Ueberflieger Ausgabe 27

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musikgeschichte

Gab es damals DJs? Die gab es erst später, so in den 1970ern. Wir nannten sie Schallplattenunterhalter oder Diskomoderator. Zunächst gingen die Leute allerdings lieber weiter zu Livebands. Das war ein anderer Sound, irgendwie realer als Musik vom Tonband. Westkontakte oder viel Geld waren damals sehr wichtig für die DJs. Die Technik war zu der Zeit in der DDR leider ziemlich schlecht und Westmusik gab es nur unter der Hand gegen Devisen (Westmark). Auch die DJs mussten Prüfungen absolvieren, die so ähnlich wie bei den Bands abliefen. Sie durften nur auflegen, wenn sie eine Spielerlaubnis hatten, die sogenannte „Pappe“. Wie lief so eine Tanzveranstaltung ab? Die Bands spielten immer drei Lieder, drei Runden, wie wir es nannten. Dann gab es eine Pause. Die nutzten wir, um uns frisch zu machen oder was zu trinken. Natürlich flirteten wir auch und suchten uns unseren nächsten Tanzpartner aus. Manchmal musste man auch die Pause nutzten, um einem Jungen klar zu machen, dass man nicht weiter mit ihm tanzen wollte. Ein Partner war sehr wichtig, denn man tanzte nie allein, sondern immer mit jemandem zusammen. Das änderte sich erst, als die Disko in Mode kam, die übrigens mit „k“ geschrieben werden musste. Dort tanzte ich dann auch mal allein, was aber selten vorkam, da ich ja meinen Eberhard, meinen Ehemann, hatte. Konntest du zu Hause Musik hören? Ja, das konnte ich zum Glück. Ich hatte zu Hause einen Schallplattenspieler, den ich natürlich viel nutzte. Es war schwierig, die aktuellen Schallplatten zu bekommen. Nur manchmal gab es Lizenzplatten mit moderner Musik aus dem Westen, die in der DDR zugelassen wurde, zu kaufen. AllerSeite 34

dings musste man dafür oft lange anstehen oder „Beziehungen“ (auch Vitamin B genannt) haben, da es nie für alle reichte. Deshalb brachte ich mir auch gern aus dem Urlaub Platten mit, z.B. aus der ehemaligen ČSSR und Ungarn. Aber nicht nur Schallplatten habe ich gehört, sondern auch viel Radio. Nur gab es nicht so viele Musiksender wie heute. Welche waren deine Lieblingssender? Die Sender „EFN“ und „RIAS“ habe ich am meisten gehört. Das waren Radiosender, die aus dem Westen in die DDR ausgestrahlt wurden und deshalb bei uns offiziell nicht erlaubt waren. Ich musste also immer aufpassen, dass keiner mitbekommt, welchen Sender ich hörte. Die Ostsender haben mich wenig interessiert. Später gab es das Jugendradio DT64. Hier wurde z.B. am Nachmittag in der Sendung „Duett - Musik für den Rekorder“ für 30 Minuten versucht, auch mal annehmbare Musik zu spielen. Wie war das mit Kassetten? Ungefähr seit den 1970ern gab es Kassetten, die wirklich eine Bereicherung für uns darstellten. Sie waren handlich und wesentlich praktischer, wenn man damit Musik aus dem Radio mitgeschnitten hat. Ich kenne auch noch die relativ großen Tonbänder. Hier wurde die Radiomusik über ein Mikrofon aufgenommen. Dabei durfte keiner husten oder knistern, weil alle Geräusche dann auf dem Band waren. Dazu fällt mir eine Geschichte ein: Ein Hörer aus der DDR hatte sich mit der Bitte an einen Westsender gewandt, was natürlich sehr gefährlich war, dass der Sender die Musiktitel in voller Länge ausspielen und der Moderator nicht am Ende reinquatschen sollte. Das war immer sehr ärgerlich, wenn vor Ende eines Titels ein Kommentar kam und man die Aufnahme abbrechen musste. Überflieger


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