den Mischverfahren gehören die pulped-natural Aufbereitung, die halb-trockene oder semi-washed Aufbereitung, das Honey-Processed-Verfahren oder die Anaerobic-Fermentation-Natural-Methode. Das Honey-Processed-Verfahren wurde zuerst in Costa Rica angewandt – ein japanischer Kaffeeimporteur regte diese Methode an. Dabei bleibt die Mucilage (das Fruchtfleisch) an der Bohne haften, eine dünne Schicht von Fruchtschleim, die sich wie Honig anfühlt. Bei der Anaerobic-Fermentation-Natural-Methode werden die ganzen Kirschen ohne Wasser in einen vollständig versiegelten und sauerstoffarmen Gärtank gegeben. Dabei gehen die saftigen Aromen der Kirschen in die Bohnen über.
Kaffeeneugier und Experimentierfreude
Je nach Aufbereitung können dem Kaffee gänzlich neue, unerwartete, komplexe Aromen entlockt werden. Stillen Sie als Gastronomin und Gastronom Ihre Kaffeeneugier nicht mit der Information über das Herkunftsland. Fragen Sie bei Ihrem Kaffeeröster nach, lassen Sie sich die exakte Anbauregion und die Aufbereitungsmethoden erklären. Und lassen Sie sich zu einer neuen Experimentierfreude verführen.
Tartelettes mit natürlichen Zutaten. Für die Profi-Küchen in der Schweiz.
Tradition seit 1877
Vor mehr als 140 Jahren hat die Firmengeschichte von HUG in einer Bäckerei in Luzern begonnen. Den Grundstein zum Erfolg hat Josef Hug-Meyer im Jahre 1877 mit der Erfindung des Zwiebacks gelegt. Seither sind unzählige weitere Gebäcke wie Läckerli, WillisauerRingli, DAR-VIDA Crackers, Gastronomie-Gebäcke, Tiefkühlsnacks und Bricelets, zum Teil durch Firmen-Übernahmen, dazugekommen. Mit der Übernahme der Wernli AG aus Trimbach im Jahr 2008, konnte das Sortiment mit schokoladehaltigen Gebäcken erweitert werden. Bei Wernli wurden Choco Petit Beurre, Japonais und die Jura-Waffeln erfunden.
Die HUG AG ist durch und durch ein Schweizer Familienbetrieb: Sie ist mit ihren drei Standorten Malters, Willisau und Trimbach im Zentrum der Schweiz zu Hause und wird von Andreas und Anna Hug in einer Co-Leitung geführt.
Die HUG-Familie beschäftigt 387 Vollzeit mitarbeitende. Die Produktion betrug 2020 insgesamt 9326 Tonnen. Dies ergab einen Umsatz von 110,9 Millionen Franken.
Im Gespräch mit Anna Hug, Mitglied der Geschäftsleitung
HUG Backwaren AG
Warum sollte ein Patissier HUG-Tartelettes verwenden?
Vor mehr als 140 Jahren hat die Firmengeschichte von HUG in einer Bäckerei in Luzern begonnen. Den Grundstein zum Erfolg hat Josef Hug-Meyer im Jahr 1877 mit der Erfindung des Zwiebacks gelegt. Heute erzielt das Familienunternehmen mit rund 380 Mitarbeitenden an drei Standorten einen Jahresumsatz um die 110 Mio. Franken (2020). Was ist das Erfolgsprinzip von HUG?
Ein Gespräch mit Anna Hug.
Anna Hug, wenn Sie in wenigen Worten erklären müssten, was die Firma HUG AG tut, wer ihre Kunden sind, warum es die HUG-Produkte unbedingt braucht, was würden Sie sagen?
Wir backen seit über 140 Jahren feine Backwaren, sind ein typisch schweizerischer Betrieb und beliefern den Schweizer Detailhandel und die Gastronomie in der Schweiz und auch im Ausland. Wir betreiben zehn Produktionslinien, 50 Prozent unserer Produkte sind süss, 50 Prozent salzig.
Mit Zwieback hat bei HUG 1877 alles angefangen. Es gibt da so eine Anekdote, wie HUG-Gründer Joseph Hug-Meyer den Zwieback erfunden habe. Wie lautet diese Geschichte schon wieder?
Mein Ur-Ur-Grossvater habe einmal geschnittenes Brot versehentlich in den Ofen geschoben – und so wurde der Zwieback entdeckt.
Welche Rolle spielt denn der Zwieback heute bei HUG?
Zwieback ist immer noch ein Topprodukt und hat eine treue Kundschaft. Gerade in Corona-Zeiten ist Zwieback als Notvorrat, aber auch als vertrautes, urschweizerisches Produkt sehr aktuell. Wir haben letztes Jahr im Retail über 20 Prozent zugelegt. 2022 streben wir eine Neupositionierung des Zwiebacks an. Wir wollen von diesem Image «Zwieback isst man, wenn man krank und mit Fieber im Bett liegt» wegkommen.
Warum ist HUG seit fünf Generationen so erfolgreich? Wie lautet Ihr Erfolgsprinzip?
H-U-G – Herzlich – Unternehmerisch –Gewissenhaft. Diese Werte leben wir, und jeder Mitarbeitende kennt sie. Wir haben immer wieder Neues gewagt und denken als Familienunternehmen langfristig. Kommt hinzu, dass wir uns zum Produktionsstandort Schweiz bekennen, auch wenn Rohwaren wie Mehl und Zucker hier deutlich teurer sind als im Ausland.
HUG ist ja vor allem eine Endverbraucher-Marke. Stichworte DAR-VIDA oder Willisauer Ringli. Können Sie mit solchen Produkten heute überhaupt noch gute Renditen erzielen?
Im Detailhandel sind wir in der Kategorie Biscuits in einem stark umkämpften Markt tätig. Allerdings: Mit DAR-VIDA sind wir im Cracker-Markt die Leader-Marke. Im letzten Jahr gab es jedoch zahlreiche Eigenmarken-Kopien. Wir sind es uns also gewohnt, in umkämpften Märkten tätig zu sein und schaffen es immer wieder, innovative Konzepte zu bringen.
HUG hat in den letzten Jahren einige Mitbewerber oder Firmen übernommen, zum Beispiel die Wernli AG im Jahr 2008. Wann wird HUG übernommen?
Unvorstellbar!
War ein Verkauf der Firma HUG in den letzten Jahren wirklich nie ein Thema?
Nein, wir sind als Familie mit Herzblut engagiert und selbst in Geschäftsleitung und Verwaltungsrat aktiv.
In welchen Märkten ist die HUG AG aktuell aktiv – neben der Schweiz? Und welche Rolle spielt HUG auf internationalem Parkett?
Unsere Strategie sieht ein Wachstum des Food-Service-Geschäfts vor, und dies auch im Export. Wir haben 2019 einen Meilenstein im Exportgeschäft erreicht. Seit jeher sind die USA ein zentraler Markt für uns, und nun haben wir in den letzten Jahren andere Regionen gestärkt wie Mittlerer Osten und Ferner Osten, aber auch Europa.
HUG hat diversifiziert und verkauft seit 1978 auch Tiefkühlbackwaren (Pizzetten, «Chäschüechli»). Bewegt man sich hier nicht zwangsläufig in einem Haifischbecken, weil internationale Firmen wie Oetker, die Migros und andere Grossanbieter diesen Markt beherrschen? Im Tiefkühlbereich ist das Marktumfeld tatsächlich herausfordernd, doch wir legen dank innovativen Produkten und Swissness jedes Jahr zu. Vor zwei Jahren sind wir in eine neue Kategorie, die Klein- und Midibrötchen von 30 g bis 55 g, eingestiegen und wachsen damit laufend. Hier stimmen einfach Geschmack, Rezeptur mit IP Suisse Qualität sowie Optik.
Wer sind denn Ihre Mitbewerber? Und wie differenzieren Sie sich konkret von diesen Konkurrenten? Es gibt verschiedene Mitbewerber, weil wir ein breites Angebot in der Gastronomie führen – von Tartelettes über Tiefkühlprodukte bis zu Halbfabrikaten wie Pastetli oder Meringues. Unser Ziel ist immer, einen Mehrwert zu bieten, zum Beispiel durch höhere Produktqualität, saubere Rezepturen, innovative Geschmacksrichtungen oder hochwertige Optik. Wir haben durch unseren eigenen Aussendienst auch eine wichtige «Nase» am Markt, damit wir schnell verstehen, was unsere Kunden brauchen.
Sprechen wir über den Bereich «Service-Gastronomie». Zielgruppe hier sind Gastronomen, Köche, Patissiers usw. Und Ihr Hauptprodukt sind die Tartelettes. Ist «ServiceGastronomie» ein lukratives Geschäft? Wir erzielen rund einen Drittel unseres Umsatzes mit der Gastronomie und wollen hier weiterwachsen. Wir investieren viel und sind mittlerweile in einigen Kategorien Marktführer, zum Beispiel Tartelettes, Fächer/Hüppen, Cornets, Meringues oder Brandteige.
Warum sollte ein Koch oder Patissier Halbfertigprodukte wie die Tartelettes von HUG beziehen? Worin liegt der Mehrwert für den Gastro-Profi? Wir sind ein Familienunternehmen in der 5. Generation und stehen seit über 140 Jahren für feine Backwaren und natürlichen Genuss. Die Rohstoffe beziehen wir, wenn immer möglich, aus der Schweiz und hal-
ten uns dabei an unsere Rohstoffcharta, die wir uns übrigens schon seit 20 Jahren auferlegt haben: Minimum an Zusatzstoffen, keine Konservierungsmittel, demnächst nur noch Eier aus Freilandhaltung usw. Aber Qualität bedeutet auch Funktionalität in der Küche: lange Standfestigkeit unserer Tartelettes, Schneidhilfen für Dessertstangen und vieles mehr.
HUG bietet den Gastronomieprofis auch ein Tiefkühlsortiment. Nun, Convenience-Produkte geraten immer stärker unter Druck, weil Köche und Konditoren immer mehr auf Frische, Bio und Regionalität setzen. Was sagen Sie dazu?
Solche Trends nehmen wir natürlich auf, zum Beispiel mit unserem Hüppen-Fächersortiment, das in unserer kleinsten Produktionsstätte, in Willisau, hergestellt wird. Im letzten Jahr haben wir ein frisches Magenbrot, das nur kurz haltbar ist, erfolgreich eingeführt. Es gibt aber auch einen Gegentrend zu Halbfabrikaten und hochwertigen Convenience-Produkten – aufgrund des Fachkräftemangels.
Nachhaltigkeit scheint auch bei der HUG AG seit Jahren ein grosses Thema zu sein. Nur ganz kurz: Was tun Sie konkret für die Umwelt?
Top-Themen sind bei uns aktuell nachhaltige Roh- und Packstoffe sowie Energie und Klima. 2021 wollen wir in unserem Werk in Malters klimaneutral produzieren und nutzen dabei Abwärme der Anlagen sowie das Grundwasser. Wir haben viel in dieses innovative Energiekonzept investiert.
Sie betreiben auch eine «HUG Academy». Was passiert dort genau? Wir zeigen unseren Kunden, was mit unseren Produkten gemacht werden kann, im Sinne von Inspiration oder auch Tricks für eine schnelle Herstellung im Küchenalltag. Hierzu arbeiten wir mit Profis wie Rolf Mürner oder Fabian Sänger zusammen.
Um Ihre Tartelettes in Gastronomie und Hotellerie wirkungsvoll zu lancieren, haben Sie 2004 den «HUG Creative Tartelettes Contest» gegründet. Findet der Contest in Zukunft wieder statt?
Auf jeden Fall, wir können die 17. Ausgabe kaum erwarten, sie wird Ende November hoffentlich stattfinden. Was mir gefällt, ist der breite Teilnehmerkreis aus Hotel- und Restaurantküchen, aber auch aus Altersheimen und Spitälern.
Sie vertreten die 5. Generation und sind die Tochter von Werner Hug, dem heutigen VR-Präsidenten. Warum sind Sie in die Familienfirma eingestiegen? Was fasziniert Sie an diesem Unternehmen?
Ich bin eine Spätzünderin, habe zuerst an der HSG Betriebswirtschaft studiert und wollte mein eigenes Berufsleben ausserhalb der Firma aufbauen. Mit 38 Jahren trat ich in einer Vertriebsfunktion in die HUG AG ein. Seither hat es mir den Ärmel reingezogen. Ich schätze den Umgang untereinander sehr und möchte zusammen mit dem Team das Unternehmen weiterentwickeln.
Die Corona-Krise prägt nach wie vor weite Teile unseres Alltags und der Wirtschaft. Vor allem das Gastgewerbe ist von den Einschränkungen und Massnahmen der Regierung stark betroffen. Leidet auch die HUG AG direkt unter der Covid-Krise? Ja, wir mussten einen Umsatzverlust von über 12 Mio. Franken hinnehmen, sowohl im Inland, aber auch sehr stark im Export. Da sind wir noch fokussierter auf Grossanlässe, grössere Hotels sowie Caterer ausgerichtet. Unsere Vertriebspartner in diesen Ländern sind in ihrer Existenz betroffen und kämpfen teilweise um ihr Überleben. Ich bin mir aber sicher, dass wir einen Grossteil dieses Umsatzes mittelfristig wieder generieren werden, weil das Grundbedürfnis nach Reisen und sozialer Geselligkeit unvermindert da ist. Ich denke, wir werden künftig alle deutlich bewusster konsumieren – und das ist gut so.
Bringen Sie nächstens neue, innovative Produkte auf den Markt? Kommt vielleicht das «zahnschonende Willisauer Ringli»? Oder verkaufen Sie die berühmten «Ringli» in Zukunft mit einer Spezial-Zahnausfallversicherung? Ja, wir haben für die Gastronomie ein «Coffee-Tartelette» mit Kaffeenibs entwickelt. Auch unsere Klassiker im Tiefkühler, die Dessertstangen, werden wir demnächst re-launchen und um zwei interessante Neuheiten erweitern. Nun, zahnschonende Willisauer Ringli stehen noch nicht auf der Agenda, hingegen werden wir bei HUG eine neue Biscuitlinie («Knusper Pur») lancieren. Zudem sind bei DAR-VIDA ab Mai weitere Innovationen geplant.
Wer ist Anna Hug?
Anna Hug ist Mitinhaberin und Co-Geschäftsleiterin bei der HUG AG. Sie ist für den Bereich «Märkte» verantwortlich (Retail und Food Service). Von 2015 bis Januar 2020 war sie Leiterin Innovation und Produktentwicklung. Vor ihrem Engagement für die HUG AG wirkte Anna Hug von 2001 bis 2010 bei Creation Baumann in Langenthal (Export Sales Manager). Von 1998 bis 2000 war sie Layouter/Controller bei Coop Schweiz. Anna Hug studierte von 1992 bis 1997 an der Universität St. Gallen (HSG) Betriebswirtschaftslehre (Lic. oec. Marketing).
[01] Das Co-Leitungsduo Anna und Andreas Hug
[02] HUG-Tartelettes lassen sich vielfältig füllen und sogar backen
[03] Im Bereich Fächer/Hüppen für Desserts aller Art ist HUG führend
[04] Visualisierung neues Backhaus ab 2022
Schweizer Weinkultur
mit Chandra Kurt
Wein-Expertin Chandra Kurt schreibt jetzt für den «Hotelier»
Das Wunder der Walliser Heida-Weine
Es gibt keine bessere Zeit, um in die Tiefe unserer Weinkultur einzutauchen, deren Wurzeln tief in unserer Geschichte verankert sind. Wir sind ein ganz spezielles, kleines Weinland im Herzen Europas, dessen Weine oftmals önologische Raritäten sind. Wie etwa die Heida-Weine der St. Jodernkellerei in Visp.
TEXT Chandra Kurt
Wahrscheinlich sind zahlreiche Weinliebhaber auf dem Weg in die Ferien schon an ihm vorbeigefahren – ohne es zu wissen. Denn der spektakulärste Rebberg der Schweiz befindet sich unweit von Visp und kann einfach vom Zug aus betrachtet werden, wenn man Richtung Zermatt oder Saas-Fee fährt. Steil steigt er zum Himmel empor bis auf eine Höhe von 1150 Meter über Meer. Hunderte von Stützmauern haben die Steilhänge in kleine Rebgärten verwandelt, die oft nicht grösser als zwei Leintücher sind. Und hier wird Wein kultiviert?
Heida – und nicht Chasselas
Natürlich, denn die Südlage des Hanges in der trockensten Gegend der Schweiz und die grossen Steinflächen der Mauern machen den Rieben bis in den Spätherbst zu einer Wärmekammer, die den Trauben die nötige Reife verleiht. Bei den Trauben
ist nicht etwa von der Walliser Hauptweissweinsorte, dem Chasselas, die Rede, sondern vom Heida, einer lokalen Spezialität, die ich vor allem dank Madelaine Gay, der Grande Dame du Vin Suisse, kennengelernt habe. Sie war meine Mentorin in Sachen autochthone Trauben. Mit ihr habe ich eine Weinkollektion aus ebensolchen Trauben lanciert.
Herrlich ist sein Genuss!
Inzwischen ist Heida eine der beliebtesten Raritäten aus dem Wallis. Heida zu trinken ist en vogue. Er leuchtet in hellem Goldgelb und duftet einladend nach Papaya, Honig und Ingwer. Im Gaumen zeigt er eine rassige Traminernote sowie Aromen, die an Rosen, Aprikosen und etwas Minze denken lassen. Filigran und doch kraftvoll mit einer knackigen Säure. Herrlich und einmalig ist sein Genuss. ➤
Food & Beverage
«Hotelier»-Insider-Tipp Dekantieren oder nicht?
Ursprünglicher Zweck des Dekantierens ist, den Wein vom Bodensatz (Depot) zu befreien, der sich bei der Lagerung gebildet hat. Inzwischen haben längst nicht mehr alle Weine einen Satz. Das hängt einerseits mit ihrer Machart zusammen (es wird heute viel stärker filtriert) und andererseits lassen wir Weine gar nicht mehr so lange lagern wie früher. Ein weiterer Zweck des Dekantierens ist, den Wein «zu wecken». Man muss sich vorstellen, dass er wie in einem Winterschlaf in der Flasche ruhte und jetzt endlich an die frische Luft darf. Sauerstoff lässt ihn aufleben und aufblühen. Wie der Wein jetzt auf diese neue Situation reagiert, häng ganz vom Stil des Weines ab. Einfach ausgedrückt: je komplexer der Wein, desto besser tut ihm die Luft. Ganz einfache Weine dekantiert man höchstens aus ästhetischen Gründen. Bei alten Weinen ist ebenfalls Vorsicht geboten. Sie haben zwar am meisten Depot (und hier ist es daher wirklich sinnvoll zu dekantieren), sie sind aber auch sehr fragil. Es kann schon passieren, dass ihnen die Luft zu Beginn gut tut, sie aber auch plötzlich schnell zu oxidieren beginnen. Das heisst, sie «altern» plötzlich ganz schnell. Um den Effekt des Dekantierens zu testen, lohnt es sich, vom selben Wein eine Fla sche zu dekantieren und eine nicht. Sie werden sehen, wie sich dieser Wein im Laufe des Abends unterschiedlich entwickelt. Dekantieren kann man auf zwei Arten – ganz vorsichtig (wenn der Wein Satz hat) und ganz dynamisch (wenn der Wein noch ganz jung ist). Mit dynamisch ist gemeint, dass man den Wein sozusagen in die Karaffe kippt.
Weltweit 1500 Hektaren mit Heida …
Traubensorten kann man generell in zwei grosse Lager unterteilen – es gibt internationale Sorten, die weltweit anzutreffen sind und je nach Terroir natürlich anders schmecken. Zu ihnen gehören etwa Chardonnay, Sauvignon Blanc, Merlot oder Cabernet Sauvignon (um nur einige zu nennen). Dann stehen dem Winzer auch lokale, autochthone Sorten zur Verfügung. Also solche, die teils nur an einem bestimmten Ort vorkommen. Das kann klimatische und kulturhistorische Gründe haben. Ihr Vorteil ist, dass sie natürlich rarer und spezieller sind und dass sie geschmacklich unvergleichbar sind. Heida ist die internationalste Sorte unter den Walliser Traubenraritäten, denn weltweit findet man rund 1500 Hektaren, die mit Heida bepflanzt sind (vor allem in Frankreich und Österreich). Die Traube heisst dort allerdings nicht Heida, sondern Savagnin Blanc.
Heida – alt, urtümlich, vorchristlich
Natürlich hilft der Name mit, denn beim Begriff «Heida» und Schweiz denkt man unwillkürlich an das Wort Heidi (der Kinderfigur in Johanna Spyris erfolgreichen Kinderbüchern) oder an die Heide. Alles falsch. Im alten Oberwalliser Dialekt stand der Begriff für alt, urtümlich, vorchristlich und «in heidnischer Zeit». Heida nimmt
also wahrscheinlich auch Bezug auf die Zeit vor der Evangelisierung des Wallis, also die Zeit der Heiden. Man findet ihn auch in der Bezeichnung Heidenhäuser («alte Häuser») oder im Namen Heido für die älteste Suone – so heissen die alten Walliser Bewässerungskanäle – von Visperterminen. Seit 1812 (sozusagen postnapoleonisch) nennen die französischsprachigen Walliser den Heida auch «Païen».
Gletscherwein in alten Lärchenfässern
Doch zurück zum Rebberg Rieben. Karg ist es auf den 1150 Metern über Meer, wo sich die St. Jodern Kellerei um die Heida-Rebstöcke kümmert, die auf den leichten kalkhaltigen Ton- und Sandböden des Moränenhanges wachsen. Jeder Stock hat einen atemberaubenden Blick in die Ferne Richtung Zermatt und schneebedeckte Bergspitzen. Dies brachte dem Heida auch den Übernamen «Gletscherwein» ein, was allerdings nicht alle glücklich gemacht hat, vor allem nicht die Produzenten des echten Gletscherweins. Der kommt aus einer ganz anderen Gemeinde, die sich in einem anderen Seitental des Oberwallis befindet. Es handelt sich um Grimentz im Val d'Anniviers. Hier schlummert Gletscherwein in alten Lärchenfässern, ein nach dem SoleraSystem produzierter Wein aus der Sorte Resi, dessen Grundwein auf das Jahr 1865 zurückgeht.
Wer ist
Chandra Kurt?
Chandra Kurt ist eine der bekanntesten Weinpublizistinnen der Schweiz. Sie hat mehr als 20 Weinbücher publiziert, darunter «Chasselas – von Féchy bis Dézaley». Seit 2015 gibt sie zudem ihre eigene Weinzeitschrift «Weinseller Journal» heraus. Chandra Kurt ist international und national als Wein-Consultant tätig und hat verschiedene Label «Collection Chandra Kurt». Sie lebt in Zürich.
Alle Publikationen von Chandra Kurt sind unter www.weinsellerjournal.ch erhältlich.
chandrakurt.com
«Im alten Oberwalliser Dialekt stand der Begriff für alt, urtümlich, vorchristlich und in heidnischer Zeit».
CHANDRA KURT
Ikone des Schweizer Weinbaus
Die St. Jodern Kellerei wurde 1979 gegründet. 1980 konnten 120 Genossenschafter das erste Mal ihr Traubengut in der neugebauten Kellerei abgeben. Mittlerweile sind es rund 500 Genossenschafter, die eine kleine, aber feine Palette an Weinen vinifizieren – darunter diverse Heida-Abfüllungen. Der mächtigste ist der «Heida Veritas» aus 100-jährigen Rebstöcken, der in Amphoren reift. Für mich eine Ikone des Schweizer Weinbaus.
jodernkellerei.ch
für Yanick Mumenthaler, Leiter Gastronomie in der Stiftung für Betagte in Münsingen
Beste Qualität Im Spitzenrestaurant wie im Betagtenheim: Mumenthaler bleibt seinem Qualitätsanspruch treu und kocht nur mit besten regionalen Zutaten.
Zufriedene Gäste Damals wie heute: Die ältere Generation schätzt Lebensmittel, die aus der Nähe kommen. Schweizer Bauern und Fleischproduzenten geniessen ihr Vertrauen.
«Je näher, desto besser.»
Früher in der Spitzengastronomie, heute in der Stiftung für Betagte: Wo Yanick Mumenthaler kocht, geniesst die Küche einen exzellenten Ruf. Alles, was auf den Teller kommt, bereiten Mumenthaler und sein Team frisch zu. Mit hochwertigen Zutaten, die möglichst alle aus nächster Nähe stammen. «Gerade beim Fleisch ist mir die Herkunft wichtig. Deshalb setze ich ausschliesslich auf Schweizer Fleisch aus der Region», sagt Yanick Mumenthaler.
Das schätzen auch seine Gäste. Die älteren Generationen erinnern sich gut und gern an die Zeit zurück, als es noch selbstverständlich war, Lebensmittel aus der Umgebung zu beziehen – und so lokale Bauern und Fleischproduzenten zu unterstützen.
Naturnahe Fleischproduktion Als Mitglied im Verein Hornochs engagiert sich Mumenthaler für eine nachhaltige Fleischproduktion.
Interview mit dem Hotelexperten Michael Thomann
Ist Hotellerie 4.0 die Lösung nach der Krise, Herr Thomann?
Hotellerie 4.0 ist ein neuartiges, ganzheitliches Geschäftsmodell. Im Zentrum stehen nicht mehr Produkt und Serviceleistungen. Bei Hotellerie 4.0 dreht sich alles um Gäste und Mitarbeitende. Hans R. Amrein stellte Michael Thomann, der das Thema Hotellerie 4.0 in der Schweiz lanciert hat, 24 Fragen zum Thema.
Was verstehen Sie unter Hotellerie 4.0?
Hotellerie 4.0 ist für mich das aktuelle Geschäftsmodell der Hotellerie. Nicht nur für Stadtbetriebe, sondern viel mehr auch für die Ferienhotellerie. Warum auch für Ferien- oder Resort-Hotels? Kurz: Die Fixkosten sind der Killer des klassischen Modells in einem volatilen Nachfrage-Umfeld. Die Hotels müssen atmen können. Das hat mit der momentanen Krise nichts zu tun, das ist ein Grundsatz!
Warum nennen Sie das Projekt «Hotellerie 4.0»?
Es ist verständlich, dass die Definition 4.0 nicht klar ist. Man kann die Endung (4.0) wohl an so ziemlich jedes Substantiv anhängen. War 1.0 vor allem durch die Mechanik geprägt, stand 2.0 für die Elektronik und 3.0 für die IT. Die Digitalisierung und Unterstützung durch künstliche Intelligenz ermöglichen es uns, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, im Netzwerk zu denken und agile Unternehmen mit den entsprechenden Kulturen zu schaffen – dies steht für 4.0. Es zählen nicht nur die Attribute, welche 4.0 ausmachen, sondern vor allem auch die Einstellung und den Mut für Veränderungen.
Welche Themen und Hotelbereiche umfasst Hotellerie 4.0?
Verkürzt gesagt geht es um:
– Kundengruppen mit ihren Wünschen und Bedürfnissen;
– das Werteangebot (Customer Value Proposition) mit Produkten und Dienstleistungen, die Nutzen wie auch Mehrwerte für die Kunden darstellen;
– die unterschiedlichen Kundenbeziehungen in den einzelnen Kundengruppen;
– die kanalspezifische Distribution inkl. differenzierter Produkte-, Angebots- und Preisgestaltung;
– Prozesse, um die Aufgaben aus dem Werteangebot möglichst effizient zu erstellen;
– den effektiven Einsatz der Ressourcen (Flächen, Finanzen, Mitarbeiter und Wissen);
– Kooperationen und Partnerschaften. Sie sind sehr wichtig! Effizient bedeutet: die Dinge richtig tun –und effektiv bedeutet: das Richtige tun. Dabei spielt der ganzheitliche Einsatz der Digitalisierung – nicht nur innerhalb der Customer Journey – eine zentrale Rolle. ➤ 1 2 3
[01] Michael Thomann: «Hotellerie 4.0 und die ganzheitliche Nutzung der Digitalisierung ist weit mehr, als sich einem Channel-Manager anzuschliessen, automatische Bestätigungen an Kunden zu versenden und ein paar Online-Ads zu schalten.»
[02] Das Grand Hotel National in Luzern setzt Hotellerie 4.0 schon seit Jahren erfolgreich um – und setzt auf ein tribrides Konzept, bestehend aus Hotelzimmern, Wohnungen/ Apartments sowie eigenen und externen Restaurants.
[03]Das Budget-Hotel CitizenM an der Talstrasse in Zürich verfügt über ein tolles Lean-Management, hohe Digitalisierung und eine kontinuierliche Messung von Leistungsindikatoren wie Check-out-Zeit bei Self-Check-out.
[04] Stay KoooK (SV Hotels).
Neu artiges, innovatives ExtendedStay-Konzept aus der Schweiz. Das erste Haus wurde 2020 in Bern (Wankdorf-City) eröffnet, weitere «Hotels» folgen.
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Sie sprechen von einer «Plattform-Ökonomie» in der Hotellerie. Um was geht es da? Wenn man das etwas abstrahiert, geht es darum, dass man Anbieter und unterschiedliche Käufer auf einer Plattform zusammenbringt, wie das zum Beispiel Uber, Amazon oder auch Airbnb tun. Insofern war die Hotellerie schon immer eine Plattform-Ökonomie. Das Unternehmen «Hotel» als Besitzer der Plattform hat Flächen, über die es verfügen und die es unterschiedlich nutzen kann. Das Hotel 4.0 besteht aus Gastronomie, Wohnungen, Apartments, Hotelzimmern, Shops und anderen Angeboten. Es kommen völlig unterschiedliche Kunden ins Hotel 4.0. Der Hotelier oder Hotelmanager arbeitet mit externen Partnern auf der Basis von Kooperationen zusammen. Eigentlich nichts Neues! Vor 30 oder 50 Jahren war man ein guter Hotelier, wenn man möglichst alle Bereiche des Hauses selber abdeckte. Dafür erhielt man viel Lob und sogar Auszeichnungen. Diese Zeiten sind für mich vorbei. Heute geht es in der Hotellerie darum, sinnvolle und wirtschaftlich erfolgreiche Kooperationen mit Partnern einzugehen. Die zentrale Aufgabe des Hoteliers – im Sinne von Hotellerie 4.0 – ist es, den Betrieb kontinuierlich weiterzuentwickeln, die Qualität zu sichern und ein ganzheitliches, einzigartiges Kundenerlebnis zu schaffen.
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Ist Hotellerie 4.0 besonders in Krisenzeiten, wie wir sie derzeit haben, ein Thema?
Ja, in Zeiten der Krise zeigen sich die Schwächen von Geschäftsmodellen, Unternehmen, Destinationen und Ländern sehr deutlich. Zum Beispiel in Form einer wirtschaftlichen Monokultur. Die Krise «enthüllt» auch mangelhafte Infrastruktur- und Organisationsstrukturen. Diese sind vor allem auf die Spitzenauslastung des Hauses ausgerichtet. Ja, und auch Schwächen in der Bilanz werden jetzt schonungslos aufgedeckt.
An wen richtet sich Hotellerie 4.0 vor allem?
An die oberste Leitung eines Hotel- oder Gastronomieunternehmens. An Unternehmerinnen und Manager, die bereit sind, diese Herausforderung anzunehmen. Hotellerie 4.0 richtet sich an Leute, die lernen wollen und bereit sind, selbst ihren langjährigen Erfolg in Frage zu stellen. Sie sind bereit, Kunden und Mitarbeitende in den Mittelpunkt zu stellen – und ihnen zuzuhören. Kurz und gut: Hotellerie 4.0 richtet sich an alle unternehmerisch denkenden und handelnden Hotelièren und Hoteliers, Verwaltungsrätinnen und -räte wie auch Eigentümer.
Eignet sich Hotellerie 4.0 eher für kleine oder grosse Hotels?
Die Philosophie von Hotellerie 4.0 wird aktuell von eher grösseren Hotels in Städten umgesetzt. Darunter auch Hotelgruppen. Ich bin jedoch überzeugt, dass sich Hotellerie 4.0 auch für Schweizer Ferienhotels
sehr eignet. Gerade Ferienhotels, die zum Teil aus saisonalen Gründen stark unter den Schwankungen des Marktes (Volatilität) leiden, können sich dank Hotellerie 4.0 vermehrt auf individuelle Gästebedürfnisse konzentrieren. Sie entlasten sich damit auch von standardisierten Prozessen.
Ganz konkret: Worin besteht der Nutzen oder Mehrwert für die Hoteliers?
Der Hauptnutzen ist die Fokussierung auf das Wesentliche. Zwei Beispiele: 1. Wenn man den standardisierten Check-In-/Check-Out-Prozess (auch in der Ferienhotellerie) digitalisiert, haben die Mitarbeiter mehr Zeit für die individuellen Kundenbedürfnisse. Das Front-Desk wird zum Concierge-Desk. 2. Wenn die Restauration von einem lokalen Gastronomieanbieter betrieben wird, kann dieser den Skalierungseffekt nutzen und der Hotelier sich auf den Betrieb der Beherbergungsflächen konzentrieren.
Führt Hotellerie 4.0 am Ende dazu, dass die Hoteliers eine höhere Auslastung, höhere Umsätze und mehr Gewinn erzielen?
Ich hatte bisher – als Hotelier, Coach und Berater – das Glück, dass Hotellerie 4.0 immer zu einem Mehrwert führte – zum Beispiel in Form von EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen). Wichtig: Es geht nicht darum, über Preissenkungen und MarketingAktionen Auslastung zu jedem Preis zu generieren. Das Ziel von Hotellerie 4.0 ist es, über das Geschäftsmodell einen höheren Nutzen zu erzeugen. Wenn durch den erhöhten Nutzen die Kunden- wie auch Mitarbeiterzufriedenheit steigt, wird der Profit auf Stufe GOI (Gross Operating Income) oder GOP (Gross Operating Profit) ebenfalls steigen. Das passiert schon fast automatisch. Um das geht es bei der Hotellerie 4.0. Der Treiber ist nicht der Profit, sondern der Nutzen. Der Profit ist das Resultat, welches wir für die Sicherstellung einer nachhaltig erfolgreiche Geschäftstätigkeit wie auch für Investitionen benötigen.
Sparen Hotels, die Hotellerie 4.0 erfolgreich und konsequent um- oder einsetzen, auch Kosten?
Ja, obwohl es bei Hotellerie 4.0 vor allem um den Nutzen geht. Wenn man im Sinne des Netzwerkgedankens handelt, spart man zwangsläufig auch Kosten. Hintergrund und Ursache der Kosten sind ja stets die Prozesse. Es geht oftmals auch um die klassische Frage «make or buy?». Mache ich alles selber und delegiere gewisse Teilaufgaben sogar an den Kunden? Oder kaufe ich die Leistungen ein, indem ich Prozesse outsource oder durch einen Kooperationspartner erstellen lasse? Wobei Kooperation und Outsourcing nicht dasselbe sind. ➤
Worin liegt der Unterschied zwischen Outsourcing und Kooperation?
Beim Outsourcing geht es darum, gewisse Aufgaben und/oder Strukturen an einen externen Dienstleister zu übergeben. Die vereinbarte Leistung, die zum Beispiel in einem «Service Level Agreement» vereinbart ist, wird bezahlt. Bei der Kooperation hingegen haben Hotelier und Kooperationspartner die gleiche Vision. Im Vordergrund steht der gemeinsame Nutzen. Werden Kooperationen von allen Partnern effektiv gelebt, werden die Werte der einzelnen Partner nicht addiert, sondern multipliziert.
Warum haben viele Hoteliers nach wie vor Mühe mit dem Thema Kooperationen? Vielleicht drückt der Schuh noch zu wenig. Wer eine Kooperation eingeht, gibt vielleicht auch zu, dass er Schwächen hat und überfordert ist – und dass der Kooperationspartner die Aufgabe besser und kreativer angeht. Doch dieses Denken ist falsch, denn es geht ja um den Nutzen und die Fokussierung. Die Herausforderung ist, die richtigen Partner zu finden und die Qualität sicherzustellen. Gerade der Qualitätssicherung ist ein hoher Stellenwert beizumessen. Dies gilt bei Kooperationen wie auch beim Outsourcing. In diesem Punkt unterscheiden sich die beiden Modelle nicht.
Führt Hotellerie 4.0 dazu, dass Hotels digital besser aufgestellt sind?
Ja, aber was heisst besser aufgestellt? Heute schweben die Hoteliers zwischen den fiktiven Welten der Digitalisierung – vorgegeben durch Trends, IT, Systemprovider, Wissenschaftler, Berater und Experten – und der Realität. Man erzählt den Hoteliers, dass praktisch jedes System fast alles könne. Leider sieht die «Welt» nach dem Kauf oder während der Installation des Systems anders aus … Oft holt die Realität die Hotels wieder ein, weil Schnittstellen nicht funktionieren und zusätzliche (verdeckte) Kosten zum Vorschein kommen. Laufend kommen neue Systeme auf den Markt, es entstehen in Hotels Systemlandschaften, die keiner mehr versteht. Die Systemanbieter haben Freude, die Hoteliers Ärger. Dabei sollte der Fokus auf dem digitalen Nutzen der Prozesse aus dem Geschäftsmodell sein.
Haben Sie ein Beispiel aus dem Hotelalltag?
Ein Revenue-Management-System, das kein Kategorien-Yielding vorsieht, ist nur begrenzt effektiv, wenn das Hotel unterschiedliche Zimmertypen besitzt, die sich unterschiedlich gut verkaufen. Was bringt es, wenn man die Preise der Einzelzimmer, die schwach belegt sind erhöht, nur weil die Doppelzimmer ausgebucht sind? Der mögliche Mehrertrag wird markant schlechter sein, als wenn man ein geeignetes System eingesetzt hätte. 11 12 13 14
Was muss denn ein Hotelier tun, damit er die richtigen Systeme erhält?
Erstens: Man muss die aktuellen und künftigen Prozesse des Geschäftsmodells kennen. Alter Wein in neuen Schläuchen funktioniert nicht! Zu oft wird versucht, die alten Prozesse – man hat es ja immer so gemacht und war sogar erfolgreich damit – in eine neue digitalisierte Umgebung zu drücken. Was aber auch nicht heisst, dass neue Prozesse immer besser sind als alte! Zweitens: Die Organisation und ihre Mitarbeiter müssen befähigt sein, die richtigen Fragen zu stellen. Jung sein allein genügt nicht, auch Erfahrung und Wissen haben ihren Stellenwert. Drittens: Die Organisationsstruktur ist so zu entwickeln, dass diese agil ist und das Silo-Denken reduziert wird. Die Hotels tun gut daran, von der Null-Fehlertoleranz wegzukommen und auch eine gewisse Experimentierfreudigkeit zu entwickeln. Viertens: Die Leistungsindikatoren müssen fortlaufend gemessen und die Systeme kontinuierlich weiterentwickelt werden. Fünftes (ganz wichtig): Hoteliers sollten in Talente investieren, diese fördern und fordern, sodass sie sich zu Champions entwickeln.
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Hat der Kunde (Gast) indirekt einen Nutzen, wenn Hoteliers nach den Grundsätzen von Hotellerie 4.0 arbeiten?
Ja, denn das ganze Geschäftsmodell basiert auf dem Werteangebot (Customer Value Proposition) für den Kunden. Am schwierigsten ist es dabei, weg vom Modus des Produkte-Denkens und in den Modus des DesignDenkens zu kommen. Beim Design-Denken geht es aber um viel mehr als nur um Kreativität und tolle Ideen, die kaum eine Relevanz haben. Es geht darum, sich intensiv mit dem gesellschaftlichen Wandel, der Nutzung von neuen Technologien wie auch der Kulturveränderung zu beschäftigen und Lösungen zu finden, die im Kontext mit der fortschreitenden Digitalisierung stehen. Im Zentrum steht die Frage: Wie helfen wir den Menschen aus den einzelnen Kundengruppen, ihre Aufgaben zu erledigen, indem wir für sie Probleme lösen, Hindernisse aus dem Weg räumen, Bedürfnisse befriedigen und/oder Werte vermitteln?
Sind Hotels dank Hotellerie 4.0 grundsätzlich markt- oder wettbewerbsfähiger?
Ja, davon bin ich überzeugt. Wie bereits gesagt: Unternehmen, die nach der Philosophie von Hotellerie 4.0 arbeiten, sind agiler, atmungsfähiger und zentraler auf das Kundenbedürfnis und die Menschen ausgerichtet. Sie nutzen die Digitalisierung konsequent und schaffen effiziente und effektive Prozesse.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Nehmen wir zum Beispiel das Zoku Amsterdam Hotel. Ressourcen: Da gibt es unterschiedliche Wohnformen, der Nutzungsgrad pro Quadratmeter Wohneinheit ist hoch, im Erdgeschoss (mit hohen Frequenzen)
sind Retail-Shops angesiedelt, die zu einer besseren Profitabilität beitragen, der Eingangsbereich ist klein, auf dem Dach verschmelzen Wohnen und «Welcome Area», inklusive Küche und Begegnungsraum. Es hat Schliessfächer für ankommende und abreisende Gäste … Und noch etwas: Es gibt keine Rezeption, die Gast und Gastgeber vom ersten Moment an trennt. Gäste und Mitarbeitende werden im «Zoku Hotel» zu einer Community zusammengeführt. Prozesse: Die Mitarbeitenden in der «Welcome Area» sind echte Gastgeber, die sich dem Gast annehmen, Wünsche erfüllen, Speisen und Getränke servieren. Der Checkin-Prozess inklusive Schlüsselabgabe erfolgt digital. Das Hotel ist digital absolut fit! Dies beginnt bei der Buchungsmaschine und endet bei der App.
Befasst sich Hotellerie 4.0 auch mit der wichtigen Positionierung und Differenzierung? Nein. Antworten zu Positionierung und Differenzierung werden in der Strategie definiert.
Gehen wir ins Detail: In welchen Hotelbereichen macht Hotellerie 4.0 besonders Sinn? Hotellerie 4.0 macht in allen Bereichen des Hotels Sinn, sei es in der Beherbergung, Gastronomie oder auch in Nebenleistungen wie Wellness oder Bäder. In allen Bereichen kann man mit Hotellerie 4.0:
– den Kundennutzen steigern;
– Produkte- und Service-Innovation ermöglichen;
– die Digitalisierung ganzheitlich nutzen;
– die Produktivität und somit die Effizienz und Effektivität verbessern.
Aber auch im rückwertigen Bereich können Entscheidungsgrundlagen und Beschaffungsprozesse optimiert werden. Hotellerie 4.0 und die ganzheitliche Nutzung der Digitalisierung ist weit mehr, als sich einem Channel-Manager anzuschliessen, die Preise hoch und runter zu stellen, automatische Bestätigungen an Kunden zu versenden und ein paar Online-Ads zu schalten.
Welche Auswirkungen hat Hotellerie 4.0 auf Sales & Marketing – vor allem aber auch auf die digitalen Verkaufskanäle?
Im Grundsatz verfolgt Hotellerie 4.0 bei den Sales- und Marketingausgaben das Prinzip 80 Prozent Online und 20 Prozent Analog / Offline. Grund: Das Kaufverhalten hat sich markant verändert. Heute besucht der Gast eine SAC-Hütte und übernachtet im Massenlager, morgen steigt er in einem 4-Sterne-Wellnesshotel ab. Die klassische Segmentierung nach Alter, Geschlecht und Automarke hat ausgedient. Im Mittelpunkt steht das aktuelle Gästebedürfnis.
Die Personalkosten sind bekanntlich der grösste Kostenblock. Lassen sich über Hotellerie 4.0 Personalkosten sparen?
Ich bin nicht sicher, ob die Personalkosten tatsächlich der grösste Kostenblock sind. Sind nicht vielmehr die Prozesse, die von Mitarbeitern ausgeführt werden, die eigentlichen Verursacher der Kosten? Zu oft wird versucht, gleiche Prozesse einfach mit weniger Mitarbeitern auszuführen. So wird die Zitrone ausgepresst, bis sie nichts mehr hergibt. Fazit: Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden sinkt, und die Gäste spüren das. Ich sage: Wenn Sie Personalkosten sparen wollen, setzen Sie bei den Prozessen an!
Führt Hotellerie 4.0 auch dazu, dass Hotels ökologischer und demzufolge nachhaltiger arbeiten? Nachhaltiger arbeiten bedeutet nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch und sozial. Auch hier gilt der ganzheitliche Ansatz. Ich bin überzeugt, dass dies immer mehr ein gesuchter Nutzen verschiedenster Kundengruppen ist und ein Differenzierungspotenzial darstellt.
Neben «Stay KooooK» (Bern) und «CitizenM» (Zürich): Wurde Hotellerie 4.0 in Schweizer Hotels bereits konkret umgesetzt?
Ja, wobei es unterschiedlichste Umsetzungen gibt. Einige Betriebe setzten hierbei Massstäbe. Eine komplette Aufzählung der Hotels ist nicht möglich, aber es sind bekannte Beispiele wie Kurt Baumgartner in Scuol (Engadin). Er hat Hotellerie 4.0 schon vor vielen Jahren umgesetzt – über Kooperationen mit der Bäderlandschaft oder den Bergbahnen. Oder denken Sie an die stark differenzierte Flächennutzung im Grand Hotel National in Luzern – oder an Kleinbetriebe wie das Sporthotel Eienwäldli in Engelberg. Dort haben die Gründer wie auch die nachfolgende Generation auf kleinem Raum ein spannendes Geschäftsmodell aufgebaut. Anstelle von 150 Hotelzimmern hat man ein kleines Hotel mit nur 20 Zimmern gemacht, dafür aber einen grossen Camping-Bereich mit einem fragmentierten Beherbergungsangebot geschaffen.
hospitality-management.ch
Dr. Christoph Nussbaumer über Post-Corona-Zukunftsszenarien
Wo steht die Hotellerie nach der Corona-Krise?
Wie sieht die Hotellerie in der Zeit nach Corona aus? Wie entwickeln sich Preise und Auslastung? Wo steht die Hospitality-Branche in einem Jahr?
Der renommierte Hotelfinanz- und Markenexperte Dr. Christoph Nussbaumer hat für «Hotelier» zwei Zukunftsszenarien entwickelt.
Wir können auf Basis unseres heutigen Wissens (Stand März 2021) mögliche Zukunftsszenarien entwickeln und überlegen, welche Auswirkungen diese Szenarien auf unsere beiden Fokusthemen Preis und Auslastung haben werden. Als Denkrahmen nutze ich die beiden generischen Optionen pessimistisch und optimistisch. Die Realität wird wahrscheinlich irgendwo dazwischen stattfinden.
Szenarien skizzieren Möglichkeitsräume, wie sie sein könnten. Sie nehmen die Zukunft nicht vorweg, sondern dienen der Orientierung und helfen, über Möglichkeiten nachzudenken. Wir dürfen niemals vergessen, dass wir unsere Zukunft selbst kreieren. Wir haben es in der Hand Strategien zu entwickeln, die für mögliche Zukunftsszenarien optimiert sind. Wir werden nun die beiden Szenarien kurz beschreiben und die daraus resultierenden Erkenntnisse auf unsere Fokusthemen Preis und Auslastung behandeln.
Zukunftsszenario 1: Pessimistisch
Der Lockdown ist zur Normalität geworden. Die Sicherheit steht an erster Stelle. Für Aus- und Einreisen brauchen wir Genehmigungen oder umständliche Visumverfahren. Der Staat setzt alle Mittel ein, die Bürgerinnen und Bürger betreffend Pandemie zu schützen. Zu Hause kochen und essen wird zur alltagsstrukturierenden Norm. Versammlungen von mehr als 100 Personen sind verboten. Das kulturelle Leben ist komplett zum Erliegen gekommen. Die eigenen vier Wände erhalten einen neuen Stellenwert. Die Sorge vor einer erneuten Pandemie macht jede noch so
kleine lokale Verbreitung eines Virus zum Auslöser drastischer Massnahmen – von Grenzschliessungen bis zu regionalen Isolationen. Gegenseitige Schuldzuweisungen, aggressive Drohungen, Populismus und nervöse Reaktionen wechseln mit Versuchen zu Transparenz und Kooperation. Der Staat kommt an seine Grenzen, die Probleme zu lösen, den Betrieben zu helfen. Die Geduld der Bevölkerung nimmt ab, die gesellschaftliche Spaltung weiter zu. Hotelbetriebe und Restaurants bleiben mit wenigen Ausnahmen geschlossen, Insolvenzen nehmen stark zu, Betriebe geben auf. Die Arbeitslosigkeit steigt. Andere Hotelbetriebe setzen auf die Zeit nach Corona und investieren, um ihre Wettbewerbsvorteile auszubauen und bereit zu sein, wenn die Pandemie vorüber ist. Eine leichte Erholung mit weiteren Rückschlägen wird erst ab 2022 einsetzen. Erst 2023 oder 2024 kann wieder mit einer Rückkehr zu einem Leben wie vor Corona gerechnet werden, wenn nicht neue Virusvarianten auftauchen und eine erneute Pandemieschleife startet.
Zukunftsszenario 2: Optimistisch
Im Laufe des Jahres 2021 wird sich der Tourismus sukzessive erholen. Die Impfungen nehmen zu und sind erfolgversprechend, die Pandemie wird zurückgedrängt. 2021 wird eher verhalten sein, mit leichten Steigerungen bis Jahresende. Der Sommertourismus wird zunehmen und zu ähnlichen Effekten wie 2020 führen. Die Wintersaison 2021/22 wird wieder VorCorona-Nächtigungszahlen erreichen. ➤
Der Autor
Vor der Gründung der gleichnamigen Unternehmensberatung im Jahr 2000 leitete Dr. Christoph Nussbaumer als Mitglied der Konzernleitung der Winkhaus Unternehmensgruppe in Deutschland den Bereich Business Development und als Geschäftsführer die Reorganisation eines weltweit tätigen Unternehmensbereiches mit Produktionsstätten in Asien. Zuvor arbeitete Nussbaumer als Senior Consultant bei der Beratungsgesellschaft der IKB Deutsche Industriebank AG, Düsseldorf. Insgesamt hat Dr. Nussbaumer zehn Jahre Industrie- und 25 Jahre Beratungserfahrung, 17 Jahre davon als geschäftsführender Gesellschafter. Nussbaumer ist Vortragsredner und Dozent für strategisches Hotel-Management.
Auch der internationale Tourismus nimmt Fahrt auf, internationale Gäste, Kongresse und Reiseveranstaltungen führen zu einer Erholung des Städtetourismus. 2022 werden neue Nächtigungsrekorde erreicht. Die Arbeitslosigkeit im Tourismus geht deutlich zurück, nicht alle Stellen können besetzt werden.
Auf was müssen wir uns einstellen?
Egal, welches Szenario eintreten wird: Hotelbetriebe werden hinsichtlich der Nächtigungen erst dann wieder Fahrt aufnehmen können, wenn die Kunden sich frei bewegen und reisen können und wenn die behördlichen Einschränkungen aufgehoben sind. Dies wird voraussichtlich erst dann geschehen, wenn die COVID19-Fallzahlen sich in allen Ländern auf einem niedrigen Niveau befinden. Dabei nützt es wenig, wenn die Fallzahlen nur in der Schweiz niedrig sind. Auch in den Quellmärkten müssen die Zahlen sinken, damit die Menschen frei reisen können und wollen. Das Auf und Ab der Fallzahlen werden wir voraussichtlich erst dann positiv beenden können, wenn die Impfungen in allen Ländern erfolgreich verlaufen. Die Impfungen sind der Schlüssel zum Erfolg, sie sind sozusagen der zentrale Erfolgsfaktor überhaupt, diese Krise in absehbarer Zeit zu bewältigen. Welches Zukunftsszenario wahrscheinlicher wird, hängt wesentlich vom Impferfolg aller Länder ab.
Preis und Auslastung
Der Preis, der für Hotelleistungen verlangt wird, liegt im vollen Umfang in der Entscheidungsmacht der Hoteliers. Einige werden die Preise entsprechend ihren Leistungen anpassen, die Inflation berücksichtigen und selbstbewusst durchsetzen. Andere werden versuchen, durch Preisnachlässe mehr Auslastung zu erzielen – in der Hoffnung, verlorenes Geschäft wieder zurückzugewinnen. Bereits in der Sommersaison 2020 konnten wir beobachten, was passiert, wenn ein Ansturm von Gästen einsetzt und einigen Tourismusdestinationen Rekordergebnisse beschert. Diejenigen Hoteliers, die zu ihren Preisen gestanden sind, haben die höhere Auslastung zu guten Preisen genutzt und ihre Performance-Kennzahlen und die Liquidität erheblich verbessern können. Andere Hoteliers, die glaubten, durch Rabatte und Sonderaktionen die Auslastung anfeuern zu müssen, hatten zwar volle Häuser, aber eine schlechte Performance.
Treiber der Hotelleistungen
Der Treiber der Nachfrage nach Hotelleistungen ist das Kundenbedürfnis. Die Kunden haben ein Bedürfnis nach Entspannung, nach Erholung, nach Zeit mit dem Partner oder der Partnerin, mit der Familie zu
verbringen, nach sportlicher Betätigung, nach kulinarischen Erlebnissen, in der Natur zu sein, nach Urlaub mit dem Hund usw. Diese Bedürfnisse sind da und haben sich in den letzten Jahren dynamisch entwickelt, und zwar qualitativ und quantitativ. Die Internationalisierung hat ebenfalls dazu beigetragen, dass Angebote und Nachfrage von Hotelleistungen stark gestiegen sind. Sowohl die Nächtigungszahlen als auch die Durchschnittspreise sind gestiegen. Die Pandemie ist sozusagen ein Zwischenstopp einer starken Entwicklung, die nach der Bewältigung der Krise weiter gehen wird.
Niedrige Preise?
Es ist verständlich, dass einige Hoteliers versuchen, die Umsatzrückgänge mit niedrigen Preisen zu kompensieren, in der Hoffnung durch eine höhere Auslastung den Umsatzrückgang doch noch auffangen zu können. Doch das ist der falsche Weg. Der Grund, warum der Gast derzeit nicht bucht ist nicht, weil der Preis zu hoch ist. Der Grund, warum die Gäste nicht buchen, ist, weil sie Angst vor Ansteckung haben, oder in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind (Quarantänen).
FAZIT
Je nach Impferfolg werden wir das pessimistische, oder eher das optimistische Szenario erleben. Hoteliers können sich vorbereiten und ihre Wettbewerbsvorteile entwickeln, um dann, wenn die Pandemie überstanden ist, eine starke Wettbewerbsposition zu haben. Das Grundbedürfnis Urlaub zu erleben, ist da, wahrscheinlich stärker denn je, da ein kräftiger Impuls gezeigt hat, dass auch Urlaube keine Selbstverständlichkeit sind.
Sobald die Bewegungsfreiheit gegeben ist, können wir im Alpenraum auch aufgrund des Nachholeffekts vielleicht sogar mit einem Buchungstsunami rechnen, mit sehr starker Nachfrage nach gut positionierten Hotelleistungen. Gut positionierte Betriebe haben heute bereits eine hohe Nachfrage für den Sommer 2021 und eine ausgebuchte Wintersaison 2021/22. Die Gäste wollen ihre Bedürfnisse befriedigen. Hotelbetriebe, die gut positioniert sind und herausragende Wettbewerbsvorteile haben, werden beide Szenarien überleben und besser da stehen wie vor der Pandemie. Das Bewusstsein, welchen Wert ein Urlaub hat, ist gestärkt worden. Der Preis sollte daher der Leistung entsprechen und selbstbewusst durchgesetzt werden. Eine niedrige Auslastung zu guten Preisen ist einer hohen Auslastung zu niedrigen Preisen vorzuziehen.
Revenue-Management-Experte Gianluca Marongiu
über neue und traditonelle Hotelkonzepte
Warum individuelle Hotels eine grosse Zukunft haben
Die Zeiten ändern sich, so auch die Bedürfnisse des Gastes und somit zwingend die Denkweise des Hoteliers. Es ist nicht einfach, ein nachhaltiges Konzept zu schreiben, welches die Zukunft voraussieht und die nötige Performance mit sich bringt. Das Tempo ist hoch, Jahr für Jahr ändern sich die Marktverhältnisse und das Gästeverhalten. Doch genau da liegt mit einem neuen Konzept die Chance, die Mitbewerber zu überholen. Denn mit einem durchdachten Plan ist es möglich, innerhalb von 18 Monaten mit einem neuen Hotel eine bessere Performance zu erzielen als die Mitbewerber, die seit Jahrzehnten auf dem
Der Autor
Gianluca Marongiu ist bei Swiss Hospitality Solutions (SHS) Managing Partner, Senior Consultant und Dozent. Dank seiner Spezialisierung im Bereich Revenue Management, E-Commerce und Digital Marketing hat er seine Firma und sein Team in den letzten zehn Jahren zum Branchenleader gemacht. Sein 13-köpfiges SHS-Team begleitet Hotels, Restaurants und Destinationen mit innovativen Projekten. Gianluca Marongiu hat im Jahr 2016 den «Tourimus Milestone» in der Kategorie Nachwuchs gewonnen.
Markt präsent sind. Wo einmal Stammgäste waren, befinden sich wandelnde Nomaden auf der Suche nach einer neuen Experience. Erlebnistourismus boomt –und für kleinere Individualhotels öffnet sich eine neue Türe zum Glück!
Ein Hotelzimmer ist eben nicht mehr einfach «nur» ein Zimmer, sondern im besten Fall ein Rückzugsort, bei dem man sich gleich von Beginn an wohl fühlt. Im besten Fall hat es eine eigene Handschrift, ein sogenanntes «Signature Design», das uns auf eine Reise mitnimmt, die man so schnell nicht mehr vergisst. Ich denke, es ist wichtig, dass man mit der Zeit geht, aber gleichzeitig darf es für den Gast nicht komplizierter werden. Es liegt in der Philosophie des Hoteliers zu entscheiden, auf welche neuen Trends man setzen soll und wo man auf Altbewährtes wieder zurückgreift. Eines ist sicher, nach Standards dürfen wir nicht mehr gehen, denn diese sind nicht mehr für alle Menschen gleich, und genau da liegt die Chance, sich auf dem Markt zu differenzieren.
Wichtig ist, einen klaren Fokus innerhalb der Konzeption zu haben. Eine klare Positionierung hilft dem Gast, die richtige Wahl zu treffen, dies in einer Welt, in der die Gäste die Überhand gewonnen haben und per Knopfdruck online «abdrücken». Die Zeiten, wo keine Zimmer mehr zur Verfügung standen innerhalb einer Destination, sind vorbei! Der Gast hat die Qual der Wahl, und je länger er wartet, desto günstiger könnte es werden. Zum Glück gibt es aber immer mehr Gäste, die stundenlang nach dem richtigen Hotel suchen. Genau hier liegt unsere Chance, ein Produkt zu erschaffen, das spezifisch auf Gästegruppen eingeht. Gäste, die sich dann im Hotel wohlfühlen, eine gute Bewertung abgeben
und auch die Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Zusätzlich bedanken sie sich beim Team für das erschaffene Erlebnis und merken sich das Hotel für das nächste Mal. Dieser Hotelier hat einen Grund, sich zu freuen, denn in Zukunft wird die Nachfrage immer grösser bei gleichbleibender Kapazität, was wiederum heisst, dass seine Umsätze steigen werden.
Ein Zimmer, gepaart mit Dienstleistungen, ergibt ein Produkt, das sich heutzutage dank «Digital Marketing» sehr gut vermarkten lässt. Und dies, egal wie viele Zimmer es besitzt oder in welcher Destination es sich befindet – alle haben die gleichen Chancen auf dem Markt! Die Zeiten, in denen Hotelgiganten einen Vertriebsvorteil hatten, sind vorbei. Das individuelle Produkt ist nicht nur als Experience attraktiver, sondern agiler im Verkauf als je zuvor. Von der eigenen Webseite bis zum Content oder zum Pricing, individuelle Hotels haben einen Wettbewerbsvorteil, der so stark ist wie die Aktivität des Hoteliers. Ein cleverer Hotelier sagte mir nach einem Mandat: «Umsätze passieren nicht mehr, man muss diese antizipieren». Und genau da liegt der Unterschied zwischen einem neuen Hotel und einem Hotel mit einer jahrzehntelangen Dynastie. Das neue Hotel muss sich einen Platz erkämpfen, so aktiviert es alle Hebel, die ihm heutzutage dank Revenue Management und Digital Marketing zur Verfügung stehen. Das Resultat: Der Hotelier überholt ungewollt den passiven Mitbewerber durch den aktiven Verkauf und erzielt innerhalb kürzester Zeit Rekordumsätze. Der Antrieb und die Strahlkraft eines neuen Produktes sind also nicht zu unterschätzen.
Radisson Blu Hotel, Zürich-Flughafen
Wenn Service-Roboter Gäste beliefern …
Premiere in einem Schweizer Hotel: Service-Roboter liefern
Gästen warme Gerichte, Getränke, Snacks und andere Produkte kontaktlos bis an die Zimmertür. Seit Februar sind die Roboter im Radisson Blu Hotel am Flughafen Zürich im Einsatz.
«Jeeves» nennt sich der elektronische und digital gesteuerte Service-Roboter. Das Münchner Technologie-Unternehmen Robotise weitet mit der Inbetriebnahme des Roboters seinen Service erstmals in die Schweiz aus. Im Radisson Blu Hotel am Zürcher Flughafen kommt die neueste Version des smarten Helfers jetzt zum Einsatz und erfülle damit «alle Anforderungen an Leistung, Sicherheit und Hygiene», betont Robotise.
Exklusiver, hygienischer Service
Das Engagement der Radisson Hotel Group belege die Relevanz der digitalen Transformation für die internationale Hotellerie, schreibt Robotise in einer Medienmitteilung. Daniel Twerenbold, Regionaldirektor Schweiz, Italien, Österreich und Südosteuropa bei der Radisson Hotel Group, sieht in «Jeeves» eine, wie er sagt, optimale Ergänzung, um Gästen einen exklusiven, hygienischen Service zu ermöglichen: «Als ich den Roboter das erste Mal in einem Video gesehen habe, war ich von Anfang an davon überzeugt, dass Jeeves unsere Servicedienstleistungen im Room-Service mit seinen technischen Fähigkeiten sehr gut unterstützen kann. Wir freuen uns deshalb sehr, mit einem Service-Roboter zusammen zu arbeiten und unseren Gästen einen exklusiven, kontaktlosen und sicheren Ser-
vicestandard zu bieten, der ganz im Einklang mit unserem Radisson Hotels Safety Protocol steht.»
Cloud-Technologie zwischen Lift und Roboter
Damit der Roboter selbstständig die 330 Zimmer und Suiten des Radisson Blu Hotels erreicht, wurde die Aufzugssteuerung aufgerüstet. Dank innovativer CloudTechnologie kommunizieren die Lifte erstmalig direkt mit dem Serviceroboter und sorgen so für problemlose Transporte auf alle Etagen. «Zusammen mit Robotise und Schindler verstehen wir uns als Innovationstreiber und ich bin dankbar für dieses Gemeinschaftsprojekt», so Twerenbold weiter.
Weitere Roboter in Schweizer Hotels?
Mit der Ausstattung des ersten Hotels in der Schweiz will das Münchner Technologieunternehmen seine Expansion in der Schweizer Hotellerie vorantreiben. Der Wunsch nach kontaktlosem, aber dennoch herausragendem Service in der Hospitality-Branche habe die Nachfrage nach dem intelligenten Roboter erhöht, schreibt Robotise: «Wir freuen uns sehr über die
Partnerschaft mit dem Radisson Blu Hotel», sagt Oliver Stahl, CEO von Robotise. «Die Partnerschaft beweist, dass innovative, zukunftsweisende Technologien in der Hotellerie nicht mehr wegzudenken sind. Als überaus beliebtes Reiseland ist die Schweiz für uns ein wichtiger Markt für den Einsatz von Servicerobotik in der Hotellerie.»
Roboter – Spitzentechnologie für Hotels
In der Hotellerie gibt es zahlreiche Einsatzmöglichkeiten für Roboter – von der Rezeption bis zur Bar. Dabei soll der Roboter nicht Personal ersetzen, sondern es vielmehr unterstützen und von Routineaufgaben entlasten. Ein mobiler Roboter kann zum Beispiel vom Room-Service die zeitaufwändigen Zustell- oder Bringdienste übernehmen. Für die Gäste bietet das ein Erlebnis, verbunden mit einem höheren Serviceportfolio und -niveau. Nicht zu unterschätzen sei die hohe Aufmerksamkeit, die der Einsatz eines Service-Roboters im Hotel bei Gästen und Medien erzeuge, erklärt Robotise.
So funktioniert der Roboter im Room-Service
In einem typischen Szenario bestellen die Gäste den Roboter über die Hotel-App via Smartphone oder via QR-Code bzw. rufen an der Rezeption an und sagen, sie hätten gerne ein paar Chips und Cola sowie zusätz liche Handtücher. Die Rezeption legt die Handtücher in das entsprechende Lieferfach, gibt die Zimmer nummer ein und schickt den Roboter los. Die Eingabe der Zimmernummer ist bei einer Direktbestellung des Gastes via Smartphone-App nicht erforderlich. Der Roboter steuert selbst zum Aufzug, fährt auf das entsprechende Stockwerk, navigiert zu der richtigen Zimmertür und ruft das Zimmertelefon an oder signa lisiert über die Smartphone-App seine Ankunft. Wenn ein Gast ans Telefon geht, hört er: «Ihre Lieferung ist angekommen.»
Wenn der Gast die Tür öffnet, fährt der Roboter automatisch das entsprechende Lieferfach aus und die Gäste können die bestellten Dinge, beispielsweise Handtücher, entnehmen. Der Roboter bleibt noch für ein paar Sekunden vor Ort, damit Gäste mit ihm interagieren können. Als «rollende Minibar» hat er die meisten Bedarfsgegenstände oder Snacks sowie Getränke frisch und kühl dabei.
robotise.eu
[01] Roboter «Jeeves» im Radisson Blu Hotel Zürich-Flughafen.
[02] Radisson-Manager Daniel Twerenbold: «Als ich den Roboter das erste Mal in einem Video gesehen habe, war ich von Anfang an davon überzeugt, dass er unsere Servicedienstleistungen im Room- Service mit seinen technischen Fähigkeiten sehr gut unterstützen kann.»
[03] Wenn der Gast die Tür öffnet, fährt der Roboter automatisch das entsprechende Lieferfach aus und die Gäste können die bestellten Dinge, beispielsweise Orangensaft oder Snacks, entnehmen.
«Hotelier»-Serie (Teil 2):
Wie führt man Kleinsthotels zum Erfolg?
Wie lockt man Gäste in die kleine Osteria?
Die Osteria Bordei liegt abseits im Centovalli. Acht Zimmer, 35 Sitzplätze im Restaurant. Ein typisches Tessiner Lokal, umgeben von schönster Natur. Was Touristen und Gäste nicht wissen: Die Osteria ist seit vielen Jahren ein Sanierungsfall. Mirco Held (39), Berater bei Gastroconsult, hat die Osteria analysiert und erklärt in einer dreiteiligen «Hotelier»-Serie, wie man das «Mini-Hotel» im Tessin in eine gute Zukunft führen kann.
INTERVIEW Hans R. Amrein
ANALYSE & BUSINESSPLAN Mirco Held, Gastroconsult
Mirco Held, Anfang April 2021 (Ostern) soll die Osteria Bordei wieder geöffnet werden. Bis dahin sollte das von Ihnen vorgeschlagene Geschäftsmodell umgesetzt sein. Schaffen Sie das? Die Zeit drängt. Hinzu kommt, dass Ostern dieses Jahr bereits zwei Wochen früher ist als in den letzten beiden Jahren. Es muss nun das Personal rekrutiert werden. Idealerweise wird zuerst der Geschäftsführer rekrutiert, damit dieser bei der weiteren Rekrutierung mithelfen und seine Mitarbeitenden auswählen kann. Denn es ist ja so, dass dieser dann die Leistung mit seinem Team erbringen muss. Daher macht es Sinn, dass dieser «Leader» seine Mitarbeiter selbst aussucht. Zudem wird der Geschäftsführer auch für weitere Vorbereitungsarbeiten dringendst benötigt. Es müssen Kontakte zu Produzenten hergestellt werden, ebenfalls sollte man sich langsam um das Marketing kümmern. Auch hier gilt es, ein gutes Netzwerk im Tal aufzubauen. Aber auch betriebsintern müssen viele Vorbereitungen getroffen werden.
Wie sieht das künftige Geschäftsmodell im Grundsatz konkret aus?
Aufgrund der Tatsache, dass sich die Osteria in Bordei weit weg von den touristischen Ballungszentren befindet, gilt es, einen Kundennutzen zu schaffen, der so gross ist, dass die Gäste die rund 30-minütige Anreise in Kauf nehmen. Dies ist mit einem Restaurant nur schwer zu bewerkstelligen. Daher gilt es, über den Tellerrand hinauszuschauen und Synergien zu nutzen. Dazu bietet sich die Ortschaft Bordei ideal an. Die Ortschaft ist zwar wunderschön renoviert, aber kaum bewohnt. Die Idee ist, dass regionale Produzenten ihre Produkte präsentieren und ihr Handwerk interaktiv zur Schau stellen. Die Produkte dieser Produzenten werden dann in der Osteria zu authentischen Speisen verarbeitet und angeboten. Weiter können die Produkte direkt im «Osteria-Shop» gekauft werden. Zudem gibt es die acht Hotelzimmer. Auch hier gilt Ticino Appassionata – dabei sollen die Sehnsüchte nach dem Tessin, dem ruhigen Leben ohne Hektik und der Natur befriedigt werden.
Sie sagen, die «Kulisse» von Bordei, die Natur und die dort ansässige Landwirtschaft müssten ins neue Geschäftskonzept miteinbezogen werden. Schön und gut, aber ist das machbar?
Genau. Auch die Natur ist ein wichtiges Positionierungsmerkmal der Osteria in Bordei. Denn diese ist einzigartig – und genau das ist es, was im gesamten Betriebskonzept widerspiegelt werden muss. Die Regionalität, das einfache Handwerk, die Reinheit und Belassenheit der Speisen, weit weg von industriell hergestellten oder veränderten Produkten. Als Testimonial gilt dazu die dort ansässige Landwirtschaft. Diese muss selbstverständlich auch in die Ausstellung der Handwerkskunst des Tessins miteinbezogen werden. Wie bereits gesagt, bezieht sich die Handwerkskunst auf Speisen und Getränke. Dabei sind Anbau, Ernte, Produktion und Veredelung Aspekte von grosser Wichtigkeit.
Sie setzen also auf «Local Food» (sprich regionale Produkte) und «Tessiner Küche». Aber das ist nicht neu, denn seit Jahren setzt man in der Osteria auf Tessiner Gerichte … Ja, genau. Das ist tatsächlich nichts Neues. Bis anhin war der Kundennutzen aber nicht gross genug, um die Gäste bis nach Bordei zu locken. Mit der Präsentation der Handwerkskunst wird sich dies jedoch ändern. Wichtig ist aber, weshalb die Gäste ins Tessin reisen. Ich glaube nicht, dass sie dies wegen einem asiatischen Essen tun. Klar, es gibt Leute, die das mögen. Die Kundschaft der Osteria besteht jedoch vor allem aus Deutschschweizern, die das Tessin geniessen und möglichst authentisch erleben möchten. Aufgrund dessen, dass es viele Anbieter von Tessiner Spezialitäten gibt, muss dafür gesorgt werden, dass nebst dem Standardnutzen, den viele Mitbewerber bedienen, einzigartige Erlebnisse geschaffen werden, die nicht kopiert werden können. Dazu bietet sich das Dorf Bordei mit der neuen Erlebniswelt und der speziellen Lage ideal an.
«Die Natur ist ein wichtiges Positionierungsmerkmal der Osteria in Bordei. Denn diese ist einzigartig – und genau das ist es, was im gesamten Betriebskonzept widerspiegelt werden muss.»
MIRCO HELD
Neu sollen die Zulieferer oder Produzenten in der Osteria eine Plattform erhalten.
[01] Die Osteria Bordei liegt im hintersten Centovalli.
[02] Das restaurierte Dörfchen Bordei.
[03] Kellner Marco mit Hausbroten.
[04] Blick ins Restaurant mit Kamin.
[05] Olivenöl und Valle MaggiaBrot.
[06] Tessiner Handorgelspieler.
[07] Küchen- und Servicefrau Marilena.
[08] Die kleine Kirche von Bordei.
Es geht darum, die traditionellen Tessiner Speisen und Getränke (Weine, Grappa, Bier) zu erleben. Wie bereits erwähnt, erhalten die Produzenten eine Plattform, wo sie sich präsentieren können. Im Gegenzug werden ihre Produkte durch die Osteria verkauft. Die meisten Food-Trends heute zeigen in Richtung Lokalität, Gesundheit, Transparenz und Nachhaltigkeit. Diese Trends werden mit dem neuen Konzept wunderbar bedient und schaffen einen zeitgemässen Kundennutzen mit grossem Potenzial.
Sie planen einen «Tessiner Abend» in Bordei («serata ticinese»). Damit locken Sie Touristen und Hotelgäste aus Ascona oder Locarno ins abseits gelegene Centovalli. Was versprechen Sie sich von solchen Events? Primär geht es natürlich um Auslastung. Daher finden diese Anlässe jeweils am Donnerstag und in der Hochsaison ergänzend am Dienstag statt. Bei diesen Events geht es tatsächlich darum, Gäste von Ascona und Locarno nach Bordei zu bringen. Ich sage hier bewusst Bordei und nicht
Osteria, denn wie bereits gesagt, handelt es sich bei diesem Angebot nicht nur um einen Restaurantbesuch. Die Gäste werden nach einer wunderschönen Anfahrt zuerst die Ortschaft Bordei mit der Kirche und den restaurierten Häusern besuchen und sich ein Bild der Tessiner Speis- und Trinkkultur machen. Sie erfahren vor Ort, wie diese Produkte hergestellt werden. Anschliessend werden sie mit einem Aperitif auf der Terrasse der Osteria begrüsst. Zum Apero, wie auch zum Essen, werden die Spezialitäten der lokalen Produzenten serviert. Bevor die Gäste abreisen, können sie die Produkte der lokalen Produzenten in der Osteria kaufen. An dieser Stelle möchte ich nochmals erwähnen, dass die Produzenten nicht persönlich anwesend sein werden, sondern es gilt, mit technischer Unterstützung eine interaktive Präsentation der Handwerkskunst sicherzustellen.
Wie sehen Speise- und Weinkarte in der Osteria Bordei ab April 2021 konkret aus?
Die Speise- und Getränkekarten werden einem Geschichtsbuch ähneln. Es geht darum, möglichst viele Geschichten rund um die Speisen und Getränke zu erzählen. Dabei wird den aktuellen Food-Trends
«HOTELIER»-SERIE
Hintergrund zur
Osteria Bordei
Die Osteria Bordei existiert seit vielen Jahren. Ihre Grundmauern reichen zurück bis ins 17. Jahrhundert. Das Haus wurde im Rahmen der Wiederaufbau- und Sanierungsarbeiten der Stiftung Terra Vecchia Villaggio vor vielen Jahren umfassend saniert, wobei die alte Gebäudestruktur erhalten blieb. Die Osteria liegt im kleinen Dörfchen Bordei im Centovalli, etwa drei Kilometer von der Ortschaft Palagnedra entfernt. Der Betrieb bietet sechs Doppel- und zwei Einzelzimmer an. Die meisten Zimmer sind mit einem Lavabo ausgestattet. Duschen und Toiletten befinden sich auf der Etage. Der gastronomische Bereich der Osteria umfasst zwei stilvoll eingerichtete Innenräume (einer ist mit einem alten Kamin ausgestattet). Hinzu kommt die Terrasse. Die Osteria bietet ca. 30 Personen Platz. Der Betrieb verursacht als Saisonbetrieb (April bis Oktober) seit Jahren ein Defizit. Viele Bereiche des Lokals sind mangelhaft, Personal- und Warenkosten zu hoch. In der «Hotelier»Serie – einer Koproduktion mit Gastroconsult – geht es um die zentrale Frage: Wie führt man die kleine Osteria zum Erfolg?
Rechnung getragen. Wichtig ist zudem, dass Bilder, beispielsweise der Produktionsorte, in die Angebotskarten integriert werden. Dadurch wird ein weiterer Kundennutzen geschaffen, der selbstverständlich in Rechnung gestellt werden kann.
Die 8 Zimmer in der Osteria verkaufen Sie künftig unter dem Motto «Ticino Appassionata». Was verstehen Sie darunter? «Ticino Appassionata» ist ein Slogan, der Leitplanken aufzeigen soll und Orientierung für Gäste, Mitarbeitende und Management gibt. Es geht dabei um die Leidenschaft des Tessins – sie soll den Gästen ebenso leidenschaftlich vermittelt werden. Dabei sind nicht nur Interieur, Infrastruktur, Essen und Getränke gemeint, auch die Mitarbeitenden sind ein wesentlicher Teil des Konzeptes. Sie sollen es den Gästen vermitteln.
Ist es möglich, die Osteria in Zukunft an sieben Tagen pro Woche offen zu halten?
Es kommt darauf an, was man möchte. Würde es darum gehen, die Osteria in Bordei möglichst schadlos durch die Sai-
son zu bringen, dann würde ich den Betrieb rigoros herunterfahren. Die Osteria wäre dann an nur fünf Tagen geöffnet. Dies hätte natürlich auch den grossen Vorteil, dass die Mitarbeiterplanung einfacher zu gestalten wäre. So könnte man mit einem Geschäftsführer, einem Koch, einem Servicemitarbeiter und einer Mitarbeiterin im Housekeeping den Betrieb aufrechterhalten. Diese Personen würden sich gegenseitig, je nach Bedarf, unterstützen. Auf dieser Grundlage könnte man die Osteria kurzfristig ohne Defizit betreiben. Langfristig wäre der Ausgang jedoch ungewiss. Nicht nur aufgrund der acht Zimmer würde ich die Osteria an sieben Tage geöffnet halten, denn durch die neu geschaffenen Erlebnisse sollen auch unter der Woche deutlich mehr Leute den Weg nach Bordei finden. Zudem macht es allgemein Sinn, bei einer Neupositionierung oder Neueröffnung zu prüfen, was der Markt hergibt. Anpassungen können später immer noch getätigt werden.
Wie viele Mitarbeitende werden in Zukunft die Osteria betreiben? Insgesamt gilt es acht Stellen zu besetzen, die jedoch nicht alle ein 100-Prozent-Stel-
Was tut Gastroconsult?
Mit der Idee, kompetente, branchenspezialisierte und kostengünstige Dienstleistungen im Treuhandbereich anzubieten, hat die Erfolgsgeschichte von Gastroconsult genau vor 100 Jahren begonnen. Nicht ohne Grund gilt die Gastroconsult seit 1921 als die Nummer eins in den Bereichen Treuhand, Steuern, Prüfung und Beratung für Restauration und Hotellerie. Die Unternehmensberater von Gastroconsult arbeiten von Zürich, Bern und Pully aus und verfügen über mehrjährige Gastronomie-Erfahrung. Sie helfen bei der Erarbeitung eines kompletten Businessplans, eines Betriebskonzepts oder der Analyse der Betriebsabläufe. Zudem beraten sie auch bei der Vermietung oder beim Verkauf einer Liegenschaft. Gastroconsult betreibt 15 Standorte in der ganzen Schweiz. Das Team besteht aus rund 100 kompetenten Mitarbeitern.
Welche Bedürfnisse hat Ihr Betrieb? Wie können wir Sie unterstützen? Fordern Sie uns heraus – wir freuen uns darauf, eine massgeschneiderte Lösung für sie zu entwickeln.
Gastroconsult AG
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Telefon 044 377 54 44 direktion@gastroconsult.ch gastroconsult.ch
lenpensum aufweisen. Die gesamten Stellenprozente belaufen sich auf 600 Prozent. Die acht Mitarbeiter werden vor allem daher benötigt, weil der Betrieb an sieben Tage geöffnet ist. Würde der Betrieb an nur fünf Tagen geöffnet sein, würde man sich mit einem Geschäftsführer, der die Rezeption betreut und im Service mithilft, mit einem Koch und einer HousekeepingMitarbeiterin, die in der Küche mithilft, durchschlagen können.
Sie rechnen mit 600-Stellenprozenten oder mit einem Personalaufwand von 54 Prozent. Warum so hohe Personalkosten?
Ja, die 54 Prozent sind hoch. Der Branchenspiegel 2020 besagt, dass die durchschnittlichen Mitarbeiterkosten bei 51.9 Prozent liegen. Mitarbeiterkosten von rund 50 Prozent sind in der Gastronomie die Regel. Daher ist es auch so wichtig, dass die Produktivität ein tägliches Thema ist. Verliert man die Produktivität aus den Augen, ist der finanzielle Schaden schnell sehr gross.
Im Budget gehen Sie von einem Gesamtertrag von 450 000 Franken aus – das ist mehr als das Doppelte von 2019. Ist das realistisch?
Die geschätzten 200 000 Franken betreffen das Jahr 2019. Es muss davon ausgegangen werden, dass das Jahr 2020 deutlich besser ausgefallen ist. Dies daher, weil die Schweizer aufgrund der Coronakrise im eigenen Land Ferien gemacht haben. Dieser Umsatz wurde jedoch ohne einen wesentlichen Kundennutzen generiert. Es gab weder Präsenz auf Online-Reservationsplattformen noch Marketingaktivitäten in der Region Locarno.
Welches sind nun die nächsten Schritte, so dass die Osteria im April erfolgreich eröffnet werden kann?
Wie bereits eingangs erwähnt, drängt die Zeit. Es gilt, den Geschäftsführer und die Mitarbeitenden für die kommende Saison zu rekrutieren. Und es müssen Kontakte zu den Produzenten geschaffen werden. Man braucht jetzt dringend einen Geschäftsführer oder eine Geschäftsführerin. Es braucht einen «Leader», der anpackt und präsent ist. Er sollte auch die Tessiner Lebenskultur kennen und die italienische Sprache beherrschen. Es muss ihm gelingen, die Osteria mit Erfolg durch die Saison zu führen.
Im nächsten «Hotelier» (Teil 3 und Schluss): Was ist in der Osteria Bordei im März/April passiert? Haben die Betreiber (Stiftung) einen geeigneten Geschäftsführer und Gastgeber gefunden? Wird die Osteria Bordei nun auf der Grundlage des von Mirco Held vorgeschlagenen Konzeptes (vgl. Teil 2) geführt?
Wir erleichtern Ihren Alltag.
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Lobby 2.0.
Wie sieht die Hotellobby der Zukunft aus?
Die Hotellobby ist ein sozialer Ort, an dem fremde Menschen aufeinandertreffen, um ganz verschiedenen Aktivitäten nachzugehen – unabhängig von SterneKategorien oder räumlichen Voraussetzungen, sagt die Autorin Claudia S. Hoff und fragt: Wie sieht die Hotellobby 2.0 aus?
Das Hotel ist eine gestalterische Spielwiese für Architekten und Designer. Vor allem deshalb, weil die Renovierungs- und Umgestaltungszyklen hier viel kürzer sind als in privaten Räumen. Im Hotel, das wie kein anderer Ort im stetigen Wandel ist, lässt sich vieles ausprobieren: technische Raffinessen ebenso wie visuelle Komponenten, wozu vor allem Möbel, Leuchten, Materialien und Farben zählen.
Das Hotel als Impulsgeber
Das Interior-Design von Hotels und Privaträumen ist eng miteinander verwoben. Zum einen statten Hersteller von Möbeln und Leuchten wie B & B Italia, Vitra und Lasvit zunehmend Hotels aus, arbeiten aber gleichzeitig für den privaten Bereich, während Designer wie Philippe Starck, Antonio Citterio oder Piero Lissoni längst in beiden Welten zuhause sind. Und der Gast lässt sich bei seinen Reisen inspirieren von Dingen, die er im Hotel sehen und risikolos ausprobieren kann. So überrascht es nicht, dass gestalterische Ideen aus dem Hotel in den privaten Bereich überschwappen und falls notwendig, modifiziert werden. Jetzt wandert beispielsweise nun auch zuhause das Badezimmer in den Schlafraum, werden die Betten höher und verstärkt Tapeten als Dekorationselement eingesetzt – ganz wie es zuerst in designaffinen Luxushotels zu sehen war.
Zweites Wohnzimmer
Die Lobby hat eine besonders grosse Geschichte der Transformation hinter sich. War sie früher – man denke an die legendären Grand Hotels aus der Jahrhundertwende – vor allem ein Ort des Glamours, des Seins und des Scheins, geht es dort heute privater und vor allem behaglicher zu. Überspitzt könnte man sagen: Das Wohnzimmer ist im Hotel angekommen, auch weil die Gäste weniger Zeit in ihren Zimmern verbringen. Und deshalb soll eine Lobby vor allem cosy sein, Hotelgäste und Anwohner gleichermassen anziehen, kurz: ein Ort der Interaktion. Doch auch wenn das Private Einzug hält, ist die Lobby weiterhin die Visitenkarte eines Hotels. Nur wird sie jetzt zum Ort mit hoher Aufenthaltsqualität und zuweilen emotional aufgeladen. «Daher kommt diesem Raum bei der Gestaltung eine besondere Bedeutung zu – sie spiegelt den jeweiligen gesellschaftlichen Zeitgeist», sagt der deutsche Designer Andreas Neudahm, der für Kunden wie die Leonardo Hotels arbeitet.
Hybrid: die Open Lobby
War die Lobby bis vor rund zwanzig Jahren noch als reiner Empfangsraum mit nur wenigen Sitzmöglichkeiten konzipiert und wurde deshalb oft als spröder, zweckgebundener Durchgangsbereich wahrgenommen, hat sich die gestalterische Her-
angehensweise grundlegend verändert. Das spiegelt sich vor allem in der Idee der «Open Lobby» – ein Hybrid aus verschiedenen Raumfunktionen. «Mittlerweile setzen fast alle Hotelgruppen auf dieses Konzept, bei dem einzelne Zonen mit fliessenden Übergängen geschaffen werden. In den Chambres Séparées sollte man sich geborgen und wohlfühlen, als halte man sich in einem geschlossenen Raum auf, als befände man sich in einer Art Versteck. Gleichzeitig geniesst man dort die Stimmung, das leise Stimmengewirr der anderen Gäste, die allgemeinen Eindrücke», so Neudahm.
Die Lobby verändert sich
Eine gestalterische Herausforderung sind dabei die verschiedenen Funktionen, die eine Lobby heute erfüllen muss: In grösseren Hotels ist sie Check-in, Wartebereich, Lounge und zuweilen auch Bar, Restaurant und Arbeitsplatz für (externe) Gäste. «Die Lobby verändert sich, weil sich die Hotelgäste verändern», sagt Juliane Voss von der NH Hotel Group und ergänzt: «Die Grenze zwischen Business und Leisure verschwindet. Business-Leisure-Traveller möchten nach dem Meeting noch einen Drink an der Hotelbar nehmen oder in Ruhe die E-Mails abarbeiten.» Die NH Hotel Group hat deshalb mit «Lobbies Alive» ein Konzept entwickelt und im NH Düsseldorf-City als Pilothotel eingeführt, das die Lobby ➤
zum zwanglosen Treffpunkt macht: mit Kamin (Fireplace), Zonen zum Arbeiten (Sandbox) sowie einem gastronomischen Bereich (F&B).
Dass nun alle Funktionsbereiche in einem einzigen Raum untergebracht sind, hat jedoch nicht nur ästhetische Gründe, sondern auch damit zu tun, dass die Hotelmitarbeiter deshalb zunehmend mehr Aufgaben übernehmen müssen und so besser den Überblick behalten können.
Geschichtenerzähler
Wie also sieht die Lobby 2.0 aus? Nun, es gibt so viele gestalterische Lösungen wie es Hotels gibt. Doch eines steht fest: Gleich gestaltete Interiors, die vergessen lassen, wo man sich befindet, gibt es immer weniger. Nun steht der Ort, an dem sich ein Hotel befindet, im Fokus, wobei gute Gestaltung Identität und Originalität verstärken kann. In der Lobby spürt der Gast
die Atmosphäre eines Hauses. Claudio Carbone, u. a. Designer im Grand Resort Bad Ragaz, spricht von «Geschichten, die sich um den Ort oder das Haus ranken, die unsere Inspiration beflügeln, das Design formen und den Gast unterschwellig bereits hier den ‹roten Faden› des Designs erkennen lassen.»
Beispiel Quellenhof Bad Ragaz
Wie das funktioniert, zeigt der Schweizer Designer im Quellenhof im Grand Resort Bad Radaz, der nach aufwendiger Millionen-Sanierung im Sommer 2019 wiedereröffnet wurde: In der grosszügigen Lobby stehen monumentale Counter aus Rheinquarzit mit eingelegten Wellenmustern, wobei ein kaskadenartiger Kronleuchter aus Tausenden Glaskugeln an einen Wasserfall erinnert. Beide raumprägenden Objekte, die von Carbone entworfen und massgefertigt wurden, sind eine Reminiszenz an Bad Ragaz mit seiner Thermalquelle.
Auch die Lobby im Hotel The Retreat at Blue Lagoon in Island spiegelt die Umgebung: Von den eleganten Sitzlandschaften bieten sich spektakuläre Ausblicke auf das Wasser und die vulkanischen Gesteinsschichten der Blauen Lagune. Dabei nimmt sich das in natürlichen Farbtönen gehaltene Interior zurück und fokussiert auf das Hotelhighlight, die Landschaft vor dem Fenster.
Die Hotellobby ist ein sozialer Ort, an dem fremde Menschen aufeinandertreffen, um ganz verschiedenen Aktivitäten nachzugehen – unabhängig von Sterne-Kategorien oder räumlichen Voraussetzungen. Sie ist ein Ort zwischen aussen und innen, privat und öffentlich. Fliessende Raumgrenzen und dennoch klar definierte Funktionsbereiche sorgen dafür, dass man nirgendwo so leicht von einer Welt in die andere wandern kann.
Quelle, Copyright und Text: Claudia S. Hoff, freie Autorin. Erstveröffentlichung: AHGZ Hoteldesign. Die neue Lobby im Grand Hotel Quellenhof, Bad Ragaz. Unten rechts (Seite 74): Quellenhof-Designer Claudio Carbone.
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Elisabeth Erber über den VDH-Geschäftsbericht 2020
Rückblicke und Zukunftsvisionen
TEXT: Elisabeth Erber
Seit Jahren gehört der Geschäftsbericht der VDH zum fixen Bestandteil all jener, die ihr Leben der Gastronomie und Hotellerie widmen. Sie brennen für das, was sie machen. Denn ohne Leidenschaft und Herzblut kann man in der Hotellerie nicht bestehen.
Der VDH-Geschäftsbericht ist ein Potpourri aus all den Erlebnissen, die das aussergewöhnliche Jahr 2020 geprägt haben: Events, Meetings, gemeinsame Ausflüge, der berühmte Blick über den Tellerrand, Zukunftsvisionen und Rückblicke. All das macht den VDH-Geschäftsbericht interessant für Tourismusleute, Experten, Gastgeber und natürlich die VDH-Mitglieder.
«Von der Praxis für die Praxis»
VDH-Mitglied Karl Fuchs beschreibt praxisnah, wie man eine ideale Weinkarte für Gäste kreiert. Sie hat verständlich und übersichtlich zu sein und soll Lust auf ein gutes Glas Wein machen. Im Vordergrund steht, dass der Gast selbst kein Weinfachmann sein muss, um einen für ihn passenden Wein zu finden – und das ohne grosse Unterstützung durch den Gastgeber.
«Verstehen statt Lernen»
Im vergangenen Jahr musste man sich mit Home-Office, Online-Meetings und vielen neuen Tools auseinandersetzen. Noch nie waren Zoom, Microsoft Teams oder Slack so präsent. Vom Einsatz neuester Technik wie virtuelle Realität, Tablet und OnlineBibliothek handelt der Beitrag von Michel
Läser, Partner und Direktionsleiter QM der Lehre & Studierendenbetreuung der IUE Hochschule Basel. Er zeigt in seinem Bericht, dass eine Hochschule auch modern sein kann. In der zeitgemässen Lehre geht es ums «Verstehen statt Lernen».
«Reden Sie noch oder chatten Sie schon?»
Dem Thema Digitalisierung widmet sich auch Dr. Conrad Schulze-Bentrop, Gründer und Geschäftsführer von Majestella: «Reden Sie noch oder chatten Sie schon?». Diese Frage stellt er dem Hotelier und zeigt dabei anschaulich, dass die Auslagerung des kompletten Live Chats an einen externen Dienstleister die ideale Lösung sein kann.
«BESTPRACTICE@CORONA»
Sich innerhalb kürzester Zeit den neuen, scheinbar unüberwindbaren Herausforderungen der Epidemie zu stellen, war das Hauptthema 2020. Praxisnah berichten VDH-Mitglieder und VDH-Kompetenzpartner aus ihren Erfahrungen und zeigen auf, wie man auch in Zeiten wie diesen Gutes schaffen kann. Roland Walker von «beck konzept», zum Beispiel, konnte den Umbau eines Gasthofes innerhalb von zwei Tagen um mehrere Monate «einfach» vorziehen. «Erfolg auch in schwierigen Zeiten» ist nur mit guter Organisation, bester Zusammenarbeit, positiver Einstellung und dem nötigen Engagement möglich.
«Miteinander statt gegeneinander» bewährt sich während der Krise im Vertrieb
noch mehr, erklärt Stephan Radloff in seinem Beitrag «Gemeinsam sind wir stärker», wo er über neue Ideen und kreative Projekte berichtet, die während dieser ausserordentlichen Zeit entstanden sind und immer noch entstehen.
«Last but not least» sind «VDH-Member News» angesiedelt. VDH-Mitglieder im Inund Ausland erzählen über ihre beruflichen Herausforderungen und Tätigkeiten. Von Dietmar R. Wertanzl, Zyklus 15, erfährt man mehr über seinen Lebenslauf «von den Alpen auf die hohe See» und über seine Arbeit als Präsident und CEO von CMI Leisure Management in Miami, USA.
«Engagiert, stets neugierig und vielseitig unterwegs» ist Urs Hirschi, Zyklus 35, der nach rund 20 Jahren als aktiver Gastgeber sein Wissen in die Welt der Gastronomiefachplanung und Gesamtkonzeption einbringt und als Sparring Partner und Lösungsfinder in der Gschwand AG Gastro-Bau, unserem neuen VDH-Kompetenzpartner, aktiv ist.
Als Download steht Ihnen der Bericht unter vdh.swiss zur freien Verfügung.
Mitgliederporträt
Silvia Auckenthaler, warum schlägt Ihr Herz für den Wein?
Silvia Auckenthaler ist in zwei Welten zu Hause. Neben ihrer Tätigkeit als Executive Assistant in einem internationalen Unternehmen verwöhnt sie mit ihrem Mann im gemeinsamen Restaurant «per me» in Schaffhausen ihre Gäste. Nach einer intensiven Zeit in der Gastronomie und Hotellerie – angefangen von Ausbildung zur Serviceangestellten bis hin zur Hoteldirektorin – machte sie einen Abstecher in die Wirtschaft, um heute beides zu pflegen. Die Sommelier-Ausbildung durfte bei ihrer eigenen Weiterbildung nicht fehlen.
Ihre Weiterbildung zur dipl. Sommelière – eine Herzensangelegenheit?
Eigentlich aus Freude an der Sache, da ich mich schon als kleines Mädchen für den Wein interessierte. Und dies auch von meiner Mutter vor allem im Restaurant meiner Eltern vorgelebt bekam.
Was sind für Sie die wichtigsten drei Eigenschaften eines Sommeliers?
Einfühlungsvermögen, beste Menschenkenntnis sowie den Gästen mit Charme Fachwissen (ohne Belehrungen) vermitteln.
Was ist die schwierigste Aufgabe eines Sommeliers?
Sich innert kürzester Zeit auf die Gäste einzustellen und das passende Angebot vorzuschlagen.
sofort, was passt und wir waren jedes Mal begeistert von seinen Vorschlägen.
Nach welchen Kriterien empfehlen Sie Ihren Gästen den passenden Wein zur Speise?
Tageszeit, Jahreszeit, Vorlieben der Gäste, Budget, Zubereitungsart der Gerichte
Was ist das Geheimnis eines guten Weines?
Nach einem Glas Lust auf ein zweites zu haben, Komplexität und Finesse gepaart mit Eleganz und nicht zu viel Alkohol (keine Frucht-Alkohol-Süsse-Bomben).
Welche Flasche Schweizer Wein verkaufen Sie sehr gerne?
Eisenhalder «Alte Reben» von GVS Schachenmann, Schaffhausen – ein Klassiker, der immer gut ankommt und ein tolles Preis-/Leistungsverhältnis bietet.
Welches sind Ihre Weinfavoriten für Schweizer Weine?
«Chölle» Pinot Noir von Markus Ruch, Hallau, Rheinriesling von Luzi Jenny, Jenins, und Merlot Sassi Grossi von Gialdi, Mendrisio.
Welche zwei Weine würden Sie auf die einsame Insel mitnehmen?
Château Palmer, Margaux, und Champagne Roederer Cristal.
[01] Silvia Auckenthaler:
«Ich fühlte mich immer bestens betreut bei Stefan Schachner im Gupf. Er weiss immer sofort, was passt und wir waren jedes Mal begeistert von seinen Vorschlägen.»
Welches Restaurant in der Schweiz hat heute den besten Sommelier und wie heisst er?
Ich fühlte mich immer bestens betreut bei Stefan Schachner im Gupf. Er weiss immer
Welche Winzer sind Ihnen die liebsten und warum?
Winzer, die keine grossen Mengen verarbeiten und alles mit Herzblut und Passion machen.
Bester Sommelier ASSP der Schweiz 2021
Bewerben Sie sich, liebe Sommeliers!
Die Auszeichnung «Bester Sommelier ASSP der Schweiz 2021» wird am Sonntag, 10. Oktober 2021 in Lugano, anlässlich einer Gala-Präsentation im Fünf-SterneHaus «Hotel Splendide Royal», an den Sieger verliehen. Durch Training sowie bedingungslose Hingabe, Disziplin und Ausdauer zeigen die Meister ihres Berufs ihr Können. Die Sommeliers als GenussManager in der Schweizer Gastronomie, stehen für exzellente Professionalität, welche empathische Fähigkeiten, Talent, Kultur, Geschmack und Leidenschaft vereinen.
Folgende Berufsfachleute sind willkommen:
• Sommeliers & Dipl. Sommeliers
• Eidg. Sommeliers mit Fachausweis
• Wein-, Service- und Restaurationsfachleute
• Lernende im Service
• Hotelfachschul- und SommelierStudenten
• Hoteliers, Restaurateure & Gastwirte
• Ausbilder, Fachlehrer & Experten
• Weinjournalisten & Autoren
• Weinakademiker & WESET-Absolventen
Um am Nationalen «Concours» teilzunehmen, muss der/die Kandidat/in aus der Deutschschweiz vom Fachausschuss SVS delegiert werden. Als Auswahlkriterium dienen die individuelle Live-Career und der Lebenslauf als Weinfachmann bzw. Weinfachfrau oder Sommelier und die Fachkenntnisse. Aus der Deutschschweiz werden maximal zehn Teilnehmer/innen delegiert, die ausschliesslich vom Verband SVS nominiert werden können. Der renommierte Wettbewerb zur Auszeichnung des BESTEN SOMMELIERS ASSP DER SCHWEIZ 2021 ist ein mit Spannung erwarteter Anlass in der Welt der helvetischen Önologie.
Die 22. Durchführung findet am Sonntag, 10. Oktober 2021 in Lugano statt. Dieser nationale Concours wird alle zwei Jahre in einer der Sprachregionen durchgeführt. Rund 30 Kandidatinnen und Kandidaten aus allen Regionen der Schweiz kämpfen um den Finaleinzug, der den Titel BESTER SOMMELIER ASSP DER SCHWEIZ bedeutet, und durch eine nationale und internationale Jury bewertet wird, präsidiert durch den Schweizer Paolo Basso, BESTER SOMMELIER DER WELT 2013 in Tokyo. Der Spezialpreis SWISS WINE wird gespendet von SWISS WINE PROMOTION (SWP), die sich in sechs Schweizer Weinregionen unterteilt.
Sommelier-Daten
Women & Wine-Society in Zürich: Donnerstag, 22. April 2021, «Frauenpower: Winzerinnen-Weine aus aller Welt» Martel
Sommelier-Get-2-Gether in Bern: Montag, 03. Mai 2021 «Präsentation Massy-Weine» Bern, 18.00–20.00 Uhr
Sommelier-Get-2-Gether in Zürich: Montag, 10. Mai 2021 «Hopfen & Malz – Die Welt der Biere» Zürich, 18.00–20.00 Uhr
Women & Wine-Society: Dienstag, 15. Juni 2021 «Winterthurer Stadtbrennerei: Trendcocktails Gin & Company»
Generalversammlung 2021: Montag, 21. Juni 2021, Zürich
Sommelier-Get-2-Gether Bern: Montag, 28. Juni 2021 «Die PIWI-Pioniere aus dem Oberwallis» Bern, 18.00–20.00 Uhr
Meilleur Sommelier Suisse 2021: Sonntag, 10. Oktober 2021
«Concours-Final in Lugano» vor Publikum, 14.00–19.00 Uhr
Frage an Hotelier Christian Lienhard
(Hotel & Resort Hof Weissbad, Appenzell):
Was haben Sie aus der Krise gelernt?
Er ist seit Jahren einer der erfolgreichsten und innovativsten Hoteliers der Schweiz. Wie erlebt Christian Lienhard, Gastgeber und Chef im Hotel & Resort Hof Weissbad
Wie präsentiert sich die Lage im Hotel Hof Weissbad Mitte März 2021? Und wie war die
Die Lage präsentiert sich zum grossen Glück sehr gut. Der Februar war dank der Winterferienzeit und dem schönen Wetter ein Spitzenmonat. Der März liegt im Moment leicht dahinter. Wir haben mit der neuen Lodge ein Segment geschaffen, das bestens passt: 25 Zimmer, etwas günstiger als die Zimmer im Stammhaus – und trotzdem hat der Gast die Möglichkeit, nebenan im Hof Weissbad zu essen, zu baden und
Sie profitieren von der Tatsache, dass Sie seit vielen Jahren auf den Schweizer Markt setzen. Fazit: hohe Auslastung auch während der
Die Erfolgsfaktoren sind seit 27 Jahren immer noch die gleichen – trotz Corona-Krise. Kurz: Wir setzen auf verschiedene Gästesegmente unter einem Dach. Im Moment verlieren wir Nachfrage im Seminarbereich, dafür haben wir mehr Gäste im Wellness-Bereich.
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Wie präsentiert sich derzeit die Gästestruktur?
Junge, Familien, Rentner, Singles? Und woher kommen die aktuellen Gäste?
Wir haben aufgrund der Covid-Krise ein komplett anderes Publikum bekommen! Sehr viele Gäste, die jetzt im Hof Weissbad absteigen, waren noch nie da. Und viele Gäste sind in der Alterskategorie 40 bis 50, alle aus der Schweiz. Es ist eigenartig, denn wir versuchen seit Jahren, genau diese Gäste zu erreichen. Jetzt sind sie plötzlich da! Viele Gäste kommen übrigens aus der französischen Schweiz. Das macht grosse Freude!
Welche Rolle spielt aktuell der Spa- oder Wellnessbereich in Hof Weissbad?
Wellness spielt eine wesentliche Rolle – speziell an den Wochenenden. Schade, dass wir mit dem geplanten Bau des Badehauses erst im Sommer beginnen können. Das neue Badehaus wird Hof Weissbad nochmals aufwerten.
Sind die Gäste, die derzeit bei Ihnen absteigen, konsumfreudiger als sonst?
Die Konsumation in den Bereichen Wellness und F & B ist mehr als 20 Prozent gestiegen. Die Gäste leisten sich eine Körperbehandlung mehr, eine teure Flasche Wein –und zum Essen darf es auch mal ein 5-Gang-GourmetMenu sein.
Haben Sie die Preise aufgrund der hohen Nachfrage erhöht?
Nein. Wir möchten die vielen Stammgäste nicht benachteiligen. Wenn das neue Badehaus fertig ist, werden wir die Zimmerpreise vielleicht um 10 Franken erhöhen.
Wie haben Sie die bisherige Corona-Krise erlebt?
Für mich persönlich war das in den 42 Jahren Hotellerie das schwierigste Jahr. Im März /April herrschte auch bei uns die grosse Krise – wir mussten auf zwei Mio. Franken verzichten. Dann kam der Rekordsommer 2020. Ein Sommer wie noch nie! Doch auch der Herbst 2020 war sehr erfolgreich – und wir schafften es, die Verluste aus dem Frühling wieder einzuspielen. Leider mussten wir dann Ende Dezember unsere Restaurants für auswärtige Gäste wieder schliessen. Fazit: Mehr als 400 000 Franken Verlust. Und im Januar mussten von den 35 Köchen 17 in Quarantäne … Das war eine Katastrophe! Zum Glück sind wir seit Anfang Februar wieder save und auf Kurs.
Mussten Sie in den vergangenen Monaten Mitarbeitende in die Kurzarbeit schicken?
Ja, in den Monaten März /April 2020 für fünf Wochen. Seither haben wir zum Glück die Zehn-Prozent-Untergrenze nicht mehr erreicht. Übrigens: Die Tatsache, dass externe Gäste unsere Restaurants nicht mehr besuchen dürfen, kostet uns täglich 6000 Franken. Das sind etwa zehn Prozent des Jahresumsatzes. Doch wir können das glücklicherweise verkraften. Wichtig war und ist, dass wir die Hotels betreiben konnten und können.
Wird die sich die Schweizer Hotellerie nach Corona markant verändern? Oder bleibt alles beim Alten?
Ich stelle bereits eine Veränderung bei den Gästebedürfnissen fest. Die Gäste sehnen sich vermehrt nach Natur, Landschaft, Tradition – es zieht sie in die Berge. Man setzt auf authentische Erlebnisse und regionale Kulinarik. Der Gast sucht Geborgenheit und die kleinen Freuden des Lebens. Alles Dinge, die wir hier im Appenzell bieten können
Was haben Sie bisher aus dieser Krise gelernt?
Plötzlich stand das Hamsterrad im März 2020 still. Ich hatte Zeit für das Wesentliche. Für die Familie, für meine Harley oder ein schönes Buch. Das war eine wertvolle Erfahrung, die ich auch in Zukunft nicht missen möchte.
Was steckt hinter Hof Weissbad?
Noch in der Bauphase des damals geplanten Gesundheitsund Ferienhotels Hof Weissbad im Appenzellerland bekamen Damaris und Christian Lienhard-Züger den Zuschlag für die Direktion – inklusive Konzeptplanung und Preopening. Sie eröffneten das 4-Sterne-Haus Anfang September 1994 mit 76 Zimmern und 42 Mitarbeitenden. In der Zwischenzeit beschäftigen sie über 200 Mitarbeitende und verzeichnen einen Jahresumsatz von 20,5 Millionen Franken. Die Auslastung der 87 Zimmer in Hof Weissbad liegt in normalen Zeiten bei 92 Prozent. Drei wesentliche Faktoren haben zu diesem Erfolg beigetragen. Erstens: verschiedene Segmente unter einem Dach: Gesundheits-, Seminar-, Individual- und Wellnessgäste sowie Klinikpatienten. Laut Christian Lienhard ist es eine Kunst, all diese Segmente in einer guten Mischung über das ganze Jahr verteilt zu beherbergen. Zweitens: eine breit abgestützte Finanzierung. Mit 4000 Aktionären verfügt das Hotel Hof Weissbad über eine solide Grund-Finanzierung. Drittens: eine teamorientierte Mitarbeiter-Politik. Motto: «Leadership by Love». Was Lienhard vor über 30 Jahren bei Hans C. Leu im Giardino Ascona lernte, gilt heute noch: «Natürliche Autorität und Vorleben! Das wohl grösste Kapital sind unsere einheimischen und langjährigen Mitarbeitenden. Das zahlt sich aus», so Lienhard. Sein Credo: «Gastgeber sein ist eine Herzensangelegenheit.»
Am Markt / Impressum
Ihr Marktplatz für Hotelimmobilien
Hotel2invest, eine Marke von Hotel & Gastro Consulting, verkaufte schon von 2017 bis 2019 erfolgreich Hotels. Zwischenzeitlich wurde sie offline weiterentwickelt und mit neuen Highlights, wie automatisiertes Bieterverfahren, Chat, Grundstückidentifikation, kostenlose Aufschaltgebühr und nur 0,3 % erfolgsabhängige
Transaktionsgebühr, erweitert. Ende März 2021 wurde sie wieder lanciert. «Wir freuen uns, mit dem neuen Tinder für Hotelimmobilien online zu gehen», schmunzelt Inhaber André Gribi. «Was sich nicht ändern wird, ist das persönliche Knowhow, unsere 1:1Kundenbegleitung und das Herzblut zur Hotellerie.»
hotel2invest.com
SWISSFEEL
Matratzen waschen anstatt wechseln!
Gesunder Schlaf verlangt einen hohen Hygienestandard. Der Schweizer Matratzenhersteller Swissfeel garantiert eine Verdopplung der Nutzungszeit seiner vollständig waschbaren Hotelmatratzen. Geschätzte 30 Millionen Matratzen landen jedes Jahr alleine in Europa auf dem Müll. Eine Verschwendung von Ressourcen und eine Belastung für die Umwelt, da die Verwertung oft nicht möglich ist. Wenn eine Matratze aus hygienischer Sicht verbraucht ist, bedeutet das bei einem hochwertigen Produkt nicht automatisch, dass diese gleichzeitig physikalisch, also aus orthopädischer Hinsicht, verbraucht sein muss.
Swissfeel setzt auf ein nachhaltiges, langlebiges Matratzenkonzept, das Hotels erlaubt, die Lebenszeit der Matratzen erheblich zu verlängern – bei gleichbleibendem Schlafkomfort. Dabei ist Swissfeel derzeit der einzige Matratzenhersteller, der Hotels und Privatkunden eine Waschbarkeitsgarantie seiner Matratzen anbietet. Weitere Informationen unter: swissfeel.com
Hotelier
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27. Jahrgang
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Werd & Weber Verlag AG
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CH-3645 Gwatt/Thun
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Verlegerin
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Korrektorat
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Cover Andrea, Peter und Nathalie Hauenstein, Inhaber der Hauenstein Gruppe