Brückenbau 1-2/2020

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SYMPOSIUM Anlass und Durchführung des Realisierungswettbewerbs

Ersatzneubau der Norderelbbrücke in Hamburg von Gregor Gebert

Die Norderelbbrücke aus dem Jahr 1963 stellt ein herausragendes Zeugnis der Ingenieurkunst dar. Nach fast 60 Jahren der Nutzung, während deren eine erhebliche Zunahme des Schwerverkehrs zu verzeichnen war, hat das Bauwerk das Ende seiner Lebenszeit erreicht. Eine nachhaltige Verstärkung und Reparatur ist aufgrund der konstruktionsbedingten Defizite nicht möglich. Daher laufen mit Hochdruck die Planungen für den Ersatzneubau, Ziel ist es, das bestehende Bauwerk bis 2026 außer Betrieb zu nehmen. Derzeit werden über die Norderelbbrücke unter Nutzung des ehemaligen Standstreifens drei Fahrstreifen pro Richtung geführt. Der Bundesverkehrswegeplan sieht für die Bundesautobahn A 1 eine Erweiterung auf acht Fahrstreifen im vordringlichen Bedarf vor. Darüber hinaus erfordern die unmittelbar angrenzenden Autobahndreiecke jeweils zwei zusätzliche Verflechtungsstreifen, so dass der Neubau insgesamt zwölf Fahr- zuzüglich Standstreifen zu überführen hat und damit mehr als doppelt so breit sein wird wie der Bestandsquerschnitt. Hinzu kommt noch die Überführung eines Geh- und Radwegs. Für Hamburg hat das Bauwerk Wahrzeichencharakter, das Signet des Pylons mit den zwei Schrägseilpaaren findet sich im Logo des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer wieder. Aufgrund der gestalterischen und technischen Bedeutung wurde für den Ersatzneubau der Norderelbbrücke ein Realisierungswettbewerb durchgeführt.

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Das Bestandsbauwerk: eine Landmarke der A1 1.1 Gestalt und Konstruktion Die 1963 eröffnete Norderelbbrücke gehörte zu den ersten großen Schrägseilbrücken in Deutschland. Im Zuge eines 1958 ausgeschriebenen Bauwettbewerbs kam ein Stahlbrückenentwurf der Rheinstahl Union Brückenbau AG zur Ausführung. Das Tragkonzept einer MittelträgerSchrägseilbrücke war innovativ und neuartig. Die Herstellung erfolgte im Freivorbau. Die ca. 55 m hohen Pylonen ragten aus gestalterischen Gründen ungewöhnlich weit über die obere Seilverankerung hinaus, was dem Bauwerk einen unverwechselbaren Charakter verlieh. Die Baukosten betrugen damals 14 Mio. DM. Maßgeblich an der Planung beteiligt waren der Ingenieur Hellmut Homberg

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BRÜCKENBAU | 1/2 . 2020

Lageplan © DEGES GmbH

Verkehrsquerschnitt und Herstellungskonzept © DEGES GmbH

(1909–1990) und der Architekt Egon Jux (1927–2008). Seit 2010 steht die Brücke auf der Liste der Hamburger Kulturdenkmäler. Das 411 m lange und ca. 31 m breite Bauwerk spannt über fünf Felder, wobei die Hauptstützweite über der Norderelbe 172 m beträgt. Das Fahrbahndeck ist aufgehängt an Seilen in der Brückenachse, wobei je Pylon vier Seilgruppen vorhanden sind, die aus jeweils vier Seilbündeln bestehen. Die sich nach oben hin verjüngenden Pylonen sind in das Fahrbahndeck eingespannt und auf den Strompfeilern aufgelagert. Das originäre Bauwerk war, wie zu dieser Zeit üblich, minimalistisch konstruiert.


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