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Vom Tun zum Wollen und zur Begeisterung

Die Lebenserinnerungen von Walter Schulz – eine Buchbesprechung von Leonhard Weiss

Werner Heisenberg erhält den Physik-Nobelpreis, Konrad Adenauer eröffnet als Kölner Bürgermeister die erste Autobahn Deutschlands, Johnny Weissmüller spielt erstmals „Tarzan“, Paul von Hindenburg wird als deutscher Reichspräsident wiedergewählt, mit einem Sieg über die Schweiz gewinnt das österreichische „Wunderteam“ den „Europapokal“ im Fußball, … Alles Ereignisse des Jahres 1932, jenes Jahres, in dem Walter Schulz am 9. Jänner geboren wurde. 90 Jahre später machte sich Tobias Richter daran, die vielfältigen Lebenserinnerung von Walter Schulz aufzuschreiben. Nach einer zunächst internen Familienausgabe liegen diese nun als in der „AT Edition“ des LIT Verlages veröffentlichtes Buch vor. Unter dem Titel „Der singende Schmied“ ist darin die Biografie eines Menschen nachzulesen, die nicht nur eng mit der Entwicklung der Waldorfpädagogik in Wien verbunden ist, sondern in der sich an vielen Stellen auch Ereignisse der dramatischen Geschichte des 20. Jahrhunderts spiegeln.

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Erinnerungen an eine „untergegangene Welt“

Geboren und aufgewachsen ist Walter Schulz im südmährischen Muschau. Liest man heute seine Erinnerungen an das Leben im elterlichen Gasthof, an die Mitarbeit in Haus und Stall, an das „Kinderparadies“ Muschau, in dem Wiese, Wald und Wasser (letzteres speziell, wenn der Fluss Thaya wieder einmal über die Ufer trat oder aber im Winter zufror und zum mehr oder weniger sicheren Eislaufplatz wurde) Orte des abenteuerreichen Spielens waren, dann begegnet einem hier nicht nur im übertragenen Sinne eine „untergegangene Welt“. Nach der Errichtung eines Stausees in den 1970er Jahren erinnert heute nämlich nur noch eine auf einer Insel liegende Kirche an jenen Ort, in dem Walter Schulz eine offensichtlich glückliche Kindheit verbrachte, in dem für ihn allerdings auch die ersten Vorboten der Katastrophen des 20. Jahrhunderts erlebbar wurden: In dem fast ausschließlich von deutschsprachigen Menschen bewohnten Muschau tauchten bald erste Hakenkreuz-Schmierereien auf, wurde über „Heim ins Reich“ gesprochen – und wurden im Oktober 1938 die einmarschierenden deutschen Soldaten von manchen Bewohnerinnen und Bewohnern des Ortes jubelnd empfangen. Die Auswirkungen der Besetzung des sogenannten Sudentenlandes durch das nationalsozialistische Deutschland waren bald auch für den kleinen Walter deutlich spürbar, v.a. darin, wie anders manche Menschen nun plötzlich behandelt wurden. Zwei der vielen, manchmal recht knapp skizzierten Erinnerungen seien an dieser Stelle er- wähnt: zum einen die „Prüfung“ eines beeinträchtigten Jungen im Musikunterricht der Volksschule:

„Hartwig wurde vom Lehrer aufgefordert, das Lied ‚Ich hatt´ einen Kameraden‘ zu singen. Hartwig gab sein Bestes, doch das Singen geriet ihm zu einem mühsamen Stottern des Textes – Gelächter von manchen Schülern – und von Seiten des Lehrers eine Verhöhnung.“ (S. 27f).

Zum anderen der für den siebenjährigen Walter erschütternde Umgang mit „Herrn Binder“, dem tschechischsprachigen „Strosseneiramer“ des Ortes:

„Ein paar Männer holten Herrn Binder aus einem Haus und trieben ihn durch den Ort, spuckten, schimpften und schrien: ‚Weiß, Rot, Blau: böhmische Sau!“ […] Weinend bin ich nach Hause gelaufen. Meine Mutter versuchte mich zu trösten. Ich fragte meine Eltern, wieso die Menschen, die immer lieb waren, plötzlich so voller Hass seien, nur weil der Herr Binder Tscheche ist?“ (S. 26).

Doch nicht nur dieses Erschrecken über den plötzlichen Hass in seiner Umgebung blieb für Walter Schulz mit Herrn Binder verbunden, sondern v.a. auch dessen Handeln nach seiner Rückkehr in den Ort nach dem Ende des Krieges 1945: „Herr Binder, der ‚Strosseneiramer‘, dem man so Schlimmes angetan hatte, kam auch zurück nach Muschau. Das sprach sich schnell herum und hat bei manchen Angst ausgelöst. Herr Binder bezog sein Haus, lud das Werkzeug in seinen Schubkarren, fuhr durch den Ort und nahm seine Arbeit auf –die, die er vor Jahren abbrechen musste“ (S. 39).

Die Begegnungen mit Menschen, die Beziehungen zu anderen, vermeintlich schwächeren Menschen und die Bedeutung von Arbeit als zentralem Element dieser menschlichen Beziehungen – das sind Themen, Motive, die Walter Schulz’ gesamtes Leben und die nun veröffentlichen Erinnerungen daran durchziehen.

„Wir arbeiten vor allem für andere“

Ob in Muschau, wo er nach dem Kriegsende als 13-Jähriger kurzzeitig Kutscher eines Sowjetoffiziers war, im schwäbischen Hepsisau, wohin er mit seinen Eltern als aus der Heimat vertriebener Sudetendeutscher schließlich kam und per Zufall die anthroposophische heilpädagogische Einrichtung „Michaelshof“ kennenlernte und wo er – beeindruckt davon, wie „auffallend liebevoll“ Kinder, Jugendliche und Erwachsene hier mit einander umgingen –, ein regelmäßiger Gast der Gemeinschaft und Mitwirkender bei zahlreichen musikalischen Aufführungen (u.a. beim Oberuferer Christgeburtsspiel) wurde oder in Wien, wohin es ihn nach verschiedenen privaten und beruflichen Entwicklungen schließlich führte und wo er als Schlossermeister seine eigene Metallwerkstätte aufmachte und diese mehr als dreißig Jahre lang führte: Immer waren es Begegnungen mit Menschen und die Wahrnehmung einer notwendigen Arbeit, die Walter Schulz’ Leben prägten und ihn, wie er selbst erzählt, zu einer für ihn wichtigen Entdeckung führten:

„Das Tun führt zum Wollen und zur Begeisterung – sowie zur Erkenntnis, das Hände lernen und die Fantasie anregen. Wir arbeiten vor allem für andere.“ (S. 147).

Aktiv in vielen Rollen

Begeisterung empfand Walter Schulz nicht nur viele Jahrzehnte lang für seine handwerkliche Arbeit und das von ihm so geliebte Singen, sondern auch für die Waldorfpädagogik. Seit seiner ersten Begegnung mit letzterer am „Michaelshof“ in Hepsisau ließen ihn die pädagogischen und auch sozialpolitischen Ideen Rudolf Steiners nicht mehr los, und so war es kein Wunder, dass es für ihn und seine Frau Charlotte ein großer Wunsch war, dass die drei Töchter in Wien in eine Waldorfschule gehen konnten. Doch Wünsche sind sinnlos ohne Tun, davon war und ist Walter Schulz überzeugt, und so brachten er und seine Frau sich von Anfang aktiv in die Gründung der ersten Wiener Waldorfschule nach dem Zweiten Weltkrieg ein, ganz besonders, als die Waldorfschule 1968 das Maurer Schlössl als Schulgebäude erhielt: „Mit einer riesigen Begeisterung von Lehrern, Eltern und Freunden ging es an die Arbeit. […] Alle daran Mitarbeitenden wurden zu Freunden und haben sich am Baufortschritt erfreut. Für den Schlosser gab es natürlich einiges zu tun, angefangen beim Entwurf und der Ausfertigung des Namensschildes – man sollte ja wissen, wer da einzieht. Geschmiedete Lampen und Beleuchtungskörper aus Kupfer, Einfriedungen, Stiegengeländer usw. sollten folgen.“ (S. 104).

Ob als Schülervater, kurzzeitiger Werklehrer, Schlosser, Mitspieler bzw. Spielleiter der Weihnachtsspiele oder für viele Jahre als Vorstandsmitglied – sowohl der Rudolf Steiner-Schulen in Mauer und Pötzleinsdorf als auch der Karl Schubert Schule und des Zentrums für Kultur und Pädagogik –, Walter Schulz war tätig, wo er für und mit anderen arbeiten konnte; immer getragen von seiner tiefen Sympathie für die ihm begegnenden Menschen. Und auch, wenn heute wahrscheinlich nicht mehr alle LehrerInnen und nur noch einzelne Eltern und SchülerInnen Walter Schulz persönlich kennen (als aktiver SchülerInnen-Urgroßvater besucht er weiterhin regelmäßig Klassenspiele und Schulveranstaltungen!): Seine Arbeit, seine Handwerkskunst haben wohl alle Maurer SchülerInnen schon mal gesehen und v.a. buchstäblich begriffen!

Wer mehr über den Menschen dahinter wissen möchte, dem ist das von Tobias Richter herausgegebene Buch „Der singende Schmied. Lebenserinnerungen“ unbedingt zu empfehlen – übrigens auch wegen des Werkkatalogs am Ende des Buches, der einen spannenden Einblick in das immer wieder ganz unterschiedliche Strömungen und Ansätze der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts aufgreifende Schaffen eines Meisters des Kunsthandwerkes gibt. ¶ ehemals das möbel > das cafe

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