Neo-Klassik
Vollmer-Feldstutzer | SAMMELN & SELBERMACHEN
Bis zur Mündung geschäftet, mit eisernem Schaftabschluss vorn. Zwei Laufhaltekeile, Schaftbacke, Hakenschaftkappe, eiserner Ladestock. Abzug mit Stecher. Und eine Visierung mit Steckdiopter, Quadrantenkimme und Perlkorn im Tunnel – klar, der Vollmer-Feldstutzer: Einst die Replika eines berühmten Vorderladermodells, heute selbst ein Klassiker.
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enau ein Vierteljahrhundert ist es her, da entstand die letzte jener Vorderlader-Repliken, welche unter den Jüngern der Schwarzen Zunft heute Kultstatus genießen. Jene Waffe, die gut 15 Jahre lang für viele Titelaspiranten unverzichtbar war, die dabei kein amerikanisches oder britisches Vorbild aufwies, nicht aus Italien stammte und zudem durch ihre eigenwillige Form bestach: Wie eine Jägerbüchse bis zur Mündung geschäftet, aber mit eisernem Abschluss und mit 1260 cm vergleichsweise lang. Insgesamt militärischspartanisch anmutend, aber mit sportlich-komfortablen Dreingaben wie Hakenschaftkappe und dicker Backe. Gerühmt und gesucht, da spitzenmäßig gearbeitet: der Vollmer-Feldstutzer, gebaut nach Vorbild des Schweizer Feldstutzers M.1851, der Waffe der eidgenössischen Scharfschützen. Die Vollmer-Werke in Bieberach am Riß fertigten ihre Kopie von 1976 bis 1988 – und das meist in Handarbeit. 4190 Gramm schwer, besaß die Büchse einen 81-cmLauf im Kaliber 10,4 mm. Es gab nach Auskunft vom Hersteller selbst 1278 Stück; das macht den Vollmer heute seltener als so manche „limitierte Edition“. Der empfohlene Verkaufspreis lag – ohne Diopter und Kokille – anfangs bei etwa 1800 D-Mark und stieg bis 1988/89 auf stolze 2380 Mark. Das Diopter verSeptember 2013
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schlang 215 Mark, passende Kokillen gab es ab 198 Mark. Zur Waffe gehörten ein Prospekt mit Ladetipps und Erläuterungen zum geschichtlichen Hintergrund der Waffe sowie ein Faltblatt, in dem der damalige Spitzenschütze Helmut Mohr seine Erfahrungen mit dem Vollmer zusammenfasste. Die Waffe aus Biberach entsprach recht genau dem Schweizer Vorbild. Es gab einige kleinere Abweichungen: Der Vollmer-Lauf hatte sechs Züge, das Original acht. Der Drall war mit 840 mm etwas kürzer als beim M.1851 mit 900 mm. Und die Form der Schaftbacke sowie die Bajonett-Halterung wichen vom Modell 1851 ab. Neu hinzu kamen eine DiopterHalterung sowie ein auf das Diopter abgestimmtes Perlkorn mit Kornbacken. Als Zubehör gab es aber auch ein dem militärischen Original entsprechendes Balkenkorn. Im Laufe der Fertigung änderte sich der Stutzen geringfügig. Während die frühen Stücke noch polierte Ölschäfte hatten, fiel die Politur später weg. Und weil sich das nur von zwei Backen geschützte Perlkorn gern verbog, kam später als Schutz ein Korntunnel.
Problemzonen: Anfangs war der Vollmer-Stutzer die Waffe der Spitzenschützen. Helmut Mohr erreichte 1976 auf der Deutschen Meisterschaft mit so einer
Waffe 88 Ringe und belegte damit einen der vorderen Plätze. Mancher mag nun abwinken: „So ein Ergebnis reicht ja heute nicht mal mehr für die Qualifikation zur Deutschen.“ Ja und? 1976 galt das völlig zu Recht als Spitzenleistung, auch unter Berücksichtigung, dass damals von 13 Schuss nur die Top Ten zählten. Allerdings verschlechterte sich nach und nach der Absatz des Stutzens. Denn für den „einfachen Schützen“ war er zu teuer. Und die Spitzensportler stiegen nach und nach auf in Einzelanfertigung hergestellte Scheibenbüchsen um. Auch nutzten sie zunehmend Serienmodelle wie den Duvoisin-Standstutzer oder Büchsen wie Waadtländer oder BristlenMorges. Die Gründe dafür lagen nicht in der Fertigungsqualität – da war der Vollmer den italienischen Repliken weit überlegen. Auch hing es nicht an der besseren Präzision, sondern am besseren Handling dieser speziell für das Scheibenschießen entwickelten und mit Handstützen ausgestatteten Waffen. Mit ihnen ließen sich gleichmäßig beste Leistungen leichter erzielen als mit dem Feldstutzer. Der war ja keine Scheibenbüchse, sondern der Nachbau einer Militärwaffe. Viele machten daher auch die Erfahrung, dass der Vollmer wegen seines geringen Eigengewichts selbst auf kleinste Fehler beim Anschlag empfindlich reagierte. Und: Für Schützen V ISIER. de
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