Fernheizwerke Vinschgau 2019

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Aktiver Klimaschutz im Vinschgau DIE VINSCHGER FERNHEIZWERKE

Nr. 22 (362) 31.10.19 I.P. 15 Jg.


FERNWÄRME IM VINSCHGAU

Vinschgau for Future Taten statt Worte

Zeigen, was ist. Zeigen, was getan worden ist. Zeigen, was Positive Beispiele möglich ist: Das ist das, was wir mit diesem Heft wollen. Die Verdienste, die man sich in Fernwärmeanlagen angeeignet hat, Friday fo future ist ok. Vinschgau for Future eben auch. Die Fernsollen nicht unter dem Scheffel gestellt werden. Und schon gar heizwerke im Vinschgau sollen zu Wort kommen. Die Verantwortlinicht sollen sie als Selbstverständlichkeit angesehen werden. Im chen dort, die Pioniere auch. Denn vor Ort hat man konkrete Schritte Gegenteil. Gerade in der aufflammenden und unerträglich schärgesetzt - für die Umwelt, für die Natur, für den Klimaschutz. Vielleicht fer werdenden Diskussion um den Klimawandel ist es notwendig, sind viele von den Pionieren belächelt, gar bespottet worden. positive Beispiele hervorzuheben. Auch um aus diesen positiven Die Energieversorgung ist ein großes Thema. Auch und besonders Ansätzen innovative Kraft schöpfen zu können. heute. Ein nicht unwesentlicher Apropos Innovation: Fernwärmeanlagen und Stromproduktion Ausschnitt in dieser Energieverhaben viel Innovation ins Tal gebracht und Know-How aufgeDurch die insgesamt sorgung ist die Wärmeversorgung baut. Stromgenossenschaften und Fernwärmeanlagen haben - die Heizung. In Südtirol wird es ermöglicht, in Leerrohren Glasfaserkabel zu verlegen. Das ist 77 Biomasseheizwerke rund die Hälfte der insgesamt nicht zu unterschätzen. Auch darauf kann aufgebaut werden. Südtirols werden verbrauchten Energie in Form von Zurück zum Klimaschutz: Biomasse wird als CO2 neutral jährlich 109 Millionen Wärmeenergie benötigt (Claudio angesehen. Pflanzen bauen Biomasse über die Sonne und mit Battiston, Eurac, 7. April 2017). Wie in Liter Heizöläquivalente der Aufnahme von Kohlendioxid auf. Beim Verbrennen wird der Breitengraden, in denen ohne eine Prozess umgedreht - Kohlendioxid und Wärme werden freigeeingespart. Das sind Heizung kein Auskommen ist, die setzt. Und Pflanzen wachsen nach. Ist das Verbrennen von 320.000 Tonnen CO2 im Wärmeversorgung bewerkstelligt Biomasse also nachhaltig? Ist es. Nur direkte Sonnenenergie ist Jahr. werden kann, haben die Gründer nachhaltiger. Nimmt man allein den Wald im Vinschgau her, so von Energiegenossenschaften, von ist der Zuwachs pro Jahr derzeit mehr doppel so hoch, wie die Fernheizwerken, konkret umgesetzt. Nutzung durch das Fällen von Bäumen. Es war der verstorbene Biomasse, also die Wärmegewinnung aus pflanzlichem und deshalb Georg Wunderer, der langjährige Obmann der E-Werk-Prad-Genosnachwachsendem Rohstoff, war und ist eine der Lösungen. Fernsenchaft, der nicht müde wurde, solche Zahlen zusammezutragen. wärmeanlagen, beschickt mit Hackschnitzel sind entstanden - in Es ist demnach noch einige Luft allein in unseren Wäldern nach Schluderns, in Laas, in Prad, in Latsch, in Sulden, in Martell, in Trafoi, oben. Der Hinweis sei erlaubt: Es gibt waldreichere Gebiete, in in Schlinig, in St. Valentin auf der Haide und in Reschen haben die denen die Holzbringung mit viel geringerem Aufwand bewerkstelligt Gründer die Form der Genossenschaft gewählt. In einer Genossenwerden kann. schaft sind alle Mitglieder gleichberechtigt, haben je eine Stimme und die Genossenschaft ist nicht gewinnorientiert. Der Vinschgau 109 Millionen Liter Heizöl hat eine gute und lange Tradition im Genossenschaftswesen - die Was das Heizen mit Holz bewirkt, hat eine Zusammenfassung „Biowird mit neuer Materie - in der Fernwärme, in der Stromproduktion, masseheizwerke Südtirol“ aus dem Jahr 2017 ergeben: in der Biogasverwertung - weitergepflegt und fortgeführt. Durch die insgesamt 77 Biomasseheizwerke Südtirols werden jährlich 109 Millionen Liter Heizöläquivalente eingespart. Das sind 320.000 Tonnen CO2 im Jahr. Die Fernwärme spielt demnach eine große Rolle, auch für die Umsetzung von Klimazielen. Das Land Südtirol hat sich zum Ziel Vinschgerwind Impressum gesetzt, bis 2020 den pro-Kopf Ausstoß von CO2 auf weniger als 4 Tonnen pro Jahr herabzusetzen, bis 2050 sollen es weniger als 1,5 Dantestraße 4, 39028 Schlanders, Tel. 0473 732196, Fax 0473 732451 „Aktiver Klimaschutz im Vinschgau“ - Beilage zum Vinschgerwind Nr. 22, 31.10.2019 Tonnen pro Kopf sein. Derzeit sind es 4,5 Tonnen CO2 . Die Biomassewerke haben den Grundstein für diese Reduzierung Chefredakteur: Erwin Bernhart Grafik: Hartwig Spechtenhauser längst gelegt und sind aus eigenem Antrieb bestrebt, die AnGesamte Koordination: Erwin Bernhart Druck: Fotolito Varesco, Auer, Nationalstraße 57; schlussdichte zu erhöhen. Bessere Förderungen für neue AnEigentümer und Herausgeber: Info-Media GmbH. Mwst. Nr: 02445670215, Info-Media GmbH; Ermächtigung des schlüsse sind daher auch im Sinne des Klimaschutzes sinnvoll. Landesgerichtes Bozen Nr. 6/2005; Eingetragen im ROC: Nr. 12485 Hergestellt aus Papier von UPM, das mit dem EU-Umweltsiegel Reg.-Nr. FI/011/001 ausgezeichnet ist.

www.vinschgerwind.it

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Erwin Bernhart


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GEMEINDE MARTELL

Martell: Biomasseheizung für alle Gemeindegebäude Klimaschutz in Martell Was kaum ein Besucher des Martelltales weiß: Die Gemeinde Martell heizt ihre eigenen Gebäude und einige mehr mit Wärme aus umweltschonenden Biomasseanlagen. Eine Hackschnitzelanlage versorgt die Gebäude im Freizeitzentrum Trattla. Das Nationalparkhaus „culturamartell“, die Kletterhalle und Bar und Restaurant werden mit der gemeindeeigenen Anlage mit Wärme und Warmwasser versorgt. Im Biathlonzentrum „Grogg“ versorgt ebenfalls eine eigene Hackschnitzelanlage das Gebäude dort mit Wärme aus Biomasse. In Martell Dorf steht seit 15 Jahren ein 550 Kilowatt-Biomassekessel im Heizraum des Mehrzweckhauses. Das Mehrzweckhaus selbst, die Grundschule, der Kindergarten, das Zivilschutzzentrum, das Sozialzentrum, die Bibliothek, das Gemeindehaus, die Bank, die Post und das Nationalparkbüro, die Kirche und der Widum werden mit Wärme aus dieser Biomasseheizung versorgt. Dazu kommen Wohnungen des WOBI, das Gasthaus Edelweiß und zwei Privathäuser.

Sehr zufrieden ist der Marteller Bürgermeister Georg Altstätter mit seinen ansonsten nicht sichtbaren Anlagen. Das kleine aber feine Fernwärmenetz in Martell Dorf kann, neben der Umwelt- und Klimafreundlichkeit, sehr wirtschaftlich betrieben werden. Denn die Leitungen sind kurz und somit können die Verluste in überschaubaren Maßen gehalten werden.

auch viele Transportwege in der Gemeinde Martell und im Nationalpark vermieden. Im Rahmen der Möglichkeiten, sagt Bürgermeister Altstätter, werde Holz aus heimischen Wäldern verwendet. In Martell werden in der Heizzentrale in Martell Dorf rund 1.500 m3 Hackschnitzel verfeuert und damit pro Jahr 532.000 Kilowattstunden erzeugt. Das ergibt eine Energieeinsparung gegenüber Heizöl von 53.000 Litern und damit ein Vermeiden von 170 Tonnen CO2 pro Jahr.

Wenn möglich, verwenden wir einheimisches Holz. In Gand hat die Gemeinde Martell ein eigenes Hackschnitzellager errichtet, so dass es möglich ist, Holz zu lagern. Damit werden

Detail des Biomasseheizkessels, der seit 15 Jahren installiert ist. rechts: Der Marteller Bürgermeister Georg Altstätter im Heizraum des Biomasseheizwerkes im Mehrzweckhaus von Martell: 550 Kilowatt für die öffentlichen Gebäude

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ENERGIEGENOSSENSCHAFT SULDEN EGS

Sulden heizt ökologisch

im Nationalpark Stilfserjoch Aktiver Klimaschutz in Sulden Sulden bekundete als eines der ersten Dörfer im Vinschgau Interesse an Fernwärme. Es war vor mehr als 20 Jahren eine Frage der ökonomischen Vernunft verbunden mit der Frage der ökologischen Wärmeversorgung vieler Tourismusbetriebe am Fuße des Ortler. „Wir wurden damals für verrückt erklärt“, erinnert sich Hartmann Gutwenger heute mit einem Schmunzeln. Gutwenger war Gründungspräsident, der gemeinsam mit 10 Mitstreitern eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung aus der Taufe gehoben hat, die sich im Jahr 1999 konstituierte. Mit den Vorbereitungen für den Bau eines Fernheizwerkes, für den Bau von Fernwärmeleitungen, für die Finanzierung und für die Überzeugungsarbeit in Sulden wurde rasch begonnen. Mit einem 30%igen Verlustbeitrag von Seiten des Landes und mit einem Darlehen der Raifeissenkasse wurden

Der erste Verwaltungsrat der Energiegenossenschaft Sulden EGS

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der Fernheizwerkbau in Angriff genommen. 2001 wurden die Fundamente gegossen. In etwa zeitgleich mit dem Fernheizwerk in Schluderns.

Weit voraus

„Der Bau wurde dann um ein Jahr verzögert“, sagt Gutwenger. Im November 2002 wurde erstmals eingeheizt. Heizwart Oliver Mattivi, der seit der ersten Stunde dabei ist, erinnert sich an das erste Einheizen und an das erste Fließen der Fernwärme: „Wir sagten unseren Mitgliedern, dass sie ihre Gebäude das erste Mal gratis aufheizen können. Beim Gang durch das Dorf konnten wir vielerorts offene Fenster beobachten.“ Der Start war gegelückt. Gutwenger erinnert sich an die damalige Finanzierung: „Wir haben keine Einstiegsquoten vereinbart und die Raika hat uns den Kredit

ohne Bürgschaft gewährt. Eine Bürgschaft wurde erst viel später verlangt und wir haben dann das Darlehen auf die Sparkasse, und zwar ohne Bürgschaft, umgelegt.“ So etwas wäre heute nicht einmal anzudenken. Der Kredit ist in einigen Jahren abbezahlt. Es gibt viele kleine Geschichten rund um das Fernheizwerk in Sulden. Etwa, dass die Fernwärmeleitungen in einer Tiefe von im Schnitt 1,5 Metern verlaufen. Sulden wird nicht umsonst immer noch das „Sibirien Tirols“ genannt. Die Temperaturen können im Winter ganz schön bissig werden. Die Wasserleitung ins Heizwerk wurden in derselben Tiefe wie die Fernwärmerohre verlegt. Man hat damit gerechnet, dass ein Abfrieren des Wassers aufgrund der Wärmeabgabe von den Wärmerohren nicht möglich sein wird. Man hat sich geirrt: Die Fernwärmeleitungen sind super isoliert und das Wasser ist abgefroren. Es musste bei der Wasserleitung nachgebessert werden.

Leitungsnetz mit Qualität

Von Seiten der Energiegesellschaft wird das heute rund 9 Kilometer lange Leitungsnetz sehr gelobt. Die Firma Atzwanger habe bei der Verlegung Qualitätsarbeit bewiesen. Die Isolierung ist durchgehend top, man habe bisher mit den Leitungen kaum Probleme gehabt. Auch die von den Fernheizwerken gefürchteten Leitungsverluste halten sich in Sulden in erträglichen Grenzen. Im Jahr 2004 wurde die Gesellschaft in die


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Das Verwaltungsgebäude und ein Teil des Heizwerkes in Sulden als ökologische Vistitenkarte am Eingang des einzigartigen und geschichtsträchtigen Ferienortes Sulden Unten v.o.: Einblick in eine Brennkammer, die Pumpenstation für die Fernwäremleitung der Biomasseheizkessel in Sulden

„Energiegenossenschaft Sulden“ umgewandelt. Heute hat die Energiegenossenschaft in Sudlen 75 Mitglieder und 154 Abnehmer. Mit zwei Biomassekesseln mit einer Leistung von 2,8 und 1,2 Megawatt hat das Fernheizwerk im Jahr 2018 13,5 Millionen Kilowattstunden Wärme produziert. Um die 21.000 Schüttraummeter Hackschnitzel wurden dazu verfeuert. Die Hackschnitzel werden zu einem Teil über die zentrale Einkaufsstelle vom Vinschgauer Energiekonsortium bezogen, zum anderen von der Gruber Holz KG in Morter. Die meisten der Abnehmer in Sulden sind gastgewerbliche Betriebe, also Betriebe, die im Winter viel Wärme benötigen.

Sulden spart 4.280 Tonnen CO2

Im Sommer fährt man mit dem 1,2 Megawat-Ofen. „Wenn es einige Tage regnet, wird zum Warmwasser zusätzlich Heizenergie abgerufen“, sagt Heizwart Oliver Mattivi. Mit Heizkosten von 12 Cent pro Kilowattstunde ist man in Sulden ein Stück unterhalb des Erdölpreises. Also ist Heizen mit Fernwärme auch ökonomisch von Vorteil.

Das Heizen mit Biomasse, also mit Hackschnitzel aus Holz, ist von größtem ökologischen Wert. Gerade in Sulden mit seiner großen Gästebettendichte und eingebettet von der grandiosen Bergkulisse des Ortlermassivs. Dieses Abschirmen der Luftsituation in Sulden bildet ein empfindliches System. Den Dienst der Energiegenossenschaft, der Sulden ist ein ausgewiesenes Reinluftgebiet. von drei Angestellten betreut wird, möchten Damit das so erhalten bleibt, dafür ist auch die angeschlossenen Betriebe nicht mehr mis- die Fernwärme von erheblicher Bedeutung. sen. Denn die Wärmelieferung ist vertraglich Würden die Suldner ihre Warmwasser- und garantiert, die Hoteliers brauchen sich kaum Heizenergie mit Heizöl bewerkstelligen, Gedanken zu machen. Wenn eine Störung auf- wären das in Kohlendioxid ausgedrückt 4.280 tritt, genügt meist ein Anruf im Heizwerk. „Wir Tonnen. Sulden macht so einen konkreten Klimotivieren unsere Mitglieder, ihre Heizanlage maschutzbeitrag, indem diese 4.280 Tonnen zu optimieren“, sagt Daniel Volgger, der in der CO2 eingespart werden. Nicht miteingerechnet Genossenschaft für die Verwaltung zuständig sind die privaten Hackschnitzelanlagen in ist. Tatsächlich spürt man im Heizwerk, dass Sulden, die es auch noch gibt. Das ist reiner sich viele Betriebe um einen optimaleres Umweltschutz. Wärmeklima in ihren Hotels bemühen. „Die In der Kommunikation mit klimasensiblen Hausregelungen sind vielerorts optimiert Gästen sind solche Zahlen durchaus beeinworden. Durch die Digitalisierung ist das kein druckend. Problem“, lobt Gutwenger.

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LEEG LAASER-EYRSER ENERGIEGENOSSENSCHAFT

Wärmequelle für Laas und Eyrs Weg von den fossilen Brennstoffen Am 12. Februar 2004 wurde in Laas erstmals im Fernheizwerk eingefeuert. Ein Freudentag war das damals. Heute hat das Fernheizwerk Laas 569 Mitglieder in Laas und in Eyrs. Das Fernheizwerk in Laas ist nicht mehr wegzudenken. Man kann und man mag sich anderes nicht mehr vorstellen. Denn aufgrund der Lage von Laas ist es in der Zeit vor dem Fernheizwerk immer wieder zu smogähnlichen Zuständen gekommen: Die Senke in Laas - vom Gadriaschuttkegel und vom Nördersberg begrenzt - hat an vielen Tagen im Winter wenig natürlichen Luftaustausch. Die Immersionslage hat die Abluft aus den Kaminen in den Talkessel also vor die Haustüren gedrückt. Die Luft war nicht gut vor Ort. Das hat sich wesentlich geändert und verbessert.

Arbeit im Gegenwert von rund 200.000 Euro vergibt das Fernheizwerk in Laas an lokale Handwerker pro Jahr. Hilfreich und wertvoll waren alle bisherigen Arbeiten von Seiten lokaler Planer und Firmen. Über das Fernheizwerk konnte viel Know-How im Bereich Steuerung und im Bereich Glasfaser aufgebaut werden: Derzeit wird das Einzugsgebiet des Fernheizwerkes mit Hilfe von lokalen Technikern und Firmen mit Glasfaser ausgestattet.

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Die Trasse, die Fernwärmeleitung, durchzieht die zwei Ortschaften Laas und Eyrs wie eine kapillares Netz. Durch die Rohre fließt die Wärme zu den Mitgliedern. 18,5 Millionen Kilowattstunden an Wärme werden in der Zentrale insgesamt produziert. Würde diese Menge an Wärme ausschließlich mit Heizöl produziert, würden 1,8 Millionen Liter Heizöl pro Jahr verfeuert werden. Das wären unglaubliche 5.700 Tonnen CO2 im Jahr. Allein auf die Mitglieder zurückgerechnet: Jedes Mitglied der Laaser-Eyrser Energiegenossenschaft spart mit dem Fernheizwerk 10 Tonnen CO2 im Jahr. Realistischer ist es auf die Haushalte der Mitglieder zurückzurechnen. Mit einem Haushalt von durchschnittlich vier Personen ersparen sich die Mitgliedsfamilien immerhin 2,5 Tonnen CO2

pro Jahr. Umgerechnet auf die Bevölkerung der gesamten Gemeinde Laas ist das eine Einsparung von 1,4 Tonnen CO2 pro Person und Jahr. In Laas wird CO2 -neutral geheizt. Im Jahresschnitt sind es rund 40.000 Schüttraummeter Hackschnitzel, die in den Biomassekesseln zu Wärme umgewandelt und damit den Mitgliedern frei haus zur Verfügung gestellt worden sind. Die Genossenschaft für die Fernwärme wurde am 27. Februar 2002 gegründet. Die Genossenschaft war das Ergebnis einiger Diskussionen in Laas. Denn ursprünglich wollte die damalige Gemeindeverwaltung unter BM Wolfgang Platter ein kleineres Fernheizwerk für die öffentlichen Gebäude in Laas errichten. Aus diesem Vorhaben entstand die Idee, ein


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Der Verwaltungsrat der LEEG v.l.: Obmann Andreas Tappeiner, Albert Platter, Georg Tscholl, Hubert Zwick, Peter Reisinger, Arnold Rieger, Marco Burgo, Helmut Horrer und Heizwart Hugo Trenkwalder

Fernheizwerk für die gesamte Dorfgemeinschaft zu errichten. Bei einer ersten Informationsveranstaltung im Laaser Josefshaus war das Interesse dermaßen groß, dass der Saal aus allen Nähten platzte. Der derzeitige Obmann der Genossenschaft und damaliger Umweltreferent Andreas Tappeiner erinnert sich lebhaft an diese erste Initialinitiative. Die Idee, mit Unterstützung des unermüdlichen Pioniers Sigfried Stocker aus Schluderns, hat gezündet. Die Bevölkerung stand dahinter. Am Ende des Jahres 2002 waren es 381 Mitglieder, die sich mit Vorverträgen Anschlüsse ans Fernheizwerk gesichert hatten. Von Jahr zu Jahr sind die Mitgliederzahlen kontinuierlich gestiegen, 569 sein es heute. „Alle, die noch nicht Genossenschaftsmitglieder sind und sich im Einzugsgebiet der Fernwärme befinden, sind willkommen“, sagt Andreas Tappeiner. Der Verwaltungsrat der LEEG, der Laaser-Eyrser-Energie-Genossenschaft, stand vor einer Herkulesaufgabe: Gebäudebau, Auswahl der Technik, Auswahl der Dimensionierung, Leitungsverlegung... In Arbeitsgruppen aufgeteilt wurden viele bestehende Anlagen besichtigt und erst dann Entscheidungen getroffen, wo auch maßgeblich Verwaltungsratsmitglieder miteingebuden, die heute nicht mehr dabei sind. Entscheidend nach außen war, die Wärmeversorgung für die Mitglieder garantieren zu können. Diese Garantie ist man mit den Verträgen den Mitgliedern gegenüber eingegangen. Die Mitglieder brauchten sich um nichts zu kümmern. Nach innen musste getüftelt werden, wie man den im Schnitt um die 10 Prozent günstigeren Energie-Preis gegenüber Heizöl halten und ausbauen hat können.

Im Jahr 2009 kam die Photovoltaikanlage dazu, die im vergangenen Jahr 2018 208.000 Kilowattstunden sauberen Strom geliefert hat. Vor einigen Jahren kam man im Laaser Fernheizwerk an die Kapazitätsgrenze. Die Heizkessel liefen auf Hochbetrieb - und kamen mit der Wärmeerzeugung kaum nach. Die Frage wurde dringender, mit welcher Technik diesem Problem begegnet werden soll. Soll man einen dritten Heizkessel dazustellen? In dieser Entscheidungsfindung waren die Kontakte von Heizwart Hugo Trenkwalder von größter Bedeutung. Trenkwalder hat an den Heizwärterstammtischen, die im In- und Ausland stattgefunden haben, mit großem Interesse teilgenommen. Es war ein Austausch unter Praktikern, bei denen offen und ohne Konkurrenzgedanken über die Probleme in den Fernheizwerken und deren Lösungen gesprochen wurde. Die Idee mit einem Pufferspeicher die Kapazitäten besser zu nutzen kam aus einem solchen Heizwärterstammtisch. Heute sagt Trenkwalder: „Der Pufferspeicher ist eine sehr hilfreiche und das Heizsystem bestens unterstützende Investition.“ Der drucklose Speicher mit einem Fassungsvermögen von 546 Kubikmetern Wasser, als dickes Rohr hinterm Heizwerk weit sichtbar, kann bei vollem Kessellauf überschüssige Wärme aufnehmen und bei Bedarf an die Mitglieder wieder abgeben. „Damit haben wir einen zusätzlichen Kessel eingespart und damit können wir die Vorlauftemperatur auf plus minus einem Grad genau steuern“, freut sich Trenkwalder. Mittlerweile sind im Fernheizwerk Laas drei technische Mitarbeiter angestellt und zwei Mitarbeiterinnen in der Verwaltung in Teilzeit.

Ein Kapitel in der Erfolgsgeschichte des Fernheizwerkes Laas ist noch nicht ganz verdaut: 2012 hat sich der Verwaltungsrat aus betriebswirtschaftlichen Gründen entschieden, eine Holzvergaseranlage zu installieren. Nicht ohne sich zuvor mit Informationen und mit Berechnungen auseinandergestzt zu haben. Eine ORC-Anlage, also eine Anlage, mit der über die Erhitzung von Öl Strom erzeugt werden kann, kam nicht in Frage, weil die dabei erzeugte Wärme für die Sommermonate nicht ins Konzept gepasst hat. Ein großer Teil der Wärme wäre nämlich zuviel gewesen. „Strom erzeugen und die Wärme vernichten zu müssen, war mit unserer Philosophie nicht vereinbar“, sagt Trenkwalder. Also kam eine Holzvergaseranlage zum Zuge. Die funktionierte nie so richtig, verursachte letztlich zwei Brände im Heizwerk. „Das war ein Leidensweg“, sagen Trenkwalder und Tappeiner und: „Nach den Bränden haben wir einen Punkt erreicht, der uns großes Kopfzerbrechen bereitet hat.“ Die Diskussionen im Vorstand, das Abwägen, das Überlegen, wie es weitergehen soll, haben den Verwaltungsrat zusammengeschweißt. Die Anlage der Firma Pyrox wurde entfernt. Heute steht eine Holzvergaseranlage im Fernheizwerk - die Firma Syncraft hat eine maßgeschneiderte Version in Laas aufgestellt. Die Anlage läuft seit knapp einem Jahr, das Holz wird „gecrakt“ und so in Gas umgewandelt, welches in einem Blockheizkraftwerk (BHKW) zu Wärme und Strom verarbeitet wird. Knapp 1,3 Millionen Kilowattstunden Strom waren es in den ersten drei Betriebsmonaten 2018. Im Sommer kann das BHKW den Wärmebedarf abdecken.

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SEG SCHLUDERNS-GLURNS-ENERGIE-GENOSSENSCHAFT

Wärme für drei Gemeinden

2,3 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr eingespart Die gemeindeübergreifende Genossenschaft Eine Genossenschaft für Schluderns, Glurns und Taufers im Münstertal? Geht das? Wie ist das möglich? Die SEG, die Schluderns-Glurns-Energie-Genossenschaft, hat das Unmögliche möglich gemacht. Die SEG ist sogar mit ihrem Namen nicht mehr hinterhergekommen, so rasant ist die Entwicklung gegangen. In Schluderns hat die SEG aktuell 353 Mitglieder, in Glurns 243 und in Taufers im Münstertal 168. Insgesamt sind das 764 Mitglieder, so viele, wie in keiner anderen Fernheizwerk-Genossenschaft im Vinschgau. Abnehmer von Wärme, also Übergabestationen, sind sogar noch mehr und zwar 856. Mit dem reinen Energiepreis, die die Mitglie-

Die Vordenker und Pioniere einer lokalen Energieversorgung Georg Wunderer und Sigfried Stocker. Sigfried Stocker war die treibende Kraft für ein Fernheizwerk in Schluderns

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der bezahlen, liegt die SEG 16% unter dem Ölpreis (Stand März 2019). Der Vorteil, den die Mitglieder über die SEG beziehen, ist auch ökonomischer Natur. Nicht nur, dass sich die Mitglieder über die Wärmelieferung und über die Wartung keine Gedanken machen müssen, sie sparen auch noch. Die anfänglichen Skeptiker und Kritiker bei der Genossenschaftsgründung dürften verstummt sein. Tatsächlich sind die Schludernser auf dünnstem Eis gestartet. Der Start mit nur 34 Gründungsmitgliedern erfolgte am 29. März 2000. Der kleinen Anzahl von Gründungsmitgliedern stand aber eine unbändige Überzeugungskraft gegenüber, die von Gründungspräsident Sigfried Stocker wohl am meisten verkörpert worden ist. Der hemdsärmelige Stocker, der leider am 16. April 2016 verstorben ist, mischte im Energiesektor im Vinschger Stromstreit mit und er war wie sein Prader Kollege Georg Wunderer von der lokalen Bedeutung einer eigenständigen Energieproduktion im Sinne einer nachhaltigen Regionalentwicklung überzeugt. Mehr als 15 Jahre lang leitete Stocker als Obmann des Verwaltungsrates die Geschicke der SEG. Der Ausbau der Fernwärme und der betrieblichen Ausstattung erfolgte in den vergangenen knapp 20 Jahren Schlag auf Schlag. Nach dem Baubeginn des Heizwerkes und gleichzeitig des Leitungsnetzes in Schluderns im April 2001 erfolgte die erste Wärmelieferung im November 2001. Nach Glurns wird Wärme seit Juni 2003 geliefert. Seit September 2005

wird mit einer ORC-Anlage im Schludernser Heizwerk Strom produziert. Ab Jänner 2008 wird das Biogas aus der Landwirtschaftlichen Genossenschaft Schluderns im Fernheizwerk mit zwei Motoren zu Strom (ca. 2 Millionen kWh/Jahr) und Wärme verarbeitet. Im Juli 2008 wird in Taufers mit dem Bau des dortigen Fernheizwerkes begonnen und seit Juli 2009 werden Tauferer Mitglieder mit Wärme beliefert. Seit Oktober 2010 hat die ORC-Analge in Taufers ihren Betrieb aufgenommen, ab Febraur 2011 ist dort die Photovoltaikanlage in Betrieb. Die ersten Glasfaseranschlüsse werden in Taufers bereits im März 2011 aktiviert. Im August kommt eine neue Photovoltaikanlage auf das Schludernser Heizzentralen-Dach. In Schluderns stehen seit 2013 zwei Pufferspeicher zu je 150 m3 und in Taufers seit 2018 vier Puffer zu je 18 m3. Und ab August 2015 wird mit dem Verlegen von Glasfaser in Schluderns begonnen. Mittlerweile ist das Glasfasernetz in Schluderns (mit 400 Anschlüssen) und in Taufers komplett und man ist soweit, dass Glasfasermontagen von Mitarbeitern der SEG in Nachbargemeinden ausgeführt werden. Die Geschichte der Genossenschaft in den drei Gemeinden geht einher mit dem Aufbau und dem Einfließen lassen von technischem Wissen vor Ort. „Sämtliche Wartungen und die Pflege der Anlage werden in Eigenregie und von heimischen Betrieben ausgeführt“, sagt Sepp Trafoier, Obmann des Kontrollausschusses. Damit bleibt einiges an Wertschöpfung in den lokalen Kreisläufen. Nicht anders ist es mit den Hackschnit-


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Im Heizwerk von Schluderns stehen zwei Kessel mit einer Leistung von jeweils 3,2 Megawatt. Ein Kessel versorgt eine ORC-Anlage mit einer Leistung von 450 kW elektrisch. Im Heizwerk von Taufers ist ein Biomassekessel mit 2,4 MW installiert, daran angeschlossen ist eine ORC-Anlage mit einer Leistung von 250 kW elektrisch, zudem ein kleinerer Biomassekessel mit einer Leistung von 700 kW.

zeln. Knapp 60 Prozent der angekauften Hackschnitzel kommen aus einem Umkreis von 70 Kilometern. Das hat mit den Förderkriterien zu tun und deckt sich mit der Philosophie der Genossenschaft. „Wir kaufen Brennholz, was uns in der Nähe angeboten wird“, sagt Trafoier. Obmann der Genossenschaft ist Elmar Koch. Koch verweist ebenfalls auf die kleinen Kreisläufe, die Pate für das Tun und Handeln in der Genossenschaft stehen. Der Transport, das Hacken von Holzstämmen, Grabungsarbeiten für Neuanschlüsse, Umbauten, die Computeranlage, Versicherungen und Bankgeschäfte über lokale Genossenschaftsbanken - all das und vieles mehr wird über lokale Firmen abgewickelt. Im Schnitt werden an die 900.000 Euro für Hackschnitzel für beide Werke pro Jahr ausgegeben. Das sind an die 45.000 Schüttraummeter. Damit die SEG ihren Mitgliedern einen günstigen Preis bieten kann, sind intern einige Hebel in Bewegung. Rund 20 Prozent der produzierten Energie ist Strom. Und der Erlös aus dem Strom inklusive Grünzertifikate ist ein wesentliches wirtschaftliches Standbein. Im Jahr 2018 wurden 4,4 Millionen Kilowattstunden Strom in beiden Werken erzeugt. Ein höchst willkommenes Zubrot in der Wirtschaftlichkeitsrechnung. Die Fernwärme liegt allerdings in der Wirtschaftlichkeit mehr als gut im Trend. Die Verbraucherzentrale Südtirol hat im „Heizkesselbarometer 2019“ errechnet, dass Fernwärme in einem Zeitraum von 20 Jahren sogar günstiger ist als Erdgas und so die günstigste

Heizmethode überhaupt ist. Ein Anschluss an die Fernwärme ist neben dem Umweltschutz auch ein finanzieller Vorteil. Wertschöpfung, Arbeitsplätze und die Nutzung von Ressourcen vor Ort waren die ursprünglich begleitenden Gedanken für die Gründung einer Energiegenossenschaft. Auch die damalige Luftqualität in Schluderns. „Schluderns hatte in der Heizperiode eine Smogglocke über dem Dorf“, erinnert sich Trafoier. Heute ist sowohl der Genossenschaftsgedanke als auch der Umweltgedanke von herausragender Bedeutung. Erst kürzlich haben Wissenschaftler von der Europäischen Akademie Eurac anlässlich der Churburger Wirtschaftsgespräche 2.0 in Schluderns „mehr Kooperation in der Peripherie“ angemahnt. Energie-Genossenschaften und landwirtschaftliche Genossenschaften leben diesen Gedanken schon seit vielen Jahren. Und der Umweltgedanke? Mehr geht immer. Aber - in den drei Gemeinden, bei den Mitgliedern wird mit Biomasse nachhaltig geheizt. Biomasse wird bekanntlich als CO2 -neutral angesehen. Weil der Rohstoff, in diesem Fall Holz, nachwächst. Es wird weniger verbraucht, als nachwächst. Zur Verdeutlichung: Nimmt man die rund 20 Millionen Kilowattstunden erzeugte Wärmeenergie in den beiden Heizzentralen von Schluderns und Taufers als Grundlage her und legt diese Menge in Heizöl um, so würden rund 2 Millionen Liter Heizöl für die Deckung

Der aktuelle Verwaltungsrat der Schluderns-GlurnsEnergie-Genossenschaft SEG: Elmar Koch (VR/Obmann), Elmar Stecher (VR/Obmann Stv.), Josef Trafoier (VR/Obmann KA), Johann Thaler (VR/KA), Christoph Prader (VR/KA), Siegfried Warger (VR/KA), Lorenz Wallnöfer (VR), Lorenz Fliri (VR), Johann Alois Spiess (VR), Leo Stecher (VR), Peter Sapelza (VR)

derselben Wärmeenergie benötigt. Das wären 80 Sattelzüge mit Heizöl. Beim Verbrennen von Heizöl entsteht unter anderem CO2 , also Kohlendioxid. Beim Verbrennen dieser 2 Millionen Liter entstehen 6.340 Tonnen Kohlendioxid. Diese 6.340 Tonnen CO2 werden mit der Fernwärme aus Biomasse eingespart. 8,3 Tonnen pro Mitglied der SEG und auf die gesamte Bevökerung der Gemeinden Schluderns, Glurns und Taufers umgerechnet - 2,3 Tonnen Kohlendioxid pro Kopf.

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ENERGIEGENOSSENSCHAFT LATSCH EGL

Wärme in lokaler Synergie Genossenschaft plus Privat 1,5 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr eingespart Kommt man von Meran in den Vinschgau ist es das erste Fernheizwerk, das man begegnet: Direkt an der Hauptstraße liegt das Heizwerk der EGL, der Energiegenossenschaft Latsch. Die Trockungsphase sieht man am Dampfen der Hackschnitzel, der Kamin dampft ebenfalls - es wird überwiegend Wasserdampf abgegeben. Denn die Filteranlage hält andere Gase und Feststoffe zurück. Das Gebäude wurde vom Latscher Architekten Werner Pircher geplant, mit technischer Begleitung vom Bauteam Latsch errichtet und die vom Latscher Ingenieurbüro Fleischmann und Janser in die Architektur eingepflegte Photovoltaikanlage ist vom „Ministero per i Beni e per le Attivitá culturali“ mit einem Preis bedacht worden. Die Photovoltaikanlage deckt rund 50 % des Eigenbedarfes an Strom des Fernheizwerkes. Für das Dorf Latsch ist das Fernheizwerk von herausragender Bedeutung. Denn die Luft-

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werte in Latsch waren während der Heizperiode nicht gut, teilweise katastrophal. Das hat sich wesentlich geändert. Denn seit 2008 ist das Fernheizwerk in Betrieb und in den vergangenen Jahren kamen jährlich neue Anschlüsse hinzu. „Mit derzeit rund 600 Mitgliedern und rund 700 Anschlüssen ist in der Gemeinde Latsch eine sehr gute Dichte erreicht worden“, sagt der heutige Obmann der Genossenschaft Hansjörg Stelzl. Die Luft in Latsch, im Winter talabwärts gestaut vom Tarscher Schuttkegel, hat an Qualität merklich dazugewonnen. Aufgrund des Fernheizwerkes ist ein „Luftkurort Latsch“ wieder salonfähig. Bis 2012 wurden Mitglieder in den Fraktionen Goldrain, Morter und Tarsch sukzessive an das Fernheizwerk angeschlossen, auch um das politische und genossenschaftliche Versprechen einzulösen. „Jedes Jahr kommen 15 Anschlüsse neu hinzu“, sagt Stelzl.

Blick in die Geschichte

Das Fernheizwerk Latsch bzw. die Energiegenossenschaft Latsch ist das jüngste Mitglied in der Fernwärmefamilie im Vinschgau. Der Gründungsakt war im Dezember 2006, mit 27 Gründungsmitgliedern. Allerdings hatte man zu diesem Zeitpunkt um die 400 Zusagen für Anschlüsse. Ausschlaggebend für eine Genossenschaft war, dass der damalige Bürgermeister Karl Weiss (verstorben am 09.07.2013) den Lockrufen des damaligen Landeshauptmannes Luis Durnwalder widerstanden hat. Die Latscher sollten sich an das Fernheizwerk von Schlanders anschließen, das mit Hilfe der landeseigenen SEL AG entstanden ist. Weiss, ein vollblütiger Genossenschaftler, zog in Richtung Eigenständigkeit und er hatte den Obmann der Fraktion Latsch Matthias „Mohler Hias“ Oberhofer auf seiner Seite. Diese Kombination hat sich als wegweisend erweisen, spürbar vor allem auch


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Latsch und dem Landesbetrieb Infranet wurden die Glasfaserkabel zum großen Teil in den Kabelschutzrohren der EGL verlegt. Die Mitglieder der EGL sind privilegiert und bekommen Glasfaser bis zur Wärmeübergabestation gratis. In Latsch gibt es eine besondere Situation, die sich in keinem anderen Fernheizwerk im Megawatt Vinschgau wiederfindet: Die Firma Pedross Erzeugt wird die Wärmeenergie mit zwei BioAG speist seit 2012 Wärme zu sehr günstigen masse-Kesslen. Einer hat 2,5 Megawatt, der zweite 6 Megawatt Leistung. Als Ersatz dienen Konditionen in das Fernwärmenetz von Latsch 3 Gaskessel zu je 1,5 Megawatt und ein großer ein. In den Sommermonaten von Juni bis September liefert die Pedross AG die Wärme für Gaskessel von 6 Megawatt. das Warmwasser. Die Kessel im Heizwerk steMit Manfred Platzer als Heizwart und in der hen dann still. Von den 25 Millionen KilowattVerwaltung mit Yvonne Seguella in Teilzeit stunden, die in Latsch insgesamt produziert wird im Fernheizwerk Latsch die tägliche werden, steuert die Pedross AG 9 Millionen Arbeit bewältigt. Wenn’s fehlt, hilft Ingo WallKilowattstunden bei. Eine bemerkenswerte nöfer als spezialisierter Hydraulikerbetrieb Synergie zwischen einer Genossenschaft und aus. einem privaten Betrieb. Derzeit ist die Verlegung von GlasfaserkaDen Mitgliedern in der Gemeinde Latsch bel in der Gemeinde Latsch voll im Gange. kostet der reine Energiepreis pro Kilowatt„Voraussichtlich Ende November kann das stunde 12 Cent. Glasfaser in Betrieb gehen“, sagt Hansjörg Rund 8.000 Tonnen Kohlendioxid werden in Stelzl. In Zusammenarbeit mit der Energiegenossenschaft Latsch EGL, der Gemeinde Latsch durch die Fernwärme gegenüber Heizöl bei der Verlegung der Fernwärmeleitungen, die auch durch Fraktionsgrund verlegt werden mussten. Weiss war Gründungsobmann und sein Vize Hansjörg Stelzl brachte als Ingenieur das notwendige Fachwissen in den Verwaltungsrat.

Unsere GenossenschaftsMitglieder werden privilegiert und bekommen die Verlegung von Glasfaser gratis Hansjörg Stelzl Obmann der EGL

eingespart. Das sind im Jahr 1,5 Tonnen pro Kopf aller Einwohner der Gemeinde Latsch. Stelzl sagt, dass in Latsch eine sehr positive Stimmung gegenüber dem Heizwerk und seinen Leistungen herrsche. Was den Verwaltern zu schaffen mache, sei die überbordende Bürokratie, unsinnige Bestimmungen, Statistiken ohne Ende, die man abzuliefern habe...

Der Verwaltungsrat der Energiegenossenchaft Latsch EGL v.l.: Obmann Hansjörg Stelzl (Latsch), Vize-Obmann Daniel Schöpf (Tarsch), Martin Kaserer (Goldrain - Kontrollausschuss), Robert Zagler (Goldrain), Christian Stricker (Morter - Kontrollausschuss), Joachim Weiss (Latsch), Lothar Agethle (Vorsitzender des Kontrollausschusses)

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E-WERK PRAD GENOSSENSCHAFT

Wärmeversorgung für die Gemeinde Prad Ausgefeilte und ausgeklügelte Technik in zwei Biomasseheizwerken in Prad Für die E-Werk-Genossenschaft Prad war die Wärmeversorgung seiner Mitglieder ein logischer Schritt. Der verstorbene Energie-Pionier Georg Wunderer, der der Genossenschaft ab 1983 als Obmann vorstand, hat mit der Devise “Energie von daheim” diesen Schritt vorangetrieben. Im Jahr 2000 ging die Fernwärmezentrale 1 in Betrieb. Zwei Alu-Kamine und ein Metalldeckel für das Holzpelletlager sind davon zwischen Kindergarten, Grundschule und dem Nationalparkhaus aquaprad oberirdisch sichtbar. Mit einer Leistung von 900 kW versorgt ein “unterirdischer” Biomassekessel die umliegenden Gebäude, die Grundschule, den Kindergarten, das Nationalparkhaus aquaprad, die Mittelschule mit Fernwärme. Als primäre Energiequelle werden seit 2010 Holzpellets eingesetzt.

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Die historische Genossenschaft E-Werk Prad ist die mitgliedsstärkste Energiegenossenschaft im Vinschau und verzeichnet mit Ende des jahres 2018 1415 Mitglieder. Die Stromversorgung ist die primäre Aufgabe der Genossenschaft, dazugekommen ist die Wärmeversorgung. Außerdem stellt das E-Werk Prad die Infrastruktur für Breitbandtechnologie zur Verfügung. Zur “kleinen Fernwärmezentrale” ist im Jahr 2002 die große Fernwärmezentrale dazugekommen. Damit ist es möglich geworden, die Versorgung mit Fernwärme für das gesamte Dorf Prad, für Agums und für die Handwerkerzone in Angriff zu nehmen. In die Wärmezentralen und in das mittlerweile knapp 30 Kilometer lange und sehr kapillar verlaufende Fernwärmenetz wurden bis 2018 rund 14,5 Millionen Euro investiert. Die Bereit-

stellung der Fernwärme erfolgt fast ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen. Ein ausgeklügeltes System vor allem in der Heizzentrale 2 sorgt für eine sichere Wäremlieferung. Dort stehen zwei Biomasseöfen bereit, der eine mit einer Leistung von 1,6 Megawatt, der zweite mit 1,2 Megawatt. Hinzu kommt ein Pflanzenölmodul, welches mit Raps- und Sonnenblumenöl betrieben wird. Dieses Modul ist ein Schiffsmotor, mit dem Strom und Wärme erzeugt werden. Das Biogasmodul, das mit Gas aus der Anlage der Biogasgenossenschaft angetrieben wird, erzeugt ebenfalls Strom und Wärme. Diese beiden Kraft-Wärme-Koppelungen (KWK) erzeugen rund 17 Prozent der gesamten Wärme in Prad.


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Den Großteil der Wärmeerzeugung übernehmen die beiden Hackgutöfen und der Pelletofen in der Fernwärmezentrale 1. Um die Abnahmespitzen in der Früh abfedern zu können, sind zwei Pufferspeicher mit 293.000 Liter Wasser vorhanden. Ein Anteil von 5 % der Wärmeerzeugung kommt von Dritten: Die Betriebe Holzbau Lechner und Polyfaser betreiben selbst Biomasseanlagen und können überschüssige Wärme in das Fernwäremenetz des E-Werk Prad einleiten. Außerdem liefert der Betrieb Wallnöfer Solarthermie, die ebenfalls in das Fernwärmenetz eingespeist wird. Insgesamt werden mit 22.100 Schüttraummetern Hackgut knapp 18 Millionen Kilowattstunden an Wärme in Prad produziert. Wegen

der Leitungsverluste kommt davon etwas weniger bei den insgesamt 564 Übergabestationen an. Mit Fernwärme werden 733 Kunden beliefert. Wird die Produktion mit Heizöl verglichen, so sparen die Prader Fernwärmekunden doppelt: Zum einen werden 1,8 Millionen Liter Heizöl eingespart und zum anderen wird mit einem Tarif von etwas weniger als 9 Cent pro Kilowattstunde sehr viel günstiger als mit Heizöl geheizt. Diese Differenz beträgt pro Jahr um die 590.000 Euro, die somit als Kaufkraft im Dorf bleiben. Der lokale Wirtschaftskreislauf über das Fernheizwerk wird auch dadurch sichtbar, dass rund 400.000 Euro jährlich an kleinere Betriebe für Grabungsarbeiten , Instandhaltung, in die Biogasanlage fließen.

Es bedarf einer gemeinsamen Anstrengung, um das “Klimaziel Südtirol 2050” von 1,5 Tonnen CO2 pro Einwohner zu erreichen. E-Werk-Prad Obmann Klaus Wallnöfer

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FERNHEIZWERK SCHLANDERS GMBH

Eine Tonne CO² pro Einwohner eingespart Wir sind Energie Schlanders ist aus historischen Gründen ein Sonderfall: Das Fernheizwerk ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung - 51% der Anteile gehören der Marktgemeinde Schlanders und 49% der Alperia AG. Das hat auch damit zu tun, dass von vornherein ein Energiemix geplant war, in dem neben der Biomasse Holzhackgut auch Erdgas miteinbezogen worden ist. Zudem waren die Investitionskosten in Gebäude und Anlagetechnik mit rund 35 Millionen Euro gewaltig - das ist auch der Dichte der Abnehmer im Vinschger Hauptort geschuldet. Die Architektur des Fernheizwerkes ist preisgekrönt. Die installierte Technik ist ein raffiniertes Zusammenspiel diverser Wärmeerzeuger und Stromerzeugungstechnologien. Am Ende des heurigen Jahres 2019 werden vom ursprünglichen Schuldenberg noch rund 11,6 Millionen Euro abzutragen sein. „Wir sind auf gutem Kurs“, sagt der Präsident der Fernheizwerk Schlanders GmbH Dieter Pinggera (siehe Interview). Man hat einen engen Businessplan geschmiedet, an den man sich eisern hält. Das ist die finanzielle Seite,

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die Verwaltungsseite, die mindestens genauso komplex ist, wie die technische Anlage selbst. Wer an einem Fernheizwerk einmal angeschlossen ist, möchte den Service und die Leistung nicht mehr missen. Diese allgemeine Stimmungslage bei Fernwärmeanschlüssen ist auch in Schlanders nicht anders.

Ein Knopfdruck - und die Wärme fließt

Ein Knopfdruck, und die Wärme fließt. Im Sommer das warme Wasser - im Winter zusätzlich die Wärme für die Heizung. Der Heizraum ist ausgelagert, die Leute brauchen sich um nichts zu kümmern. Mit 12,36 Cent pro Kilowattstunde (zuzüglich MWwSt) ist auch der Preis in der Marktgemeinde Schlanders ein sozialverträglicher. Der Preis ist nicht selbstverständlich, denn für die Wirtschaftlichkeit der Anlage und damit für das Preisgefüge ist die Stromerzeugung und die damit verbundene staatl. Förderung innerhalb des Werkes von enormer Bedeutung. In Schlanders wird Strom über die sog. ORC-Anlage und über ein gasbetriebenes Blockheizkraftmodul

(BHKW) erzeugt. Die ORC-Anlage hat eine Leistung von einem knappen Megawatt (MW) und das BHKW 1,461 MW. Mit der Stromerzeugung lukriert das Fernheizwerk im Jahr rund 1,5 Millionen Euro - eine wichtige Einnahmequelle, um den Wärmepreis für den Endverbraucher überschaubar halten zu können. Das Fernheizwerk ist betrieblich eine bemerkenswerte Größe: Umgesetzt werden Leistungen zwischen rund 5 Millionen Euro jährlich. Im heurigen Jahr 2019 wird das Fernheizwerk an die 27 Millionen Kilowattstunden an die Endverbraucher geliefert haben. Denkt man sich diese Zahl in Heizöl, müssten dafür mindestens 2,7 Millionen Liter Heizöl verbrannt werden. Noch nicht eingerechnet die Erzeugungsverluste. Die Fernheizwerk Schlanders GmbH kauft für rund eine Million Euro pro Jahr Rundholz und Hackschnitzel ein und ist auch damit das größte Fernheizwerk im Tal. Weil um das Fernheizwerk ein großes Areal zur Verfügung steht, ist die Holz-Anlieferung


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Preisgekrönte Architektur auch für die Außengestaltung für das Fernheizwerk Schlanders Preisgekrönt auch in der Nachhaltigkeit: Die erzeugte Wärme über die Biomasse, also mit Hackschnitzel, spart gegenüber Heizöl eine Tonne CO2 im Jahr für jeden Bürger in der Marktgemeinde Schlanders

ganzjährig möglich. „Wir kaufen sozusagen das gesamte Holz, das uns vor Ort angeboten wird“, deutet Dieter Pinggera auf die kleinen Kreisläufe hin. Allerdings werde viel mehr für die Fernwärme benötigt. Der Einkauf dieser Hackgutmenge erfolgt im Verbund mit Alperia Ecoplus, welche weiters in Meran, Bozen, Klausen, Latzfons und Sexten Fernheizwerke betreibt.

621 Übergabestationen

Ende 2018 waren in Schlanders rund 29 km Leitung und 621 Wärmeübergabestationen installiert und es gibt laufend weitere Nachfagen. Die Fernwärme strahlt mittlerweile über den Hauptort hinaus - in Kortsch bis zum Haus der Dorfgemeinschaft, in Vetzan bis zur Grundschule. In der Verwaltung wird jeder Neuanschluss auch auf die wirtschaftliche Seite hin überprüft. Die Solidität steht an erster Stelle. Trotzdem sieht das Fernheizwerk Schlanders für das Jahr 2019 Investitionen in einer Höhe von rund 1 Million Euro vor: die größten Anteile davon sind der Einbau eines Reservekessel und der Netzanschluss in Kortsch. Ein besonderer Umstand versetzt die Fernwärme Schlanders GmbH in eine auch wirtschaftlich austarierende Position: Mit dem Krankenhaus Schlanders und mit dem Speckhersteller Recla melden zwei Großabnehmer enormen Wämebedarf an und zwar ca. 25% des Gesamtverbrauches Fazit: Mit den Anlagen im Schlanderser Fernheizwerk werden allein für die Wärmelieferung 3 Millionen Liter Heizöl (incl. Erzeugungsverluste) jährlich eingespart. Setzt man die Biomasseproduktion mit CO 2 -Neutralität gleich, so werden allein für die Wärmeproduktion (bei 65%iger Wärme aus Biomasse) 6.340 Tonnen CO 2 vermieden, also eine Tonne CO 2 pro Jahr und Einwohner in Schlanders.

Der Präsidenten der Fernheizwerk Schlanders GmbH ist der Schlanderser Bürgermeister Dieter Pinggera Vinschgerwind: Sie haben das Fernheizwerk von Ihrem Vorgänger Johann Wallnöfer übernommen. Dieter Pinggera: Nach den anfänglichen Schwierigkeiten und der Rekapitalisierung durch die beiden Eigentümer Marktgemeinde Schlanders und Alperia sind wir heute in einem ruhigen Fahrwasser. Mit einem langfristigen Businessplan, der für das Jahr 2027 eine schwarze Null vorsieht. Vinschgerwind: Die grundsätzliche Problematik für Fernheizwerke ist die, dass hohe Investitionskosten im Laufe der Zeit abgetragen werden müssen. Dieter Pinggera: Richtig. Wir können sogar die Ausbaustufen in Kortsch, von der Kirche bis zum Haus der Dorfgemeinschaft, und in Vetzan mit der Grundschule und den anliegenden Häusern mit Eigenmitteln angehen. Vinschgerwind: Was sagen die Kunden des Fernheizwerkes? Dieter Pinggera: Mein genereller Eindruck ist, dass die Leute mit der Dienstleistung des Fernheizwerkes sehr zufrieden sind. Wer angeschlossen ist, möchte das nicht mehr missen. Überall dort, wo das Fernwärmenetz ausgebaut worden ist, waren die Anschlussraten bis zuletzt immer höher als angemeldet. Die Leute wissen, dass die Wärmeversorgung über das Fernheizwerk von höchster Kommodität ist. Vinschgerwind: Bereut man, dass das Fernwärmewerk eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und nicht eine Genossenschaft ist? Dieter Pinggera: Die Entscheidung ist

2005/2006, also vor meiner Zeit, gefällt worden. Ich kann diesen Schritt allerdings gut nachvollziehen. Denn die Größenordnung, die das Fernheizwerk Schlanders darstellt, mit einem Investitionsvolumen von mehr als 36,2 Millionen Euro, wäre mit einer Genossenschaft nicht machbar gewesen. Ich muss auch sagen, dass die technische Kooperation mit der damaligen SEL AG und der heutigen Alperia Ecoplus GmbH auf sehr, sehr hohem Niveau ist. Wir haben heute ein Top- Werk mit einem Biomassekessel, mit einer ORC-Anlage und einen Reservegaskessel, der als Spitzenkessel funktioniert. Heuer wird zur Erhöhung der Ausfallsicherheit ein zusätzlicher Gaskessel installiert. Vinschgerwind: Die Architektur ist preisgekrönt. Noch mehr ist die Anlage im Lichte des Klimschutzes zu sehen. Dieter Pinggera: Unbedingt. Wir haben im Schnitt eine Wärmeerzeugung aus rund 65% Biomasse und 35 % Erdgas. Der B i o m a s s e - kessel läuft über 6 bis 7 Monate nahezu auf Volllast. Der Mix ist also gut gewählt und garantiert eine hohe Auslastung. 6 Wochen im Jahr sind für die Wartung des Biomassekessels vorgesehen. Der Kessel braucht ungefähr 7 Tage, bis er ausgekühlt und damit wartungsbereit ist. Vinschgerwind: Sind Sie selbst auch an der Fernwärme angeschlossen? Dieter Pinggera: Selbstverständlich. Ich empfehle das jedem, der die Möglichkeit hat.

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E-AG MALS

Das Fernheizwerk in Mals ist mit modernster Technik ausgestattet und bietet Versorgungsicherheit für die mittlerweile 264 Kunden.

Für die Zukunft gerüstet Das Heizwerk Mals hat Potential Mit Biomasse auf der Höhe der Zeit Vom neuen Fernheizwerk profitieren die Bürger der Gemeinde Mals und unsere Natur gleichermaßen“, sagt der Malser Bürgermeister Ulrich Veith bei der Einweihung und Eröffnung der neuen Fernwärmezentrale im Oktober 2016. Tatsächlich sind mit Ende 2018 264 Kunden am Fernwärmenetz angeschlossen und im Laufe des heurigen Jahres werden an die 30 Neukunden von der angenehmen Wärmelieferung profitieren. Im Laufe der nächsten drei Jahre werden die Leute in den Ortsteilen Ortwein und Piz Lun dazukommen. Denn die Leitungsplanung ist bereits abgeschlossen und die Umsetzung steht kurz bevor. Für Neuanschlüsse ist man im Heizwerk gerüstet. Zu den vorhandenen Kunden könne man durchaus noch 150 Kunden dazunehmen, sagt der Geschäftsführer der E-AG Dominik Telser. In der Heizzentrale steht dafür genügend Kilowatt an Leistung zur Verfügung. Seit

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Dezember 2015 schnurrt im Heizraum eine Besonderheit: Ein Holzvergaseranlage, die Wärme und Strom liefern kann. Diese Anlage, in Zwillingsform installiert, hat eine Leistung von insgesamt 600 Kilowatt thermisch und 298 Kilowatt elektrisch. Holzgase werden aus einem thermischen Verfahren gewonnen und in zwei Verbrennungsmotoren und Generatoren zu Wärme und Strom verarbeitet. Die

Zu den vorhandenen Kunden könne man durchaus noch 150 Kunden dazunehmen. Geschäftsführer der E-AG Dominik Telser

Anlage ein sogenannter Festbett-Vergaser. Die Hackschnitzel bestehen zum großen Teil aus Hartholz und sind vergleichsweise groß. Der neue Hackgutlieferant betreibt selbst eine gleiche Anlage und deshalb stimmt die gelieferte Zusammensetzung aus trockenem und gesiebten Hackgut einwandfrei. Die Anlage läuft das ganze Jahr durch und kann so die Grundlast den Sommer hindurch zum Großteil decken. Die Anlage gehört der Gemeinde Mals, die den Strom verkauft und die Wärme an die E-AG weitergibt. Zwei Biomassekessel bilden das Kernstück der Anlage. Der größere, mit 4,2 MW und seit Februar 2016 in Betrieb, versorgt das Dorf Mals und Teile von Laatsch im Winter mit Wärme und Warmwasser.

Die Reise des Biomassekessels

Der kleinere mit 2 Megawatt liefert vor allem in der Übergangszeit Wärme gemeinsam mit der Holzvergaseranlage - und er hat eine Reise hint-


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Ausschnitt der Holzvergaseranlage mit Wärmetauschern mit einem in Grün ummantelten Motorraum

er sich. Diese Reise hängt unmittelbar mit den Überlegungen zum Bau des neuen Fernheizwerkes zusammen. Bis 2015/2016 gab es in Mals zwei voneinander getrennte Biomasseheizwerke. Beide von historischer Bedeutung. Eines war bei der Grundschule in Ortskernnähe und versorgte dort die umliegenden öffentlichen und privaten Gebäude. Und das andere war mit dem energieintensiven Hallenbad mitgedacht, mitgeplant und dort angesiedelt. Vom Heizwerk im Hallenbad stammt der 2 Megawatt-Kessel, der heute im neuen Fernheizwerk weiterhin gute Dienste tut. Der Kessel verkörpert die Weitergabe des Gedankens an eine umweltfreundliche, ressouren- und finanzschonende Energieversorgung in der Gemeinde Mals.

Modernster Neubau - modernste Technik

Weil weder das Heizwerk bei der Grundschule noch das Heizwerk im Hallenbad Erweiterungsmöglichkeiten hatten, überlegte die Gemeindeverwaltung um Bürgermeister Ulrich Veith einen Neubau. Ein Standort wurde am südlichsten Teil des ehemaligen Kasernenareal gefunden und nach dreijähriger Vorplanung erfolgte im Mai 2015 der Arbeitsbeginn und bereits im Dezember desselben Jahres die Inbetriebnahme der Holzvergaseranlage. „Mit dem neuen Werk konnten der Leistungsgrad, die Versorgungssicherheit und die Produktion enorm erhöht werden“, sagt Bürgere-

Der 2 Megawattkessel (Mitte) und der 4,2 Megawattkessel (rechts) im Fernheizwerk Mals

meister Veith. Für den erhöhten Leistungsgrad sind auch die zwei großen Pufferspeicher unerlässlich: Zwei große Türme ragen im Freien des Heizwerkes in die Höhe, zwei mal 150.000 Liter Wasser fassend. Überschüssige Wärme wird in diesen Behältern gespeichert und bei Bedarf in die Fernwärmeleitung abgegeben. Damit beim Einschalten der Heizung in der Früh alle angeschlossenen Kunden warm haben, sind diese Pufferspeicher von größtem Nutzen. Das Dorf Laatsch ist mittlerweile auch an die Fernwärme angeschlossen. Dort gab es in der Grundschule einen Biomassekessel, der rund 20 Kunden versorgte. Eine Machbarkeitsstudie hat ergeben, dass es sinnvoller ist, Laatsch an die Fernwärmezentrale in Mals anzuschließen. Mit Ende dieses Jahres 2019 werden an die 40 Kunden am neuen Wärmenetz angeschlossen sein.

In Matsch betreibt die E-AG ein kleines Biomassewerk, welches die dortigen öffentlichen Gebäude mit Wärme versorgt.

Glasfaser

Mit dem Bau der neuen Wärmezentrale in Mals wurde auch der Zusammenschluss der bislang getrennten Wärmenetze vorangetrieben. Das gesamte Netz ist seit 2014 im Besitz der E-AG. Die Verlegung von Glasfaser, im Bereich der Grundschule bereits abgeschlossen und in den restlichen Dorfteilen soll bis Anfang 2020 das Glasfaserkabel zur Verfügung stehen. Die Ausschreibungen für die Verlegung der Glasfaser ist über die E-AG gelaufen, die sich an öffentliche Auschreibungen halten muss, weil sie zu 100 Prozent eine gemeindeeigene Gesellschaft ist. Eingeladen werden in vielen Bereichen vorwiegend lokale Firmen, so dass die Wertschöpfungskette auf lokaler Ebene bleibt.

4.755 Tonnen CO2 eingespart

Mit dem neuen Werk konnten der Leistungsgrad, die Versorgungssicherheit und die Produktion enorm erhöht werden. Bürgeremeister Ulrich Veith

Mit einer Menge von insgesamt 20.800 Schüttraummetern im Jahr 2018 hat die Fernwärmezentrale 15 Millionen Kilowattstunden an Wärmeenergie produziert und damit die Umwelt geschont. Weil die Wärmeerzeugung mit Biomasse als CO2 -neutral gilt, hat die Gemeinde Mals bzw. die angeschlossenen Kunden 4.755 Tonnen CO2 vermieden. Würden nämlich die 15 Millionen Kilowattstunden mit Heizöl erzeugt, wären 1,5 Millionen Liter nötig und damit eine Emission von 4.755 Tonnen CO2.

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TELSER TÜREN

Burgeis ist gut versorgt Telser Türen liefert Öko-Wärme Klimaschutz aus der Tischlerei Rund 170 Anschlüsse an die Fernwärme sind es derzeit in Burgeis. 170 Haushalte, darunter Hotels und Pensionen, beziehen also bequem ihre Heizwärme im Winter und ihren Warmwasserbedarf im Sommer über eine das Dorf umspannenden Fernwämeleitung. Kein Heizraum bei Neubauten, keine eigene Wartung der Heizung, kein Kaminkehrer, der Verlass darauf, dass die Wärme fließt - und das alles zu einem äußerst günstigen Wärmetarif. Burgeis ist mit Heizwärme gut versorgt. Die Wärmequelle, die Burgeiser Heizzentrale sozusagen, befindet sich in der Handwerkerzone unterhalb der Produktionshallen der Tischlerei Telser, besser bekannt als Telser Türen. Das international tätige Unternehmen Tischlerei Telser liefert hochwertige Türen in die Alpenländer, bis nach Wien und bis nach

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Kasachstan. Telser ist ein Vorzeigebetrieb und hat rund 90 Angestellte in Lohn und Brot. Im Jahr 2010 ist die Entscheidung herangereift, dass es möglich sein müsste, den bereits vorhandenen und großen Erfahrungsschatz im Bereich Energie aus Biomasse der gesamten Dorfbevölkerung von Burgeis zur Verfügung stellen zu können.

Energiegeschichte von Telser Türen

Willi Telser, in dessen Hände die Fäden des Betriebes zusammenlaufen, ist seit jeher ein Tüftler, ein experimentierfreudiger dazu. Die Energiegeschichte hat Willi Telser seit jeher beschäftigt. Telser sitzt vor zwei Monitoren in seinem geräumigen Büro und kann darauf den Wärmefluss, die Stromerzeugung life mitbeobachten. Tritt eine Störung auf, gibt es

ein SMS auf seinem Handy. Telser ist Manager, Firmenleiter und eben auch sein eigener Heizwart. Beim Umzug des Familienbetriebes Telser in die neu geschaffene Handwerkerzone im Jahr 1983 war auch die Frage der Energieversorgung, der Hallenheizung, Thema. Telser hat, wie es üblich und von den Techniker angeraten war, bei der Planung einen Öltank vorgesehen, einen Brenner auch. Gekommen ist es anders: Telser hat sich für die damals neueste Technologie der Unterschubfeuerung von Mawera entschieden. Der erste Biomassekessel war der Einstieg in eine sich rasant entwickelnde Energiegeschichte. Die Energiegeschichte geht einher mit der Entwicklung der Tischlerei Telser zu einem der führenden Hersteller von Haus- und Brandschutztüren. Als ersten Nachbar hat Telser


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Die zwei Pufferspeicher zu je 60.000 Liter sind neben dem Biomasse- kessel das Herzstück des Heizwerkes von Telser Türen - beide sorgen für die Versorgungssicherheit für 170 Fernwärme-Anschlüsse in Burgeis

die Garage Ziernheld angeschlossen. Das war 1985. Die Herstellung von Türen nahm Fahrt auf. Die Holzreste aus der Herstellung wurden mehr. Der zweite Biomassekessel hatte bereits 350 Kilowatt Leistung. Trotzdem, gesteht Willi Telser, hat er sich nicht getraut, weitere Gebäude anzuschließen. Erst 1995 kamen die Gebäude in der 1. Erweiterungszone in den Lochwiesen in den Genuss von Fernheizung. Mit der Firmenerweiterung 1999/2000 kam ein neuer Kessel mit 850 kW, berechnet auf den Eigenbedarf. 2003 wurde das kleine Fernheiznetz erweitert und abgegrenzt und reichte bis zum Bruggerhof - die Biomasse kam ausschließlich aus dem Betrieb. Im Zuge der Erneuerung der Infrastruktur, vor allem der Trinkwasserleitungen, konnte 2007 im Außerbrugg nochmals erweitert werden.

Tüftler

2009 hat Telser eigentlich eine ORC-Anlage installieren wollen. Die Entscheidung fiel dann für eine Holzvergaser-Anlage aus. Der Ausflug in die vielversprechende Holzvergasertechnologie brachte die Erkenntnis, dass diese nicht zur Zufriedenheit funktioniert. Mit den neuen Einspeisevergütungen reifte 2010 die Vision, das gesamte Dorf versorgen zu können. Mit der Verlegung der neuen Infrastrukturen wurden auch die Fernwärmerohre

ins Dorf verlegt. Für die Versorgung mit Fernwärme musste das Dorf vom Gemeinderat „abgegrenzt“ werden, das heißt, dass im Bereich der Fernwärmeversorgung keine anderen Förderungen im Energieversorgerbereich mehr möglich waren.

Mutig

Telser hat zwei gebrauchte Biomassekessel, einen zu 550 kW und einen mit einer Leistung von einem Megawatt, in die Heizräume gestellt. Einigen Mut erforderte es, die an sich teure Holzvergaseranlage wieder auszubauen. Telser hat dafür einen Biomassekessel mit einer thermischen Leistung von 1,7 Megawatt und einer elektrischen Leistung von 200 Kilowatt installieren lassen. „Damit können wir die Grundlast fahren“, sagt Telser. Mit zwei Pufferspeicher von jeweils 60.000 Litern kann die Wärmeanforderung bedient werden. Der 550 kW-Kessel kommt dazu, wenn es nötig ist. Und der 1 Mega-Kessel kommt eher selten zum Zuge. Die im Betrieb anfallenden Holzreste reichen bei weitem nicht aus, um die 170 Anschlüsse im Dorf versorgen zu können. Die Hackschnitzel werden dazugekauft, die meisten kommen aus dem Sarntal.

Rund 9 Millionen Kilowattstunden an Wärmeenergie werden pro Jahr im Kraftwerk von Telser Türen produziert. Damit werden in Burgeis rund 900.000 Liter Heizöl eingespart. Oder: 2.850 Tonnen CO2 werden mit der Fernwärme in Burgeis vermieden.

links: das Hackschnitzellager: vorgetrocknete Hackschnitzel werden unter dem Dach gelagert Vor dem Biomassekessel: Willi Telser mit Sohn Ivan Telser - die Überwachung der Biomassekessel und der Wärmeversorgungssicherheit ist Chefsache Willi Telser kann auf zwei Monitoren die Wärmeproduktion, die Wärmeabnahme, die Temperaturen in den Leitungen und in den Pufferspeichern, die Stromproduktion und vieles mehr live mitverfolgen und bei Störungen sofort eingreifen

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BIOENERGIEGENOSSENSCHAFT ST. VALENTIN BEST

Wärme aus Holz

Klimaschutz in St. Valentin auf der Haide Fast alle Hoadr heizen mit Fernwärme Mit 102 Genossenschaftsmitgliedern ist die Bioenergiegenossenschaft St. Valentin (BEST) im Jahr 2008 mit der Wäremliefgerung gestartet. Heute hat die Genossenschaft 142 Mitglieder. Fast alle Hoadr heizen mit Fernwärme. Seit Bestehen des Fernheizwerkes haben die Mitglieder die kostengünstige und umweltfreundliche Wärme aus Biomasse schätzen gelernt. Bemerkenswert an der Genossenschaft in St. Valentin ist, dass bis heute ohne angestelltes Personal gearbeitet wird. Die Wartung der Heizanlage hat Günther Wallnöfer übernommen und alle Verwaltungsräte setzen sich für die Belange des Heizwerkes ein. Mit rund 6,8 Millionen Kilowattstunden produzierter Wärme werden in St. Valentin rund 680.000 Liter Heizöl und damit Emissionen von rund 2160 Tonnen Kohlendioxid eingespart. Die Bioenergiegenossenschaft leistet damit einen beachtenswerten aktiven Beitrag zum Klimaschutz. Die Mitglieder in St. Valentin kommen zudem in den Genuss von äußerst günstigen Wärmepreisen. Mit derzeit rund 9,8

Die Gründungsmitglieder (2006) stehend v.l. : Günther Stocker, Dietmar Cavaletti, Ernst Hohenegger, Roman Theiner, Georg Hofer, Lukas Hofer, Benno Licata, Oskar Blaas, Kurt Waldner sitzend v.l.: Heinrich Noggler, Johann Sprenger, Martin Mall, Anton Waldner

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Cent pro Kilowattstunde, im Verhältnis zum Heizölpreis um ca. 35 % günstiger, haben die Gründerväter der Genossenschaft eines ihrer Ziele erreicht. Die Überlegungen in Richtung Fernwärme waren neben dem Umweltaspekt auch ökonomische. Denn die hohen Energiepreise in der Hotellerie waren bedrückend. St. Valentin liegt auf knapp 1500 Meter und man rechnet mit 140 Tagen Schneebedeckung und mit 289 Heiztagen. Die Wintersaison ist demnach auch ein heizintensive Zeit. Es ist deshalb auch nachvollziehbar, dass die Initiative für Fernwärme auch von den Hoteliers in St. Valentin mitgetragen und maßgeblich vorangebracht worden ist. Die Vision: “Mit einem Fernheizwerk sollte eine kostengünstige, umwel tschonende und benutzerfreundliche Alternative zum Heizöl geschaffen werden.” Die Gründung der Genossenschaft erfolgte am 3. April 2006 mit 13 Gründungsmitgliedern (sh. Bild). Von Beginn der Planung des Fernheizwerkes an war klar, dass nur der dicht besiedelte Dorfkern von St. Valentin mit Fernwärme aus

dem neuen Heizwerk versorgt werden kann. Sämtliche Weiler und von der Kernzone abgelegene Gebäude können aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen nicht mit Wärme beliefert werden, da sich für sie das teure Leitungsnetz mit ihrer relativ geringen Wärmeabnahme nicht finanzieren lässt. Auch die Handwerkerzone wird derzeit nicht mit Fernwärme versorgt. Dort sind mehrere Holzverarbeitungsbetriebe angesiedelt, die selber über Holzfeuerungsanlagen verfügen und teilweise auch an benachbarte Betriebe Wärme verteilen. Im Oktober 2006 wurde mit dem Fernwärmeleitungsbau begonnen und im April 2007 der Bau des Heizhauses und der Lagerhalle in Angriff genommen. Nach nur 6 monatiger Bauzeit wurde im November 2007 der Ofen erstmals in Betrieb genommen. Die Wärme wird mit einem 1,6 Megawatt-Biomassekessel und mit einem 0,7 Megawattkessel bereitgestellt. Mit einem Pufferspeicher von 62.000 Litern wird Wärme zwischengelagert und bei Bedarf ins Netz abegegeben.


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Die Idee zur Errichtung eines Fernheizwerkes in St. Valentin ist im Jahre 2005 im Kreise Touri smustreibender ent standen. Der Beweggrund lag in den zunehmend gestiegenen Betriebskosten für Heizung und Warmwasser, die besonders der Tourismuszweig zu spüren bekam. Mit einem Fernheizwerk sol llte eine kostengünstige, umweltschonende und benutzerfreundliche Alternative zum Heizöl geschaffen werden. Großes Hackschnitzellager

Die BEST hat von Beginn an auf ein großes Hackschnitzellager mit einem Volumen von knapp 10.000 m3 gesetzt. Die Idee war, den gesamten Jahresbedarf an Hackschnitzeln unterzubringen, damit die Hackschnitzel nicht der Witterung ausgesetzt sind und besser trocknen können. Trockene Hackschnitzel haben nämlich einen höheren Heizwert als feuchtere. In den Anfangsjahren wurden 100 % des Brennstoffbedarfes als Hackschnitzel eingekauft, wie es bei den anderen Heizwerken auch üblich war. Im Laufe der letzten 5-6 Jahre wurde vermehrt Rundholz, hauptsächlich aus den umliegenden Fraktionen, eingekauft und vor Ort gehächselt. Die bauliche Anordnung des Hackschnitzellagers macht ein effizientes Hächseln möglich, da das Rundholz längsseitig des Hackschnitzellagers gelagert und direkt, d.h. ohne zusätzlichen Transport, in das Hackschnitzellager gehächselt werden kann. Die BEST hat im letzten Jahr sehr viel Sturmholz, das nicht als Bauholz genutz werden kann, übernommen und einer energetischen Nutzung zugeführt. Der Hackschnitzelbedarf beträgt aktuell ca.

10.000 srm. Davon wurden 60 bis 80 % vor Ort aus dem angelieferten Rundholz der näheren Umgebung gehäckselt.

Photovoltaikanlage

Die BEST hat auf dem Dach des Hackschnitzellagers auf einer Fläche von 500 m2 eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 69 kWp und einer Jahres-Stromproduktion von ca. 65.000 kWh installiert. Damit kann ein großer Teil des eigenen Strombedarfs selber erzeugt werden.

Glasfaser über die Leerrohre der Datenleitungen der BEST

Vielerorts scheitert oder verzögert sich die Glasfaserversorgung wegen der hohen Errichtungskosten. Nicht so in St. Valentin, das zu den ersten Dörfern in Südtirol mit einer flächendeckenden Glasfaserversorgung zählte. Die BEST hat nämlich der Energiegenossenschaft Oberland EGO, welche zusammen mit der Gemeinde Graun in St. Valentin die letze Meile der Glasfaserleitungen realisiert hat, die Leerrohre ihrer Datenleitungen zum Verlegen der Glasfaserleitun-

gen zur Verfügung gestellt. Damit konnten kostengünstig und schnell Glasfaserleitungen verlegt werden, weil keine aufwendigen und kostenintensive Grabarbeiten notwendig waren.

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FERNWÄRME IM VINSCHGAU

E-WERK STILFS GENOSSENSCHAFT

Trafoi heizt mit Biomasse im Nationalpark Stilfserjoch Der Klimaschutz-Beitrag an der Stilfserjochstraße Aus dem ursprünglichen Gedanken, mit Biodiesel aus Raps ein kleines Blockheizkraftwerk bei Trafoi zu betreiben, ist mittlerweile eine Hackschnitzelanlage geworden. Die historische E-Werk Genossenschaft Stilfs, die auf eine hundertjährige Geschichte zurückblicken kann, hat 2003 das kleine Werk in Betrieb gesetzt und musste das Strom- und Wärme erzeugende Blockheizkraftwerk dann mit Diesel betreiben, weil der Gedanke Biodiesel aufgegeben werden musste. Die E-Werk-Genossenschaft Stilfs verfügt über ein Jahrhundert Erfahrung in der Stromherstellung und es war deshalb eine naheliegende Überlegung, einen Wärmeerzeuger mit einer Stromquelle zu kombinieren. Allerdings wurde vor zwei Jahren vorerst auf Pellets und dann auf Hackschnitzel umgestellt. Der Umwelt- und Klimaschutzgedanke hat sich durchgesetzt und seit

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zwei Jahren fließt Wärme aus Biomasse zu den Abnehmern in Trafoi. Der Akzent ist nun stimmig und mit dem Nationaparkgedanken des Umweltschutzes kompatibel. Es sind in Trafoi 19 Abnehmer an der Anlage angeschlossen, von denen einige nicht aktiv sind. Die Abnehmer sind allesamt Mitglieder der E-Werk Stilfs Genossenschaft. Mit dem Nationalparkhaus naturatrafoi und mit dem Hotel Schöne Aussicht sind zwei größere Abnehmer darunter. Produziert werden in der kleine Anlage 1,6 Millionen Kilowattstunden Wärme aus Biomasse. Damit werden in Trafoi mit der Anlage 500 Tonnen CO2 im Jahr eingespart. „Wir sind in Verhandlung mit der Fraktion Stilfs“, sagt der E-Werk-Obmann Alois Reinstadler, „um das Holz aus dem einheimischen Wald nutzen zu können.“ Damit im National-

park auch die kurzen Wege zum Zuge kommen können. Derzeit werden die Hackschnitzel über das Vinschgauer Energiekonsortium VEK eingekauft. Viel Herzblut haben die Verwalter des E-Werks Stilfs in das kleine Hackschnitzelwerk hineinstecken müssen. Dass die Genossenschaft E-Werk Stilfs neben der Stromerzeugung und Verteiluung auf anderen Gebieten erfolgreich ist, beweist die Tatsache, dass das gesamte Gemeindegebiet Stilfs fast zur Gänze mit Glasfaser versorgt ist. Die Glasfaseranschlüsse sind bereits seit Jahren aktiviert. Die Verlegung erfolgte über die Strom- bzw. Fernwärmeleitungen des E-Werkes. Sämtliche Sendemasten, vom Montoni am Prader Berg bis zum Langenstein in Sulden, sind bereits seit längerem mit Glaserfaserleitungen versorgt.


FERNWÄRME IM VINSCHGAU

Ausufernde Bürokratie wird zum Problem für Fernheizwerke Ein Kommentar von Anton Waldner

Vize-Obmann Bioenergiegenossenschaft St. Valentin (BEST) höheren Kosten müssen durch die Erhöhung des Wärmepreises geKürzlich hat Ministerpräsident Giuseppe Conte mitgeteilt, Italien deckt werden, was schlussendlich zum Nachteil der Wärmeabnehmer wolle in Sachen grüne Wirtschaft eine Vorreiterrolle spielen. Dies ist. Durch die gestiegenen Kosten verliert die Fernwärme im Wettbewird leider eine Träumerei bleiben, solange erfolgreiche Initiativen, werb gegenüber anderen Heizmöglichkeiten, wodurch so mancher wie es die vielen Fernheizwerke in Südtirol sind, von der ausufernInteressent von einem Fernwärmeanschluss den Bürokratie in ihrer Weiterentwicklung behindert absieht und unter Umständen eine weniger werden. Anhand von folgenden zwei Beispielen soll Bei einzelnen umweltfreundliche Energiequelle wählt. dies belegt werden.

Neuanschlüssen, sind die Technikerkosten mittlerweile fast so hoch wie der Förderbeitrag, sodass sich der Aufwand für das Beitragsansuchen kaum noch lohnt.

Beispiel 1: Gemäß den neuen Richtlinien zur Förderungen der Fernwärme wird bei Beitragsansuchen vom Amt für Energieeinsparung eine viel umfangreichere Dokumentation gefordert als es früher der Fall war. Mit den Arbeiten darf nicht vor dem Einreichen des Beitragsansuchens begonnen werden. Das Beitragsansuchen darf nur mehr in der ersten Jahreshälfte bis zum 30. Juni eingereicht werden, und die Durchführung der Arbeiten muss gemäß dem eingereichten Zeitplan erfolgen. Bei kleineren Arbeiten, wie z. B. bei einzelnen Neuanschlüssen, sind die Technikerkosten mittlerweile fast so hoch wie der Förderbeitrag, sodass sich der Aufwand für das Beitragsansuchen kaum noch lohnt.

Beispiel 2: Einen enormen Bürokratieschub haben die Fernheizwerke seit Kurzem der staatlichen Regulierungsbehörde für Energie, Netze und Umwelt (ARERA) zu verdanken. Die Aufgabe der ARERA ist (wäre) es, den Wettbewerb und die Effizienz der Anbieter zu fördern und die Interessen der Kunden zu schützen. Leider trägt die ARERA mit einer Flut an Bestimmungen nicht zur Erfüllung ihrer Aufgabe bei, sondern bewirkt genau das Gegenteil. Die Effizienz und die Wettbewerbsfähigkeit der Fernheizwerke nimmt ab und die Wärmekosten für die Kunden zu. Mit den Einheitstexten TUAR, RQCT, TTIT wurden u. a. Bestimmungen zu den Wärmelieferverträgen, zur Verrechnung, im Bereich Qualität des Dienstes und Rechte der Nutzer, im Bereich Umweltleistungen, zu den Preisen und zu den Mitteilungspflichten gegenüber der ARERA festgelegt. Die Erfüllung all dieser Bestimmungen erfordert von den Fernheizwerkbetreibern einen großen Aufwand, der zu einer Kostensteigerung führt. Die

Die meisten Fernheizwerke sind seit 10 und mehr Jahren in Betrieb und konnten sich bisher unbehelligt von der ARERA stetig weiter entwickeln. Anstatt die Situation der zumindest in Südtirol gut funktionierenden Fernheizwerke und ihrer Wärmeabnehmer mit unnötigen Bestimmungen zu verschlechtern, wäre der Umwelt mehr gedient, wenn sich die ARERA um die Verbesserung der schlecht funktionierenden Bereiche innerhalb ihrer Zuständigkeit kümmern würde, beispielsweise um die Müllentsorgung in Süditalien. Für die Fernheizwerke bleibt zu hoffen, dass das Verfahren für die Beitragsansuchen wieder vereinfacht wird und die genossenschaftlich organisierten Fernheizwerke von sämtlichen Vorgaben der ARERA befreit werden. Ansonsten werden sich die bestehenden Fernheizwerke kaum mehr weiterentwickeln und kaum noch neue Fernheizwerke entstehen. Der große Frust der Genossenschaftsverwalter wegen der überbordenden und unnützen Bürokratie wird dazu führen, dass somancher sich nicht weiter in den Fernheizwerkgenossenschaften engagieren will und dass es noch schwieriger wird, Kandidaten für die ehrenamtliche Tätigkeit in den Fernheizwerkgenossenschaften zu finden. Deshalb ist zu hoffen, dass die Politik die bürokratischen Fehlentwicklungen erkennt und die notwendigen gesetzlichen Korrekturen vornimmt, damit die Fernheizwerke in ihrer Weiterentwicklung gefördert und nicht behindert werden und möglichst viele Wärmeabnehmer mit günstiger, umweltfreundlicher Wärme beliefert werden können.

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