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© Oliver W. Schwarzmann - www.oliver-schwarzmann.de

Oliver W.

Schwarzmann

KOLUMNE Wir brauchen keine Angst vor der Zukunft zu haben, die Zukunft hat mittlerweile Angst vor uns oder: Wenn uns zum Advent ein Licht aufgeht Was für ein Jahr! Von der Atomkatastrophe in Japan zur nimmer enden wollenden Banken-, Euro- und Schuldenkrise – also mich wundert es nicht, dass Außerirdische bei uns nicht landen wollen. Wir tun ja alles, um im Universum alleine zu bleiben. Und, geht es nach dem Maya-Kalender, soll die Welt in 2012 zu allem Überdruss auch noch untergehen. Was soll also die ganze Aufregung überhaupt? Könnte man sich fragen. Schulden hin oder her, wir sitzen ohnehin dann in einem Boot, wenn alles den Bach runtergeht. Aber auf einen wie auch immer ausfallenden Weltuntergang sollte man sich nicht verlassen. Gerade wegen der Prognosen. Ist es nicht die Vorhersage, die Raum für Überraschungen schafft? Zudem hat niemand Lust in der Sintflut baden zu gehen oder im Trockenen herumzustehen, sollte sie wirklich erst nach uns kommen. Oder? Nein, wenn jemand Licht im Tunnel machen kann, dann sind wir es selbst, und tun wir es, müssen wir nicht auf das Ende warten. Zeit also zu Sinnen zu kommen; vor allem jetzt zum besinnlichen Advent, der uns ja im Kerzenschein die Sicht erhellt. Auch die Zuversicht? Nun, Weihnachten wird nicht unterm Baum entschieden, sondern in unseren Herzen. Das Gleiche gilt für unsere Zukunft. Nur, weil viele Länder in den Miesen sind, sollten wir uns die Welt nicht vermiesen lassen. Wir sind doch nicht (wirklich) öd. Oder? Also dazu gehört als erstes, aufzuhören, immer dunkle Wolken an den Horizont zu malen. Wie sollen wir angesichts ständig düsterer Aussichten besonnen handeln? Ohne Sonne, also ohne einen Lichtblick und den Glauben an neue Chancen, werden wir die Menge an Krisen nicht bewältigen können. Deshalb müssen wir uns nicht gleich das Blaue vom Himmel lügen, nein, wir haben ständig Gelegenheit, die Welt in ein besseres Licht zu stellen. Das geht schon bei der Umwelt los: Wir brauchen ein besseres Klima, zweifellos, und das nicht nur in der Natur. Aber dort geht es um unseren Lebensraum, den wir nach Verbrauch nicht einfach so erneuern können,


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KOLUMNE wie uns das der harmonische Klang der regenerativen Energien zu suggerieren vermag. Und nur, weil Tiere und Pflanzen weder mit uns kommunizieren noch in unseren Parlamenten sitzen, heißt dies nicht, sie haben keine Stimme. Das Leben an sich ist eine Existenzberechtigung, der unser Respekt gebührt. Doch wir setzen nicht der Schöpfung die Krone auf, sondern uns selbst und verbinden damit ganz selbstverständlich einen ultimativen Anspruch auf mehr als das, was der Planet herzugeben in der Lage ist. Was die Spezies Mensch von anderen Schädlingen unterscheidet, ist, dass sie vorzugsweise sich selbst schadet. Tja, wir vergiften die Atmosphäre, und werden deshalb nicht wirklich älter, sondern dank Hochleistungsmedizin sterben wir nur langsamer. Dabei schauen wir Konsumenten zu, weil wir glauben, bloß Publikum des Schauspiels zu sein und könnten, wenn es uns zu bunt wird, das Programm einfach abschalten. Doch Wegsehen eröffnet keine neuen Perspektiven. Und gerade Konsumenten wären eine politische Macht – ihre Wahl spiegelt sich im Verhalten der Unternehmen wider. Verlangen wir also nachhaltige, ökologisch wie sozial korrekte Produkte, werden diese auch zu einem angemessenen Wert auf den Markt kommen. Nun, zumindest haben wir der Atomkraft hierzulande das Licht ausgeknipst, die sich nicht als Brücken-, sondern als Tückentechnologie erwiesen hat. Doch ist das nicht nur ein gutgemeinter Tropfen auf den heißen Brennstab, wenn ringsherum um Deutschland jede Menge Atomkraftwerke unter Strom stehen? Die Welt ist einfach keine Wirtschaft: Je niedriger wir das Leben schätzen, desto höher ist der Preis, den wir dafür bezahlen. Apropos Wirtschaft: Auf der Suche nach immer neuen Feldern des Wachstums, das ja für uns hier Vermehrung und Vergrößerung heißt und in einer endlichen Welt woanders zugleich Verringerung und Verkleinerung bedeutet, haben wir die Tore zu einem scheinbar unbegrenzten, virtuellen Spielraum aufgestoßen. Und das nicht erst mit dem Eintritt ins Internetzeitalter, sondern bereits schon in den 1970er Jahren, als es mit dem Finanzmarkt so richtig aufwärts ging. Das Geld hatte sich seinerzeit unter dem Jubel der Märkte von der begrenzten Realität des Vorhandenseins tatsächlicher Ressourcen befreit und schuf sich einen eigenen, wirklich virtuellen Kosmos. Einen Kosmos mit magischen Kräften und Phänomenen: In den letzten 30 Jahren hat sich die Geldmenge mehr als vervierzigfacht, die Gütermenge jedoch nur vervierfacht. Das Tauschmedium avancierte somit vollends zu einem Instrument gedruckter Versprechen, die wie Füllhörner aussehen, aber keine Wundertüten sind, denn jedes dieser Versprechen muss irgendwann real eingelöst werden. Das gilt auch für Schulden, die immer zurückbezahlt werden müssen und niemals abgeschnitten, sondern nur anders verteilt werden können. Das Geld ist kein Tauschmittel mehr, sondern ein Spiegel: Es sind letztlich wir alle und unsere Ansprüche, die sich darin wiederfinden. Jeder will beim Fortschritt gut wegkommen. Doch je mehr wir Tiefstpreise im Handel und zugleich Superrenditen an den Finanzmärkten fordern, desto größer werden die Ungleichgewichte zwischen realer (Wirtschafts-)Welt und virtuellem (Finanz-)Kosmos.


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KOLUMNE Nun, Geld verdirbt nicht immer den Charakter, oft verhält es sich auch umgekehrt. Weiße Hemden ersetzen keine weißen Westen. Wenn sich im Geld also schon keine realen Werte spiegeln, dann doch unser Vertrauen, das ja gerade fehlt, weshalb wir in der Krise sind. Nun, Geld ist weder ein Ersatz für Vertrauen, noch kann man sich Vertrauen mit Geld kaufen. Vertrauen ist ein Geschenk - was es so wertvoll macht, dass Geld ohne Vertrauen nichts wert ist. Das, was im Leben wirklich zählt, kann man eben nicht zählen. Mehr Geld wird die Krise also nicht lösen, sondern es führt nur zu neuen Schulden, die dann schuld sind, wenn wir auch in Zukunft kein Geld und vor allem kein Vertrauen haben. Anscheinend ziehen wir den Druck vor, gerade den von Geld. Und da wir uns ja (überwiegend) über Geld definieren, ist der Verlust des Vertrauens in Geld auch ein Verlust des Vertrauens in uns. Das verunsichert. Und Verunsicherung schwächt. Vor allem die Wirtschaft. Der Beginn einer jeden Rezession liegt in einer mentalen Krise. Wir trauen uns nicht(s) mehr – Investoren investieren nicht, Manager unternehmen nichts, Konsumenten konsumieren nicht. Der Kreislauf aus Vertrauen, Zuversicht, Investition und Konsum kommt zum Stillstand. Die Natur wird es uns danken, Rezessionen entlasten sie – aber haben wir uns so die Schonung der Welt vorgestellt? Nein. Ohne Wachstum geht es nicht, aber dessen Kultur muss sich ändern: Eine vielseitige, gleichwertige und behutsame Entwicklung statt eindimensionaler Expansion führte zu einem Abschied des rigorosen KostenNutzen-Denkens, der einen wirklichen Fortschritt einleiten könnte. Zu romantisch? Natürlich, schließlich steht uns die Vernunft im Weg. Und wirtschaftliche Vernunft heißt nun mal Effizienz und Effektivität. Nur – wer das Letzte fordert, bekommt auch das Letzte. Und wer die Schönheit in den Dingen begreift, geht anders mit ihnen um. Der Sinn des Lebens besteht in der Suche nach Schönheit, wusste schon Oscar Wilde. Aber das ist natürlich nur was für Träumer. Apropos Traum: Wir haben ja Advent. Da könnten wir uns doch mal Träume leisten. Und Träume sind nicht nur was für Optimisten. Bei denen ist das Glas ja immer halbvoll, weshalb sie nie nachgeschenkt bekommen. Wir wollen aber schließlich auch mal austrinken und was Neues probieren. Genau das ist das Wesen des Traums – der Wunsch, einer anderen Realität zu begegnen. Was viele mit „unrealistisch“ übersetzen. Deshalb waren es bisher nur die vermeintlich Verrückten, die die Wirklichkeit zu verändern versuchten.


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KOLUMNE Aber wäre nicht jetzt eine gute Gelegenheit, das zu ändern? Weiter so wie immer kann es nicht gehen, das dämmert uns allen. Und die Verantwortung andere in die Schuhe zu schieben und zu warten bis die dann loslaufen, bringt uns nicht weiter. Freilich, wir sind Herdentiere. In der Masse ist es auch sicher und bequem - da fühlt sich jeder angesprochen und doch keiner betroffen. Und lieber hinken wir hinterher, als vielleicht vorne weg zu sein. Schließlich will man am Schluss nicht der Letzte werden. Dennoch: Den Kopf in den Sand zu stecken, hinterlässt zwar auch Spuren, aber keine, denen es sich zu folgen lohnt. Wir erleben die Zukunft, die wir uns zu leben trauen. Nur wer nichts anfasst, greift ins Leere. Und wenn’s schief läuft, wird der, der aufrecht geht, nur noch größer. Gewiss, das Alles ist nicht einfach. Wäre es einfach, könnte es ja jeder. Sind wir jeder? Ich glaube nicht.


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