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Vitamin D

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Exotische Früchte

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Sicher substituieren

Seit Jahren wird es kontrovers diskutiert: Vitamin D. Ein Wundermittel ist es nicht. Wegen des verregneten Sommers und der anhaltenden Pandemie macht es für viele Menschen aber Sinn, das «Sonnenhormon» den Winter über zu substituieren. Doch wieviel ist genug?

Text: Andreas Krebs

Alte Menschen und Schwangere sind besonders häufig von einem Vitamin-D-Mangel betroffen. Deshalb wird Heimbewohnern und schwangeren und stillenden Frauen generell die Substitution empfohlen. Das Kantonsspital Aarau (KSA) z. B. empfiehlt Schwangeren mit normalem Vitamin-D-Spiegel und ohne Risikofaktoren 500 – 600 Einheiten pro Tag (IE), jenen mit normalem Spiegel und Risikofaktoren 1000 IE und bei schwerem Mangel 1500– 2000 IE. Erlaubte Höchsttageszufuhr sind laut KSA 4000 Einheiten. Risikofaktoren für einen Vitamin-D-Mangel sind neben Alter (körpereigene Bildung ist reduziert) und Schwangerschaft (vermehrter Bedarf) eine geringe Sonnenexposition, dunkle Haut sowie Übergewicht und Adipositas. Menschen mit einem Vitamin-D-Mangel bekommen häufiger Herz-Kreislauf-Probleme (z. B. Herzinfarkt und Schlaganfall), sind im Alltag öfters müde und haben ein geschwächtes Immunsystem. Das ist wissenschaftlicher Konsens. Verschiedene Studien konnten ausserdem zeigen, dass ein schwerer Vitamin-D-Mangel bei Intensivpatienten zu häufigeren Komplikationen und einer höheren Sterberate führen kann. Deshalb bekommen sie oft Vitamin-D-Gaben in Form von Infusionslösungen, Tabletten oder Trinklösungen. Ob so ein Ausgleich eines (schweren) Vitamin-D-Mangels bei Intensivpatienten tatsächlich sinnvoll ist und die genannten Probleme verbessern kann ist bis heute indes umstritten. Doch nun läuft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main eine Phase-III-Studie, die genau das untersucht: den «Effekt von hochdosiertem Vitamin D3 auf die 28-Tage-Mortalität bei erwachsenen, kritisch kranken Patienten mit schwerem Vitamin-D-Mangel».

Kein Covid-19-Medikament

Im Zuge der Pandemie wurde wieder vermehrt über Sinn und Unsinn der Substitution von Vitamin D3 gestritten. Unbestritten ist: Viele der schwer an Covid-19-Erkrankten weisen einen Vitamin-D-Mangel auf. Allerdings sind von einem schweren Covid-19-Verlauf besonders häufig ältere Menschen betroffen – und die haben auch besonders häufig einen Vitamin-DMangel. Nur Korrelation oder auch Kausalität? Die Frage lässt sich noch nicht abschliessend beantworten.

Inzwischen deuten aber zahlreiche Studien darauf hin, dass Vitamin D das Ansteckungsrisiko reduzieren und den Krankheitsverlauf mindern kann, und zwar wenn der Blutspiegel bei mindestens 50 ng/ml liegt (besser: 70–100 ng/ml). Das kann man vom Arzt überprüfen lassen. Darüber hinaus verhindert bzw. lindert Vitamin D Entzündungsvorgänge und Gerinnungsstörungen. Gerade deshalb ist eine ausreichende Versorgung mit dem Hormon derzeit so wichtig. Denn viele der Covid-Todesfälle sind hauptsächlich auf Blutgerinnsel zurückzuführen, die Lungenembolien, Organversagen oder Schlaganfälle verursachen.

Der Ernährungsmediziner Hans-Konrad Biesalski von der Universität Hohenheim in Stuttgart hat 30 Studien ausgewertet – und einen Vitamin-D-Mangel als möglichen Indikator für den Schweregrad und die Mortalität bei einer Covid-19-Erkrankung identifiziert. Er empfiehlt deshalb, den Vitamin-D-Spiegel unbedingt im Auge zu behalten und gegebenenfalls zu substituieren. Biesalski betont: «Vitamin D ist kein Medikament, mit dem man Covid-19-Erkrankungen heilen kann. Doch man kann damit positiv auf den Krankheitsverlauf einwirken, indem es dem Organismus ermöglicht, die Balance zwischen den pro- und antientzündlichen Prozessen wiederherzustellen.»

Im Zweifelsfall substituieren

Darüber hinaus ist Vitamin D3 wichtig für starke und gesunde Knochen und Zähne (weil es dem Körper hilft, Kalzium aus der Nahrung aufzunehmen). Es reguliert die Verdauung und die mikrobielle Besiedelung des Darms (und stärkt auch so das Immunsystem). Es beeinflusst unseren Stoffwechsel und unterstützt neurologische Funktionen. Es gibt sogar Belege dafür, dass Vitamin D3 dazu beiträgt, Tumoren des Darms, der Brust, der Prostata und der Eierstöcke zu verhindern. Und es scheint Alterungsprozesse allgemein zu verlangsamen. Viele Ärzte – und auch Zahnärzte – empfehlen ihren Patienten deshalb die Supplementierung. Vor allem, wenn ihre Patienten sich nur selten draussen aufhalten, wie es in diesem doch ziemlich verregneten Sommer wohl nicht nur bei Heimbewohnern der Fall war. Denn das kurbelt die körpereigene Vitamin-D-Produktion so richtig an: an sonnigen Tagen draussen möglichst viel Haut zeigen. Über die Nahrung hingegen ist ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel kaum zu erzielen. Reich an Vitamin D sind vor allem fetter Fisch und sonnengetrocknete Pilze. Doch das reicht nicht aus, und in der Schweiz sind – im Gegensatz zu vielen anderen Ländern – Lebensmittel nicht angereichert. Auf gut Glück Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen, empfehlen Mediziner wie Biesalski dennoch nicht: «Im Zweifelsfall ist das zu wenig, um einen schlechten Vitamin-D-Status zu verbessern. Prophylaktisch sollte man sich aber viel im Freien aufhalten, auf die Ernährung achten und spätestens bei Verdacht auf eine Infektion den Hausarzt bitten, den Vitamin-D-Spiegel zu prüfen.»

Das ist sicher das ideale Vorgehen. Wer aber so oder so substituiert – was in den Wintermonaten durchaus sinnvoll erscheint – halte sich an die Richtlinie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA): Demnach gilt die tägliche Höchstdosis (bei einem Körpergewicht von 70 kg) von 4000 IE (100 Mikrogramm) als sicher. Eine Überdosierung über längere Zeit kann zu Gesundheitsproblemen wie Übelkeit, Kopfschmerzen, reduziertem Muskeltonus bis hin zur Niereninsuffizienz führen. Und: Wer Medikamente wie Herzglykoside nimmt, sollte die Vitamin-D-Zufuhr unbedingt mit dem Arzt absprechen!

Sonnenanbeter | Der beste Schutz vor einem Vitamin-D-Mangel: viel draussen sein, gerade auch im Winterhalbjahr.

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