Uni:Press # 665 (Juni 2011)

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Umweltschutz

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Studierendenheime & Umweltschutz: Mehr als nur ein Lippenbekenntnis Studierende, die ihre Residenz in einem Wohnheim aufgeschlagen haben, legen ganz nebenbei und vermutlich unbewusst, ein umweltfreundliches Verhalten an den Tag. Zumindest wenn sie eines der Zimmer des Salzburger Studentenwerks in Beschlag genommen haben. Von Sandra Bernhofer Wer dieser Tage am Franz-von-Sales-Kolleg vorbeischlendert oder gar darin wohnt, wird es längst bemerkt haben: Es wird heftigst renoviert. Schon im Vorjahr war das Haus mit Vollwärmeschutz ummantelt, die Fenster ausgetauscht und die von der Wohnbauförderung empfohlenen thermischen Maßnahmen vorgenommen worden. So erfolgt die Warmwasseraufbereitung inzwischen über Solaranlagen; während früher Öl- und Gasheizungen der Stand der Dinge waren, sind mittlerweile alle Studierendenheime auf Fernwärme umgestellt worden. Das Franzvon-Sales-Kolleg heizt überhaupt mit einer sogenannten Luft-Solar-Wärmepumpe, die mit Hilfe von Umgebungsluft einen Pufferspeicher mit Wassertank erwärmt, das er-

wärmte Wasser wiederum beheizt das Haus. Diese umweltfreundliche Methode kommt etwa auch im Concordia-Heim in Klagenfurt zum Einsatz. Aus Alt mach umweltfreundlich Georg Leitinger ist der Geschäftsführer des Salzburger Studentenwerks, das nicht nur der größte Studierendenheimträger in Salzburg ist, sondern auch die Dachorganisation zu dem das Franz-von-Sales-Kolleg gehört. Im Interview erzählt er, dass nicht nur das FSK, wie es von InsiderInnen genannt wird, auf den neuesten Stand der Wohnbautechnik gebracht wurde, sondern auch die älteren Studierendenheime, die zum Teil noch aus den 60er und 70er Jahren stammen, darunter das Internationale Kolleg oder das Europakolleg. Darüber hinaus sind, um den Stromverbrauch zu senken, sämtliche Häuser auf Energiesparlampen oder LED-Beleuchtungskörper umgestellt worden. Ein weiterer wichtiger Punkt auf der Agenda betrifft die Kühlschränke, die sukzessive ausgetauscht werden. Darüber hinaus werden – ebenfalls laufend – neue, besser gedämmte Boiler eingebaut, was ebenfalls zu einer erheblichen Stromersparnis führt, denn kosten- und damit energierele-

vant seien in erster Linie die Kühlschränke und Heizanlagen, erklärt Leitinger. Die neu errichteten Häuser – der Campus Urstein, das Matador in Kuchl, das MozartStudentenheim sowie jenes, das gerade in der Gaswerkgasse entsteht, – wurden darüber hinaus mit Sensorarmaturen an den Waschbecken ausgestattet. „Das Wasser läuft somit nur, wenn man die Hände darunter hält, das heißt, nur wenn man es wirklich braucht“, erklärt Leitinger deren Funktion. 30 Prozent Wasserersparnis soll diese Maßnahme bringen. Um dem Verbrauch weiter vorzubeugen, sind bei den Duschköpfen sogenannte Perlatoren installiert. Diese reichern das Wasser mit Luft an, sodass zwar genug zum Waschen aus den Düsen fließt, im Endeffekt aber doch weniger herauskommt. Die Strahlregler können den Wasserverbrauch um etwa 40 Prozent verringern. „Das Salzburger Studentenwerk hat im Bereich Umweltschutz bzw. Nachhaltigkeit sehr viel getan“, fasst Leitinger die Maßnahmen zusammen. Neues und Wegweisendes Das Vorzeigeprojekt schlechthin ist aber das Heim Matador in Kuchl, das ein hundertprozentiges Passivhaus ist. Das bedeutet,

dass über die Abwärme vom Kochen sowie von den PCs und Menschen in den Räumen die Luft erwärmt wird. Damit steht es in der Tradition eines Paradestudierendenheims in Wien, das 2005 in Betrieb genommen wurde: als weltweit erstes Passivhaus-Studierendenheim. Eine Evaluation im Jahr 2007 hat ergeben, dass im Vergleich zu einem herkömmlichen Wohnhaus vier Fünftel an Heizenergie und damit auch der Treibhausgasemissionen eingespart werden können. Das Passivhaus-Wohnheim weist damit eine erfreuliche Energieperformance auf und leistet einen deutlichen Beitrag zum Klimaschutz. Mit ähnlichen Ergebnissen dürfte auch die Studierenden-Residenz in Kuchl aufwarten. Die Streichung der Förderung für die Generalsanierungen der österreichischen Studierendenheime durch das Wissenschaftsministerium wird auf Vorhaben, die dem Umweltschutz dienen, übrigens keinen Einfluss nehmen, schließlich stehen diese Maßnahmen im Interesse des Salzburger Studentenwerks – immerhin lassen Energiesparmaßnahmen ja auch die Betriebskosten dahin schmelzen.

Leere Mägen, volle Tanks? Seit der letzten Erdölkrise geistern Begriffe wie „globales Ölfördermaximum“ oder „Peak Oil“ durch die Weltwirtschaft. Die zur Problemlösung gedachten alternativen Treibstoffe laufen bei genauerer Betrachtung jedoch Gefahr, zum Nullsummenspiel zu verkommen. Von Teresa Burian Leidgeprüfte AutofahrerInnen können ein Lied davon singen: das Auf und Ab der Spritpreise an der Zapfsäule im Verlauf einer Woche macht die Fahrt zur Tankstelle jedes Mal zum Glücksspiel. Gebannt starrt man auf die Euro-Anzeige, deren Zahlen immer bedeutend schneller in die Höhe rattern als die Menge getankter Liter. Die globale Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen hat ein nie da gewesenes Ausmaß erreicht. Nicht nur im Transportwesen, sondern auch in der Energieversorgung sind wir mehr denn je auf Rohstoffe aus den Tiefen des Erdreichs angewiesen. Drei Ölkrisen innerhalb der letzten vierzig Jahre sprechen für sich. Und seit einiger Zeit bemerkt man anhand des größer werdenden Lochs in der Geldtasche, dass die wenigen, noch vorhandenen Ressourcen in ebenso wenigen Händen verteilt sind. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts, noch vor der Erfindung des Dieselmotors durch Rudolf Diesel, wurde ein Verfahren zur Herstellung eines „biologischen“ Treibstoffes beschrieben. Bei der Weltausstellung im Jahre 1900 berichtete Diesel von einem erdnussölbetriebenen Motor, der tadellos funktionierte. In den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts gab es in Europa bereits zahlreiche Biodieselanlagen. Eine intensivere Auseinandersetzung mit alternativen Treibstoffen, aus erneuerbaren Biomassen wie Ölpflanzen, Getreide oder Holzresten gewonnen, erfolgte

dennoch erst durch das konstante Rekordhoch von Rohöl (über 150 Dollar pro Barrel im Sommer 2008) der letzten Jahre. Biodiesel – das neue „schwarze Gold“? Fossile Brennstoffe „wachsen“ nicht schnell genug nach, über kurz oder lang (eher kurz) sind diese Rohstoffe erschöpft. Bis der letzte Tropfen jedoch in umgewandelter Form in die Atmosphäre gepustet wird, vergeht ausreichend Zeit, die es den Ölmultis erlaubt, jene Vorkommen anzuzapfen, deren Erschließung bisher unrentabel gewesen wäre. Die sogenannte „willingness to pay“ der KundInnen , also die Bereitschaft, für ein bestimmtes Produkt einen bestimmten (meist hohen) Preis zu bezahlen, scheint sehr flexibel, aber nicht unendlich zu sein. Doch die Nachfrage geht über das Angebot hinaus. In Österreich wird seit 2005 Dieselkraftstoff mit einer Biokomponente an den Tankstellen verkauft. Grundlage dafür ist die Europäische Biokraftstoffrichtlinie 2003/EG/30, die eine schrittweise Substituierung der fossilen Treibstoffe vorsieht. Der ursprüngliche Anteil von 5 % Biodiesel wurde im Jahr 2009 auf 7 % angehoben. Im Vorfeld wurde heftigst über die Verträglichkeit dieser neuen Kraftstoffmischung mit einzelnen Motorentypen diskutiert. Die Regierung war darum bemüht, FahrzeughalterInnen zu versichern, dass keinerlei oder kaum Anpassungsmaßnahmen erforderlich sein werden. Schlechte Erfahrungen und Schäden blieben trotzdem nicht aus: Da Biodiesel zähflüssiger als rein fossiler Diesel ist, kommt es bei Autos mit einer bestimmten Einspritztechnik zu Problemen mit der Kraftstoffpumpe. „Wir öffnen die Büchse der Pandora.“ Mit mahnendem Fingerzeig auf Bestimmungen des Kyoto-Protokolls wird immer wieder

auf die Vorzüge des Biodiesels als hochwertigen und umweltverträglichen Treibstoff verwiesen. Die teurere Variante wird aus frischen, pflanzlichen Ölen, wie beispielsweise Raps-, Soja-, Sonnenblumen oder Palmöl gewonnen. Als geringwertigere Rohstoffe werden Altspeiseöl oder auch Tierfette herangezogen. Biodiesel ist biologisch abbaubar, nicht wassergefährdend, zumeist ohne Aufrüstung der Motoren einsetzbar, ungiftig und hat etwa um die Hälfte weniger Ruß-Emissionen als herkömmlicher Diesel. Die bei der Verarbeitung entstehenden Abfallprodukte werden zu Futtermitteln weiterverarbeitet. Beim Thema Klimafreundlichkeit und Ökobilanz scheiden sich jedoch die Geister. BefürworterInnen betonen die bessere Umweltverträglichkeit im Vergleich mit anderen Biotreibstoffen, wie etwa Mais-Ethanol. Die geringeren Ruß-Emissionen werden jedoch von anderen schädlichen Verbrennungsprodukten, beispielsweise Ozon fördernden Gasen, überschattet. Die Chemie-Professorin Katharina Kohse-Höhnighaus von der Universität Bielefeld warnte in einer Studie vor der überstürzten Verwendung des bisher noch kaum erforschten Biokraftstoffes. Nicht alle möglichen Verbrennungsprodukte wären absehbar: „Wir öffnen die Büchse der Pandora. Wir verwenden Stoffe, ohne vorher unsere Hausaufgaben gemacht zu haben.“ Abholzungen für „Biodiesel“ Eine auf den ersten Blick günstige Ökobilanz muss auch im Zusammenhang mit den Landnutzungsänderungen kritisch betrachtet werden. In Schwellenländern wie Indien finden große Regenwaldrodungen (oft mittels Brandrodung) statt, um Ölsaaten anbauen zu können. Die dabei entstehenden CO2-Emissionen werden oft nicht berücksichtigt. Eine Bewirtschaftung mit Monokulturen bedeutet eine einseitige Auslaugung des Bodens, zusätzlich gefährden bestimmte Insektizide, welche für gleichbleibende Erträge garantie-

ren sollen, die Artenvielfalt in diesen Gebieten. Nichts Neues in unserer Welt des ewigen Konflikts zwischen Naturschutz und Ausverkauf von Ressourcen und Rohstoffen, mag man denken. Doch gerade in weniger industrialisierten Ökonomien ist der großflächige Anbau von Ölpflanzen für die Treibstoffgewinnung problematisch. Diese Agrarflächen verringern die Fläche für Lebensmittelpflanzen. Die Folgen können eine Verknappung und Verteuerung der Lebensmittel sein, wie bei der mexikanischen Tortilla-Krise im Jahr 2007. Aufgrund der hohen Nachfrage amerikanischer Ethanolproduzenten explodierten die Preise für Mais – einem wichtigen Grundnahrungsmittel Mexicos. Für viele Bauern und Bäuerinnen ist es oft profitabler, ihre Ernte an Treibstoffhersteller zu verkaufen, zumal diese, wegen der relativ geringen Energieausbeute, große Abnehmer sind. Ein Auto mit Biokraftstoff benötigt für 140 km den Jahresbedarf an Getreide eines Menschen. Die Folgen einer Verknappung am Ernährungssektor werden in Entwicklungsländern für reichlich Konflikt sorgen, Hungeraufstände drohen. Die Subventionen für die Herstellung von Biokraftstoffen, unter anderem durch die EU, bewirken genau das Gegenteil von dem, was die Klimabilanz tatsächlich verbessern würde. Nämlich eine Einschränkung des globalen Transport- und Verkehrsaufkommens, die Weiterentwicklung von Elektro- und Wasserstoffmotoren, sowie ein Umdenken in der Energiegewinnung und der Ausbau von Wind- und Wasserkraft. Wie erfolgreich die Verwendung von Biodiesel und Co. als Ersatz für fossile Brennstoffe tatsächlich ist, wird sich noch herausstellen. Derzeit sieht es jedoch so aus, dass diese Alternative (einmal mehr) nur der ohnehin bereits privilegierten Zivilisation in Industriestaaten zugute kommt.


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