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Bar Regina Takeover Dicembre

Vorwort zum Takeover

In einer zunehmend hektischen und komplexen Welt nehmen wir uns oft keine Zeit mehr für uns selbst. Wir erledigen alles auf den letzten Drücker und nehmen uns nie wirklich die Zeit, uns in der Stadt, in der wir leben, auszutoben. Diese ständige Hektik führt dazu, dass wir die einfachsten und natürlichsten Aktivitäten unseres sozialen Lebens vergessem. Wir vermeiden es, einen Kaffee im Café zu trinken, weil es zu knapp ist, wir bestellen Essen online, um nicht kochen zu müssen, wir lassen uns alles nach Hause liefern, um nicht ausgehen zu müssen, und oft ist die Pizzeria, die uns das Abendessen liefert, nicht einmal einen Kilometer von uns entfernt. In unserer eigenen Nachbarschaft werden wir immer stiller, sind manchmal fast abwesend. Spontane soziale Interaktionen, die ohne besonderen Anlass oder organisierte Treffen stattfinden, sind nur noch eine schöne, naive Erinnerung.

Warum gehen wir nicht in die Bar unter uns, statt in die in Arbeitsnähe? Warum essen wir nicht in einer Pizzeria, anstatt wie immer bei uns daheim im bekannten Esszimmer? Warum bestehen wir darauf, die Nachrichten in den sozialen Medien statt in der Zeitung zu lesen?

Die „15-Minuten-Städte“, Aktivitäten in der Nähe und Ähnliches sind Praktiken, die das Wohlbefinden der Stadtbevölkerung fördern und sie nicht nur zum Konsumieren, sondern auch zu aktiven Teilnehmen am Leben in der Stadt animieren sollen

Der Bar Regina Takeover wurde genau mit der Absicht ins Leben gerufen, die Menschen durch eine direkte Erfahrung dazu anzuregen, über diese Themen nachzudenken. Durch die Veranstaltung wird versucht, die heute still Identität einer Bar wiederzuentdecken, die fast ein Jahrhundert lang ein Bezugspunkt für Generationen war. Die Bar Regina ist die klassische Nachbarschaftskneipe: die Kneipe vor der Haustür, die immer von denselben Leuten besucht wird, die Kneipe, bei der man immer denkt: „Früher oder später wird der Abend hier enden“, die Kneipe, die Stammkneipe. Das Event zielt daher darauf ab, diese Orte neu zu beleben und die Volkskultur, die in ihren Mauern widerhallt, neu zu erwecken.

“Das Theater möglichen Beziehungen”

Theater der Beziehungen”

B ar izoS o logie

red

Soziologie der Bar

“Lange bevor ich als Kunde dort war, hat die Bar mich gerettet: Sie hat mir als Kind neues Vertrauen geschenkt, sich um mich gekümmert, als ich ein Jugendlicher war, und mich aufgenommen, als ich ein junger Mann war. Auch wenn wir von dem angezogen werden, was uns verlässt oder zu verlassen verspricht, glaube ich letztlich, dass es das ist, was uns aufnimmt, das uns prägt.” - J.R. Möhringer, Tender Bar.

In der heutigen Popkultur, Trendgesellschaft, oder wie auch immer man sie nennen will, hat die Bar als Ort und archetypischer Kontext für soziale Zusammenkünfte eine entscheidende und prägende Rolle für ganze Generationen gespielt. Die Tradition der Bar in Italien kann und sollte mit dem Ritual des Kaffees in Verbindung gebracht werden – jenem Getränk, das laut dem Soziologen Massimo Cerullo das „kleinste Ritual“ darstellt: eine alltägliche Handlung, die, obwohl sie repetitiv und manchmal trivial erscheint, eine große soziale und kulturelle Bedeutung innehält.

Das Gefühl der Geborgenheit, das J.R. Moehringer beschreibt, und das sowohl ihm als auch einem Großteil der Italienerinnen und Italiener bekannt ist, war eine elementare Grundlage für das Wachstum, die Bildung, die Reifung und die Festigung eines einheitlichen sozialen Gefüges. Dieses Gefüge ist insbesondere durch eine Reihe von Mustern und Dynamiken gekennzeichnet, die sich im Laufe der Zeit in der Volkskultur – jener Kultur, die den sogenannten „Volksgeist“ prägt, weiterentwickelt und gestärkt haben.

Der Soziologe und Autor Vittorio Lannutti unterstreicht diesen Gedanken, indem er erklärt, dass die Bar einer der Hauptorte für Zusammenkünfte und soziale Interaktion ist. Er fügt hinzu, dass es gerade von den Bars aus möglich wäre, Beziehungen wieder aufzubauen und Vertrauen zwischen Menschen zu säen. Menschen, die immer häufiger die Bereitschaft verlieren, sich miteinander zu solidarisieren, und dazu tendieren sich digital zu isolieren, und sich sozial entfremden.

In gewisser Weise gibt die Idee Hoffnung, dass die Bar weiterhin das „Theater der möglichen Beziehungen“ bleibt –um einen Ausdruck aus dem Buch „Ein Kaffee unter Freunden, ein Whiskey mit einem Fremden“ des Professors für urbane Soziologie Giampaolo Nuvolati zu verwenden. Eine Bühne, auf der der Barkeeper, die Schlüsselfigur der Bar-Identität, als Regisseur fungiert, während die Kundschaft das Schauspielensemble darstellt. Diese können Stammgäste sein, bei denen keine Bestellung nötig ist, da sie seit langem zum Alltag des Ortes gehören. Es gibt aber auch die Gelegenheitsbesucher – Nebenfiguren, die äußerlich weniger auffällig, aber nicht weniger wichtig sind, da sie der Monotonie der Szene eine unerwartete und unvorhersehbare Nuance verleihen können. Noch interessanter sind hierbei die Statisten und Statistinnen. Gäste im Hintergrund, die mehr zufällig als absichtlich in das Geschehen der Bar geraten sind.

Sie sind oft von einer geheimnisvollen und schüchternen Aura umgeben, was sie gleichzeitig hochgradig verletzlich und zu passiven Beobachterinnen und Beobachtern der Ereignisse macht, die sich rund um die Theke und hinter den Kulissen abspielen.

Im Allgemeinen kann man sagen, dass die Menschen, die die Bar beleben, die Bar selbst ausmachen. Ohne sie hätte die Bar keine tiefere Besonderheit und vermutlich keine Darseinsberechtigung.

Ein besonders auffälliger Aspekt bei der Untersuchung dieser steilen these ist die Vielfalt der Menschen, die eine bestimmte Bar besuchen. Es handelt sich dabei natürlich um lokale, authentische Bars, Orte die Charakter haben, und nicht um Tempel oberflächlicher Unterhaltung. Marco Malvaldi, ein Schriftsteller, der vor allem durch die Buch- und Fernsehreihe „Die Verbrechen des BarLume“ bekannt ist, erklärt in einem seiner Bücher: „Vom Professor bis zum Maurer, vom Anwalt bis zum Mittellosen – in der Bar sind wir alle gleich, und die Wartezeiten für Kaffee, Croissant und die Gazzetta variieren nicht je nach unserer sozialen Stellung“. Damit wird die Demokratisierung dieses Ortes betont. Der Ort, der jahrzehntelang als letzte italienische „Agora“ gelten konnte, der Ort, an dem der Austausch von Ideen, Meinungen und Urteilen, qualifiziert wie unqualifiziert, eine grundlegende Rolle gespielt hat.

Die verschiedenen Charaktere der Barkundschaft, können nach pirandellianischen Beispiel kathegorisiert werden. Ein Versuch in diese Richtung, auch wenn das nicht das ursprüngliche Ziel war, ist das Buch „Die Therapie der Bar“ von Paolo Ciampi, einem Schriftsteller und Vagabund. Neben den widerstandsfähigen Bars, Oasen des Dialogs und der Debatte, bietet dieses Buch ein breites Spektrum typischer Figuren in einer Bar. An erster Stelle steht der „Besserwisser“, eine Figur, die sowohl über politische und wirtschaftliche Themen als auch über Fußball oder weniger intellektuell anspruchsvolle Themen etwas zu sagen hat. Dies wird treffend durch ein Zitat von Giorgio Gaber zusammengefasst: “Die Italiener in der Bar sind alle große Staatsmänner, aber im Parlament sind sie alle Staatsmänner aus der Bar”.

Die Bar hat neben ihrer Rolle für die Entwicklung der Gemeinschaft als Gelegenheit für Zusammenkünfte und als Ventil für Eskapismus auch eine viel tiefere und entscheidendere individuelle Verantwortung im Leben jedes Einzelnen Menschen. Sie ist ein Ort der Begegnung mit alten Freunden, unerreichbaren Lieben, alten Erinnerungen, kommenden Plänen, und schlussendlich mit sich selbst. Sie beteubt jugendliche Ängste, Zweifel und ausgewachsene Unsicherheiten. Die Bar sollte als ein Moment verstanden werden, in dem man nicht nur in Gesellschaft ist, sondern auch die Einsamkeit pflegen kann, eine Einsamkeit, die heute nur noch von wenigen, hartgesottenen Argonauten erforscht wird.

Die Bars sind ein Hauch von Leben. Wir müssen sie weiterhin leben.

In der Bar werden alle behandelt gleich Lasstuns m enschlich b l e iben

Der “Caffé sospeso”, der geschenkte Kaffee

“Es war einmal in Neapel, im Sanità-Viertel: Wenn jemand glücklich war, weil etwas gut lief, zahlte die person nicht für einen Kaffee, sondern für zwei und überließ den zweiten, bereits bezahlten Kaffee jemand anders. Diese Geste nannte man den “il Caffé sospeso”. Sollte dann jemand, ohne geld für Kaffee kommen, konnte die Person an der Bar nachfragen ob es einen bereits bezahlten Kaffee gab, was den Kaffee demokratischer, und für alle zugänglich machte.” - Luciano De Crescenzo, Il Caffè Sospeso

Das Leben in der Bar ist viel mehr als der Konsum eines Getränks. Das Leben in der Bar bedeutet das Eintauchen in eine andere Welt, mit ihren eigenen Regeln und ihren Besonderheiten. Das Leben in der Bar ist nicht für alle gleich. Es gibt diejenigen, die mehr haben, und diejenigen, die weniger haben, aber eines ist sicher: Einen Kaffee verweigert man niemandem. Das Neapel von damals hatte das verstanden. Ein bereits bezahlter Kaffee, war und ist ein Akt der Menschlichkeit und Solidarität. Eine echte Geste der Nächstenliebe. Oft kam er von Menschen, die sich mehr als nur einen Kaffee leisten konnten.

Die Legende besagt, dass die Ursprünge des „Café sospeso“ in einem Streit unter Freunden in einer Bar liegen. Damals, so sagt man, waren sich ein paar Freunde sich nicht sicher, wer wessen Café bezahlt hatte, und so wurde am Ende ausversehen einer zu viel gezahlt. Dieser, bereits bezahlte Café, wurde „aufgehoben“ und stand allen zur Verfügung die wollten, egal ob Freund oder Fremder. Diese Geste hielt sich den Großteil des vergangenen Jahrhunderts. Es ist kein Zufall, dass die Tradition in Neapel, bei den Neapolitanern, entstand! Menschen, die immer zusammenhalten und füreinander da sind. Da, wo der Kaffee eine so zentrale Bedeutung im Leben aller hat, da wo ein „Guten Morgen“ gleichbedeutend ist mit einem gemeinsamen Kaffee, wo der Kaffee, nicht wie in anderen Städten, im Magen, sondern direkt im Herz landet, und da wo es immer besser ist, ein Vergnügen zu teilen, anstatt es für sich zu behalten. Der Fakt dass die Tradition immer mehr zurückgeht, sagt viel über die mangelnde Solidarität, und den Sieg des Egoismus in der heutigen Gesellschaft aus.

Der Treffpunkt Bar darf jedoch nicht verloren gehen, auch wenn ein Kaffee nur einen Augenblick anhält. Die Bar ist die letzte Grenze einer neuen Gesellschaft, die uns immer mehr vernetzt, aber gleichzeitig immer weiter auseinander bringt. Die Bar hingegen ermöglicht es uns, präsent, authentisch und lebendig in unserem Viertel zu sein, zusammen mit denen, die mehr Lebenserfahrung haben, und denen, die weniger haben. Wir gehen in die Bar um zu lachen, zu scherzen, zu reden, zu streiten und zu leiden. Was in keiner Situation fehlen darf, ist ein Kaffee – noch besser, wenn wir ihn „sospeso“, bereits bezahlt vorfinden, denn das bedeutet, dass jemand anders an uns gedacht hat, und dass Einsamkeit ein Problem ist, welchem man nicht immer und überall ausgesetzt sein muss.

Das

Motiv des Kaffees in der Geschichte des italienischen Films und Theaters

Das Café als Institution und kultureller Ort der Zusammenkunft hat in der italienischen Film- und Theaterproduktion eine immer wiederkehrende Rolle gespielt. Von einer rein ästhetisch-visuellen Perspektive bis hin zu einer tiefgründigeren Konzeption, die den sozialen Wert des Cafés, beschreibt, hat dieser Ort die berühmtesten italienischen Filme und Bücher maßgeblich beeinflusst. Die Bedeutung und Wichtigkeit Des Cafés wurden auf verschiedenste arten interpretiert und als metaphern.

La banda degli onesti, 1956

Il caffè secondo Eduardo, 1946
Amici miei, 1975
Divorzio all’italiana, 1961

Eine

funktionierende Gesellschaft braucht sogenannte dritte Orte - öffentliche oder halböffentliche Räume der Begegnung. Das große Bedürfnis nach Orten sozialer Interaktion ist tief in uns Menschen angelegt. Kein Wunder, dass sich darum ganze Geschäftsstrategien ranken. Es ist an der Zeit, sich die dritten Orte in ihrem Ursprung zurückzuholen.

Third PlacesWhywe needth e m

Third Places and why we need them

Wir alle kennen Starbucks. Das Unternehmen mit dem dunkelgrünen Logo, das aus unseren Städten heute kaum mehr wegzudenken ist. Trotz der in vielen Ländern lange bestehenden Kaffeekultur hat Starbucks es geschafft, sich über die Jahre hinweg durchzusetzen - sowohl in den Vereinigten Staaten, wo das Unternehmen seinen Hayptgeschäftssitz hat, als auch auf globaler Ebene. Was aber macht Starbucks so erfolgreich?

Das europäische Café-Modell nachahmend, ist Starbucks vor allem ein Ort der Begegnung. Menschen können sich dort mit Freund innen oder Bekannten treffen, den neusten Getränketrends folgen und Kaffeekreationen verkosten, neue Leute kennenlernen oder einfach in Ruhe für sich sein. Solch ein Ort wird laut dem Soziologen Ray Oldenburg als »Third Place« (1989) bezeichnet. Dieses Konzept hat Starbucks inzwischen für sich selbst entdeckt und geschickt in seine Geschäftsstruktur ein-gebaut. Ein Third Place existiert außerhalb der Strukturen des ersten Ortes - des Zuhausesund des zweiten Ortes - des Arbeitsplatzes - und schafft einen neuen gemeinschaftlichen und öffentlichen Ort Zu solchen Orten gehören laut Oldenburg Unter anderem Stadtplätze, Bars und Cafés.

All jene Orte, an denen sich Menschen die Möglichkeit bietet, unterschiedlichsten Personen zu begegnen, sich auszutau-schen, sich zu vernetzen, sich zu entspannen und ihre Freizeit zu verbringen, ohne dafür Geld ausgeben zu müssen. Vielleicht befinden Sie sich gerade selbst an einem dritten Ort, während Sie diesen Artikel lesen.

1.1

Der Unterschied zwischen Third Place und Third Space

Doch was macht das Konzept der »Drittheit« so ansprechend und vielseitig in seiner weitreichenden Anwendung, wenn sich sogar großle Unternehmen wie Starbucks des Third-Place-Begriffes bedienen? Der dritte Ort bzw. Third Place wird oft mit der Konzept des dritten Raumes bzw. Third Space gleichgesetzt. Die beiden Konzepte überschneiden sich, indem sie versuchen, jenseits der rein materiellen und binären Natur unserer Erfahrungen zu agieren. Dies ist kein neues Phänomen.

Ort und Raum werden seit jeher in verschiedenen Kontexten verwendet: In der Sozialgeografie besteht zum Beispiel ein weitgehender Konsens, dass Raum durch soziale Beziehungen und materielle soziale Handlungen konstruiert wird und somit interrelational ist. Die Idee der dritten Räume wurde von der Dekonstruktion binarer Denkweisen in anderen Disziplinen inspiriert, In der Migrationsforschung wird etwa häufig von »Third Cultures« gesprochen, um die komplexe Natur zwischen Heimat- und Gastkultur zu erklären. Dritte Räume stehen für radikale Offenheit und Wandelbarkeit und werden daher auch als Räume des Widerstands betrachtet. Sozialgeografinnen haben sich - inspiriert von postkolonialen und feministischen Studien - bewusst dafür entschieden, den Begriff des dritten Raumes in dessen Definition flexibel und offen zu gestalten. Damit wollten sie einen ständigen Fluss verschiedener Ideen und Ereignisse fördern und den Begriff transdisziplinär ausrichten. Sie ließen den Begriff für eine vielfältige Verwendung offen Als Folge bedienen sich seiner nun auch Akteurinnen mit weniger sozialen Zielen.

1.2 Eine funktionierende Gesellschaft braucht Dritte Orte

Dritte Orte sind in erster Linie gemeinschaftlich betriebene Orte, In der Fachliteratur werden diese auch als Allmende’ oder Allgemeingüter bezeichnet. Diese dienen der Förderung des Zusammenlebens der Gemeinschaft, indem diese kontinuierlich versuchen, die Gegensätze zwischen Offenheit und Geschlossenheit sowie in- und Exklusivität zu überwinden. Offentliche Güter - darunter Räume und Orte - die sich auf deren eigene Art der neoliberalen Politik der Privatisierung, der Finanzialisierung. der Kommerzialisierung und des neuen Imperialismus widersetzen, sind noch nicht im Mainstream angekommen, In seinem 1968 erschienenen Essay »Tragik der Allmende« ging der Mikrobiologe und Ökologe Garrett Hardin von zwei »unvermeidli-chen« Szenarien für alle Allmende aus, zentrale Regulerung durch den Staat oder Privatisierung Über 50 Jahre nach dieser Prognose darf sich also die Frage gestellt werden Gibt es noch frei zugängliche - dritte - Orte, an denen Menschen frei von finanziellen Zwängen in Kontakt kommen können? Öder haben diese tatsächlich ein tragisches Ende gefunden?

Die gute Nachricht ist: Ja, es gibt viele dieser Orte, Starbucks gehort allerdings nicht dazu. Ein Beispiel ist etwa die Street

Gallery in Belgrad Die Galerie wird heute ven einem Kunstkollektiv betrieben und entstand aus der Wiederbelebung einer Straße im Zentrum der Stadt. Diese wurde schließtich zu einer öffentlichen Galerie mit einem fortlaufenden Programm aus Ausstellungserotinungen, Konzerten, Aufführungen und Debatten, das trotz oden gerade aufgrund des feindseligen politischen Klimas in der Hauptstadt sehr gut ankommt. Durch die Platzierung von Kunst im Öffentlichen Raum und die Förderung junger und sozial engagierter Kunstlerinnen und Künstler macht die Belgrader Street Gallery Kunst für eine Vielzahl von Menschen zugänglich und Fückt gleichzeitig Themen in den Mittelpunkt. die mitunter jahrzehntelang ignoriert wurden. Dazu gehören vor allem gesellschaftsbezogene Themen, etwa zue Zukunft der Stadtentwicklung sowie zu kulturellen Praktiken. Einige kritische Sozialgeogratinnen argumentierten jedoch, dass die bloße Anerkennung der Existenz von etwas nicht notwendigenweise eine Ermächtigung dessen bedeutet, in diesem Fall hat Belgrads Street Gallery aber nicht nur Raum für Diskussionen und Auseinandersetzung mit einem breiteren Publikum geschaffen, sondern auch andere ähnliche Initiativen im Land inspiriert und ein Netzwerk von Straßengalerien in Serbien ins Leben gerufen.

1.3 Zugänglich, kostengünstig, spontan und stressfrei

Wir wissen also, dass Third Places für eine gut funktionierende Gesellschaft wichtig sind. Diese fördern soziale Bindungen, den Austausch von ideen und die Schaffung einer gemeinschaftlichen Identität. Besonders in Zeiten der Coronapandemie und der damit verbundenen Bewegungseinschränkungen zeigte sich, wie notwendig der Zugang zu Orten jenseits der eigenen vier Wände und der Arbeit ist Was aber geschieht, wenn diese dritten Orte von Großkonzernen wie Starbucks geschaffen werden?

Wenn diese als Teil einer Marketingstrategie eingesetzt werden und sich vom Kapitalismus leiten lassen? Kann dann noch von richtigen Third Places à la Oldenburg gesprochen werden? Dafür müssen sich noch einmal die notwendigen Kriterien ins Gedächtnis gerufen werden Third Places sollten für alle zugänglich, kostengünstig, spontan und stressfrei sein. Sie sollten Raum zur Diskussion und zum Austausch von unterschiedlichen Perspektiven schaffen Ein Unternehmen wie Starbucks, das sich inzwischen von dem kleinen Eck-Café in Seattle zu einem multinationalen Franchiseunternehmen entwickelt hat, kann kaum mehr solch ein Ort sein. Vor allem wenn bedacht wird, dass Starbucks eben nicht für alle zugänglich ist, sondern Konsum - und es ist kein Geheimnis, dass Starbucks nicht billig ist - zur Teilhabe voraussetzt

Dies lockt dementsprechend einen bestimmten Kundinnenkreis mit ausreichend sozio-ökonomischem Kapital an Großkonzerne, die mit ihrer Marketingstrategie aktiv auf die künstliche Erzeugung von Third Places abzielen, haben demnach eine Art gesellschaftliche Machtposition. Dazu gehören auch Unternehmen wie Meta mit Facebook oder Instagram oder ByteDance mit TikTok, die mittels Onlineplattformen

und Filterblasen versuchen, physische Drittorte durch digitale Third Places zu ersetzen oder zumindest neu zu definieren Sie können die (virtuellen) Orte gestalten, den Zugang festlegen und sich das Third-Place-Konzept nach eigenem Ermessen aneignen.

1.4 Öffentliche Räume nicht von grosskonzernen vereinnahmen lassen

Es ist von enormer Bedeutung, dass eine Gesellschaft Räume erhält und bewahrt, die als physische Third Places fungieren können - gerade zu Zeiten der Digitalisierung, der sozialen Medien und der Zunahme von Smart-Working. Dies sind Orte wie die Street Gallery in Belgrad sowie Bibliotheken und Parks, die nicht im Zusammenhang mit Konsum und Profitgewinn stehen und wahrhaftig inklusiv und offen für alle sind Wenn Starbucks behauptet, ein Third Place zwischen dem Zuhause und dem Arbeitsplatz zu sein und somit die Forderung der soziaten Vitalität einer Gemeinschaft impliziert, während das Unternehmen das eigene Narrativ gleichzeitig um ein Produkt, Beziehungen und das Gefühl von Zugehörigkeit webt, dann stellt sich nicht nur die Frage, für wen Starbucks inklusiv und zuganglich ist. Es stellt sich auch die Frage, wie der Begriff des dritten Ortes zurückgewonnen werden kann, um der erhebkonen Sedert an Gemeinschaftsorten gerecht zu werden, die uns Menschen das Interagieren miteinander ermöglichen, ohne aut Konsum ausgerichtet zu sein. Wir dürfen uns den Begriff und das damit verbundene Konzept nicht von Großkonzernen mit eigennützigen Absichten wegnehmen lassen.

Authentische Third Places sollten immer einen gesamgeselischaftlichen Nutzen haben und zur Starkung der Gemeinschaft beitragen. Diese sind für eine gesunde Geselischaft und zur Teilhabe daran unerlässlich Sie tragen wesentlich zur Auflösung der Binarität von Wohnort und Arbeitsglatz bei und geben uns Menschen Platz, wir selbst zu sein. Jedoch müssen wir behutsam vorgehen und verstehen, dass nicht alle Orte außerhalb des Zuhauses und der Arbeit automatisch Third Places sind. Wichtig ist es, zu erkennen, welche Akteurinnen und welche Motive hinter der Schaffung dieser Orte stehen, Erst dann können fundierte Entscheidungen darüber getroffen werden, wo und wie wir unsere begrenzte Freizeit verbringen möchten.

QUELLEN UND INFORMATIONEN

“Third Places and Why we need them” ist ein Artikel, der auf dem Eurac Research-Blog veröffentlicht wurde und von den Forscherinnen Zoe Krueger Weisel und Mila Miletić verfasst wurde. Ursprünglich auf Deutsch in der Ausgabe 1/24 von THE NEW WORLD des Stayinart Bookazine veröffentlicht.

Geschichte der Bar Regina

Das Gebäude, das heute Villa Osvalda heißt und sich in der Viale Venezia befindet, wurde in den 1930er Jahren von einer Familie aus der Provinz Udine erbaut. Es diente als eine Art Hotel: Die Besitzer wohnten im Untergeschoss und die Gäste in den höheren, luxuriöseren Etagen. Nach einiger Zeit, wurde unten eine Bar eröffnet, die größer war als die heutige, da sie einen Teil einer angrenzenden Wohnung umfasste. Man traf sich in der Bar zum Billiard und Karten spielen.

Die Bar blieb fast das ganze Jahrhundert über in Betrieb, bis ihre alten Besitzer sie schließlich geschlossen hatten. Fabio, der heutige Besitzer, und ein Freund von ihm haben die Bar 2015 wiedereröffnet, den Namen Bar Regina ausgegraben und wieder einen Treffpunkt geschaffen, der diesen Teil Bozens noch heute bereichert.

“Man musste nichts ausmachen, es war ein bisschen egal. Du konntest davon ausgehen, dass du immer irgendwen von den üblichen Verdächtigen triffst, ohne festen Termin”

“Als Barkeeper siehst du ein bisschen von allem. Das Wichtigste ist es, distanziert zu bleiben, und sich nicht zu sehr in die Leben meiner Kundschaft einzumischen”

DerRegisse u r der BarR e gi an

Caffè karte

Der espresso für einen euro ist das Aushängeschild der italienischen Bar Kultur, der verflüssigte Inbegriff der “Dolce Vita”. Inflation und Lieferengpässe sorgen allerdings dafür, dass wir uns immer weiter vom Traum des 1€ Kaffees entfernen. So ist nicht nur ein Innerstaatliches Nord-Süd-Gefälle beim Preis für einen Espresso fest zu stellen, sondern auch ein innerstädtisches Zentrum-Stadtrand-Gefälle. Index Bozen

Durchschnitt Italien

Bozen: 1,36€

Bologna: 1,27€

Mailand: 1,17€

Neapel: 1,08€

Rom: 1,07€

QUELLE

Bar Culture Fanzine ist eine unabhängige redaktionelle Produktion, herausgegeben von ViaDante Collective.

Gedruckt im Dezember 2024

Auflage 120 Stück

ViaDant e Collect i v e

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