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DAS DEUTSCHE VICHY!
GÖPPINGEN EIN MONDÄNER KURORT? TATSÄCHLICH
ENTWICKELTE SICH DER „SWALBRUNNEN“ ZUM
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GEFRAGTEN BAD – UND DIES ÜBER JAHRHUNDERTE
HINWEG. GLEICHZEITIG WAR DAS MINERALWASSER EIN
WICHTIGER WIRTSCHAFTSZWEIG.
TEXT: Margit Haas
REDAKTION: Margit Haas
FOTOS: Stadtartchiv Göppingen
FOTO: Heiko Herrmann
„Aqua viva“ - lebendiges Wasser - nannte Seneca, römischer Philosoph, Dramatiker, Naturforscher und Politiker im ersten nachchristlichen Jahrhundert das Mineralwasser. In Göppingen wird das „Sauerwasser“ mindestens seit 1404 im „Swalbrunnen“ angewandt. Wann in Göppingen die erste Sauerbrunnenquelle entdeckt und gefasst und wann hier der Badebetrieb aufgenommen wurde, lässt sich anhand schriftlicher Zeugnisse nicht belegen. Hinweise lassen aber darauf schließen, dass das Wasser lange vor der ersten urkundlichen Erwähnung bereits genutzt wurde. Ein Merowinger-Gräberfeld südlich der Fils könnte drauf ein Hinweis sein.
Den ersten schriftlichen Hinweis auf die Existenz des Göppinger Sauerbrunnens liefert eine Urkunde im Hauptstaatsarchiv aus dem Jahr 1404. Damals hatte Graf Eberhard III. dem Ritter Sefried von Zillenhart den „Swalbrunnen zu Gepingen“ als Lehen gegeben. „Swalbrunnen“ – der Name verweist wohl darauf, dass die Quellen kräftig gesprudelt haben. Aus dieser Quelle entstand das „Bad“. Schnell sprach sich herum, dass das Wasser wahre Wunder vollbringen könne. Getrunken oder darin gebadet – es soll gegen nahezu alle Zipperlein geholfen haben, gar die Melancholie vertrieben und auch ein gutes Gedächtnis gemacht haben. Kein Wunder, dass das Bad schnell zum Anziehungspunkt der Prominenz wurde, sich die Gästelisten wie das „who is who“ Württembergs lasen. Auch der Astronom und Mathematiker Johannes Kepler stärkte sich bei einer Trink- und Badekuren.
Aber insbesondere der regelmäßige Aufenthalt von Herzog Christoph von Württemberg trug zur Erfolgsgeschichte des Göppinger Wassers bei. „Nachdem Christoph, Herzog zu Württemberg, sich eine ziemliche Zeit an dem Königlichen Hof in Frankreich aufgehalten und sich bei dem König hochmeridiert hatte, ist ihme von seinen Missgönnern ein tödliches Güfft beigebracht worden, welches den Leib und endlich das
Leben gemächlich verzehren und töten sollen“, überliefert
Johann Jakob Gabelkover, der Chronist des Stuttgarter Hofes, zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Und fährt fort: „Als nun ihre fürstliche Gnaden diese vortreffliche Wirkung des edlen Sauerbrunnens zu Göppingen verspürt und an seinem eigenen Leib experimentiert“ habe, habe sich der Herzog entschlossen, als standesgemäße Unterkunft für sich und seinen Hofstaat „in die Stadt Göppingen ein fürstliches Schloss und Lusthaus zu bauen …“.
Mit dem Wasser ließen sich also gute Geschäfte machen. Das Bad wurde als ein „vielbesuchtes, vornehmes und darum auch einträgliches Bad“ beschrieben. Das heilbringende Göppinger Sauerwasser wurde nämlich auch Tonkrüge abgefüllt und versandt. Hundertausende dieser versiegelten Krüge wurden jährlich verschickt – 1888 war gar die Millionengrenze überschritten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts dann wurde eine erste Flaschenabfüllanlage in Betrieb genommen.
Das Christophsbad war 1852 von Dr. Heinrich Landerer zur „Heil- und Pflegeanstalt für Gemüths- und Geisterkranke“ umgewandelt worden. Der Mineralbrunnen blieb aber ein sehr wichtiges zweites wirtschaftliches Standbein. Für lange Zeit setzte der Landerersche Brunnenbetrieb auf das traditionsreiche Produkt „natürliches“ Mineralwasser. Erst 1922 wurde dem „Göppinger Sauerbrunn“ ein „Göppinger Sprudel“ zur Seite gestellt. Der natürlich prickelnde Sauerbrunn wurde dafür mit zusätzlicher Kohlensäure versetzt. 1928 kam die „Hohenstaufenperle“ als süße Limonade hinzu. Das Göppinger Sauerwasser wurde bis Anfang der 1990er Jahre hier beim ehemaligen Bad abgefüllt. Dann wurde im Stadtbezirk Jebenhausen ein neuer Abfüllbetrieb für das Göppinger und Jebenhäuser Sauerwasser errichtet. Der Göppinger Bodenschatz wird dazu von den Quellen an der Fils und am Freihof nach Jebenhausen geleitet. Besser gesagt: wurde. Denn Ende 2019 endete eine über 600-jährige Tradition. „Aqua Römer“, das sich zwischenzeitlich verstärkt im Schwäbischen Wald engagierte, schloss sein Jebenhäuser Werk. Angeblich schütteten die Quellen nicht mehr genug Wasser aus.
Jahrmillionen alter Reichtum
Warum gibt es in der Stadt, in der Region so viele Quellen, zählt der Landkreis neben Budapest und Bad Cannstatt gar zu den mineralwasserreichsten Gebieten Europas? Vor etwa 350 Millionen lag die Region unterhalb eines tropischen Meeres mit Korallenriffe mit Fischsauriern und Ammoniten. Die bildeten den Angulatensandstein, eine Muschelkalkschicht. Weitere Voraussetzung war die rege Vulkantätigkeit vor rund 20 Millionen Jahren. 350 zum Glück erkaltete Schlote finden sich – zum Beispiel am Aichelberg, der Limburg oder in Randeck. Die Kohlensäure, die sich daraus entwickelt hat, unterstützt die Lösung der natürlichen Mineralstoffe. Der Angulatensandstein verläuft schräg und bildete zudem eine „Kohlensäurefalle“. Deshalb müssen die Wasservorkommen teilweise in sehr großen Tiefen angezapft werden. Sind es am Christophsbad in Göppingen nur acht Meter, sind es in Eislingen schon knapp 60 und in Bad Überkingen fast tausend Meter. Entsprechend sind auch die Zusammensetzung und damit der Geschmack der Wässer höchst unterschiedlich.
MARGIT HAAS – GÄSTEFÜHRERIN

AUS
LEIDENSCHAFT!
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Zum Kochen Geeignet
„In des Bademeisters Küche zog ich Erkundigung ein, ob man das Sauerwasser auch zum Kochen gebrauchte und bekam zur Antwort, dass alles, was von Mehl zubereitet wird, also Knöpflin, Nudeln, Spatzen usw. schmackhafter und lukkerer vom Sauberbrunnen als von süßen Waser werden; die Hülsen-Gemüser aber sich nicht wohl damit kochen ließen.“ Lentilius Rosinus: „Neue Badbeschreibung des in Göppingen im Löblichen Herzogtume Württemberg gelegenen edlen/ berühmt und uralten Sauerbrunnen …“ von 1725!
NICHT ALLE ERHOLTEN SICH BEI DER BADEKUR …
Im Frühjahr 1417 hielt sich Graf Eberhard III. zum wiederholten Male in Göppingen auf. Ein „hitziges Fieber“ plagte ihn. Dieses Mal half das Wasser nichts. Der Graf starb während seiner Kur im Alter von nur 55 Jahren.
