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Tanzt Eure Weltsicht

von Ernst Reepmaker

Eurythmie- und Tanz-Performances von Jugendlichen, die sich am Ende ihrer Schulzeit befinden. Noch dazu, wenn sie angeleitet, moderiert werden von Lehrerinnen, die ihr Selbstverständnis an einer Bewegungskunst spiegeln, welche von inneren Perspektiven und Substanz zu sprechen sucht. Das verspricht spannend und anregend zu werden!

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So erlebt Anfang März 23. Bewegung, Tanz und Wort, Sprache fließen ineinander. Gedanken bekommen Hände und Füße. Das getanzte Wort wird Bild verbindlicher Visionen und einer werteerfassenden Sprache und Musik. Eine kritische Haltung sich selbst gegenüber und Impulse, um über sich selbst hinaus zu gelangen, gehören dazu.

So werden die jugendlichen Performerinnen und Performer dazu angeregt, selbst zu texten bzw. selbst Texte und Musik zu sammeln und diese dramaturgisch zu bearbeiten. Auch das Bühnen-Setting (z.B. die Gazen) und die Kostüm-Ausstattung sowie der Umgang mit Objekten (z.B. die Schuhe) werden von den SchülerInnen selbst überlegt und gestaltet. Die Jugendlichen beobachten gegenseitig ihre Arbeiten. Und sie begegnen einander am Nachmittag in einem Gespräch, wo sie sich austauschen über ihre Erfahrungen in Bewegung und Dramaturgie. Sie teilen ihre Visionen einer Zukunft bzw. Gesellschaft, in die sie jetzt einsteigen und mehr und mehr eingreifen werden. Diese Visionen äußern und kommentieren sie also über das Medium Tanz und Performance. Und wenn sie das Ganze aus sich heraus tun, weil die Lehrerinnen sie entsprechend im Prozess moderieren und anregen – aber dann eigenständig choreografieren, texten und dramatisieren lassen –, dann wird das Ergebnis, wie gesagt, bewegend, berührend und begeisternd.

Es beginnt am Vormittag in der Karl Schubert Schule:

I HAD A DREAM

Der Titel des großen Vortrags von Martin Luther King klingt hier immer wieder als Motiv der einzelnen Jugendlichen, womit sich verbindet, was sie in ihrem Alltag sein, bzw. was sie verwirklichen wollen. Kirsten Arafune lässt jede Schülerin und jeden Schüler dieses eigene Motiv tanzen und somit jede und jeden von ihnen kurz im Zentrum des Kreises, in der Mitte der Gemeinschaft stehen und aufblühen. Eine farbige Vielfalt, zuletzt in der Leichte fliegender Ballons, lässt alle diese Motive zum Vorschein kommen, musikalisch, getanzt, gesprochen ... am meisten geschätzt von den SchülerInnen, die selbst erst am Abend auftreten werden und so sehr mitleben mit den anderen, so bescheiden mancher Beitrag auch ist. Dieser erste Abschluss ist ein buntes Fest, ein herrliches JA zum LEBEN und zur FREUDE!

Am Abend ist der große Festsaal der Rudolf Steiner-Schule Wien-Mauer prall gefüllt, wiederum mit den einbezogenen SchülerInnen und wieder mit Eltern, Geschwistern, FreundInnen und KollegInnen. Zuerst zeigt die 12. Klasse der Rudolf Steiner-Schule WienMauer mit der eurythmischen Interpretation eines ganzen

Werks: DER KLEINE PRINZ von Antoine de Saint Exupéry. Auf jeder Station der Reise wechselt die Rolle des kleinen Prinzen, und alle übrigen Rollen werden ebenso in wechselnder Besetzung gezeigt. Und auch die Texte werden die ganze Zeit über von den MitschülerInnen gesprochen. So zieht sich das Motiv der außergewöhnlichen Dialoge fortwährend durch die ganze Gruppe. Dies gipfelt darin, dass alle miteinander den eurythmischen Tierkreis tanzen – in einem lebendigen, fließend-dynamischen Bewegungsstrom. Das durchgehende Motiv der Begegnung und des Dialogs erhöht sich im Bilde dieser „kosmischen“ Gemeinschaft. In gelungener Art schafft es diese Klasse, ein hohes Ideal darzustellen und einzufügen in das eurythmische Panorama des Tages.

Dann zeigen vier Schülerinnen der Rudolf Steiner Landschule Schönau eine zur Gänze eigenständig erarbeitete Choreografie: SPIEGEL ZUM SELBST.

Mit eurhythmisiertem Text und Musik erscheint wieder das Motiv der künstlerischen Spiegelung einer imaginierten Zukunft als Gemeinschaft. Mit großer Reife in der Bewegung, der Dramaturgie und dem Zusammenspiel bzw. dem Aufblühen der Solistinnen kommt diese Darstellung daher. Es ist eine würdige Eröffnung des Abends und Erhöhung dessen, was bereits am Vormittag intendiert und gelebt worden ist.

Und zuletzt die 12. Klasse der Rudolf Steiner Schule Pötzleinsdorf mit ihrer getanzten Zukunftsvision: ICH UND DIE WELT. Beethovens Appassionata als virtuose Gruppencho- reografie mit selbst geschriebenen Texten: als Gesamtensemble eurythmisch/tänzerisch vor allem originell und sehr dynamisch interpretiert.

Passend zum Titel wird hier mit Leidenschaft getanzt und zum Beispiel virtuos in gemeinsam gegriffene Sprünge umgesetzt. Diese Virtuosität ergreift auch die choreografische Umsetzung der eigenen Texte und Aktionen mit den Schuhen, die als Objekte bildhaft zum Ausdruck bringen, dass es den Jugendlichen darum geht, mit den Füßen und im Handeln anwesend zu sein, sich zu engagieren, Verantwortung zu übernehmen, ganz da bzw. hier zu sein.

Leidenschaft zieht durch diese Darstellung. Leidenschaft ergreift die komplette Gruppe und lässt am Ende auch das Publikum begeistert aufstehen und applaudieren.

Den SchülerInnen und ihren Lehrerinnen sei hiermit ein großes Kompliment zugesprochen: Es ist vom Beginn bis zum Ende der Performances tatsächlich spannend und anregend! Alle Jugendlichen sind voll dabei, sowohl als ZuschauerInnen als auch in der eigenen Performance. Das ist bewegend und herzerwärmend. Dieser Tag ist ein voller Erfolg und zeigt einmal mehr, was diese Pädagogik, was diese Menschen miteinander erreichen können. ¶ Herzlichen Dank!