Podologie Schweiz 5/2021

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Fachbericht

Podologie Schweiz 5 | 2021

Die warme Jahreszeit geht so manchem auf die Knochen

Sommerleiden Gichtanfall Dr. Dorothea Ranft

Nachmittags Gartenarbeit, abends Grillfest, nachts höllische Fussschmerzen: Die meisten Gichtanfälle treten im Sommer auf, getriggert durch eine hitzebedingte Exsikkose. Doch in der Regel sprechen sie gut auf die gängigen Therapien­an.

Die Hyperurikämie wird als Gicht bezeichnet, sobald sie zu Arthritis und/oder Tophi bzw. Nierenschäden führt, schreibt Professor Dr. Gernot Keysser von der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum Halle. Die häufigste Ursache ist eine genetisch bedingte, verminderte renale Ausscheidung der Harnsäure. Seltener treten sekundäre Formen infolge von erhöhtem Zellumsatz (z.B. beim Tumorlysesyndrom oder der Psoriasis), Niereninsuffizienz, Laktatazidose oder Medikamenten (s. Kasten rechts) auf. Die akute Arthritis entsteht durch die Ausfällung von Harnsäurekristallen im Gelenk. Bei der chronischen Form bilden sich Tophi in Knochen, Gelenken und Weichteilen, die zu einem destruktiven Verlauf mit Knochenerosionen führen können. Oftmals Podagra als erste Manifestation Gichtanfälle entwickeln sich bei akut verminderter Harnsäureausscheidung, z.B. durch eine Exsikkose, oder bei einer vermehrten Zufuhr (purinreiche Kost). Zwei Drittel der erstmalig auftretenden Attacken manifestieren sich im Grosszehengrundgelenk (Podagra). Auch Mittelfuss (Tarsitis), Sprung- und Kniegelenke werden häufig befallen. Typisches Zeichen: massive, vor allem nachts auftretende Schmerzen sowie eine ausgeprägte Berührungsempfindlichkeit. Zusätzlich entwickeln Betroffene nicht selten Fieber und Schüttelfrost. Frauen erkranken selten vor der Menopause, haben seltener eine akute Podagra und häufiger einen polyartikulären Befall inkl. der Hände.

Gicht durch Medikamente Diuretika: Exsikkose, Interaktion mit ­renalen Urat-Transportern niedrig dosiertes ASS, Ciclosporin, Pyrazinamid: Interaktion mit renalen ­Urat-Transportern Chemotherapeutika: Vermehrter Anfall von Harnsäure durch Zellzerfall Testosteron: verminderte Harnsäure­ ausscheidung Der akute Gichtanfall lässt sich meist bereits anhand der Klinik erkennen. Beweisend ist die Gelenkpunktion, die intrazelluläre Uratkristalle in den Neutrophilen der Synovialflüssigkeit zeigt. Die Episoden klingen üblicherweise innerhalb weniger Tage von selbst ab. Beachten muss man die in der Akutphase häufig normalen Harnsäurespiegel (zwischen den Attacken kontrollieren). Für den Übergang in eine chronische Gicht sprechen zunehmend kürzere Intervalle zwischen den Anfällen und eine Ausdehnung auf immer mehr Gelenke (und Schleimbeutel). Auch Hand- und Fingergelenke werden oft befallen, im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis aber nicht symmetrisch. Ohne harnsäuresenkende Therapie drohen schwere Destruktionen. Sonografisch lässt sich bei akuter und chronischer Gicht das sogenannte Doppelkonturzeichen erkennen, das Harnsäureablagerungen auf dem Knorpel entspricht. Das Röntgenbild zeigt erst bei chronischem Verlauf spezifische Veränderungen wie Defekte im gesunden Knochen und gelenknahe Tophi (s. Abb. 2).

Zur Therapie des akuten Gichtanfalls eignet sich Colchicin. Es ist in einer Dosierung bis 2 mg/d wirksam und verträglich, versichert Prof. Keysser. NSAR und Glukokortikoide lassen sich bei typischen Begleiterkrankungen wie Diabetes, Hypertonus und Niereninsuffizienz nur eingeschränkt nutzen bzw. verbieten sich. Unter den NSAR zeigt sich Etoricoxib (1 x 120 mg/d) ebenso effektiv, aber verträglicher als 3 x 50 mg/d Indomethazin, so die Erfahrung des Rheumatologen. Bei Celecoxib bevorzugt er wegen der besseren Wirksamkeit die höhere Dosierung (2 x 400 mg/d). Zur Steroid-Behandlung eignet sich eine Tagesdosis von 30 mg Prednisolon, eventuell aufgeteilt auf 20 mg morgens und 10 mg abends. Das Steroid kann nach fünf bis sieben Tagen ohne Ausschleichen wieder gestoppt werden. Eine harnsäuresenkende Therapie empfiehlt sich bereits nach dem ersten Gichtanfall sowie bei chronischer Arthritis, Tophi und Nierensteinen. Auch die Hyperurikämie bei eingeschränkter Nierenfunktion zählt zu den Therapieindikationen. Als Ziel gilt eine dauerhafte Reduktion der Serumharnsäure unter 360 µmol/l. Bei schwerer Gicht sollte man sogar einen Spiegel unter 300 µmol/l anstreben, um die Rückbildung der Tophi zu erleichtern. Xanthinoxidasehemmer als erste Wahl Mittel der Wahl sind Xanthinoxidasehemmer, vor allem Allopurinol. Die Startdosis von 100 mg/d kann man nach zwei bis vier Wochen um 100–200 mg steigern, bis der Wert im Zielbereich liegt. Bei Nierengesunden können Dosierungen bis 900 mg/d zum Einsatz kommen. Besonders wichtig ist die einschleichende Dosierung für Patienten mit beeinträchtigter Nierenfunktion. Denn bei ihnen tritt das Allopurinol-Hypersensitivitätssyndrom unter einer hohen Initialdosis häufiger auf. Diese seltene Komplikation beginnt Wochen bis


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