Laufmasche (SoSe 2019)

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EDITORIAL Was haben Lebensmittelverschwendung, Doping, mentale Gesundheit und Instagram Filter gemeinsam? Wenn du den Titel der Ausgabe gelesen hvast, könntest du es schon wissen: Laufmaschen. Laufmaschen im System, in der Gesellschaft, im eigenen Kopf. Tagtäglich sind wir mit ihnen konfrontiert, akzeptieren sie oder lehnen sie ab. Letztendlich bleibt uns nichts anderes übrig, als mit ihnen zu leben – und ab und zu unserer Meinung freien Lauf zu lassen. Mit der Hoffnung, kleine Veränderungen zu schaffen. Auf eine Veränderung möchten wir ganz besonders aufmerksam machen. Eine Veränderung zum Anfassen: Bereits zum zweiten Mal drucken wir die VielSeitig auf recyceltem Papier. Dieses ist zudem mit dem Umweltzeichen “blauer Engel” ausgezeichnet. Damit liefern wir euch ein Magazin zum Durchblättern, Einstecken und Mitnehmen – ohne der Umwelt allzu sehr zu schaden. In der zwölften VielSeitig Auflage wird kritisiert, dis-

kutiert und aufgeklärt. Massentierhaltung, die vermeintliche Perfektion auf Instagram, Obdachlosigkeit, Schwangerschaft. Unsere Redakteure*innen haben sich diesen Themen angenommen, das Lektorat den Rotstift geschwungen, die Layouter InDesign unsicher gemacht. Auch auf dem Blog wurde ordentlich in die Tasten gehauen und dank der Internationals können wir in dieser Ausgabe ein paar englischsprachige Artikel veröffentlichen. Die Akquise hat fleißig telefoniert, die PR zeigt sich spendabel auf Social Media und verlost Preise. Wir sind in die Vollen gegangen, haben die Probleme am Faden gepackt und daran gezogen, sie aufgedröselt und die Laufmasche zum Vorschein gebracht. Angefangen haben wir an uns selbst. „Was sind unsere Laufmaschen?“ In unserem Special wird‘s persönlich. Ob optisch sichtbar oder nicht, wir haben unsere kleinen Fehler für euch in die Kamera gehalten. Schließlich hat jeder von uns die ein oder andere Laufmasche.

Viel Spaß und nicht den Faden verlieren. Eure Initiativleitung

Lea Dillmann

Joana Rietl

Luna Wolf


Persönliche laufmaschen Lea Dillmann,

21 Jahre, Crossmedia-Redaktion, 4. Semester, Initiativleitung Besser als, statt besser wie: Das Redigieren von Texten steckt mir im Blut. Grammatik und Rechtschreibung zähle ich zu meinen Stärken. Doch der Drang jeden stets verbessern zu müssen, ja, der schleicht sich auch in meinen Alltag. Meine größte Laufmasche: Ich bin ein Klugscheißer. Jetzt wisst ihr´s!

Luna Wolf,

21 Jahre, Crossmedia-Redaktion, 2. Semester, Initiativleitung Ich zeige euch eine meiner optischen Laufmaschen: mein linkes Ohr. Nicht sehr auffällig aber sichtbar. Irgendwie wurde es nicht ganz fertig, jedenfalls klebt es ein bisschen zusammen. Meine Uroma war fest davon überzeugt, dass sich das noch auswachsen würden.

Joanna Rietl,

27 Jahre, Mediapublishing, 4. Semester, Initiativleitung Drauf gepfiffen: Ich kann weder pfeifen noch mit den Fingern schnipsen. Egal wie oft ich es versuche – weder meine Finger noch meine Lippen geben auch nur einen Ton von sich. Zum Glück kann ich einer Person auch zeigen wie attraktiv ich sie finde, ohne ihr hinterher zu pfeifen.

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Anne Seelmann,

20 Jahre, Werbung und Marktkommunikation, 2. Semester, Redaktion Wenn man mit mir verabredet ist, kann es durchaus sein, dass ich 10 bis 15 Minuten später komme. Mir fallen eben noch so viele Dinge ein, dass ich die Zeit total vergesse – da wollte ich nur noch schnell einen Hugo für den GNTM-Abend besorgen und schon bin ich zu spät. Zum Glück komme ich mittlerweile meistens nur noch 5 Minuten später ;-)

Ricarda Müterthies,

21 Jahre, Crossmedia-Redaktion, 1. Semester, Redaktion

Am Ende ist alles halb so wild: Meine persönliche Laufmasche ist es, dass ich mir wegen Kleinigkeiten oftmals ziemlichen Stress mache und ich mich förmlich reinsteigere. Am Ende ist die Sache den Stress meistens nie wert.

Ramona Groß,

21 Jahre, Audiovisuelle Medien, 1. Semester, Redaktion Meine Laufmasche ist: Ich habe Typ 1 Diabetes. Das bedeutet, dass sich die Zellen meiner Bauchspeicheldrüse aufgrund einer Autoimmunreaktion selbst zerstört haben. Meine Insulinpumpe ist mit meinem Körper immer mittels einem Katheter verbunden und unterstützt mich bei der Versorgung meines Körpers mit Insulin. Diabetes ist kein Zuckerschlecken, hat aber auch gute Seiten: Ich habe über die Jahre die Abläufe in meinem Körper kennengelernt und kann somit besser auf diesen hören und gegebenenfalls reagieren!

Lorena Boß,

19 Jahre, Crossmedia-Redaktion, 1. Semester, Redaktion Meine persönliche Laufmasche ist mein Talent, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Wo manch einer einfach darüber steht, rege ich mich eine Stunde später immer noch auf. So bin ich im Lauf der Jahre auch in den Besitz eines T-Shirts gekommen auf dem steht: Lass mich, ich muss mich da jetzt reinsteigern!

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Xenia Stepanow,

22 Jahre, Online Medien-Management, 1. Semester, PR, Akquise und Redaktion Meine ersichtlichste Laufmasche ist mein linker Daumen. Während mein rechter Daumen ziemlich gut zu dem Rest meiner Hand passt, sieht der linke etwas unästhetisch aus. Tatsächlich hat mein Daumen schon für viele lustige Momente gesorgt, bei denen sich herausstellte, dass jeder etwas Ungewöhnliches an seinem Körper hat – keiner ist perfekt.

Angelina Neuwirth und Franziska Schmock, beide 20 Jahre, Crossmedia-Redaktion/Public Relations, 2. Semester, Redaktion

Um unsere Laufmasche zu entdecken, müsst ihr schon ganz genau hinschauen: Warum sind wir wohl zu zweit auf einem Bild? Social anixety, von uns auch mal liebevoll ‘soziale Inkompetenz’ genannt. Fremde Leute einfach so ansprechen? Ein absolutes NoGo. Menschenmassen? Da ist Unwohlsein vorprogrammiert. Als angehende Journalistinnen nicht ganz praktisch.

Tamara Todorovic,

21 Jahre, Audiovisuelle Medien, International Student an der HdM, Redaktion Ich nehme mir immer so viel vor und eigentlich tue ich es auch gerne, doch gleichzeitig denke ich so sehr darüber nach, was ich machen soll und wie ich es machen soll, dass am Ende so wenig Zeit für die Verwirklichung bleibt. Das erweckt den Anschein, ich wäre faul, obwohl ich eigentlich einfach nur zu viel nachdenke, statt die Dinge einfach zu tun. Das kann zu sehr viel Stress führen, sowohl bei mir als auch bei meinen Mitmenschen.

Julika Olpp,

23 Jahre, Crossmedia-Redaktion, 1. Semester, Redaktion und PR Ich konnte mich mal wieder nicht entscheiden, deshalb stelle ich euch zwei persönliche Laufmaschen von mir vor. Erstens, ich kann mich nicht gut abgrenzen und zweitens, beginne ich immer mich zu rechtfertigen: Sorry, ich kann heute nicht kommen, ich würde sehr gerne, aber ich ... Und dann, wenn ich absagen muss, bekomme ich meist ein schlechtes Gewissen und ärgere mich über mich selbst!

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Persönlichkeit besondere Laufmaschen

Digital die Masche wird größer

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30-31 CLICKsumerism

EinGeständnis

10-11 Ich fliege - ich falle 12-13 My best is not enough

32-33 Ohne Social Media – gehört man dazu?

34-35 Perfektion auf Social Media 14-15 Von roten Sofas und schwarzen 37 #wasistinsta Löchern 16

Was ist eigentlich dein Lifestyle?

38-41 Invisible Prisons (Photo Gallery)

17-18 Diagnose: Schreibblockade 19-21 I´m helping, I really am 22-23 Bin ich gut genug?/ Selbstzweifel 24-25 Maskenlos statt makellos 26-27 Lieb’ doch, wen du willst?

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Wandel die Lücken, die sich öffnen

Gesellschaft die Lücken im System

44-45 Obst, Gemüse, Brot – alles für die Tonne

62-63 Eine Gesellschaft ohne Laufmasche - Yin und Yang

46-47 Keine Laufmasche ohne Strumpfhose

64-65 Im Zug

48-50 Fleischproduktion – das wohl leckerste Leid aller Zeiten

66-68 picture perfect? 69

Hockey is for Everyone?

51-53 Veganismus: Trend oder steckt was dahinter?!

70-73 Interview: Ein Chromosom zu viel

54-55 Poesie zum Thema Laufmasche

74-75 Bezahlte Pränataldiagnostik in der Debatte

56-57 Immer weiter, immer schneller, 76 immer schöner? Wollen wir 77 die perfekte Reise? 58-59 Wie Trends unser Leben bestimmen

Endstation Profifußball Ich mag dich so, wie ich dich will

78-79 Bitte: SCHÖN 80-82 Eine Laufmasche im Sozialsystem: Obdachlosigkeit 83-84 Erfolgsgarant Sport

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PERSÖNLICHKEIT besondere Laufmaschen



Eingeständnis Jule Ahles

Es ist ein, zwei Jahre her. Wir sitzen wie jede Pause zusammen und reden. Unter anderem diskutieren wir über die Wortherkunft des Black Fridays. Wie wir auf das Thema gekommen sind, weiß ich nicht mehr. Ich bin der Meinung, der Black Friday ist auf den Börsenabsturz in den USA im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts zurückzuführen. Weil daraufhin das gesamte Finanzsystem zu zerfallen drohte, wurde der Black Friday mit all seinen verlockenden Angeboten als Gedenktag eingeführt. Er soll die Wirtschaft ankurbeln und als Warnung stehen, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Dass mich diese Behauptung später am Tag auf eine ziemlich tiefgreifende Erkenntnis stoßen lässt, ahne ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Ich bin darauf konzentriert, meine Aussage zu verteidigen. Denn eine meiner Freundinnen ist skeptisch, sagt, dass der Börsenabsturz ein anderer Tag wäre und der Black Friday damit nichts zu tun habe. Ob ich mir denn sicher sei. Bin ich mir nicht. Macht aber auch nichts, denn die These ist durch meinen Mund in die Welt entlassen worden und jetzt muss sie vor jedem Angriff geschützt werden. Ich überspiele meine anfängliche Unsicherheit und gehe in die Offensive. Wie ein Soldat, der, wenn er sich erst mal aus der Deckung wagt, im Zweifel ums Überleben kämpfen muss. Dabei spielt es keine Rolle mehr, ob das Aufgeben der Schutzposition eine gute Idee war oder nicht. Wir drehen uns im Kreis und jede von uns beharrt auf ihrer Position. Je länger wir diskutieren, desto mehr bin ich von meiner Theorie überzeugt. Wahrheit durch Behauptung und wehe, du zweifelst das an. Der Rest der Gruppe schaut genervt und ist erleichtert, als der Pausengong endlich unseren Zank unterbricht.

Ich hätte das Ganze abhaken können, es spielte schließlich keine Rolle, aber so bin ich nicht. Ich musste belegen, dass ich recht hatte. Da ging es ums Prinzip, nicht ums Thema. Warum war mir das so wichtig? Ich musste niemandem etwas beweisen. Ich tat es nur für mich, für das gute Gefühl des Rechthabens. Für die Bestätigung. Und zugegebenermaßen vielleicht auch ein bisschen für die Schadenfreude darüber, dass der oder die andere Unrecht hatte. War es wirklich so banal? Doch daran dachte ich zum damaligen Zeitpunkt nicht. Ich war im Tunnel: fokussiert darauf, den anderen das Gegenteil zu beweisen. Ich würde diesen Kampf gewinnen, mein Soldat würde kämpfen – mit harten Fakten und Beweisen. Also googelte ich Zuhause. „‚Black Friday‘ heißt auf Deutsch ‚Schwarzer Freitag‘. Als ‚Schwarzer Freitag‘ ist in Deutschland jener Freitag im Oktober 1929 bekannt, als die Börse zusammenbrach und es weltweit Börsencrashs gab, was eine Weltwirtschaftskrise auslöste.“ Ha, Google gab mir recht! Zunächst. Weiter stand da nämlich: „Auf diesen Tag nimmt der Ausdruck ‚Black Friday‘ keinen Bezug!“ Was? Wie bitte? Das konnte doch nicht sein! Ich war

PERSÖNLICHKEIT

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wie vor den Kopf gestoßen. Ich las den Absatz noch mal und da stand es schwarz auf weiß: keinen Bezug. „KEINEN“ noch in Großbuchstaben geschrieben, als wollte das Wort auf keinen Fall überlesen werden. Mein Soldat hatte gerade Selbstmord begangen. Und ich war ziemlich wütend. Weniger darüber, dass ich nicht recht hatte – obwohl mich das auch ziemlich kratzte, aber mehr darüber, dass ich mich so blind hinter meine Behauptung gestellt hatte und jetzt den Preis dafür zahlen musste. Ich ärgerte mich über mich selbst. Fehlern bei anderen zu bemerken und zu bemängeln fällt uns oft allzu leicht. Eigentlich zweifeln wir doch gern an uns selbst: unserer Figur, unserem Aussehen, dem eigenen Können. An allem haben wir was auszusetzen. Nur an unserem Verhalten nicht. Das setzen wir als Maßstab aller Dinge und richten den Rest unserer Weltanschauung danach aus. Ich mache das so und wenn du das anders machst, dann machst du es falsch. Hauptsache ich habe recht und du hast den Fehler begangen. Immer ganz nach dem Motto: „Nein Mama, ich war das nicht!“ An der Selbstreflexion und Selbstkritik hapert es anscheinend gewaltig. Ich wollte doch keine dieser Besserwisser und Korinthenkacker sein, die mich selbst so sehr nervten. Trotzdem handelte ich genau so und war dann lange Zeit viel zu stolz, mir das selbst einzugestehen; erst mal vor der eigenen Haustüre zu kehren. Und damit fing ich dann genau an diesem Abend an, als wir, die gleiche Gruppe vom Vormittag, zusammen essen gingen. In einer Gesprächspause platzte ich

“Nein Mama, ich war das nicht!”

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mit meiner Beichte heraus, sagte, dass es mir zwar schwerfiele, das jetzt zuzugeben – aber, dass ich Unrecht hatte mit dem, was ich zum Black Friday behauptet hatte. Und Überraschung: Es fühlte sich gut an, diesen Fehler einzugestehen. Vor allem, als wir noch Tage später über die Situation lachten. Wie ich da saß und es mir sichtlich schwerfiel, meinen Irrtum zuzugeben. Natürlich war es kein weltbewegendes Unrecht, das ich da begangen hatte. Aber es war Denkanstoß genug, mir in Zukunft über Dinge deutlicher im Klaren zu sein. Erstens meiner Aussagen und meinem Benehmen: Stehe ich hinter dem, was ich gleich sagen werde? Hilft es mir und dem Rest in dieser Situation weiter? Gehe ich dich gerade zurecht an oder ist das nur aufgestaute Wut auf viele andere Dinge? Und zweitens dem Verhalten, wenn ich den ersten Schritt übergehe und der Mund schneller ist als der Kopf. Dann ist es nämlich cool, sein Fehlverhalten zuzugeben. Und meistens überrascht man dabei noch sein Gegenüber, das gar nicht mit so viel Einsicht rechnet und dann viel schneller verzeiht. Wir kommen alle besser miteinander klar, wenn wir unsere Fehler eingestehen, anstatt unsere Aussagen als Gesetz zu sehen und darauf zu beharren. Es steckt doch schon im Wort „Eingeständnis“: Sich eingestehen, für sich selbst einstehen, zu sich selbst stehen. Und ist das nicht viel mehr wert, als stur an seinem ursprünglichen Standpunkt festzuhalten?

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Ich fliege - Ich falle Sophia Suckel

Ich öffne die Augen, sehe durch die halb zugezogenen Vorhänge die ersten Sonnenstrahlen des Tages. Ein kurzer Blick auf die Uhr. Kurz nach fünf. Zu früh, um aufzustehen. Zu früh, um irgendetwas zu machen. Trotzdem habe ich das Gefühl, nicht mehr schlafen zu können, den Morgen nutzen zu wollen. Jetzt, da mein Kopf noch leer ist. Ich greife nach meinem Handy, das auf dem Nachttisch liegt, und entsperre es, sehe, dass ich eine Nachricht habe. Ein Moment des Zögerns, dann öffne ich sie. Kommst du heute mit? Ja. Nein. Meine Finger verharren über den Buchstaben. Zehn Stunden später. Um mich herum Menschen, die ich schon seit vielen Jahren kenne und deren Gesichter mir so vertraut sind wie mein eigenes. Es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass ich sie wiedersehe. Ich fliege. Ich falle. Die Gesichter erdrücken mich, Blicke verweilen auf mir. Sie verurteilen, sie starren. Meine Haut beginnt zu brennen, ich verhake meine Finger ineinander und sehe zu Boden.

Stimmengewirr um mich herum. Wir sitzen an einem alten Holztisch, der Kellner hat gerade die Getränke gebracht. Ich versuche, mich ganz auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, den Moment in meinem Herzen einzuschließen und für immer bei mir zu behalten. Es ist so schön, alle wiederzusehen. Mein Herz ist voller Freude. Mein Herz ist voller Angst. Ich sitze in der Mitte von allem und habe dennoch das Gefühl, dass sich vor mir eine Glasscheibe befindet. Nur schauen, nicht anfassen. Zuhören, aber nicht mitreden. Es gelingt mir nicht, den Moment festzuhalten, er entgleitet mir und ich sitze da, mit leeren Händen. Tausend Gedanken in meinem Kopf. Tausend Gedanken in meinem Kopf. Ich umklammere das Glas vor mir, suche Halt. Mein Atem geht schneller, frische Luft füllt meine Lungen. Ich ersticke. Kann nicht atmen, meine Brust schnürt sich zusammen, ich blinzele heftig. Nein, nicht jetzt. Mein Körper gehorcht mir nicht, sobald ich meine Hand von dem Glas löse, beginnen meine Finger zu zittern. Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein, ich sehe die Farben um mich herum, kann nicht mehr fokussieren. Mich nicht konzentrieren.

“Alles in

Ordnung?


„Alles in Ordnung?“ Die Köpfe drehen sich zu mir. Besorgte Blicke, die auf mir liegen. Ich … ich kann nicht. Ich kenne sie mein halbes Leben, trotzdem habe ich das Gefühl, mich vor ihnen verstecken zu müssen. Mich zu verstellen. Eine Maske zu tragen. Was werden sie von mir denken, wenn ich es ihnen erzähle? Ich sehe doch ihre Blicke, was ist, wenn sie es nicht verstehen? Was, wenn …

Ich reiße mich von den Gedanken los, blicke auf das Display in meiner Hand, das leicht bläulich leuchtet. Kommst du heute mit? Ich tippe. Entfliehe mit jedem Wort mehr der Situation, die sich in meinem Kopf aufgebaut hat. „Kommst du heute mit?“ Die Worte scheinen mich anzuschreien. Nein, ich habe schon etwas anderes vor. Tut mir leid. Ich schicke die Nachricht ab, bevor ich es mir anders überlegen kann. Lege das Handy weg, schließe die Augen und taste vorsichtig nach meinen Gedanken. Nichts. Endlich ist Ruhe.


My Best is Not Enough Nai Lun Tan

A story on what it’s like to live in a society where nothing is more important than what you can and what you have achieved. Wake up, go to school, have classes, attend school club meetings, go to the library, study, go home, sleep. Repeat. This is the life of a regular secondary school student in Singapore. School life in Singapore is hectic: on top of having six hours of lessons a day, students need to join a school club – known as Co-Curricular Activities (CCA). This doesn’t come without reason: when Singapore gained independence just around 50 years ago, it had nothing – no natural resources and little friends. For Singapore to become the financial hub it is today, Singapore’s late founding Prime Minister Lee Kuan Yew only had one choice, “to develop Singapore’s only available natural resource: its people.” Fast-forward 54 years, education had since consumed the lives of youths in the country. An emphasis on meritocracy made education ever competitive: success is defined by how many awards one receives, whether one enters a good school, and whether one gets a good job.

This is why the country’s tuition industry is booming. Parents send children to after-school help, so that they won’t lose out to their peers when it comes to studies. Children also attend enrichment classes, getting crammed with skills like the arts or sports, so that they have an edge over others. My time in secondary school was one of the busiest. I took nine subjects at school, and my CCA – the drama club – had rehearsals up to four days a week. I had piano lessons, ballet lessons, painting classes, and tuition for my weakest subjects. Even so, I revelled in my hectic lifestyle. People question, why commit to the point where one doesn’t have time to let loose? Societal influence, maybe. The pressure to do better than your neighbour is ever present; parents compare their children’s academic results with their colleagues at work. Children compare their examination scripts with their tablemates, and fight to become a leader in their CCA – because it is all about portfolio, portfolio, and portfolio.

“People question,

why commit to the point where one doesn’t have time to let loose?

PERSONALITY

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But this comes with the price of an undeniable pressure on the mental health of young children. Studies show that depression affects 18 per cent of Singaporean youths and this excludes those who have not sought professional help.

This practicality – to do things that help build our future – thrives in our society. Even though people see the ugly side of this, they won’t move away from it, because at the end of it all, it is what we need to survive.

Suicide rates amongst youths have also been increasing despite a shrinking population, as reported by the Samaritans of Singapore (SOS), an organisation that provides emotional support against suicide. People call for change, and things are changing. Policies to improve have been put into place: the Primary School Leaving Examinations (PSLE) – an examination that determines which secondary school a child can enter – will be removed by 2021, and prestigious government scholarships are accepting students based on their achievements instead of grades.

Do I hate this competition? No. It could be less stressful, but it pushes me to become a better version of myself. Yes, I live in a society of competition. But there is a magic to grow up hearing that your best is not enough: you learn to acknowledge defeat, yet you learn to get stronger, and fight for a better future for yourself. Or maybe I’m just a by-product of years of societal pressure, stress, and the education system.

But the competition is not completely abolished, and it will not be. “To ensure that the country stays relevant”, said the then Minister of Education in a speech. And the people agree. Because for many of us, competition has become a norm that we cannot live without. The competition is our drive, and it is our benchmark for success. The competition gave me a chance to lead a fulfilling life. After graduation, I felt empty as I had nothing that needed my immediate attention. I enjoy being able to do something meaningful because I would hate to look back at my youth when I’m older and see that I didn’t achieve anything.

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Von roten Sofas und schwarzen Löchern Angelina Neuwirth

Es gibt nur wenige Themen, die in der deutschen Gesellschaft so tabuisiert sind wie psychische Erkrankungen. Dabei sind die Praxen von Therapeuten, Psychologen und Psychiatern so überfüllt wie nie.

aber über die ablehnende Haltung der Gesellschaft wundern. In Deutschland leiden oder litten ungefähr jeder Dritte im Alter zwischen 18 und 79 Jahren bereits an einer psychischen Krankheit, und trotzdem gerät das Gespräch ins Stocken, wenn ein Beteiligter sich „outet“. Warum mit den Menschen darüber sprechen, wenn sie ganz bequem Platz auf dem roten Sofa beim Psychologen nehmen können?

Kaum fällt der Satz „Ich bin depressiv“, kann ich fühlen, wie mein Gegenüber sich versteift. In seine Augen tritt ein Ausdruck von Mitleid, aber selbst dieser kann nicht das Unbehagen auf seinem Gesicht verbergen. Ein Depressiver, sagt sein Blick. Heißt das, er will sich etwas tun? Nach einer kurzen Musterung beschließt mein Gesprächspartner, dass ich nicht wie ein stereotyper Depressiver aussehe – ich weine nicht ständig, mein Gesicht ist nicht verhärmt und grau und ich sitze gemeinsam mit Freunden in einer geselligen Runde. Die unausgesprochene Frage: “Wurde das überhaupt diagnostiziert? Oder willst du etwa nur Aufmerksamkeit?” hängt zwischen uns. So schlimm kann es ja nicht sein, sagen seine Augen. Du lachst doch, machst Witze. Das macht kein Depressiver.

Gerade weil das Thema in der Öffentlichkeit lieber totgeschwiegen wird, sind die Studienergebnisse der Schweizer Versicherung Swiss Life erstaunlich: Psychische Krankheiten sind die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit und führen mit 37 Prozent die Liste noch vor Krankheiten des Bewegungsapparats (21 Prozent) und Unfällen (14 Prozent) an. Auch ein Blick auf eine aktuelle Studie der deutschen Arbeiterkrankenkasse zeigt, dass in den vergangenen Jahren immer mehr Menschen Krankheitstage aufgrund von psychischen Krankheiten nahmen. Zwischen 2006 und 2014 stieg die Zahl bei den Frauen von 163 auf mit 321 über das Doppelte, bei den Männern von 153 auf 293. Bis 2016 kletterte die Kurve beständig nach oben, in den vergangenen drei Jahren wird eine leichte Abnahme sichtbar.

Mit solchen Vorurteilen werden psychisch Kranke in der Gesellschaft oft konfrontiert. ‚Depression‘ ist dabei austauschbar mit Burnout, Angststörungen und was das Klassifikationssystem sonst noch so hergibt. Wer einen Blick auf die Zahlen wirft, wird sich

Angesichts solcher Entwicklungen könnte man annehmen, dass das Gespräch über psychische Krankheiten weiter in die Öffentlichkeit gerückt ist und mit einer positiveren Haltung aufgenommen wird. Dennoch leiden Betroffene nicht nur unter

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ihrer Erkrankung, sondern auch der Stigmatisierung, Ausgrenzung und Diskriminierung in der Gesellschaft. Dieser negative Einfluss muss aber nicht zwingend von außen kommen: Viele Menschen verinnerlichen diese Vorurteile und richten sie gegen sich. Sie schämen sich für ihre Erkrankung und werden infolge der Selbststigmatisierung depressiv, verweigern sich teilweise der Therapie – in ein schwarzes Loch gestoßen, obwohl man doch kaum noch tiefer fallen kann. Die negative Konnotation, die Worte wie „bipolar“, „schizophren“ oder „depressiv“ mit sich bringen, kann zu Teilen der einseitigen medialen Berichterstattung zugeschrieben werden. Vor allem Boulevardzeitungen legen wenig Wert darauf, sich differenziert mit

der Vielfalt von psychischen Erkrankungen auseinanderzusetzen, und achten wenig bis gar nicht darauf, dass sie ganze Personengruppen über einen Kamm scheren. Oft werden Menschen, die Verbrechen begehen, auf ihre psychischen Krankheiten reduziert. Gegen solche Praktiken wehrt sich das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit mit der Kampagne „Fair Media“, einem Informationsportal für Journalisten. Dort gibt es die Möglichkeit, Experten zu kontaktieren und sich Fachwissen anzueignen, besonders im Hinblick auf angemessene Begriffe für die Berichterstattung über psychisch Kranke. Damit will die Initiative, die von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde getragen wird, gegen die Stigmatisierung von Betroffenen ankämpfen.

Anonyme und kostenfreie Hilfe, für jeden der es braucht, findet ihr bei der Telefonseelsorge unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder auf www.telefonseelsorge.de.

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Was ist eigentlich dein Lifestyle? Julika Olpp Lifestyle – Mein Leben und mein Stil. Mein Stil zu leben. Ja, aber was ist denn nun genau mein Stil? Was ist typisch für deinen Alltag? Wie möchtest du leben? Fragen, die immer mal wieder in meinem Leben aufgetaucht sind, die ich mir aber nie bewusst gestellt habe. Man lebt eben und dann hat man einen Freund, der sich auf die vegane Lebensweise umstellt oder man lernt jemanden kennen, der einem sagt: „Alles was ich besitze, befindet sich in diesem einzelnen Karton!“ Durch unterschiedliche Menschen kommt man mit verschiedenen Lebensvorstellungen und Lebensarten in Berührung. Und dann beginnt man nachzudenken, über die eigene Art und Weise zu leben! Das erste Mal so richtig mit dem Gedanken auseinandergesetzt habe ich mich – Achtung: Klischee – auf meiner Reise in Australien. Dort habe ich an der Ostküste Australiens bei einer deutschen Auswanderer Familie gewohnt. Stark geprägt vom Rhythmus der Tageszeiten und der Verbundenheit mit der Natur, habe ich mich komplett in diese andere Lebensweise eingefunden und mich dieser ganz bewusst hingegeben. Ich habe beobachtet und nachgefragt, vor allem aber deren Lebensvorstellungen „mitgelebt“. Anfangs fiel es mir schwer, mich vom gewohnten durchstrukturierten Berufsalltag abzuwenden und mich stattdessen nur auf das „Sein” zu konzentrieren! Das Interessanteste dabei: Es war ganz einfach! Es hat sich ganz natürlich und richtig für mich angefühlt! Länger schon hatte ich das Verlangen, nachzuprüfen, ob das Leben wirklich nur so sein kann, wie es von der Gesellschaft ein Stück weit verlangt wird. Da war eine Sehnsucht danach, weiter produktiv zu sein– aber viel freier und nach meinem eigenen

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Tagesrhythmus; angepasst an meine Motivation, an meine ganz persönlichen Vorstellungen. Ich bin im Dort angekommen und habe das erste Mal bewusst wahrgenommen, wie ich mir mein Leben vorstelle. Zurück in Deutschland tauchten Gedanken auf: Warum kann ich das hier nicht so leben? Warum unterscheiden sich Lebensstile unterschiedlicher Länder teilweise so stark? Antworten habe ich darauf noch nicht gefunden. Klar ist, dass Lebensstile durch kulturelle und geschichtliche Hintergründe stark geprägt sind. Dass die Art zu leben auch etwas mit dem Klima und der Umgebung zu tun hat. Ein bestimmter Lifestyle ist auch immer verbunden, mit der Prägung und Richtung des gesellschaftlichen Konsens. Im Prozess des Nachdenkens ist mir auch klar geworden, dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir uns heutzutage so frei entwickeln können. Uns überhaupt den Luxus gönnen zu können, zwischen unterschiedlichen Lebensformen zu wählen. Ich denke Lifestyle ist mehr denn je Gesprächsthema. Es wird schon fast verlangt, sich einem Lebensstil zuzuordnen. Ich habe viel gegrübelt und es bisher für mich noch nicht geschafft, meinen gewünschten Lebensstil von damals auch hier fortzusetzten. Aber ich arbeite daran! Ich arbeite daran, auszuprobieren, was passt und sich richtig anfühlt. Denn am Schluss geht es uns doch allen darum, glücklich den eigenen Stil zu leben! Ich möchte euch ermuntern, Neues auszuprobieren, sich in unterschiedliche Lebensvorstellungen hineinzubegeben. Es lohnt sich!

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Diagnose: Schreibblockade Angelina Neuwirth

“Am Anfang war

Jeder, der schon einmal irgendetwas schreiben wollte, kennt dieses Gefühl: Man sitzt vor einem Blatt Papier oder dem Bildschirm und die Worte wollen einfach nicht aus ihrem Versteck. Was machen?

die Deadline.

Ich spürte ihren eisigen Atem im Nacken und versuchte krampfhaft, das Glühen ihrer roten Augen zu ignorieren. Sollte ich über stoppelbeinige Feministinnen schreiben, die sich dem Rasieren verweigern? Oder eine Ode an die Strumpfhose, ein verlässliches Modeaccessoire ohnegleichen? Thema um Thema wälzte ich bis spät in die Nacht, verwarf es, fühlte Verzweiflung in mir aufsteigen. Die Symptome waren alle da. Schwitzige Hände, erhöhter Puls und ein nervöses Zucken des Augenlids. Diagnose: Schreibblockade. Und das knapp vier Stunden vor der Abgabe. Mir im Nacken saßen der Geburtstag einer Freundin, drohende Versagensangst und das Wissen, dass mein Hang zur Prokrastination mich wieder mal in eine ausweglose Lage gebracht hatte, die vermeidbar gewesen wäre. Also sah ich meinem Schicksal ins Auge, gab meiner Krankheit einen Namen und hier sitzt sie nun. Darf ich vorstellen? Neben mir auf dem Sofa, die Füße lässig auf dem

Couchtisch, kramt sie in ihrer Chipstüte: Meine Schreibblockade Ella. Sie ist wie diese eine Bekannte, die sich zweimal im Jahr zum Kaffee einlädt und einfach nicht weiß, wann es Zeit ist zu gehen. Also setze ich mich zu Ella auf die Couch, biete ihr Tee an. Sie lehnt ab – „Ich bleibe ja nicht lang!“ – und ich weiß genau, dass sie nicht gehen wird ehe sie mir den letzten Rest Inspiration geraubt hat. Ihr Kichern tönt in meinen Ohren, während ich verzweifelt versuche, mir Worte aus den Fingern zu saugen, die irgendetwas in den Lesern auslösen könnten. Aber letztendlich ist das, was ich zu Papier bringe, nichts Neues. Es sind die immergleichen Formulierungen, die in mir allein beim Gedanken daran einen Brechreiz auslösen. Ich will mit meinen Texten andere Menschen fesseln, und liege selber in Ellas Fesseln. Ich will, dass meine Worte sich in die Netzhaut der Leser einbrennen, dass meine Gefühle aus diesen Seiten strömen und sich niemand vor ihrer schieren Wucht retten kann. Ich will schreiben. So einfach ist das. Die eine Sache, die ich kann seit ich denken kann – meine Berufung, mein Lebensinhalt. Und nichts anderes kommt mir aus den Fingern als nichtssagende Wortspielereien.

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Während ich vor meinem Laptop sitze, greift Ella mir in die Tastatur, krümelt sie mit Chips voll. Sie lenkt mich ab mit süßen Hundevideos, zupft an meiner Bluse, hält mir die Chipstüte provokant unter die Nase. „Warum machst du mir es denn so schwer?“, fragt sie schmollend, als ich nur halbherzig reagiere. Ich überlege. Und stelle fest: Es ist mein Anspruch an mich selbst, nicht nachzugeben. Nichts kenne ich besser als sie und ihre Spielchen, weiß, dass sie mir als Nächstes ins Ohr flüstern wird, ob es nicht besser wäre, die Sache mit dem Schreiben ganz zu lassen. Für einen Moment bin ich versucht, einfach aufzugeben. Dann werde ich wütend. Ich sehe Ella, sehe ihr schadenfrohes Grinsen und muss den Impuls unterdrücken, sie von der Couch zu boxen. Nein, denke ich. Nein, du bekommst nicht die Macht über mich und meine Freude am Schreiben. „Es ist Zeit zu gehen“, sage ich, und Ella schaut mich spöttisch

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an. „Aber ich will noch nicht gehen“, säuselt sie mit gedehnter Stimme. Also mache ich die einzige Sache, die ihr noch viel verhasster ist, als mich und meine Verzweiflung in Ruhe lassen zu müssen. Ich packe sie an der Schulter, schaue ihr direkt in die Augen und mache brav Konversation, so als würde sie mich nicht stören – als wäre sie eine Freundin. Und plötzlich ist es kein Kampf mehr, sich Worte auszudenken und sie aufzuschreiben. Ich bin mit meiner „Krankheit“ befreundet, ja, ich bin sogar per Du mit ihr. Denn ich, und jeder andere, der gerne Worte auf Papier bringt, weiß: Unser Kopf kann nicht immer voller Ideen sein. Manchmal fehlt die Inspiration und kein Lied, kein Sonnenuntergang und kein Stück Schokolade können die Ideen aus ihrem Versteck herauskitzeln. Aber keine Sorge: Früher oder später geht Ella heim und ihr habt wieder euren Frieden. Beweisstück A? Dieser Artikel.

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“I’m helping, I really am.” Nai Lun Tan We look at brave souls venturing out of their comfort zones, into less-developed countries to not just travel, but also to provide aid. But how much do we actually know about this trend that is slowly getting traction? In a small village of Ralapanawa, Sri Lanka, sits a class of young students in a bare classroom, paying close attention to the film they are being shown. The children, ranging from the age of 7 to 12, listen intently to what their teacher is saying; this is English class and they haven’t had a teacher that has stayed for a month in a long while. But nevertheless, the teacher would be leaving them in a month, and the students aren’t expecting to see her again. This was the story of the French undergraduate Laurie Kühne, 20, who taught English at Ralapanawa for two months. The teaching experience fulfilled her internship requirement for her degree, even though it is advertised as volunteer work. Ms Kühne had found this opportunity on a French volunteering website, L’abeille Asso, which linked applicants to various work experiences across the globe. Teaching at Ralapanawa is L’abeille Asso’s partnership with Sri Lankan organisation, Horizon Lanka Foundation, which had schools around Sri Lanka that provide free education to local children through international volunteers.

L’abeille Asso is just one of many websites around the world that provides similar experiences: in what is known today as ‘voluntourism’. A combination of the words ‘volunteer’ and ‘tourism’, voluntourism represents the act of travelling to another country – often a third-world country – to offer aid in any form, while being able to travel at the same time. This form of travel is becoming increasingly popular amongst millennials.This is because people constantly want to try something new while becoming conscious of giving back. “The time spent becomes an exciting and fulfilling vacation because you get to immerse yourself in another world while helping those in need” said voluntourism website, Serve the World Today. Indeed, many volunteers emerge from their voluntouring experience positively. “It was one of the best experiences of my life” said Ms Kühne. This is also why many millennials are interested in volunteering outside of their home country. “It’s great that you can travel and help locals at the same time,” said undergraduate Nina Viljanac, 22. Volunteering is not foreign to Ms Viljanac – she is an active member of the Erasmus Student Network in Croatia, where she organised cultural activities for students.

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Voluntouring, however, would be totally unlike what she is used to. “I’ve never been outside the EU, so it’s going to be different from what I do at Erasmus, but it is still a good idea,” she said. But not everything is sunshine and rainbows – since the increase of interest in voluntourism, many of its negative effects have come under scrutiny of human rights associations. Voluntourism has been accused of being a moneymaking industry for institutions, such as orphanages, according to journalist Tina Rosenberg from The Guardian. Voluntourists pay orphanages to volunteer, resulting in parents putting their children in orphanages to get better living conditions. In fact, Ms Rosenberg discovered that money is more often than not used to improve the volunteering experience instead of the lives of the beneficiaries, just to attract more voluntourists for the income. The result is an endless cycle of poverty for the beneficiary country, and a sea of voluntourists who think they have done good. This is why there are millennials who reject the idea of voluntourism. “If you’re doing this for the experience, then go on a holiday,” said English student Joe Scotting, 22. “The same money used to get you overseas could be used in one big donation,

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and it can help far more than just rebuilding a small orphanage or school.” For some, however, they encountered voluntourism because of education. Some schools provide overseas volunteering programmes, such as the Li Po Chun United World College (LPC-UWC) in Hong Kong. On these trips, students were exposed to lifestyles that they do not encounter in their society. “I came home and cried afterwards because it was so awful and so hard to relate to,” said Danish student Laerke Boeggild Soerensen, 24, who attended the LPC-UWC. “That was the first time I saw actual poverty.” Ms Soerensen volunteered with her school overseas thrice: in China, Cambodia and Thailand. These trips were spent helping locals renovate orphanages or build playgrounds, and playing with the local children. Although there to help, she felt that the volunteers received more than they gave. “The eye-opening experience was definitely beneficial on the end of the volunteers, but I can’t say if it’s beneficial on the other end,” she said. After graduation, Ms Soerensen also signed up for a 3-month travel package that includes volunteering in Nepal. “I’ll become a bit more of a volunteer the next

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time,” said Ms Soerensen as she thought back on her multiple voluntouring experiences. “Most importantly, you must have awareness. You’re not there as a great gift to the kids.”

“There are multiple layers when planning. Most importantly, we need constant communication by sticking as close to the source as possible,” he said. “People living there know more than we do.”

This was a topic that Ms Sorensen discussed often with her schoolmates at LPC-UWC. “None of the projects I went on contributed in the big picture,” she said. “We’ve been only there for a week.”

Mr Chan’s OCIP team has been serving in Savannakhet for at least five to six years. There, they engage a local liaison, Peter, who talks directly to villagers about their needs. Peter found that villagers of Nonximay, Savannakhet were requesting a new school, sparking Mr Chan’s project.

These short trips make up the main concerns of the voluntourism fad – the lack of continuity. Volunteers only stay to help for two to three weeks, and then they leave, uncertain of whether someone will come down to continue their work. In the two months when Ms Kühne was at Ralapanawa, she saw four voluntourists come and go. One of them even left without completing his three weeks of volunteering, because “life in the village was too quiet for him”. “After I left, I was wondering if there are any volunteers left when I’m there” said Ms Kühne. “The villagers need the continuity to believe in the project. They lose motivation after two to three weeks of having no one.” This is why Ms Kühne vows to return to Ralapanawa. “I know I will go back,” she said. “I want to see the family and the children again.”

At Nonximay, Mr Chan’s team will provide construction aid and teach English. Cultivating a good volunteer attitude is top priority for Mr Chan, which is why he still wants his team of students to get their hands dirty and help with the construction. “It’s true that we are slowing down the process,” he said. “But if you commit yourself, regardless of skill level, you get a sense of ownership on your project.” To encourage continuity, the eight OCIP teams are also creating a syllabus for their English class. In fact, they are in the talks of running a long-term education programme in the school they are building. “Helping others is a mighty cause that comes from a good place. That is why it needs to be well-managed and well-planned,” he said. “We should do as much as we can without disrupting lives.”

But one volunteer will not solve the problem of voluntourists who don’t see through a project. Hence, some volunteers have initiated structured overseas volunteering experiences that provide tangible benefits.

“ We should do

Singaporean undergraduate Edwin Chan, 23, is one of these volunteers. The chair of his Overseas Community Involvement Programme (OCIP) team in school, Mr Chan, together with seven other OCIP teams, will be embarking on a three-month-long programme to help build a school in Savannakhet, Laos.

as much as we can without disrupting lives.

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„Sag mir, wann fang ich an, Mich so zu lieben, wie ich bin?“ - Julia EngeLmann Ramona Groß

Wir leben in einer scheinbar perfekten Welt. Uns fehlt es an nichts und trotzdem sind wir mit dem, was wir haben, nie zufrieden. Wir haben Luxusprobleme. Wissen bei unzähligen Möglichkeiten, die sich uns bieten, nicht, was wir wollen. Aus Angst vor falschen Entscheidungen tun wir lieber gar nichts. Im Gegensatz zu uns haben die Anderen keine Schwächen, Probleme und Ängste. Denken wir. Wir sind bedacht, keine Fehler zu machen. Da spricht immer diese Stimme in uns: Wir müssen schneller, höher, weiter vorankommen. Nur keine Schwäche zeigen, denn das macht uns angreifbar und uncool. Wir machen uns so viele Gedanken, was andere von uns halten. Seit wir denken können, geht es nur um Zahlen. Noten, Größe, Gewicht, Einkommen. Bei all diesen Dingen fängt man schon mal an, an sich zu zweifeln. Bin ich gut genug? Aber was heißt das überhaupt? Muss ich eine bestimmte Norm erfüllen, um dazuzugehören? Und was soll das heißen? Was, wenn ich aber kein Idealgewicht, wenn ich schlechtere Noten und keine tausend Follower habe? Wenn ich nicht zu den „Coolen“ gehöre? Bin ich dann weniger Wert? In der heutigen Zeit werden wir von Informationen überflutet. Wir vergleichen unser Leben mit anderen, nicht nur im Internet. Hierbei stellen wir oft fest, dass wir gewisse Dinge besser oder schlechter als andere können. Da gibt es neben uns eben noch

“Bin ich gut

Personen, die doch so viel schöner, dünner und talentierter sind als wir. Auch wenn wir unser Bestes geben, gibt es Momente in unserem Leben, in denen wir trotzdem scheitern oder einfach unzufrieden mit uns selbst und unserem Können sind. Andere scheinen mit weniger Aufwand bessere Leistungen zu erbringen. Manchmal kommen wir einfach nicht aus unserer Haut, verpassen Chancen, weil wir unsere Komfortzone nicht verlassen. Wir warten endlos darauf, dass das Glück uns findet. Verstehen manchmal die Welt nicht mehr, fühlen uns ungerecht behandelt. In der heutigen Zeit, in unserer Generation, ist es nicht einfach, seinen Standpunkt zu finden. Die

genug?

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Wahrheit ist wohl, dass uns niemand sagen kann, dass wir gut genug und mehr als das sind. Das müssen wir selbst tun. Wir sollten aufhören, uns mit anderen zu messen und den Fokus - auf unsere persönliche Entwicklung, im Rahmen unserer Möglichkeiten legen. Denn unsere Erfahrungen, ob positive oder negative, machen uns zu dem Menschen, der wir sind. Allein aus diesem Grund lässt sich unser Leben nicht mit dem anderer vergleichen. Gleichzeitig sollten wir versuchen, unser Selbstbewusstsein und unser Wohlbefinden nicht von schlechten Erfahrungen und der Meinung anderer abhängig zu machen. Das ist leichter gesagt als getan! Wir machen uns oftmals unnötig darüber Gedanken, was andere von uns halten. Wenn wir unsere Erwartungen etwas herunterschrauben und aufhören ständig auf der Suche zu sein, findet uns das Glück oftmals von selbst.

schlechte Tage zu haben und überfordert zu sein. Das gehört dazu! Wichtig ist nur, wieder aufzustehen. Also lasst uns doch morgen früh aufstehen und in den Spiegel schauen, mit dem Gedanken, dass wir gut genug und dankbar dafür sind, was wir haben. Lasst uns versuchen, jeden Tag ein bisschen an uns zu arbeiten, um Tag für Tag ein „besserer“ zu Mensch werden. Lasst uns Dinge tun, von denen wir glauben, nicht gut genug dafür zu sein und uns eines Besseren belehren. Lasst uns versuchen, ein Mensch zu sein, dem wir gerne begegnen würden. Und falls es dir heute noch keiner gesagt hat: Du bist eine Menge wert und perfekt, so, wie du bist!

“Wir sollten

aufhören, uns mit anderen zu messen.

Manchmal sind wir zu streng mit uns, weil wir uns Ziele setzen, die wir gar nicht erreichen können. Da ist es ebenfalls wichtig, neben allem Ehrgeiz und aller Willensstärke auch den Punkt zu erkennen, es einfach sein zu lassen. Zufriedenheit, Selbstbewusstsein und Selbstliebe sind Dinge, die man eben in keinem Supermarkt neben den Keksen findet. Es ist ein langwieriger Prozess, der vielleicht unser ganzes Leben andauert. Es ist also vollkommen in Ordnung,

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Maskenlos statt makellos Ein Plädoyer fürs unperfekt sein Sandra Belschner Wie viele Nächte hast du schon durchgemacht, weil die Hausarbeit noch nicht perfekt war? Wie oft hast du schon deine Freunde um ihre perfekten Körper beneidet? Wie oft kam dir dein Leben langweilig vor, weil die Leben auf Social-Media perfekter waren? Zu oft. Eine Aufforderung, deine Makel zu feiern. Es war kurz nach zehn, als mich das blaue Leuchtsignal meines Handys auf eine neue WhatsApp-Nachricht hinwies. Drei Daumenbewegungen später zeigte mir das Display zwei Brückenmodelle, die eine Freundin für ihr Architekturstudium angefertigt hatte. „Hey, brauche mal deine Meinung. Welches gefällt dir am besten?“ Zugegeben, „Ich finde sie beide ganz gut“, war vermutlich nicht die beste Antwort. „Ganz gut ja, aber nicht perfekt“, kam die Rückmeldung. Bis in die Nacht hat es gedauert sie davon zu überzeugen, sich für ein Modell zu entscheiden und nicht noch ein drittes anzufertigen – wenig Schlaf war die Folge. So blickte ich in müde Augen, als ich am nächsten Morgen in den Spiegel sah. Doch, meinem Concealer sei Dank, waren meine Augenringe schnell Schnee von gestern. Die Maske sitzt. Perfekt! Ab an den Frühstückstisch. Während meine rechte Hand den Löffel hielt und die Haferflocken zum Mund balancierte, beschäftigte sich die Linke mit der perfekten Social-Media Welt. Vier Instagramstories später wusste ich was lifestyleea046 gestern zu Abend gegessen hatte:

Einen schön arrangierten, perfekt ausgeleuchteten Avocadosalat. Kurz darauf hatte beautybeauty02 meine Aufmerksamkeit: Sie hatte das dringende Bedürfnis, mir ihre geballte Attraktivität in Form eines Selfies zu präsentieren. Und bei all der Perfektion schlich schnell die Frage in meinen Kopf: Bin ich denn überhaupt perfekt, mit all meinen Makeln? Was ist denn überhaupt perfekt? Vollkommen. Makellos. Fehlerfrei. Auf der Suche nach Synonymen stoße ich ausschließlich auf Beschreibungen, die bei mir – seien wir mal ehrlich – fast schon den perfekten Würgereiz hervorrufen. Vollkommen. Makellos. Fehlerfrei. Wer oder was lässt sich denn bitte damit beschreiben?! Schon klar, du denkst dir jetzt: die langen, dichten Haare deiner besten Freundin, der Schulschwarm, den auch du in der elften angehimmelt hast oder der Knackpo von Pamela Reif. Perfekt. Aber wenn du ehrlich zu dir selbst bist, musst du dir bald eingestehen, dass der Typ ziemlich schiefe Zähne hatte, auch die Wallawallamähne Spliss hat und Pamela ihren straffen Body mitunter Photoshop zu verdanken hat. Und auch wenn wir uns von den ganzen Oberflächlichkeiten verabschieden, stoßen wir schnell auf scheinbare Perfektion, die auf den zweiten Blick eigentlich gar keine ist. Oder wie oft hast du die Frage „Wie geht es dir?“ ehrlich beantwortet? Also ich meine so richtig ehrlich?

“Streicht das Wort Makel aus eurem Wortschatz und ersetzt es durch Markenzeichen! PERSÖNLICHKEIT

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Kein „Ganz gut, und dir?“, sondern ein „Ehrlich gesagt ziemlich beschissen. Weil ich überlege mein Studium abzubrechen, Stress auf der Arbeit habe und generell einfach im Moment komplett unzufrieden bin.“ Okay verstehe, ein „Ganz gut“ kommt da schon leichter über die Lippen. Schließlich wollen sie das doch hören. Sie. Unsere Gesellschaft, die pausenlos Perfektion plädiert. Ein perfektes Leben, in dem alles so läuft, wie man es eben erwartet. Deshalb ziehen wir auch unserem Inneren – und jetzt belüg dich nicht selbst – eine Maske über. Und das öfter als uns lieb ist. Um makellos zu sein. Um perfekt zu sein. Die dauerhafte Demaskierung wagen wir nicht. Zu gefährlich. Dabei hat uns doch schon Tetris gelehrt, dass wir irgendwann verschwinden, wenn wir immer versuchen uns anzupassen. An dieser Stelle sollte ich dir von meiner Freundin Conni erzählen. Denn während wir alle jeden Morgen ganz selbstverständlich zwei gleiche Socken anziehen, die möglichst unauffällig sind, schlüpft Conni jeden Morgen ganz selbstverständlich in zwei unterschiedliche. Blümchen mit Streifen. Gelb mit grün. Punkte mit Flamingos. Eine Wette mit ihrer Schwester ist der Grund. Denn diese spendiert die Brautschuhe, wenn Conni der Ungleichheit bis zur Hochzeit treu bleibt. Aus einer banalen Schnapsidee wurde erst ein Makel, dann ein Markenzeichen. Conni mit gleichen Socken? Für mich unvorstellbar. Mal davon abgesehen, dass sie sich das nervige „im Wäscheberg nach Sockenpaaren fischen“ spart. „Streicht das Wort Makel aus eurem Wortschatz und ersetzt es durch Markenzeichen!“ Ein Hoch auf Connis Unperfektheit! Ein Hoch auf Helene Fischer! Wie bitte? Ja, du hast richtig gelesen.

„Keiner ist fehlerfrei! Sei’s doch wie es sei! Lasst uns versprechen, auf Biegen und Brechen, wir feiern die Schwächen!“. Eine einfache Songzeile der Schlagerqueen. Ein einfaches Versprechen, sich selbst und das Leben mit all seinen angeblichen Makeln zu feiern. Also, worauf wartest du? Sei mutig und mach dir selbst ein Versprechen, das alles verändern wird. Okay, an dieser Stelle sollte ich aufhören wie eines dieser Achtsamkeits-Selbsthilfebücher zu klingen. Sorry. Aber jetzt mal ehrlich: Wenn du immer noch glaubst, dass du perfekt sein musst, um glücklich zu sein, ist jetzt – ja, genau jetzt – der beste Moment aufzuwachen! Das ist nämlich absoluter Bullshit! Sind es nicht genau diese kleinen unperfekten Momente, die aus einem guten, einen unvergesslichen Tag machen? Ich bin mir sicher, dir werden einige Ereignisse einfallen, die regelmäßig deine Mundwinkel nach oben ziehen, eben weil sie nicht perfekt waren. Dennoch, dieses Plädoyer ist kein Aufruf oder Freifahrtschein dafür, ab jetzt alles schleifen zu lassen. Dein Prof wird vermutlich wenig Verständnis haben, wenn du bei der nächsten Hausarbeit die letzten fünf Seiten weglässt, um unperfekt zu sein. Darum geht es nicht. Es geht darum, dass du dir öfter mal die Maske vom Gesicht – und deinem Inneren – reißt. Nicht so viel darauf gibst, was die Gesellschaft für perfekt hält. Ich fordere dich auf – auch wenn du, wie ich, kein Schlagerfan bist – deine angeblichen Schwächen zu feiern! Mach deine Makel zu Markenzeichen. Sei öfter maskenlos statt makellos!

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Lieb‘ doch, wen du willst? Angelina Neuwirth

Niemand ist gern allein. Eigentlich sind Menschen Herdentiere und brauchen soziale Kontakte. Aber wie weit muss das gehen? „Reichen“ nicht auch Freundschaften und gute Beziehungen zur Familie, oder muss es wirklich ein romantischer Partner sein? Die Liebe ist ein Thema, mit dem der Mensch sich schon seit, nun ja, eigentlich schon immer beschäftigt. In der Antike gab es den Philosophen Platon, dessen Verständnis von Liebe wohl oft denen zugutekommt, die sich von ihrem Partner trennen wollen. „Das, was ich für dich fühle, ist nur noch platonisch“ klingt halt einfach besser als „Ich habe es satt, immer von dir bei Serien gespoilert zu werden und deine Socken räume ich auch nicht mehr weg“. Platonische Liebe – mit diesem Begriff können wir uns anfreunden, so etwas spüren wir für Freunde, in guten Fällen auch für den ehemaligen Partner und die Familie. Nun stellt sich aber heraus, dass wir völlig falsch interpretiert haben, was Platon uns da mit auf den Weg gegeben hat. „Er hat ein Liebesideal entwickelt, das heute missverstanden wird“, erklärt Paartherapeut Bernd Schmidt mir am Telefon. Im modernen Sprachgebrauch beschreibt die platonische Liebe eine freundschaftliche oder eine Liebesbeziehung, in der beide Parteien kein Verlangen und keine Notwendigkeit für Sex verspüren, jedoch ohne philosophischen Hintergrund. Platons

Auslegung war aber ganz anders: Platonische Liebe war für ihn die höchste Form der Liebe, die ein Mensch je erreichen kann. Wie für Faust ging es auch für ihn um das Streben nach dem „Höchsten“. Klingt alles etwas schwammig? Abgehoben? Genau deswegen hat der moderne Mensch sich auch eine andere Interpretation zurechtgelegt. Bernd Schmidt versucht, mir dabei zu helfen, meine Frage nach der Notwendigkeit eines romantischen Partners zu beantworten. In den 34 Jahren, die er nun schon praktiziert, hat er einige Ansichten entwickelt. Zum Beispiel, dass Paare nach einer Trennung nicht mehr befreundet sein können. Also ist die platonische Liebe überhaupt nichts, das wir nur für Freunde und Familie empfinden? „Wenn ich mit jemandem befreundet bin, nehme ich intensiv am Leben des anderen teil. Bei getrennten Paaren ist das meist nicht mehr der Fall.“ Er erklärt mir, dass romantische und platonische Liebe meist nicht gleichzeitig in einer Beziehung existieren. „Wenn wir uns kennenlernen, sind wir sehr euphorisch und manchmal auch bemüht, uns so darzustellen, wie wir vielleicht gar nicht sind“, sagt Schmidt. Das erklärt die vielen Memes, in denen es um Frauen geht, die sich für die ersten drei FaceTimes ein Full-Face-Makeup aufschminken, um dann den vierten Anruf mit Aknecreme im Gesicht und der Zahnbürste im Mund entgegen zu nehmen.

“ Er hat ein Liebesideal entwickelt, das heute missverstanden wird

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Wenn Paare über dieses erste, euphorische Stadium hinwegkommen und Themen wie Familienplanung in den Fokus rücken, „vergeistigt“ sich die Liebe in einer romantischen Beziehung. „Das sieht man auch bei älteren Paaren um die 80 Jahre, die noch sehr liebevoll miteinander umgehen“, erklärt Schmidt. Bevor es aber zu einer glücklichen Beziehung inklusive Kinder kommt, beschäftigt mich die Frage, wieso wir Menschen überhaupt so ein großes Bedürfnis danach haben. Liegt es in unserer Natur, dass wir uns ohne Partner nicht „ganz“ fühlen? Scheinbar bin ich nicht die Einzige, die diese Frage umtreibt. Google spuckt verschiedenste Suchergebnisse aus, wenn ich meine Frage eingebe – am meisten aber Foren, in denen die Notwendigkeit eines Partners diskutiert wird. Bernd Schmidt beantwortet meine Frage so: „Nein – obwohl das natürlich von Mensch zu Mensch anders ist. Nicht jeder Mensch braucht einen Partner, um ein glückliches Leben zu führen. Manchmal ist eine Partnerschaft einfach nicht notwendig.“ Seiner Erfahrung nach sei das aber die Minderheit. „Die meisten sind ständig auf der Suche, besonders Frauen, und werden hibbelig, wenn sie keinen Partner finden.“

nicht so laut und schnell“, sagt er und lacht. Ihm fällt ein Beispiel ein: Patienten von ihm, ein junges Paar. „Der Kinderwunsch war bei beiden da, nur bei ihr viel dringlicher, und das hat sie auch schon verlauten lassen. Für ihn hingegen war das noch kein so großes Thema – bis sie es so nachdrücklich gesagt hat.“ Rein biologisch hätten Frauen ein viel größeres Bestreben in sich, Leben in die Welt zu bringen – „denn sie schenken ja tatsächlich Leben.“ Schmidt sagt auch, dass viele Frauen bei der Partnerwahl kein sexuelles Motiv haben – die Hände und die Stimme seien ausschlaggebend. Grundsätzlich geht es Frauen dabei darum, ob diese Männer gute Väter für ihre Kinder wären. Christopher Watkins, der an der schottischen Universität Abertay Dundee Professor für Psychologie ist, fand 2018 in einer Studie heraus, dass Frauen nach Männern suchen, die für gesunden Nachwuchs und Sicherheit sorgen. Kreative, witzige Männer werden als intelligent empfunden und kommen in die engere Auswahl. So viel zu „Lieb‘ doch, wen du willst“ – in dieser Sache sind wir der Evolution ausgeliefert.

Er erklärt mir, dass ein möglicher Grund, warum Frauen größeren Wert auf eine romantische Beziehung legen, jener ist, dass sie die biologische Uhr ticken hören. „Männer hören die schon auch, nur

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DIGITAL die Masche wird größer



CLICKsumerism

The internet is a great place to be – not for sustainable fashion though Tan Nai Lun If you told someone ten years ago that they could go shopping without needing to get off their sofa, they would probably think that you’re crazy. But if you told someone today that you always go shopping at physical stores to feel the fabric, they might laugh at you. It’s true, why would people want to spend time and effort going down to stores, when they can get the exact same thing with a few simple clicks? Online shopping has greatly changed the way we consume. Nowadays, if things are faster, cheaper, easier, they’re usually better. People want things convenient, and that’s how fast fashion came about. Today, fashion brands have 52 ‘micro-seasons’ a year – a stark increase from the Spring/Summer and Fall/ Winter collections of the yesteryears. Brands churn out new products every week so that consumers buy more and buy more often, according to Factory45 founder Sharon Lohr, who runs an online accelerator program for sustainable fashion companies. As new looks are created weekly, customers feel off-trend after the first wear, making way for more buying. And what better way to sell fast than to sell cheap? Between a $50 hand-made blouse from a local boutique and a $7.99 top from H&M.com (free shipping included), consumers are more likely to purchase the cheaper option. With the internet, prices of clothing plummet even further. Gone are the costs of opening an additional physical shop – rent, employee wages, and utilities –

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online retailers only need to pay for their URL. That’s how popular online megastores such as Wish, Fashion Nova and Yesstyle manage to sell their clothing items as cheap as $0.99. Many of these shopping sites market themselves as ‘direct from the factory’ take Ali Express for an example. People trust that their goods are sold cheap because production factories are the ones selling to them without middlemen. The lack of transaction partners leaves little room for mark-ups, allowing consumers to get their goods as cheap as possible. But now the question is: how did production costs get so low in the first place? We’ve all heard the narration of underpaid workers in sweatshops, cooped up in small rooms with little ventilation, unable to leave their sewing machines until they’ve finished their 100th crop top. In addition to that, however, is also a sharp drop in the quality of the goods. “To keep prices low, [fast fashion brands] have to cut costs,” said light industry researcher Xiong Xiaokun in an interview with China News. According to Mr Xiong, these brands rarely use high-quality or durable materials. Clothing dyeing processes are sped up, leading to poor colour fastness, unsafe pH levels and more. This is why these clothing only last a few washes, and fast-fashion brands are okay with that. With the rate that the brands churn out clothing, they only need to make sure that their latest collection will sell to that consumer who over-stretched their pullover.

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The internet further contributes to the fast fashion industry in a different way – advertising. Brands sell on social media, and they engage in influencers, sponsoring famous internet personas with their products to reach out to their large following. YouTube, for instance, is a main target for advertising. One of YouTube’s biggest subcultures is ‘haul videos’ – footage of YouTubers presenting and describing what they’ve bought. This is a perfect place for brands to appear: simply send a large package to a YouTuber with a sizeable following, along with a promotion code for their followers to use if they want to shop at that brand after the video. And this form of advertising is effective: YouTuber Zoella’s Primark haul had 4.25 million views and is one of her most viewed videos on the social media site. This propels the throw-away society that we live in today: we overconsume and excessively produce short-lived items over durable goods that can be repaired. Consuming low-quality clothing gives way to buying more similar products when the old ones

wear out, simply because they are cheap. And even if a shirt is in perfect condition, we keep it tucked at the back of our closets after a few wears, because people tell us that it is no longer in trend. But things are changing. Fast fashion brands have started launching what they call their ‘sustainable collections’ which use more environmentally-friendly products, or ethical trade practices – such as H&M Conscious, Zara’s Join Life Collection, and ASOS’s Vintage Marketplace. Some brands have even pledged to become ‘fully sustainable’ in the near future: H&M vowed to make all their stores climate positive by 2040. Nevertheless, it is up to the consumers to make real change. Fast fashion companies chase profit and go wherever consumers allocate that profit, said Mr Rami Helali, co-founder of ethical and sustainable basics company Kotn, to Huffpost. “There isn’t enough consumer pressure for it to become detrimental for [fast-fashion brands] to operate in the way they’re operating now.”

Du hast ständig gute Designideen und weißt nicht wohin damit? Bei uns kannst du dich nicht nur kreativ austoben, sondern auch neue Leute kennenlernen, Veranstaltungen organisieren und letztendlich jungen Leuten in Krisenregionen ein Studium ermöglichen! Wir treffen uns immer dienstags um 19 Uhr, M 17.71, Campus Stadtmitte www.studieren-ohne-grenzen.org stuttgart@studieren-ohne-grenzen.org Studieren Ohne Grenzen Stuttgart

g n u r e d n ä r #ve eg stalten


Ohne Social Media Gehört man dazu? Der Selbstversuch – Eine Woche Verzicht Janina Thomanek Wie sehr hat sich Social Media schon in unser Leben integriert? So sehr, dass wenn wir uns davon loslösen, kein Teil der Gesellschaft mehr sind? In einem kleinen Selbstversuch werde ich zeigen, ob sich das eigeneLeben ohne Social Media verändert und es sich sogar negativ auf Beziehungen und Freunde auswirken kann. Der erste Schritt überhaupt war es, sich von den Kanälen zu trennen. Instagram, Facebook, Snapchat, usw. wurden erstmal von meinem Smartphone deinstalliert. Das ging relativ schnell und tat auch nicht weh. Von WhatsApp habe ich mich nicht getrennt, denn für mich ist das der Ort, um sich mit Freunden zu verabreden oder auch um andere Dinge zu klären.

Die ersten Tage Am Anfang nimmt man es noch gar nicht so wahr, dass etwas „fehlt“. Anstatt mit Instagram habe ich mich mit anderen Apps beschäftigt. Ich habe mir einige Spiele runtergeladen, um die Zeit, die ich sonst auf Social Media verbracht hätte, damit ein wenig Tot zu schlagen.

Anstatt morgens im Bus auf das Handy zu starren, habe ich die Umwelt um mich herum beobachtet. Und siehe da, so gut wie jeder andere im Bus war in sein Handy vertieft. Kaum einer schenkte den anderen Beachtung, jeder war auf sich und sein eigenes Mobilgerät fokussiert. Bis hierhin hatte ich noch nicht das Gefühl etwas zu verpassen. Ich war eher der Meinung, den Leuten um mich herum würde etwas entgehen. Der Frühling brach nämlich gerade an und alles begann zu blühen und zu gedeihen. Auch wenn ich nicht auf Social Media aktiv war, zu dem Zeitpunkt war mir klar, was gerade gepostet wurde. Bilder vom Frühling natürlich. Mit dem Gedanken, dass ich wahrscheinlich bisher nur einige „Spring is here“-Posts verpasst hatte, konnte ich mich wirklich einige Tage zusammenreißen.

Eigentlich ein blöder Ansatz. Man könnte die Zeit auch effektiver nutzen, aber einfach ab und an am Handy zu hängen gehört einfach mittlerweile zu meinem Alltag. Dann habe ich auch versucht auf die Spiele zu verzichten, um mich mal mehr mit meiner Umgebung auseinander zu setzen.

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“Man merkt erst wie abhängig man ist, wenn man sich von den Kanälen getrennt hat. Tag Fünf Es mag sich doof anhören, aber ohne Social Media wird man hibbelig und etwas fehlt. In unserer Generation gehören die Kanäle sozialer Medien mittlerweile einfach zum Leben dazu. Ob aktiv oder passiv involviert, es gibt kaum einen, der nicht zumindest Facebook benutzt. Und eben weil jeder auf Social Media ist, habe ich mich seit dem fünften Tag etwas außenvor gefühlt. Natürlich sprach mich niemand darauf an, dass ich dies und jenes verpasst hatte, aber trotzdem hatte ich durchgehend das Gefühl, etwas zu verpassen.

Tag Sieben

Fazit Im Großen und Ganzen ist zu sagen: während der ganzen Zeit habe ich mich nicht ausgeschlossen gefühlt. Ich konnte mich auch offline mit meinen Freunden oder meiner Familie unterhalten. Auch wenn mir vermehrt aufgefallen ist, dass jeder dazu neigt ab und an auf sein Handy zu linsen und Social Media zu checken, wenn das Gespräch zum Beispiel ins Stocken gerät. In unserer Zeit ist dieses Phänomen schon fast selbstverständlich geworden, auch für mich. Abschließend kann ich sagen, dass sich der Verzicht nicht auf meine Freunde oder mich ausgewirkt hat. Das Gefühl etwas zu verpassen und nicht dazu zugehören, kommt nur von einem selbst. Das heißt, dass das Schwerste an all diesem war, seinen inneren Schweinehund zu besiegen, sich nur auf sich selbst zu konzentrieren und nicht mit anderen zu vergleichen. Damit sollten wir uns nämlich viel mehr beschäftigen: mit uns Selbst.

Ich muss ehrlich sein, ich war froh, dass mein Selbstversuch bald zu Ende sein würde. Natürlich war dieser Verzicht machbar, aber etwas Großes fehlte: Meine sozialen Medien. Das wurde mir aber erst in dieser Woche klar. Man merkt erst wie abhängig man ist, wenn man sich von den Kanälen gelöst hat, denn dieser ständige Wunsch die Apps zu checken wuchs täglich immer weiter an.

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„I will not compare myself to strangers on the internet.” ~Unknown Ramona Groß Social Media ist heutzutage nicht mehr wegzudenken. Etwa neun Millionen Menschen nutzen allein in Deutschland Instagram. 80 Millionen Bilder und Videos werden hier täglich geteilt. Wir zeigen uns in den sozialen Medien von unserer Schokoladenseite. Verbringen Stunden damit, das „perfekte“ Leben anderer neidisch zu verfolgen und unser eigenes zu inszenieren. Hautunreinheiten, Falten und „Problemzonen“ sagen wir mit wenigen Klicks den Kampf an. Hier ein Filter, da eine Retusche. Kaum ein Bild wird heutzutage noch unbearbeitet gepostet. Diese „perfekte“ Instagram-Welt erweckt den Anschein, irgendwo mithalten zu müssen. Wir folgen auf Instagram Menschen, die wir persönlich kennen und einigen, denen wir noch nie begegnet sind. Aber worin besteht eigentlich der Sinn dabei, Fotos und Videos zu posten? Geht es wirklich nur um Likes und Follower? Mit der Nutzung von Social Media geben wir Einblicke in unser Leben und verfolgen gerne das anderer. Aber wie nahe kommen diese Einblicke der Realität wirklich? Während wir uns immer häufiger über Instagram und Co. mit anderen vergleichen, fühlen wir uns oft minderwertig und bekommen den Eindruck, alle anderen führen das Happy-Goodlife. Die Zweifel an uns nehmen dabei immer mehr zu.Wir fragen uns, was wir falsch machen, weil wir keine tausend Follower haben, weil wir nicht das Geld und die Zeit haben, die ganzeWelt zu bereisen.

Und vielleicht fühlen wir uns nicht dünn genug, um ein Bikini-Bild zu posten. Aber woher kommt dieses Streben nach Perfektion, und das in einer Gesellschaft, wo Selbstliebe und Akzeptanz doch so großgeschrieben werden? Sind es nur wir selbst, die unsere „Schönheitsfehler“ als störend empfinden? Würden andere diese überhaupt bemerken? Wir streben wohl nach Bestätigung und Anerkennung, die wir im echten Leben vielleicht nicht bekommen. Wir haben Vorbilder, die ein ganz anderes Leben als wir führen. Wir wären so gerne wie die Anderen, betrachten uns kritisch im Spiegel, sind unsere größten Feinde.

“Geht es wirklich

Wir glauben, andere haben keine Probleme und Sor-

nur um Likes und Follower?

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gen. Wir sind so damit beschäftigt, uns zu vergleichen, dass wir bei all dem vergessen, uns selbst zu „liken“. Hier wird erst einmal deutlich, wie viele Menschen ihre Fotos durch den „Photoshop-Fleischwolf“ ziehen, weil sie sich so wie sie sind offenbar nicht schön genug finden.

ten Phasen. Wir sollten damit aufhören, uns mit anderen zu vergleichen. Und dann sollten wir noch im Hinterkopf behalten, dass es Massen an Bildbearbeitungsprogrammen wie Photoshop gibt. Auch wenn es auf Social Media den Anschein erweckt: KEIN Mensch ist perfekt!

“Wir sollten

So entsteht wohl ein Teufelskreis. Selbst in den Instagram-Storys, die nach 24 Stunden wieder verschwinden, werden auch von Personen mit größerer Reichweite Gesichts-Filter verwendet, oft mit der Begründung, müde, nicht gerichtet zu sein oder um Hautunreinheiten zu überdecken.

damit aufhören, uns mit anderen zu vergleichen.

Aber es gibt auch eine Gegenseite zum Perfektionswahn. Mit Hashtags wie #embraceyourflaws machen Instagram-Nutzer bewusst auf ihre Makel aufmerksam und setzen diese in Szene.

Und vielleicht ist es genau das, was wir für mehr Realität auf Instagram tun sollten: Uns selbst so annehmen wie wir sind! Und zu unseren „Fehlern“ stehen. Ein bisschen weniger Make-up und Retusche, für ein bisschen mehr Natürlichkeit. Das ist zwar ein Prozess, der nicht von heute auf morgen stattfindet, aber wir sollten es zumindest versuchen. Und dann kann es uns egal sein, wie „perfekt“ der Körper und das Leben anderer sind. Wir sollten uns bewusst machen, dass andere ebenfalls Probleme und Zweifel in sich tragen. Einige gehen damit eben offener um als andere. Schließlich postet keiner seine schlech-

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Infos und Jobs auf panama.de Da

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#howtoinsta A7

Du erinnerst dich bestimmt auch noch an deinen ersten Tag hier an der HdM. Du hast viele neue Leute kennengelernt und neue Eindrücke gesammelt. Vielleicht warst du auch gleich inspiriert von den unterschiedlichen Charakteren, oder den Projekten an der HdM. Die erste WhatsApp-Gruppe ist erstellt und dann folgte recht schnell die Frage: „Wie heißt du auf Insta?“ Das war für mich der Moment, zu passen. Ich war irgendwie noch aus der Generation Facebook; klar war mir Instagram ein Begriff, aber Erfahrungen hatte ich keine. Nach einiger Zeit habe ich mir die App dann doch heruntergeladen – man muss ja mit der Zeit gehen. Profilbild und Steckbrief sind schnell eingefügt und so habe ich mich auf die Suche nach meinen Kommilitonen gemacht. Was? Über 1.000 Follower? Selbst nachdem mir viele Freunde ebenfalls folgten, kam ich kaum über 150 hinaus. Was muss ich tun, damit auch mir Leute folgen? Definiert man sich nicht heute über die Anzahl der Follower? Gleichzeitig erzählt man mir, dass der Trend zurück zur Natürlichkeit ginge, aber die erfolgreichsten Influencer präsentieren alle die etwas überbelichtete Fake-Insta-Welt, in der man schonmal einen Sonntagsspaziergang mit High Heels auf dem Feldweg macht und dann dabei ganz zufällig dieses eine Bild entsteht.

Manche Accounts haben verständlicherweise viele Follower, aber bei anderen kann man nur den Kopf schütteln. Was mache ich denn dann falsch? Muss ich nun auch planen, wann ich welches Bild poste? Selbst die Alternativen und Querdenker sind auf den Instagram-Zug aufgesprungen. Wie soll ich mich dem entziehen? So erwische ich mich dabei, wie ich beim gemütlichen Zusammensein mit Freunden frage, ob sie nicht ein Bild für Instagram machen könnten. So ganz instagrammable scheine ich aber nicht zu sein, denn ich vergesse immer, mein Essen zu fotografieren und merke immer erst danach, dass es nicht nur lecker war, sondern auch echt stylish aussah. Vielleicht bin ich ja deswegen kein nationaler Influencer geworden. Eigentlich finde ich das aber auch ganz gut so. Besondere Momente halte ich fest; ob in Instagram Stories oder Fotos spielt für mich keine Rolle. Trotzdem genieße ich manchmal den Moment und erlebe ihn nicht erst später beim Anschauen meiner Story. Das finde ich eigentlich auch echt gut so. Vielleicht sollten wir alle ein bisschen aus dieser Insta-Welt ausbrechen und damit aufhören, uns allzu sehr von Likes und Followerzahlen beeindrucken zu lassen. Falls aber jemand ein #howto10.000follower-Tutorial kennt, dann bitte als Leserbrief einschicken. ;-)

“Definiert man

Schnell stößt man auf #likeforlike oder #likeforfollow und gewinnt ein paar Follower dazu, doch irgendwann scheint auch das nicht mehr zu funktionieren.

sich nicht heute über die Anzahl der Follower?

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Invisible prisons Enkainia Lee & Esther Vivienne Yeo The modern battlefield exists in the mind - we don’t see it, we can’t touch it, but it’s the very thing that entraps us even as we possess all means to break free. This series seeks to illustrate our invisible prisons as they truly are, toxic manifestations of our fears and anxieties that merely threaten us from the sidelines. In the end, hope always remains. All we can do - all we need to do - is persist. Forward, one bold step at a time toward the ever steadfast light.

Photography | Esther Vivienne Yeo Production Design | Enkainia Lee Assisted by | Christopher Müller Model | Mareike Riegert

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WANDEL die Lücken, die sich öffnen



Obst, Gemüse, Brot - Alles für die Tonne Luna Wolf

“Ein Verlust von

Hast du dich schon mal in der Obst- und Gemüseabteilung im Supermarkt umgeschaut? Glänzende, runde Äpfel, gerade Gurken, handflächengroße, perfekt gereifte Avocados, pralle Tomaten und knackige, große Salatköpfe. Beim Einkauf fällt auf - das Auge isst tatsächlich mit. Zumindest merke ich, wie es mein Kaufverhalten in der Lebensmittelabteilung beeinflusst. 
Denn obwohl ich weiß, dass die schiefe Gurke genauso gut schmeckt wie die gerade und dass der kleinere Salatkopf dem Großen in nichts nachsteht, erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich nach dem schönsten Produkt wühle.

143 Milliarden Euro.

Dabei wird mir in diesem Moment schon die Crème de la Crème der Früchte angeboten. Noch bevor das Obst und Gemüse nämlich überhaupt auf der Supermarkttheke gelandet ist, musste es durch eine strenge Kontrolle. Denn im Handel werden nur etwa 2/3 der produzierten genießbaren Lebensmittel angeboten. In Zahlen bedeutet dies Folgendes: Etwa 1.300.000.000 Tonnen werden jedes Jahr weltweit in den Müll geschmissen. Genießbar, lecker, gesund, nur einfach nicht der Norm entsprechend. Noch ein paar weitere Zahlen: Der Europäischen Kommission zufolge landen in der EU ganze 88.000.000 Tonnen in der Mülltonne. In Deutschland 55 Kilogramm im Jahr pro Person. Für die Wirtschaftler unter uns: Wir sprechen hier von einem Verlust von 143 Milliarden Euro. Und während wir uns regelmäßig mit Mengen

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an Lebensmitteln eindecken, Lustkäufe tätigen und zum großen Teil sogar unsere eigenen Einkäufe ihren Weg in die Tonne finden, hungern 821 Millionen Menschen. Also jeder zehnte Mensch. Und dann gibt es natürlich noch all die ökologischen Gesichtspunkte, unter denen betrachtet unser Umgang mit den weltlichen Ressourcen alles andere als in Ordnung und vertretbar ist. Ich denke, die Folgen sind weitestgehend bekannt - falls nicht, auch hier noch ein paar mehr Fakten: Da jedes Brot, jedes Stück Käse und besonders Fleisch einen enorm hohen Wasserbedarf während der Produktion hat, bedeutet das Wegschmeißen davon gleichzeitig Wasserverschwendung. Wirfst du einen Kilogramm Käse weg, kannst du genauso gut 34 Tage lang jeden Abend ein Vollbad genießen. Und einen CO2¬Fußabdruck haben nicht nur wir - jedes Produkt, dass wir im Supermarkt finden können, trägt seinen Teil zur CO2-Produktion bei. Und der ist oft nicht gerade gering. Pro Kilogramm Rindfleisch sind es etwas mehr als 13 Kilogramm CO2, die zum Klimawandel beitragen. Und ja, natürlich werden diese Emissionen auch verbraucht, wenn man Fleisch und Käse isst. Beim Wegwerfen hat nur leider nicht mal jemand was davon gehabt.

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Jetzt weißt du über die Faktenlage einigermaßen Bescheid. Ich habe mich mal umgeschaut, welche Möglichkeiten es gibt, Schritt für Schritt weniger Lebensmittel auf dem Gewissen zu haben. Und die Auswahl ist mittlerweile enorm. Überall wachsen Start-Ups aus dem Boden, die sich genau diesem Problem widmen und die Welt ein bisschen besser machen wollen. So auch „etepetete“, ein kleines Unternehmen aus München. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, Obst und Gemüse mit „Laufmaschen“ aus biologisch-nachhaltigem Anbau vor der Tonne zu retten und krumm gewachsene Gurken, dreibeinige Karotten und Co. eine, wenn auch kurze, Zukunft zu geben. Auch die App „Too Good To Go“ bietet eine fantastische Möglichkeit Lebensmittel vor dem Müll zu retten und gleichzeitig Geld zu sparen. Mit dem Prinzip vom Foodsharing kannst du sogar komplett kostenlos an genießbare Lebensmittel gelangen, die vom Supermarkt bereits für schlecht befunden wurden.

Und tatsächlich scheint sich auch in der Politik etwas zu tun. Wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft berichtet, planen die Vereinten Nationen die anfallenden Lebensmittelabfälle bis 2030 um die Hälfte zu verringern. Das EU-Projekt „Refresh“ untersucht innovative Ansätze zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen. In Frankreich ist es größeren Supermärkten verboten, genießbare Lebensmittel wegzuwerfen und auch Italien will es mit einer Gesetzesänderung versuchen. Im Endeffekt liegt es aber an jedem Einzelnen von uns. Also lasst uns gemeinsam aufhören zu verschwenden. Lasst uns gemeinsam achtsam und bewusst mit unserem Essen umgehen. Lasst uns gemeinsam zu Rettern von Laufmaschen in der Lebensmittelindustrie werden.

“ Obst und Gemüse mit ’Laufmaschen’

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Keine Laufmasche ohne Strumpfhose Tamara Todorovic

Wir tragen sie so oft und doch scheinen wir ihren Ursprung nicht zu kennen. Die ersten Anfänge Warum wurden Strumpfhosen überhaupt erfunden? Was war der Anlass dafür? Schon lange vor der Erfindung der Strumpfhosen wurden Kniestrümpfe getragen. Während Frauen ihre Beine komplett mit langen Kleidern bedeckten, wurden die Röcke der Männer immer kürzer. Das ging sogar so weit, dass sie für öffentliche Aufregung sorgten. Eine Mainzer Chronik von 1376 beklagte sogar: dass die Röcke “weder Schamteile noch Hintern bedecken”. Daher setzte es sich durch, die Strümpfe über das Gesäß zu ziehen und an der damals noch recht provisorischen Unterhose „anzunesteln“ – so wurde langsam ein einheitliches Kleidungsstück daraus. Allerdings dauerte aber nicht lange und sie verloren ihre Beliebtheit im 16. Jahrhundert wieder.

würde. Materialwechsel Doch von den uns bekannten Strumpfhosen waren diese noch weit entfernt. DenWeg zur Feinstrumpfhose ebnete die Erfindung der elastischen Chemiefasern Perlon der IG Farben in Deutschland (1938) und Nylon des US-Riesen DuPont (1939). Der 16. Mai 1939 geriet in den USA zum N-Day. Innerhalb von nur vier Tagen wurden vier Millionen Paar Nylons an eine gierige Frauenmasse verkauft. Ein paar Jahre später waren Nylons im vom Krieg zerstörten Deutschland als Parallelwährung genauso wertvoll wie Zigaretten.

Ein ewiges Hin und Her

Industriefertigung

Im 18. Jahrhundert feierten sie aber ihr Comeback als sogenannte Pantalons. Zunächst wieder als Herrenunterhose. Aber dann wurden sie im Zuge der sich in der Revolutionszeit wandelnden Mode,auch erstmals von Frauen getragen. Schon zur nächsten Jahrhundertwende war diese Mode jedoch wieder vorbei. Die Pantalons des späten 19. Jahrhunderts wurden zu fußlosen langen Unterhosen – ein Kleidungsstück, das man heute Leggins nennen

Ein Problem der industriellen Massenfertigung von Strumpfhosen indes war technisch noch nicht gelöst: die maschinelle Fertigung mit Zwickel. Das gelang erstmals 1959 der US-Firma Glen Raven mit ihrer „panty hose“. Der modische Siegeszug des Minirocks führte dazu, dass die auch am Unterleib blickdichte Strumpfhose die Strümpfe mit Haltern verdrängte. Allerdings wollten zu dieser Zeit immer weniger

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“Ein solches

Kleidungsstück wirkt auf die meisten Männer ausgesprochen abstoßend

Frauen Strumpfhosen mit Bein-Naht haben. Einst irgendwie verrucht, war die Naht plötzlich out. Die nahtlose Fertigung erforderte bei der Industrie eine teure Umstellung auf neue Maschinen.

Zur gleichen Zeit verabschiedete sich die Strumpfindustrie weitgehend von dem Wunsch, Strumpfhosen noch einmal in der Männermode etablieren zu können. Ein Gutachten des renommierten Herstellers Kunert kam 1959 zu dem Schluss: „Ein solches Kleidungsstück wirkt auf die meisten Männer ausgesprochen abstoßend.“ Allein die Vorstellung, ein Nachbar könnte so etwas an der Wäscheleine sehen, sei für Männer grauenhaft. Heutzutage Durch das vermehrte Tragen der Hosen hat die Strumpfhose wieder ihre früheren Verkaufszahlen verloren. Nichtsdestotrotz kann sie sich halten und ist aus dem Kleiderschrank der meisten Frauen nur schwer wegzudenken.

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Fleischproduktion das wohl leckerste leid aller zeiten Jessica Morlock Menschen essen Fleisch und das schon seit Anbeginn ihrer Zeit. Unser Fortschritt hatte ein enormes Nahrungswachstum zufolge. Heute müssen wir unser Essen nicht mehr jagen. Die einzige Fährte, der wir heute noch folgen, beschränkt sich auf die roten Reduziert-Schilder der Supermärkte. Dies hatte zur Folge, dass Fleisch zu etwas Abstraktem geworden ist. Wer denkt bei perfekt abgepackter Salami noch an die ganzen Gedärme, das Blut oder an die Schreie der Tiere? In den letzten Jahren wird immer mehr über den Fleischkonsum diskutiert. Omnivoren und Veganer debattieren, welche Ernährungsweise wohl die Bessere ist. Welche ist am besten für die Umwelt? Welche macht mich besonders schön und leistungsfähig? Welche ist teurer? Dabei wird eine Frage viel zu schnell abgehakt: Wie ergeht es den Tieren? Paul McCartney sagte einmal: „Wenn Schlachthäuser Glaswände hätten, würden alle Menschen vegetarisch leben.“ Dann reißen wir doch einmal die Mauern eines Schlachthauses nieder … Hühner – „Einmal Chicken-Nuggets zum Mitnehmen bitte!“ Hühner leben zu tausenden in riesigen Fabrikhäusern. Ein Huhn hat weniger Platz als die Fläche eines DINA4-Blatts. Es kann sich kaum bewegen, geschweige denn seinen Instinkten nachkommen. Normalerweise würden Hühner in einer Hierarchie leben, mit einem Hahn und einer Rangordnung. Da sie nur bis zu 100 andere Hühner gleichzeitig wahrnehmen können, verlieren sie in den riesigen

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Hallen die Orientierung über ihre Sozialstruktur. Schwache Vögel werden totgepickt und es kommt zu Kannibalismus und Selbstverstümmelung. Durch Überzüchtung wachsen die Hühner zu schnell. Sie bekommen kahle Stellen im Gefieder, ihre Knochen werden brüchig und sie können kaum laufen. Pro Tag legt ein Huhn in der Massentierhaltung 60 Gramm an Körpergewicht zu. Überträgt man diese Zahl auf den Menschen wäre dies eine Gewichtszunahme von fünf Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Eier, die nicht in den Verkauf gehen, werden in Brutkästen ausgebrütet. Die geschlüpften Küken werden auf Fließbänder geleert. Dort werden sie nach dem Geschlecht sortiert. Alle männlichen Küken sind für die Produktion nutzlos. Sie werden, kurz nachdem sie geschlüpft sind, geschreddert oder vergast. Die Tiere, die zur Schlachtung vorgesehen sind, werden kopfüber an ein Fließband gehängt. Das Band führt die Hühner zu einem Wasserbad, in dem sie mit einem Stromstoß von 50 bis 80 Volt betäubt werden sollen. Allerdings kommt es oft vor, dass Hühner gerade in diesen Moment den Kopf heben und somit keine Betäubung erfahren. Danach wird den Hühnern der Hals aufgeschnitten und sie verbluten. Den getöteten Tieren werden dann Federn, Kopf und Organe entfernt. Am Ende eines Hühnerlebens verbleiben ein paar goldbraune Streifen im Salat, von dessen Anblick sich wahrlich nicht auf die geschredderten Küken oder die selbstverstümmelten Hühner schließen lässt.

“Wenn Schlachthäuser Glaswände hätten, würden alle Menschen vegetarisch leben.”

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Rinder – „Lass morgen Abend grillen. Ich bringe Rindersteaks mit.“ Rinder leben in Freiheit, in Herden. Sie verfügen über starke soziale Fähigkeiten und verspüren Bedürfnisse nach Nähe, Spiel und Bewegung. Sie sind sogar wie wir Menschen in der Lage, zu weinen und untereinander lebenslange Freundschaften zu schließen. In der Massentierhaltung haben die Tiere keine Chance ihren natürlichen Verhaltensformen nachzugehen. Sie stehen in engen, dunklen Ställen. Milchkühe verbringen ihr Dasein damit, zwischen einer Futterquelle und einem Milchabpumpschlauch zu stehen. Genau wie Menschen, geben Kühe nur dann Milch, wenn sie ein Baby auf die Welt gebracht haben. Daher werden sie nach jeder Geburt wieder künstlich durch Samenmaschinen befruchtet. Ihre Kälber werden ihnen kurz nach der Geburt entrissen. Viele Kühe schreien dabei und versuchen ihrem Kalb nachzukommen. Vergebens. Die männlichen Kälber werden in Käfige gesperrt, die kaum größer sind, als das Kalb selbst. Dort verbringen sie ganze vier Monate, ihr komplettes Leben, bis sie zum Schlachthof gefahren werden.

dumpfes Geräusch. Es sollte danach bewusstlos sein. Zumindest wenn alles gut geht … Die Halsschlagader wird durchgeschnitten und das Tier blutet aus. Erst hier setzt der sichere Tod ein. Danach wird es weiterverarbeitet. Zerlegt, gereinigt, mit anderen Fleischsorten und Gewürzen vermischt und in eine anschauliche Form gepresst. Als Endprodukt sehen wir nicht das tote Tier, sondern eine perfekte Runde Scheibe Wurst. Schweine – „Ich nehme eine Salamipizza. Oder doch lieber mit Schinken?“ Die Muttersauen leben in engen Käfigen, in denen sie sich nicht bewegen oder aufstehen können. Oft werden die kleinen Ferkel von ihrer Mutter erdrückt, da es zu wenig Platz für alle gibt. Missgebildete oder zu kleine Ferkel werden durch Menschenhände solange gegen den Betonboden geschlagen, bis sie schließlich tot sind. 18 bis 20 Prozent der geborenen Ferkel schaffen es aufgrund dieser Totschlagmethode und den grausamen Haltungsbedingungen nicht einmal bis zum Schlachtalter. Die Muttersauen werden drei Jahre am Leben gelassen. Dann nimmt ihre Geburtenrate ab und es vermehrt zu Fehlgeburten kommt.

In Deutschland ist der Bolzenschuss die am häufigsten verwendete Form zur Tötung von Rindern. Die Tiere bekommen alle Geräusche und Gerüche des Schlachthauses mit. Kühe haben einen weitaus intensiveren Geruchssinn als Menschen. Sie erkennen andere Lebewesen anhand ihres Geruchs. Wie stark muss da der Geruch von literweise Blut wohl sein? Sie werden einzeln in kleine Schleusen getrieben. Das Tier spürt einen kräftigen Schlag und es ertönt ein

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In den großen Mastbetrieben leben die Schweine eng zusammengepfercht zwischen ihren eigenen Ausscheidungen. Schweine sind in Wirklichkeit sehr reinliche Tiere, die freiwillig nie dort schlafen würden, wo sie ihr Geschäft hinterlassen. Durch die scheußliche Haltung kommt es schnell zur Ausbreitung von Krankheiten. Daher wird den Tieren Antibiotika ins Futter gemischt. Es wird 40 mal mehr Antibiotika in der Tierhaltung verwendet als in Krankenhäusern. Bei der Schlachtung muss gespart werden. Daher werden viele Tiere auf einmal betäubt. In Gaskammern werden sie mit Kohlenstoffdioxid vergaßt. Hierbei dauert es seine Zeit bis die Tiere schließlich ihr Bewusstsein verlieren. Sie strecken ihre Schnauzen nach oben und versuchen Luft zu bekommen, schreien und zucken panisch. Danach wird ihnen die Halsschlagader durchgeschnitten und sie bluten aus. Dann sind sie tot. Es bleiben nur Sekunden, um den Hals aufzuschneiden. Fehler passieren täglich. Es gibt Schätzungen der Bundesregierung, die besagen, dass pro Tag ca. 800 Schweine ohne „ausreichende“ Betäubung sterben müssen. Nach der Tötung werden die Schweine gereinigt, die Innereien und Gliedmaßen entfernt. Am Ende erhält der Konsument sein rosiges, in sauber abgepackten Plastikschalen liegendes Fleisch. Dieses erinnert in keiner Weise an die totgeschlagenen Ferkel, die Vergasung oder das Ausbluten der manchmal noch lebenden Schweine.

alle drei Tage dieselbe Anzahl an Tieren – 70 Milliarden pro Jahr. 24 Tiere pro Sekunde, allein in Deutschland. Würden wir in derselben Geschwindigkeit Menschen anstatt Tiere töten, wären wir innerhalb von 41 Tagen alle tot. Die Produkte, die in den Supermärkten verkauft werden, sind so weit weg vom Lebewesen, dass wir als Verbraucher kaum eine Chance haben, das Leid und die Qualen wahrzunehmen. Unsere Köpfe sind voll mit eigenen Problemen und den Herausforderungen unseres Lebens. Wir haben keinen Hass gegenüber Tieren, wir verdammen sie lediglich durch unsere Gleichgültigkeit. Reden uns ein, dass es das Tier nicht stört, dass es nicht leiden musste und vergessen dabei, dass es ein eigenes Recht zu leben hat. Tiere werden nicht als Produkte geboren, sondern von uns zu welchen gemacht. Die Wahrheit ist: „Es gibt keinen guten Weg, jemanden zu töten, der leben will.“ Es sollte deshalb keine Diskussion über Lifestyle, Geld, Nährstoffe und Gesundheit sein, sondern eine Diskussion über Freiheit. Wir Menschen glauben seit jeher, dass wir das Recht haben, Macht auf diejenigen auszuüben, die wir für minderwertig halten. Dabei sollten wir damit beginnen, nicht nur respektvoll mit unseren Mitmenschen umzugehen, sondern auch mit allen anderen Lebewesen auf unserem Planeten.

“Es gibt keinen guten Weg, jemanden zu töten, der leben will.”

Gandhi sagte einmal: „Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt.“ Was sagt das über die Menschheit aus, schaut man einmal hinter die Wände unserer Schlachthäuser? Bis heute wurden 619 Millionen Menschen durch Kriege getötet. Wir töten

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Veganismus: Trend oder steckt was dahinter?! Julika Olpp

Früher wurde man oft krumm angeschaut, wenn man offen zur veganen Lebensweise stand. Heute ist der Veganismus weit verbreitet und findet großen Anklang. Doch wo befindet sich eigentlich dessen Ursprung? 1944 gründete der Engländer Donald Watson als eine Abspaltung der Vegetarian Society die Vegan Society. Watson leitete den Begriff des Vegetariers nicht wie viele andere, vom lateinischen, sondern vom englischen Begriff vegetable (dt.: Gemüse) ab. Hierbei entsprach es nicht seinem Verständnis, als Vegetarier Eier und Milch zu verzehren. Eigentlich logisch, oder? Diese sind ja auch kein Gemüse. Watsons Wortneuschöpfung vegan entstand schließlich durch die Verbindung von Anfang und Ende des Begriffs vegetarian. Heute ernähren sich laut des Vegetarierbundes 1,3 Millionen Menschen in Deutschland vegan. Seit 2008 verzeichnen pflanzliche Produktalternativen in Supermärkten ein Umsatzplus von jährlich rund 30 Prozent. Rechnet man alle pflanzlichen Brotaufstriche hinzu, dann ergibt sich laut der Gesellschaft für Konsumforschung eine Steigerung des Verkaufs pflanzlicher Fleischalternativen von 73 Prozent in den vergangenen fünf Jahren. Veganismus, also doch (nur) ein Trend? Für manche mag das so sein, doch Gründe für eine vegane Lebensweise sind vielfältig überzeugend!

Lisa, eine gute Freundin von mir und auch Studentin an der HdM, lebt nun seit einiger Zeit vegan. Sie hat mir ein paar Fragen rund ums Thema beantwortet! Was war für dich der Auslöser, auf vegane Ernährung umzusteigen? Lisa: Die 3 Hauptgründe für eine rein pflanzliche Ernährung sind Umweltschutz, Gesundheit und die Ethik.

Umweltschutz Vor zwei Jahren habe ich mich aus ethischen Gründen entschieden, vegetarisch zu essen. Dann habe ich die Dokumentation “Cowspiracy” auf Netflix gesehen. Wusstest du, dass die Tierzucht mehr Treibhausgase produziert als der weltweite Verkehr, einschließlich Flugzeugen und Frachtschiffen? Dass man für ein Kilogramm Rindfleisch 15 000 Liter Wasser benötigt? Bei einer rein pflanzlichen Ernährung würden wir nur 1/18 der Landflächen benötigen und könnten so deutlich mehr Menschen mit Essen versorgen! Durch all die Fakten wurde mir erst richtig bewusst, welche drastischen Auswirkungen unser Essverhalten für unseren Planeten hat. Die vegane Ernährung ist hierbei für mich die nachhaltigste Form.

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Gesundheit Der Konsum von tierischen Produkten (gesättigten Fettsäuren und Cholesterin) ist der Hauptauslöser für Herzkreislauferkrankungen und Diabetes. Des Weiteren wurde von der World Health Organization bestätigt, dass das Essen von verarbeitetem Fleisch krebserregend ist. Verarbeitetes Fleisch wie Salami, Hot Dogs und Speck müssen zusammen mit Asbest, Plutonium und Zigaretten in die Klasse 1 der krebserzeugenden Schadstoffe einsortiert werden. Verarbeitetes Fleisch zu essen, kann das Krebsrisiko um 18 Prozent erhöhen und das schon bei 50 Gramm am Tag. Auch die im Fleisch, der Milch und den Eiern enthaltenen Hormone und Antibiotika können nicht gesund sein!

Ethik Tierschutz war für mich der Grund auf Fleisch zu verzichten. Aber auch dafür, dass wir Milch und Eier bekommen, müssen Tiere sterben. Männliche Kälbchen werden ein paar Wochen nach der Geburt geschlachtet, da sie keine Milch geben. Wenn die Milchproduktion der Kühe nachlässt, so werden auch dieses geschlachtet. Dasselbe passiert mit Hühnern: Männliche Küken werden direkt nach dem Schlüpfen geschreddert- und das auch in Bio-Betrieben. Wenn die Legeleistung der Hühner sinkt, landen auch diese beim Schlachter! Selbst wenn man also auf Fleisch verzichtet, unterstützt man bei weiterem Kauf von Milch und Eiern dieselbe Industrie!

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“ Die

Entscheidung muss jeder für sich selbst treffen.

Was ist der Hauptgrund für dich, vegan zu leben? Lisa: Der ethische Aspekt. Ich könnte selbst kein Tier schlachten und möchte auch nicht, dass es jemand anderes für mich tut! Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass für ein paar Minuten Genuss und guten Geschmack ein Tier sein ganzes Leben lang leiden muss! Ich möchte nicht die Augen davor verschließen, was hinter den Türen von Mastbetrieben und Schlachthöfen passiert. War es anfangs schwer Ernährungsumstellung?

für

dich,

mit

der

Lisa: Ich habe schrittweise begonnen. Erstmal die Milch durch Hafermilch ersetzt. Dann kamen immer mehr vegane Produkte dazu. Durch viele Rezeptvideos auf YouTube habe ich gelernt, wie man problemlos Fleisch, Milchprodukte und Eier beim Kochen und Backen mit sogar noch gesünderen Alternativen ersetzten kann. In jedem Supermarkt gibt es mittlerweile viele Ersatzprodukte, auf die man anfangs zurückgreifen kann. Auch die meisten Restaurants bieten vegane Gerichte an.

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Was war besonders schwer?

Was ist für dich das Beste an der veganen Lebensweise?

Lisa: Ich denke am schwierigsten war es, meinem Umfeld, also Familie und Freunden, beizubringen, dass ich vieles, was sie mir anboten, nicht mehr essen möchte. Oft stößt man auf Unverständnis, oder sie fühlen sich sogar angegriffen. Ich möchte niemanden überzeugen oder ähnliches. Die Entscheidung muss jeder für sich selbst treffen. Aber ich finde es wichtig, dass man sich informiert und sich über die Auswirkungen des eigenen Handelns bewusst ist! Was sagst du zu Vorurteilen, wie zum Beispiel, dass es teurer und aufwändiger sei, vegan zu leben? Lisa: Ja, vegan zu leben kann teurer sein, wenn man sich ständig fancy Sachen wie teuren Fleischersatz und Mandelmus kauft. In der Regel ist der Einkauf aber deutlich günstiger, weil teure Produkte, wie Käse und Fleisch wegfallen und saisonales Gemüse oder Basics, wie Nudeln und Reis immer günstig sind! Wie ist das mit dem Vitamin B12? Kann man das nicht nur durch tierische Produkte zu sich nehmen? Lisa: Das Vitamin kommt nur in tierischen Produkten vor, weil es zu gefüttert wird. B12 wird nicht von den Tieren selbst produziert, sondern von Mikroorganismen, die im Boden leben. Man findet das Vitamin nur noch wenig in unserem Gemüse, weil heute alles viel steriler angebaut wird (Stichwort: Pestizide und Monokulturen). Ein B12-Mangel ist also vielmehr ein allgemeines Problem: Über 30 Prozent aller Menschen sind davon betroffen und nur 2 Prozent davon leben vegan. Ich lasse einfach das Tier dazwischen weg und nehme B12 selbst in Form von Supplementen.

Lisa: Endlich kommen wir zu den positiven Aspekten *lacht*. Ich fühle mich viel wohler mit dem, was ich esse. Ich habe mich viel mit Ernährung im Allgemeinen auseinandergesetzt und esse jetzt gesünder als je zuvor. Ich habe mehr Energie und kann mein Essen ohne schlechtes Gewissen genießen. Ich habe so viele neue, leckere Gerichte für mich entdeckt und gute Nahrungsmittel mehr schätzen gelernt! Was machst du, wenn du mal Lust auf Pizza hast? Lisa: Dann esse ich einfach Pizza! Entweder mit veganem Käse oder eben ohne. Schmeckt immer noch fantastisch (Studitipp: Bei Lidl gibt es sogar vegane Tiefkühlpizza). Was würdest du Leuten mitgeben, die sich für die vegane Lebensweise interessieren? Irgendwelche Tipps? Lisa: Nehmt euch Zeit und seid nicht zu streng mit euch selbst! Ihr könnt versuchen, erst einmal bei einer Mahlzeit am Tag die tierischen Produkte zu ersetzen – das Frühstück eignet sich super dazu! Befreit euch vom: „Also ich könnte das nie!“ und probiert es einfach mal aus. Veganismus für dich in einem Satz? Lisa: Kindness over ego.

“ Kindness over ego.

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POESIE Ramona Groß

“ Once you have accepted your flaws, no one can use them

I always find beauty

against you.

in things that are

~ George R. R. Martin

odd imperfect – they are much more interesting.

“ There is no need to be perfect

~Marc Jacobs

to inspire others. Let people get

“ Wenn wir dann alt sind und

inspired by how you deal with your imperfections.

unsere Tage knapp, und das wird

~ goodreads.com

sowieso passieren, dann erst werden wir kapieren, wir hatten nie was zu verlieren.

“ Lass mal an uns selber glauben,

~ Julia Engelmann

ist mir egal, ob das verrückt ist. ~ Julia Engelmann

May your heart always be kind even though the world out there could shatter you for being kind. It is kindness that makes you brave. ~ Najwa Zebian

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Love yourself, embrace your flaws and never let the opinion of others affect your self-confidence. You are enough! ~ Bethany Mota

“ If only our eyes saw souls instead Being happy doesn’t mean everything

of bodies, how different our

is perfect. It means you have decided to

ideals of beauty would be.

look beyond the imperfections.

~ lovethispic.com

~ pinterest.com

What we have to remember is that we can still do anything. We can change our minds. We can start over. The notion that it´s too late to do anything is comical. It´s hilarious. We can´t, we must not lose this sense of possibility because in the end, it´s all we have. ~ Marina Keegan

These mountains that you are carrying, you were only supposed to climb.

~ Najwa Zebian

It is not about being better than someone else. It is about being better than you used to be. ~ picturequotes.com

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Immer weiter, immer schneller, immer schöner? Wollen wir die perfekte Reise? Julia Gehringer Vor mir ein Meer aus Selfie-Sticks. Touristen, die in ihre Smartphone-Kameras strahlen. Ich stehe vor dem wohl bekanntesten Tempel auf Bali, Indonesien. Zum Sonnenuntergang soll es hier besonders schön sein, sagt man. Doch ich kann dem Ort nicht so viel abgewinnen. Zu voll. Zu viel. Es scheint, als wäre jeder einzelne in einer Parallelwelt auf der Suche nach dem einzigen perfekten Foto. Auf der Suche nach dem einzigen perfekten Moment, während man versucht den Strohhut mit einer Hand auf dem Kopf zu fixieren und das Smartphone in der anderen Hand so auszurichten, dass die gesamte Gruppe samt Tempel auf dem Foto zu sehen ist. Und ja, auch ich bin mittendrin und somit ein Teil der Touristenmasse, die sich über den steinigen Untergrund bis zum Tempel schlängelt. Wenn wir ehrlich sind, wollen wir alle keine blöden Touris sein, doch sind es trotzdem viel zu oft. Wir durchforsten das Internet oder Reiseführer nach den schönsten Orten und wundern uns dann später, dass auch schon andere auf die Idee gekommen sind. Wir ahnen also oft schon vorher, dass wir nicht die Einzigen sein werden, die vorhaben Balis bekanntesten Tempel bei Sonnenuntergang zu besuchen. Doch da sind die wunderschönen Bilder im Internet, die Erzählungen, die hohen Erwartungen an den Urlaubsort und uns selbst. Alles soll perfekt sein. Alles soll schön sein. „Wenn man schon mal hier ist, dann muss man das auch gesehen haben“, sagen wir uns oft.

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Schnell mal wegfliegen, schnell mal googeln, schnell mal an den vermeintlich schönsten Orten der Welt vorbeischauen, schnell ein Foto machen und weiter. Reisen ist so günstig und einfach wie nie zuvor und wir nutzen das im Übermaß. Städte wie Venedig, Amsterdam oder auch Barcelona haben längst mit den Folgen zu kämpfen. In Venedig müssen Besucher bald mit einem Eintrittsgeld rechnen. „Tourists go home“ liest man in Barcelona vielerorts an Hauswände gesprüht. Doch nicht nur Europa hat mit dem Massentourismus zu kämpfen. In Thailand schloss letztes Jahr der „Maya Bay“ auf der Insel Koh Phi Phi, da die Korallen durch die Touristen zu stark beschädigt wurden. Ruhepause für die Natur, die wir ja eigentlich so gern bestaunen wollen. Sehenswürdigkeiten aus aller Welt zeigen uns, wo es am schönsten ist – wir folgen. Doch wer sagt uns eigentlich was sehenswert ist? Im Fall des „Maya Bay“ in Thailand war es der Film „The Beach“ mit Leonardo DiCaprio, der im Jahr 2000 in den Kinos lief und danach tausende Menschen anzog. Dabei gibt es unzählige andere Strände in Thailand, die sehenswert und sogar fast unberührt sind. Doch es ist unlängst zum Statussymbol für viele Thailandurlauber geworden, ein Bild von kristallklarem Wasser und den typisch thailändischen Holzbooten am „Maya Bay“ zu posten.

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“Die schönsten Orte sind

doch sowieso immer die, abseits der bekannten Wege.

Auch das kulturelle Leben unserer Urlaubsziele ist oft nicht mehr das, was wir uns darunter vorstellen, sondern vielmehr das, was wir daraus machen. Wir wollen zwar eine authentische Kultur erleben, doch wo sollen diese Menschen leben, wenn sie von tausenden Touristen umzingelt sind? Wir erhoffen uns vielleicht, dass wir tief in die Kultur des Landes eintauchen können, doch oft ist es nur eine Fassade, die aufrecht erhalten wird, um eine große Einnahmequelle zu nutzen – den Tourismus. Wenn wir ein authentisches Erlebnis haben möchten, dann sollten wir mit Menschen sprechen, ihnen zuhören und auch Orte besuchen, die außerhalb der üblichen Routen liegen. Wir müssen uns mehr Zeit nehmen und uns auf Neues einlassen.

Vielleicht ist es die Angst, das Schönste zu verpassen, die uns antreibt. Das mag vielleicht der Grund sein, weshalb wir bereit sind 12 Tage auf einem Kreuzfahrtschiff zu verbringen, um einem Guide mit einem bunten in die Luft gestreckten Regenschirm durch die engen hitzigen Gassen Barcelonas zu folgen. Vielleicht ist es auch so, dass wir diese Bequemlichkeit und Sicherheit brauchen. Freiheit? Wozu denn, wenn wir es auch bequem haben können.

Es geht nicht darum das Reisen aufzugeben oder nie mehr in ein Flugzeug zu steigen. Jedoch sollten wir uns bewusst sein, welche Entscheidungen wir treffen und wie sich diese auf unsere Umwelt auswirken. Versteht mich nicht falsch. Es ist schön, dass wir reisen können und manchmal scheint es auch so, als wäre die ganze Welt unterwegs, um Neues zu erleben. Doch vielleicht sollten wir uns dabei weniger auf die Hotspots fokussieren, die uns vorgegeben werden, sondern eigene Erfahrungen machen. Vor allem sollten wir uns aber auf unsere Reise einlassen und uns nicht von dem Gefühl leiten lassen, dass wir etwas verpassen. Denn: Die perfekte Reise gibt es nicht!

Anstatt sich über Touristenmassen an den bekanntesten Hotspots aufzuregen, kann man sich ja auch einfach mal verfahren. So ganz aus versehen. Oder auch mit Absicht einen anderen Weg wählen, ein unbekannteres Restaurant ausprobieren, einen Strand besuchen, den man nur beim Vorbeifahren entdeckt hat. Wer weiß, an welchen Orten man dann landet. Die schönsten Orte sind doch sowieso immer die abseits der bekannten Wege. Vielleicht sollten wir uns auch alle von der Vorstellung befreien, dass immer alles perfekt sein muss. Muss es nicht! Und dann kommen die schönen Dinge auch ganz von alleine.

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Wie Trends unser Leben bestimmen Lorena Boß

Ich hebe meinen Blick. Er wandert von meiner Hand, die an dem kleinen Loch meiner Strumpfhose herumspielt, über meine abgetragenen Schuhe auf die Menschen, die in Eile an mir vorbei huschen. Eine Gruppe junger Frauen gerät in mein Blickfeld. Sie tragen alle dieselben hellen zerrissenen Jeans, als hätten sie sich abgesprochen. Fast wie ich und meine beste Freundin in der Grundschule. Ich bezweifle allerdings, dass jemand das mit 20 noch genauso macht. Das trägt man jetzt einfach so, zusammen mit zu kurzen T-Shirts. Mittlerweile sind diese Klamotten nicht einmal mehr im Trend. Der Großteil der Menschen, die heute an meinem Tisch am Café vorbeilaufen, trägt entweder zerrissene Hosen, MomJeans oder hat ihr Handy an einer Schnur um den Hals gebunden. Immer griffbereit, um schnell auf WhatsApp zu antworten, oder um in ihrer InstaStory den schönen Tag zu teilen. Eigentlich kaum vorstellbar, dass es mal eine Zeit ohne Social Media gab. Heute ist man ja schon eher komisch, wenn man überhaupt kein Social Media hat.

Ich schaue wieder an mir herunter. Mein Finger steckt immer noch in dem Loch in meiner Strumpfhose. Von da aus zeichnet sich bereits jetzt ein kleiner Pfad ab, der an meinem Bein herunterklettert. Ich weiß jetzt schon, dass meine Strumpfhose heute Abend mehr aus Loch, als aus Stoff bestehen wird. Mein Gesicht spiegelt sich in der bläulichen Sonnenbrille auf dem Tisch vor mir. Es ist ja nicht so, dass ich mich allen Trends entziehen würde. Irgendwann ist es einfach normal, weite Jeans anzuziehen – der Trend ist kein Trend mehr, sondern Norm. Ich erwische mich dabei, wie ich die Worte „Trend Definition“ in mein Handy tippe, das übrigens auch an einer Schnur um meinem Hals hängt. Auf meinem Bildschirm steht jetzt „erkennbare Richtung einer Entwicklung“. Ich wiederhole die Worte in meinem Kopf und denke wieder an meine Strumpfhose. Meine Laufmasche ist wie ein Trend. Ich weiß, wie sich das Loch ausbreiten wird, ohne, dass ich daran irgendetwas ändern könnte. Am Anfang ist das Loch nur ein Loch im gleichmäßig

“ Wie will man heutzutage ohne WhatsApp am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können?

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gewebten Stoff der Strumpfhose. Dann breitet sich das Loch aus und voilà: der Trend zieht sich durch unsere Gesellschaft. Er wird nach und nach zur Normalität. Egal, ob das gewisse Klamotten sind, eine Lebensweise oder bestimmte Einstellungen. Die meisten von uns richten ihr Leben nach den unterschiedlichsten Trends aus, manche ganz bewusst und manche unbewusst. Auf lange Sicht gesehen kann man sich diesen Entwicklungen nicht entziehen. Noch vor ein paar Jahren war man irgendwie komisch, wenn man kein Plastik mehr verbrauchen wollte oder in Second-Hand-Läden eingekauft hat. Heute ist das nichts Besonderes mehr. Die Industrie richtet sich nach Trends, verkauft bestimmte Klamotten und bietet plastikfreie Produkte an. Sie verkauft uns alles

Mögliche mithilfe von Trends. Irgendwann ist der Trend ein Selbstläufer, eine Laufmasche, und sie breitet sich immer weiter aus. Solange, bis irgendwo ein neues, kleines Loch entsteht. Ich nehme meine Hand von meinem Bein und schaue wieder in die Masse. Welche Menschen, welche Lebensweise und welche Ansichten und Verhaltensweisen ich wohl beobachten werde, wenn ich hier in fünf Jahren wieder sitze?

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GESELLSCHAFT die Lücken im System



Eine Gesellschaft ohne Laufmasche - yin und yang Xenia Stepanow

Korea hat in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Abgesehen von seinem skandalösen Nachbarn Nordkorea, ist das Außenbild Koreas vordergründig positiv. K-Pop-Gruppen schaffen es zum weltweiten Erfolg und die wirtschaftliche Lage der Halbinsel hat sich in den letzten Jahren stark verbessert. Das Land ist bekannt für seine lustigen Gimmicks, Schönheitsoperationen, die überdurchschnittlich intelligente Bevölkerung, deren Leistungsdrang und nicht zu vergessen Gangnam Style. Es fällt einem nur schwer, zu verstehen, wieso Südkorea die höchste Suizidrate weltweit besitzt. Irgendwie passen all diese Extreme nicht ganz zusammen. Wo ist die Laufmasche in einer so scheinbar heilen Welt? Lernen bis zum Umfallen. Kinder, die nachts 4 Stunden schlafen, schaffen es aufs College. Kinder, die 5 Stunden schlafen, nicht. So ist die Einstellung vieler Eltern in Südkorea, mit allen Mitteln ihr Kind an die Spitze zu bringen. Dazu wird das Kind an die beste Schule geschickt, mit streng getaktetem Stundenplan, hinzu kommt zusätzlicher Nachhilfeunterricht, manchmal sogar noch am späten Abend. Der Schlaf wird auf dem Weg zum Sportkurs nachgeholt. Bei vielen beginnt das straffe Programm bereits im Kindergartenalter. Es ist naheliegend, dass manche Koreaner in jungen Jahren an Depressionen leiden. Während in der westlichen Welt zunehmend über mentale Gesundheit gesprochen wird, wird dieses Thema in Korea stark verschwiegen. Aber wieso?

Schönheit als Belohnung. Wer gut lernt, wird nach dem Abschluss von den Eltern mit einer Schönheitsoperation belohnt. Beliebt sind vor allem Korrekturen im Gesicht, wie zum Beispiel die Entfernung von Schlupflidern. Der Schönheitswahn treibt die Kosmetikgeschäfte stark an, in denen man vor allem sogenannte „Whitening“-Produkte vorfindet, die versprechen, die Haut aufzuhellen. Während Europäer ins Solarium gehen, um eine schöne Bräune zu erhalten, verstecken sich die Asiaten vor der Sonne – für eine makellose, helle Haut. Auch wird sehr viel Wert auf eine schöne Figur gelegt. Die Koreaner liegen fast 10 kg unter dem deutschen Durchschnittsgewicht. Alles muss perfekt sein. Dennoch ist die koreanische Bevölkerung alles andere als oberflächlich. Das Kollektiv als höchstes Gut. Verhalte ich mich korrekt, dann ist die Familie in Harmonie, und somit auch das Dorf, die Provinz, das Reich und letztendlich befindet sich auch der ganze Kosmos in Harmonie. Konfuzianismus gehört neben dem Taoismus und Buddhismus zu einer der prägendsten Lehren des asiatischen Raums. Das Individuum handelt aus Ehre zu den Ahnen und für den Fortbestand der gesellschaftlichen Kultur. Durch die Einhaltung von Etiketten und Sitten wird versucht, die Kettenreaktion der Harmonie aufrechtzuerhalten. Das traditionelle Denken findet man auch in der Rollenverteilung vor. Das Ausbrechen aus Rollenbildern stößt hingegen eher auf Inakzeptanz.

“Das Schlimmste ist, wenn man sich selbst vergisst.” - Konfuzius

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Tischmanieren als Spiegel der Gesellschaft. Beim gemeinsamen Speisen in Korea wird deutlich, wie stark sich die asiatische Halbinsel vom Westen unterscheidet. Am Esstisch wird alles nach der hierarchischen Ordnung ausgerichtet. An der Spitze steht der Älteste oder der mit dem höchsten beruflichen Titel. Bei der Platzierung zu Tisch setzen sich die Jüngsten am nächsten zur Tür. Erst, wenn der Älteste Platz genommen hat und den Esslöffel in die Hand nimmt, dürfen die anderen folgen. Schnelles Essen wird nicht gern gesehen. Der Löffel soll erst dann wieder niedergelegt werden, wenn auch der Älteste den Teller verputzt hat. Und die wohl gewöhnungsbedürftigste Regel: Schenke dir nie selbst das Getränk ein! Die richtige Herangehensweise ist, das Glas deines Nachbarn aufzufüllen, woraufhin dieser dein Glas auffüllt. Was uns etwas unpraktisch erscheint, ist für die Koreaner die Verkörperung von traditionellen Gesellschaftsnormen. Ein unangenehmes Thema: Korea besitzt die höchste Suizidrate weltweit. 50 Menschen pro Tag – das sind mehr als doppelt so viele wie in Deutschland – begehen Selbstmord. Entgegen aller Erwartungen nehmen sich tatsächlich nicht die jungen Menschen, die dem Leistungsdruck nicht standhalten können, das Leben, sondern größtenteils die Älteren aus ländlichen Regionen. Die Eltern, die ihre Kinder für ein besseres Leben in die Stadt geschickt haben, in Altersarmut verfallen und ihren Kindern nicht zur Last fallen möchten. Gleisschutztüren und aufmunternde Zitate an Brückengeländern – die koreanische Regierung erkennt das Problem. Dennoch bleibt der entscheidende Schritt zur Akzeptanz mentaler Gesundheit noch aus. Es gilt immer noch als Tabuthema. Wie viele Deutsche aus den letzten Abi-Jahrgängen

sind nach Australien gereist? Wie viele haben sich erst spät für ein Studium entschieden? Und wie viele haben dieses abgebrochen? Es ist schon fast zu einer Seltenheit geworden, Menschen anzutreffen, die direkt nach dem Abi drei Jahre studiert haben, danach in ihren Beruf eingestiegen sind und mit der Familiengründung begonnen haben. Kennst du jemanden? Stattdessen versuchen wir, gegen den Strom zu schwimmen. „Selbstfindung“ wird immer mehr zum Thema. Der Gedanke an das Gemeinwohl kommt dabei eher weniger auf und der Wunsch nach Kindern hat bei uns auch nachgelassen. Tatsächlich haben die Koreaner ihren Lebensweg oft schon im jungen Alter durchgeplant oder ihnen wird dieser in die Wiege gelegt. Im Beruf geben sie alles und nehmen nur die Hälfte des ihnen zustehenden Urlaubs in Anspruch, um einerseits keine Unannehmlichkeiten durch die Abwesenheit zu verursachen, aber auch aus Angst davor, was die Kollegen darüber denken könnten. Wir leben wirklich in zwei verschiedenen Welten. „Das Schlimmste ist, wenn man sich selbst vergisst.“ - Konfuzius Wir können sehr viel von dem Konfuzianismus aus Korea lernen; deren starkes Verantwortungsbewusstsein, Bedacht auf das Gemeinwohl und die Wichtigkeit von Tradition. Die Koreaner können allerdings auch viel von uns lernen. Das Land zeigt, wohin die Extreme des Perfektionismus führen können und wie wichtig es ist, sich auch einmal von der Last, nur für das Kollektiv zu leben, zu befreien und auch den Laufmaschen des Lebens Beachtung zu schenken.

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Im Zug

Jessica Schiller

Sie saß im Zug und schaute aus dem Fenster. In ihren Ohren steckten weiße Kopfhörer, die sie kurz zuvor mühsam auseinander geknotet hatte. Den Rucksack hielt sie auf ihrem Schoß mit den Händen umklammert. Die Haare waren zu einem wüsten Knoten nach oben gebunden. Sie vergrub sich in ihrem viel zu großen, dicken Strickpullover, den sie sich statt einer Jacke übergezogen hatte und lehnte ihren Kopf gegen die Fensterscheibe. Als würde sie das alles von der Außenwelt abtrennen und sie, hinter einer Wand aus Glas, still die Welt beobachten.

Jemand tippte ihr auf die Schulter und ihr rutschte der Rucksack fast vom Schoß als sie vor Schreck zusammenzuckte. Sie fühlte sich wie aus einem tiefen Schlaf gerissen und blickte in ein Gesicht, dessen Lippen zu einem vorsichtigen, oberflächlichen Lächeln verzogen waren. Sie kannte diese Augen, die kantigen Gesichtszüge, die leicht zerzausten Haare am frühen Morgen und die Art und Weise, wie er sich auf den Platz gegenüber setzte. Aber das Lächeln, das war ihr fremd. Sie zog die Füße an.

Der Zug näherte sich dem Bahnhof, erst schnell, dann wurden die Bilder hinter der Scheibe langsamer und schließlich stoppte er mit einem leichten Ruck. Sie konnte die Gesichter der Menschen jetzt ganz genau sehen, sie beobachten, wie sie ein- und ausstiegen, die schweren Rucksäcke auf den Boden abstellten oder gerade wieder auf ihren müden Rücken hievten. Hinter ihrer Scheibe konnte sie erkennen, wie sich einige angeregt unterhielten und stellte sich die ermüdenden, alltäglichen Gespräche vor, die sie wohl führten. Andere saßen nebeneinander und schwiegen. Sie fragte sich, ob diese Menschen, die sich verstohlene Blicke zu warfen, nur Fremde waren oder vielleicht mehr hinter der trüben Fassade steckte. Reine Spekulationen. Manche standen auch einfach nur da, mit den Kopfhörern in den Ohren und in ihrer eigenen Welt und fühlten sich dabei wohl genauso unbeobachtet wie sie selbst.

Wie automatisch zwang sie sich ein Lächeln auf die Lippen. Ein oberflächliches Lächeln. Die Türen des Zuges piepsten ein paar Mal und schlossen sich dann. Die Menschenmassen verteilten sich im Zug, während dieser sich langsam wieder in Bewegung setzte. Sie wollte sich wieder ihrem Fenster zuwenden und den vorbeiziehenden Bildern, als sie die Bewegungen seiner Lippen wahrnahm. Sie zog den rechten Kopfhörer heraus und fragte: „Wie es mir geht?“ Er nickte. „Gut“ sagte sie trocken und stellte ihm aus Höflichkeit die gleiche Frage. Es war befremdlich. Er antwortete nicht direkt, schaute noch kurz aus dem Fenster, als müsse er die Antwort erst noch suchen. „Auch gut“ sagte er dann und sie hob kurz ihre Mundwinkel und nickte. Er nahm seine Tasche ebenfalls auf den Schoß. Es war immer noch die

“sind das heute wirklich wir?

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gleiche dunkle Sporttasche mit den aufgenähten Patches darauf, die sie damals gemeinsam ausgesucht hatten. Der Rest seiner Kleidung wirkte neu. Kein Wunder, denn es war schon eine Weile her, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Sie bemerkte, wie er sie ebenfalls von oben bis unten musterte. Suchte er auch nach etwas, dass ihn an früher erinnerte? Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke. Die Erinnerungen drängten sich wieder in ihren Kopf. Über die Jahre hatte sie ihm viel zu sagen gehabt, hatte sich Entschuldigungen, Anschuldigungen ausgedacht, war wütend, war traurig, vermisste und verzieh schließlich. Doch ausgesprochen hatte sie nie ein Wort. Sie stellte sich immer wieder vor, wie sie mit ihm sprach und ihn fragte wieso alles so gekommen war. Sind das heute wirklich wir? Und sie sagte wieder nichts. Sie wusste nicht, ob er die gleichen Gespräche in seinem Kopf führte, ihr genauso viel zu erzählen hatte und sich ständig fragte: Sind das wirklich wir? Er schwieg.

Die Leute um sie herum führten Gespräche, der Zug hielt an und Menschen strömten herein. Die Türen öffneten und schlossen sich mit dem gewohnten Piepsen. Sie schaute wieder aus dem Fenster und er tat es ihr gleich. Und für einen langen Augenblick sahen sie beide aus dem Fenster, als wären sie nur Fremde. Dabei waren sie doch einmal Freunde, die sich nur nichts mehr zu sagen hatten.

“Sie schwiegen beide.

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picture perfect? Ricarda Müterthies

Langes Sommerkleid, wehende Haare, unendliche Weite. Es dauert nur wenige Minuten und schon haben tausende Follower das Bild bereits geliked. Ein Foto aufgenommen auf einer Schaukel über satt grünen Baumwipfeln auf Bali. Die Ausstrahlung des Bilds ist beruhigend und abenteuerlich zugleich, perfekt posiert und ohne Makel. Millionen von Followern verfolgen gerne die Reiseziele ihrer Lieblings-Influencer auf Social Media. Sie sehnen sich nach den perfekten Orten, die auf den Bildern vermittelt werden. Doch ist wirklich alles so perfekt oder nur perfekt inszeniert? Sehen wir auf unserem Handy wirklich ein Stück der Welt oder eine retuschierte Ideal-Vorstellung? Reiseberichte sind spannend – es ist aufregend zu erfahren, wie die Welt dort draußen aussieht, erst recht, wenn man sie gerade nicht selbst bereisen kann. Bilder sagen bekanntlich mehr als tausend Worte. Doch auf Social Media wird meist ein verzerrter Eindruck vermittelt. Die Lebens- und Arbeitsweise der Influencer gestattet es ihnen, viel und exotisch zu reisen. Meistens sogar umsonst, da sich Vermarktungen und Promotion-Angebote damit verbinden lassen: Marken werden getragen, Veranstalter getestet. Verständlich also, dass für jemanden, der seinen Lebensunterhalt mit der Selbstdarstellung im Internet verdient, das perfekte Urlaubsfoto einen sehr hohen Stellenwert hat. Doch diese perfekten Fotos sind oft nur gestellte, nachbearbeitete Momentaufnahmen. Meistens

sind Photoshop, Filter und FaceTune im Spiel – der Himmel wird blauer gemacht, die Hand eines anderen Touristen im Bild entfernt. Der markierte Ort, der oberhalb des Posts angezeigt wird, kann in Wirklichkeit aber nicht retuschiert werden. Hinter der Fassade der Traumfotos herrschen in den bereisten Ländern teilweise Umstände, für die man nicht so schnell einen Daumen-hoch dalassen würde. Besonders Bali gehört im Moment zu den meistbereisten Zielen, wozu Influencer einen großen Beitrag geleistet haben. Doch gerade dieser Ort leidet sehr unter dem kultigen Massentourismus. Ist WANDERLUST es wert? Eine Reise nach Bali kann durchaus günstig ausfallen und sich deshalb auch für eine kurze Reisedauer „lohnen“ – allerdings um einen sehr viel höheren Preis. Die lange Reise ist umweltschädlich und bringt einen hohen CO2-Ausstoß mit sich. Und das auf einer Insel, auf der ohnehin noch vieles für den täglichen Bedarf importiert werden muss, besonders wenn die Influencer lieber eine Acai-Bowl essen als lokale Spezialitäten. Reisebloggerin Ute Kranz berichtet auf ihrem Blog „Bravebird” von den Unmengen an Plastikmüll, der besonders auf Bali

“ Die Wasserknappheit auf der Insel nimmt zudem zu.”

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direkt ins Meer gelangt und der Umwelt zu schaffen macht. Die Wasserknappheit auf der Insel nimmt zudem zu, da Trinkwasser in großen Mengen für Touristen gebraucht wird und die Wasserqualität für die Landwirtschaft sich verschlechtert. Doch dort, wo früher Landwirtschaft betrieben wurde, stehen heute ohnehin Hotels. Sobald ein Land viele Touristen anzieht, weckt dies bei den Einheimischen die Hoffnung auf eine neue Art von Einnahmequelle. Oft werden alte Berufe an den Nagel gehängt, um Hotels und Restaurants für die Touristen aufzumachen. Die Menschen werden von den Urlaubsgästen abhängig. Es wäre also schlecht, wenn sie ausbleiben würden, doch vielleicht kann nur dann die Natur sich wieder erholen. Was die Bilder der Influencer so exotisch und spannend macht, ist aber nicht das noble Restaurant, sondern vielmehr die schwimmenden Schweine auf den Bahamas oder der Giraffenhals, der sich durch das Fenster von Giraffe Manor in Nairobi über den Frühstückstisch streckt. Niedlich anzuschauen, doch vielleicht bald nicht mehr. Denn die Schweine sterben davon, dass sie für die Fotos geritten oder falsch gefüttert werden. Nicht selten begeben sich die Internet-Celebrities auf der Jagd nach dem perfekten Urlaub in so manche Zwickmühle: Die britische YouTuberin Elle Darby geriet mit dem Eigentümer des irischen Hotels „The White Moose Café“ aneinander, weil sie dort für etwas Publicity kostenlos mehrere Tage verbringen wollte.

Ein Hausverbot für alle Blogger war die Antwort des Dubliner Hoteliers. Doch manchmal wird es für die Influencer sogar gefährlich, wenn bei der Aufnahme eines perfekten Bildes Pannen und Unfälle passieren. Ein neuer Trend versucht diese nur scheinbar makellosen Momente etwas zu relativieren, indem die Social-Media-Stars behind the scenes ihrer Fotos posten – etwa mit Bildunterschriften wie #fail. Lustig, aber auch riskant, wenn plötzlich ein kleiner Hai mit auf dem Bild zu sehen ist, das eigentlich nur ein friedliches Foto im Wasser werden sollte. Influencer haben eine große Reichweite. Doch viele nutzen sie, um die Orte per Photoshop zu verschönern, anstatt die Welt wirklich zu verbessern. Sie fliegen um die Welt, posieren auf Privatyachten – mit Konsequenzen für die Umwelt. Wenn wir die Schönheit in Zukunft nicht nur auf alten Instagram Fotos sehen wollen, sondern die Orte vital erhalten möchten, müssen wir nachhaltigen Tourismus betreiben. Dieser macht es sich zur Aufgabe, die Integrität und Umwelt der Reiseziele zu wahren, ohne den Erlebniswert einzuschränken. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, sich auch im Urlaub um die Zukunft unseres Planeten Gedanken zu machen. Wenn sich eine Reise mit dem Flugzeug nicht vermeiden lässt, kann man selbst einen Ausgleich zur Luftverschmutzung schaffen, indem man bei myclimate oder ähnlichen Seiten eine Abgabe an Klimaschutzorganisationen bezahlt als Gegengewicht zum CO2-Ausstoß.

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Direktflüge sind zudem weniger belastend, da der meiste CO2-Ausstoß beim Starten und Landen entsteht. Auch im Urlaub kann man nachhaltig einkaufen: möglichst lokal und unverpackt, denn an den meisten Orten liegt schon genug Müll herum. Wenn man aber nicht selbst kochen möchte, unterstützt man mit einem Besuch in familiengeführten Restaurants die lokale Bevölkerung und hat voraussichtlich sogar eine frischere und traditionellere Küche als in der Bettenburg. Denn auch wenn ihre Bilder oft „fake“ sein mögen, Influencer spielen mittlerweile eine sehr große Rolle für das Marketing der Tourismus-Branche.

Sie profitiert von der Reichweite der Influencer, und einige Reiseveranstalter setzen die SocialMedia-Profis extra ein, um bestimmte Zielgruppen auf ihr Reiseangebot aufmerksam zu machen. Die Akteure hinter den grandiosen Insta-Posts haben einen großen Anteil daran, unsere Sehnsucht nach fremden Orten zu wecken und zum Reisen anzuregen. Wo Influencer sich eher auf ein perfektes Bild beschränken, versuchen Reise-Blogger die Orte realistischer darzustellen und hilfreiche Tipps für die nächste Reise zu geben. Doch Social Media zeigt uns immer nur einen Bruchteil der Realität. Wie die Welt wirklich aussieht, müssen wir eben doch mit eigenen Augen sehen.

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Hockey is for everyone? Franziska Schmock „Es ist ein Sport voller Machos.“ – so beschreibt Eishockeytorhüter Anders Nilsson seinen Sport. Der 29-Jährige spielt für die Ottawa Senators in der nordamerikanischen National Hockey League (NHL); der besten Liga der Welt. Dort zeigt er sich als einer der stärksten Fürsprecher für Inklusion im Profi-Eishockey, vor allem in Bezug auf die LGBTQGemeinschaft. Nilsson selbst ist glücklich verheiratet und Vater zweier Kinder. Dennoch ist es ihm wichtig, sich dafür einzusetzen, dass sich jeder im Sport willkommen fühlt. „Als ich aufgewachsen bin, gab es sicher viele, die mit dem Eishockey aufgehört haben, weil sie sich „anders“ gefühlt haben, obwohl sie das nicht waren.“, erklärt er im Interview mit Sportsnet. „Wenn du Eishockey spielen willst, dann tu es. Ich denke es ist sehr wichtig, diese Einstellung an junge Teenager und Kinder zu übertragen.“ Selbst im Jahr 2019 gehört Homosexualität im Profisport noch zu den Seltenheiten. Auch Andrea Barone musste feststellen, wie schwer es für ihn ist, sich mit seinem Sport Eishockey zu identifizieren. Der Kanadier ist 28 Jahre alt, Eishockey Schiedsrichter – und schwul. Er habe schon seit Jahren vergeblich versucht, etwas an der Inklusion seines Sports zu verändern, vergebens. Noch immer berichtet er über homophobe Sprache, die auf und neben dem Eis zum Alltag gehöre. „Als erstes habe ich auf eine Veränderung gehofft, aber sie kam nie. Dann habe ich für eine Veränderung gearbeitet, aber nichts ist passiert. Letztendlich habe ich versucht, Veränderung zu erzwingen, aber gemerkt, dass ich derjenige war, der sich verändern musste“, erklärt er der New York Times.

Doch ein wenig Veränderung haben die Kämpfer für mehr Inklusion auch in der NHL schon erreicht. Seit einigen Saisons gehört die sogenannte „You Can Play“-Initiative zu jeder Saison. Hierbei handelt es sich um eine Kampagne, die sich sportartenübergreifend für die Beseitigung der Homophobie einsetzt. Sie versuchen, unter anderem mit Themenabenden bei Eishockeyspielen Spenden zu sammeln und die Aufmerksamkeit für dieses sensible Thema zu wecken. Dennoch gestaltet es sich schwierig, eine alteingebürgerte Kultur, wie die in der National Hockey League, zu verändern, erklärt Kim Davis, die ausführende Vizepräsidentin des NHL. Für Veränderung brauche man Zeit und müsse schon beim Nachwuchs anfangen. „Hockey ist nicht für jeden“, stellt sie fest. „Die Liga hat über die Jahre eine Umgebung und eine Kultur geschaffen, die ihr Statement „Hockey is for Everyone“ nicht untermauert.“ Doch Davis will das verändern. „Ich verstehe, dass eine derartige Veränderung Zeit braucht und nicht über Nacht passieren kann. Aber wir müssen einfach weiter in die richtige Richtung gehen.“

“Es ist ein Sport voller Macos.”

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Ein chromosom zu viel Tamara Todorovic

Ein Einblick in das Leben von Familien mit einem Kind mit Down-Syndrom in Österreich.

Wie sieht der Alltag bei Ihnen aus?

Haben Sie im Voraus gewusst, dass Ihr Kind mit Down-Syndrom auf die Welt kommen wird?

Eigentlich ganz normal, wie bei jedem anderen Kind, außer, dass Josef mit seinen drei Jahren noch nicht gehen oder selbst essen kann. Wir haben aber jede Woche eine Frühförderin im Haus, die ihm spielerisch gewisse Fertigkeiten beibringt. Außerdem macht Josef jetzt eine Physiotherapie.

Nein, haben wir nicht. Wir wollten keine Pränataldiagnostik machen. Nach der Geburt hat mir der Arzt zu verstehen gegeben, dass mein Sohn Josef mit großer Wahrscheinlichkeit das Down-Syndrom hat. Meine erste Reaktion war: „Geht es ihm gut?“ Langsam begriff ich, was hier los war, aber ich war eigentlich nur froh, dass die Geburt vorbei war.

Im Alltag kann Josef sich wunderbar alleine beschäftigen, aber er freut sich am meisten, wenn man mit ihm Ball spielt. Am Vormittag ist es zu Hause recht ruhig. Am Nachmittag sind seine weiteren fünf Geschwister da, sodass es ganz schön rund geht. Er liebt das aber. Und er kann auch bei Lärm bestens einschlafen.

Wie hat Ihr persönliches Umfeld darauf reagiert?

Finden Sie die, Gesellschaft tut genug, um allen Menschen ein unbeschwertes Leben zu ermöglichen und sie zu inkludieren? Gibt es Bereiche, in denen es Verbesserungen braucht?

Familie 1 aus Tirol

Die Reaktion meiner Umfeldes war größtenteils sehr positiv und voller Mitgefühl, aber auch Mitleid war zu spüren, denn viele glaubten, ich hätte einen enormen Leidensweg vor mir (was aber überhaupt nicht stimmt). Anfangs glaubte ich, ich müsste jedem davon erzählen, aber dann erkannte ich, dass es um meinen Sohn selbst ging und nicht um seinen „Defekt“.

Im Großen und Ganzen sind die Menschen sehr offen, aber es bräuchte noch viel intensiveres Umdenken in der Gesellschaft: 1. Ein Kind mit Down-Syndrom ist kein Drama, sondern eine Freude. 2. Es mag hilfreich sein, zu wissen, dass man ein Down-Syndrom-Kind erwartet, um sich darauf einzustellen. Aber viel leichter ist es, sich auf so ein Kind einzustellen, wenn man es vor sich sieht. Dann muss man es einfach lieb-haben. Abgesehen davon erweisen sich die Pränataldiagnostiken oft als falsch. 3. Alle Menschen haben ein Recht auf Leben und auch auf Liebe egal, wie bedient sie sind. Viel hängt davon ab, wie wir ihnen begegnen – mit Liebe oder Ablehnung. Dazu ist es sicher von Vorteil, wenn man Familien mit beeinträchtigten Kindern persönlich kennt.

“Alle Menschen

haben ein Recht auf Leben und auch auf Liebe.

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Familie 2 aus Oberösterreich: Haben Sie im Voraus gewusst, dass Ihr Kind mit Down-Syndrom auf die Welt kommen wird?

4. Dann ist es auch wichtig, dass die Menschen darüber aufgeklärt werden, dass beeinträchtigte Kinder viel mehr mitbekommen und auch viel mehr können, als wir meinen. Und dass nicht viel dazugehört, um mit beeinträchtigten Menschen richtig umzugehen – nämlich einfach mit Annahme – so wie sie sind und mit Respekt. Aber brauchen wir das nicht alle? Gibt es sonst noch etwas, das Sie unseren Lesern gerne mitteilen würden? Es ist ein enormes Geschenk, ein Down-SyndromKind zu haben. Josef ist so ein Kuschelkind. Und die meiste Zeit ist er wirklich gut aufgelegt. Für uns als Familie ist er wirklich wie ein Sahnehäubchen oder Balsam. Wenn einmal jemand schlecht drauf ist, ist Josef der beste Ausgleich. Jeden, der weiß, dass er ein Down-Syndrom-Baby erwartet, kann ich nur beglückwünschen.

Ja, bei einem, von der Frauenärztin angeordneten Organscreening, wurden ein Herzfehler und ein Darmverschluss im 6. Schwangerschaftsmonat festgestellt. Uns wurde gesagt, dass unser Kind mit hoher Wahrscheinlichkeit das Down-Syndrom hat. Da wir beide gläubig sind, kam für uns eine Abtreibung nicht in Frage. Wir haben gesagt, dass wir unser Kind so nehmen, wie es ist. Deshalb wollten wir auch keine Pränataldiagnostik machen. Wie war eure Reaktion, als ihr es erfahren habt? Im ersten Moment geschockt und traurig. Unser größter Schock war es, zu erfahren, dass das Kind einen Herzfehler hat und im ersten Lebensjahr operiert werden muss. Das mit dem Down-Syndrom kam auch hinzu, da wir nicht wussten, was auf uns zukommt. Wie hat Ihr persönliches Umfeld darauf reagiert? Hattet ihr Unterstützung? Der untersuchende Arzt hat gesagt: “Ja, tut mir leid”. Von ihm hatten wir keine mitfühlende Unterstützung erhalten und wir hatten das Gefühl, als ob er uns im Arztbericht sogar leicht vorgeworfen hat, dass wir nicht abgetrieben haben. Meine Eltern (der Mutter) waren sehr schockiert, da sie bei dem Wort “Behinderung” eine Art Vorstellung davon bekamen, dass das Kind lebenslang hilflos ist und sich nicht artikulieren kann.

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“Und so weiß man im Voraus nicht, was alles auf einen zukommt.

Und meine Familie (des Vaters) war etwas weniger erschüttert, da sie in medizinischen Berufen arbeiten, Hebammen und Ärzte sind und weniger Berührungsängste haben.

Distanz oder Unsicherheit ist vor allem durch die Herzkrankheit von Lara hervorgerufen worden. Deshalb war es am Anfang sehr schwer einen Babysitter im Bekanntenkreis zu finden.

Man weiß ja zu dem Zeitpunkt noch nicht, wie stark die Ausprägung beim Down-Syndrom sein wird. Es gibt Down-Syndrom mit Autismus, Kinder, die bis zum 18. Lebensjahr nur 10 Wörter sprechen. DownSyndrom-Kinder sind ja nicht immer nur lieb und den ganzen Tag fröhlich, sondern sie haben durch die Entwicklungsverzögerung Mitteilungsprobleme, die sich auch manchmal in Aggressivität und Trotz ausdrücken. Und so weiß man im Voraus nicht, was alles auf einen zukommt. Wir haben es mit unserer Tochter sehr glücklich erwischt, da sie sehr intelligent ist und ganz toll spricht.

Als Lara älter wurde war es leichter, weil unsere Tochter offen auf andere zugeht. Dabei ist sie sehr fröhlich und strahlend, so gewinnt sie schnell die Herzen der Leute für sich.

Wie hat sich die Reaktion des Umfeldes nach der Geburt verändert? Gab es dann mehr Unterstützung? Ihre Tochter ist ja inzwischen 4 1/2 Jahre alt.

Wie haben Gleichaltrige reagiert? Wie war es für das Kind, in den Kindergarten zu kommen? Unsere Tochter ist in den Kindergarten reinmarschiert und hat gleich “Hi” gesagt; für sie war es ganz normal. Die anderen Kinder haben alle sehr positiv reagiert und haben sie sehr ins Herz geschlossen. Es gibt einen Jungen, der nicht viel älter ist als sie und auch das Down-Syndrom hat. Die Klasse hat auch generell vier Integrationskinder und 20 andere Kinder. Wie sieht der Alltag bei Ihnen aus?

Bei meiner Mutter (der Mutter) ist es schnell gegangen, dass sie Lara annehmen und lieben konnte, bei meinem Vater hat es etwas länger gedauert.

Aufstehen, Tochter fertig machen, ihr die Medikamente getarnt in Schokoladenpudding geben. Dann gemeinsam zum Kindergarten fahren. Zur Arbeit gehen. Um 14 Uhr holen wir Lara ab. Am Nachmittag lesen wir ihr häufig Kinderbücher vor. Sie liebt Bücher und setzt sich häufig alleine hin und schaut sich die Bilder an. Furchtbar gerne hilft sie im Haushalt. Wäsche in die Waschmaschine geben, putzen und beim Kochen dabei sein. Ansonsten spielt sie auch gerne alleine z.B: Rollenspiele mit Puppen, Kindertisch decken und Puzzlen. Nach dem gemeinsamen Abendessen wird gebadet. Dann darf sie 45 Minuten lang fernsehen. Am Ende des Tages geht sie problemlos ins Bett (natürlich mit einer Gute-Nacht-Geschichte).

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Finden Sie, die Gesellschaft tut genug, um allen Menschen ein unbeschwertes Leben zu ermöglichen und sie zu inkludieren? Gibt es Bereiche, in denen es Verbesserungen braucht? Wir haben viel Unterstützung gekriegt. Die Kinderärzte haben uns sehr geholfen und es gibt gute finanzielle Hilfe, wie z. B. keine Steuern fürs Auto, doppeltes Kindergeld, etc. Kindergartenplätze und integrative Schulkonzepte und Schulbusse, die sie abholen, wenn sie nicht alleine zur Schule gehen kann. Ich habe schon von Fällen gehört, in denen die Eltern sehr erschöpft davon waren, weil sie ein Kind mit Behinderung hatten. Deswegen denke ich, dass es auch darauf ankommt, wie man selbst damit umgeht. Wir selbst sind recht locker. Unser Lebensweg war auch nicht immer ganz einfach und wir haben im Leben viel durchgemacht. Wir müssen niemandem mehr etwas beweisen und haben gelernt Verständnis zu haben. Und deshalb sehen wir das alles etwas entspannter und denken unsere Tochter passt genau zu uns, vielleicht sind wir auch ja ein bisschen verrückt im positiven Sinne. Da wir das alles locker sehen, stört es uns auch nicht, wenn wir durch die Straßen gehen und sie fremde Menschen begrüßt. Ich mag es aber nicht Menschen auf ihr DownSyndrom zu reduzieren und sie somit zu kategorisieren. Damit stigmatisiert man sie auch zum Stück. Es nervt mich zum Beispiel, wenn die Leute über einen Maler sagen: “Der hat ja das Down-Syndrom und kann sogar malen”, oder über eine Schauspielerin: “Sie hat Down-Syndrom und steht sogar auf der Bühne”. Menschen haben eben verschiedene Begabungen und es ist schlimm, dass das Down-Syndrom immer durch die Brille gesehen wird. Das ist schade. Das Selbstverständnis wäre die wahre Inklusion.

Gibt es sonst noch etwas, das Sie unseren Lesern gerne mitteilen würden? Falls jemand schwanger wird und auch ein DownSyndrom-Kind kriegt: “Es ist wirklich nicht so schlimm. Es gibt ein Plakat über Down-SyndromKinder mit der Aufschrift: “Unterschätz mich nicht” und es stimmt wirklich! Man soll die Kinder einfach nicht unterschätzen, denn sie sind manchmal anders, manchmal lebenskluger und auf jeden Fall viel fröhlicher und glücklicher als wir. Ich denke in einer Welt, in der so viel Selbstoptimierung angestrebt wird, ist es sogar ein Geschenk ein Kind zu haben, welches nicht nach diesem Prinzip lebt. Wir fördern sie, aber nicht mit aller Macht, sondern dort, wo wir denken, dass es was bringt und sie auch Freude dabei hat. Und der tiefste Wunsch, den wir haben, ist, dass unsere Tochter eine glückliche Kindheit hat. Nicht dass sie die Leitern der Intelligenz und des Erfolges beschreiten muss. Und dann kann das Leben mit Down-Syndrom wirklich eine wahnsinnig schöne Sache sein.

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Bezahlte Pränataldiagnostik in der Debatte Ingrid Bonfert

Derzeit wird in Deutschland darüber diskutiert, ob vorgeburtliche Bluttests zur Kassenleistung werden sollen. Im Spätsommer dieses Jahres entscheidet der gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten und Krankenkassen, ob nichtinvasive Pränataltests zur Chromosomenabweichung Kassenleistung werden. Bisher ist lediglich die invasive Methode der Fruchtwasseruntersuchung in bestimmten Fällen eine von den Krankenkassen getragene Vorsorgeuntersuchung: Bei Risikoschwangerschaften (die Schwangere ist 35 Jahre alt oder älter), wenn Erbkrankheiten in der Familie vorliegen oder wenn es bereits Komplikationen in vorherigen Schwangerschaften gab und der Frauenarzt zur Fruchtwasseruntersuchung rät, übernehmen die Krankenkassen die Kosten dieser Untersuchung. Allerdings birgt die invasive Fruchtwasseruntersuchung mehr Risiken als der nicht invasive Bluttest (welcher bis jetzt von den Schwangeren selbst finanziert werden muss): Das Risiko nach der Fruchtwasseruntersuchung, eine Fehlgeburt zu erleiden, beträgt 0,5 bis 1 Prozent. Außerdem kann es in seltenen Fällen zu Fruchtwasserverlust, vaginalen Blutungen oder Infektionen in Folge der Untersuchung kommen. Im Gegensatz zum Bluttest ist sie also risikoreicher, erlaubt aber eine umfangreichere Diagnostik und eine Feinstrukturanalyse.

Die Folgen der Diagnose DownSyndrom in der Schwangerschaft Doch was passiert, wenn werdende Eltern tatsächlich die Diagnose bekommen, dass ihr ungeborenes Kind Down-Syndrom oder eine andere Behinderung hat? Bereits heute entscheiden sich 9 von 10 Schwangeren dazu, ein Kind mit Down-Syndrom abzutreiben. In der Debatte darüber, ob der Bluttest zur Kassenleistung wird oder nicht, geht es also nicht nur darum, wer ihn zahlt. Es ist eine ethische Frage darüber, ob Menschen mit Down-Syndrom (oder anderen Behinderungen) in unserer Gesellschaft willkommen sind. Kritiker argumentieren, der Test diene zur Selektion. Befürworter des Bluttests als Kassenleistung betonen, dass die Chance auf einen risikolosen Bluttest jeder Schwangeren zustehen müsse und nicht vom Geldbeutel abhängig sein dürfe. Außerdem sei es schwer vermittelbar, dass die risikoreichere Fruchtwasseruntersuchung Kassenleistung sei, aber ein besserer, risikoloser Bluttest den Schwangeren von den Kassen vorenthalten würde. Einige Befürworter des Bluttests als Kassenleistung, darunter die evangelische Kirche, fügen aber hinzu, dass der Bluttest mit der Bedingung verknüpft sein müsse, dass Schwangere eine psychosoziale Beratung mit dem Ziel des Lebensschutzes bekämen.

Der in Deutschland seit 2012 zugelassene Bluttest gibt Auskunft darüber, ob der Embryo von einer Trisomie 13, 18 oder 21 oder von Abweichungen der Geschlechtschromosomen betroffen ist. Bisher müssen Schwangere, welche den Bluttest durchführen lassen, die Kosten von 150-300 Euro (je nach Anbieter) selbst tragen.

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Eine Entscheidung, die das ganze Leben verändern kann Denn die Feststellung einer Behinderung bei einem ungeborenen Kind stellt die werdenden Eltern vor eine überaus schwierige Entscheidung: Sie müssen sich die Frage stellen, ob sie sich den Anforderungen, die ein Leben mit einem behinderten Kind mit sich bringt, stellen möchten und können. Es geht um Verantwortung, aber es ist auch eine Gewissensfrage. Auch wenn es immer mehr Angebote zur Inklusion

gibt und das Leben eines behinderten Kindes lohnenswert und erfüllend sein kann muss den Eltern bewusst sein, dass sie durch die Entscheidung für ein Kind mit Down-Syndrom vor große Herausforderungen gestellt werden. Aber egal, wie die Entscheidung im Spätsommer ausfallen wird, eines ist jetzt schon erreicht: Die Debatte über den Platz von Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft ist in vollem Gange.

Empfängnis Entscheidung über den Einsatz von Pränataldiagnostik

1.Trimenon

nein

ja

1. Ultraschall (10. SSW)

2.Trimenon 2. Ultraschall (20. SSW)

・Ultraschall ・Serum (z.B. Triple-Test) ・Chorionzottenbiopsie ・Amniozentese ・Plazentapunktion

Spezielle Diagnostik

3.Trimenon

3. Ultraschall (30. SSW)

Geburt

・Ultraschall ・Fetoskopie ・Kordozentese ・...

Schwangerschaftsabbruch

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Endstation Profifußball Warum Schiedsrichter Babak Rafati versuchte, sich das Leben zu nehmen Franziska Schmock Profisport ist unweigerlich mit hohem Druck und einer sehr hohen medialen Aufmerksamkeit verbunden. Dass Sportler oft auch mental ihre Grenzen erreichen, wurde spätestens seit dem Suizid des damaligen Bundesliga-Torhüters Robert Enke allen klar. Dieser litt schon seit Jahren an schweren Depressionen. Doch nicht nur die Sportler selbst müssen unglaublichem mentalen Druck durch Medien, Öffentlichkeit und Fans standhalten, auch viele Schiedsrichter erleiden dieses Schicksal. „Fußball ist ein Geschäft, das Menschen verbrennt. Jeder darf einen Fehler machen – nur du nicht, Babak“, zitiert der ehemalige deutsche Fußballschiedsrichter Babak Rafati seinen Chef. An einem Samstag im November 2011, einem ganz normalen BundesligaSpieltag, versuchte Rafati, sich das Leben zu nehmen. Seine Assistenten hatten ihn noch rechtzeitig in seinem Hotel auffinden können, nachdem er nicht im Stadion erschienen war – sie retteten ihm das Leben. Rafati war DFB- und FIFA-Schiedsrichter, pfiff Partien auf höchstem Niveau und mit riesiger medialer Aufmerksamkeit. „Es ist ein Rausch, ein Stadion zu erleben, das von den Rufen der über 50.000 Fans zu vibrieren scheint“, beschreibt der ehemalige Schiedsrichter das Gefühl, sich im Mittelpunkt des Geschehens zu befinden. Er beschreibt es als Sucht, eine gefährliche Sucht.

Babak Rafati „Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete“ Taschenbuch, 2014, ISBN: 3442158060 ≈ 10€

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Dabei seien nicht der Fußball und auch nicht die Fans, die ihn in der Sportzeitschrift Kicker viermal hintereinander zum schlechtesten Schiedsrichter der Bundesliga wählten, die Auslöser für seine schweren Depressionen gewesen. Er selbst erklärt, dass es vor allem die Einstellung und der schlechte Führungsstil seiner Vorgesetzten waren. „Vor versammelter Mannschaft wurde ich verbal geschlachtet: “Das ist nicht bundesligatauglich!” Das hat mich furchtbar verletzt. Ich sperrte mich in der Pause auf dem Klo ein, um mich nicht den Fragen der Kollegen zu stellen. (…) Das ist mieser Führungsstil. Und trotzdem liegt die alleinige Schuld natürlich nicht bei meinen Vorgesetzten“, erzählte er im Interview mit dem Spiegel. Heute sieht er, dass auch sein eigener Ehrgeiz und sein Selbstbild stark zu seiner Krise beigetragen haben. Er habe sich von seinen Vorgesetzen und deren Kritik zu sehr aus der Bahn werfen lassen. Ihm habe die Souveränität im Umgang mit sich selbst und mit dem Fehlverhalten anderer gefehlt. Mittlerweile geht es Rafati hervorragend, wie er selbst sagt. Seine eigene Geschichte habe er aufgearbeitet. Der ehemalige Schiedsrichter ist nun als Redner und Motivationscoach bei Unternehmen tätig und freut sich, dass er seine eigenen Erfahrungen nutzen kann, um Menschen beim Umgang mit Stress und Leistungsdruck zu helfen. Die Bundesliga habe aus seinem Fall wenig gelernt, kritisiert er. Es habe sich nichts im Umgang mit den Schiedsrichtern verändert. „Leider ist die interne Kommunikation noch immer so katastrophal wie damals“, beschreibt er gegenüber dem Spiegel. „Ich kenne viele aktuelle Schiedsrichter, die Hilfe von Psychologen in Anspruch nehmen, weil sie sonst mit der Situation nicht klarkommen. Was natürlich sehr traurig ist.“

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Ich mag dich so, wie ich dich will Wie die neuesten Forschungsergebnisse über die Genschere aus China für Debatten sorgen. Tamara Todorovic Von Züchtung, zu GMO zur Genschere Crispr/Cas9 Es gibt schon seit längerer Zeit Diskussionen, wie weit die Forschung gehen sollte: Sind kleingezüchtete Hunde süß oder sollte man bedenken, dass die Wahrscheinlichkeit bei kleinen Hunden für Augenprobleme höher ist? Wird genmodifizierte Nahrung den Welthunger besiegen oder wird sie nur neue Gesundheitsprobleme mit sich bringen? Fragen, über die wir schon lange diskutieren, nun kommt jedoch die genetische Veränderung von Menschen hinzu. Das Ziel ist es, mittels des Herausschneidens bestimmter Gene Krankheiten vorzubeugen und Menschen gegen Vieles resistent zu machen. In China wurde zum Beispiel die DNA zweier Zwillingsmädchen genetisch so verändert, dass sie kein HIV bekommen können. Internationale Forscher kritisieren, dass die Wissenschaft in diesem Bereich noch nicht so weit ist an Menschen zu forschen und es immer hohe Risiken birgt, viele wichtige Gene zu zerstören und neue Krankheiten auszulösen.

Talenten. Es könnte dazu führen, dass unbeliebte, aber für die Gesellschaft wichtige Berufe aussterben könnten. Würden diese ‚Supermenschen’ genetisch zu ihrem eigenen Vorteil oder zum Vorteil gewisser Interessengruppen verändert werden? Es herrscht bereits jetzt viel Druck auf Frauen, die Kinder mit einer Behinderung austragen. Deswegen fürchten viele Menschen, dass der Druck auf Natürlichkeit steigen könnte, wenn die Möglichkeiten, ‚Fehler’ korrigieren zu können, optimiert werden würden. Und vor allem: Ist Perfektion wirklich das, was wir wollen? Wie weit werden wir gehen und wo ziehen wir die Grenzen? Ist es möglich, diese Technik nur für Krankheiten zu verwenden oder wird die Wirtschaft auch daraus ein Geschäftsmodell machen?

Designerbabys

Keine genauen Angaben

Hinzu kommt das Problem, dass gerade die chinesische Regierung für ihren Leistungsdruck und auch für hohe Abtreibungszahlen von weiblichen Föten bekannt sei. Somit herrscht eine große Skepsis, ob die Technik der Genschere nur gegen Krankheiten verwendet werden würde oder auch gegen alle anderen ‚unerwünschten Eigenschaften’. Auch bei genauerer Forschung und weniger Risiko, bleibt das Problem, dass die Menschen ihre Kinder designen könnten. Eine bestimmte Augenfarbe, Haarfarbe, höhere Intelligenz und Muskelkraft erscheinen dann nicht mehr unmöglich. Dies könnte verheerende Wirkungen auf den Arbeitsmarkt haben und die natürliche Ordnung zerstören. Es gäbe weniger Vielfalt an zufällig vorkommenden

Zu den Versuchen in China gibt es keine genauen Angaben. Niemand weiß, wie es den Babys dort geht und wie sie sich entwickeln werden. Alles ist noch sehr verdeckt und weckt somit noch mehr Skepsis. Und selbst wenn es gelungen ist, das Gen mit der Krankheit herauszuschneiden, stellt sich die Frage: Wird es Nebeneffekte geben? Diese sind noch nicht vorauszusehen. Jedoch haben Tests an Zellen in Laboren gezeigt, dass bei Crispr häufig Mutationen auftreten und diese noch mehr Probleme als die eigentliche Krankheit hervorrufen können. Somit bleibt uns im Moment nichts anderes übrig als zu warten und zu hoffen, dass es den Neugeborenen in China gut gehen wird.

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bitte: Schön

Wie Schönheitsideale uns und die Gesellschaft beeinflussen Ricarda Müterthies Sommersprossen zieren ihr Gesicht, aber nicht wie gewöhnlich ein paar kleine Sprenkel um die Nase. Die Sommersprossen machen ihr Gesicht zu etwas ganz Außergewöhnlichem – und das mit Erfolg. Die 18-jährige Angie Tutlewski aus Göppingen ist Model bei der Stuttgarter Agentur Brodybookings. Seit vergangenem Frühjahr holen Kunden besonders für Beauty-Shootings ihr außergewöhnliches Gesicht vor die Kamera. Denn aussehen wie Jeder war gestern – mit Schönheitsidealen brechen und Andersartigkeit zum Markenzeichen machen, heißt die Devise. Seit Jahrtausenden definieren Schönheitsideale die Modewelt. Einige wenige Menschen setzen einen Trend als Idealbild fest und leiten damit eine ganze Ära an Schönheitsvorstellungen ein, denen bis in die Extreme hinein nachgeeifert wird. Im Rokoko, 1720 bis 1770, war es beispielsweise das Ideal der vornehmen Männer und Frauen, ihre Haut

möglichst blass erscheinen zu lassen. Braungebrannte Haut wurde mit Arbeitern in Verbindung gebracht. Ebenso waren buschige Augenbrauen ein Schönheitsideal, für die sich der Adel Mausefell über die Augen klebte, wenn die eigenen Haare nicht ausreichten. Jahrhundertelang galt es als Muss, die eigene Silhouette mit Hilfe eines extremen Korsetts auf Idealmaße zu verformen. 90-60-90 ist immer noch eine Figur, die sich in den Köpfen der Menschen festgesetzt hat. Und ganz nach dem Motto Wer schön sein will muss leiden, ließen sich für diese Figur damals Frauen sogar Rippen entnehmen, um dem Ideal zu entsprechen. Erst um die Jahrhundertwende herum entstanden Gegenbewegungen zu diesen sehr versteiften Trends: die Emanzipation der Frau mit kurzen Haaren und Hose oder Hippies, die sich extra keinen Regeln verschrieben. Für Angie schwingt bei Schönheitsidealen generell immer ein eher negativer Aspekt mit, da sie einen „Einheitsbrei schaffen“. Das Model setzt besonders auf Individualität und unterscheidet zwischen innerer und äußerer Schönheit: „Innere Schönheit ist für mich auch tausendmal wichtiger“, so die 18-jährige. Sie findet es normal, dass sich geschichtlich immer wieder Schönheitsideale und Normen herausbilden, da sie Zugehörigkeit schaffen. Aber für die Zukunft würde sie sich wünschen, dass die Individualität noch mehr gefördert wird und besonders auch jungen Menschen nicht das Gefühl gegeben wird, man müsse sich einer Gruppe angleichen.

“Andersartigkeit

zum Markenzeichen machen

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„Ich finde es nicht schön, wenn alle gleich aussehen“ – Angie Angefangen zu modeln hat Angie, als sie über Instagram entdeckt wurde. Die Kombination aus ihrem asiatischen Aussehen und den großflächigen Sommersprossen geben ihr ein Alleinstellungsmerkmal. „Meine Sommersprossen sehe ich jeden Tag im Spiegel, da fällt mir gar nicht mehr auf, dass es so etwas Besonderes ist“ sagt sie und lacht. Schönheitstrends, die sich durchsetzen, haben oft auch Parallelen zur Gesellschaft – entweder spiegeln sie die Stimmung der Zeit wider oder grenzen sich ganz bewusst davon ab. Was sagen also die heutigen Schönheitsvorstellungen über unsere jetzige Gesellschaft aus? Unsere Gesellschaft wird immer liberaler- Vermischung von Kulturen, der Diverse-Gender-Begriff, Ehe für alle. Auch in der Schönheit geht ein Trend dahin zu sagen: Du bist anders? Perfekt! Schluss mit dem Verstecken von Schönheitsmakeln. Im Gegenteil: Was Winnie Harlow, Lauren Wasser und Turia Pitt gemeinsam haben? Sie haben ihre Makel zum Markenzeichen gemacht und zählen zu den bekanntesten Beispielen, wenn es um Body Positivity und Akzeptanz der eigenen Natürlichkeit geht.

“Du bist

Das kanadische Model Winnie Harlow wurde bekannt durch ihre pigmentfreien Stellen auf der Haut, die

durch eine Krankheit namens Vitiligo hervorgerufen werden. Lauren Wasser zeichnet aus, dass sie als Model, Schauspielerin und Athletin mit zwei amputierten Beinen einen Lichtblick für viele darstellt: „The girl with the golden legs“, wie sie auf Grund ihrer goldfarbenen Prothesen genannt wird. Ein Buschfeuer veränderte das Leben und Aussehen des ehemaligen australischen Models Turia Pitt für immer, als 64 Prozent ihres Körpers schwer verbrannt wurden. Heute ist sie Sportlerin, Aktivistin und Mutter. Bei solchen Menschen wird Individualität großgeschrieben und sie können Vorbilder sein in einer Zeit, die ansonsten sehr von den Medien geprägt wird. Das Göppinger Model Angie ist der Meinung, dass gerade Influencer in der heutigen Gesellschaft einen negativen Einfluss haben können. Sie leben Trends vor, denen vor allem junge Zielgruppen nacheifern, ohne sie wirklich zu verstehen. Es ist wichtig seinen eigenen Körper anzunehmen und sich dafür von niemandem schief angucken zu lassen, wenn man nicht einem Idealbild entspricht. Body Positivity ist im Netz schon länger ein Thema. Ein Key-Faktor, um sich selbst schön zu finden, ist für Angie „die Einstellung, mit der man an die Sache rangeht. Wenn man seine Vorzüge kennt, kann man diese mehr betonen“. Denn jeder Mensch ist ein Unikat. Schönheitsideale hin oder her.

anders? Perfekt!

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Eine Laufmasche im Sozialsystem: Obdachlosigkeit Jessica Morlock

Deutschland wird oft als einer der besten Sozialstaaten der Welt bezeichnet. Es ist ein Land mit einer gut funktionierenden Wirtschaft, Essen im Überfluss, einer kostenlosen Schulbildung, Demokratie und Menschenrechten. Dennoch begegnen uns jeden Tag Menschen auf den Straßen, die uns nach etwas Kleingeld fragen. Sie sitzen am Bahnhof, auf dem Boden, fischen leere Pfandflaschen aus Mülltonnen oder streifen durch die U-Bahn: Obdachlose, Heimatlose, Perspektivlose. Doch wieso leben einige Menschen in einem weit entwickelten Sozialstaat so? Einfach gesagt: Die Miete wurde nicht bezahlt, die Mahnungen des Sozialamtes ignoriert und schließlich die Wohnung geräumt. Ganz so simpel, wie es im ersten Moment erscheint, ist es jedoch nicht. Werden die groben Fakten auseinandergezogen und hinterfragt, trägt jeder Obdachlose eine individuelle und komplexe Geschichte. Auch wird zwischen Obdachlosen und Wohnungslosen differenziert. Laut Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) gab es im Jahr 2016 bundesweit rund 860.000 Menschen ohne eigenen Wohnraum. Zudem ist nicht jeder, der wohnungslos ist, auch ein Obdachloser. Als obdachlos werden lediglich die Personen gezählt, die nicht bei Freunden, Familie oder anderweitig unterkommen können und somit auf der Straße leben. Das waren laut BAGW im Jahr 2016 ungefähr 50.000

Menschen. Diese Zahl ist zwar erheblich geringer als die Anzahl der Wohnungslosen, dennoch ist sie erschreckend und hoch genug. Gleichzeitig ist sie mit Vorsicht zu betrachten, denn sie ist weder aktuell noch genau. Die konkrete Anzahl der Obdachlosen in Deutschland lässt sich nicht eindeutig erheben. Die Dunkelziffer ist groß. Trotzdem lässt sich aus der Statistik des BAGW deutlich ablesen, dass es viele Wohnungslose schaffen, nicht auf der Straße zu leben. Keine Wohnung zu haben ist demnach nicht der einzige Aspekt dafür, obdachlos zu sein. Natürlich ist es auch kein unwichtiger. Die hohe Zahl der Wohnungslosen führt einem vor Augen, wie schwierig es ist, heutzutage eine Wohnung zu finden. Als Beispiel: Auf eine leerstehende Wohnung in Berlin kommen um die 800 Bewerber. Selbst Leute mit regelmäßigem Einkommen und einer „perfekten“ Schufa-Auskunft haben es heutzutage vor allem in Großstädten schwer, eine Wohnung zu bekommen. Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum vor allem im Bereich der Sozialwohnungen. Die schwierige Lage auf dem Wohnungsmarkt ist somit ein wesentlicher Faktor dafür, weshalb Menschen auf der Straße leben. Dieser sorgt auch häufig dafür, dass viele Menschen nicht mehr von der Straße zurückkehren können. Selbst Menschen, die sich bemühen wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen, haben oft kaum eine Chance, ohne Wohnung eine Einstellung zu erhalten. Somit entsteht ein Teufelskreis der Obdachlosigkeit. Kein Job, keine Wohnung. Keine Wohnung, kein Job. Wohnungslosigkeit ist jedoch nicht der einzige Grund, weshalb Obdachlosigkeit herrscht.

“ Kein Job, keine

Wohnung. Keine Wohnung, kein Job.

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Was kommt also noch dazu? Wieso landen Menschen letztlich auf der Straße? Das ist eine einfache Frage. Dennoch können sich über tausend Gründe darin verbergen. Eine plötzliche Kündigung, hohe Schulden, ein Suchtproblem, Krankheit, Scheidung, ein Todesfall oder Gewalt – oftmals innerhalb der einst eigenen vier Wände. Fakt ist, dass es sich meist um gravierende Schicksalsschläge handelt und meist mehr als nur eine Ursache vorliegt. Auch psychische Krankheiten spielen hier eine starke Rolle. Oft ist sogar eine psychische Erkrankung Ausgangspunkt für die Obdachlosigkeit. Dies ist oft bei Menschen, die noch so zurechnungsfähig sind, dass sie nicht zwangsweise untergebracht werden können, der Fall. Eine Unterbringung ist nämlich nur bei erheblicher Selbst- oder Fremdgefährdung gewährleistet. Diese Menschen finden dann aber auch nicht in den „Anforderungen unserer Gesellschaft“ zu Recht.

Oft wird Menschen auf der Straße nachgesagt, sie seien doch freiwillig da. Dieser Eindruck entsteht, da bekannt ist, dass es diverse Hilfsangebote gibt – und jeder hat zumindest in Deutschland ein Anrecht auf Hilfe vom Staat. Gleichzeitig sitzen die Menschen auf der Straße, obwohl sie es ja eigentlich nicht müssten, oder? Wenn man so denkt, schließt man zu schnell von sich selbst auf andere. Klar, wenn ich jetzt im Moment darüber nachdenke, würde ich mich natürlich um Sozialhilfe kümmern, bevor ich auf der Straße lande. Aber ich bin eben auch gesund und hätte Unterstützung durch Freunde und Familie und das gilt für viele Betroffene leider nicht. Wer schon einmal mit Ämtern zu tun hatte, weiß am besten, wie schwierig und frustrierend es sein kann, seinen Anspruch durchzusetzen – selbst wenn man nicht depressiv oder suchtkrank ist. Aber natürlich gibt es auch Menschen, die wirklich freiwillig auf der Straße leben. Zum Beispiel denkt man da an die klassischen Punks oder auch an freiwillige Aussteiger. Diese Gruppen bilden jedoch mehr die Ausnahme. Ebenfalls ein großes Thema in Bezug auf Obdachlosigkeit sind Suchtprobleme. Eine Suchterkrankung kann Ausgangspunkt für eine Obdachlosigkeit sein. Sie kann aber auch im Laufe der Obdachlosigkeit entstehen. Oft greifen Betroffene aus Überforderung zum Alkohol oder anderen Substanzen. Dies hat wiederum zur Folge, dass es für die Betroffenen immer schwieriger wird, der Obdachlosigkeit zu entkommen und

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Hilfe anzunehmen. Gerade bei Hilfen, die mehr Eigenansatz oder eine Einschränkung der eigenen Freiheit erfordern, ist es für die Betroffenen oft schwierig, diese anzunehmen und nutzen zu können. So herrscht in vielen Notunterkünften beispielsweise das Verbot, Alkohol zu trinken. Für jemanden, der an einer Alkoholsucht leidet, ist dies schon ein Ausschlussargument, weshalb er diese Hilfeleistung nicht annehmen kann. Leider sind gerade die Hilfestellungen davon betroffen, die versuchen, die betroffenen Personen gezielt von der Straße zu holen. Die Betroffenen müssten hierbei viel Eigeninitiative einsetzen, um zum Beispiel die eigenen Suchtprobleme anzugehen oder an regelmäßigen Terminen teilzunehmen. Genau diese Voraussetzungen sind oft genau das, was den Betroffenen in aller Regel schwerfällt oder weshalb sie überhaupt ursprünglich auf der Straße gelandet sind. Insofern ist die Behauptung „niemand muss in Deutschland

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obdachlos sein“ in gewisser Weise zugleich richtig und falsch. Mit Blick auf die Möglichkeiten unseres Sozialsystems stimmt es, dass niemand auf der Straße leben müsste. Gleichzeitig bedeutet es aber nicht, dass Obdachlose freiwillig auf der Straße sind oder dass es nicht schwer wäre, aus dieser Situation auszubrechen. Obdachlosigkeit ist wohl eines der komplexesten Themen innerhalb sozialer und moralischer Fragestellungen. Man selbst sollte daher immer vorsichtig sein, wenn man aus seiner eigenen Situation heraus das Verhalten und die Haltung von Obdachlosen bewertet. Denn im Endeffekt kann Obdachlosigkeit jeden betreffen. Auf Deutschlands Straßen leben nicht nur Arbeitslose und Alkoholiker, sondern auch Akademiker und Jugendliche.

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Erfolgsgarant Sport

So viel Wert legt die deutsche Autoindustrie auf Umweltschutz Franzi Schmock Der Sport als Aushängeschild für einen funktionierenden Staat – etwas, das man vor allem aus sozialistischen Systemen kennt. Paradebeispiel DDR: Dort hatte der Sport einen ganz besonders hohen Stellenwert, was sich vor allem im geregelten Staatsdoping zeigte. Tausenden Sportlern wurden in der DDR ohne ihr Wissen verbotene Pillen und Medikamente zugeführt. Viele von ihnen waren noch Kinder. Die Konsequenzen reichen bis heute, damalige Dopingopfer kämpfen mit schweren Folgeerkrankungen wie Krebs, Depressionen, Herzproblemen und mehr. Einige wurden nicht älter als 40 Jahre alt. Alles was zählte, war, die DDR als erfolgreiche Sportnation hervorzubringen, auf Kosten der oft sehr jungen Athletinnen und Athleten. Der Sport diente als Aushängeschild des Landes, um den Blick auf die positiven Dinge zu wenden. Das undemokratische System und die wirtschaftliche Schwäche, die zu regimekritischen Einstellungen in der Bevölkerung führten, sollten durch die sportlichen Erfolge des Landes überspielt werden.

Infokasten „Staatsdoping in der DDR“ > mehr als 200 Opfer von BRD anerkannt (Quelle: FAZ) > der Doping-Opfer-Hilfe-Verein zählt 700 Opfer > Dunkelziffer wesentlich größer Ab dem 23. Oktober 1974 wurde das Dopingsystem mit der Gründung der Arbeitsgruppe „Unterstützende Mittel“ zentral organisiert. Größtenteils junge Athleten erhielten von dort gezielt als „Vitamine“ getarnte blaue Pillen, an deren Folgen noch heute viele von ihnen leiden. Auch „Diplomaten im Trainingsanzug“ genannt, mussten die Athleten für internationale Anerkennung des sonst so isolierten Landes DDR sorgen. Der Sport und die Erfolge wurden von der Politik instrumentalisiert. Staatsdoping gehörte zum Alltag und fand dennoch zumeist in Unwissenheit der Sportler statt. Auch Heike Knechtel war Opfer dieses Systems und leidet noch heute unter den Folgen. Über 20 Operationen im gynäkologischen Bereich und dazu eine Brustkrebserkrankung hat sie hinter sich. Mittlerweile ist sie Mitglied im Vorstand und Präventionsbeauftragte des Doping-Opfer-HilfeVereins (DOH). Die heute 56-Jährige hat für zwei Jahre die Kinderund Jugendsportschule in Leipzig besucht, sie war Mittelstrecken-Läuferin. Dass der Sport merklich politisch war, habe sie schon früh gemerkt.

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„Auch wenn ich noch Kind war, spürte ich die hohe Anerkennung und das gesellschaftliche Interesse bei sportlichen Leistungserfolgen. Die Förderung und Sichtung von sportlich begabten Kindern und die Finanzierung und Ausstattung der Sportstätten beim ansonsten allgegenwärtigen Investitionsrückstau machten die besondere Stellung des Sportes schon sehr deutlich“, erklärt sie im Interview. Infokasten „Arbeitsgruppe „Unterstützende Mittel“ > am 23. Oktober 1974 durch Staatsplan beschlossen > Forschung im Bereich Leistungssteigerung > Vermittlung von Doping Medikamenten an Sportler und Sportärzte > z. B. die „Blauen Pillen“, zumeist das Anabolikum Oral-Turinabol

für die Aufklärung des DDR-Zwangsdopingsystems als „Nestbeschmutzerinnen“ und „Lügnerinnen“ bezeichnet“, erklärt Heike Knechtel.

Knechtel ist sich darüber hinaus sicher, dass es sportpolitische Veränderungen gab, die mit innenund außenpolitischen Spannungen zusammenhingen. Auch der Konkurrenzkampf zwischen DDR und BRD wurde im Sport ausgetragen. Sogar Erich Honecker bezeichnete den Sport als „Mittel zum Zweck“, um besser zu sein als der Westen. „Die Instrumentalisierung des Sportes als Ausweisung der „Besseren Gesellschaft“ sollte nicht nur nach außen verkörpert werden, sondern auch nach innen. Stolz und Identifikation mit dem Land waren das Ziel. Noch heute werden KämpferInnen

Das geregelte Staatsdoping war repräsentativ für das politische System der DDR. „Der Sport und die Zielerreichung mit allen Mitteln, konspirativ und ohne Opferschutz war eines der wichtigsten Instrumente der DDR.“ Selbstbestimmung, Mitsprache, freies Denken und Kritik am System wurden in allen Bereichen der Gesellschaft zu unterbinden versucht. Hierbei spielte auch der Geheimdienst eine ausschlaggebende Rolle. Andersdenke und Kritiker am System sollten in allen relevanten Bereichen wie Bildung, Wissenschaft und Staatsorganen „zersetzt“ werden, so Knechtel. Das habe bis ins Private hinein gereicht und erkläre auch, warum der Sport und dessen Erfolge so stark durch die Politik kontrolliert wurden. Viele der Dopingopfer von damals kämpfen heute für eine lückenlose Aufklärung und für die Anerkennung ihrer Fälle. Für sie alle sind die Folgen des gezielten Dopings auch heute noch allgegenwärtig.

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Das team

Initiativleitung: Joanna Rietl, Luna Wolf, Lea Dillmann

Redaktion: Hintere Reihe:

Ricarda Müterthies, Julika Olpp, Anne Seelmann, Ingrid Bonfert, Janina Thomanek, Julia Gehringer

Mittlere Reihe:

Tamara Todorovic, Lorena Boß, Ramona Groß, Jessica Morlock, Jule Ahles, Jessica Schiller, Sandra Belschner

Vorderste Reihe:

Nai Lun Tan, Xenia Stepanow, Franziska Schmock, Angelina Neuwirth (HV)

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PR: Stehend: Tobias Bachmann, Julika Olpp, Xenia Stepanow (HV) Sitzend: Lea Dillmann

Akquise: Josephine Hennen, Xenia Stepanow, Hannah Bauer (HV), Sanja Perovic

Blog: Joanna Rietl, Sanja Perovic (HV)

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Layout: Hintere Reihe: Alexander Kuhn, Luisa Bleich, Lennart Gastler (HV), Giulia Cantatore Vordere Reihe (sitzend): Tobias Bachmann, Jessica Schiller (HV), Esther Yeo

Lektorat: Giulia Cantatore, Soukaina El Gharbaoui, Selina Ellenberger (HV), Josephine Hennen

Internationals: Internationals:

Tamara Todorovic (Austria), Esther Yeo (Singapore), Nai Lun Tan (Singapore)

Tamara Todorovic (Austria), Esther Yeo (Singapore), Nai Lun Tan (Singapore)

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8 Tipps gegen Laufmaschen Janina Thomanek

1. Haarspray

4. Gepflegte Füße

Es ist ein wahres Wundermittel gegen Laufmaschen. Am besten aus einem Meter Abstand auf die bereits angezogene Strumpfhose sprühen- et voilà! Es sollten sich keine Risse mehr bilden. Und wenn es schon zu spät ist, einfach nach dem gleichen Prinzip vorgehen, damit sich die Laufmaschen nicht noch vergrößern.

Da sich die meisten Laufmaschen schon beim Anziehen bilden, sollte man darauf achten, dass die Fußnägel geschnitten und gefeilt sind, damit sich davon nichts in der Strumpfhose verheddern kann. Auch bei Nagellackresten, die splittern, sollte man aufpassen!

5. Nicht zu klein kaufen Wenn die Strumpfhose eigentlich nicht passt und das Material zu sehr gedehnt wird, erhöht sich das Risiko von Laufmaschen. Deshalb lieber etwas zu groß als zu klein, liebe Damen!

6. Richtiges Waschen Strumpfhosen am besten immer per Hand waschen. Mit lauwarmem Wasser und etwas Feinwaschmittel einweichen und wieder ausspülen. So wird sie auch sauber und muss nicht in die Waschmaschine. Für die Faulen unter euch: Wer die Arbeit lieber der Waschmaschine überlässt, sollte die Strumpfhose zumindest in ein Wäschesäckchen stecken.

2. Kühlschrank Mindestens eine halbe Stunde vor dem Anziehen in die Tiefkühltruhe legen. Vor dem Tragen werden die Fasern gefestigt und reißen nicht so leicht.

3. Handschuhe tragen Um schon beim Anziehen kleine Unfälle zu vermeiden, einfach Wollhandschuhe überziehen und ganz sachte die Strumpfhose anziehen. Damit besteht keine Gefahr mit seinen Nägeln oder durch Schmuck, den feinen Stoff einzureißen. Dauert etwas länger als gewöhnlich, lohnt sich aber.

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7. Klarlack Um Schlimmeres zu verhindern, immer ein kleines Fläschchen dabeihaben. An beiden Seiten der Laufmasche auftragen und schon ist sie resistent gegen größere Schäden.

8. Ersatzstrumpfhose einpacken Und wenn wirklich nichts hilft, einfach bei wichtigen Events auf Nummer sicher gehen und noch eine Strumpfhose zusätzlich einpacken. Aber bei der zweiten Strumpfhose sollten dann wirklich die oben genannten Tipps beachtet werden ;).

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IMPRESSUM VielSeitig - DAS StudierendenMAGAZIN an der Hochschule der Medien vvBildquellen

Eine Initiative der VS der Hochschule der Medien Nobelstraße 10, 70569 Stuttgart Tel.: 0711/8923-2631 E-Mail: vs@hdm-stuttgart.de Druck und Weiterverarbeitung Hochschule der Medien Auflage: 1500 Exemplare

Danksagung Wir danken zuallererst unseren vielen tollen VielSeitig-Mitgliedern, die von der Redaktion bis zum Druck engagiert mitgearbeitet haben. Besonders bedanken wir uns natürlich bei unseren Hauptverantwortlichen, die mit Begeisterung unsere vielen Ressorts geleitet haben. Unser besonderer Dank gilt auch Markus Meider, Heiko Gatawis, Sebastian Paul und Bernhard Michl, die uns beim Druck der VielSeitig stets mit Rat und Tat unterstützt haben. Ein großes Dankeschön auch an Esther Yao für die tollen Fotos. Weiter danken wir der Verfassten Studierendenschaft, ohne die unsere VielSeitig so nicht möglich gewesen wäre. Herzlichen Dank auch all unseren Sponsoren für die finanzielle Unterstützung.

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