Strom im Vinschgau 2015 Broschüre Vinschgerwind Südtirol

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Strom aus dem Vinschgau

Nr. 23 (264) 19.11.15 I.P. 11 Jg.

Vorteile in der Peripherie


Editorial

Unser Strom unsere Energie Unser Strom? Dieser Frage wollten wir im Vinschgau auf den Grund gehen. Ein Einblick, ein (unvollständiger) Ausschnitt, ist dem Vinschgerwind mit dieser Broschüre gelungen. Elektrizitätsgenossenschaften, Gemeindebetriebe, der Sonderbetrieb in Latsch, die große Seledison geben Auskunft über die Stromerzeugung, über die lokale Bedeutung bei Wertschöpfung, bei den Arbeitsplätzen, bei den Dienstleistungen. Wir sind überrascht: Hinter den Stromerzeugern im Vinschgau stehen engagierte und weitblickende Leute. Diese stehen heute in einer Linie mit den Pionieren von vor gut 100 Jahren. Denn der lokale Strommarkt ist im Umbruch. Es herrscht Aufbruchstimmung. Das Engagement ist keine Selbstverständlichkeit, schon gar kein Honigschlecken. Denn es gilt vor allem gegen die Bürokratie, gegen die staatlichen Bestimmungen, gegen den Zentralismus in einem lukrativen und deshalb heiß umkämpften Markt anzukämpfen und zu bestehen. Ab 1. Jänner 2016 steht für das Vinschgauer Energiekonsortium VEK die Übernahme des Stromnetzes zwischen Laas und Graun an. Eine Herausforderung, Neuland. Wir haben den neuen Obmann des VEK Alexander Telser über Aktuelles und über Ziele gefragt. In Schlanders, Prad und Stilfs kommen Stromnetzteile dazu, in Graun wird die EGO das Netz übernehmen. Hochspannung ist am Vinschger Strommarkt angesagt. Erwin Bernhart Chefredakteur

Inhalt E-Werk Zerzer Konsortial GmbH Große Wirkung

Seite 2

Die Energiegenossenschaft Oberland Wertschöpfung als Mehrwert

Seite 4-5

Die Elektrizitätswerk Stilfs Genossenschaft Pioniere am Berg

Seite 6-7

Die E-Werk Prad Genossenschaft Speerspitze der Genossenschaften

Seite 8-9

Das Vinschgauer Energiekonsortium VEK „Wir sind auf Kurs“ - Interview

Seite 10-13

Die Seledison Glurns und Kastelbell Vinschgerwind Impressum Dantestraße 4, 39028 Schlanders, Tel. 0473 732196, Fax 0473 732451 „Unser Strom“ Beilage zum Vinschgerwind Nr. 23, 19.11.2015 Chefredakteur: Koordination Erwin Bernhart Grafik: Hartwig Spechtenhauser Mit freundlicher Mitarbeit von: Judith Dietl, Stephan Waldner, Hubert Variola, Egon Alber, Georg Wunderer, Klaus Wallnöfer, Alois Reinstadler, Manuela Pritz, Roland Wallnöfer, Patrizia Stecher, Johann Josef Stecher, Albert Gögele, Peter Zischg, Dieter Pinggera, Gudrun Warger, Alexander Telser, Florian Pinggera, Andreas Waldner Druck: Fotolito Varesco, Auer, Nationalstraße 57; Eigentümer und Herausgeber: Info-Media GmbH. Mwst. Nr: 02445670215, Info-Media GmbH; Ermächtigung des Landesgerichtes Bozen Nr. 6/2005; Eingetragen im ROC: Nr. 12485

www.vinschgerwind.it

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Grüne Energie aus dem Vinschgau

Seite 14-17

Marktgemeinde Schlanders - Energie Wertschöpfung vor Ort

Seite 18-19

Sonderbetrieb Gemeindwerke Latsch Kundenbetreuung vor Ort und schnelle Entscheidungen

Seite 20-21

Gemeinde Elektrizitätswerk Partschins Die Potenzierung der Erbschaft

Seite 22-23


E-WErk zerzer konsortial GmbH

Große Wirkung Ausgleichsmaßnahmen für die Natur

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ie E-Werk „Zerzer Konsortial GmbH“ ist ein junges Mitglied in der Familie der Wasserkraftwerke im Vinschgau. Im Dezember 2012 ist das Werk oberhalb des Haidersees Richtung Zerzertal in den Probe-Betrieb gegangen. Mit einem Investitionsvolumen von 1,95 Millionen Euro wurden die Fassung hinter dem St. Martinskirchlein, die Druckrohrleitung, das Kraftwerk und die Übergabestation gebaut. Kein kleines Unterfangen, denn gerade die Druckrohrleitung musste in äußerst steilem Gelände verlegt werden. Die Wasserrückgabe befindet sich oberhalb der Wasserfassung der Seledison, so dass ein Teil des Zerzerbaches von der Seledison in den Reschenstausee geleitet werden kann. Rund 2,4 Millionen Kilowattstunden produziert das Werk seither jährlich im Schnitt. Über den Ertrag freuen können sich die Gesellschafter. Die Fraktion Burgeis ist am Werk zu 51 Prozent und die Touristik und Freizeit GmbH zu 49 Prozent beteiligt.

Weil das Zerzertal durch die Bruggeralm und die Oberdörferalm seit jeher bäuerlich genutzt wird und für das Vieh technische Hindernisse Verletzungsgefahren bedeuten und weil das Tal ein vielbesuchtes und gern begangenes Erholungsgebiet ist, hat man auch aus diesen Gründen die Wasserfassung an der „Planatschbrücke“ äußerst schonend in den Zerzerbach gelegt. Die Fassungsstelle ist für Wanderer kaum wahrnehmbar, wie das Bild unten zeigt. Der sogenannte „Coandarechen“, mit dem das konzessionierte Wasser - maximal 360 Sekundenliter - aus dem Zerzerbach entnommen wird, hat seitliche Bauwerke überflüssig gemacht. Ein Naturmauerwerk mit größeren Steinen bildet vor und nach der Fassung das Bachbett. Der Eingriff präsentiert sich schlicht und stört die Naturidylle rund um die St. Martinskirche nicht. Nicht sichtbar ist das unterirdisch angelegte Entsanderbecken. In der Konzession sind auch Ausgleichs-

maßnahmen vorgesehen, das heißt, dass bestimmte Geldmittel in Maßnahmen für die Natur, in Renaturierungen usw. bereitgestellt werden müssen. Eine sinnvolle Ausgleichsmaßnahme ist gemeinsam mit dem Präsidenten der Fischerfreunde Haidersee Hans Telser erarbeitet worden und wird vom Verwaltungsrat, bestehend aus dem Präsidenten Egon Alber, Peter Moriggl für die Fraktion Burgeis und Günther Bernhart, Präsident der Touristik und Freizeit GmbH, noch heuer in die Tat umgesetzt. Den Fischen wird so eine erleichterte Passage zu den ungestörten Laichplätzen geschaffen. Dafür wird am Uferbereich eine rund 120 Meter lange Vertiefung ausgehoben und mit Holzpfählen gegen den See hin vor Verschlammung geschützt. Das Ufer wird wiederum als Landungszone renaturiert. Den Fischen wird so eine ungestörte Laich-Oase geboten werden, welche mit Frischwasser und damit mit ausreichend Sauerstoff aus der Etsch versorgt wird.

E-Werk „Zerzer Konsortial GmbH“

Betriebnahme: Dezember 2012 Beteiligung: 51% Fraktion Burgeis; 49 % Touristik und Freizeit GmbH Produktion: 2,4 Mio. kWh/Jahr Verwaltungsrat: Egon Alber, Präsident Peter Moriggl Günther Bernhart

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Energiegenossenschaft Oberland - EGO

Wertschöpfung als Mehrwert Vorteile in der Peripherie

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isher war die Devise der 1999 gegründeten Energiegenossenschaft Oberland (EGO) verkaufen und zurückkaufen. Gemeint ist der elektrische Strom, der über die zwei Kraftwerke - dem Kraftwerk Oberland Rojenbach und dem Kraftwerk Ochsenberg - bereitgestellt wird. Rund 12,5 Millionen Kilowattstunden werden in den beiden Kraftwerken zusammen jährlich erzeugt. Und gemeint ist auch der elektrische Strom, der von den aktuell 609 Mitgliedern benötigt, bzw. verbraucht wird. Im Jahr 2014 wurden von den Mitgliedern der EGO in der Gemeinde Graun rund 6 Millionen Kilowattstunden verbraucht. Von der Genossenschaft und deren Mitgliedern aus gesehen wird also doppelt so viel Strom erzeugt wie von den Mitgliedern verbraucht wird. Daraus ergibt sich natürlich eine erhebliche Wertschöpfung bzw. ein Gewinn, der in der Gemeinde Graun allen Bürgern zugute kommt.

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Warum allen Bürgern und nicht nur den Mitgliedern? Ein aktuelles Beispiel: Die EGO ist seit geraumer Zeit dabei, gemeinsam mit den Fernheizwerken der Gemeinde, vor allem der BER, der Bioenergie Reschen, und der BEST, der Bioenergie St. Valentin, die „letzte Meile“ für die Glasfaserkabel zu installieren. Die Hauptstränge sind von der Autonomen Provinz bzw. vom Land bereits seit längerem verlegt worden. Die Gesamtkosten für den Ausbau der sogenannten „letzten Meile“ in der gesamten Gemeinde Graun - inklusive aller abgelegenen Weiler und Höfe - wie zum Beispiel Rojen, wurden mit 3,247 Millionen Euro angegeben. Weil die EGO diese Arbeiten koordiniert und auch finanziert, ist es bereits jetzt schon absehbar, dass die Gesamtkosten durch die Arbeitsvergabe an lokale Firmen, welche sich auf diesem Gebiet spezialisiert haben

und viele Arbeiten autonom durchführen können, niedriger ausfallen werden. Die Energiegenossenschaft Oberland verschafft auf diesem Weg lokalen Betrieben ohne zeitaufwändige und möglicherweise rekursgefährdete Ausschreibungen Arbeit, so dass die Wertschöpfung tatsächlich lokal bleibt und verhilft zudem der Bevölkerung zu einem äußerst kostengünstigen Glasfaseranschluss. Und: Es wird in der Peripherie Know-How für die Zukunft gebildet. „Wir bauen kostengünstig“, sagt der Obmann der EGO Hans Stecher, „aber wir benötigen halt etwas mehr Zeit.“ Und noch etwas kommt den Bürgern durch die Energiegenossenschaft zugute: vergünstigter Strom. Für die einzelnen Mitglieder kann diese Vergünstigung, je nach Verbrauch, eine Kleinigkeit bedeuten, denn die Stromtarife (die Steuern, die Systemkosten usw.) sind gesetzlich vorgegeben, so


Der aktuelle Verwaltungsrat (Bild v.l.) Johann Josef Stecher Obmann Johannes Habicher Alfons Wallnöfer Vize-Obmann Markus Hohenegger Peter Paul Noggler

Der aktuelle Kontrollausschuss Walter Kaserer Präsident Leonhard Blaas Andreas Fliri

dass der Genossenschaft nur eine Vergünstigung über die reinen Produktionskosten gelingt. Aber für die Oberländer Volkswirtschaft kommt dabei eine erkleckliche Menge an Ersparnis heraus: Insgesamt sparen sich die Genossenschaftsmitglieder rund 200.000 Euro an Stromkosten pro Jahr ein. Geld also, welches anderweitig ausgegeben werden kann. Ein kleiner Standortzugewinn allemal. Verglichen mit der leidvollen Stromgeschichte im Oberland derzeit ein kleines Trostpflaster. Denn zwischen den Anfängen der Stromgeschichte (1902 wurde das E-Werk Malserhaide mit zwei Turbinen in Betrieb genommen - in den 1960er Jahren wurde dieses Werk verstaatlicht und im ENEL integriert) und der ersten Inbetriebnahme eines gemeindeeigenen Trinkwasserkraftwerkes im Jahr 1998 war eine eigenständige Stromversorgung in der Gemeinde

Graun unterbrochen. Das mit „Leader II“Geldern geförderte Trinkwasserwerk mit einer Jahresproduktion von 1 Million Kilowattstunden war ein wirtschaftlicher Erfolg und ermutigte den damaligen BM Albrecht Plangger, Partner für das seit 1991 ins Auge gefasste Rojenbachwerk zu suchen. Die Fraktionsverwaltung Reschen und eine mutige Bevölkerung machten sich gemeinsam auf, eine an die Prader und Stilfser Erfolgsgeschichte angelehnte Genossenschaft auf die Beine zu stellen, welche das E-Werk bauen und später die Stromverteilung übernehmen sollte. Tatsächlich wurde am 15. Juni 1999 die Energiegenossenschaft Rojenbach Oberland von 10 Gründungsmitgliedern gegründet und Alfons Wallnöfer ihr erster Obmann. Die prozentuelle Aufteilung der Rechte und Pflichten bzw. der Erlöse und Kosten am Wasserkraftwerk Rojenbach wurden mit praktischen, ökonomischen und verwaltungstechnischen Überlegungen untermauert: 65 % hält die Energiegenossenschaft Oberland Rojenbach, 7,5 % die Fraktion Reschen und 27,5 % die Gemeinde Graun. Die Wirtschaftlichkeit des Projektes wurde im Energieassessorat bestätigt, die Wasserrechtskonzession angefordert, gebaut und am 19. Dezember 2000 ging das Werk ans Netz. Dies alles mitten in der heißen Phase des „Vinschger Stromkriegs“. Die „Grünzertifikate“ machten das Rojenbachwerk mit einer Jahresproduktion von rund 10 Millionen Kilowattstunden rasch rentabel, mittlerweile sind diese Förderungen ausgelaufen. Als zweiten wichtigen Schritt in Richtung Stromproduktion der EGO ist die Errichtung des Wasserkraftwerkes Ochsenbergbach. Am 23. September 2010 wurde das Werk in Betrieb genommen und läuft jährlich vom

1. April bis zum 30. November. An den rund 2,7 Millionen Kilowattstunden Jahresproduktion sind die Energiegenossenschaft Oberland mit 33%, die Fraktion Langtaufers mit 25% und die Gemeinde Graun mit 42% beteiligt. Und die bisherige Devise vom Kaufen und Verkaufen? Diese Devise wird, wenn alles gut geht, ab 1.1.2016 der Vergangenheit angehören. Denn mit diesem Datum geht das Stromnetz an die Gemeinde Graun über. Der Kauf des Netzes von der SELnet dürfte dann über die Bühne gegangen sein und die Kooperationen zwischen Vinschgauer Energiekonsortium, Gemeinde Graun und der EGO unter Dach und Fach sein. Dann geht im Oberland ein Traum in Erfüllung: Die EGO erzeugt und verteilt den Strom an ihre Mitglieder. Mit einem voraussichtlich enormen Zuwachs an Wertschöpfung im Oberland.

Das Büro der Energiegenossenschaft Oberland in Reschen, Hauptstraße 22, dient als Anlaufstelle für etwaige Fragen. Büroöffnungszeiten: Mo. – Fr. von 08:00 Uhr – 12:00 Uhr, nach Vereinbarung unter Tel. 0473 632048 oder E-Mail: ego@rolmail.net auch am Nachmittag.

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Elektrizitätswerk Stilfs

Pioniere am Berg Erfolg durch Beständigkeit

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ie Geschichte der Elektrizitätswerk Stilfs Genossenschaft ist eine Geschichte tatkräftiger Männer, eine Geschichte des Aufschwunges, eine Geschichte vom Kampf gegen die Tücken der Technik, der Erweiterungen, der Expansion und vor allem eine Geschichte für die örtliche Bevölkerung. Die Elektrizitätswerk Stilfs Genossenschaft (der Name besteht seit der Genossenschaftsreform im Jahr 2004) ist eine historische Genossenschaft mit heute 513 Mitgliedern. Historische Genossenschaften haben steuerliche Vorteile, sind, wie andere Genossenschaften, nicht gewinnorientiert und haben ausschließlich die Versorgung der Mitglieder und Nichtmitglieder mit elektrischem Strom und, seit dem Bau des Blockheizkraftwerkes in Trafoi im Jahr 2003, auch mit Wärme zur ureigenen Aufgabe. Die Erzeugung und die Verteilung von elektrischer Energie setzt große Anpassungsfähigkeiten voraus, denn die Rahmenbedingungen ändern sich andauernd - seien es die Verbrauchergewohnheiten, seien es die gesetzlichen Bestimmungen, seien es die technischen Errungenschaften. Mit den drei Kraftwerken, dem E-Werk Trafoibach, dem E-Werk Furkelbach und dem E-Werk Tramentanbach, erzeugt die Elektrizitätswerk Stilfs Genossenschaft pro Jahr im Durchschnitt 23.000 Megawattstunden. Das sind 23 Millionen Kilowattstunden. Die Genossenschaft beliefert 370 Haushalte

Verwaltungssitz in Gomagoi

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und 227 Gewerbeanschlüsse. Durch die Verteilung von ca. 10 Mio. Kilowattstunden ersparen sich die Genossenschaftsmitglieder € 478.000 jährlich. Aufgrund der unterschiedlichen Wassernutzung zwischen Sommer und Winter muss in den Wintermonaten, um die Spitzen abdecken zu können, Strom zugekauft werden. Auch deshalb ist die Elektrizitätswerk Stilfs Genossenschaft schon seit längerem bestrebt, wintertaugliche Wassernutzungen zu suchen. Ein Suldenbachwerk wäre eine Lösung für eine kontinuierliche Stromversorgung.

Die Gründung

Der Beginn der Stromgeschichte in Stilfs ist knapp 95 Jahre her. Die erste Generalversammlung der zu gründenden Elektrizitätsgenossenschaft Stilfs fand am 20. Februar 1921 im Stilfser Vereinssaal statt. Von den 180 Mitgliedern, die dies damals mit einem Beitrag von 100 Lire geworden sind, haben sich 70 zur Vollversammlung eingefunden. In geheimer Abstimmung wurde der erste Vorstand gewählt: Der Zimmermeister Simon Niklaus erhielt 37 Stimmen, Michael Moser 25 und Wilhelm Platzer 16 Stimmen. In den Aufsichtsrat wurden der Pfarrer Alois Patscheider, der Schulmeister Alois Waldner, Gottfried Stecher und der Schneidermeister Anton Platzer direkt gewählt. Weil die drei Dahintergereihten je 13 Stimmen erhielten,

Kraftwerk Trafoibach

wurde mittels Los entschieden: der Wirt Johann Josef Moser machte das Rennen. Bereits im November 1920 hat man in einer Versammlung entschieden, das Wasser des Tramentanbaches in einem Elektrizitätswerk zu nutzen. Um einen gediegenen Kostenvoranschlag erstellen zu können, wurden „die Lichtanmeldungen im Dorfe und auf den Höfen gesammelt. Jede Partei, welche Lichter anmeldet, bezahlt 4 Lire zur Bestreitung der Kosten für die Vorarbeiten. Es sind nur 200 Stück 32iger Birnen vorrätig, weshalb jede Partei zunächst nur ein Licht bekommt. Am 24.05.1921 war Baukommission, am 05.06.1921 Baubeginn, am 18.11.1921 Bauvollendung.“ Am 30. November 1921 vermeldet der Chronist: „Das elektrische Licht brannte heute Abend in Stilfs das 1. Mal.“

Das 1. E-Werk

Am 8. Dezember 1921 wurde das Elektrizitätswerk Stilfs von Pfarrer Alois Patscheider eingeweiht. Es war auch Pfarrer Patscheider eine der treibenden Kräfte für die Genossenschaftsgründung und für den Bau des Elektrizitätswerkes.Alles funktionierte nicht reibungslos: Neuschnee führte zu Stromausfall, schmutziges Wasser verlegte den Einlauf, schadhafte Druckrohrleitungen mussten repariert werden. Der Chronist vermeldete sogar: 07.10.1923 - „Heute versagte wieder das elektrische

Kraftwerk Tramentanbach


Licht in den meisten Häusern des Dorfes. Verursacht wurden diese Störungen bei den Prozessionen durch die Berührung mit den Fahnenkreuzen, weil die Leitungsdrähte zu wenig hoch angebracht sind.“ 1930 war die Kapazität bereits an seine Grenzen gelangt. Mit Einschränkungen beim Stromverbrauch und bei Übertretung mit Strafen musste man den Verbrauch drosseln.

Die Potenzierung

Erst in den 70er Jahren sprach man davon, die Anlagen zu potenzieren. Ende November 1981 konnten dann die erweiterte Druckrohrleitung und die neuen Turbinen, Lichtmaschinen und Generatoren in Betrieb gehen. 2012 schließlich wurde die neue Kraftwerkszentrale auf die andere Straßenseite verlegt und damit konnte die mittlere Nennleistung auf 241,64 kW erhöht werden. 1995 wurde das Laufkraftwerk „Furkelbachwerk“ (erbaut von Josef Ortler, Hotel Post, im Jahr 1911) vom „Elektrizitätswerk Stilfs Gen.m.b.H.“ erworben, erneuert und auf eine mittlere Nennleistung von 63,5 Kilowatt modernisiert. Im Februar 2011 konnte die neue Furkelwerkzentrale, die nach dem Austausch der Druckrohrleitung und dem Neubau der Fassung in das BHKW Trafoi integriert wurde, mit einer potenzierten Nennleistung von 368,87 kW in Betrieb gehen.

Neubauten

Einen Quantensprung machte die Genossenschaft mit dem Bau des Trafoibachwerkes, welches am 10. September 2000 unter der Obmannschaft von Otto Moser eingeweiht werden konnte. Mit einer maximalen elektrischen Leistung von 4.700 kW erzeugt das in Kooperation mit der Elektrizitätswerk Prad Genossenschaft errichtete Werk rund 19 Mio. kWh. Mit einer 8-prozentigen Beteiligung war das E-Werk Stilfs am Pilotprojekt der Windkraftanlage Marein, welche im Oktober 2003 ihren Betrieb aufgenommen hat, beteiligt. Eine zweite Pilotanalge kam 2006 hinzu. Die vor allem für die Wintermonate interessante Stromerzeugung mittels Wind ist mittlerweile

Kraftwerk Furkelbach und BHKW Trafoi

Von links: Christoph Pinggera, Johann Eberhöfer, Elmar Reinstadler, Herbert Platzer (Obmannstellvertreter), Josef Ortler, Alois Reinstadler (Obmann), Hans Pinggera, Dr. Walter Thöni, Dr. Johann Bruno Aondio

aufgrund von Protesten abgebrochen worden. Mit der Errichtung des Blockheizkraftwerkes in Trafoi mit zwei Dieselmotoren verfolgte das E-Werk Stilfs zwei Ziele: Zum einen soll Trafoi mit Wärme versorgt werden und zweitens soll mit dem BHKW der teure Stromzukauf im Winter, bedingt durch die niedrige Wasserführung des Trafoibaches, minimiert werden. Ab 2003 versorgten zwei Motoren, welche auch mit Biodiesel betrieben werden können, mit einer thermischen Leistung von 680 Kilowatt Trafoi mit Wärme. Bei Volllast produzierten zwei Motoren zudem 540 Kilowatt Strom. Derzeit wird eine neuer Heizkessel eingebaut, der mit Pellets und Hackschnitzel betrieben werden kann.

Der Sitz

Der Sitz des E-Werkes Stilfs ist seit 2005 im markanten Ex-Postillion-Gebäude in Gomagoi. Aus der Gründerzeit ist kein fester Genossenschaftssitz bekannt. Erstmals wurde ein „Sitz der Genossenschaft“ 1955 erwähnt. Sicher ist, dass ab 1965 das Bürolokal im Gemeindehaus in Stilfs untergebracht war und zwar bis 1975. Dann zog dort der Gemeindearzt ein und das E-Werk ins Haus 158 um. 1984 erhielt das E-Werk die alte Feuerwehrhalle (Haus Nr. 15 bei der Schmiedbrücke). Gut 20 Jahre blieb man dort, bis zum Umzug nach Gomagoi.

Das Netz

Aber was wäre eine Stromproduktion ohne Netz? Parallel zur Gründung und zum Bau des ersten E-Werkes wurde in Stilfs auch an die entsprechenden Leitungen gedacht. 204 Leitungsmasten für Freileitungen waren in einem ersten Schritt 1921 nötig und der „erste Leitungsmast wurde am 3. August 1921 bei der Schmiedbrücke (Pazleida) aufgestellt. Haus um Haus und Hof um Hof wurden leitungstechnisch erobert. Die Parteien legten teilweise selbst Hand an. Auf Platz, Innerund Außerpast stellten die Bewohner 1923 selbst die Stangen und stellten die Leitung her.“ Die Genossenschaft hat die Leitung dann erst viel später (1964) übernommen.

Stromdiebstahl, böswillige Beschädigungen, Kurzschlüsse: Die Genossenschaft hatte auch mit Unbill zu kämpfen. Und bis zum Jahr 1957 fehlte den Höfen Mur, Thial und Vallatsches das elektrische Licht. Bis dahin haben sie sich mit Petroleumlampen bedienen müssen. Erst 1955 wurden Zähler installiert. Die Freileitungen waren über Jahrzehnte hin Baustelle: Neubauten, Erneuerungen, Ausbesserungen, neuer Bedarf, Kabinenbauten, Mittelspannungsleitungen usw. In den 1990er Jahren wurde begonnen, die Leitungen unterirdisch zu verlegen. Sogar die „Ochsenberghütte“ bekam einen unterirdischen Anschluss. 2005 wurden alle Werke und Hauptkabinen mit Datenkabel verbunden. Im Zuge der Dorfsanierung sollte auch die Niederspannungsleitung im Außerdorf unterirdisch verlegt werden. Einige Reststränge wurden allerdings auf Initiative der „Freunde der Schwalben“ belassen, so dass Schwalben auch in Zukunft ein Rastplatz und eine Sammelstelle geboten werden kann. Das E-Werk Stilfs hat diese Arbeiten gerne übernommen. In Hinblick auf die Übernahme des Selnetnetzes mit 01. Jänner 2016 hat die Genossenschaft im heurigen Jahr mit der unterirdischen Verlegung der MS-Leitung nach Sulden begonnen. Gleichzeitig wird auch die Glasfaserleitung nach Sulden verlegt. Im Dorf, den Fraktionen Gomagoi, Stilfserbrücke und Trafoi hat die Genossenschaft die sog. „Letzte Meile“ erfolgreich ausgebaut; Interessierte könne bereits seit Ende 2014 über Glasfaser im Internet surfen.

Die Zukunft

Mittlerweile beliefert die Elektrizitätswerk Stilfs Genossenschaft Mitglieder und Nichtmitglieder im gesamten Leitungsnetz der Gemeinde Stilfs und eine rege Tätigkeit, wie sie in den vergangenen knapp 100 Jahren an den Tag gelegt worden ist, wird auch noch für die Zukunft erwartet. Quelle: Broschüre 85 Jahre E-Werk Stilfs, Einweihung Bürogebäude Gomagoi, Blockheizkraftwerk Trafoi; Hrsg.: Elektrizitätswerk Stilfs Genossenschaft; Dr. Johann Aondio, Dr. Walter Thöni, Geom. Othmar Brenner; 2006

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E-Werk Prad GEnossenschaft

Energie von daheim Speerspitze der Genossenschaften

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ie E-Werk Prad Genossenschaft (EWP) hat sich im Laufe der Jahrzehnte eine beneidenswerte Position erobert. Mit dem vor Ort erzeugten Strom können sämtliche Mitglieder der Genossenschaft und auch Nichtmitglieder versorgt werden. Und das ganzjährig. Möglich macht dies ein ausgeklügeltes Erzeugungssystem von Strom innerhalb der Gemeinde Prad. An den rund 21 Mio. Kilowattstunden Stromproduktion 2014 waren mit 91,67 Prozent die vier Wasserkraftwerke, mit 7,84 Prozent die vier Kraft-Wärme-Koppelungsmodule (davon ein Biogasmodul) und mit 0,49 Prozent die Photovoltaikanlage am Mühlbachwerk II beteiligt. Die E-Werk Prad Genossenschaft hat sich zudem durch permanente Innovation und ständige Investitionen in den letzten Jahren eine komfortable Ausgangslage erarbeitet: In den EWP-Kraftwerken wird mehr Strom produziert als von den Genossenschaftsmitgliedern verbraucht wird. Gemessen am Verbrauch der EWP–Mitglieder ist die Stromproduktion des EWP fast doppelt so hoch. Den anfallenden Überschussstrom verkauft das EWP auf dem freien Strommarkt und zwar auf der Grundlage eines kooperativen Strom-

handelssystems, welches der Südtiroler Energieverband (SEV) für mehrere „historische Genossenschaften“ im Land Südtirol organisiert. In diesem Zusammenhang weist der langjährige Obmann des EWP Georg Wunderer darauf hin, dass es für die „historischen Genossenschaften“ besonders wichtig sei, den Strombedarf der Mitglieder möglichst ganzjährig mit Eigenproduktion zu decken. Ist dies nicht möglich, so muss Strom von auswärts bzw. aus dem nationalen System bezogen werden, wobei dann bei diesem „fremdbezogenen“ Strom die sogenannten Systemkosten aufgerechnet werden, die derzeit bei rund 6 Cent/kWh liegen. Je mehr Fremdstrom bezogen werden muss, umso teuerer wird dann der Strom für die Mitglieder. Die Befreiung von den Systemkosten im Ausmaß der Eigenproduktion ist ein Privileg der „Eigenerzeuger und Eigenverbraucher“, zu denen auch die „historischen Genossenschaften“ gehören. Im Bersani-Dekret (LD 79/1999, Art.2) wurde dies neuerdings bestätigt. In den Wintermonaten sei es dem EWP allerdings nicht immer möglich mit den 4 „Laufwasserkraftwerken“ den Strombedarf insbesondere zu Spitzenzeiten zu decken, er-

klärt der Obmann. Da setze das EWP zusätzlich die angeführten KWK-Anlagen ein, die neben Strom auch Wärme liefern. Jedenfalls sei es definitiv von Vorteil, den Strombedarf der Mitglieder mit Eigenproduktion zu decken. 614.000 Euro bleiben den Prader Genossenschaftsmitgliedern insgesamt mehr in den Brieftaschen. Müssten die Mitglieder den Strom auf der Grundlage des „geschützten Marktes“ vom „Aquirente Unico (AU)“ beziehen, so würde sich der Strompreis für die Mitglieder um oben genannte Summe erhöhen. Das hat für die lokale Volkswirtschaft einen enormen Vorteil. Um rund ein Drittel günstiger ist der Strom in Prad für die Mitglieder der Genossenschaft. Und auch die Gemeinde Prad profitiert direkt von der Genossenschaft - und damit indirekt auch wiederum alle Bürger: Als Mitglied der Genossenschaft zahlt die Gemeinde Prad bei der öffentlichen Beleuchtung um 36 Prozent weniger, als wenn sie den Strom „normal“ einkaufen müsste. Diese Vorteile sind hart erarbeitet: Mit einer aus heutiger Sicht bescheidenen Jahresproduktion von rund 35.000 Kilowattstunden hat die 1927 gegründete Genossenschaft begonnen. Erst nach dem 2. Weltkrieg stieg

Die Mannschaft der E-Werk Prad Genossenschaft vorn sitzend v.l.: Martin Platzer, Elisabeth Pichler Wellenzohn, Vera Tscholl, Maria Kobler, Evi Obkircher, Georg Wunderer; hintere Reihe v.l.: Christoph Wunderer, Patrick Prugger, Martin Niederegger, Michael Unterkircher, Othmar Brenner, Lillo Luis Alonso, Karlheinz Stocker, Daniel Wieser, Anton Angerer, Klaus Wallnöfer und Daniel Folie (es fehlt Bernd Zischg)

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Mühlbachwerk I mit Kaplan-, Francis- und Peltonturbine - eine europaweit einzigartige Anordnung der drei klassischen Wasserkraftturbinen

Die Fernwärmezentrale 2 im St. Antonweg in Prad; links: POP, die Glasfaserzentrale im Bauhof Prad

der Stromkonsum in Prad allmählich an. Vor allem mit der Errichtung der „Gewerbezone von Landesinteresse“ setzte anfangs der 70-er Jahre in Prad eine wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung ein, wodurch dann auch der Strombedarf weiter anstieg. Viel Strom musste damals zugekauft werden, da mit dem alten Tschrinbachwerk nur noch ein bescheidener Teil des Stromkonsums gedeckt werden konnte. Die Wende gelang in den 80-ger Jahren. Zunächst wurde 1982/1983 das Tschrinbachwerk neu ausgebaut. Es lieferte rund 2,4 Mio. kWh Strom. Dann folgte der Bau der 2 Mühlbachwerke und schließlich zusammen mit der E-Werk Genossenschaft Stilfs im Jahr 1998 der Bau des Trafoibach-Kraftwerkes. 19 Mio. kWh Strom wurden im Jahr 2000 produziert und im niederschlagsreichen Jahr 2014 waren es 21 Mio. kWh.

und bürgernah den Mitgliedern und Kunden geliefert werden. Damit leistet das EWP einen wichtigen Beitrag für den heute so wichtigen Klimaschutz. Fast alle Familien und Betriebe sowie auch die Institution Gemeinde sind direkt am genossenschaftlichen Unternehmen beteiligt. Damit können sie mitbestimmen, wodurch auch ein hohes Maß an nachhaltiger Sozialverträglichkeit gewährleistet wird. Schließlich trägt das lokale Energieversorgungsunternehmen auch zur Belebung der lokalen Wirtschaftskreisläufe bei, was insbesondere für die sozioökonomische Entwicklung dezentraler Räume von besonderer Bedeutung ist. Der Erfolg des EWP ist ohne Zweifel das Ergebnis von Zusammenarbeit und von Leistungen vieler zum Wohle der Gemeinschaft. Aufgrund des Weitblicks der Geschäftsführung und des Verwaltungsrates sowie aufgrund des täglichen Einsatzes der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können heute in Prad grundlegende Dienstleistungen der Daseinsvorsorge für Mitglieder der Genossenschaft und die gesamte Gemeinschaft eigenständig, bürgernah und kostengünstig sichergestellt werden.

Seit Georg Wunderer im Jahr 1983 Obmann der Genossenschaft geworden ist, ist bei der E-Werk Genossenschaft Prad der Knopf aufgegangen. Erstes Ziel war es, die Stromproduktion so auszubauen, dass damit der Strombedarf von Prad gedeckt werden konnte. Ein zweites energiewirtschaftliches Standbein wurde mit dem Bau von 2 Fernwärmezentralen und einem Fernwärmenetz für die Orte Prad und Agums sowie für die Gewerbezone geschaffen, so dass über die Genossenschaft auch Wärme bezogen werden kann. In den Fernwärmezentralen setzt das EWP 3 Hackschnitzelöfen, 4 Kraft-WärmeKopplungsmodule und 2 Wärmepumpen ein. In Zusammenarbeit mit der Biogas Genossenschaft, welche in der Gewerbezone eine Biogasanlage betreibt, wo vor allem Gülle, Festmist und Abfallobst fermentiert werden, kann das EWP in der Fernwärmezentrale 2 neben Biomasse auch Biogas als Primärenergiequelle für den Betrieb eines Biogasmoduls, das Strom und Wärme liefert, einsetzen. Damit konnte ein weiterer konsequenter

Schritt zur sinnvollen Verwendung lokaler und erneuerbarer Energie realisiert werden. Und was ist logischer, als die von der EWP - Genossenschaft in jahrzehntelanger Kleinarbeit vergrabene Leitungsinfrastruktur (Stromkabel, Fernwärmeleitungen, Leerrohre, Schächte, Verteiler usw.) für die neueste Datenübertragungs-Technologie mittels Lichtwellen zu nutzen? Aufgrund dieser Voraussetzungen konnte das EWP die Verlegung von Glasfaserleitungen und den technischen Aufbau dieses schnellen Datenübertragungssystems auf der „letzten Meile“ in der Gemeinde Prad übernehmen. Heute stellt die Breitbandversorgung mit Glasfasertechnik das dritte Standbein im Dienstleistungsmix der Genossenschaft dar. Seit dem Beginn der Arbeiten im Sommer 2012 sind mittlerweile über 400 Prader Betriebe und Haushalte über Glasfaserleitungen mit der Welt verbunden. Eine Errungenschaft, die ohne das EWP wohl nicht so einfach und effizient zu bewerkstelligen gewesen wäre. Mit der weitreichenden Nutzung lokaler Energiequellen wird in Prad sicherlich ein hohes Maß an autarker Energieversorgung sichergestellt. Dabei sind es fast ausschließlich erneuerbare Energiequellen, die in den verschiedenen Zentralen bei hohen Wirkungsgraden in Nutzenergie umgewandelt

Kreuzweg 5 39026 Prad am Stilfserjoch Tel.: 0473616202 Fax:0473 618514 E-Mail: info@e-werk-prad.it

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Vinschgauer Energiekonsortium VEK

Wir sind auf Kurs Die operative Phase ist eingeleitet

Sie sind seit kurzem Obmann des Vinschgauer Energiekonsortiums. Worin besteht Ihre Aufgabe? Alexander Telser: Das Vinschgauer Energiekonsortium arbeitet seit geraumer Zeit auf Hochtouren, um die Stromnetzübernahme umsetzen zu können. Als Obmann des Verwaltungsrates habe ich, gemeinsam mit dem technischen Direktor Egon Alber und dem Geschäftsführer Florian Pinggera, viele Koordinationsaufgaben zu erfüllen, bei den wöchentlichen Sitzungen des Verwaltungsrates etwa, in denen die Aufgabenverteilung koordiniert wird. Der Verteilerbetrieb für das Stromnetz im Vinschgau ist aufzubauen. Das ist eine komplexe Sache. Denn es sind Verhandlungen mit dem derzeitigen Betreiber, der SELNET, zu führen. Es sind Verhandlungen mit künftigem Personal zu führen. Wir haben zudem einige wichtige Partnerbetriebe, die uns mit ihrem Wissen und mit ihrem Know-How unterstützen. Zum einen ist das die Syneco, mit der laufend Gespräche geführt werden, zum anderen ist das der Südtiroler Energieverband SEV, der uns beratend zur Seite steht. Wichtige Partner sind natürlich die Gemeinden Laas, Schluderns, Glurns, Taufers, Mals und Graun. Ich begleite die Vorbereitungen für allfällige Beschlüsse in den Gemeinderäten, bin Ansprechpartner für Bürgermeister und Gemeindereferenten.

Mit 1. Jänner 2016 soll das Stromnetz von Laas bis Graun von den Gemeinden gekauft und zur Führung an das VEK weitergegeben werden. Ist der Weg dafür geebnet? Telser: Wir sind auf Kurs. Der Weg ist geebnet. Die Gemeinden werden noch im heurigen Jahr die Kaufverträge mit SELNET unterzeichnen, so dass die jeweiligen Stromnetze in Gemeindebesitz übergehen werden. Allerdings gibt es noch viele Aufgaben, die bis dahin zu erledigen sind.

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Mit der Stromnetzübernahme betritt das VEK Neuland. Unterstützung wird es von den E-Werken Prad und Stilfs geben. Wird es trotzdem eine Übergangszeit geben müssen und wie kann man sich diese vorstellen? Telser: Das Vinschgauer Energiekonsortium freut sich, Neuland betreten zu können. Ich denke, dass wir als Vinschgauer Energiekonsortium an der Aufgabe der

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Das Vinschgauer Energiekonsortium freut sich, Neuland betreten zu können. Wir werden an der Aufgabe wachsen.

eigenständigen Stromverteilung wachsen werden bzw. das Handwerk selbst erlernen wollen. Auch bin ich überzeugt, dass die Gemeindeverwalter und auch die Bürger in diese Eigenständigkeit hineinwachsen werden. Allerdings wird es eine Übergangszeit brauchen, das ist sicher. Wir werden mit allen an der Stromverteilung und an der Stromproduktion beteiligten Akteuren gemeinsam definieren, wie die technische, auch die administrative Betreuung in einer solchen Übergangszeit aussehen wird. Es freut uns natürlich, dass wir auf die Unterstützung der historischen E-Werke Prad

und Stilfs, die im Laufe der Jahrzehnte ja sehr viel Erfahrung gesammelt haben, zählen können. Auch können wir auf die Erfahrungen von ausgewiesenen Stromexperten in unseren Reihen zurückgreifen, auf einen Georg Wunderer etwa, auf Siegfried Stocker, auf Hubert Variola. Zur Seite stehen uns die Obmänner der E-Werk Genossenschaften Stilfs und Oberland Alois Reinstadler und Johann Stecher. Wir haben die politische Unterstützung amtierender und ehemaliger Verwaltungsratsmitglieder des VEK, von Andreas Tappeiner, Sepp Noggler und Albrecht Plangger. Und wir können auf die Unterstützung von Landesrat Richard Theiner und Ressortleiter Florian Zerzer zählen.

Wird der Strom im Vinschgau billiger werden? Telser: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind nun einmal wie sie sind. Der Stromtarif mit all seinen Steuern, Systemkosten und Durchleitungsgebühren ist vom staatlichen Gesetzgeber und von der Stromregulierungsbehörde definiert. Also ein verbilligter Stromtarif hängt nicht nur vom Vinschgauer Energiekonsortium ab. Im Rahmen dieser gesetzlichen Möglichkeiten wird es für die künftigen Mitglieder des Vinschgauer Energiekonsortiums Vergünstigungen geben können. Es wäre vermessen, Versprechungen abzugeben. Aber die Vorteile, welche eine eigenständige Stromverteilung mit sich bringen wird, sind andere.

Welche Vorteile wird es bringen, beim VEK Mitglied zu sein? Telser: Die gesamte Stromverteilung wird lokal organisiert werden. Wir sind dabei, eine zentrale Anlaufstelle in Prad für künftige Mitglieder zu errichten.


Der Präsident des Vinschgauer Energiekonsortiums VEK Alexander Telser: „Wir wollen das Handwerk der Stromverteilung selbst erlernen.“

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Der erweiterte Verwaltungsrat des Vinschgauer Energiekonsortiums VEK sitzend v.l.: Johann Josef Stecher (Obmann der Elektrizitätsgenossenschaft Oberland EGO), Alois Reinstadler (Obmann der E-Werk Stilfs Genossenschaft), Alexander Telser (VEK-Präsident des Verwaltungsrates), Florian Pinggera (VEK Geschäftsführer) hinten v.l.: Egon Alber (technischer Direktor des VEK), Andreas Tappeiner (Bürgermeister der Gmeinde Laas und Präsident der Bezirksgemeinschaft Vinschgau), Georg Wunderer (Obmann der E-Werk Prad Genossenschaft) und Hubert Variola (Direktor des Sonderbetriebes Gemeindewerke Latsch)

Auch in den jeweiligen Gemeinden sind Infoschalter geplant. Im Oberland wird die Anlaufstelle im Büro der Energiegenossenschaft Oberland sein. Das Vinschgauer Energiekonsortium wird mittelfristig also imstande sein, sämtliche Stromanfragen, Ab- und Anmeldungen, Baustrom usw. vor Ort abwickeln zu können. Wir werden eine bürgernahe und effiziente Dienstleistung anbieten und uns an den Bedürfnissen der Kunden und der Betriebe orientieren. Auf der anderen Seite werden Entscheidungen über Arbeitsplätze nicht mehr außerhalb des Tales, in Bozen oder sonstwo, getroffen, sondern vor Ort. Die zu tätigenden Arbeiten beim Stromnetz, bei Kabelverlegungen und dergleichen werden im Vinschgau getroffen. Es ist dies ein kleiner Schritt gegen den Trend der Zentralisierung in Richtung Selbstbestimmung im ländlichen Raum.

Kann ein Bürger der Gemeinden Laas, Schluderns, Glurns, Taufers, Mals und Graun 2016 Genossenschaftsmitglied des VEK werden?

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Wir werden eine bürgernahe und effiziente Dienstleistung anbieten und uns an den Bedürfnissen der Kunden orientieren.

Telser: Ja, alle BürgerInnen können Mitglied des Vinschgauer Energiekonsortiums werden, um langfristig in den Genuss von Vorteilen zu kommen.

Die Gemeinden müssen zum Ankauf der Stromnetze tief in die Tasche greifen. Machen sich diese finanziellen Anstrengungen bezahlt? Telser: Ich möchte daran erinnern, dass die finanziellen Mittel in den Gemeinden von den Bürgerinnen und Bürgern stammen.

Die Gemeinden kaufen Stromnetze, die einen bestimmten Wert darstellen und dieser Wert wird durch laufende Anlagenverbesserungen gesteigert. Das ist die eine Seite. Zum anderen wird der Stromdienst im Tal sicher optimiert werden und das kommt allen Gemeindebürgern zugute. Zudem wird durch die Arbeitsvergabe an örtliche Betriebe eine langfristige Umlaufrendite gebildet. Sprich, das über das Stromnetz und über den Strom allgemein erwirtschaftete Geld kommt der lokalen Wirtschaft zugute. Also könnte man sagen, dass die Gemeinden in künftige Arbeitsplätze investieren.

Das Vinschgauer Energiekonsortium ist mittlerweile auch Stromproduzent. Das VEK verwaltet rund 120 Millionen kWh Strombezugsrechte aus den Großableitungen. Wie kann man sich diesen Strombezug vorstellen? Telser: Über den größten Teil der Strombezugsrechte (ca. 60 Mio. kWh) aus den Kraftwerken des Reschenstausees und ca. 60 Mio. kWh aus dem Kraftwerk Laas (ge-


die Voraussetzungen geschaffen werden, dass endlich eine erste Heimholung des im Vinschgau erzeugten Stromes stattfinden kann.

speist vom Marteller Stausee) verfügen die 13 Gemeinden des Vinschgaus. Das VEK ist von den Gemeinden, die am VEK beteiligt sind, beauftragt, die Strombezugsrechte zu verwalten und die Erträge daraus den Gemeinden zu übergeben. Dazu wird das VEK ein Stromhandelssystem organisieren, auf dessen Grundlage das VEK mit Hilfe einer oder mehrerer Verbrauchergenossenschaften dann auch gewisse Strommengen aus den großen Wasserkraftanlagen im Vinschgau direkt den Familien und Betrieben im Vinschgau anbieten kann. Damit sollen

Die großen elektrischen Brüder im Lande, wie die SEL oder die Etschwerke, haben ihre Geschäftsfelder intern aufgeteilt. Da gibt es die Stromerzeugung, die Stromverteilung und den Stromhandel. Wird es für das Vinschgauer Energiekonsortium auch eine solche Aufteilung geben? Telser: Weil der Staat Italien seinen Strommarkt auch auf Druck der Europäischen Union hin liberalisieren hat müssen und damit die Monopolstellung einiger weniger Energieriesen wie ENEL oder Edison zerschlagen hat, hat dies auch die Aufspaltung der Tätigkeiten in Produktion, Verteilung und Handel bewirkt. Energiebetriebe mit über 100.000 Kunden müssen diese Tätigkeiten in eigenen Gesellschaften organisieren. Dies trifft für die SEL und für die Etschwerke zu, um bei den Beispielen zu bleiben. Das Vinschgauer Energiekonsortium VEK kommt auf knapp 10.000 Stromnetzkunden. Eine Aufspaltung der Tätigkeiten in eigene Gesellschaften trifft nicht zu, doch muss das VEK schon das sogenannte „Unbundling“ befolgen, will heißen, dass für jede Tätigkeit eigene Geschäftgebarungen zu erstellen sind. Dies wird allerdings innerhalb der Genossenschaft stattfinden und bedeutet natürlich einige organisatorische Aufwendungen. Für die Kunden wird dies nicht spürbar. Interview: Erwin Bernhart

Info: Die Gründung des Vinschgauer Energie Konsortiums erfolgte im März 1999 im Kloster Marienberg mit dem Ziel, im Vinschgau eine eigenständige Stromverteilung und Stromversorgung zu organisieren.

Mitglieder des Vinschgauer Energiekonsortiums VEK Gemeinde Kastelbell Gemeinde Latsch Gemeinde Schlanders Gemeinde Laas Gemeinde Prad Gemeinde Stilfs Gemeinde Schluderns Gemeinde Glurns Gemeinde Taufers Gemeinde Mals Gemeinde Graun Gemeinde Schnals Gemeinde Martell BZG Vinschgau Energie-Werk Prad Elektrizitätswerk Stilfs SGW-Latsch EGO Oberland E-AG Mals EGS Sulden SEG Schluderns BEST St. Valentin a. H. BER Reschen EGL Latsch BEGS Bio-Energie-Gen.-Schlinig LEEG Laaser-Eyrser Energiegen.

Prad am Stilfserjoch Hauptstraße 50 Tel: +39 0473 84 95 08 Fax: +39 0473 42 12 18 info@vek.bz.it

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Seledison

Grüne Energie aus dem Vinschgau Glurns und Kastelbell SELEDISON betreibt im Vinschgau die zwei historischen Wasserkraftwerke Glurns und Kastelbell. Mit einer durchschnittlichen Jahresproduktion von etwa 633 Millionen Kilowattstunden liefern die beiden Anlagen grüne und saubere Energie für mehr als 180.000 Haushalte. Damit kommt den Kraftwerken,

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welche hauptsächlich das Wasser der Etsch zur Stromproduktion nutzen, eine große Bedeutung zu. Zudem liefern die zwei Anlagen Wasser zur Bewässerung und für Löscharbeiten. Betrieben werden die Wasserkraftwerke Glurns und Kastelbell von SELEDISON, einer gemeinsamen Gesellschaft von SEL,

Selfin, EDISON, Etschwerke und den Vinschgauer Gemeinden Graun, Mals, Schlanders, Latsch, Kastelbell-Tschars, Laas, Schluderns, Glurns, Martell, Prad, Schnals, Stilfs und Taufers im Münstertal. Der Gesellschaft ist es ein großes Anliegen, die beiden Wasserkraftwerke im Vinschgau umweltverträglich und in guter Zusammen-


arbeit mit den jeweiligen Gemeinden und der Bevölkerung zu betreiben. So investierte SELEDISON allein im Jahr 2013 rund 1,6 Millionen Euro in Instandhaltungsarbeiten am Reschenstausee zur Restrukturierung und Stabilisierung. Der Beitrag für Land und Leute zeigt sich auch in der Vielzahl an Initiativen und Sponsorbeiträgen, im sozialen, kulturellen und Umweltbereich sowie der Unterstützung lokaler Projekte und Vereine. Die Bevölkerung profitiert von den Anlagen auch, indem die Kraftwerke Wasser zur Bewässerung, zum Schutz gegen Reif und für Löscharbeiten an die Genossenschaften der jeweiligen Gemeinden liefern. Die Regulierung der Wasserstände der Stauseen berücksichtigt unter anderem die Bedürfnisse der Bewässerung: So wird die Wasserentnahme zu Bewässerungszwecken, insbesondere im Zeitraum zwischen Juni und September, in der Regel direkt von den Genossenschaften übernommen.

Die Anteile an der Gesellschaft SELEDISON, welche im Jahr 2000 gegründet worden ist, sind folgendermaßen verteilt: verschiedene Vinschgauer Gemeinden

8% Etschwerke AG

8%

SEL AG

27 %

Selfin GmbH Edison AG

42 %

15 %

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Technische Daten Wasserkraftwerk Glurns

Durchschnittliche Jahresproduktion:

237 Millionen Kilowattstunden

Inbetriebnahme:

Fallhöhe:

1949

586,2 Meter

Maximale Leistung:

Einzugsgebiet:

105 Megawatt

348 Quadratkilometer

Zusätzlich sammelt SELEDISON mikroklimatische Daten und stellt diese den verschiedenen lokalen Behörden und hydrographischen Ämtern zur Verfügung.

7.000 Arbeiter und 5 Millionen Arbeitsstunden

Die Pläne zur Nutzung der Reschenseen (Reschen-, Mitter- und Haidersee) zur Energieproduktion gehen auf das Jahr 1910 zurück, doch erst Anfang der 1920er-Jahre wurde mit konkreten Planungen begonnen. Die Gesellschaft „Società elettrica Alto Adige“, welche später in die MontecatiniGruppe eingegliedert wurde, begann 1939 mit den Vorarbeiten zum Bau der Anlagen, die aufgrund des 2. Weltkriegs unterbrochen werden mussten. Nach Kriegsende im Jahr 1946 wurden diese wieder aufgenommen und bereits 1949 konnten die beiden Kraftwerksstufen in Glurns und Kastelbell in Betrieb genommen werden. Die zwei Großwasserkraftwerke wurden mit bis zu 7.000 Arbeitern in insgesamt fünf Millionen Arbeitstagen errichtet. Dabei wurden 35 Kilometer lange Stollen gegraben, 150.000 Tonnen Zement und 10.000 Tonnen Eisen verbaut sowie 800 Tonnen Sprengstoff eingesetzt. Der 31 Meter hohe und 467 Meter lange Staudamm des Reschensees oberhalb von St. Valentin war der erste große Erddamm in Italien und zur damaligen Zeit einer der größten in ganz Europa. Durch

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den Bau des Staudamms wurden die beiden ursprünglichen Seen, der Reschenund Mittersee, zu einem Gewässer vereint. Die dabei überfluteten Ortschaften von Graun und Reschen, deren Kirchturm noch heute aus dem Wasser ragt, wurden oberhalb des Sees neu aufgebaut.

Ein ausgeklügeltes System

Das Wasserkraftwerk in Glurns ist das klei-

nere der beiden Großwasserkraftwerke und bildet die erste Stufe der sogenannten Reschenseen-Konzession. Es nutzt das Wasser der Etsch und einiger Zuflüsse, das hauptsächlich im Reschenstausee gestaut wird. Über einen rund 12 Kilometer langen Druckstollen fließen die Wassermassen in den Maschinenraum des Kavernenkrafthauses. Das dort abgearbeitete Wasser wird über einen teils unterirdisch und teils


Technische Daten Wasserkraftwerk Kastelbell

Durchschnittliche Jahresproduktion:

396 Millionen Kilowattstunden

Inbetriebnahme:

Fallhöhe:

1949

294 Meter

Maximale Leistung:

Einzugsgebiet:

87 Megawatt

1.090 Quadratkilometer

offenen Kanal in ein Ausgleichsbecken und zurück in den Punibach und die Etsch geleitet. Durch dieses Ausgleichsbecken kann die Wasserzufuhr für die Unterstufe, also für das Wasserkraftwerk Kastelbell, reguliert werden. Die Wasserfassung für das Kraftwerk Kastelbell befindet sich in Laas, von dort wird das Wasser über ein ca. 17 km langes Stollensystem in den Maschinenraum der

Anlage Kastelbell geleitet, welcher in einer Kaverne untergebracht und über einen 190 Meter langen Schacht erreichbar ist. Zusätzlich zum Etschwasser gelangt auch das Wasser aus dem Kraftwerk Laas der SELTochtergesellschaft Hydros in die Hauptzubringerleitung. Weiters werden entlang dieser Zubringerleitung die Seitenbäche der Etsch – der Laaserbach, der Plimabach, der Mareinbach und der Schlumserbach

in das System geleitet. Das Einzugsgebiet des Kraftwerks Kastelbell entspricht dem gesamten oberen Vinschgau und umfasst rund 1.000 Quadratkilometer, davon sind mehr als 80 Kilometer Gletscherfläche. Das für die Stromproduktion genutzte Wasser wird anschließend in die Etsch zurückgeleitet. Während das Wasserkraftwerk Glurns als Speicherkraftwerk insbesondere in Spitzenlastzeiten, wenn der Strombedarf kurzfristig ansteigt, eingesetzt wird, ist das Kraftwerk Kastelbell als Laufwasserkraftwerk rund um die Uhr in Betrieb.

Verwaltungssitz I-39100 Bozen, Claudia-Augusta Straße, 161 Tel + 39 0471 440 672 Fax + 39 0471 440 664 info@seledison.bz.it

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marktGemeinde Schlanders - Abteilung Energie

Wertschöpfung vor Ort Laufende Verbesserungen Die Geschichte

Bereits um 1900 baute die Elektrogesellschaft Malser Haide ein kleines Wasserkraftwerk am linken Etschufer in Göflan. Das Wasser wurde von der Etsch abgeleitet und einer Francis-Turbine, die an einen Gleichstromgenerator gekoppelt war, zugeführt. Das Kraftwerk erzeugte eine Leistung von 80 kW. Im Jahre 1904 wurde Schlanders erstmals mit elektrischem Strom versorgt. Da diese Leistung den steigenden Strombedarf nicht decken konnte, wurde von der Elektrogesellschaft Malser Haide Strom dazugekauft. Im Jahre 1953 lief der Vertrag mit der Elektrogesellschaft Malser Haide aus und der Verwaltungsrat und der damalige Bürgermeister Josef Benedikter beschlossen, den Bau eines eigenen Wasserkraftwerkes. Josef Pobitzer, ehemaliger Elektriker der Elektrogesellschaft Malser Haide und Robert Privora übernahmen zusammen sämtliche Bauarbeiten des gemeindeeigenen Kraftwerks. In den Sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts bildete sich eine Interessentengemeinschaft bestehend aus Schlanderser Bürgern und Wasserrechtsbesitzern, welche den ersten Lokalaugenschein zum Bau eines Kraftwerkes unter der Führung des damaligen Bürgermeisters Dr. Erich Müller im Schlandrauntal vornahmen. Im Jahr 1961 übergab man der Firma General Pioggia in Bozen die Planung des Gemeindewerks Schlanders. Der Projektant Ing. Ercole Volante sah ein großes Kraftwerk mit einer Leistung von 4.000 kW vor. Damit es nicht zu einer Übernahme des Werkes durch die im Jahre 1963 gegründete ENEL (Ente Nazionale per l‘energia elettrica) kam, wurde auf Rat des Senators Dr. Karl Tinzl um eine Konzession zur Nutzung des Werkes als Trinkwasserwerk angesucht. Man reduzierte die Leistung des Kraftwerks

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auf 1.000 kW und wandelte das Gemeindewerk in einen munizipalen Betrieb um. Die Bauarbeiten wurden im November 1969 begonnen und bereits im März 1971 nahm das Wasserkraftwerk unter dem damaligen Präsidenten Ludwig Gurschler und dem technischen Leiter Robert Privora seinen Betrieb auf. Ende der Sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts begann man in Eigenregie die alten Freileitungen und Elektrokabinen durch ein modernes Erdkabelnetz und Fertigkabinen zu ersetzen. Das Wasserkraftwerk erreichte eine Höchstleistung von 1.000 kW, die jedoch den Stromverbrauch nicht abdeckte und so vereinbarte man 1985 den Parallelbetrieb mit der ENEL. Das Kraftwerk des munizipalisierten Betriebes

Schlanders versorgt mit den Industriezonen Schlanders und Vetzan, den drei Handwerkerzonen und den Haushalten, insgesamt ca. 2.800 Kunden mit elektrischer Energie.

Das Stromnetz

Das Stromnetz für die Orte Schlanders, Göflan, Vetzan und für die Industriezone Vetzan wurde im Laufe der Zeit dauernd angepasst. Im Jahr 2000 ist der Betrieb in einen „Sonderbetrieb Gemeindewerke Schlanders“ mit eigenen Gremien und eigener Geschäftsgebarung umgewandelt worden. Weil man mit der Erzeugung des Stromes im eigenen Werk den Strombedarf bei weitem nicht decken konnte, wurde im Jahr 2004 mit einer eigenen Mittelspannungsleitung nach Laas ein provi-

Die Mannschaft von „Marktgemeinde Schlanders - Abteilung Energie“ v.l.: Mario Cadeddu, Fridolin Jörg, Julia Steiner, Ferdinand Platter, Erika Hofer, der Leiter der Dienststelle Energie Peter Zischg und Leo Paulmichl


sorischer Übergangspunkt zum ENEL-Netz geschaffen. Zuvor wurde notwendiger Strom an der Freileitung angezapft, was zu vielen Problemen wie Stromausfall, Spannungsproblemen und dergleichen geführt hat. Aktuell ist man dabei, aus diesem Provisorium in Laas eine definitive Übergangskabine zu machen. Dies ist vor allem auch für die neuen Netzteile von Kortsch und Sonnenberg von enormer Bedeutung. Zudem wird eine Kabine für die Abgrenzung zum Vinschgauer Energiekonsortium in Allitz erstellt. 2009 wurde das Kraftwerk in Priel generalsaniert und komplett erneuert. Mit einer installierten Leistung von rund 1 Megawatt werden pro Jahr im Durchschnitt 7,2 Millionen Kilowattstunden erzeugt. In die Umgestaltung sind ca. eine Million Euro investiert worden. Ausgezahlt hat sich die Investition auch, weil man in den Genuss von staatlichen Förderungen gekommen ist, der sog. „omnicomprensiva“. Seither sind die Bilanzen des E-Werkes positiv, es werden bei Umsätzen um die 5 Millionen Euro Gewinne erwirtschaftet. In den letzten Jahren sind durch die Installation von Photovoltaikanlagen-Anlagen betreibt das E-Werk, dazu kommen gemeindeeigene Anlagen und viele private Anlagen) rund 7 Mio. kWh und durch die Erzeugung von Strom mittels Gasmotoren und dem ORC-Kessel im Fernheizwerk Schlanders ca. 9 Mio. kWh Strom pro Jahr dazugekommen. „Das war und ist für uns eine enorme Herausforderung“, sagt der technische Leiter

des E-Werkes Schlanders, Peter Zischg, im Hinblick auf das eigene Stromnetz. Denn im Netz werden derzeit rund 60 Mio. kWh pro Jahr umgesetzt.

Abteilung Energie

Das E-Werk Schlanders heißt seit 1.1.2015 „Marktgemeinde Schlanders Abteilung Energie“. Die Marktgemeinde Schlanders hat das E-Werk eingemeindet und die Verwaltung wird vom Gemeindeausschuss bzw. vom Bürgermeister gesteuert. Die Vorteile eines gemeindeeigenen EWerkes mit der Aufgabe eines Stromverteilerdienstes sind vielfältig. Zum einen sind es derzeit 7 qualifizierte Arbeitsplätze vor Ort, bestehend aus 5 Technikern und 2 Verwaltungsangestellten. Zum anderen ist es der Zugriff auf Dienstleistungen, die es den Bürgern der Marktgemeinde Schlanders ermöglicht, allfällige Stromprobleme rasch beheben zu lassen. Auch können anfallende Arbeiten vor allem am Stromnetz vor Ort vergeben werden, so dass die Wertschöpfung in lokale Wirtschaftskreisläufe fließen kann. „Seit 1997 sind in das Stromnetz jährlich zwischen 300.000 und 500.000 Euro investiert worden“, schätzt Peter Zischg und verweist damit auf das ständig zu adaptierende und schnelle Reaktionen erforderliche Netz hin. Auch kleinere, aber notwendige und emotional wichtige Dienste werden über das E-Werk abgwickelt: Die Betreuung der öffentlichen Beleuchtung etwa oder die unbürokratische Bereitstellung der Weih-

Interview mit BM Dieter Pinggera: Seit 1.1.2015 ist der Sonderbetrieb Gemeindewerke Schlanders eingemeindet. Warum? Bei den Überlegungen ist es auch darum gegangen, Synergien zwischen dem E-Werk und den technischen Diensten zu schaffen. Zudem ist der Sonderbetrieb ein Steuersubjekt und die Marktgemeinde Schlanders ist das nicht. Auch die Führungsmodalität war ausschlaggebend. Kurzum, es gab viele Gründe, die dafür sprachen, dass es Sinn macht, das E-Werk bzw. den Sonderbetrieb einzugemeinden. Die Syergien müssen sich erst ausgestalten? Die Eingemeindung ist erst in der ersten Umsetzungsphase. Es geht darum, einen großen Betrieb neu zu organisieren. Wir peilen eine Reorganisation der gesamten technischen Dienste der Marktgemeinde Schlanders an. Technische Dienste das sind Stromversorgung, Trinkwasser, Abwasser... ...Bauhof, Amt für Infrastrukturen und Bauerhaltung bis hin zum Fernheizwerk, und Glasfaser. Also es betrifft das gesamte Spektrum der technischen Dienste. Das können auch zukünftig neue Dienste sein. Welche Bedeutung hat das E-Werk für die Marktgemeinde Schlanders? Das E-Werk hat große Bedeutung, wenn auch die Stromproduktion im

nachtsbeleuchtung. Und nicht zuletzt ist es ein Teil des Steueraufkommens, welches der Marktgemeinde Schlanders zugute kommt. Der bisherige Sonderbetrieb bzw. die heutige Abteilung Energie in der Gemeinde Schlanders erzeugt Strom, verkauft diesen und kauft für die Kunden den erforderlichen Strom zurück. Über das gemeindeeigene Netz wird dieser Strom an die Kunden weitergegeben und verrechnet. Was einfach klingt, ist eine hochkomplizierte Sache: die Stromtarife sind staatlich vorgeschrieben, das Stromnetz bedarf einer dauernden Pflege, neue Stromanschlüsse bei Neu- oder Umbauten sind zu erstellen, gemeinsame Grabungsarbeiten sind zu koordinieren. Die gesetzliche Klammer, in der diese Arbeiten zu bewältigen sind, ist in permanentem Umbruch.

MARKTGEMEINDE

SCHLANDERS ENERGIE COMUNE DI

SILANDRO ENERGIA

Verhältnis zum Verbrauch bescheiden ist. Aber die Eigenproduktion hat es ermöglicht, dass wir über Jahrzehnte Know-How in diesem Bereich aufgebaut haben und dass man das Stromnetz in Schlanders ausgebaut und modernisiert hat. Wir haben heute ein zuverlässiges, topmodernes Stromnetz. Auch die Dienstleistungen mit der Anlaufstelle vor Ort sind ausgezeichnet. Derzeit laufen die Arbeiten auf Hochtouren bei der Netzübernahme bzw. für die Abgrenzungen bei den Stromkabinen in Laas und in Allitz, auf dass wir ab 1.1.2016 alle Voraussetzungen geschaffen haben. Welche Zukunftspläne hat die Marktgemeinde Schlanders? Wir haben zur Zeit sieben Wasserrechtsverfahren am UVP-Amt laufen. Wir haben im Vorfeld unter einem Dutzend Akteuren auf dem Gemeindegebiet eine historische Vereinbarung treffen können. Sollten wir die Konzessionen erhalten, könnten wir die Strom-Produktion verdreifachen. Das wäre ein Quantensprung. Die Marktgemeinden Schlanders und Latsch, die gemeinsam mehr als die Hälfte des Stroms im Vinschgau verbrauchen, sind dabei, mit SELNET und Terna eine neue Primärkabine von der Hochspannungs- auf die Mittelspannungsleitung zu realisieren. Der Standort in Goldrain ist gefunden, das Projekt steht und man ist gemeinsam dabei, die aufwändigen Genehmigungsverfahren abzuwickeln.

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Sonderbetrieb Gemeindewerke Latsch

Viele Funktionen Kundenbetreuung vor Ort und schnelle Entscheidungen

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ine zuverlässige Stromversorgung ist oberstes Prinzip unseres Betriebes“, sagt der Präsident des Sonderbetriebes Gemeindewerke Latsch (SGW) Martin Kaserer. Und er fügt hinzu: „Eine sichere und qualitativ gute Trinkwasserversorgung im gesamten Gemeindegebiet liegt uns ganz besonders am Herzen. Beim Abwasser sind regelmäßige Instandhaltungen und Erneuerungen bzw. Neuerschließungen notwendig. Für die Sammlung des Schmutzwassers ist der SGW zuständig, für die Klärung und Entsorgung ist hingegen die Bezirksgemeinschaft Vinschgau verantwortlich.“ Damit hat der SGW-Präsident die Kernaufgaben des SGW umrissen: Strom, Wasser und Abwasser. Seit 1.1.2001 ist die Umwandlung des Ge- meindebetriebes durch den Gemeinderat in einen Sonderbetrieb operativ. Die Betriebsform ist gesetzlich genau geregelt: „Der Sonderbetrieb als solcher ist eine geschäfts- führende öffentliche Hilfseinrichtung der örtlichen Körperschaft (der Gemeinde) mit einer Rechtspersönlichkeit, unternehmerischer Selbstständigkeit und Selbstverwal- tung sowie entsprechender Satzung. Der Betrieb gestaltet seine Tätigkeit nach Kriterien der Wirksamkeit, Effizi-

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enz, Wirtschaftlichkeit und Transparenz.“ Die Stromversorgung, die Trink- und Abwasserdienste werden von einer 10-köpfigen Mannschaft abgewickelt, inklusive 24-Stunden Bereitschaftsdienste bei der Strom- und Wasserversorgung. Vier Arbeiter sind im Stromsektor beschäftigt, drei im Bereich Trinkwasser und Abwasser und drei in der Verwaltung. Direktor des SGW ist seit 1982 Hubert Variola. Dem derzeitigen Verwaltungsrat mit Karin Pirhofer und Ingenieur Wolfgang Oberdörfer steht Martin Kaserer als Präsident vor.

Sichere Stromversorgung

Bis 1984 war der damalige Gemeindebetrieb mit der Stromverteilung beauftragt. Die Stromproduktion der neuen Generation wurde mit der Inbetriebnahme des Ramini- Werkes 1986 wieder aufgenommen. 1986 war auch ein Schicksalsjahr für den Gemeindebetrieb: Aufgrund des großen Schneefalles ist das Stromversorgungsnetz in der Gemeinde Latsch fast vollständig zerstört worden. „Eine Woche war notwendig, um die Bevölkerung notdürftig mit Strom zu versorgen. Die Freileitungen waren umgekippt“, erinnert sich Variola.

Der Wiederaufbau verschlang große Geldsummen und man begann, die Leitungen unterirdisch zu verlegen, bis zur Fraktion St. Martin. Heute sind die meisten Mittelspannungskabinen im Ring verbunden, jede Kabine kann also von zwei Seiten eingespeist werden. Latsch hat deshalb ein äußerst zuverlässiges Versorgungsnetz, ohne Stromschwankungen und es gibt kaum Stromausfälle. In der Zentrale „Moos“ sind „Regeltrafos“ eingebaut, die die gesamte Spannung im gemeindeeigenen Netz regulieren. Ein modernes Netzleitsystem überwacht das Stromnetz und die Trinkwasseranlagen. Schließlich sind im Jahr rund 30 Millionen Kilowattstunden über das Stromnetz abzuwickeln. Die Produktion des Ramini-Werkes hat sich im Schnitt auf 7,5 Millionen kWh eingependelt. Dieser Strom wird mit einem günstigen Vertrag über die Etschwerke-Trading an der Börse verkauft und der tatsächlich benötigte Strom über den „Aquirente Unico“ AU eingekauft. Die 2.500 Kunden des „geschützten Marktes“ (davon 2.000 Haushaltskunden) benötigen im Jahr etwa 9,5 Mio. kWh und die 140 Kunden des „freien Marktes“ rund 20 Mio. kWh. Letztere sind Großabnehmer, wie die Obstgenossenschaft MIVOR oder der Holzlei-


stenhersteller Pedross. „Die Gewinnspanne zwischen Verkauf und Einkauf ist aufgrund der derzeit äußerst niedrigen Erzeugerpreise sehr gering“, sagt Variola. Wie jeder andere Stromnetzbetreiber muss sich auch der Sonderbetrieb Gemeindewerke Latsch an den nationalen Netzverlusten beteiligen. Trotzdem ist die auf nationaler Ebene preislich fixierte Netzgebühr bzw. die Durchleitungsgebühr jene Einnahmequelle, die eine gewisse Konstante in den Betrieb bringt. Mittelfristig müsse man Kooperationslösungen suchen.

Vielfältige Aufgaben

In der Gemeinde Latsch werden rund 450.000 Kubikmeter Trinkwasser pro Jahr verteilt. Die Verteilung, die Abrechnung, die Instandhaltung und Leitungsneubauten werden über den SGW abgewickelt. Die Tarife hingegen werden von der Gemeinde jährlich festgelegt. Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet. Das Trinkwasserangebot ist mit 50 Sekundenlitern an den Quellfassungen ausreichend. Zudem steht in der Industriezone Latsch ein Ziggl für den Notfall zur Verfügung. 1990 wurde dem SGW die Führung der öffentlichen Beleuchtung übertragen. Heute sind das gut 1.000 Lichtpunkte im Gemeindegebiet. Durch Innovationen an den Beleuchtungsanlagen konnte der Stromverbrauch stark reduziert werden. „Im Laufe der letzten 10 Jahre sind wir imstande gewesen, trotz Zunahme der Lichtpunkte den Stromverbrauch um 25 % zu senken“, sagt ein sichtlich stolzer SGW-Direktor. Möglich gemacht habe dies der Einbau von „Spannungsreglern“ an den Lichtpunkten, die von den Bürgern beinahe unbemerkt, die Lichtstärke ab Mitternacht etwas zurückfahren können. Auch die aktuelle Umstellung auf LED-Technik dürfte den Stomverbrauch weiter senken.

Nicht nur der Einsatz bei der öffentlichen Beleuchtung unterstreicht die Vorteile eines Sonderbetriebes. Die in den Sonderbetrieb ausgelagerten Bereiche können mit raschen Entscheidungswegen zur Zufriedenheit der Bürger bedient und verbessert werden. Das macht sich für die Gemeindeverwaltung bezahlt. Es geht vor allem um die täglichen kleinen Reparaturen, die große Flexibilität erfordern. Der SGW hat zusätzliche Leistungen von der Gemeinde übernommen, etwa die Betreuung der Heizanlage und der sanitären und elektrischen Anlagen in den öffentlichen Gebäuden, wie Schulen, Vereinshäusern und dergleichen. Eine schnelle Durchführung bei Neuoder Umbauten, der Zählereinbau, die rasch ausgeführte An- und Abmeldung von Strom- und Wasseranschlüssen, die gerade bei Mietwohnungen oft erforderlich ist gehört mittlerweile zum Standard. Ebenso eine direkte Kundenbetreuung vor Ort. Diese Dienstleistungen kommen den Bürgern zugute.

Treue Kunden

„Allein die Tatsache, dass nur 25 Haus- haltskunden auf den „freien Markt“ gewechselt sind, davon einige etwas unfreiwillig über Callcenter, spricht für die Wertschätzung der Dienstleistungen durch den SGW“, sagt Variola. Dass der Sonderbetrieb der Transparenz verpflichtet ist, ist gesetzlich geregelt und sämtliche Transparenzbestimmungen werden eingehalten: Die Abschlussrechnung wird jährlich dem Gemeinderat vorgelegt und erläutert, ebenfalls der Haushaltsvoranschlag für den SGW, wobei der Gemeinderat in diesem Fall richtungsweisende Befugnisse hat. Ein unabhängiger Sonderbetrieb hat auch den Vorteil, dass ein Kontinuum mit entsprechender Planungssicherheit gewährleistet werden kann.

Geschichte des Elektrizitätswerkes von Latsch: „Elektrischer Rumpel“ Das erste öffentliche Elektrizitätswerk wurde in Latsch am 26. Oktober 1911 in Betrieb genommen und zwar an der Etsch, jenseits der Bahnlinie. 1910 und 1911 liefen in Latsch die Bauarbeiten für die Elektrifizierung auf Hochtouren: Inneninstallation bei Privaten, Außenarbeiten an der Schleuse in der Etsch, Errichtung von Freileitungen in Latsch und der Hochspannungsleitung nach Goldrain und Vetzan (die damaligen Gemeinden Goldrain, Tarsch und Vetzan hatten sich von vornherein verpflichtet, den Strom für ihren Bedarf für mindestens 20 Jahre vom Latscher Werk zu beziehen). Die Stromtarife wurden auf „Kerzenstärke“ (80 Heller) und „Pferdestärke“ (30 Kronen) pro Jahr berechnet. Die finanziellen Anstrengungen zur Finanzierung waren enorm. Neben Darlehen von der Sparkasse in Schlanders und der Raiffeisenkasse Schnals waren es auch viele Latscher Bürger, die ihr Geld der Gemeinde liehen. Nach 10 Jahren, der Erste Weltkrieg war vorbei, Südtirol bei Italien, hat man einen zweiten Maschinensatz eingebaut. Mit der Machtübernahme durch die Faschisten, mit der Ablöse der deutschen Gemeindeverwaltung durch eine faschistische wurde die Entwicklung jäh unterbrochen: Das E-Werk wurde für 20 Jahre verpachtet, wodurch die Preise empfindlich erhöht wurden, was zu heftigen Protesten der Latscher führte. Die damaligen Ereignisse sind als „Elektrischer Rumpel“ in die Chronik eingegangen. Das E-Werk Latsch fiel schließlich 1949 nationalen Interessen zum Opfer und wurde trockengelegt: Die „Montecatini“ hatte 1943 vom Staat die Konzession erhalten, die Wasserkraft der Etsch zu nutzen. 1949 hat das Kraftwerk Latsch als solches praktisch aufgehört zu existieren. Immerhin: Das Stromnetz blieb den Latschern. Erst mit der Inbetriebnahme des Ramini-Werkes 1986 war Latsch wieder Stromerzeuger. (Quelle: Josef Raffeiner, Das Elektrizitätswerk von Latsch, Entstehungsgeschichte)

Die Aufgaben des Sonderbetriebes Gemeindewerke Latsch sind vielfältig: Stromproduktion im E-Werk Ramini; die Betreuung der öffentlichen Beleuchtung, des Abwassers sowie des Trinkwassers

Hauptplatz 6 39021 Latsch Tel.: 0473 623120 Fax.: +39 0473 622030 E-Mail: info@sgw-latsch.it

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Gemeinde Elektrizitätswerk Partschins

Kluger Ausbau Die Potenzierung der Erbschaft

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ir haben eine große Freud’“, sagt der Partschinser Bürgermeister Albert Gögele. Gögele und die Gemeinde Partschins haben allen Grund zur Freude. Denn seit das neue Kraftwerk „Birkenwald“ mit Ende des Jahres 2012 in den Probebetrieb gegangen und am 31. August 2013 feierlich eingeweiht worden ist, sind die Erlöse aus dem Kraftwerk, gemeinsam mit jenen aus dem E-Werk Salten, eine gute Einnahmequelle für den Gemeindehaushalt. Mit rund 2 Millionen Euro sind die Erlöse aus dem Stromverkauf ein wesentliches Standbein zur Finanzautonomie der Gemeinde Partschins. Damit können auch Investitionen getätigt werden, die ohne diese Einnahmen nicht möglich wären.

Jahrelanger Einsatz

Nach jahrelangem Einsatz, penibler Vorarbeit, zähen Verhandlungen auch der Vorgänger des jetzigen Gemeindeausschusses

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ist es gelungen, das Kraftwerk Birkenwald neu zu gestalten und auch zu potenzieren. Die Gemeindeverwalter haben eine Menge Geld in die Hand genommen und rund 5,5 Millionen Euro in die Fassung, in die Druckrohrleitung, in den Maschinenpark und in den Kraftwerksbau investiert. Dafür produziert das Kraftwerk Birkenwald jährlich rund 7,1 Millionen Kilowattstunden. Auch das Kraftwerk Salten soll demnächst mit einer neuen Druckleitung versorgt, neu ausgebaut und die Produktion potenziert werden. Dann sollen jährlich rund 5 Millionen Kilowattstunden hinzukommen, so dass die Produktion der beiden Werke rund 12 Millionen Kilowattstunden jährlich betragen wird. Das ist in etwa gleich viel, wieviel derzeit in der Gemeinde Partschins Strom verbraucht wird. Der Strom wird zur Gänze direkt an den GSE, an den „Gestore Servizi Energetici“ verkauft. Die Gemeinde Partschins verfügt über

ein eigenes Stromnetz. Den Kunden, also den Bürgern der Gemeinde Partschins im „geschützten Markt“, gibt das E-Werk Partschins den Strom zu gleichen Bedingungen weiter, wie er eingekauft wird. Mit den Erlösen aus dem Stromverkauf aus eigener Produktion ist es aber möglich, dass die Gemeinde Partschins ihren Bürgern günstige Konditionen beim Abwasser, beim Müll, bei den Kindergartengebühren und bei der Gemeindeimmobiliensteuer GIS bieten kann. Nicht über die Stromrechnung, sondern auf Umwegen kommt der Partschinser Bevölkerung die gemeindeeigene Stromproduktion zugute.

Die neue Konzession

Bevor im Jahre 2010 die alte Wasserkonzession in eine neue umgewandelt worden ist, haben die beiden Zwillingswerke „Wasserfall“ und „Salten“ mit einer Produktion von 3,5 bis 4 Millionen Kilowattstunden rund 40


Prozent des damaligen Stromverbrauches produziert. Auch deshalb sind Ausbaupläne ins Auge gefasst und um eine neue Konzession angesucht worden. Die neue Konzession ist ein einmaliges Konstrukt und ein komplizierter Kompromiss: Das Wasser wird an der „Steinerbrücke“ gefassen, weit oberhalb des berühmten und für Einheimische wie Touristen als Magnet wirkenden Partschinser Wasserfalls. Die Druckleitung verläuft orografisch rechts des Wasserfalls und führt bis zum Werk Birkenwald. Der Wasserfall durfte aufgrund der Wasserentnahme aus dem Zielbach so wenig wie möglich beeinträchtigt werden, andererseits sollte der E-Werksbetrieb wirtschaftlich interessant bleiben. In der Konzession sind deshalb unterschiedliche Wasserentnahmen am Tag und in der Nacht vorgesehen und auch unterschiedliche Wasserentnahmen je nach Wasserführung des Zielbaches. Das komplizierte Regelwerk findet in der elektronisch geregelten Wasserfassung seinen Niederschlag. Dies macht eine penibel eingehaltene Restwassermenge möglich. „Das kommt auch der Natur im Zielbach zugute“, sagt Albert Gögele. Auch wird in der Landwirtschaft benötigtes Wasser mit einer elektronischen Regelung vom Ausgleichsbecken unterhalb des E-Werkes Birkenwald entnommen. Ein ähnliches System wird auch beim Kraftwerk Salten zur Anwendung kommen. Gögele hat noch weitere Pläne. Weil für das Kraftwerk Salten eine neue Fassungsstelle oberhalb des Kraftwerkes Birkenwald vorgesehen ist und das Wasser zuerst in

Feierliche Einweihung des Kraftwerkes Partschins 1908 AutorIn/Copyright:Gemeindewerk Partschins

das Ausgleichsbecken geleitet werden soll, biete sich ein kleines Kraftwerk an. Auch bei der Rückgabe des Wassers vom SaltenWerk in den Zielbach kann sich Gögele ein weiteres kleines E-Werk vorstellen. Die Ansuchen für diese beiden Kleinkraftwerke laufen bereits. Bekommen die Partschinser dazu grünes Licht, können rund 200.000 Euro pro Jahr zusätzliche Erlöse durch die Stromproduktion erzielt werden.

Die Geschichte

Der aktuelle Quantensprung in der Stromproduktion und in der Stromversorgung lässt sich mit den Anfängen der Stromgeschichte in Partschins vergleichen. Denn: Das Kraftwerk Wasserfall ist eines der ältesten Genossenschaftswerke Südtirols. Es entstand auf Initiative des Reisevertreters Josef Gamper und des Dorfpfarrers Mantinger. Mit der Planung wurde Ing. Lai aus Wiener Neustadt beauftragt. 1907 wurde mit dem Bau des Krafthauses, der

links: Das neue Wasserkraftwerk Birkenwald ist mit einer durchschnittlichen Jahresproduktion von 7,1 Millionen Kilowattstunden eine gute Einnahmequelle für den Haushalt der Gemeinde Partschins Der technische Leiter des E-Werkes Partschins Andreas Colleselli und Bürgermeister Albert Gögele im Krafthaus des E-Werkes Birkenwald

Druckleitung und eines kleinen Speichers begonnen. 1908 wurde das Werk in Betrieb genommen und versorgte die Gemeinde Partschins mit elektrischem Strom. Die Genossenschaft wurde unter dem Faschismus (1922-43) aufgelöst, das Kraftwerk ging anschließend in den Besitz der Gemeinde über. 1954 wurde der 48 kVA Hochspannungsgenerator ausgebaut und durch eine Niederspannungsmaschine (380 Volt und 160 kVA Nennleistung) der Firma ELINUnion ersetzt. Der ausrangierte Generator kam nach Pfelders und wurde in das dortige Kleinkraftwerk eingebaut (dieses Werk wurde 1989 von Grund auf renoviert, sodass dieser Generator nicht mehr erhalten ist). Das 1908 in Betrieb genommene Wasserkraftwerk Wasserfall wurde im Zuge des Neubaues des Kraftwerkes Birkenwald 2012 vom Netz genommen. Die Maschinensätze befinden sich noch im Krafthaus. Eine museale Nutzung ist angedacht.

Elektrizitätswerk der Gemeinde Partschins Graf Johann-Weg 1 39020 Partschins Tel: 0473-966321 Fax: 0473-966301

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