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Geleitwort
Noch hielt mich die Arbeit in der Doppelpfarrei Niederbüren-Oberbüren fest, obwohl ich das offizielle Pensionierungsalter überschritten hatte. Von Zeit zu Zeit spürte ich mehr als früher eigene Unzulänglichkeiten, sodass Gedanken an einen Ortswechsel hin und wieder im Kopf herumschwirr ten. Ich träumte von einem geruhsameren Leben mit weniger Hektik und öffentlicher Verantwortung gegenüber dem Kirchenvolk und meinen Vor gesetzten. Ich wünschte mir für den letzten Lebensabschnitt vermehrt mein eigener Herr und Meister zu sein. Es hatte keine Eile, und ich liess mir Zeit, eine passende Gelegenheit abzuwarten. Was dann auch eintraf. Bei der Verabschiedung eines Priesterkollegen kam die Rede auf das leer stehende Pfarrhaus in Bollingen [→170]. Dort wäre ein Platz frei für einen mitarbeitenden Seelsorger mit reduziertem Arbeitspensum. Etwas skep tisch hinsichtlich der Abgeschiedenheit des Dorfes, verlockt jedoch durch die herrliche Umgebung am oberen Zürichsee, war mir diese Gegend be kannt. Besuchte ich dort hin und wieder meinen ehemaligen Andwiler Kaplan Beat Pfau [→215], der inzwischen auch zu meinem Geistlicher Va ter [→183] geworden ist. So entschloss ich mich ohne längeres Sinnieren für das Angebot. Bischof Dr. Ivo Fürer [→182] gab seine Einwilligung und das Abschiedsprozedere in der Doppelpfarrei nahm seinen Lauf.
Eigenartig, am neuen Wohnort erschien mir die erste Zeit wie anein ander gereihte Ferientage. Aber das kann es ja auch nicht sein – Arbeit ist ja des Menschen Zierde. Und ein länger dauerndes Ferienparadies be scherte dem ersten Menschenpaar der Bibel auch nicht jene Glückseligkeit, die ewig dauerte. Bald kam mir der Spruch meines Lateinlehrers in den Sinn: hic Rhodos, hic salta! was auf meine Situation angewendet hiess: hier ist Bollingen, da kannst du jetzt tanzen!
Gartenarbeit lag mir im Blut; Blumenkulturen pflegen und bewun dern nahmen meine Aufmerksamkeit vermehrt in Anspruch; Kletterpflanzen entlang der Hausmauer verrieten mir, dass sie auch ohne Augen einen Draht erfühlten und sich daran festhalten konnten. Übliche Seel -
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sorge, kulturelle Interessen und Mussestunden füllten von nun an den Alltag. Tage und Monate zogen dahin; kaum einmal etwas Spektakuläres. Bis dann eines Morgens ein Student aus Prag an meiner Haustür klingelte und wissen wollte, wo denn der berühmte Professor gelebt hätte. Ein deutli ches Zeichen, dass ich den bisher unbeachteten Winkel in meiner unmittelbaren Nähe nicht mehr länger ignorieren sollte. Dieses Versteck war nichts weniger als das Refugium des Carl Gustav Jung [→194]. Es sollte sich als eine Welt voller Wunder am oberen Zürichsee herausstellen.
Ich lebte in einer Landschaft mit ihren Menschen, Wiesen, Rebhän gen, Gewässern, Bergen, Tieren, Pflanzen und dem edlen Sandstein: das kleine Dorf, die uralte Siedlung und über ihr nur das Himmelsgewölbe. Ein Arkadien [→165], eine Welt voller Wunder, eingebettet zwischen Schmerikon und Jona.
Mit dem Dank an alle, die zur Veröffentlichung dieser Wunder-Wel ten beigetragen haben, verbinde ich den Wunsch für mehr Innehalten und aus der Vergangenheit das mitzunehmen, was auch in Zukunft seinen Wert behält.
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