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NOTFALLPFLEGE

SCHWEIZ 1 | 2025

NACHHALTIGKEIT

AUF DER NOTFALLSTATION

 Klimawandel und Gesundheit

 Nachhaltigkeit in der Dienstplanung

 Simulationstraining in der Notfallmedizin

 Finanzierung von Notfallstationen

VERBAND

Kurznews Editorial Agenda

Notfallpflege-Kongress 2025

NOTFALLPFLEGE-MEDIZIN

Klimawandel und Gesundheit

Kinästhetik auf der Notfallstation Nachhaltigkeit in der Dienstplanung Finanzierung der Notfallstationen in der Schweiz Simulationstraining in der Notfallmedizin

NOTFALLPFLEGE-MEDIZIN INTERNATIONAL

Wohin mit ungenutztem Material – in Entwicklungsländer?

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Aktuelle und attraktive Stellenangebote werden regelmässig auf unserer Website publiziert. Es lohnt sich, einen Blick in unser Stellenportal zu werfen.

Interessiert, ein Stellenangebot auf unserer Website oder im Fachmagazin HELP zu publizieren?

Gerne geben wir Auskunft per Mail oder Telefon: event@notfallpflege.ch 041 926 07 63

Herbst-Symposium als «Workshop Day» am 31. Oktober 2025 in Wil SG

Gerne laden wir dich dieses Jahr zum Herbst-Symposium vom Freitag, 31. Oktober 2025, im Stadtsaal Wil im Kanton St. Gallen ein – diesmal jedoch mit neuem Konzept! Zum ersten Mal wird der Anlass als grosser Workshop-Tag stattfinden zum Thema: «Skills Day: Emergency Nurses in Action». Erweitere deine Fachkenntnis und Fähigkeiten an diesen lehrreichen und spannenden Workshops und freue dich auf interessante Gespräche mit deinen Berufskolleginnen und -kollegen.

Reserviere dir bereits das Datum! Das Anmeldeformular wird in Kürze auf notfallpflege.ch/symposium publiziert. Aufgrund der neuen Organisation sind die Plätze noch stärker begrenzt als bisher, eine frühe Anmeldung lohnt sich daher. Wir freuen uns, dich wieder vor Ort zu begrüssen.

Hauptversammlung 2025 –Willkommen Virginie Riesenmey!

Die diesjährige Hauptversammlung der NOTFALLPFLEGE SCHWEIZ fand im Anschluss an den Notfallpflege-Kongress vom 28. März 2025 statt. 37 stimmberechtige Mitglieder nahmen daran teil. Die Einladung mit allen Traktanden wurde statutenkonform fristgerecht auf der Website publiziert und an die Mitglieder verschickt. Die Tätigkeiten des Verbandes im letzten Jahr konnten in den Jahresberichten zu jedem Ressort detailliert nachgelesen werden.

EINLADUNG ZUM HERBSTSYMPOSIUM

Skills Day: Emergency Nurses in Action

Virginie Riesenmey wurde von den Mitgliedern einstimmig in den Vorstand gewählt. Sie ist Verantwortliche der beiden Bildungsänge NDS HF Notfallpflege in Fribourg und wird für den Vorstand die Brücke in die Romandie schlagen, damit die NOTFALLPFLEGE SCHWEIZ in Zukunft national noch breiter abgestützt sein wird. Wir freuen uns sehr über das Engagement! Alle bisherigen Vorstandsmitglieder wurden einstimmig wiedergewählt, alle weiteren Traktanden wurden einstimmig von den Mitgliedern angenommen.

Zum Abschluss informierte Petra Tobias über die Entwicklungen des Projekts SBK-ASI Futuro. Alle Teilnehmenden der Hauptversammlung wurden zu einem abschliessenden Apéro ein geladen. Ergänzend zur letztjährigen ordentlichen Hauptversammlung muss noch eine Berichtigung kommuniziert werden: Die Hauptversammlung der NOTFALLPFLEGE SCHWEIZ wird weiterhin im Rahmen des Notfallpflege-Kongresses jeweils im Frühjahr stattfinden.

Ein mutiger Entscheid für die Zukunft der Pflege

Die ausserordentliche Delegiertenversammlung des SBK-ASI hat am 27. Februar 2025 dem Projekt SBK-ASI Futuro zugestimmt. Die Vertretung der professionellen Pflege in der Schweiz gibt dem Berufsverband durch diese Leitentscheide schlankere Strukturen und den Auftrag, einen neuen übergeordneten Dachverband zu gründen. Als Fachverband können wir uns als Gründungsmitglied am Dachverband beteiligen

und an der Entwicklung der Statuten und der Strategie mitwirken. Die Totalrevision der Statuten wird der Delegiertenversammlung am 18. Juni 2025 vorgelegt. Die weiteren Umsetzungsschritte werden im Jahr 2025 vollzogen.

Save the Date: Notfallpflege-Kongress vom 27. März 2026 in Bern

Die Eventkommission ist bereits wieder fleissig an der Vorbereitung des nächsten Notfallpflege-Kongresses, der am Freitag, 27. März 2026, in Bern stattfinden wird. Erlebe lehrreiche und spannende Referate, Workshops sowie Poster und freue dich auf interessante Gespräche mit deinen Berufskolleginnen und -kollegen. Das Programm und die Anmeldemöglichkeiten werden frühzeitig wieder auf notfallpflege-kongress.ch publiziert. Trage dir das Datum bereits ein!

Aktion: -25 % auf deinen Jahresbeitrag

Gewinne ein neues Mitglied für die NOTFALLPFLEGE SCHWEIZ und dein nächster Jahresbeitrag wird um 25 % reduziert! Profitiere jetzt von der Aktion und hilf mit, unsere Community zu vergrössern – vereint sind wir stark! Ausgenommen davon sind studierende Neumitglieder für das Jahr der Gratismitgliedschaft. Die Aktion ist nicht kumulierbar und wurde verlängert bis 31.12.2025.

EDITORIAL

Die «grüne Notaufnahme»

Haben Sie schon einmal den Begriff «The Green ED» (The Green Emergency Department, ED) gehört? Eine Bewegung, die im Ausland Aufschwung erlebt, jedoch in der Schweiz noch eher wenig Beachtung findet. Der Begriff «grüne Notaufnahme» bezieht sich auf eine Notfallstation, die nachhaltige und umweltfreundliche Praktiken in ihren Betrieb miteinbezieht. Dazu gehören energieeffiziente Designs, Abfallverringerung und umweltfreundliche Materialien. Dies ist Teil eines grösseren Trends hin zu nachhaltigeren Gesundheitseinrichtungen, die darauf abzielen, ihre Umweltauswirkungen zu reduzieren.

Eine Initiative des Royal College of Emergency Medicine (RCEM) zielt darauf ab, die Umweltbeeinträchtigungen von Notaufnahmen zu messen und zu reduzieren und so umweltverträgliche Praktiken innerhalb des Fachgebiets der Notfallmedizin zu fördern. Es wurden dazu evidenzbasierte Massnahmenpakete entwickelt, die zur Erreichung der Verbesserungsziele erforderlich sind. Die Umsetzung dieser Massnahmen unterstützt nicht nur die ökologische Nachhaltigkeit einer Notfallstation, sondern trägt auch zu finanziellen Einsparungen bei. Gleichzeitig fördert es die Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Patientenversorgung. Sollten wir uns also nicht auch in der Schweiz Gedanken machen? Bezeichnenderweise ist nebst der Industrie das Gesundheitswesen einer der grössten Verursacher von Treibhausgasen. Da stellt sich die Frage: Wo könnte man mit kleinen Massnahmen in den Spitälern und Notfallstationen ansetzen? Geht es dabei nur um den Ausstoss von Treibhausemmissionen oder auch um Prozessoptimierungen, die Entlastung des Pflegepersonals, den Rohstoffverbrauch, das Abfallmanagement, den Einsatz

von Mehrweg- statt Einwegmaterialien, Materialressourcen und Digitalisierung? Nachhaltigkeit hat viele Facetten. Auf der sozialen Ebene bedeutet sie, in der Pflege die Arbeitsbedingungen zu verbessern, die Abrechnung von Leistungen zu ermöglichen, das Personal zu halten, die berufliche Weiterentwicklung sowie den Wissenserhalt zu fördern, gerechte Löhne zu zahlen und faire Arbeitszeiten zu gewährleisten, um eine langfristige Zufriedenheit und Gesundheit des Pflegepersonals zu sichern. Nachhaltigkeit bedeutet deshalb nicht nur Klimaschutz, sondern auch Personalschutz sowie Gesundheitsschutz – alles zum Wohle der Patient:innen!

Möglicherweise steigert zukünftig das Label «Green ED» das Image und die Attraktivität eines Arbeitgebers. Wir werden es herausfinden, sobald das Thema auch in der Schweiz einen festen Platz gefunden hat.

Petra Valk-Zwickl, Mitglied Vorstand

NOTFALLPFLEGE SCHWEIZ

AGENDA

27.03.2026

Bern

Weitere Fort- und Weiterbildungen für die Notfallpflege findest du auf www.e-log.ch

SCHWEIZ

SCHWEIZ

Petra Valk-Zwickl

NOTFALLPFLEGEKONGRESS 2025:

NOTFALLPFLEGEKONGRESS 2025:

VON ENDOMETRIOSE ÜBER

KINDER- REANIMATION BIS ZU SUIZIDALITÄT

Der Notfallpflege-Kongress 2025 bot hochkarätige Vorträge, praxisnahe Workshops und wertvolle Gelegenheiten zum fachlichen Austausch. Mit über 280 Teilnehmenden und einer vielseitigen Industrieausstellung war die Veranstaltung ein voller Erfolg. Ein besonderer Dank gilt allen Referierenden, Sponsoren und Organisierenden, die diesen Kongress möglich gemacht haben.

Der diesjährige Notfallpflege-Kongress fand am Freitag, 28. März 2025, erstmals in der EVENTfabrik in Bern statt. Die moderne und gut erreichbare Kongresslokalität erwies sich als idealer Austragungsort für die Veranstaltung, die von über 280 Teilnehmenden besucht wurde.

In der Ausstellung, verteilt über zwei Etagen, konnten sich Industriefirmen wie auch Arbeitgeber den Besucher:innen präsentieren, was von beiden Seiten als sehr bereichernd empfunden wurde. Die enge Verzahnung von Fachvorträgen, Workshops und Networking-Gelegenheiten trug zur hohen Qualität des Kongresses bei. Unseren herzlichen Dank richten wir an dieser Stelle an unsere Goldsponsoren Promedical AG, Lindenhofgruppe, Sarstedt AG, Inselspital Bern und OZG Healthcare sowie an alle weiteren Ausstellerfirmen – ohne ihre Unterstützung wäre der Kongress in dieser Form nicht möglich.

Mit einer gemeinsamen Begrüssung eröffneten Petra Tobias und Dirk Becker, das Co-Präsidium von NOTFALLPFLEGE SCHWEIZ, offiziell den Kongress. Anschliessend leitete Prof. Dr. med. Wolf Hautz mit seinem Vortrag «REBOA – nur für Schwerverletzte?» den wissenschaftlichen Teil des Tages ein. Er präsentierte praxisnahe Einblicke in die Methode der Resuscitative Endovascular Occlusion of the Aorta (REBOA) und beleuchtete deren Anwendung in der Notfallmedizin.

Ein weiteres Highlight war das Referat von Dr. med. Cara Stötzel zum Thema «Der Drogen-Notfall – Was wir wissen müssen».

Sie thematisierte die Herausforderungen durch neue psychoaktive Substanzen (NPS) und gab wertvolle Handlungsempfehlungen für die Praxis der Notfallversorgung.

Parallel dazu fanden praxisorientierte Workshops zur Kinder-Reanimation statt. Barbara Würz und Mirjam Wälchli-Wanner vom Notfallzentrum für Kinder und Jugendliche am Inselspital Bern vermittelten den Teilnehmenden wichtige Fertigkeiten zur Versorgung kritisch kranker pädiatrischer Patient:innen.

Dr. med. Stephanie Verta und Dr. med. Ivo Fähnle präsentierten uns anschliessend das Krankheitsbild Endometriose. Sie machten deutlich, dass medizinisches Gaslighting und trivialisierende Diagnosen vermieden werden müssen, um Patient:innen optimal zu versorgen.

Nach der Mittagspause, während der die Industrie- und Posterausstellung besucht werden konnte, folgten vier spannende Impulsreferate:

• «Heisses Debriefing nach belastenden Ereignissen – Sind 5 Minuten zu viel?» von Karin Ambühl

• «Bildung im Fokus: Aktives Lernen im dynamischen Notfallumfeld» von Nicolas Fürer und Eleni Ress

• «Klinische:r Fachspezialist:in in der Notfallstation – Mehrwert oder nicht?» von Nicole Huber

• «Vorbereitet für den Ernstfall: Playmobil® Emergency» von Sarah Rauber Ein besonders sensibles Thema behandelte Ursula Bregenzer in ihrem Vortrag «Suizidalität – wie weiter nach einem Suizidversuch?» Sie unterstrich die Notwendigkeit einer sensiblen und professionellen Betreuung von Patient:innen mit suizidalen Krisen auf der Notfallstation.

Das offizielle Kongressprogramm schloss mit dem Vortrag von Prof. Dr. med. Vincent Ribordy, Chefarzt der Notfallstation am Freiburger Spital HFR und Co-Präsident SGNOR, zur Anerkennung und Entwicklung der Notfallmedizin in der Schweiz. Er beleuchtete den aktuellen Stand der

Bestrebungen für einen Facharzttitel in Notfallmedizin und diskutierte die Rolle der hochqualifizierten Notfallpflege in diesem Prozess.

Im Anschluss an die Vorträge fand die Hauptversammlung von NOTFALLPFLEGE SCHWEIZ statt, in der wichtige zukunftsweisende Themen für den Berufsstand besprochen wurden. Der Bericht dazu ist in den Verbandsnews und im Protokoll der Hauptversammlung nachzulesen.

Zum Abschied wurden alle Posterautor:innen verdankt. Der Posterpreis über Fr. 300.–ging an Patrick Droll für das Poster «Qualitätsindikatoren der Notfallpflege». Zudem durften wir der Gewinnerin des Ausstellerquiz einen grosszügigen Wellnessgutschein überreichen, welcher von der Universitätsklinik für Notfallmedizin des Insel spitals Bern gesponsert wurde –herzlichen Dank!

Die Eventkommission mit Lorena Meier, Claudia Ehrenzeller, Katharina Hasler, Katja Thienel und Ines Guzikowski (von links nach rechts)

Herzlichen Dank auch an die Eventkommission von NOTFALLPFLEGE SCHWEIZ! Dank ihrem Effort war der NotfallpflegeKongress 2025 erneut ein voller Erfolg mit hochkarätigen Referierenden, interaktiven Workshops und einem regen Austausch unserer Berufsgruppe.

Wir freuen uns bereits auf die nächste Ausgabe des Notfallpflege-Kongresses am Freitag, 27. März 2026, in Bern. Trag dir das Datum bereits ein!

KONTAKT: Remo Fürer Geschäftsführer NOTFALLPFLEGE SCHWEIZ info@notfallpflege.ch

KLIMA WANDEL GESUNDHEIT UND

EINE

HERAUSFORDERUNG FÜR DIE NOTFALLMEDIZIN

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet den Klimawandel als die grösste Gesundheitsbedrohung für die Menschheit, mit weitreichenden Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Gesundheit (1). Besonders Notfall-

zentren sehen sich wachsenden Herausforderungen gegenüber, da der Klimawandel die Häufigkeit und Intensität gesundheitlicher Notfälle erhöht. Diese Einrichtungen sind oft die ersten Anlaufstellen für Betroffene und

stehen vor der Belastung durch direkte und indirekte klimabedingte Einflüsse, die sowohl die medizinische Versorgung als auch die infrastrukturellen Kapazitäten stark beanspruchen.

Hitze – eine wachsende Gesundheitsbedrohung

Besonders Hitze wird in der Schweiz zunehmend zu einem ernsthaften Gesundheitsrisiko. Während warme Temperaturen oft als angenehm empfunden werden, erreichen sie immer häufiger ein kritisches Ausmass. Die Intensität, Dauer und Häufigkeit von Hitzeperioden nehmen weltweit zu, was erhebliche gesundheitliche Folgen mit sich bringt. Diese Entwicklung erfordert gezielte Anpassungsmassnahmen im Gesundheitswesen, um die steigenden Belastungen für die Bevölkerung und die medizinische Versorgung bewältigen zu können (2, 3).

Hitzebedingte Übersterblichkeit

Hitze trägt nicht nur zur Morbidität, sondern auch zur Mortalität bei. Die hitzebedingte Übersterblichkeit beschreibt eine erhöhte Sterberate während Hitzeperioden. Meist ist es nicht die direkte Hitzeeinwirkung, die zum Tod führt, sondern die Kombination aus Hitzeexposition und

vorbestehenden Erkrankungen. Dies erschwert die Erfassung und Sichtbarkeit hitzebedingter Todesfälle, da Hitze selten als direkter Sterbegrund erfasst wird (2, 3).

Besonders gefährdete Gruppen

Wie so häufig sind besonders ältere Menschen sowie Personen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Atemwegserkrankungen gefährdet. Auch Menschen mit Adipositas sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, da hitzebedingte Belastungen ihren Organismus zusätzlich beanspruchen. Zudem sind Säuglinge, Kleinkinder, Schwangere und sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen ebenfalls besonders anfällig für klimabedingte Gesundheitsfolgen, da sie oft über eingeschränkte Anpassungsmechanismen oder begrenzten Zugang zu Schutz- und Versorgungsmassnahmen verfügen (3, 5).

Physiologische Auswirkungen

extremer Hitze

Langanhaltend hohe Temperaturen stellen eine erhebliche Belastung für den Organismus dar. Der Körper reagiert mit Vasodilatation und verstärkter Schweissproduktion, um Wärme abzuführen. Diese Mechanismen können jedoch insbesondere bei Personen mit kardiovaskulären Vorerkrankungen zu einer erhöhten Kreislaufbelastung führen. Das Risiko für Herzinfarkte, ischämische Ereignisse und Synkopen steigt. Neben direkt hitzebedingten Erkrankungen wie Hitzschlag, Hitzeerschöpfung und Hitzekrämpfen können hohe Temperaturen auch bestehende Erkrankungen verschlimmern, insbesondere Atemwegserkrankungen, Diabetes mellitus und Nierenerkrankungen. Zudem steigt das Unfallrisiko, insbesondere für Stürze, aufgrund hitzebedingter Dehydratation (3, 6).

Hitze und Medikamente

Hitze kann die Pharmakokinetik und -dynamik vieler Medikamente beeinflussen. Besonders betroffen sind Antihypertensiva, Diuretika und Anticholinergika, die das Risiko für Kreislaufdysregulationen, Dehydratation und Perfusionsstörungen lebenswichtiger Organe erhöhen können. Auch Antidiabetika, Analgetika und Opiate zeigen unter hohen Temperaturen verstärkte Nebenwirkungen, was Auswirkungen auf die Medikamentensicherheit haben kann. Zusätzlich kann die Lagerfähigkeit temperaturempfindlicher Arzneimittel durch Hitze beeinträchtigt werden (3).

Weitreichende Gesundheitsfolgen des Klimawandels

Über die unmittelbaren Folgen der Hitzeexposition hinaus hat der Klimawandel weitreichende Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Die zunehmende Luftverschmutzung trägt zu einem Anstieg chronischer Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD bei, während veränderte klimatische Bedingungen die Verbreitung vektorübertragener Infektionskrankheiten wie Malaria und Dengue begünstigen, da sich die Lebensräume von Mücken und Zecken durch höhere Temperaturen ausdehnen. Darüber hinaus verschärfen Dürren und Ernteausfälle die Ernährungsunsicherheit, während Wasserknappheit die hygienischen Bedingungen verschlechtert und die Anfälligkeit für Infektionskrankheiten erhöht. Auch psychische Erkrankungen nehmen zu: Angststörungen, Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen treten vermehrt auf, insbesondere bei Menschen, die infolge klimabedingter Veränderungen zur Flucht oder Migration gezwungen sind (3, 6).

Strategien und Empfehlungen

Der Harvesting-Effekt – verzerrte Sterbestatistik

B esonders vulnerable Personen, deren Gesundheitszustand bereits stark eingeschränkt ist, sterben während langer und intensiver Hitzeperioden früher als unter normalen klimatischen Bedingungen. Dadurch kann es in den Wochen nach einer Hitzewelle zu einer temporären Abnahme der Sterberate kommen, da diese vorgezogenen Todesfälle bereits eingetreten sind (4).

Mehrere Institutionen und Gruppen befassen sich intensiv mit den Auswirkungen des Klimawandels auf das Gesundheitswesen sowie die Notfallmedizin und erarbeiten Strategien zur Anpassung. Besonders das Robert Koch-Institut (RKI) in Deutschland forscht aktiv zu klimabedingten Gesundheitsrisiken, insbesondere zu den Folgen extremer Hitze (3). Auch in der Schweiz erarbeiten Kantone Hitzeaktionspläne mit

spezifischen Massnahmen. Studien zeigen, dass erste Massnahmen vor allem die Sensibilisierung, Vorbereitung und Weiterbildung des medizinischen Personals in Notaufnahmen und Kliniken umfassen müssen (2, 6). Auch das RKI betont die Bedeutung dieser Massnahmen, um die Notfallmedizin gezielt auf hitzebedingte Gesundheitsrisiken vorzubereiten und eine effektive Versorgung sicherzustellen.

An der Universitätsklinik für Unfallchirurgie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg widmet sich das interdisziplinäre Forschungsprojekt «KlimaNot» der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen klimatischen Veränderungen und Notfallaufnahmen. Ziel des Projekts ist es, evidenzbasierte Strategien zur Optimierung der Notfallversorgung zu entwickeln. Dazu werden gezielte Massnahmen erarbeitet, die Notfallstationen dabei unterstützen, sich an die klimatischen Veränderungen anzupassen und eine klimaresiliente Notfallversorgung sicherzustellen (7).

Ein weiterer wichtiger Beitrag ist die im Jahr 2024 veröffentlichte S1-Leitlinie «Nachhaltigkeit in der Intensiv- und Notfallmedizin» der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Diese Leitlinie empfiehlt verschiedene Massnahmen zur ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit in der Notfall- und Intensivmedizin. Unter anderem werden neue

Organisationsstrukturen vorgeschlagen, wie die Einrichtung einer Stabsstelle für Nachhaltigkeit, die nachhaltige Massnahmen in Krankenhäusern koordiniert. Zudem wird die Einführung von «Green Teams» empfohlen, die als Expert:innen in Entscheidungsprozesse eingebunden werden und nachhaltige Konzepte aktiv fördern (8). Trotz aller Bemühungen zur Nachhaltigkeit bleibt die bestmögliche Versorgung der Patient:innen das oberste Ziel.

Abbildung 1: Modell der planetaren Grenzen Quelle: Stockholm Resilience Centre. (o. J.). Planetary boundaries. https:// www.stockholmresilience.org/ research/planetaryboundaries.html

Um den Herausforderungen des Klimawandels wirksam zu begegnen, müssen geeignete Strukturen geschaffen und bestehende Prozesse an die veränderten Bedingungen angepasst werden.

Fazit

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit sind weitreichend und stellen eine zunehmende Herausforderung für das Gesundheitswesen dar. Besonders die Notfallmedizin muss sich auf eine steigende Anzahl klimabedingter Notfälle und eine höhere Belastung der medizinischen Infrastruktur einstellen. Gleichzeitig trägt der Gesundheitssektor selbst erheblich zu den globalen CO2-Emissionen bei. Eine nachhaltige Transformation des Gesundheitssystems ist daher essenziell, um sowohl die medi-

Die planetaren Grenzen

Ein zentrales Konzept in diesem Zusammenhang ist das Modell der planetaren Grenzen. Diese neun Grenzen definieren die Belastbarkeit unseres Erdsystems und geben an, in welchen Bereichen menschliche Eingriffe kritische Schwellenwerte erreichen. Bereits sechs dieser Grenzen wurden überschritten, darunter der Klimawandel, der Verlust der Biodiversität und die Störung des Stickstoff- und Phosphorkreislaufs. Das Überschreiten dieser Grenzen hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Stabilität der ökologischen Systeme und damit auf unsere Lebensgrundlage (10).

Was macht die Klimapolitik?

Die aktuelle Klimapolitik konzentriert sich auf die Reduktion von Treibhausgasen, um die Erderwärmung zu begrenzen. Das Pariser Abkommen von 2015 setzt das Ziel, die Erderwärmung unter 2 °C, idealerweise 1,5 °C, zu halten. Die EU plant Klimaneutralität bis 2050 und will die Emissionen bis 2030 um 55 % senken. In der Schweiz soll das Klima- und Innovationsgesetz helfen, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen.

Trotz dieser Bemühungen gibt es Kritik an der Wirksamkeit der aktuellen Klimapolitik. So wurde beispielsweise die Schweiz in einem Klimaschutz-Ranking herabgestuft, da die derzeitigen Massnahmen als unzureichend angesehen werden, um das 1,5 °C-Ziel einzuhalten (9).

Abbildung 2: Direkte und indirekte Effekte von Hitze auf die Gesundheit Quelle: Winklmayer, C., Matthies-Wiesler, F., Muthers, S., Buchien, S., Kuch, B., An Der Heiden, M., & Mücke, H.-G. (2023). Hitze in Deutschland: Gesundheitliche Risiken und Massnahmen zur Prävention. https://doi. org/10.25646/11645

Abbildung 3: Klimawandel und Gesundheitsrisiken

Der Klimawandel wirkt sich sowohl direkt als auch indirekt auf die Gesundheit aus und wird stark durch ökologische, soziale und gesundheitliche Determinanten beeinflusst. Quelle: WHO. (2023). Climate change. World Health Organization. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/climate-change-and-health

zinische Versorgung als auch den ökologischen Fussabdruck zu optimieren. Die Anpassung an den Klimawandel erfordert präventive Massnahmen, eine klimaresiliente Infrastruktur und eine abgestimmte medizinische Versorgung, um die Gesundheit der Bevölkerung und auch unsere Umwelt langfristig zu schützen.

Literaturverzeichnis auf notfallpflege.ch/help

KONTAKT:

Eleni Ress

Masterstudentin in Pflege

Fachleiterin Pflege Notfallzentrum, Universitätsspital Notfallzentrum Basel eleni.ress@usb.ch

KINÄSTHETIK

AUF DER NOTFALLSTATION:

EIN NACHHALTIGER ANSATZ

ZUR FÖRDERUNG DER GESUNDHEIT

DES PERSONALS

Das Pflegepersonal in der Notfallmedizin ist täglich hohen körperlichen Belastungen ausgesetzt. Besonders das Umlagern und Mobilisieren von Patient:innen stellt ein erhebliches Risiko für muskuloskelettale Beschwerden dar. Trotz ergonomischer Schulungen und Hilfsmitteln setzen sich in stressreichen Situationen oft ineffiziente und belastende Techniken durch. Kinästhetik bietet einen vielversprechenden Ansatz, um nicht nur die Gesundheit des Pflegepersonals nachhaltig zu schützen, sondern auch Patient:innen ressourcenorientiert zu unterstützen.

Die Universitätsklinik für Notfallmedizin (UKN) behandelt jährlich ca. 53500 Patient:innen pro Jahr (Stand 2023), mit steigender Tendenz. Dies entspricht etwa 146 Fällen pro Tag. Rund 14500 dieser Patient:innen wurden 2023 mit dem Rettungsdienst eingeliefert, also durchschnittlich 40 pro Tag.

Pflegefachpersonen und Ärzt:innen auf der Notfallstation sind dabei regelmässig mit körperlich anspruchsvollen Tätigkeiten konfrontiert, darunter:

 Häufiges Umlagern und Mobilisieren, teilweise unter Zeitdruck

 Betreuung von Patient:innen mit eingeschränkter Eigenbewegung, wovon die Personengruppe der älteren, gebrechlichen Patient:innen ab 65 Jahren zunimmt (1).

 Transfer schwerverletzter oder bewusstloser Patient:innen (diese Personengruppe wird hier nicht vertieft)

Besonders problematisch ist die Praxis, Patient:innen von der Ambulanzliege mit Tüchern anzuheben und auf das UKN-Bett zu hieven. Diese Technik verlangt den Mitarbeitenden vollen Krafteinsatz ab und birgt gesundheitliche Risiken. Das abrupte Hochheben von Patient:innen – mehrmals pro Tag – ist eine hohe körperliche Belastung, insbesondere unter Berücksichtigung der hohen Anzahl von Patient:innen und der damit verbundenen Transfers und Umlagerungen für die Bildgebung. Die wiederholte Belastung der Wirbelsäule kann langfristig zu bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule und allgemeinen muskuloskelettalen Rückenschmerzen führen (2).

Abbildung 1:

Unter Einsatz eines Hilfsmittels nimmt ein Patient aktiv an der Bewegung teil.

Delirrisiko durch unsachgemässe Transfertechniken

Unter Zeitdruck werden veraltete Transfertechniken unkritisch innerhalb des Teams weitergegeben und von neuen oder jüngeren Mitarbeitenden in künftigen Situationen weiter angewendet. Oft wird angenommen, dass Patient:innen keine Eigenleistung erbringen können, weshalb das Heben und Tragen als zeitsparender erscheint. Damit werden je-

doch die Ressourcen der Patient:innen vernachlässigt, die wiederum zur körperlichen Entlastung der Pflegenden beitragen würden. Gleichzeitig können solche «Hauruck»-Transfermethoden dazu führen, dass Patient:innen die Kontrolle über ihre eigenen Bewegungsmöglichkeiten verlieren, was Verunsicherung und Angst auslösen kann. Je älter und polymorbider ein Mensch ist, desto grösser wird das Risiko für Verwirrtheit, herausforderndes Verhalten und die Entwicklung von deliranten Zuständen, was erfahrungsgemäss einen höheren Zeit- und Betreuungsaufwand nach sich zieht. Dabei beträgt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Patient:innen in der UKN bereits heute 3 bis 8 Stunden.

Kinästhetik: Ein Ansatz für präventions- und ressourcenorientiertes Arbeiten

Definition: Kinästhetik ist ein Fachgebiet, das sich mit der Entwicklung der Bewegungskompetenz als einer der zentralen Grundlagen des menschlichen Lebens auseinandersetzt (3). Die Kinästhetik beschäftigt sich in Bezug auf die Bewegungskompetenz unter anderem mit zwei zentralen Fragen:

 Wie können unterstützende Personen ihre eigenen Bewegungsmöglichkeiten gesundheitsfördernd nutzen und weiterentwickeln?

 Wie können die Patient:innen unterstützt werden, ihre (aktuellen) Bewegungsmöglichkeiten gesundheitsfördernd zu nutzen und weiterzuentwickeln?

Die UKN hat im Rahmen der obligatorischen Weiterbildungen GPT (Geräte-Prozeduren-Tage) einen «KinästhetikPosten» eingeführt. Mitarbeitende können hier verschiedene Transfer- und Mobilisationstechniken selbst erfahren, üben und reflektieren. Die Selbsterfahrung spielt dabei eine zentrale Rolle, da Bewegungskompetenz und Bewegungsmöglichkeiten individuell sind, jedoch auf universellen Prinzipien basieren. Dabei bezieht sich die Kinästhetik auf die Wissenschaft und Praxis der Bewegungswahrnehmung und -steuerung.

Zum Verständnis von effektiven physiologischen Bewegungsabläufen sind die Kinästhetik-Konzepte unabdingbar. Sie bieten ein Instrument, um Bewegungsprozesse sowohl bei sich selbst als auch bei Patient:innen zu reflektieren, zu analysieren und davon ausgehend schonendere Varianten zu entwickeln.

Werden Patient:innen gehoben, insbesondere in schnellem Tempo, führt dies bei ihnen oft zu Kontrollverlust und Beeinträchtigung der räumlichen und inneren Orientierung. Die Reaktion ist häufig eine erhöhte Körperspannung, die wiederum die eigene Beweglichkeit beeinträchtigt. Dies kann sehr gut mit dem Modell der Bewegungssteuerung, der FeedbackControl-Theorie erklärt werden.

Abbildung 2:

Bewegungsaktivitäten unter verschiedenen

Aspekten

Quelle: European Kinaesthetics Association (Hg.), Kinaesthetics Konzeptsystem

Nachhaltigkeit durch Bewegung

Das Motto «Bewegen statt Heben» hat eine nachhaltige Wirkung. Nachhaltigkeit bedeutet in diesem Kontext, natürliche Bewe gungsprinzipien zu nutzen, um langfristig gesundheitliche Belastungen zu reduzieren und Ressourcen effizient einzusetzen (4).

Durch gezielte Bewegungsstrategien können Arbeitsbelastung und Verletzungsrisiken minimiert werden. Zudem steigert der gezielte Einsatz von Hilfsmitteln wie Rollbrettern oder Gleittüchern die Arbeitseffizienz und Patientensicherheit. Diese Hilfsmittel unterstützen eine kontrollierte Gewichtsverlagerung und reduzieren Scher- und Reibekräfte. Statt Patient:innen kraftaufwendig zu heben, können sie durch das Gleiten auf unterstützenden Flächen selbst aktiver an der Bewegung teilnehmen.

Ein strukturierter Transfer mit Hilfsmitteln verbessert nicht nur die körperliche Wahrnehmung der Patient:innen, sondern auch ihre Orientierung im Raum. Die Eigenaktivierung, beispielsweise durch das bewusste Anheben des Kopfes während des Transfers mit einem Rollbrett, führt zu einer gezielten Aktivierung der Nackenmuskulatur, fördert die Körperwahrnehmung und stabilisiert den Kreislauf (5).

Für das Pflegepersonal bedeutet die konsequente Anwendung von Kinästhetik und Transferhilfen eine präventive Entlastung des Bewegungsapparates. Die Integration des Prinzips «Bewegen statt Heben» in den Arbeitsalltag kann langfristig Überlastungsschäden vor-

beugen und trägt somit zur Nachhaltigkeit in der Notfallpflege bei.

Fazit

Kinästhetik stellt auf der Notfallstation einen nachhaltigen Ansatz zur Förderung von Gesundheit, Effizienz und Sicherheit dar:

 Schutz des Pflegepersonals durch reduzierte körperliche Belastung

 Schonende, aktivierende Betreuung der Patient:innen mit Einbezug ihrer Ressourcen

 Effiziente Nutzung von Zeit, Kraft und Hilfsmitteln

Eine systematische Integration von Kinästhetik in den Arbeitsalltag sowie regelmässige Schulungen sind entscheidend, um langfristig eine hohe Arbeitsqualität und die Gesundheitsförderung für alle Beteiligten sicherzustellen.

Literaturverzeichnis auf notfallpflege.ch/help

KONTAKT:

Katarzyna Schafer

Dipl. Expertin Notfallpflege NDS HF, Peer Tutorin Kinaesthetics Universitätsklinik für Notfallmedizin, UKN Inselspital Bern, Universitätsspital Bern 3010 Bern katarzyna.schafer@insel.ch

Marlène Richner

Spezialistin für angewandte Kinästhetik, Dipl. Expertin Intensivpflege NDS HF Universitätsklinik für Intensivmedizin, IIMC Inselspital, Universitätsspital Bern 3010 Bern marlene.richner@insel.ch

EINLADUNG ZUM

notfallpflege.ch/symposium

Skills Day: Emergency Nurses in Action

IMPRESSUM

Herausgeberin

NOTFALLPFLEGE SCHWEIZ

Fachredaktion

Thomas Dreher, Elisabeth Hillan, Patrizia Mundel, Linda Polier, Petra Valk-Zwickl (Vertretung des Vorstands)

Redaktion redaktion@notfallpflege.ch

Layout

Christiane Pommerien

wamag | Walker Management AG

Bahnhofstrasse 7b, 6210 Sursee wamag.ch 041 926 07 70

Abonnemente / Inserateverwaltung

NOTFALLPFLEGE SCHWEIZ

Bahnhofstrasse 7b, 6210 Sursee 041 926 07 63 info@notfallpflege.ch

Insertionspreise notfallpflege.ch/help

Auflage 1300

Druck

Multicolor Print AG

Sihlbruggstrasse 105a, 6341 Baar

Erscheinung

HELP 1/2025 Mai 2025 7. Jahrgang

Copyright Die Rechte der Herausgeberin und der Autor:innen bleiben vorbehalten. Eine Weiterverarbeitung, Wiederveröffentlichung oder Vervielfältigung zu gewerblichen Zwecken ohne vorherige Zustimmung der Autorenschaft oder der Herausgeberin ist nicht gestattet.

Genderneutrale Sprache

NOTFALLPFLEGE SCHWEIZ setzt, wo sinnvoll und möglich, eine geschlechterneutrale Formulierung ein. Zusätzlich zu den neutralen Formulierungen und den substantivierten Partizipien im Plural (z. B. Studierende) wird der Gender-Doppelpunkt angewendet.

Bildnachweis: Wenn nicht anders vermerkt, sind die Bilder auf den nachfolgend aufgeführten

Seiten von Adobe Stock:

Titelseite: Robert Kneschke

Seite 6: Cosmic Edge (generiert mit KI)

Seite 7: Robert Kneschke

Seiten 8, 9: David Kreuzberg

Seite 13: safu designe

Seite 19: Rungruedee

NACHHALTIGKEIT IN DER DIENSTPLANUNG

Nachhaltigkeit wird oft nicht mit der Dienstplanung im Pflegebereich in Verbindung gebracht, dabei ist sie entscheidend für die Zufriedenheit und Gesundheit der Mitarbeitenden sowie die Pflegequalität. In diesem Artikel zeigt die Autorin, wie durchdachte Arbeitszeitmodelle und ein respektvoller Umgang mit den Ressourcen der Mitarbeitenden die Arbeitsbedingungen verbessern und die langfristige Bindung an den Pflegeberuf fördern können.

Wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen, denken wir nicht sofort an die Dienstplanung in der Pflege. Die Vereinten Nationen (UN) definieren Nachhaltigkeit wie folgt: «Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden ...» (1). Setzen wir die Gegenwart mit dem Personal einer Notfallstation gleich, muss die Dienstplanung so gestaltet sein, dass die Bedürfnisse der Mitarbeitenden berücksichtigt werden und für alle ein positiver Beitrag entsteht. Ziel ist es, dass alle so lange wie möglich gesund im Arbeitsleben sind und bleiben. Daher ist es sinnvoll, in diese Ressource zu investieren, um eine nachhaltige Zukunft der Pflege zu sichern.

Zielgerichtete Arbeitszeitmodelle

Die Dienstplanung beeinflusst nicht nur die Zufriedenheit und Gesundheit der Mitarbeitenden, sondern sichert gleichzeitig die Qualität der Pflege und den langfristigen Erhalt von Pflegefachpersonen im Beruf. Bei der nachhaltigen Dienst-

planung geht es um mehr als die kluge Verteilung von Arbeitszeiten und Schichten. Es geht darum, Arbeitszeitmodelle zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Mitarbeitenden gerecht werden, um die Pflege als Beruf zukunftsfähig zu gestalten.

Einbindung der Mitarbeitenden

Innerhalb unseres Leitungsteams haben wir uns gefragt, welche Veränderungen im Dienstplan dazu beitragen könnten, den Verbleib in der Pflege zu sichern und Arbeitszeiten sowie Schichtverteilungen attraktiver zu gestalten. Wie lassen sich die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und die langfristige Berufsbindung – unabhängig von der jeweiligen Lebensphase –mit den Anforderungen des notfallmedizinischen Alltags in Einklang bringen? Dabei sollten alle Schichten abgedeckt und ein reibungsloses Tagesgeschäft gewährleistet sein. Welche Personengruppen mit welchen Skills benötigen welche Verbesserungen? Haben alle Generationen, die am selben Arbeitsplatz tätig sind, die gleichen Bedürfnisse? Wie können wir den 3-Schichtbetrieb so gestalten, dass alle zufrieden sind und gut mit ihren Arbeitszeiten zurechtkommen?

Vorschläge für flexible Dienstzeiten

Um diese Fragen gemeinsam mit den Mitarbeitenden zu erörtern, haben wir zunächst im Leitungsteam folgende Vorschläge erarbeitet und dem Team vorgestellt:

a) 12-Stunden-Schichten

b) 100 % verdienen und 90 % arbeiten

c) über das ganze Jahr 50 % verdienen

(6 Monate 100 % arbeiten, im zweiten Halbjahr nicht arbeiten)

d) 24-Stunden-Abdeckung durch mehrere

Mitarbeitende: Niederprozentig angestellte Mitarbeitende können sich in Selbstorganisation 24 Stunden durch unterschiedlich lange Dienste aufteilen, zum Beispiel: 1 Person 4 Stunden, zweite Person 9 Stunden, dritte und weitere Personen je 2 Stunden usw. bis 24 Stunden abgedeckt sind.

Die verschiedenen Modelle konnten vom Team priorisiert werden.

Gesetzeskonforme Umsetzung und Herausforderungen

Selbstverständlich haben wir uns im Vorfeld mit der Personalabteilung abgestimmt und uns abgesichert, dass die vorgeschlagenen Modelle und Arbeitszeiten unter Berücksichtigung der gesetzlichen Pausenvorgaben umsetzbar sind (2). Bei dieser Prüfung schieden die Modelle b) und c) aus gehalts- und versicherungstechnischen Gründen aus.

Dienstzeiten

Wir haben auch verschiedene Dienstzeiten diskutiert, wie beispielsweise einen zusätzlichen halben Spät- und Nachtdienst, um die Personaldecke den Patienteneintrittszahlen besser anzupassen. Darüber hinaus haben wir überlegt, einen bereits bestehenden Dienst zeitlich so zu verschieben, dass wir den Schwankungen der Patienteneintritte im Notfallzentrum und dem damit verbundenen hohen Workload besser begegnen können (3).

Die Vorgaben des Spitals sehen vor, dass die hundertprozentige Aufnahme und Behandlung aller Patient:innen gewährleistet ist. Wir sind von der Dienstplanung her verpflichtet, alle Schichten abzudecken.

Anpassungen an Alter und Berufserfahrung

Zusätzlich zu den verschiedenen Arbeitszeitmodellen und Dienstzeiten haben wir eine Analyse der Altersgruppen unserer Mitarbeitenden gemacht und im Sinne der Nachhaltigkeit folgende Regelungen getroffen:

 Mitarbeitende über 50 Jahre müssen nur noch auf freiwilliger Basis Nachtdienste leisten

 Mitarbeitende über 60 Jahre dürfen ihre Dienstpläne komplett selbst gestalten

Weiter streben wir an, alle Mitarbeitenden im Dienstplan so einzuteilen, dass sie den Patientengruppen zugeordnet werden, die sie fachlich auch versorgen können. Das Planblatt wurde unterteilt in «Pflegegruppe Juniors» (bis ein Jahr Notfall-Erfahrung), «Pflege Seniors» (ab zwei Jahren Notfall-Erfahrung), «Studierende NDS» und «Expert:innen NDS HF». Die Mitarbeitenden werden entsprechend in die verschiedenen Behandlungssektoren eingeteilt.

Positiver Effekt: Mitarbeitende fühlen sich weniger überbelastet und überfordert durch zu anspruchsvolle und komplexe Patientensituationen.

Perzentil Max Min 15. Perzentil Median

Herausforderung: Die Anforderungen an die Dienstplanung und Schichtleitung steigen, da das Personal entsprechend der Erfahrung und Fähigkeiten eingeplant werden muss. Die Patientenströme sind nicht beeinflussbar, weshalb das Modell nicht immer zu 100 % umsetzbar ist.

Erfolg der 12-Stunden-Dienste

Ein weiterer Schritt war die Einführung des 12-Stunden-Dienstes auf freiwilliger Basis: 12 Stunden Tagdienst oder 12 Stunden Nachtdienst. Es erforderte etwas Anlaufzeit, aber inzwischen arbeitet bereits rund ein Drittel der Belegschaft in 12-Stunden-Diensten. Einige Mitarbeitende absolvieren inzwischen ausschliesslich 12-Stunden-Dienste. Zudem wurde ein 12-Stunden-Spätdienst eingerichtet, der einen normalen Spätdienst mit einem halben Nachtdienst kombiniert.

Positiver Effekt: Der Bedarf an Spätdiensten sinkt, was eine Verbesserung darstellt, da diese nicht bei allen Mitarbeitenden beliebt sind. Weiter können durch regelmässige 12-Stunden-Dienste viel mehr Stunden (Überstunden und Schichtbonus) generiert werden, die am Stück kompensiert werden können. Vor allem

Statistik der Patienten-Eintritte nach Tageszeit (eigene Darstellung)

junge Mitarbeitende schätzen diese Arbeitsweise, da sie mehr Freizeit am Stück geniessen können, ohne ihr Pensum reduzieren zu müssen, denn eine Reduktion der Arbeitszeit können sich gerade junge Mitarbeitende oft nicht leisten.

Die Tag-Nacht-Umstellung beim 12-Stunden-Spätdienst ist weniger einschneidend. Es gibt zusätzlich einige Schichtbonusstunden mehr für mehr Freizeit, und weniger ganze Nachtschichten für diejenigen, die Nachtdienst nicht gut vertragen.

Herausforderung: Die Anforderungen an die Dienstplanung steigen, da eine sorgfältige Verteilung der Schichten notwendig ist, um überall eine gute Abdeckung zu gewährleisten.

Familienfreundliche Regelungen

Durch die Berechnung der Wochenendarbeitszeit pro Mitarbeitenden und Jahr haben wir herausgefunden, dass Mitarbeitende mit einem Pensum von 50 % und weniger nur noch ein Wochenende pro Monat arbeiten müssen, sofern sie dies wünschen. Eltern können nach der Geburt eines Kindes im ersten Jahr nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz selbst fest-

legen, an welchen Tagen sie arbeiten möchten. Zu Beginn sind die Schichtarten auf zwei Modelle beschränkt; danach wird die Planung in regelmässigen Gesprächen an die Bedürfnisse der Familie angepasst. Unbezahlte Urlaube können allen Mitarbeitenden auf Wunsch bis zu maximal 12 Monate gewährt werden.

Ausgangslage / Idee

 Anstellung 50 %

 Jahresarbeitszeit

 Einsatz 6 Monate 100 %, 6 Monate 0 %

 Start jeweils mit 6 Monaten 100 % (Vorleistung des Mitarbeitenden)

Abklärungen (Rechtsdienst sowie Leitung HR Services)

mögliche Alternative

 rechtliche Komponente

o zusätzliche Regelung notwendig, die verschiedene Szenarien abdeckt (z. B. Kündigung nach 8 Monaten, Ferienregelung etc.)

o restliches Rechtsrisiko bleibt bestehen

 Sozialversicherungen (KTG, Unfall, SMU, PK, AHV etc.)

o betreffend Sozialversicherungen sehr heikel und nicht in dieser Form möglich, bspw. wird bei einem Unfall sehr strikt geprüft, ob 8 Stunden/ Woche erreicht wurden

100 % Anstellung unbefristet mit Vereinbarung UBU

6 Monate

 Sozialversicherungen (Unfall, KTG, PK etc.) sind davon nicht betroffen und liegen in der Verantwortung des Mitarbeitenden

Fazit:

Ein Schritt in die richtige Richtung

Insgesamt können wir auf eine erfolgreiche und auch nachhaltige Umsetzung unserer Dienstplanumstellung zurückblicken. Uns ist bewusst geworden, wie viel Mut es anfangs benötigte, solche Schritte zu gehen und sich im Leitungsteam einig zu sein, dass wir uns bedingungslos für Verbesserungen einsetzen wollen. Ein kontinuierlicher Austausch mit den Mitarbeitenden ist entscheidend, um ihre Wünsche und Bedürfnisse zu berücksichtigen. Bereits jetzt zeigt sich ein sehr positiver Effekt: Im vergangenen Jahr hatten wir deutlich weniger Kündigungen, und die Absenzquote sank merklich (4).

Zudem profitieren Patient:innen in ihrer Behandlung von ausgeruhtem Personal, das kompetent und leistungsfähig ist und somit alle Voraussetzungen für eine qualitativ hochwertige Pflege erfüllt.

Selbstverständlich werden wir weiterhin an weiteren Verbesserungen arbeiten und diese umsetzen. Mit der Zeit wird es immer einfacher, darauf zu vertrauen, dass positive Veränderungen möglich sind und umgesetzt werden können.

Literaturverzeichnis

1. Lexikon des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung : https://www.bmz.de/de/service/ lexikon/#lexicon=14700

2. internes Dokument des Universitätsspitals Basel

3. eigene Darstellung auf Basis der Aufnahme-, Behandlungs- und Bewegungsdaten vom Notfallzentrum des Universitätsspitals Basels

4. internes Dokument der HR-Abteilung des Universitätsspitals Basel

KONTAKT: Katharina Matheis Dipl. Expertin Anästhesiepflege NDS HF Klinikleiterin Pflege, Notfallzentrum, Universitätsspital Basel kathrin.matheis@usb.ch

KOLUMNE

DER (ABSOLUTE) NOTFALL

Wissen ist eine Ressource, die sich vermehrt, wenn man sie teilt. Was für ein wunderbar nachhaltiger Gedanke. In unserer letzten Redaktionssitzung haben wir über eine Website (emergencypedia. com) diskutiert, die genau das macht: Wissen aus der Welt der Notfallmedizin unter verschiedenen Professionen teilen. Die Plattform folgt dabei der Wertvorstellung von FOAMed (Free Open Access Medical Education) und lebt Nachhaltigkeit in ihrer reinsten Form: interprofessionell geteiltes Wissen rund um das Thema Notfallmedizin – und dies kostenfrei. Die Vision dahinter ist, dass das Teilen von Wissen und vor allem von Erfahrung der beste Weg ist, die zukünftige Arbeit der Notfallmedizin zu verbessern.

Ich finde diesen Gedanken so unglaublich inspirierend und habe mich gefragt, wie es bei uns in der Schweiz damit aussieht? Teilen wir unser Wissen nachhaltig, so dass alle, die möchten, auf die ein oder andere Weise partizipieren können? Wenn Sie sich in Ihrem Spital umschauen, in welchen Bereichen wird Wissen geteilt und ist für alle zugänglich? Sicherlich bei Standards, sei es in Pflege, Hygiene oder Medizin. Doch wie sieht es in der Grund-, Aus- und Weiterbildung aus? Oder auch beim Thema des gemeinsamen Lernens und Teilens unter verschiedenen Professionen? Teilen Sie auf Ihrem Notfall Ihre Erfahrung und auch Ihr Wissen mit anderen Stationen, Funktionsbereichen oder anderen Professionen bzw. Fachdisziplinen? Mein rein subjektiver Eindruck ist, dass alle ihr eigenes Süppchen kochen und wir nur in wenigen Bereichen Ressourcen sparen und voneinander profitieren. Wäre es nicht durchaus nachhaltig, wenn wir in der Notfallpflege und -medizin interprofessionell und schweizweit einen offen geteilten Wissensaustausch hätten? Ein erfüllbarer Traum? Es gibt vielversprechende Ansätze: Notfallmedizi-

ner:innen haben mit Emerge spitalübergreifende Trainings gestartet (emergeedu.com). Auch die Notfallpflege in der Schweiz teilt Wissen (notfallpflege.ch) und bietet Austauschmöglichkeiten. Es gibt Podcasts wie «Fasttrack» und noch einige andere gute Beispiele des Erfahrungsaustausches, und dennoch scheint es zurzeit noch so zu sein, dass jede Notfallstation auf eigene Lösungen und Ansätze bei der Wissensvermittlung in Grund-, Aus- und Weiterbildung setzt. Ist dies nicht eine grosse Ressourcenverschwendung?

Es ist paradox: Wir sind auf dem Notfall darauf getrimmt, effizient, flexibel und offen zu sein für jegliche Situation, die kommt. Wir wissen also, wie man bedacht und nachhaltig mit Ressourcen umgeht. Warum tun wir es dann nicht? In Zeiten digitaler Vernetzung kann Wissensaustausch doch keine Rocket-Science mehr sein. Digitale Plattformen, spitalübergreifende Trainings und offener Austausch könnten Ressourcen sparen – und dabei die Qualität der Ausbildung vermutlich sogar verbessern. Wir alle haben doch im Austausch mit anderen Expert:innen der Notfallpflege schon erlebt, dass die Kolleg:innen vielleicht unglaublich inspirierende Ideen und Erfahrungen haben, von denen wir auch profitieren könnten. Ich denke, dass all unser Wissen, unsere Erfahrungen und vor allem auch unsere gemachten Fehler es wert sind, geteilt zu werden. Wäre eine übergreifende Fehlerkultur, in der zum Beispiel unsere CIRS-Fälle nicht nur spitalintern, sondern über Häuser hinweg geteilt werden, nicht ein enormer Fortschritt?

Natürlich gibt es Herausforderungen: Datenschutz, finanzielle Mittel, organisatorische Hürden, vielleicht auch Eitelkeiten. Doch sollten wir uns von Bürokratie und alten Denkmustern bremsen lassen, wenn am Ende eine bessere Notfallversorgung damit einhergeht? Nachhaltig-

keit bedeutet, langfristig zu denken –und das geht viel einfacher gemeinsam. Für mich persönlich ist das Teilen von Wissen eine der nachhaltigsten Investitionen in die Zukunft. Die Frage ist nicht, ob wir uns das leisten können – sondern, ob wir es uns leisten können, es nicht zu tun. Was denken Sie? Fortschritt oder Wunschdenken? In unserem Team haben wir angefangen, Wissen systematisch zu teilen – mit einem Bildungskonzept, das alle – das gesamte Team – einbindet und mittlerweile auch nach aussen getragen wird. Für mich ein Anfang … In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, dass Sie Teil eines gern teilenden Teams sind.

Patrizia Mundel

DER NOTFALLSTATIONEN

IN DER SCHWEIZ FINANZIERUNG

EINE SEIT JAHRZEHNTEN UNGELÖSTE SITUATION

Das wichtigste Tarifsystem für unsere Notfallstationen ist TARMED. Dessen Entwicklung ist ab 1996 praktisch stillgestanden. Zu dieser Zeit waren ausnahmslos alle versorgungsrelevanten Notfallstation durch die Kantone subventioniert worden. TARMED hat somit nie Lösungen für die Abgeltung notfallspezifischer Behandlungen und schon gar nicht für sogenannte Vorhalteleistungen vorgesehen oder bereitgestellt.

Die Entwicklung von TARMED muss aus der Perspektive einer Idee aus den 80er-Jahren beurteilt werden. TARMED war sogar als stationäres Finanzierungssystem vorgesehen, lange vor der DRGDiskussion. Doch zuerst sollten die Einnahmemöglichkeiten einer Notfallstation etwas genauer beleuchtet werden.

Einnahmequellen der Notfallstationen

In der versorgungsrelevanten Notfallstation, in diesem Artikel geht es nur um diese, werden alle eintretenden Patient:innen triagiert und einer Beurteilung oder Behandlung zugewiesen. Es besteht eine generelle Aufnahmepflicht. Diese Aufnahmen werden zum grössten Teil dann unter TARMED abgerechnet.

Ein kleiner Teil der eingetretenen Patient:innen wird hospitalisiert und stationär aufgenommen. Diese Patient:innen

werden dann über eine DRG in der Austrittsklinik abgerechnet. Geld von diesen Patient:innen fliesst keines, aber die Notfallstation erhält eine buchhalterische Gutschrift (interne Leistungsverrechnung ILV).

Das absolut vorherrschende Leistungsset besteht somit aus Konsultation, Diagnostik, Erstbehandlung und Berichterstellung. In ihrer Wichtigkeit seien folgende Einnahmenquellen dargestellt:

 TARMED

 Interne Leistungsverrechnungen von Bettenstationen und Diagnostikabteilungen

 Subventionen (Cave: nicht alle Kantone leisten Subventionen)

 Margen aus Material und Medikamenten (wenig relevant)

 Spenden (kaum existent)

Steigende Anforderungen

Die Leistungen nehmen in der Quantität jedes Jahr zu. Diese Zunahme ist getrieben von mehr Eintritten, verbesserten Diagnosemöglichkeiten und – nicht zu unterschätzen – jährlich neuen Auflagen und Vorschriften. Letztlich muss die Arbeit von Menschen verrichtet werden, diese Menschen benötigen Arbeitsmittel und Raum, um effiziente Prozesse um den Notfall-Eintritt gestalten zu können. Wir alle wissen, dass es somit an den wichtigsten Ressourcen mangelt. Unter-

stützen denn TARMED oder nachfolgende Tarifwerke die Arbeit in einer Notfallstation?

Herausforderungen durch unzureichende Tarifstrukturen

Positiv ist, dass die selektive Besserstellung der Grundversorger (Hausärzt:innen) durch den Bund auch Wirkung in den Notfallstationen zeigt. Eine Konsultation ist heute leicht besser vergütet als vor 2018. Demgegenüber stehen eine nicht abgebildete Lohnentwicklung der letzten 25 Jahre und aus der jüngeren Geschichte weitere Teuerungen, die nie in die Tarifstruktur eingeflossen sind.

TARMED ignoriert mehrheitlich auch pflegerische Leistungen, insbesondere das Betreuungsverhältnis 1:1 und 1:2 ist nicht abbildbar und mit den wenigen Möglichkeiten, die TARMED in diesem Bereich bietet, kann die Pflege nicht entwickelt werden, weil sie nicht bezahlt wird. Wir können somit Lösungen wie sie im Ausland schon seit 20 Jahren genutzt werden in der Schweiz nicht nutzen.

Hoffen wir für die Möglichkeiten der Pflege, auf eine Weiterentwicklung der kommenden Tarifstrukturen TARDOC und Pauschalen, damit hier endlich mehr Mittel für diese Entwicklung zugeteilt werden.

Interne Lösungen und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen

Zur besseren Bewältigung der stetig steigenden Eintritte, werden nach der Triage viele Fälle im Rahmen einer internen «Hausarztpraxis» behandelt und versorgt. Hier bieten die Spitäler den niedergelassenen Ärzt:innen auch Entlastungsmöglichkeiten in der obligatorischen Dienstpflicht, meist zu Ungunsten der eigenen Erfolgsrechnung.

Die Bedeutung der Vorhalteleistungen

Die Notfallstation 24/365 mit öffentlichem, uneingeschränktem Zugang, einer unabdingbaren Aufnahmepflicht und meistens auch mit pädiatrischem Angebot wird mindestens 5 ärztliche Dienstlinien medizinischer Fachbereiche führen müssen. Zudem steht ein Not-OP zur Verfügung und die entsprechenden Teams sind auf Abruf. Diese unabdingbare Organisation des «Bereithaltens» kostet viel Geld und wird als Vorhalteleistung bezeichnet. Ohne diese ist ein effizienter Notfallbetrieb weder ambulant noch stationär möglich.

Es sind denn auch diese Notfallstationen, welche die eigentliche Ausbildung junger Ärzt:innen in diesem wichtigen Lernbereich stemmen. Die Kantone finanzieren einen Teil der Ausbildung angehender Ärzt:innen, wir wissen jedoch alle, dass diese Entschädigung viel zu tief ist.

Die Vorhalteleistungen werden in den ambulanten Tarifwerken von heute und morgen ignoriert. Eine seit Jahrzehnten ungelöste Situation bleibt bestehen.

Das ist der zweite Hauptgrund, warum die meisten Notfallstationen von ihren Standortkantonen Subventionen erhalten. Der erste Grund ist die zu tiefe Entschädigung der TARMED-Taxpunkte für das Setting Notfallstation, hier gibt es aber einige Kantone, welche keine Subventionen sprechen. Das Spital muss

dann die Notfallstation aus anderen Einnahmequellen selbst subventionieren. Diese Quersubventionen und deren Quellen sind auch allesamt unter ökonomischem Druck und verschlechtern sich zusehends (zum Beispiel Tarife der Zusatzversicherung, Labortarife, Medikamentenmargen). Abgesehen davon sind sie gesetzlich nicht vorgesehen.

Ökologische Herausforderungen in der Notfallversorgung

Notfallstationen sind ökologisch keine gut verträglichen Abteilungen. Hier fallen Berge an Abfall an, der Energiebedarf ist hoch und es wird auch viel Platz benötigt. In Verbindung zu den Finanzierungsthemen kann festgehalten werden, dass die ambulanten Tarifwerke (von heute und morgen) ein ökologisches Verhalten nicht fördern. Nur extern eingekaufte Wegwerfwaren (Verbrauchsmaterialien) können ab Einzelkosten von CHF 3.00 den Versicherungen fakturiert werden. Somit wird halt noch mehr weggeworfen, sehr zur Freude der Lieferanten.

Fehlende gesundheitspolitische Aufmerksamkeit

In der Gesundheitspolitik besteht keine

Bild: Inselspital Bern

Aufmerksamkeit in Bezug auf die Notfallstationen der Schweiz. Das ist zu abstrakt und zu weit weg. Doch es sind diese Leistungseinheiten, welche bereits heute im öffentlichen Spital die meisten stationären Eintritte generieren, es sind diese Abteilungen, die ein entscheidendes und volkswirtschaftlich nötiges ambulantes Wachstum jährlich absorbieren und damit viel zur Volksgesundheit beitragen.

Lösungsansatz: Notfall-Pauschalen

Die Lösung zur Entschädigung von Vorhalteleistungen, zu Anreizen für eine Pflege-Linie in der Notfallstation und zur korrekten Entschädigung der tatsächlich erbrachten Leistungen muss über wenige, eigens für diese Notfallstationen gebauten Pauschaltarife gehen. Ein aus Echt-Daten gestaltetes Tarifwerk «Notfall-Pauschalen» nach Triage-Stufen, ist ein einfaches und in wenigen Wochen erstellbares Vorhaben. Hoffen wir, dass diese Einsicht den Erbauern von TARDOC und ambulanten Pauschalen – von möglichst hoher Stelle – bald «eingegeben» wird.

Die Bedeutung funktionierender Notfallstationen für die Gesellschaft

Wir sollten das Dispositiv Notfallstation nicht unterschätzen. In Konfliktgebieten mit bewaffneten Auseinandersetzungen sterben mehr Menschen wegen des Kollapses des Gesundheitssystems als auf den Schlachtfeldern. Funktioniert das Notfalldispositiv nicht mehr, wird grosser Schaden angerichtet. Dieser Schaden

hat später direkte Auswirkungen auf die Volkswirtschaft, auf das soziale Zusammenleben und den Gesundheitszustand der Bevölkerung. Mit weitaus weniger Dramatik stimmt das auch im Kleinen und in Friedenszeiten.

Bild: Stephan Hänsenberger, Oberdiessbach

KONTAKT:

Stephan Hänsenberger

Inhaber abso, Oberdiessbach stephan.haensenberger@abso.ch www.abso.ch

MIT UNGENUTZTEM MATERIAL –IN ENTWICKLUNGSLÄNDER? WOHIN

Das Szenario kennt wohl jede Notfallstation: Man räumt auf, sortiert abgelaufenes oder ungenutztes Material aus – oder sammelt unsteriles, aber sauberes Einwegmaterial. Doch statt es einfach zu entsorgen, stellen wir uns oft die Frage: Könnte es nicht jemandem von Nutzen sein, der weniger hat als wir?

Vor einigen Jahren begann ich auf meiner Notfallstation mit Genehmigung der Leitung, ungenutzte Einweg-Stauschläuche und unsteriles Einwegmaterial für das Swiss Laos Hospital Project zu sammeln. Nach Angaben der ProjektWebsite sind die Wirtschaft und Infrastruktur von Laos im Vergleich zu den Nachbarländern noch wenig entwickelt, und auch die medizinische Versorgung liegt auf einem bescheidenen Niveau. Viele Laotinnen und Laoten betreiben Landwirtschaft und leben in einfachsten Verhältnissen mit schwierigen hygienischen Bedingungen.

Die Website beschreibt die Leistungen des Projekts wie folgt: «Jedes Jahr leisten rund 30 Fachpersonen aus der Schweiz etwa 40 Einsätze mit total rund 120 Einsatzwochen in Laos. Zusätzlich wird jedes Jahr ein Containertransport mit rund 8 Tonnen Materialspenden von der Schweiz nach Laos organisiert. Auf diesem Weg konnten bisher beispielweise fast 50 noch gut funktionstüchtige Occasions-Ultraschallgeräte im ganzen Land verteilt werden. Auch Operationstische für Kaiserschnitte, Brutkästen, Infusionspumpen und Überwachungsmonitore aus Schweizer Spitälern und Arztpraxen finden so eine sinnvolle Zweitverwendung.»

Douangs Engagement: Expertise und interkulturelle Vermittlung

Meine Kollegin Douang, gebürtige Laotin, arbeitet seit vielen Jahren als Expertin Notfallpflege auf der Notfallstation des Kantonsspital Winterthur. Daneben

Stauschläuche und Einwegmaterial

Elisabeth Hillan
Douang erklärt das Stomamaterial
Douang verteilt
Ankunft Container in Laos

Notfallpflege-Medizin

begleitet und unterstützt sie als Kulturdolmetscherin Mitarbeitende des Swiss Laos Hospital Project sowie des Vereins Spitalpartnerschaft Phonsavan (Laos) & Kantonsspital Winterthur während ihrer Einsätze in Laos. In dieser Funktion reist sie mindestens einmal jährlich nach Laos.

Medizinische Versorgung in Laos

Das Spital Phonsavan liegt im Norden des Landes und versorgt viele Bauern, die einen erschwerten Zugang zu medizinischer Versorgung, aber auch Bildung haben. Obwohl Laos reich an Bodenschätzen ist, leben viele Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Das Gesundheitspersonal verdient wenig. Ärzt:innen erhalten umgerechnet etwa CHF 100 im Monat, eine Pflegeperson die Hälfte. Nach Angaben der Website der Spitalpartnerschaft KSW-Laos werden die Kosten für medizinische Behandlungen (Medikamente oder Operationen) staatlich übernommen, wohingegen die Ausgaben für Pflegematerial und häufig auch für spezielle Medikamente von den Patient:innen selbst getragen werden müssen.

Praktische Anwendung gespendeter

Materialien

Heizkörper werden auch in Laos gebraucht

Thoraxdrainageersatz

Für diesen Artikel erkundigte ich mich bei Douang, wie sie vor Ort den Einsatz gespendeten Materials erlebe und ob es tatsächlich benötigt werde oder sich als sinnlos erweise. Sie erklärte, dass die von uns gesammelten Einwegschläuche nicht nur in Phonsavan, sondern auch an anderen Standorten verteilt werden könnten. Ihren Ausführungen zufolge würden die Stauschläuche auf kreative Weise eingesetzt, etwa zur Fixation von Kathetern oder Drainagen, während unsteriles Einwegmaterial so lange verwendet werde, bis es roste. Das meiste gespendete Material, so betonte sie, sei durchaus brauchbar, zum Beispiel einwandfreies Verbandsmaterial und anderes Einwegmaterial, das vor Ort jeweils resterilisiert werde. Als Problem nannte Douang jedoch die kurze Haltbarkeit des Materials, die einerseits auf das feuchtwarme Klima und anderseits auf den einmaligen Verwendungszweck zurückzuführen sei. Sie fügte hinzu, man sei froh und dankbar für jede Unterstützung, wenn man wenig bis nichts habe.

Einsatz von Einwegprodukten in Laos

Spende in Form eines Verbandswagens

Unterschriften für

Neue Thoraxdrainage in Laos
Material

Für Thoraxdrainagen würden in manchen Fällen sogar Trinkflaschen als Ersatz eingesetzt (siehe Foto). Gleichzeitig berichtete sie, dass sie bei ihrem letzten Besuch in der Hauptstadt eine Patientin gesehen habe, der eine «richtige» Thoraxdrainage verabreicht worden sei, was darauf hindeute, dass solche Systeme zunehmend vor Ort verfügbar seien. Zudem informierte Douang, dass Pleurapunktionssets in Laos sehr gefragt seien.

Logistische Herausforderungen und Materialauswahl

Im Internet fordern diverse Hilfsorganisationen gebrauchte Rollstühle, Gehstöcke und Verbandmaterial an, um diese in bedürftige Regionen zu transportieren. Üblicherweise wird das Material von Freiwilligen in der Schweiz gesammelt und in Containern verschifft. Da Containertransporte sehr kostspielig sind, rufen einzelne Organisationen1 zur Deckung von Transport- und Organisationskosten zu Geldspenden auf.

Die Transportkosten sind ein wesentlicher Grund, weshalb nur tatsächlich benötigtes Material gesammelt werden sollte. Auf der Website der Spitalpartnerschaft KSW-Laos wird dargelegt, dass Materialtransporte nach Laos umständlich und teuer seien – zudem fielen Zollgebühren an. Vor Ort oder in den umliegenden Ländern könnten für den lokalen Bedarf angepasste moderne Geräte und Material gekauft werden, es fehle jedoch an den nötigen finanziellen Mitteln. Die Auswahl gebrauchter Materialien und Geräte aus der Schweiz für den Versand nach Laos bedürfe daher einer äusserst sorgfältigen Prüfung. Als Hauptkriterien zu berücksichtigen seien dabei der lokale Bedarf, das vorhandene Wissen und Können im Umgang mit dem Material sowie dessen nachhaltige Nutzbarkeit. Aus diesem Grund werde Verbrauchsmaterial nur ganz selten einbezogen, und der Versand von Material mit abgelaufenem Verbrauchsdatum – dessen Verwendung in der Schweiz nicht mehr möglich sei –werde als unethisch abgelehnt. Ebenso würden keine Medikamente nach Laos

verschickt. Gesucht seien vor allem medizinische und pflegerische Gerätschaften in gutem Zustand, die beispielsweise bei Sortimentsänderungen freigestellt würden: Verbandwagen, Untersuchungsliegen, Infusionsständer, Spritzenpumpen, Isoletten, Ultraschallgeräte, Spitalwäsche oder Spitalberufswäsche.

Lokale Wünsche und Anforderungen

Auf meine Frage, welches Material darüber hinaus noch benötigt werde, antwortete Douang, dass neben Spitalwäsche auch Spitalkleidung beziehungsweise Stoffe, aus denen diese genäht werden könne, erwünscht seien. Ihrer Meinung nach sei es vorzuziehen, solche Artikel vor Ort anfertigen zu lassen, um so die lokale Wirtschaft zu stärken –vorausgesetzt, es seien Personen vorhanden, die den Einkauf, die Organisation und die Auftragsabwicklung übernehmen könnten. Interessanterweise freuten sich die Menschen im Norden von Laos selbst über Heizkörper, was verdeutliche, dass eine enge Zusammenarbeit und vertiefte Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten notwendig seien.

Materialspenden versus Geldspenden

Auf die Frage, ob es nicht besser sei, künftig auf das Sammeln von Material zu verzichten und stattdessen Geld zu spenden, das vor Ort für den Materialeinkauf verwendet werde, erklärte Douang, dass die Geldspenden an die Projekte stark zurückgegangen seien. Folglich könne derzeit vor Ort nur wenig eingekauft werden.

Grundsätzlich bedürfe das Sammeln und Spenden von Material, insbesondere im Hinblick auf seine Nachhaltigkeit, einer sorgfältigen Prüfung. Beispielsweise könne Einwegmaterial in der Schweiz recycelt werden. Ein Beispiel dafür sind die Einweginstrumente von IVF HARTMANN2

Wie so oft sei die Situation vor Ort nicht eindeutig. Douang berichtete, dass gespendete Einweginstrumente in Laos benötigt würden, da häufig keine Alter-

1 https://www.gain-switzerland.ch/de/ https://www.avc-ch.org/de/spenden/sachspenden https://www.volunteersforhumanity.ch/projekte/medizinische-hilfe-2/ 2 https://www.ivf.hartmann.info/de-CH/wissen-news/op/peha-instrument

nativen verfügbar seien. Zudem sei es sehr belastend, mitzuerleben, wie Familien ihre kranken Angehörigen mit nach Hause nehmen müssten, weil sie nicht in der Lage seien, die Kosten für spezielle Behandlungen oder das notwendige Material aufzubringen. Zwar könne bereits eine kleine Geldspende in solchen Fällen einen Unterschied machen, doch löse dies nicht das grundlegende Versorgungsproblem.

Aus- und Weiterbildung als Schlüssel

Abschliessend betonte Douang, dass sowohl Material- als auch Geldspenden erforderlich seien – wenngleich die nachhaltigste Lösung in der Aus- und Weiterbildung des laotischen Fachpersonals liege. Dies könnte etwa durch den Einsatz von Fachpersonal aus der Schweiz erfolgen oder durch gesponserte Fortbildungen des laotischen Fachpersonals in der Schweiz beziehungsweise via Internet. Alle diese Massnahmen würden bereits seit geraumer Zeit im Rahmen des Swiss Laos Hospital Project sowie des Vereins Spitalpartnerschaft Phonsavan (Laos) & Kantonsspital Winterthur umgesetzt.

Ausführliche weitere Informationen Swiss Laos Hospital Project: https://www.swisslaos.ch

Verein Spitalpartnerschaft Phonsavan (Laos) & Kantonsspital Winterthur: https://ksw-laos.ch

KONTAKT:

Elisabeth Hillan

Neumühlestrasse 11 8406 Winterthur mac.hillan@bluewin.ch

Douanghphansy Baumann-Soliphanh Kantonsspital Winterthur, Notfallstation douangphansy@gmail.com

SIMULATIONS IN DER NOTFALLMEDIZIN –

Interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit ist essenziell für eine effiziente und sichere Patientenversorgung – besonders in der Notfallmedizin, wo schnelle Entscheidungen und ein eingespieltes Team über den Behandlungserfolg entscheiden. Die Universitätsklinik für Notfallmedizin (UKN) des Inselspitals Bern setzt auf gezielte Simulationstrainings, um Fachkräfte bestmöglich auf den Ernstfall vorzubereiten und nachhaltige Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Interprofessionelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit spielt in der Medizin eine wichtige und anspruchsvolle Rolle. Besonders auf einer Notfallstation verändern sich Situationen schnell und das Behandlungsteam muss sich innert kürzester Zeit auf Veränderungen einstellen können (1).

Die Grundlage für eine gelingende interprofessionelle Zusammenarbeit ist die interprofessionelle Bildung. Sie vermittelt den Beteiligten Kenntnisse, Qualifikationen und Haltungen (2).

Interdisziplinär bedeutet «den Austausch zwischen mehreren wissenschaftlichen Disziplinen betreffend» (3). Interprofessionell beschreibt die Zusammenarbeit von mehreren Personen mit unterschiedlichem beruflichen Hintergrund (4).

Nachhaltigkeit in der Pflege: Ressourcen langfristig sichern

Nachhaltigkeit kann dem schonungsvollen Umgang mit Ressourcen, zum Beispiel der menschlichen Arbeitskraft, gleichgesetzt werden. Diese Ressourcen sollten so genutzt werden, dass sie

Abbildung 1: Pocketcard CRM

Quelle: BeSiC – Berner

Linda Polier

TRAINING

SICHERHEIT, TEAMWORK UND NACHHALTIGKEIT STÄRKEN

über einen längeren Zeitraum erhalten bleiben und nicht erschöpft werden (5).

Gemäss von Reibnitz (6) heisst Nachhaltigkeit in der Pflege, sich mit folgenden Themen auseinanderzusetzen: Patient:innenklientel, Einrichtung als Arbeitgeberin, Arbeitsbedingungen, persönliche Voraussetzungen der Mitarbeitenden, deren Ressourcen zu prüfen und verantwortungsbewusst damit umzugehen. Patient:innen zu versorgen heisst, dass die bestmögliche pflegerische und medizinische Qualität im Mittelpunkt steht. Ein besonderer Fokus der Nachhaltigkeit in der Pflege liegt auf der Stärkung der Mitarbeitenden. Dies bedeutet unter anderem, individuelle und teambezogene Weiterentwicklung zu ermöglichen.

Der Universitätsklinik für Notfallmedizin (UKN) ist es ein zentrales Anliegen, die von Prof. Dr. Christine von Reibnitz genannten Themen zu berücksichtigen und das Pflege- sowie das ärztliche Personal bestmöglich zu fördern. Ziel ist es, ihnen die nötigen Kompetenzen zu vermitteln, um sich in der hochkomplexen Umgebung der Notfallmedizin sicher zu orientieren und diese Arbeit langfristig ausüben zu können.

Simulationstraining: Lernen durch realitätsnahe Szenarien

Neben vielen anderen interdisziplinär gestalteten Weiterbildungen und Kursen möchte die UKN ihre Mitarbeitenden mit regelmässigen Simulationstrainings in ihrer beruflichen und im weiteren Sinne auch persönlichen Entwicklung fördern. Durch gezieltes Training sollen die Mitarbeitenden mit dem nötigen Wissen und Knowhow ausgestattet werden, um auch in

Notfallpflege-Medizin

stressigen Situationen so zu agieren, reagieren und kommunizieren, dass die bestmögliche Behandlung für die Patient:innen gewährleistet ist.

Crew Resource Management (CRM) als Grundlage für effektive Teamarbeit

Simulationstrainings im interdisziplinären und interprofessionellen Team dienen der Stärkung der Patient:innensicherheit. Sie ermöglichen es den Teilnehmenden, Situationen realitätsnah, praxisorientiert und ohne Gefährdung für Patient:innen zu üben. Szenarien werden mithilfe von Simulationsmannequins so realitätsnah wie möglich dargestellt. Die Teilnehmenden bewegen sich dabei in ihrer gewohnten Arbeitsumgebung.

Die Simulationstrainings werden gefilmt und in einem anschliessenden Debriefing gemeinsam mit den Instruktor:innen analysiert. Fokus ist hierbei die Sicherung der Versorgungsqualität und die Sicherheit der Patient:innen, wobei Teamarbeit und Kommunikation im Vordergrund stehen (7).

Die Grundlage für Simulationstrainings bildet das Crew Resource Management (CRM) – ein Schulungskonzept zur Verbesserung der Teamperformance (8). CRM-Trainings erhöhen die Zufriedenheit unter Mitarbeitenden und tragen zur Reduktion von Fluktuation im Team bei (9).

Interdisziplinäres Training im Schockraum – ein praxisnaher Ansatz

In der UKN trainieren – in Zusammenarbeit mit dem Berner Simulations- und CPR-Zentrum (BeSiC) – einmal pro Monat interdisziplinäre und interprofessionelle Teams im Schockraum. Geleitet werden die Simulationen von Instruktor:innen der UKN und dem BeSiC, abwechselnd kommen Instruktor:innen der Neurologie oder des Kindernotfallzentrums dazu.

Die Teams im Simulator setzen sich, analog zur Realität, aus Pflegefachpersonen, Assistenzärzt:innen und Oberärzt:innen der jeweiligen Kliniken zusammen. Simuliert werden erlebte, also echte Fälle – diese sind praxisrelevant und realitätsnah. Deshalb stehen den Simulationsteams auch reale Werte zur Verfügung, so zum Beispiel CT-Bilder, EKGs oder Laborwerte.

Durch diese realitätsnahe Gestaltung sollen die Teilnehmenden optimal auf ihre Arbeit im Team und die Kommunikation untereinander vorbereitet werden. Auch sollen sie vor «echte» Herausforderungen gestellt werden, die ihnen auch im Arbeitsalltag begegnen könnten.

Debriefing: Lernen aus der Erfahrung

Im Debriefing sind die Teilnehmenden der Simulation erneut gefordert: Sie müssen sich retrospektiv mit der Situation auseinandersetzen. Sie besprechen positive und schwierige Aspekte der erlebten Situation und erarbeiten gemeinsam Strategien, wie Situationen positiv beeinflusst werden können.

In der UKN orientiert sich das Debriefing an den durch das BeSiC modifizier-

ten CRM-Leitsätzen nach Rall und Gaba. Daraus wurde eine Toolbox entwickelt, die den Teilnehmenden als Hilfestellung in realen Situationen dient. Die Leitsätze und die Toolbox werden als Pocketcard an den Simulationstagen abgegeben und stehen damit auch im Alltag als Hilfsmittel zur Verfügung.

Geräte-Prozeduren-Tag (GPT): Technische Fertigkeiten gezielt vertiefen

Während sich Simulationstraining vor allem mit dem CRM beschäftigt, hat sich gezeigt, dass auch der sichere Umgang mit Prozeduren und Geräten von grosser Bedeutung ist. Nachhaltigkeit in diesem Kontext ist nur durch häufiges Training und Wiederholung möglich.

Die UKN hat daraus den so genannten «GPT», den Geräte-Prozeduren-Tag geschaffen. Mehrmahls pro Jahr werden hier sowohl für pflegerische als auch für ärztliche Mitarbeitende in einer ganztägigen Veranstaltung anhand interaktiver Miniszenarien folgende Übungsmöglichkeiten geboten:

 NIV-Refresher

 Analgosedations-Refresher

 Geräteparcours

 Deeskalations-/Fixations-Refresher

 Umgang mit dem Katastrophenfall  Kinästhetik

Hier kann das interprofessionelle Team ohne Druck und mit Spass verschiedenste Themen angehen. Es bleibt genügend Zeit für Fragen, und Wissen wird auf spielerische Weise vertieft. Vom theoretischen Überblick und der Wiederholung zentraler Konzepte der UKN über praktisches Üben bis hin zur Selbsterfahrung – alles hat hier seinen Platz. Pflegefachpersonen und Ärzt:innen tauschen ihr Wissen aus und lernen voneinander.

In der Praxis hat sich gezeigt, dass das wiederholte Üben und Trainieren bestimmter Abläufe und Tätigkeiten dazu führt, dass sie in Akutsituationen routiniert und ohne langes Nachdenken ausgeführt werden können.

Fazit

Gemäss einer Studie von Santos und Schaffert (10) liesse sich die Zahl der Pflegenden, die frühzeitig aus dem Beruf ausscheiden, durch Verbesserung von Arbeitsbedingungen verringern. Dies würde langfristig dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

Die UKN hat aufgrund von Rückmeldungen, gezielten Befragungen der Teilnehmenden an Simulationstrainings und des GPT Massnahmen ergriffen, um sowohl Pflegenden als auch ärztlichen Mitarbeitenden die Arbeit im komplexen Kontext Notfallmedizin zu erleichtern. Dazu gehören gut sichtbare Merkhilfen im Schockraum, Pocketcards zu verschiedenen Themen und Checklisten. Daneben sind die klinikinternen SOC (Standards of Care) schnell über Desktop und Mobilgeräte verfügbar.

Obwohl die oft dramatischen und dynamischen Situationen im Notfall nicht vorhersehbar sind, können gezielte Trainings den Mitarbeitenden das nötige Rüstzeug vermitteln, damit sie ihre Arbeit zu ihrer eigenen Zufriedenheit und mit hoher Qualität ausführen können.

Literaturverzeichnis

1. Seelandt, J., Heckel, H., Neuhaus, V., Kaufmann, A., Kyburz, J., Stettler, S., Studer, I. & Slankamenac, K. Interprofessionelle Simulationstrainings. Help 02/22, 20–22. https://www.notfallpflege.ch/files/HELP/ HELP_2-22_web.pdf

2. Gerber, M. & Ruefli, C. (2021). Definition des Begriffs «Interprofessionalität» im Gesundheitswesen im Schweizer Kontext. Bundesamt für Gesundheit. https://www.insos.ch/files/MJMARG5/definition_interprofessionalitaet__studie__vatter__2021.pdf

3. DocCheck Flexikon. Interdisziplinär. Abgerufen am 22. Januar 2025, von https://flexikon.doccheck.com/de/Interdisziplinär

4. Bosshart, C., Gerber, M. & Kraft, E. (2018). Interprofessionelle Zusammenarbeit aus Qualitätssicht. Schweizerische Ärztezeitung, 99(44), 1524–1529. https://www.fmh.ch/files/pdf23/ saez_07276_de.pdf

5. MyClimate. Was ist Nachhaltigkeit? Abgerufen am 22. Januar 2025, von https://www.myclimate.org/de-ch/informieren/ faq/faq-detail/was-ist-nachhaltigkeit/

6. Von Reibnitz, C. (2023). Nachhaltigkeit in der Pflege. Pro Care, 28, 46–49. https://link.springer.com/article/10.1007/ s00735-023-1660-x

7. BeSiC (Berner Simulations- und CPR-Zentrum). Was ist Simulation? Abgerufen am 9. Januar 2025, von https://besic.insel.ch/de/simulation/die-hintergruende-der-simulation/was-ist-simulation

8. DocCheck Flexikon. Crew Resource Management. Abgerufen am 17. Januar 2025, von https://flexikon.doccheck.com/de/Crew_Resource_Management

9. InPass. Crew Resource Management. Abgerufen am 20. Dezember 2024, von https://inpass.de/de-de/crew-resource-management-crm/

10. Santos, J. & Schaffert, R. (2021, Oktober 27). Bessere Arbeitsbedingungen halten Pflegende im Beruf. ZHAW. https://www.zhaw.ch/de/medien/medienmitteilungen/detailansicht-medienmitteilung/eventnews/bessere-arbeitsbedingungen-halten-pflegende-im-beruf

KONTAKT:

Linda Polier

Dipl. Expertin Notfallpflege, CAS Clinical Assessment und Clinical Decision Making Berufsbildungsverantwortliche Pflege Universitätsklinik für Notfallmedizin, Inselspital Bern Linda.Polier@insel.ch

22. und 23. Mai Forum Fribourg

Gastgesellschaft: Notfallpflege Schweiz

Société hôte: Soins d’urgence Suisse

Società ospite: Cure d’urgenza Svizzera

Schweizer Kongress für Notfallmedizin

Congrès suisse de médecine d’urgence Congresso svizzero di medicina d’urgenza

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