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Knackiges Anisgebäck
Anis – ein altes Gewürz neu entdecken
Bereits in der Antike wurde der Anis als Heilpflanze und Gewürz geschätzt. Heute fristet er zu Unrecht ein Schattendasein. Höchste Zeit also, das Wundergewürz wieder hervorzuholen und es in Form von Anisgüezi zu Weihnachten in seiner dekorativsten Form auf den Tisch zu bringen.
Text: Therese Krähenbühl-Müller
Wenn es um Gewürze in süssen Backwaren geht, endet der geschmackliche Horizont vieler Menschen meist bei Vanille- und Schokoladenaromen und maximal etwas Zimt oder an Weihnachten Lebkuchengewürz. Obwohl Letzteres auch bereits vielen zu würzig ist. Wenn man bedenkt, wie viele gute Eigenschaften Gewürze enthalten, ist das eine sehr bedauerliche Entwicklung. Gerade die Früchte der Doldenblütler – zu denen Kümmel, Koriander, Dill, Liebstöckel, Fenchel, Petersilie, Sellerie und Anis gehören – verlieren immer mehr an Bedeutung. Wohl auch deshalb, weil ihr Geschmack von vielen Menschen als zu intensiv oder gar als unangenehm empfunden wird, weil man ihn viel zu selten schmeckt.
Interessanterweise finden sich etliche der Gewürz-, Gemüse- und Heilpflanzen aus der Doldenblütlerfamilie in der salzigen, deftigen Küche, wie etwa in Salzgebäcken, Currys oder auch in Würsten. So werden zum Beispiel in der Toskana Salami, die sogenannte Salame Finocchiona, mit Fenchelsamen und das bekannte Südtiroler Schüttelbrot mit Kümmel gewürzt. In der Schweiz kennt man unter anderem die Longeole IGP, eine Schweinswurst, die mit Fenchelsamen verfeinert wird. Dill wird meist zu Fisch gereicht, Liebstöckel, Petersilie und Sellerie verleihen einem Gemüsefond eine besondere Note. Der Anis hingegen fristet in deftigen Speisen ein Schattendasein. Einzig in Spirituosen und beigemischt zu Likören, wie etwa Pastis, Absinth und dem griechischen Ouzo, um nur einige Beispiele zu nennen, spielt er eine grosse Rolle.

Schutz und Liebeleien

Umso schöner ist es, dass der Anis der Star eines alten, traditionellen Gebäcks ist: Anis-Chräbeli, auch Anisbrötli oder einfach Anisgüezi genannt, haben einen intensiven Anisgeschmack. Meist werden sie in der Winterzeit, besonders auf Weihnachten hin, gebacken. Das kommt nicht von Ungefähr; denn dem Anis wird eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt. Nach den strengen Arbeiten auf dem Feld, sollten sich die Männer im Herbst wieder den häuslichen Pflichten zuwenden, und daher bereiteten die Frauen in ländlichen Gebieten ihren Männern traditionellerweise anishaltige Getränke zu. Der 30. November hiess in Böhmen sogar Anischtag, weil man glaubte, dass die Anisgetränke an diesem Tag besonders viel Zauberkraft enthielten. Auch als Opfergabe oder als Gastgeschenk bei Hochzeiten, hatten sogenannte Aniskringel lange Zeit eine wichtige Bedeutung. Zusätzlich sollte das Gewürz vor schlechten Träumen und dem bösen Blick schützen.
Während diese Wirkkraft wohl nie wissenschaftlich nachgewiesen werden kann, weiss man heute aber sicher, dass Anis die Drüsen des Magen-Darm-Traktes anregt und daher gut für die Verdauung ist. Besonders wirkungsvoll ist er, wenn er mit seinen Brüdern Fenchel und Kümmel gemischt wird. Zusätzlich soll Anis bei Wöchnerinnen die Milchbildung anregen und wird, da seine ätherischen Öle wieder über die Lungen ausgeschieden werden, auch oft in der Herstellung von Hustentees oder Kautabletten verwendet. Alfred Vogel beschreibt in seinem Buch «Der kleine Doktor» die heilende Wirkung von Anis in einer Teemischung, die bei Arthritis zum Einsatz kommt.
Anissamen | Die alte Gewürz- und Heilpflanze hat eine wissenschaftlich anerkannte Wirkung bei Katarrhen der Atemwege und Verdauungsbeschwerde.
Rezept Anisgüezi

Sie sind unter dem Namen Anisbrötli, Anisgüezi oder AnisChräbeli bekannt – ein (oft geprägtes) Gebäck aus Anisteig, das nicht nur schön anzusehen ist, sondern auch einen feinen, ganz besonderen Geschmack hat.
Zutaten:
•4–5 Eier (sie sollten ohne Schale 220g wiegen. Damit der Teig nicht zu feucht oder zu trocken wird, ist es wichtig, das Gewicht der Eier abzuwägen)
•500g Puderzucker
•1 EL gereinigter Anis (optional können die Samen im Mörser etwas zerstossen werden, damit der
Geschmack noch besser zur Geltung kommt; auch das leichte Rösten der Samen intensiviert den Anisgeschmack)
•500g feines Weissmehl
•1 TL Obstbrand
Zubereitung
Eier und Zucker mit dem Handrührwerk schaumig rühren, bis eine luftige Creme entsteht. Den Anis und den Obstbrand dazu geben und nochmals gut weiterrühren. Zum Schluss das Mehl dazu sieben und alle Zutaten zu einem festen Teig verkneten. Diesen mindestens zehn bis maximal dreissig Minuten zugedeckt ruhen lassen.
Den noch leicht klebenden Teig in vier Teile teilen und einzeln auf einem mit Mehl bestäubten Untergrund acht bis zehn Millimeter dick ausrollen. Der Teig sollte sich wie Seide anfühlen; nun wird er nochmals leicht mit Mehl bestäubt. Danach das Model vorsichtig und gleichmässig in den Teig drücken, das Bild mit einem passenden Ausstecher oder einem Messer ausschneiden und auf ein mit Backpapier belegtes Blech legen. Den eventuell trocken gewordnenen Restteig mit feuchten Händen weiterverarbeiten.
Nach 12 bis 24 Stunden Trocknungszeit (gleichbleibende Temperatur, kein Durchzug) werden die Anisgüezi bei 160 Grad in der unteren Ofenhälfte für sechs Minuten gebacken. Danach den Ofen einen Spalt breit mit einer Holzkelle offenhalten und die Güezi weitere 12 Minuten lang backen. Die Güezi danach gut auskühlen lassen und an einem kühlen, trockenen Ort lagern.
Anisgüezi sind ein liebevolles, selbstgemachtes Weihnachtsgeschenk. »
Wundermittel der Antike
Dass der Ouzo bis heute das griechische Nationalgetränk ist, zeugt davon, welch hoher Stellenwert der Anis bereits im alten Griechenland hatte. Er wurde nicht nur als unverzichtbares Heilmittel gegen Husten, sondern sogar gegen Gift, wie etwa bei Stichen von Skorpionen und Bissen von Schlangen eingesetzt. Auch in der Bibel und in den ältesten Schriften Indiens, findet das Gewürz Erwähnung. Interessanterweise spielt Anis oft auch in Kombination mit dem Sternanis in der indischen Küche eine grosse Rolle. Der Sternanis ist mit dem Anis nicht verwandt, trägt seinen Namen aber, weil er einen ähnlichen Geschmack hat.
Während früher oft aus den Anissamen mithilfe von Wasserdampfdestillation Öl gewonnen wurde, wird der Anis heutzutage vorwiegend als Gewürz zum Backen und Kochen verwendet. Allgemein sollen Speisen, denen Anis beigemischt wird, leichter verdaulich sein.
Wer sich also zu Weihnachten etwas Gutes tun will und sich eine Alternative zu den üblichen Güezi mit viel Zucker und Butter wünscht, sollte sich ans Backen von Anisgüezi wagen. Denn sie sind nicht nur geschmacklich interessant, sondern wenn man mit einem Model arbeitet, meist auch wunderschön anzusehen. Oft befinden sich alte Gebäckmodel zum Prägen von Teig sogar noch im Familienbesitz. Es lohnt sich, diese hervorzuholen, zu reinigen und damit Anisgüezi herzustellen – nicht nur für den Eigenbedarf, sondern vielleicht sogar als liebevolles, hausgemachtes Weihnachtsgeschenk.
Kunstvoll | Anismodel zum Prägen des Teigs.

Zu Besuch im Anisparadies
Anisbrötli sind ein faszinierendes Traditionsgebäck. Linus Feller aus Niedergösgen (SO) stellt die Model dafür selber her und verkauft sie auf Weihnachtsmärkten.
Wenn Linus Feller über seine Anismodel spricht, dann funkeln seine Augen und man merkt schnell, dass sie für ihn nicht nur ein Beruf, sondern Berufung sind. «Ich bin im Wallis aufgewachsen und habe Anisgüezi nicht gekannt», erzählt Feller. Als er dann einmal einen Marktfahrerkollegen vertreten habe, der Anismodel verkaufte, sei er damit zum ersten Mal in Berührung gekommen. «Die Faszination ist geblieben. Seit 1985 produziere und verkaufe ich nun Anismodel.»
Im Laufe der Jahre hat sich Linus Feller zu einem Experten entwickelt und sogar ein Buch über das Thema Anisbrötli und Model geschrieben. In seiner Kollektion finden sich auch zahlreiche alte Model. Feller hat zur Kopie der handgeschnitzten, historischen Model eine eigene, ganz spezielle Methode entwickelt. «Vom Originalholzmodel wird ein Silikon-Abdruck abgeformt», erklärt der Anisbrötli-Experte. «In diese Silikonform giessen wir unter Vakuum unser eigens entwickeltes Giessharz. Pro Silikonform können wir ungefähr zehn Model ausformen. Diese ausgeformten Model werden anschliessend im Ofen getempert, sowie auf der Rückseite geschliffen und abgerundet. Mit einer speziellen Patina erhalten die Gebäckmodel die optische Schönheit eines Holzmodels.» Bei Fellers am Stand werden also nicht nur historische Model verkauft. Im Gegenteil: Jedes Jahr kommen neue Kreationen von Linus Fellers Frau Petra Mösli dazu. «Meine Frau orientiert sich immer auch daran, wie die Model früher gestaltet wurden und verleiht ihnen dann einen modernen Dreh», erklärt Feller. Denn schliesslich sei ein Anismodel schlussendlich doch etwas Geschichtsträchtiges und Traditionelles. «Das macht wohl auch die Faszination dafür aus. Wer einmal mit seiner Grossmutter oder Mutter Anisbrötli gebacken hat, wird das ein Leben lang nicht vergessen.»
Die Webseite www.springerle.com von Linus Feller ist ein wahrer Schatz voller Informationen rund um das Thema Anis, Anismodel und Rezepte dazu. Gleichzeitig gibt es dort einen Marktplan. In diesem Jahr verkauft Linus Feller seine Model u.a. auf dem Weihnachtsmarkt in Basel.
