Magazin 88_89

TRIGON MAGAZIN NR. 88/89

DER FILMREIFE COUP

EL ROBO DEL SIGLO – DIE GAUNERKOMÖDIE VON ARIEL WINOGRAD, ARGENTINIEN

DIE ZUKUNFT BERÜHREN

LUNANA VON PAWO CHOYNING DORJI, BHUTAN

FOTOS, DIE GESCHICHTE SCHRIEBEN

LOOKING FOR GILLES CARON VON MARIANA OTERO, FRANKREICH

DEN HOCKER WEGZIEHEN?

THERE IS NO EVIL – GOLDENER BÄR 2020 VON MOHAMMAD RASOULOF, IRAN

REISE INS NIEMANDSLAND

SIN SEÑAS PARTICULARES VON FERNANDA VALADEZ, MEXIKO

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FOLLOW US:

TRIGON

KNOCHENARBEIT

9

Nuestras madres von César Díaz, Guatemala

MAGAZIN NR. 88/89

DER FILMREIFE COUP

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El robo del siglo von Ariel Winograd, Argentinien Niels Walter

Liebe Filmfreundin, lieber Filmfreund Was für ein Jahr!

Wir haben am 12. März mit Ema y Gastón einen der verrücktesten Filme ins Kino gebracht, ein Film, der radikal aus dem Hier und Jetzt erzählt. Am 16. März mussten alle Kinos schliessen. Spontan haben wir uns entschieden, Ema y Gastón weiterlaufen zu lassen, damit das chilenische Feuerwerk gesehen werden kann. Dank der eigenen Streaming-Plattform filmingo war das erfolgreich möglich. Natürlich ist das in keiner Beziehung vergleichbar mit dem Kino, aber immerhin steht der Film zum Schauen bereit.

Zwei Wochen davor sind wir von der Berlinale zurückgekehrt, dem letzten grossen Festival 2020, das noch normal stattfinden konnte.

Im Gepäck hatten wir einen Film, für den man den sparsam zu gebrauchenden Begriff Meisterwerk verwenden darf: There is no Evil von Mohammad Rasoulof. Zuhause verfolgten wir die Preisverleihung live und freuten uns enorm: Der Film erhielt von der Internationalen Jury unter dem Vorsitz des Schauspielers Jeremy Irons hochverdient den Goldenen Bären. Die Mullahs in Teheran hinderten den ausgezeichneten Künstler zwar daran, auszureisen und den Preis selber entgegenzunehmen; sie machten damit erst recht die Dringlichkeit des Filmes deutlich. Der Produzent Kaveh Farnam hielt eine bewegende Rede: «Es gibt keine Mauern, die Ideen, Vorstellungskraft oder die Liebe aufhalten können. Nur die Diktatoren machen sich durch die Mauern kleiner und kleiner.»

2020 ist nicht nur das Jahr des Lockdowns, es ist auch das Jahr, in dem vielerorten primitiv gewordene Politik und das mediale Getöse um sie herum von dringlichen Fragen ablenken. Auch deshalb freuen wir uns, dass die Kinos wieder offen sind und wir gemeinsam Filme auf grossen Leinwänden entdecken können. There is no Evil gehört dazu. Aber auch Filme aus anderen Regionen. In ihrem Erstling Sin señas particulares führt uns Fernanda Valadez mit ihrer brillanten Kamerafrau Claudia Becerril Bulos nicht nur ins mexikanisch-US-amerikanische Grenzgebiet und hinein in den Alltag junger Menschen, die das Glück suchten, sie geleitet uns selber an einen Punkt, an dem wir mit unerwarteten Entscheidungen konfrontiert sind: Ein Sinnenöffner.

STATIST IM EIGENEN LEBEN 14 Iniciales S.G. von Rania Attieh, Daniel García – Argentinien Brigitte Siegrist

DIE ZUKUNFT BERÜHREN 16 Lunana von Pawo Choyning Dorji, Bhutan Meret Ruggle

ERWACHEN BEIM AUFPRALL 20 Los sonámbulos von Paula Hernández, Argentinien Kathrin Kocher

FOTOS, DIE GESCHICHTE SCHRIEBEN 23 Looking For Gilles Caron von Mariana Otero, Frankreich Mariana Otero

DEN HOCKER WEGZIEHEN?

30

There is no Evil, Goldener Bär 2020, von Mohammad Rasoulof, Iran Alexandra Seitz

AUSDRUCKSSTARK 35 Das iranische Kino brilliert im Widerstand Walter Ruggle

REISE INS NIEMANDSLAND 37 Sin señas particulares von Fernanda Valadez, Mexiko

Das Fenster zur Welt, das die Leinwand öffnet, ist nicht jenes der schnellen Medien mit den sich jagenden Flashes, es ist eines des vertiefenden Einblicks. Ins Leben eines entlegenen Dorfes in Bhutan zum Beispiel, in die Folgen der Kolonisation in Ruanda oder in die Abgründe einer ganz normalen argentinischen Familie. Vom südlichsten Zipfel Lateinamerikas erreichen uns auch zwei Komödien, von denen eine den grössten Bankraub nacherzählt und dies auf ausgesprochen unterhaltsame Weise. – Das Kino lebt, geniessen wir es und entdecken wir die Welt, die da so nah sein kann.

Notre-Dame du Nil von Atiq Rahimi, Ruanda

Walter Ruggle

Titelbild: There is no Evil

Stefanie Rusterholz

LAND DES TODES

40

Ruedi Küng

KREUZWORTRÄTSEL TRIGON-FILM Hugo Köpfli

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WEITSICHTEN

I STREAM, YOU STREAM Seit 2013 betreibt trigon-film eine eigene Streaming-Plattform, die im März 2019 zur Arthouseplattform erweitert wurde und unter dem Namen filmingo neu gestaltet. Der Dienst war mit dem Lockdown geschätzter denn je. Zahlreiche geschlossene Kinos konnten dank filmingo ihrem Publikum Filme anbieten.

You Will Die at 20

GRAND PRIX FRIBOURG Die Berlinale war das letzte grosse Festival, das in der ersten Jahreshälfte über die Leinwand gehen konnte. Danach gab’s nur Absagen und Verschiebungen ins Netz. Das Festival von Fribourg hat seinen Wettbewerb virtuell veranstaltet und die Jury normal entscheiden lassen. Den Grand Prix erhielt der starke Erstling You Will Die at 20 von Amjad Abu Alala aus dem Sudan.

Das Festival International de Film de Fribourg (FIFF) hat sich trotz der Absage der Veranstaltung für die Verleihung seiner Hauptpreise entschieden. Die Jurys der Lang- und Kurzfilmwettbewerbe konnten sich die Filme von zu Hause aus ansehen und per Videokonferenz begutachten. Die Mitglieder der Jury des Internationalen Wettbewerbs – bestehend aus der französischschweizerischen Schauspielerin Elodie Bordas, dem uruguayischen Filmregisseur Álvaro Brechner, dem ruandischen Regisseur Joel Karekezi und von der haitianischen Filmemacherin Guetty Felin präsidiert – vergaben die beiden Preise des diesjährigen Wettbewerbs wie folgt:

ist ein wunderschön gestaltetes Märchen, das von der Realität eines Ortes durchdrungen ist, der uns durch seine Kultur vielleicht fremd und doch durch seine Menschlichkeit schmerzlich vertraut ist. Dieser Film ist eine grossartige Hommage an die Magie des Kinos und spendet gleichzeitig einer Jugend Hoffnung, deren Nation Hoffnung dringend braucht.»

Zu Los lobos meinte Guetty Felin, dass wir schon viele Geschichten zur Migration gesehen hätten, aber noch nie so: «Ein Film, der uns mit seiner Einfachheit und stillen Kraft bezaubert und bewegt hat. Los Lobos ermöglicht es uns, Hoffnung durch die Dunkelheit zu sehen.»

Der Gewinnerfilm You Will Die at 20 hätte

Prix spécial du Jury 2020: LOS LOBOS, Samuel Kishi Leopo, Mexiko

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Grand Prix du FIFF 2020: YOU WILL DIE AT 20, Amjad Abu Alala, Sudan Bei der virtuellen Preisverleihung sagte Guetty Felin, Präsidentin der Jury: «Ein Wort: Bouleversant! You Will Die at 20

Los lobos

am 1. April in den Kinos starten sollen und konnte das im Lockdown nicht. trigon-film hat sich spontan entschieden, den sehenswerten Erstling, der bereits am Filmfestival von Venedig 2019 mit dem «Leone del futuro» als bester Debüt-Film ausgezeichnet worden war, in Streaming-Premiere auf der Plattform filmingo zu präsentieren.

Mit grossem Erfolg. Inzwischen ist der Film auch in einigen Kinos zu sehen gewesen und bleibt weiterhin im Streaming auf filmingo.ch verfügbar und zu empfehlen. Wir gratulieren Amjad Abu Alala für seinen bewegenden Film und Samuel Kishi Leopo für den Spezialpreis. Los lobos soll Anfang 2021 in die Kinos gelangen.

Filme auf Leinwand im Kino bleiben das Ziel der meisten Filmschaffenden. Auch wir lieben die Dunkelkammern, die uns Erleuchtungen bieten. Neben dem Kino ist das Streaming eine neue Form des Filmschauens geworden. Auf filmingo stehen gegen 700 neue Filme und Klassiker zum Schauen nach Belieben bereit.

In Originalversion mit Untertiteln. Während dem Lockdown konnten auch zwei Dutzend Kinos von dieser Option profitieren. Lanciert wurden in dieser Zeit einzelne Titel in Premiere, die eigentlich auf der Leinwand hätten starten sollen.

Unter ihnen der feurige chilenische Spielfilm Ema y Gastón von Pablo Larraín, die Titelgeschichte unseres letzten Magazins. Der Film fiel nach nur vier Tagen den Schliesssungen zum Opfer und wurde auf filmingo zum Hit des Jahres und bisherigen Spitzenreiter.

Neben Ema y Gastón konnten auch Filme wie Lyiana, The Charmer, You Will Die at 20, Los sonámbulos, Le cirque de Pic ihre Kinopremiere auf filmingo feiern und sich reger Beachtung erfreuen. Streaming wird das Kino nicht ersetzen, aber es wird es begleiten und dem Publikum die Möglichkeit geben, verpasste Filme nachzuholen oder Gesehenes wieder zu sehen.

Hiroshima mon amour

HIROSHIMA MON AMOUR Das Filmerbe verfügbar halten und Klassiker pflegen gehört zu den zentralen Anliegen. Eines der Highlights der Filmgeschichte ist Hiroshima mon amour von Alain Resnais, den wir in restaurierter Fassung mit neuen Untertiteln präsentieren können. Eine unsterbliche Liebesgeschichte aus einem vom Tod gezeichneten Kontext.

Eine französische Schauspielerin (Emmanuelle Riva), glücklich verheiratet, lernt bei Dreharbeiten in Hiroshima vierzehn Jahre nach Kriegsende einen japanischen Architekten (Eiji Okada) kennen, auch er glücklich verheiratet.

Die beiden lieben sich für 24 Stunden – im Bewusstsein dessen, was sie trennt und trennen wird. Die Erinnerungen der Frau an ihre erste grosse Liebe zu einem deutschen Besatzungs-Soldaten im französischen Nevers ebenso wie der Schauplatz Hiroshima vergegenwärtigen den Kontrast zwischen persönlicher Erfahrung und historischem Umfeld.

Ein Meisterwerk und einer der grossen Liebesfilme der Filmgeschichte, geschrieben von Marguerite Duras, filmisch umgesetzt von Alain Resnais.

Sie zeigt Alltagsleben und Eskapaden, Kommerz und Individualität, Komik und Tragik, politische Auseinandersetzung und gesellschaftliche Veränderung. Sie porträtiert einzelne Personen, die in der Masse scheinbar untergehen, schafft Nähe sowie Distanz. Die Vielfalt des urbanen Raums und seine spannungsvollen Facetten bieten FotografInnen seit jeher unzählige Möglichkeiten der fotografischen Inszenierung.

Die Ausstellung «Street. Life. Photography» zeigt rund 220 Arbeiten von 37 internationalen FotografInnen, die in den letzten siebzig Jahren entstanden sind.

Die Werke eröffnen unterschiedliche Perspektiven auf das urbane Leben, aber auch auf das Fotografieren im Strassenund Stadtraum. Wie beobachten FotografInnen damals wie heute die Stadt und ihre BewohnerInnen? Inwiefern spiegeln sich unser Verständnis von öffentlichem

und privatem Raum und unsere Beziehung zur urbanen Umgebung in den Werken wider? Wie hat sich der Blick auf die Stadt und mit ihm die Street Photography als solche im Lauf der Zeit verändert?

In der Ausstellung treffen internationale zeitgenössische FotografInnen wie Maciej Dakowicz, Loredana Nemes, Jenny Odell und Harri Pälviranta auf historische Positionen von Diane Arbus, Lee Friedlander, William Klein, Harry Callahan und Lisette Model. Die Gegenüberstellung historischer und zeitgenössischer Arbeiten ermöglicht es, zentrale Tendenzen und wichtige technische, konzeptionelle und ästhetische Entwicklungen der Street Photography nachzuvollziehen. Fünf kaleidoskopartig angelegte Kapitel gliedern die Ausstellung und eröffnen verschiedene thematische Zugänge. www.fotomuseum.ch

STREET LIFE Street. Life. Photography – Street Photography aus sieben Jahrzehnten bietet das Fotomuseum in Winterthur bis in den kommenden Januar.

Die Street Photography bildet das öffentliche Leben in Grossstädten ab.

Maciej Dakowicz, Ohne Titel, aus der Serie Cardiff After Dark, 2005–2011 © Maciej Dakowicz

30. WELTFILMTAGE Vom 28. Oktober bis 1. November sollen in Thusis die 30. Weltfilmtage über die Leinwand und durch die Beizen flimmern. Die traditionsreiche Veranstaltung feiert ihren runden Geburtstag ohne Feierlichkeiten ganz einfach mit ausgesuchten Filmen im Kino Rätia.

El robo del siglo – Blumen für Thusis

Seit nun fast 30 Jahren finden alljährlich die Weltfilmtage Ende Oktober, Anfang November im Kino Rätia in Thusis statt.

An 6 Tagen werden rund 40 Filme aus aller Welt präsentiert. Ausschlaggebend, 1991 am Fuss der Alpen ein Filmfestival zu gründen, war das «Fest der internationalen Solidarität», welches im Rahmen der 700 Jahr-Feier der Schweizerischen Eidgenossenschaft stattfand. Dank regem Publikumsinteresse und einem qualitativ hochstehenden Programm entwickelte sich in all den Jahren dieses kleine, aber feine Filmfestival zu einem Geheimtipp.

Den Weltfilmtagen Thusis ist es ein Anliegen, das Filmschaffen abseits des Mainstream-Kinos zu fördern und zu zeigen. Gespräche mit eingeladenen Filmschaffenden gewähren interessante Einblicke in die Entstehung der Filme.

«Das Kino gibt uns die Gelegenheit, gleichzeitig die Rolle der Grosseltern und die der Enkel einzunehmen, im Leben kann man nur eins davon gleichzeitig sein.»

Abbas Kiarostami

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5th Arab Film Festival Zurich

Filmpodium 19. – 29.11.2020

artischock.net

Nüschelerstrasse 11, 8001 Zürich www.filmpodium.ch

30 JAHRE ECHT ANDERS. 6

www.abs.ch

MELINA LEÓN, PERU Canción sin nombre heisst der Spielfilm aus Peru, der zu den Lockdown-Opfern gehörte, nachdem er in Cannes 2019 gefeiert worden war. Er kann weiterhin da und dort im Kino gesehen werden oder im Streaming. Brigitte Siegrist hat die junge Regisseurin getroffen und sie nach dem Hintergrund zu ihrem Film befragt, in dem sie in die bewegten 80er Jahre Perus zurückreist und die Geschichte von Georgina aufrollt, deren Kind nach der Geburt spurlos verschwand. Melina León erzählt:

There is no Evil

Eingeladen ist dieses Jahr als Hauptgast die Schriftstellerin Scholastique Mukasonga aus Ruanda – sofern Reisen Ende Oktober möglich sein werden.

Und unter den Filmen figurieren Canción sin nombre aus Peru (siehe Beitrag auf dieser Seite), Lunana aus Bhutan, Ema y Gastòn aus Chile, The Letter aus Kenia, There is no Evil aus dem Iran, It Must be Heaven aus Palästina, Los lobos aus Mexiko, El robo del siglo aus Argentinien und Nuestras madres aus Guatemala.

Detaillierte Programminfos gibt’s unter www.weltfilmtage.ch

ZHANG YIMOU Im Oktober/November präsentiert das Filmpodium Zürich eine Werkschau mit Filmen des Chinesen Zhang Yimou, das ist der Regisseur, der 2008 im Staatsauftrag die Olympia-Eröffnungsund Schlussfeier choreografiert hatte.

1988, das war das Jahr, in dem die Stiftung trigon-film begann, Filme aus Süd und Ost in die Kinos zu bringen, die bis dahin niemand herausgebracht hatte. Und es war das Jahr, in dem Das rote Kornfeld von Zhang Yimou in Berlin den Goldenen Bären erhielt und damit dem nach der Kulturrevolution wieder erwachten chinesischen Film Türöffner in den Westen war. Inzwischen ist Zhang Yimou einer der erfolgreichsten Vertreter der so genannten Fünften Generation des chinesischen Kinos, die während der Kulturrevolution in den 1980er-Jahren aufgewachsen war. Fortan feierten chinesische Filme international Erfolge: Auch Jia Zhan-ke, Chen Kaige, Wang Quan’an, Xie Fei, Shuo Wang und Li Shaohong holten die Goldenen Raubtiere von Cannes, Berlin, Venedig und Locarno ab. Die Juryentscheide waren selten als politische Manifestation zu deuten: Die chinesischen Filme gehörten nun einfach zum Überzeugendsten und Zwingendsten, was das Weltkino in diesen Jahren hervorgebracht hat.

Bei Zhang Yimou besticht die formale Vielfalt: Von bildstarken Historiendramen (Ju Dou, Rote Laterne) über neorealistisch anmutende Gegenwartsfilme wie Die Geschichte der Qiu Ju oder Not One Less bis zu opulenten WuxiaEpen wie Hero oder House of Flying Daggers – Zhang Yimou hat sich in den 35 Jahren seiner Karriere immer wieder neu erfunden.

«Ich kam 1977 zur Welt. In meiner Erinnerung war es eine Zeit der Hoffnungslosigkeit. Aber es gab auch lichte Momente, mir fällt spontan ein, wie das peruanische Frauen-Volleyballteam die Silbermedaille an der Olympiade in Seoul gewann. Das war schon was Grosses für ein Land in dieser Situation, wie wenn zum Beispiel heute Venezuela irgendwo Weltmeister würde. Ansonsten gab es diese schreckliche Inflation.

Du wolltest was kaufen gehen und wenn du im Laden warst, konntest du es dir schon nicht mehr leisten.

Es herrschte grosse Unsicherheit, die Leute wussten nicht, ob sie ihre Arbeit verlieren würden, ob sie ihre Familie ernähren konnten, die Lebensmittel waren rationiert, die Qualität der Produkte schlecht. Die Regierung hatte Importe verboten. Der kulturelle Imperialismus ist grundsätzlich heftig, aber mit den Verboten wurde es nur noch schlimmer.

Alle träumten von den Produkten, die im Ausland hergestellt wurden, vor allem in der USA, gerade elektronische Geräte.

Etwas aus dem Ausland zu bekommen war das Konversationsthema schlechthin. Die Armut ging durch alle Schichten.

Eine Million PeruanierInnen emigrierten in jener Zeit und ich sehe das jetzt, wo ich mit meinem Film herumreise. Überall treffe ich PeruanerInnen, die damals das Land verliessen und ihr Leben im Ausland aufgebaut haben. So kam auch hier in Zürich eine ganze peruanische Vereinigung zur Filmvorführung, für sie ist der Film ziemlich heftig, weil er den Punkt markiert, an dem ihr Leben eine drastische Wende nahm.

Einerseits kannte ich die Geschichte von meinem Vater her, der sie mit recherchiert hatte, ich stützte mich aber vor allem auf Zeitungsberichte und sprach mit einer betroffenen Mutter, die zwei bereits etwas ältere Kinder so verloren hatte, konnte aber nicht zu tief in der Wunde stochern. Mein Ziel war ganz klar eine Fiktion: Es werden Kinder

Canción sin nombre

Schwere-los von Thomas Senf mit Daniel Anker

gestohlen, um über Adoptionen Geld zu verdienen, und es gibt involvierte Richter. Der Staat unterstützt das Ganze, mehr noch, ist Teil der Operation.

Die ethnische Durchmischung ist in Peru stark. Mein Fall ist fast schon exemplarisch. Meine beiden Grossväter kenne ich nicht, nur meine Grossmütter, und das hat mit dieser Abspaltung vom Einheimischen zu tun. Die Grossmutter mütterlicherseits stammte aus einer Familie von Grossgrundbesitzern spanischer Herkunft, während der Grossvater ein Indigener war, ein Bauer. Ihm waren die Tore verschlossen, er wurde nie in die Familie integriert, meine Mutter wuchs bei ihren Grosseltern auf.

Väterlicherseits war es umgekehrt.

Mein Vaterwuchs bei seiner Mutter aus ärmlichen Verhältnissen auf, die einem indigenen Stamm der Küste angehörte, während der Vater aus einer wohlhabenden Familie war und nicht mit ihr leben konnte.»

LA VIDA ES SILBAR AM EIGER Fasziniert vom kubanischen Spielfilm La vida es silbar (Das Leben, ein Pfeifen) hat der Schweizer Bergsteiger Daniel Anker vor gut zwanzig Jahren eine neue Kletterroute an der Eiger Nordwand nach dem Film benannt. Jetzt hat er sie noch einmal durchstiegen und filmisch dokumentiert. Seinen Film Schwere-los gibt’s als Bonus zum restaurierten La vida es silbar auf filmingo.

1999 brachten wir den kubanischen Spielfilm La vida es silbar von Fernando Pérez in die Schweizer Kinos. Mit mehr als 120’000 Eintritten wurde er zum erfolgreichsten Film der Kollektion. Gesehen hat ihn damals der Berggänger Daniel Anker, der sich anschickte, an der legendären Eiger-Nordwand im Berner Oberland eine neue Route zu begehen.

Es ist eine 900 Meter lange, aus 27 Seillängen bestehende Route, die über einen steilen und langen Pfeiler verläuft und zu den anspruchsvollsten am Eiger gehört. Sie beginnt am Stollenloch und verläuft über die Rote Fluh zum Tschechenpfeiler. Anker war begeistert von seiner neuen Tour und vom Film, den er im Kino gesehen hatte, und so taufte er seine Eiger-Route «La vida es silbar» und verewigte den Filmtitel gewissermassen im Felsen des Schweizer Berges.

20 Jahre später hat er den Eiger auf dem Weg «La vida es silbar» noch einmal bestiegen und wurde dabei von der Kamera von Thomas Senf begleitet.

Entstanden ist der Dokumentarfilm «Schwere-los». Für die richtige Route am Eiger muss man schwindelfrei sein, der Film erlaubt es, sie auch angeschnallt zuhause im Sessel zu begehen und eines wird klar: Das Leben, ein Pfeifen!

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Binnen weniger Wochen hat sich unser aller Leben geändert: Lockdown, Homeof�ice, Kontaktbeschränkungen, tägliche Bulletins von Virologen, Protestbewegungen und Verschwörungsfantasien. Hätten wir darauf vorbereitet sein können? Aber ja – alles schon mal dagewesen: Im Kino!

Denis Newiak sucht nach Ideen zur Bewältigung der sozialen, politischen und ökonomischen Herausforderungen der Krise.

Filmjahr 2019|2020 — Was waren die wichtigsten Filme des Jahres 2019?

Welche Personen und Debatten haben das Filmjahr geprägt?

Das Filmjahr 2019/2020, das Lexikon des Internationalen Films gibt auf 100 Seiten Antworten zu den wichtigen Ereignissen des Filmjahres und bietet ferner 1500 Kritiken zu allen Neuerscheinungen, die im Kino, im Fernsehen, auf DVD/Blu-ray und über Streaming-Plattformen veröffentlicht wurden.

Denis Newiak Was wir aus Pandemie-Filmen für die Corona-Krise lernen können 120 S. | Pb. | einige tw. farb Abb. 15,00 € | 978-3-7410-0117-8

Filmjahr 2019 | 2020 Lexikon des internationalen Films 520 S. | Pb. | zahlr. Abb. | € 28,00 ISBN 978-3-7410-0354-7

Filmkalender 2021 – klein, fein, informativ mit viel Platz für persönliche Notizen. Mit über 1500 Geburtsund Todestagen und einem gründlich überarbeiteten Anhang: internationale Filmfestivals, Museen und Streaming-Dienste. Dazu viele Fotos und spannende Texte, u.a. Klassiker des Polizei�ilms, New Black Cinema und Frauen in Actionrollen.

Filmkalender 2021 208 S. | Pb. | mit vielen farbigen Abbildungen, Fadenheftung und Lesebändchen € 9,90 | ISBN 978-3-7410-0363-9 www.schueren-verlag.de

VON DER REGISSEURIN VON DIE GESCHICHTE VOM WEINENDEN KAMEL UND DIE HÖHLE DES GELBEN HUNDES

Kolibri

Kulturelle Vielfalt in Kinder- und Jugendbüchern Neu

Kolibri stellt aktuelle Kinderund Jugendbücher vor, die eine offene Begegnung mit anderen Kulturen ermöglichen und einen wertvollen Beitrag zur interkulturellen Diskussion leisten.

Die ausführlichen Besprechungen unterstützen Sie bei der Auswahl für Bibliothek, Schule und Familie.

Erhältlich im Buchhandel oder direkt bei Baobab Books Tel. 061 333 27 27 Fax 061 333 27 26 info@baobabbooks.ch 8

ARTWORK: PROPAGANDA B

60 Leseempfehlungen, 88 Seiten Hrsg. Baobab Books, Basel, 2020 ISBN 978-3-907277-02-7 kostenlos

Das aktuelle Verzeichnis wird ergänzt durch eine umfangreiche Online-Datenbank: www.baobabbooks.ch/kolibri

EIN FILM VON BYAMBASUREN DAVAA

www.baobabbooks.ch

AN WEIHNACHTEN 2020 IM KINO

SCHÖNE FILMAUSSICHTEN Seit 1988 lädt trigon-film ein zu Reisen in alle Himmelsrichtungen und zu anregenden Begegnungen. Wöchentlich aktualisierte Daten und Nachrichten aus dem Kino des Südens und Ostens sowie die Möglichkeit, verpasste Filme per Streaming nachzuholen, finden Sie auf unserer Homepage trigon-film.org und auf filmingo.ch aktuell zu schauen YOU WILL DIE AT 20 Amjad Abu Alala, Sudan Grand Prix am Festival Fribourg Selbstfindung und Selbstbestimmung

Nuestras madres

KNOCHENARBEIT Guatemala war während dreissig Jahren ein Land im Bürgerkrieg. Ernesto ist ein junger Forensiker, der heute hilft, Menschen zu identifizieren, die in jener Zeit verschwunden sind. Eines Tages glaubt er, eine Spur seines Vaters gefunden zu haben, der als Guerillakämpfer zu den Verschollenen gehört. Und er macht eine unerwartete Entdeckung.

Ein zutiefst bewegender Film.

206 Knochen machen das menschliche Skelett aus. Einer nach dem anderen werden sie in der Eingangsszene dieses Filmdebüts aus Guatemala zusammengefügt, wir schauen aus der Vogelperspektive zu. Eine Wiedergeburt findet statt, doch sie trägt nichts Übernatürliches in sich: Es ist ein wissenschaftlicher Prozess, wir befinden uns im gerichtsmedizinischen Institut von Guatemala. Kurze Zeit darauf entledigt sich der Forensiker seiner Handschuhe und gönnt sich ein Bier. Im Visier die Überreste eines Jahrzehnte zuvor verschwundenen Mannes.

Die Szene ist überaus symbolträchtig: Die Rekonstruktion des Körpers steht hier stellvertretend für die Rekonstruktion der Geschichte. Guatemala ist gebrandmarkt von einer verhängnisvollen Militärdiktatur – und die strafrechtliche und psychische Aufarbeitung der Verbrechen hat eben erst begonnen.

1960 wurde das mittelamerikanische Land von einem heftigen Bürgerkrieg erschüttert. Die rechte Regierung bekämpfte verschiedene Guerilla-Gruppierungen aus dem linken Lager und verübte Gewaltakte an zahlreichen indigenen Gemeinschaften. Was folgte war der blutigste Bürgerkrieg Lateinamerikas, der über 200 000 Menschen das Leben gekostet hat.

2018 folgt das ganze Land gebannt dem Prozess gegen die Militärs. Frauen legen Aussagen ab, erzählen von brutalen Foltertaten und sexuellen Misshandlungen.

Ernesto ist um die 30 Jahre alt und arbeitet als Forensiker an der Identifizierung der Opfer, entdeckt in den wenigen Massengräbern, die bisher ausgemacht wurden. Die Berufswahl des jungen Mannes mag überraschen, ist aber kein Zufall. Auch sein Vater gehört zu den «Desaparecidos», den Verschwundenen, die das Bild von so vielen Diktaturen Lateinamerikas prägten. Seiner Arbeit geht er mit viel Sorgfalt und Respekt nach. Akribisch genau wird gegraben,

gepinselt, zusammengesetzt. Während wir die Arbeit von Forensikern hierzulande in erster Linie mit Kriminalfällen in Verbindung bringen, beobachten wir in Nuestras madres die Forensiker an Ausgrabungsstätten, die an archäologische Fundstellen erinnern und doch nur dreissig Jahre alt sind. Wer hier gefunden wird, hat aller Wahrscheinlichkeit nach noch lebende Verwandte ersten Grades.

DAS TRAUMA DER NATION Es ist diese Verbindung zwischen Geschichte und Gegenwart, die den Film zu einem intensiven Erlebnis macht.

Dicht und ohne grosse Umschweife erzählt César Díaz in knapp achtzig Minuten vom Trauma einer ganzen Nation, dessen Aufarbeitung klaffende Wunden zeigt, familiäre Beziehungen aufs Spiel setzt und in die Geschichtsbücher noch nicht richtig Eingang gefunden hat. Das Land tut sich schwer an seiner Vergangenheit. «Los muertos están muertos, aunque no sepamos dónde están», sagt Ernestos Mutter ihm einmal, als er sie darum bittet, ihr Zeugnis abzulegen, mit dem juristisch gegen die damaligen Peiniger vorgegangen werden kann.

Die Toten sind tot, auch wenn wir nicht wissen, wo sie sind. Was bringt es also, nach ihnen zu suchen?

Ganz anders sieht das Nicolasa Caal de Sic. Die indigene Frau hat einen langen Weg auf sich genommen, um in der Hauptstadt Hilfe bei der Exhumierung ihres Mannes zu erhalten, der vor langer Zeit vor ihren Augen erschossen und in ein Massengrab im Dorf geworfen worden war. 36 Jahre lang hat sie mit seiner Erinnerung gelebt, doch nun reicht ihr diese nicht mehr. Als sie Ernesto ein Foto zeigt, meint er, darauf seinen Vater zu erkennen, und so nimmt er sich des Falls auch aus privaten Gründen an und folgt den Spuren seines Vaters in das Dorf von Nicolasa. Damit schafft César Díaz den Bezug zu einem der grössten sozialen Probleme von Guatemalas Vergangenheit und Gegenwart: Der Rolle der indigenen Gemeinschaften, die zahlreich und divers sind im zentralamerikanischen Staat. Sie machten einen Grossteil der Opfer während der Diktatur aus – und hinterliessen viele Witwen, die fortan auf sich allein gestellt waren.

HOMMAGE AN DIE MÜTTER Nuestras madres ist auch eine Hommage an diese Frauen und Mütter, die Unglaubliches erlebt und dennoch keine soziale Gerechtigkeit erfahren haben.

In einer bildstarken Szene montiert Díaz die Nahaufnahmen der schweigenden Frauen aus dem Dorf Nicolasas, die allesamt dem Staat ein Zeugnis ablegen wollen. Die farbenfrohen Trachten beleben die Bilder, doch die vom Leben schwer gezeichneten Gesichter erzählen wortlos ihre eigenen Geschichten, die wir uns unschwer ausmalen können.

Der Film bildet nebenbei auch den langwierigen Prozess der Suche und Identifizierung ab und die bürokratischen und technischen Hürden, die sich dieser Aufarbeitung in den Weg stellen. Nach 20 Jahren Suche wurden bisher gemäss Schätzungen gerade mal 1% der Verschwundenen gefunden. Nuestras madres ist Fiktion und Dokumentation zugleich und schöpft seine Dramaturgie aus der Realität und dem Alltag vieler Familien in Guatemala, was ihn umso eindringlicher macht. Daneben entspringt er teilweise auch der Biografie des Regisseurs. Die Mutter von César Díaz floh mit dem Kleinkind vor dem brutalen Regime. Sein Vater war seinerzeit selbst verschollen. Nun hat er mit seiner filmischen Aufarbeitung in Cannes die begehrte Camera d’Or gewonnen – den Preis für den besten Erstling. Sein Film wurde für 2020 zudem ins Rennen um den besten fremdsprachigen Oscar geschickt.

Trotz dieser Erfolge und der Aufmerksamkeit, die der Film für das Thema nun generieren kann, ist die Geschichte von Gewalt in seinem Land leider noch nicht zu Ende geschrieben. Vor wenigen Jahren verkündete die UNO, dass die Gewalt gegen Frauen in Guatemala und seinen Nachbarländern epidemische Ausmasse erreicht habe, Vergewaltigungen stehen an der Tagesordnung. In der Folge wachsen viele Kinder auch heute noch ohne Vater auf – mit Müttern wie derjenigen von Ernesto, die sich lieber in Schweigen hüllen, als das Gespräch zu suchen. Wer redet schon gern über eine solche Vergangenheit? Als die Ereignisse sie irgendwann zwingen, diesen Dialog aufzunehmen, hört ihr nicht nur ihr Sohn, sondern ein ganzer, prall gefüllter und bunt gemischter Gerichtssaal zu. Die bittere Enthüllung bedeutet zugleich den ersten Schritt der persönlichen Auseinandersetzung für die Mutter mit den Wunden und Traumata der Vergangenheit. Und der Sohn? Er widmet sich der Rekonstruktion auf die Weise, die er gewohnt ist. Knochen um Knochen.

Meret Ruggle

aktuell zu schauen INICIALES S.G. Rania Attieh & Daniel García Ein Mannsbild, wie’s im Buch steht, und doch liebenswert aktuell zu schauen LOS SONÁMBULOS Paula Hernández, Argentinien Ein weiblicher Blick auf die Familie 3. September NOTRE-DAME DU NIL Atiq Rahimi, Ruanda Bildstarke Verfilmung des Romans von Scholastique Mukasonga 22. Oktober THERE IS NO EVIL Mohammad Rasoulof, Iran Berlinale 2020: Goldener Bär Vier Lebensstränge, ein Meisterwerk 5. November EL ROBO DEL SIGLO Ariel Winograd, Argentinien Ein äusserst vergnüglicher Bankraub Mehr als 3 Mio. Eintritte in Argentinien 19. November NUESTRAS MADRES César Díaz, Guatemala Die bewegende Caméra d’Or Cannes Beitrag dazu nebenstehend Dezember LUNANA Pawo Choyning Dorji, Bhutan Winter 20/21 LOOKING FOR GILLES CARON Mariana Otero, Frankreich SIN SEÑAS PARTICULARES Fernanda Valadez, Mexiko THIS IS NOT A BURIAL, IT’S A RESURRECTION Lemohang Jeremiah Mosese, Lesotho LOS LOBOS Samuel Kishi Leopo, Mexiko

This is not a Burial, it’s a Resurrection

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«Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?», fragte einst Bertolt Brecht. 2006 hecken Ganoven den perfekten Plan für den Banküberfall auf die Banco Rio in Buenos Aires aus. Er ist in die Geschichte eingegangen als einer der raffiniertesten Banküberfälle überhaupt. Nun wurde er mit Diego Peretti (Un amor, Iniciales S.G.) und Guillermo Francella (El secreto de sus ojos) äusserst unterhaltsam für die Leinwand nacherzählt. Die Komödie hat in Argentinien in wenigen Wochen über 3 Millionen ZuschauerInnen ins Kino gelockt. Vergnüglich inszeniert und gespielt, spannend bis zum Schluss.

DER FILMREIFE COUP DIE GAUNERKOMÖDIE EL ROBO DEL SIGLO, ARIEL WINOGRAD, ARGENTINIEN Von Niels Walter

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Es gibt einige Menschen, die halten nicht viel von Banken. Schon der Prophet Mose hatte seine Probleme mit dem Zinsgeschäft.

Bertolt Brecht gab in seiner Art zu verstehen, dass die wahren Kriminellen nicht die sind, die eine Bank ausrauben, sondern jene, die eine gründen. Und erst kürzlich hat ein alter Mann namens Pepe Mujica gesagt, die schönste Sache sei es, mit einer 45er-­ Pistole in eine Bank hineinzugehen, da werde man sofort respektiert. Mujica war von 2010 bis 2015 Staatspräsident von Uruguay.

Mose, Brecht und Mujica, nun ja, das waren, respektive sind (­Mujica ist 85) sicher keine eingefleischten Kapitalisten. Und alle drei inspirieren noch heute Millionen von Menschen.Vielleicht war das auch ein bisschen der Fall bei den beiden Herren Fernando Araujo und Luis Mario Vitette. Das sind zwei real existierende Menschen, keine Filmfiguren.

IM GLEICHGEWICHT Fernando Araujo ist ein argentinischer Künstler mit einer grossen Liebe für die Philosophie, asiatische Kampfkünste und Marihu­ ana. Sein Atelier ist Arbeits- und Denkort, Meditationsraum und Hanfgewächshaus, all in one. Er redet (unter anderem mit seinem Psychiater) und denkt gerne. Über die natürliche Balance, die ­alten Griechen, Nietzsche, das Gleichgewicht der Dinge, den ­Fokus, die Essenz des Lebens, die Berufung, die jeder Mensch doch irgendwie finden möchte, und solche Sachen. Sein liebster Zustand ist der cannabinoide Bewusstseinszustand. Kurz: ein schwerer Kiffer.

Der andere, Luis Mario Vitette, kommt aus Uruguay, ein Landsmann von Pepe Mujica. Nicht ganz so berühmt wie dieser, aber inzwischen fast. Vitette ist ein Ganove, spezialisiert auf Einbruch-

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diebstahl in Häusern und Wohnungen, in denen niemand zuhause ist, und in Büros und Läden nach Feierabend. Also ein Krimineller mit einer gewissen Berufsethik. Wenn Vitette nicht auf Diebestour ist, hockt er in irgendeinem Gefängnis in Uruguay eine S ­ trafe ab. Irgendwann flüchtet er aus einem Knast, haut ab ins Nachbarland Argentinien. Und arbeitet dort weiter auf seinem Beruf.

Diese beiden Herren allein sind schon zwei interessante Figuren und führen ein Leben, das jedes für sich Stoff für einen Film hergeben könnte. Irgendwann treffen sich die beiden in Buenos Aires.

Das war 2003 oder 2004. In real. Und hier etwa beginnt auch der Film El robo del siglo des argentinischen Drehbuchautors und ­Regisseurs Ariel Winograd.

EIN RAUB WIE EINE STERNSCHNUPPE Araujo hatte, Gras sei Dank, eine Eingebung, so eine Art Erleuchtung, bei der ihm seine Berufung erschien. Den perfekten Bankraub. Planen und Ausführen. Er, Araujo, quasi der Autor, Regisseur und Protagonist eines grossen Coups. Sein Lebenswerk.

Dafür brauchte er Komplizen mit diversem Fachwissen – technischem, juristischem, psychologischem. Er fand fünf Typen. Nur einer war ein Profi in dieser Branche: der Uruguayer Vitette.

Araujos Idee ist so genial wie banal: Ein Bankraub wie eine Sternschnuppe. Wir sehen sie am Himmel und dann schwupp, verglüht sie, ist sie verschwunden. Aber wie geht das, wenn man eine Bank ausrauben will? Darauf kam das vernebelt-fokussierte Hirn Araujos auch erst nach einem tiefen Zug aus dem Joint und einem Blick in den Sternenhimmel. Sein Plan: Ein Raubüberfall so in der Art zwei für eins. Ein Täuschungsmanöver. Ein so genannter ExpressRaubüberfall, also ganz normal am hellichten Tag rein durch die

Eingangstür, Hände hoch und Geld her – gleichzeitig ein Tunnel­ einbruch von weit unten vom Abwasserkanal. Und wenn die Polizei den Räubern und Geiselnehmern die bestellte Pizza liefert, sind sie bereits weg. Kuckuck, wo bin ich?

EIN LAND HÄLT DEN ATEM AN Am 13. Januar 2006 gingen Araujo, Vitette und ihre Komplizen in die Bank rein. Und wenige Minuten später war sie schon von einem Grossaufgebot der Polizei von Buenos Aires umstellt, dazu ein schwer bewaffneter Sturmtrupp einer Sonderheit, ein erfahrener Verhandler für Geiseldramen, Schaulustige und Medien. Alle da, das ganze Land hielt den Atem an. Es war der erste Bankraub mit Geiselnahme in Argentiniens Kriminalgeschichte, der live

von Radio und Fernsehen übertragen wurde. Ein Krimi. Drinnen in der Bank sangen die Täter und ihre Geiseln einer alten Oma, die an diesem Tag Geburtstag hatte, Happy Birthday. Und liessen sie danach frei. Draussen erzählte das Grossmütterchen den ­Polizisten, wie nett und herzlich die Räuber seien. Hat sich alles so in Tat und Wahrheit abgespielt.

VERLIEBT IN DIE GAUNER Als Zuschauer hat man sich schon lange vor dem Geburtstagsständchen in diese Gauner verliebt. Nicht nur, weil ihre Story ­einfach verdammt gut ist und auf der Leinwand schmissig erzählt wird. Vor allem auch, weil der Regisseur die beiden Protagonisten des Coups, Araujo und Vitette, hervorragend besetzt hat. Mit zwei aus dem Olymp des argentinischen Kinos und Theaters: Diego Peretti und Guillermo Francella. Die zwei alleine sind schon ­sehens­wert.

Francella spielt den gewandten Profidieb aus Uruguay, dem das dauernde Gekiffe und Gequatsche des Genies und Vordenkers auf den Geist geht. Peretti, von Beruf Psychiater und Schauspieler, raucht privat auch gerne Gras (aber nicht bei der Arbeit, wie er betont). Und auch sonst scheint er mit diesem Fernando Araujo ein bisschen seelenverwandt zu sein. Das kann man in anderen Filmen sehen (unter anderem in Iniciales S.G., den es zum Geniessen auf filmingo zu sehen gibt, siehe Beitrag in diesem Heft) ­sowie in Interviews und Gesprächen mit Peretti (online zu finden und ein Genuss). Wie Peretti diesen Araujo, der nur vernebelt glasklar denken kann, verkörpert, und wie er alle anderen der ­Bande und auch die Zuschauenden im Kinosaal für seinen genialen Plan begeistern und mitreissen kann, das ist nonchalante Klasse – und sehr argentinisch.

SPANNUNGSREICH UND EIN SPASS Beim Abspann fragt man sich, weshalb es so lange gedauert hat, bis es dieser von A bis Z filmreife Jahrhundertraub in die Kinos geschafft hat. Endlich! Und man reibt sich wieder einmal die ­Augen und denkt: Grossartig, welche Geschichten das Leben ­schreiben kann. Kein Drehbuchautor hätte es besser erfinden können. Für einen Filmemacher ist das Kaviar auf dem Silber­ tablett. Man muss ihn nur noch schön und schmackhaft anrichten.

Das hat der Regisseur gekonnt hinbekommen. Der Film ist spannungsreich und ein Spass. In Argentinien ein Kassenschlager.

Und in Uruguay auch – dank dem realen und fröhlich lebenden Ganoven Super Mario. Ex-Ganove muss man zur Entlastung von Luis Mario Vitette sagen. Der Mann ist in seinem Heimatland ­inzwischen ein gern gesehener Gast in TV-Shows, hat natürlich ein Buch geschrieben, eine 35 Jahre jüngere Frau geheiratet und

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STATIST IM EIGENEN LEBEN DIE KOMÖDIE INICIALES S.G. VON RANIA ATTIEH UND DANIEL GARCIA MIT DIEGO PERETTI, ARGENTINIEN

ARGENTINISCHER ROBERT DE NIRO Besetzt ist die tragende Rolle mit Diego Peretti. Das Regiepaar – sie mit libanesischem, er mit mexikanischem Hintergrund – wurde nach eigener Aussage erst nach dem Casting so richtig gewahr, dass sie es hier mit einer Art argentinischem Robert De Niro zu tun hatten. Tatsächlich reitet der Mann mit der Hakennase gerade auf einer besonderen Erfolgswelle, auch wenn er – ursprünglich Psychiater – seit vielen Jahren zum wiederkehrenden Personal auf Theaterbühnen, Film- und TV-Sets am Rio de la Plata gehört. In der Schweiz war er schon 2001 in Taxi, un encuentro von Gabriela David zu sehen, 2011 in Un amor von Paula Hernández (Besprechung ihres neusten Films Los sonámbulos in diesem Magazin), im kommenden November gibt er den denkenden Kopf des spektakulären und realen Jahrhundertraubs von 2006, den Ariel Winograd im Spielfilm El robo del siglo gerissen umgesetzt hat. Neuerdings ist Diego Peretti durchwegs in Hauptrollen zu sehen, und sie scheinen ihm immer auf den Leib geschrieben.

SERGE GAINSBOURG Ähnlich der Hauptfigur im Film, lief es für Iniciales S.G. im Kino nicht zum Besten. Sein Pech, dass er als einer der ersten Filme nach dem Lockdown im grossen Saal zu sehen war, den es bei prächtigstem Sommerwetter viele noch nicht aufzusuchen dürstete. Schade, finden wir, und unverdient. Weshalb wir ihn hier auf die Streaming-Bühne hieven – denn weiterhin zu sehen und geniessen gibt es Iniciales S.G. jederzeit auf filmingo.ch

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Ein Mann mittleren Alters, der nachts mit lädiertem Gesicht durch die Strassen von Buenos Aires streift, mag als Aufhänger nicht besonders verführerisch wirken, die Geschichte dahinter aber zeigt augenzwinkernd den amüsanten Abgesang auf ein verblasstes Männermodell. Das Gebahren der Hauptfigur ist zumindest fragwürdig genug, um sie sang- und klanglos untergehen zu lassen, was man sich ganz plastisch vorstellen darf. In leicht angestaubtem urbanem Setting erzählen Rania Attieh und Daniel Garcia von Sergio, der sich fleissig die Abwärtsspirale hinabarbeitet, weil er nicht einsieht, dass er seinem stockenden Leben eine neue Richtung geben sollte. Mit dem Fokus auf wenige, wohlmeinend gezeichnete Figuren kommt die flott und erfinderisch erzählte Geschichte einer belustigenden Hommage an den «Puer aeternus» gleich, den ewigen Jüngling.

Hautnah zu erleben in Iniciales S.G., wo er als Schauspieler einen Schauspieler mimt. Sein filmisches Alter-Ego ist eher am anderen Spektrum der Erfolgsleiter angesiedelt. Sergio Garcés tingelt Zeit seines auch schon über fünzigjährigen Lebens als Statist und Pornodarsteller durch Filme und Leben. Klar träumt er vom grossen Wurf und einer richtigen Filmrolle, hat er einen künstlerischen Anspruch, sicher… bis es soweit ist, wähnt er sich dank cannaboider Inspiration im hausgemachten Drama, denn er sieht sich auch da zunehmend in die Statistenrolle gedrängt. Dabei stand er schon mal näher am Rampenlicht, früher, als er Serge Gainsbourg-Songs coverte. Als Erinnerung bleibt eine CD und – vermutlich – die stete Zigarette im Mund. Die beiden S.G.s teilen Initialen und das Exzentrische, nicht aber den Erfolg, der Gainsbourg ebenso beschieden war wie Brigitte Bardot, die er 1968 im Song Initials B.B. würdigte, damals so bekannt, dass mit zwei Buchstaben alles gesagt war. Träum weiter, Sergio! «Le poinçonneur des Lilas» und «Requiem pour un con» auf Argentinisch liefern allerdings den perfekten Soundtrack für das Lebensgefühl unseres Antihelden, sind charmant und prickelnd interpretiert, ein Genuss! Gainsbourg auf Spanisch – das gab es vor diesem Film nicht; Iván Rusansky und Andrés Ortega zeichnen für die eigens eingespielte Interpretation.

Die Lieder sind Erinnerungen an bessere Zeiten, im Hier und Jetzt fordert die Realität ihren Tribut. Besonders in diesen Tagen, wo die argentinische Nationalelf das Spiel der Spiele vor sich hat.

Wir schreiben das Jahr 2014 und Argentinien steht gegen Deutschland im Final um den Weltmeistertitel, die Stadt brodelt. Und weil Sergio Garcés sein Schicksal grundsätzlich eng mit demjenigen seiner Mannschaft verknüpft sieht, wie uns eine sonore Stimme im Off erklärt, schwant hier zumindest dem Fussballkenner Ungutes. Die Stimme versetzt den Zuschauenden in die Lage des Beobachters, bringt ihm die Persönlichkeit von Sergio fast schon didaktisch nah, gerade so, als würde man eine besondere Spezies im Zoo betrachten und einiges über ihre Charakteristika erfahren.

Sie urteilt nicht, sondern erklärt – wohlmeinend –, was dazu führt, dass uns dieser alternde Jüngling, cholerische Zeitgenosse und notorische Schwerenöter trotz all seiner Unbeherrschtheit symphatisch rüberkommt. Was ihm fehlt, und da ist er eben bedauernswert, ist die emotionale Intelligenz oder anders gesagt, Gefühle oder deren Nichtzulassen nebelt er lieber ein, als dass er sie verstehen oder gar analysieren will.

JE T’AIME, MOI NON PLUS Dabei gibt ihm das Leben noch eine letzte Chance, gesellt dem argentinischen Serge Gainsbourg eine Jane (Birkin) zur Seite, die wie gemacht für ihn scheint und darüber hinaus gewillt ist, mit ihm durch dick und dünn gehen, wie sich herausstellen wird. Die Nordamerikanerin besucht den jährlichen Filmmarkt in der Stadt, womit eine weitere Ebene eingeführt ist, die zur Metropole gehört und die sich mit der Hauptfigur perfekt verweben lässt. Einem Flirt ist sie nicht abgeneigt, er auch nicht, sagen wir mal, solange nichts Besseres dazwischen kommt. Nach einem weiteren Aussetzer Sergios bindet das Schicksal die beiden enger zusammen, als ihnen lieb sein kann.

Das Regieduo denkt das bisher Skizzierte radikal zu Ende, so ähnlich wie das im argentinischen Episodenfilm Relatos salvajes (Wild Tales) von Damián Szifron der Fall war, in dem in der Wut dahergeredete Sätze nicht nur gedacht, sondern durchgespielt und veranschaulicht werden. Zielsicher lässt es Sergio am Glück vorbeischrammen, so dass die längst fällige Liebeserklärung sich zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort ein Ventil sucht. So ganz in Gainsbourg-Manier: «Je t’aime … moi non plus». Das Drehbuch von Iniciales S.G. ist erster Güte, jedes Ereignis ist in sorgfältig eingeführt und aufgebaut, die erste und die letzte Szene vor dem Epilog schliessen einen wunderbaren Kreis, vage Anspielungen an Szenen aus anderen Filmen, Rückbezüge, ob gewollt oder nicht, machen Freude. Und hat man erst mal so eine Erzählstimme eingeführt, ist als Schlussbouquet auch ein märchenhafter erzählerischer Dreh möglich. Gehuldigt wird schliesslich der Argentinitá: Flanieren in Buenos Aires, charmante Nonchalance, Ereiferung, Bars, Jazz, Kultur und – muss man es nochmals erwähnen? – eine Prise Fussball. Eine Komödie, die so viele Ingredienzien zu einer unterhaltsamen, stimmigen Geschichte mixt, ist ja auch ein Volltreffer.

Brigitte Siegrist

Un Amor von Paula Hernández

besitzt in einer uruguayischen Kleinstadt ein Juweliergeschäft.

Was sonst? Wie er zu dem gekommen sei, fragte ihn einmal eine Moderatorin. Mit gestohlenem Geld aus den vergangenen Zeiten, antwortete er trocken. Vitette versorgt die uruguayische Öffentlichkeit regelmässig mit neuen Stories aus seinem alten und neuen, geläuterten Leben. Aber nach Argentinien darf Vitette nicht mehr. Er hat ein Einreiseverbot.

Als wären der Jahrhundertraub und seine zwei Protagonisten nicht schon guter Stoff genug, auch die Geschichten im realen Leben nach dem Überfall und die Entstehung des Films sind es.

Der Kopf und Autor des Coups, Fernando Araujo, schrieb selbst am Drehbuch zum Film mit. Und traf sich auch mit Diego Peretti, damit dieser seine Rolle vorbereiten konnte. In einem Interview meinte Peretti: «Was soll ich über ihn sagen? Ich traf Gott, den Schöpfer dieser Geschichte.» Araujo habe ihm von seinem Buchmanuskript erzählt. 3000 Seiten. Ein Thema: Marihuana. Der Mann sei zweifellos ein Spezialist auf diesem Gebiet. Das Gras habe den Details in Araujos Kopf die nötige Schärfe gegeben, die unabdingbar sei für einen solchen Plan, bei dem nichts schief gehen dürfe. Und es ging nichts schief. Bis dann eben…

Araujo selbst gibt fast nie Interviews, und wenn, dann sind sie ziemlich rätselhaft und nebulös. Der Mann hält seinen eigenen Mythos aufrecht. Er scheint stets gleichzeitig in der Fiktion und in der Realität zu leben. Bis heute. n

ARIEL WINOGRAD Ariel Winograd (Buenos Aires, 1977) wusste schon im Alter von zehn Jahren, dass er mit Filmen und da im Genre der Komödie arbeiten wollte. Er studierte Filmregie an der «Universidad del Cine» und drehte als Student mehrere Kurzfilme, die mit internationalen Preisen ausgezeichnet wurden. 2006 erregte er mit seinem ersten Spielfilm Cara de queso (Käsekopf) und einem erfrischenden, kühnen Erzählstil vor allem bei jungen ZuschauerInnen grosse Aufmerksamkeit.

Mi primera boda (Valeria Bertucelli und Daniel Hendler in den Hauptrollen) wurde 2011 mit über 300’000 Eintritten zu seinem ersten Kassenschlager. Seine Folgefilme Vino para robar, Sin hijos und Permitidos etablierten ihn als Regisseur und festen Namen in der argentinischen Filmlandschaft. Mamá se fue de viaje wurde mit 1,7 Millionen verkauften Tickets zum argentinischen Hit im Jahr 2017. Bei den letzten beiden Filmen Todos caen und Y cómo es él? führte er im Auftrag zweier mexikanischer Produzenten Regie. Die Verfilmung des argentinischen Jahrhundertraubs, El robo del siglo, verzeichnet bis dato bereits über 3 Mio. Eintritte.

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Ein Spielfilm aus Bhutan, auf 3400 Metern über Meer mit LaiendarstellerInnen gedreht, die dort die abgelegenste Schule der Welt besuchen. Ein junger Lehrer, der aus der Stadt in die Schule nach Lunana geschickt wird, macht sich wenig motiviert auf den langen Weg durch die irre Bergwelt. Vor Ort trifft er auf eine Gemeinschaft, die ihn mit grösstem Respekt betrachtet - nur ein Lehrer könne «die Zukunft der Kinder berühren», so die gängige Meinung dort. Nach und nach lernt Ugyen mehr über seinen Beruf, als es ihm seine Ausbildung zu vermitteln mochte.

DIE ZUKUNFT BERÜHREN LUNANA VON PAWO CHOYNING DORJI, BHUTAN

Meret Ruggle

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Der junge Ugyen wohnt in Thimphu, der Hauptstadt Bhutans.

Er steht im Dienst der Regierung und in der Pflicht, noch sein letztes Dienstjahr als Lehrer zu erfüllen. Als in Lunana ein Lehrer gesucht wird, schickt man ihn dorthin. Das Problem: In Lunana befindet sich nicht nur die abgelegenste Schule Bhutans, sondern vermutlich auch die abgelegenste Schule der Welt.

Spulen wir ein paar Tage zurück: Mit Lederjacke und Gitarre sitzt Ugyen auf einer Bühne, das Publikum pfeift ihm zu. «I’m going to Aussieland, beautiful Aussieland because she’s been calling for some time» singt er ins Mikrofon. Ich gehe nach Australien, folge seinem Ruf. Er ist nicht allein mit diesem Drang, ins Ausland zu gehen. Die sozialen Medien haben auch in Bhutan die Träume der jüngeren Generationen geformt in Bezug auf ihre Zukunft.

Und so träumt Ugyen von Bondi Beach und wartet nur noch auf sein Visum, um der nörgelnden Grossmutter zu entkommen und südlich des Äquators sein Glück als Songwriter zu versuchen.

KLETTERPARTIE Doch statt eines Visums erhält er die Einladung nach Lunana und befindet sich kurz darauf im Bus nach Gasa. Kein Streifen an der östlichen Mittelmeerküste, sondern ein 400-Seelen-Dorf auf 2800 Höhenmetern. Hier wird er in Empfang genommen von zwei Hochländern. Nur noch schnell Toilettenpapier für den Städter einkaufen, dann geht’s weiter. Was als gemütliche Wanderung am Fluss entlang angepriesen wurde, entpuppt sich bald als schweisstreibende Kletterpartie in sauerstoffarme Gefilde.

Mit zunehmender Höhe schwindet auch die Populationsdichte.

Mit seiner Popmusik in den Ohren folgt Ugyen den Männern über schlammige Pfade, mit dichtem Farn bewachsene Wege und durch grüne Frühlingswälder, bis sie die Passhöhe von 5240 Metern Höhe erreichen. «Ist es noch weit?», fragt er dabei immer wieder.

Und träumt sich in Gedanken wohl an die flachen Strände Australiens. Wäre er nicht schon ausser Puste, so hätte sie ihm ­spätestens jetzt den letzten Schnauf verschlagen: Die atemberaubende Landschaft des bhutanischen Hochlands mit ihren schneebedeckten Siebentausendern präsentiert sich mit voller Wucht.

MIT SONNENENERGIE GEDREHT Für die schöne Aussicht hat Ugyen zunächst allerdings herzlich wenig übrig. Einmal angekommen, muss sich der Städter mit dem ruralen Leben abfinden an einem Ort, wo Selbstversorgung nicht trendig, sondern naturgegeben ist. Zum Einfeuern wird Yakmist verwendet, ein WC-Ring muss als Basketballkorb herhalten und Elektrizität ist eine Frage des Sonnenstandes. Wenig motiviert sieht er sich mit einer Wirklichkeit konfrontiert, die so gar nichts mit dem herbeigesehnten Aussieland zu tun hat.

Das Dorf Lunana ist eine Siedlung, die an den Gletscherzungen des Himalaya liegt und nur durch eine 8-tägige Wanderung über einige der höchsten Berge der Welt erreichbar ist. Es gibt nur 56 Menschen im Dorf, von denen die meisten noch nie die Welt ausserhalb Lunanas gesehen haben. Und die garstige Infrastruktur, die Ugyen in Lunana antrifft, war nicht nur für ihn eine Herausforderung: Die ganze Produktion des Films war von solarbetriebenen Batterien abhängig – somit schafft dieser Film nicht nur den ersten Eintrag auf der trigon-film-Weltkarte auf dem Flecken oberhalb Indiens, es ist gleichzeitig auch der erste vollständig mit Solarenergie gedrehte Film, den trigon-film in die hiesigen Kinos bringen darf.

DIE ZUKUNFT IN DEN HÄNDEN HALTEN Zurück nach Lunana: Hier hat die ganze Dorfgemeinschaft voller Vorfreude auf die Ankunft des neuen Lehrers gewartet. Ein Lehrer kann die Zukunft der Kinder «berühren», so die gängige M ­ einung

«Ugyen wird auf eine andere Reise geschickt. Er begibt sich widerwillig in eine Welt, die sich in jeder Hinsicht von der modernen Welt unterscheidet.

Auf dieser Reise wird ihm klar, dass das, was wir so verzweifelt in der äusseren materiellen Welt suchen, eigentlich immer in uns existiert und dass das Glück nicht wirklich ein Ziel, sondern der Weg ist.»

Pawo Choyning Dorji

in Lunana, und man bringt Ugyen daher den grössten Respekt entgegen. Bildung, so merken wir rasch, ist ein erstrebenswertes, aber hart umkämpftes Gut hier oben. Der Wissensdurst der Kinder ist gross, und die 9-jährige Klassenchefin unerbittlich: Der Lehrer ist da, jetzt soll gelernt werden. Dafür wirft sie ihn auch mal morgens aus dem Bett, wenn er nicht rechtzeitig den Gong anschlägt. Und mit ihrer Beharrlichkeit hat sie Erfolg.

Die kluge Pem Zam und ihre Klassenkolleginnen sind indes nicht nur verantwortlich für Ugyens wachsendes Interesse an seiner Lehrtätigkeit, sie ziehen auch uns Zuschauende in ihren Bann.

Der Filmemacher Pawo Choyning Dorji schrieb und besetzte den Film am Drehort Lunana und schuf Figuren, die das wahre Leben der beteiligten nicht-professionellen Schauspieler ideal widerspiegeln.

LEBENSNAH Die Kinder besuchen alle tatsächlich die Grundschule in Lunana.

Pem Zams zerrüttete Familiengeschichte, wie sie im Film dar­ gestellt wird, entspricht wahren Begebenheiten. Da sie ihr abgelegenes Dorf nie verlassen hat, hat sie weder Elektrizität noch das Internet kennen gelernt. Sie träumt davon, eines Tages über die Berge von Lunana hinauszugehen und zum ersten Mal in ­einem Auto zu fahren. Als Ugyen eines Tages das englische Alphabet durchnimmt und beim Buchstaben «C» auf das für ihn nahe­ liegende Beispiel des «Car» zurückgreift, stösst er auf Unverständnis. Erst nach kurzer Überlegung bemerkt er seinen Denkfehler. Woher sollten diese Kinder wissen, was ein Auto ist, wenn sie ihr eigenes Dorf auf 3400 Metern über Meer noch nie verlassen haben?

Nach und nach lernt Ugyen mehr über seinen Beruf, als es ihm seine Ausbildung zu vermitteln mochte. «Jeder hat ein Recht auf Bildung» – so steht es in der Allgemeinen Erklärung der ­Menschenrechte. Dass dieses Recht nicht immer eingefordert werden kann, macht der Film mehr als deutlich. Gleichzeitig zeigt er u ­ nverblümt den Wert der Bildung auf in einem Kontext, den es so noch unzählige Male auf der Welt gibt.

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DEM GLÜCK AUF DER SPUR Das südasiatische Land hat sich Bildung auf die Flagge geschrieben. Es ist Teil des Konzepts der «Gross National Happiness» (GNH), einer in Bhutan entwickelten Alternative zum Brutto­ inlandprodukt, und soll als Instrument zur Messung von Fortschritt oder Entwicklung dienen. 1972 deklarierte der 4. König des Königreichs Bhutan, King Jigme Singye Wangchuck, dass das «Bruttosozialglück» wichtiger als das Bruttoinlandprodukt sei.

Dieses Konzept impliziert, dass die nachhaltige Entwicklung einen ganzheitlichen Ansatz in Bezug auf den Begriff des Forschritts verfolgen soll und nicht-wirtschaftlichen Aspekten des Wohlbefindens die gleiche Bedeutung beimessen sollte. Seither beeinflusst dieser alternative Index Bhutans Wirtschafts- und Sozialpolitik und hielt auch Einzug in die Arbeit der UNO. Bei der Messung werden dabei Domänen wie das psychische Wohlbefinden, die Zeitnutzung, die Lebendigkeit der Gemeinschaft oder auch die kulturelle Vielfalt und Resilienz in Betracht gezogen, sowie auch die Bildung.

Gleich zu Beginn des Films trägt Ugyen sinnbildlich ein T-Shirt mit dem Aufdruck «Gross National Happiness». Dorji verweist damit auf ein weit verbreitetes Phänomen in seiner Heimat: ­Bhutan wird regelmässig als das «glücklickste Land Asiens» und

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eines der glücklichsten Länder der Welt genannt. Doch obschon sich das Land dem Glücklichsein und Wohlbefinden seiner Bevölkerung verschrieben hat, suchen viele junge Menschen wie Ugyen ihr Glück letztendlich woanders.

Mit dem Glück ist es so eine Sache: «Mit Lunana wollte ich eine Geschichte erzählen, in der auch Ugyen, der junge Protagonist der Geschichte, auf die Suche nach seinem Glück gehen möchte», erzählt der junge bhutanische Filmemacher Pawo Choyning Dorji.

«Doch er wird auf eine andere Reise geschickt. Er begibt sich widerwillig in eine Welt, die sich in jeder Hinsicht von der modernen Welt unterscheidet. Auf dieser Reise wird ihm klar, dass das, was wir so verzweifelt in der äusseren materiellen Welt suchen, eigentlich immer in uns existiert und dass das Glück nicht wirklich ein Ziel, sondern der Weg ist.» In seinem Regiedebüt, zu dem er auch das Drehbuch geschrieben hatte, suchte Dorji absichtlich einen Gegenpol zur Traumdestination vieler junger BhutanesInnen: Wenn Australien für Modernisierung, urbane Metropolen und traumhafte Sandstrände steht, so ist Lunana in vielerlei Hinsicht tatsächlich das krasse Gegenteil davon. Womit sein Protagonist nicht gerechnet hat: Zum Erweitern des Horizonts ist man mit dem Himalaya-Gebirge eigentlich ganz gut bedient.

EIN YAK ALS KLASSENKAMERAD Für einen Musikliebhaber wie Ugyen hat Lunana zudem mehr zu bieten als erwartet, denn Musik und Gesang spielen im Dorf eine zentrale Rolle. Oft schon wurden wir in Filmen ZeugInnen ritueller Schlachtungen. In Lunana wird bei der Opfergabe an die Götter hingegen kein Tropfen Blut vergossen. Die Opfergabe besteht vielmehr darin, den Göttern, Geistern und Tieren ein Lied darzulegen. Für Ugyen, der sich beim Singen bisher in erster Linie an sein P ­ ublikum richtete, eröffnet sich damit eine völlig neue Welt. Über die hübsche Sandon lernt er durch die Lieder auch Geschichten und Mythen aus der Bergregion kennen – und sie lehrt ihn, dass ein Yak hier viel mehr als bloss ein Nutztier ist. Es kann sogar zum Klassenkameraden werden. Das Yak im Klassenzimmer ist einer der wenigen Überraschungsmomente, für die sich Dorji entschieden hat. Und er betont damit die Verbundenheit zur Natur, die in Lunana so zentral ist. Mensch und Tier leben hier gemeinsam, von- und miteinander, aber auch in Abhängigkeit von den Bergen, dem Klima, den Naturgewalten. Eine einschneidende Erfahrung für jeden Städter. Für welche Z ­ ukunft sich der Protagonist letzten Endes entscheidet, ist zweitrangig. Denn wenn man erst mal gelernt hat, dass das Glück auf dem Weg statt am Ziel liegt, darf man ruhig ein paar Auf- und ­Abstiege e­ inbauen. n

PAWO CHOYNING DORJI Pawo Choyning Dorji ist Schriftsteller, Fotograf und Filmemacher aus dem Königreich Bhutan. Pawo Choyning Dorji kam 2012 zum Film, als er als Assistent von Khyentse Norbu für den Spielfilm Vara arbeitete: Ein Segen. Im Jahr 2016 produzierte er den von der Kritik ge­feierten bhutanischen Spielfilm Hema Hema: Sing mir ein Lied, während ich warte. Der Film hatte seine Weltpremiere in Locarno. Lunana ist sein Regiedebüt.

Publikumspreis am CinemAsia Film Festival 2020.

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Luisa, ihr Mann Emilio und ihre 14-jährige Tochter Ana begeben sich zum Neujahrsfest ins Landhaus der Familie.

Lockeres Beisammensein wäre angesagt, doch in der sommerlichen Hitze brodelt es innerhalb der Familie: Eine Ehe am Rande einer verstummten Krise. Grossmutter, Geschwister und Cousins, die ungefragt Meinungen abgeben. Sommer, Schweiss und Alkohol. Und mitten darin: Ein Teenager mit Somnambulismus. Einmal mehr überzeugt die Filmemacherin Paula Hernández mit ihrem Blick auf den weiblichen Alltag.

ERWACHEN BEIM AUFPRALL LOS SONÁMBULOS VON PAULA HERNÁNDEZ, ARGENTINIEN

Von Kathrin Kocher

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Luisa hat nachgegeben. Neujahr werden sie, ihr Mann und die gemeinsame 14-jährige Tochter Ana, erneut im abgelegenen Landhaus von Emilios Familie verbringen. Dort versammelt dessen Mutter Memé ausserdem Sohn Sergio mit seinen beiden Buben und Tochter Inés mit ihrem Baby um sich. Heitere Fest­tage sollen es werden, doch in der sommerlichen Hitze brodelt es zwischen den Generationen.

Schon die Begrüssung lässt ahnen, dass hier nur die Natur Idylle sein wird: Überschwänglich umarmt die Matriarchin ihren Ältesten und herzt die Enkelin. Daneben reicht Sergio Luisa einen Aperitif – sie leert ihn in einem Zug. Vielleicht hilft Alkohol, um die Anspannung nicht sofort Überhand nehmen zu lassen. Den Urlaub hätte sich Luisa gewiss anders gewünscht, doch primär sorgt sie sich um ihre Tochter. Noch zu Hause hat sie mitten in der Nacht das Mädchen entdeckt, wie ihm Blut übers Bein rann, als es splitternackt schlafwandelte.

«Seit wann hast du sie schon? Warum hast du mir nichts erzählt?»

– «Es gibt nicht viel zu erzählen.» – «Wieso denn nicht? Das ist sehr bedeutend.» – «Erst ein Mal. Oder zwei. Ich wollte es dir ja sagen.»

CHARMANTER AUSREISSER In ihrem jüngsten Spielfilm leuchtet die argentinische Regisseurin Paula Hernández (Un Amor, Herencia, Lluvia) die Beziehung zwischen Mutter und Tochter aus, die sich während des Jahreswechsels durch die Dynamik ihrer Familie manövrieren müssen.

Ana (Ornella D’Elía), ein Teenager im Übergang, und Luisa (Érica Rivas), eine Frau mittleren Alters, geraten ob des ständigen Konflikts zwischen den eigenen Bedürfnissen und Erwartungen von aussen unter Druck. Sie könnten sich in den subtil patriarchalischen Strukturen Stütze sein, doch ringen sie in ihren sich langsam verändernden Rollen noch sehr um Nähe und Distanz. Während Luisa, behutsam zwar, Anas Vertrauen sucht, entzieht sich diese, beschäftigt sich lieber mit ihrem dauernd aufleuchtenden Handy.

Da taucht überraschend ein weiterer Gast auf: Memé nennt den ältesten Sohn Sergios «mein Sonnenschein» – Alejo geniesst sofort Sonderstatus. Für ihn soll Luisas Familie das Zimmer wech-

seln. Und wieder gibt sie nach, denn Emilio will einen Konflikt unbedingt vermeiden, herrscht wegen eines möglichen Hausverkaufs doch bereits ernste Stimmung zwischen ihm und der Mutter.

Alejo bringt Geschenke mit und beim gemeinsamen Auspacken entsteht nun tatsächlich eine beschwingt fröhliche Stimmung.

KONSEQUENT WEIBLICH Der charmante Ausreisser (man erfährt, dass er irgendwann von zu Hause abgehauen war) neckt, scherzt, entlockt sogar der ­müden Luisa ein Lächeln und weiss genau um seine Wirkung. Von dieser ist die heranwachsende Ana gleichermassen fasziniert wie überfordert, wenn sich die Cousins etwa auf lange Streifzüge durchs Unterholz zu einem Waldsee begeben. Heimlich beobachtet Ana den nackten Alejo und lässt sich gar zum Fotografieren hinreissen.

Je selbstverständlicher sich die jungen Leute miteinander geben, desto mehr ist Mutter Luisa auf der Hut, fürchtet, dass ihr Ana entgleitet und will die Tochter vor etwas schützen, das nur sie zu kommen sehen scheint.

«Was macht dir Sorgen, dass sie erwachsen wird oder dass sie dir nichts erzählt? Hör auf, sie wie ein Kind zu behandeln.» – «Ich ­beschütze sie.»

Paula Hernández bleibt konsequent in der weiblichen Perspektive, wodurch man sich den beiden Frauen stets nahe fühlt, jede in ­ihrem ganz eigenen Dilemma versteht, sich möglicherweise in ­ihnen wiedererkennt. Das ist einerseits das Verdienst von Rivas und D’Elía, die brillant mit wenigen Blicken und Gesten sämtliche Schattierungen ihrer Gefühlsregungen darlegen. Andererseits bedient sich Hernández geschickt der Handkameraästhetik, so dass wir uns dicht an jeder ihrer präzis gezeichneten und hervorragend besetzten Figuren bewegen und deren Innenleben mit all ihrem Stolz, ihrer Suche und ihrer Unsicherheit beobachten können.

«Wir sind alle Stubenhocker, Schatz.» – «Stubenhocker ohne ­Stube… Beschlossene Sache, ja? Das Schild hängt. Ich dachte wir würden diese Zusammenkunft nutzen, um zu entscheiden, wie es weitergeht.»

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WIR SIND EINE FAMILIE Wenngleich Hernández Töne einflicht, die von Vertrauen zeugen – etwa wenn sich die Familie am Tisch bei Ratespielen übertrifft oder Luisa der überforderten Inés das Baby abnimmt –, wirkt die daraus entstehende Intimität oftmals beklemmend. Doch ist es genau diese Nähe zu allen Figuren, die diesen Film aussergewöhnlich und unbedingt sehenswert macht.

Nach und nach lüften sich Geheimnisse in dem Drei-Generationen-­ Haus. Es geht um verpasste Absprachen, unbefriedigte Bedürfnisse und gescheiterte Rebellion. Mehrere Konflikte schwelen gleichzeitig, und während über die einen lieber bald geschwiegen wird, eskalieren andere in Lärm und Tränen. Gerade die anpassungsfähige Luisa muss nun feststellen, dass das bisschen Freiheit, das sie zurückerobert geglaubt hat, auf Unverständnis und gar Spott stösst. Und es ist nicht zuletzt die eigene Tochter, die ihr den Spiegel vorhält.

«Und wo bleibst du? Du wolltest Neujahr anders verbringen!» – «Naja…, wir sind eine Familie.» – «Wozu eine Familie, wenn man nicht tun kann, was man will?»

Langsam, aber stetig verschieben sich die familiären Vertrauensverhältnisse, und die wie bei einem Gewitter aufgebauten Spannungen entladen sich schliesslich durch eine ungeheuerliche Entdeckung, die auch die Schlafwandler in dieser Familie vollends aus ihrem Delirium weckt. Wie die Regisseurin sagt: «Los sonámbulos ist nicht der Albtraum, aus dem man nicht erwachen kann, sondern vielmehr der Albtraum des Erwachens.» n

«Die Liebe wird zum Stoff ab dem Moment des Kontaktes, den meine Filme untersuchen; wenn die Verletzlichkeit von Männern und Frauen zum Vorschein kommt und ihre ­I ntimität freilegt.»

Paula Hernández

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PAULA HERNÁNDEZ ZU LOS SONÁMBULOS: IN TIEFEN GEWÄSSERN DER FAMILIE «Los sonámbulos ist nicht der Albtraum, aus dem man nicht erwachen kann, sondern vielmehr der Albtraum des Erwachens. In diesen Tagen des «im Freien eingeschlossen sein» durchlebt Luisa eine existenzielle Wiederentdeckung, ausgelöst durch verschiedene Situationen in ihrer Familie und besonders im Hinblick auf die Entwicklung ihrer Tochter Ana und den beunruhigenden Beginn von deren Adoleszenz. Wachsen, sich verändern, die richtige Distanz finden, ohne Gewissheit leben und sich in der Beziehung zu seinen Kindern verlieren. Den Weg des Schweigens wählen, in toxischen Beziehungen überleben und schliesslich die Konfrontation mit einem schmerzhaften und irreversiblen Akt, obwohl ihr mütterlicher Instinkt zuvor Warnsignale gesendet hatte.

Los sonámbulos spielt im familiären Kontext, dreht sich aber um die Sichtweisen Luisas und Anas und entfaltet damit seinen ästhetischen Blickwinkel: Ausgehend von den beiden Frauen, untergeordnet und behindert in dieser Familie von Schlafwandlern (im weiteren Sinne des Wortes), tauchen wir in die familiären ­Dilemmas ein. Los sonámbulos reflektiert jene Beziehungen, die geplagt sind von Missverständnissen zwischen den Gesprächspartnern oder von Versuchen, das zu stabilisieren, was zu zer­fallen scheint, in einer Vielzahl von Unklarheiten der Erwachsenenwelt, die die Empfindsamkeit und Vitalität der Jüngsten durchdringen.

Dieser Film entstand aus einer intimen und tiefgründigen Auseinandersetzung mit Bindungen. In diesen tiefen Gewässern, auch Familie genannt, bewegt sich der Film.»

Die Argentinierin Paula Hernández schloss ihre Studien 1988 am «Instituto Vocacional de Arte» und im Jahr 1996 an der «Universidad del Cine» in Buenos Aires ab. Bereits seit 1989 arbeitet sie als Filmschaffende und hat mehrere Kurzfilme, Dokumentationen und Spielfilme realisiert. Hernández gehört zu den wichtigen Stimmen im neueren ­a rgentinischen Kino. Ihre Spielfilme Herencia (2001), Lluvia (2008), Un amor (2011) und Los sonámbulos (2019) sind alle bei trigon-film herausgekommen, die älteren sind auf DVD weiterhin greifbar und auf filmingo zu geniessen. Für die Streamingplattform hat Paula Hernández eigens die fünf Lieblinge Winter Sleep, Uncle Boonmee, Iwans Kindheit, Nostalgia de la luz und A separation ausgewählt und in ihrer Director’s choice kommentiert: www.filmingo.ch

Gilles Caron verschwand 1970 spurlos in Kambodscha.

Er war kaum 30 Jahre alt. Während 6 Jahren war der Fotograf einer der wichtigsten Zeugen seiner Zeit, berichtete über den Sechstagekrieg, den Mai 68, Belfast, Biafra, Vietnam.

Mariana Otero machte sich auf die Suche nach dem Menschen, der Bilder hinterliess, die es zu entschlüsseln galt. Ein Film für alle, die gerne fotografieren. Und ein Stück Zeitgeschichte, vermittelt über Bilder, die sich, wie das mit Daniel Cohn Bendit in Paris 68, ganzen Generationen einprägten und für ihre Zeit stehen.

FOTOS, DIE GESCHICHTE SCHRIEBEN LOOKING FOR GILLES CARON VON MARIANA OTERO, FRANKREICH Gedanken von Mariana Otero

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DER URSPUNG DES FILMS Eines Tages, als ich die Montage meines Filmes A ciel ouvert (2013) beendet hatte, liess mir der Drehbuchautor Jérôme Tonnerre ein Buch zukommen. Es war die Biografie eines Fotografen.

Beim Durchblättern entdeckte ich grossartige Aufnahmen, von denen mir einige bekannt vorkamen, seltsamerweise kannte ich aber den Namen desjenigen nicht, der sie gemacht hatte: Gilles Caron. Und dann stiess ich auf die letzten Seiten des Buches. Sie erzählen die Geschichte von Gilles Carons plötzlichem Verschwinden in Kambodscha im Jahr 1970.

Man sieht seine letzten Bilder, kambodschanische Jugendliche, die mit einem Lächeln auf den Lippen die Uniform anziehen, um in den Krieg zu ziehen. Unter diesen Reportagefotos sieht man ein Bild von zwei kleinen Mädchen mit Mützen in einem winterlichen Garten, Marjolaine und Clémentine, seine beiden Töchter. Ich war ergriffen. Wie in einem Spiegel fand ich die Zeichnungen, die meine Mutter Clotilde Vautier kurz vor ihrem Tode im Jahre 1968 von meiner Schwester und mir als Kinder gemacht hatte; auch sie war kaum 30 Jahre alt.

COHN BENDIT 1968 Diese Fotos waren für mich ein Ruf, eine Einladung, um einen Film zu machen. Ich wollte also die Frau und die Töchter von ­Gilles Caron treffen, um zu sehen, wie sie dieses Verschwinden ­erlebt hatten, ob Nachforschungen stattgefunden haben und ob sie auf Spuren gestossen sind. Aufgrund unserer langen Gespräche habe ich begriffen, dass es unnütz wäre, nochmals in Kambodscha nach Hinweisen zu suchen, dass ich einen anderen Ansatz für meinen Film nehmen musste.

Die Familie hat dann sehr schnell meinem Vorschlag zugestimmt, mir die 100’000 Fotografien, die Gilles Caron im Verlauf seiner steilen Karriere gemacht hat, in nummerierter Form zur Verfügung zu stellen. Im Angesicht dieser gigantischen Menge an Bildern, begann ich mich für die Reportage zu interessieren, die von dem berühmten Bild von Daniel Cohn Bendit ausging, das ihn mit einem Polizisten im Jahre 1968 zeigt. Ich wollte den Weg verstehen und rekonstruieren, den Caron an diesem Tag gemacht hat.

In diesem Moment der Recherche hatte ich das Gefühl, über die Schulter des Fotografen zu blicken, und der Wunsch danach, diesen Film zu realisieren. wurde übermächtig. Das Entziffern von Bildern, um durch sie die Anwesenheit der Person, die sie gemacht hat, zu enthüllen, war ein Ansatz, den ich schon im Film über meine Mutter, Histoire d’un secret (2003), angewandt hatte. Dieser neue Film, Histoire d’un regard, ist aus dem gleichen Wunsch entstanden: einen Künstler aufgrund seiner Bilder, die er hinterlassen hat, wieder leben zu lassen und zwar nur aufgrund dieser.

BLICK AUF DIE FOTOGRAFIE SCHÄRFEN Ich begann mit der Kennzeichnung des Materials, indem ich alle Kontaktbögen der Reportagen von Gilles Caron sichtete. Dabei wurde mir klar, dass sie nicht in der Reihenfolge der aufgenommenen Bilder angeordnet waren und dass die Nummerierung rein zufällig war. Zur Rekonstruktion der Bewegungen von Gilles Caron und um seinen Blick zu verstehen, war es zunächst notwendig, die Rollen von jeder einzelnen Reportage von Gilles Caron zu ordnen. So fing ich an mit einer langen Untersuchungsarbeit: ich machte mich kundig über alle Ereignisse und die Personen auf den Fotos, ich tauchte ein in die Karten der Städte, die Caron durchquert hatte, oder wenn sich die Städte verändert hatten, suchte ich die ursprünglichen Pläne, ich verglich die Rollen, die zur selben Zeit aber mit verschiedenen Brennweiten gemacht wurden, ich habe mich auf Details konzentriert, die zu wichtigen Hinweisen wurden, Schatten auf dem Boden, ein Fleck auf der Mauer, ein

Gegenstand in der Hand einer der Personen. Diese obsessive und beinahe archäologische Arbeit dauerte mehrere Monate. Sie half mir meinen Blick auf die Fotografien zu schärfen und die äusseren wie auch inneren Wege von Gilles Caron zu verstehen. Durch dieses intensive Eintauchen hatte ich das Gefühl an seiner Seite zu sein, es mit ihm nochmals zu durchleben.

DAS SCHREIBEN DES FILMS Um den Film zu strukturieren und die Schlüsselmomente in der Arbeit und der Reflexion von Gilles Caron herauszuarbeiten, musste ich auf Distanz gehen zu den hunderttausend gesichteten Aufnahmen, zu den Hunderten von Informationen, Analysen und Anekdoten, die sich während meiner mehrmonatigen Forschungsarbeit angesammelt hatten. Was meinen Co-Autor Jérôme Tonnerre und mich während dem Schreiben des Films immer angeleitet hatte, war mein Wunsch, den Werdegang der Fotografien zu verstehen: zuerst den physischen Werdegang wie in der Sequenz des berühmten Bildes von Cohn Bendit, wie auch den inneren Werdegang, den im Kopf.

Caron hat nie Fotografie studiert, ist aber trotzdem sehr schnell ein sehr grosser Fotograf geworden. Es waren seine Allgemeinbildung, künstlerisch und politisch, seine physischen Qualitäten, seine 22 Monate im Militärdienst während des Algerienkrieges, die ihn befähigt haben, Konfliktsituationen mit einer solchen Sinnesschärfe und einem solchen Talent aufzunehmen. Aber das, was meiner Meinung nach sein Genie ausmachte, war seine Art die Individuen zu erfassen, den Nachweis ihrer Einzigartigkeit zu ­erbringen, weit über die Ereignisse hinaus, deren Protagonisten sie sind.

EXTREM STARKE AUSSTRAHLUNGSKRAFT In seinen Fotos hat es selbst in der dramatischsten Situation immer jemanden mit einem Körper, einem Gesicht, einer Geschichte, die sich nicht auf die Katastrophe beschränken oder die Situation, die sie repräsentiert. Seit seiner ersten Reportage während des Sechstagekrieges macht Gilles Caron Aufnahmen von bemerkenswerter und extrem starker Ausstrahlungskraft. Sie werden sofort in den grossen Magazinen der ganzen Welt publiziert. Aufgrund seines Erfolgs wird Caron schnell an alle wichtigen aktuellen Konfliktherde geschickt und auf diesem Terrain mit den wichtigen Fragen konfrontiert, die eine Fotoreportage in der Praxis auslösen kann. Gilles Caron war kein Theoretiker, und er hatte nicht die Zeit, um ausführlich über seine Erfahrungen zu reden oder zu schreiben. Die Fragen, die er sich stellte, waren da, eingeschrieben in seine Filmrollen im Verlaufe seiner Reportagen.

Um seinen Blick wiederzugeben, musste man aus diesem Grund die Chronologie berücksichtigen. So nah wie möglich an seiner

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BELFAST, BIAFRA, PARIS 68, PRAG, NAHOST, VIETNAM: GILLES CARON, FOTOGRAF, 1939–1970 1939, 8. Juli: Geburt von Gilles Caron in Neuilly-sur-Seine.

1949: Internat in Argentière (Haute Savoie).

1954: Begegnung mit André Charlemagne Derain, Sohn des fauvistischen Malers an der Englischen Schule von Port-Marly.

1957: Studium in Janson de Sailly in Paris.

1958: Gilles verbringt ein Jahr mit dem Studium des Journalismus an der Ecole des Hautes Etudes in Paris und reist im Sommer per Anhalter nach Jugoslawien, in die Türkei und nach Indien.

1959: Zivile Fallschirmlizenz. 28 Monate Militärdienst, 22 in Algerien. Zwei Monate Gefängnis wegen seiner Weigerung zu kämpfen.

1962: Caron beendet seinen Dienst mit dem Verbot, Waffen zu tragen. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich heiratet er Marianne, die er seit seinem 14. Lebensjahr kennt.

1963, 9. März: Geburt von Marjolaine.

1964: Praktikum bei Patrice Molinard, Werbe- und Modefotograf.

1965: Beitritt zur Pariser Agentur für soziale Information Apis.

Treffen mit Raymond Depardon, Fotograf der Agentur Dalmas.

Dreharbeiten von Alain Resnais’ La guerre est finie.

1966: Gilles Caron auf der Titelseite von France-Soir mit einem Bild von Marcel Leroy-Finville, verurteilt im Zusammenhang mit der Entführung und Ermordung von Ben Barka. Er schliesst sich dem Gründungsteam von Gamma an mit Raymond Depardon, Hubert Henrotte, Jean Monteux und Hugues Vassal.

1967: Dreharbeiten Weekend von Jean-Luc Godard.

5.–10. Juni: Sechstagekrieg: Gilles zieht mit der israelischen Armee in Jerusalem ein und gelangt bis an den Suezkanal. Seine Bilder in Paris Match machen die Agentur Gamma berühmt.

November und Dezember: Gilles ist in Vietnam, insbesondere in Dak To, während einer der härtesten Schlachten (Hügel 875).

Begegnet Catherine Leroy, der einzigen Kriegsfotografin hier.

8. Dezember: Geburt von Clementine.

1968: Februar: Dreharbeiten von Baisers volés, François Truffaut.

April: Gilles Caron berichtet über den Bürgerkrieg in Biafra.

Mai: Beginn der Studentenrevolten in Paris, die sich über ganz Frankreich ausbreiten und einen Generalstreik provozieren. Caron berichtet täglich über Studentendemonstrationen in Paris und folgt dem Präsidenten Charles de Gaulle zu einem offiziellen Besuch in Rumänien zwischen dem 14. und 18. Mai. Juli: zweite Reise nach Biafra, diesmal mit Raymond Depardon.

Aufnahme des Slogans von Pierre Grimblat, Treffen mit Jane Birkin und Serge Gainsbourg.

September: Gilles begibt sich am Vorabend der Olympiade nach Mexiko City. - November: dritter Bericht in Biafra.

1969 August: Bericht über die katholischen Demonstrationen in Londonderry und Belfast in Nordirland. Wenige Tage später reist er zum Jahrestag des Prager Frühlings in die Tschechoslowakei.

Paris Match veröffentlich beide Berichte in einer Ausgabe.

1970 Januar-Februar: Gilles nimmt an einer Expedition im tschadischen Tibesti teil, mit Robert Pledge, Raymond Depardon und Michel Honorin, um über die Rebellion der Toubous gegen die Zentralmacht von Fort Lamy zu berichten. Die vier werden in einen Hinterhalt gelockt und einen Monat lang festgehalten.

April: Gilles Caron reist am Tag nach der Absetzung von Prinz Norodom Sihanouk durch General Lon Nol nach Kambodscha.

Am 5. April verschwindet er als Erster von rund 20 Journalisten und Entwicklungshelfern aller Nationalitäten zusammen mit zwei weiteren Franzosen, dem Reporter Guy Hannoteaux und dem Entwicklungshelfer Michel Visot, auf der Route Nr. 1, die Kambodscha mit Vietnam in einer von den Roten Khmer kontrollierten Zone von Pol Pot verbindet. Gilles Caron ist 30 Jahre alt.

MARIANA OTERO 1963 geboren, begeisterte sie sich nach ihrem Filmstudium am IDHEC für den Dokumentarfilm. Für den Kultursender arte führte sie bei mehreren Filmen ­Regie, darunter in der Serie La loi du collège, die zur ersten Dokumentarfilmreihe des Senders werden sollte. Zwischen 1995 und 2000 lebte sie in Portugal, wo sie bei This television is yours Regie führte. Durch die Enthüllung der Funk­ tionsweise des grössten kommerziellen Fernsehens des Landes, CLC, löste der Film eine grosse Kontroverse aus. Otero kehrte nach Frankreich zurück und wandte sich dem Kino zu, insbesondere mit Histoire d’un secret. Dieser Film, der am Ende der Untersuchung eines Familiengeheimnisses steht, enthüllt ein politisches und gesellschaftliches Tabu. Im Jahr 2010 führte sie Regie bei In Our Hands, wo sie die Geschichte erzählt, wie Mitarbeiter eine neue Freiheit entdecken, indem sie versuchen, ihr Unternehmen in eine Kooperative umzuwandeln.

Der Film wird 2011 für den César für den besten Dokumentarfilm ­nominiert.

Im Jahr 2013 führte sie Regie bei À ciel ouvert, einem Film, der es uns ermöglicht, die einzigartige Vision der Welt psychisch und sozial benachteiligter ­Kinder zu verstehen.

­ rbeit und seinen Fotos zu sein, erlaubte es seinen inneren Weg A nachzuvollziehen, ohne einen didaktischen Blick einzunehmen.

Und gleichzeitig versuchte ich der Erzählung und der Montage die Analyse einzuhauchen, die ich aufgrund der Fotos und der Gefühle, die sie bei mir auslösten, machen konnte. Aber auf meine stillschweigende Art, ganz unauffällig.

ERZÄHLUNG IN ERSTER PERSON Wie in meinen früheren Filmen ging es mir darum, den anderen zu verstehen, indem ich in seine Art des Schauens eintauchte, ­seine Art, die Welt zu sehen. Was sich vielleicht im Lauf meiner verschiedenen Arbeiten etwas verändert hat und was immer stärker die Erzählform prägte, ist das Bedürfnis, über die Inszenierung den Blick auf den anderen in den Vordergrund zu stellen.

Denn im Kern geht es um dieses Suchen des Ortes, diese Arbeit am Blick, was mir künstlersch wie politisch essenziell erscheint, wenn es darum geht, etwas zu teilen.

Das ist auch der Grund, weshalb ich in meinen Filmen seit Histoire d’un secret mehr über das Bild als über die Stimme präsent bin.

Und es war auch der Ursprung dafür, dass meine eigene Subjektivität und die Suche rund um Caron gegenwärtig sein sollten durch alle Szenen hindurch und durch meine Erzählung. Ich konnte mir ganz einfach keinen Film vorstellen, der meinen eigenen Blick bei der Suche nach dem seinen ausser Acht gelassen hätte. Und sechs Monate Arbeit und der Umgang mit Bildern führten mich natürlich dazu, Gilles Caron direkt anzusprechen und ihn dabei zu duzen.

BILDER VON GILLES CARON Seite 23:

Daniel Cohn-Bendit, Sorbonne, 6. Mai 1968

Seite 24:

Die Unruhen von Bogside – Nordirland, August 1969 US-Soldat im Vietnamkrieg – Vietnam

Seite 25:

Selbstporträt – Dezember 1968

Seite 26:

Jane Birkin und Serge Gainsbourg bei den Dreharbeiten zum Film Les chemins de Katmandou von André Cayatte im Januar 1969

Doppelseite: Manifestation CGT, Mai 1968, Place de la République, Paris © Fondation Gilles Caron / Clermes

­Reportagen und die Emotionen, die sie in mir aufkommen liessen.

Aus diesem Grund verändern sich die erzählerischen Elemente und die visuellen im Verlauf des Filmes. So habe ich mich beispielsweise dazu entschieden, nach Nordirland zu reisen, um jene zu treffen, die Caron fotografiert hatte. Ich hatte das Gefühl, dass Caron sich bei der Reportage in Derry stärker mit diesem Kampf identifiziert hatte als anderswo.

Nie sonst hat er so viele Fotos aufgenommen in derart kurzer Zeit.

Also ging ich, immer noch mit der Idee, in seine Fussstapfen zu treten, zu denen, denen er sich fünfzig Jahre zuvor anzunähern versucht hatte. Diese formale Freiheit war für mich wesentlich.

Meine Cutterin Agnès Bruckert und ich haben uns wechselseitig nur zwei Regeln auferlegt. Die erste, von der wir selten abgewichen sind, bestand darin, die Cadrage des Fotografen zu respektieren. Und die andere war jene, die Fotos nicht einer historischen Illustration und journalistischen Information zu unterwerfen: Die Fotos mussten uns ständig zu Gilles Caron und seinem Blick zurückbringen. Ihre Montage musste eine echte Erzählung schaffen.

Meiner Meinung nach war dies der fairste Weg, Carons Fotos zum Leben zu erwecken. In ihnen nahm ich, selbst wenn sie im Zentrum höchst dramatischer Ereignisse entstanden sind, eine erzählerische, romantische und filmische Dimension war, die mich als Filmemacherin offensichtlich berührte. n Übersetzung aus dem Französischen: Monika Schweri

DIE MONTAGE DER FOTOS Seit dem Schreiben des Drehbuchs wollte ich, dass die Art, dem Fotografen und seinen Fotos zu begegnen, variierte wie seine

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Vier Variationen zur moralischen Kraft. Heschmat ist ein vorbildlicher Ehemann und Vater, der seinem Alltag nachgeht. Rekrut Pouya kann sich nicht vorstellen, einen Menschen zu töten. Javad ahnt nicht, dass sein Heiratsantrag nicht die einzige Überraschung für seine Geliebte am Geburtstag bleiben wird. Bahram ist Arzt, darf aber nicht praktizieren. Die vier Menschen kennen einander nicht, teilen aber ein gemeinsames Schicksal. Mohammad Rasoulof regt uns an, darüber nachzudenken, wie Männer und Frauen auch in schwierigen Situationen ihre Freiheit behaupten können. Ein meisterliches Plädoyer fürs Leben.

DEN HOCKER WEGZIEHEN?

THERE IS NO EVIL – GOLDENER BÄR 2020 VON MOHAMMAD RASOULOF, IRAN Von Alexandra Seitz

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Es ist eine Bewegung ins Offene. Zu Beginn fährt ein Mann in einem Auto aus einer Tiefgarage heraus; scheinbar endlos schraubt sich der Wagen die Rampe hinauf, ist die Perspektive verengt und verkürzt, macht sich zunehmendes Unbehagen bemerkbar. Welcher Schrecken mag hinter der nächsten Biegung lauern? Immer nur und immer nur wieder im Kreis herum geht es in diesem betonierten Schacht, in dem das Licht dräuend flackert, der zur klaustrophobischen Drohung wird und immer drängender die ­Frage aufwirft: Wird es jemals wieder ans Tageslicht gehen? Wird man dann noch leben?

Und am Ende steht wieder ein Auto, es ist ein anderes, und es wurde inmitten einer kargen Landschaft angehalten, wie um innezuhalten für eine Denkpause. Zu sehen ist es aus weiter Entfernung, in einer raumgreifenden Totale steht das Fahrzeug, still und klein, und es fragt sich, in welche Richtung die, die drin sitzen, es nun wohl lenken werden? Und man weiss, dass es nur eine Richtung gibt, die die richtige ist, und man hofft, dass die Menschen im Auto sie einschlagen werden.

«Natürlich

habe ich Hoffnung.

Die speist sich aus der Gewissheit, dass das Leben schön ist.

Und solange ich bald wieder Filme machen kann, kann ich auch die Realität abbilden, die um mich herum ist. Das ist meine Aufgabe, und sie gibt mir Hoffnung.»

Mohammad Rasoulof

VIER ERZÄHLUNGEN – EIN MEISTERWERK Die Figuren in Mohammad Rasoulofs There is no Evil (Sheytan vojud nadarad) sind unterwegs: Ein Familienvater fährt in einem Auto durch die Stadt, ein Soldat hastet durch die Gänge eines ­Gefängnisses, ein anderer Soldat spaziert mit seiner Braut durch den Wald, ein älterer Mann und eine junge Frau gehen auf die Jagd. Die einen drehen sich im Kreis, die anderen brechen auf.

Vier Episoden bilden diesen Film, vier eigenständige Erzählungen, die jedoch aufeinander aufbauen und ineinander verzahnt sind, so dass man die tiefere Bedeutung jeder einzelnen besser begreift, weil die vorangegangene Wissen hinzugefügt und einen etwas gelehrt hat. Motive werden wieder aufgegriffen, ein musikalisches Thema klingt neuerlich an, die Bewegung eines Körpers erinnert an eine andere zuvor, Räume erweitern sich, Begrenzungen fallen, Facetten werden hinzugefügt. Es lohnt, There is no Evil mehrmals zu sehen, derart eng geflochten ist seine narrative Struktur und derart sorgsam konstruiert ist sein dramaturgischer Aufbau. Das gilt sowohl für die einzelnen Kapitel als auch für das Werk in seiner Gesamtheit. Ein Werk, das in Szene gesetzt ist mit dem sicheren Gespür des visuellen Künstlers für die Wirkung starker, klarer Bilder – die der starken, klaren, dabei doch komplexen A ­ ussage des Films die luxuriöse Ebene ästhetischer Perfektion hinzufügen.

Tatsächlich, ein Meisterwerk. Und umso erstaunlicher, bedenkt man Herkunft und Entstehung.

ZENSUR IN GLOBALEN ZEITEN Drehbuchautor, Filmemacher und Produzent Mohammad Rasoulof wird 1972 in Schiras, Iran, geboren. Er studiert zunächst Sozio-

logie, bevor er einen Workshop zu Filmschnitt am Sooreh Higher Education Institute in Teheran besucht und mit der filmemacherischen Arbeit beginnt. Zwischen 1991 und 1996 entstehen sechs Kurzfilme. Sein Langfilmdebüt Gagooman (The Twilight, 2002) wird beim Internationalen Fajr Film Festival in Teheran mit dem Preis für den Besten Erstling ausgezeichnet. Doch bereits mit ­seiner zweiten Arbeit Jazireh Ahani (Iron Island, 2005) – die von sunnitischen Iranern erzählt, die auf dem Wrack eines allmählich sinkenden Öltankers im Persischen Golf leben – erregt Rasoulof das Missfallen der Obrigkeit und bekommt Schwierigkeiten mit der Zensurbehörde.

2008 dreht er seinen bislang einzigen Dokumentarfilm; Baad e ­daboor (Head Wind) beschäftigt sich mit der widersprüchlichen medialen Situation im Iran: Einerseits herrscht dort strenge ­Zensur, andererseits sind via Satellit noch in den entlegensten ­Regionen Dutzende von Programmen zu empfangen. Im März 2010 wird Rasoulof zusammen mit Filmemacherkollege Jafar ­Panahi während der Dreharbeiten an einem gemeinsam verantworteten Projekt – in dem unter anderem die Präsidentschaftswahl und die anschliessende Revolte hatte Thema sein sollen – verhaftet; im Zuge dessen wird Rasoulof in deutschsprachigen Medien des öfteren fälschlicherweise als Assistent von Panahi ­bezeichnet.

Beiden Regisseuren wird «Propaganda gegen das System» vorgeworfen und sie werden vor Gericht gestellt. Panahi erhält eine sechsjährige Haftstrafe und zwanzig Jahre Berufsverbot; Rasoulof

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wird zu sechs Jahren Haft verurteilt, die später auf ein Jahr reduziert wird, er wird auf Kaution freigelassen. Zwar steht Rasoulof nicht, wie Kollege Panahi, unter Hausarrest, lebt aber unter dem Damoklesschwert der jederzeit möglichen Aufforderung zum Haftantritt.

GOLDENER BÄR Ausser Gagooman ist keiner von Rasoulofs Filmen im Iran je regulär in einem Kino zu sehen – hingegen zirkulieren sie auf Raubkopien und sind via Satellit zu empfangen, auch auf den internationalen Filmfestivals und im Ausland reüssiert Rasoulofs Werk.

In Cannes erhält Be omid e didar (Goodbye) 2011 den Regie-Preis der Sektion Un certain regard, Dast-neveshtehaa nemisoosand (Manuscripts Don’t Burn) 2013 den Fipresci-Preis und Lerd (A Man of Integrity) 2017 den Hauptpreis der Sektion Un certain ­regard. Als der Filmemacher nach der Premiere des Letzteren in seine Heimat zurückkehrt, nimmt man ihm seinen Pass ab.

Für There is no Evil wird Mohammad Rasoulof im Februar diesen Jahres bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet; persönlich in Empfang nehmen kann der Filmemacher den Preis jedoch nicht, da er keine Ausreiseerlaubnis erhält; vertreten wird er von seiner in Hamburg lebenden Tochter Baran, die auch als Schauspielerin im Film mitwirkt.

Der Gewinn des Goldenen Bären bringt Rasoulof nur wenige Tage später eine neuerliche Verurteilung, eine weitere einjährige Haftstrafe sowie ein zweijähriges Berufsverbot ein, da er mit nunmehr drei Filmen «Propaganda gegen das System» betrieben habe.

EIN MUTIGER MANN Doch die Repressionen, die Mohammad Rasoulof in seiner künstlerischen Arbeit zu gewärtigen hat, fechten ihn nicht an; in einem anlässlich der Premiere von There is no Evil mit dem Berliner ­Tagesspiegel via Skype geführten Interview gibt er zu Protokoll: «Warum sollte ich weglaufen? Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen. Wenn jemand das anders sieht und findet, ich müsste zur Strafe meiner Rechte beraubt werden, dann übernehme ich doch nicht in vorauseilendem Gehorsam dessen Arbeit.»

Es lässt sich denken, dass derart unverblümt artikuliertes Selbstbewusstsein eines politisch denkenden Bürgersubjekts den iranischen Machthabern ein Dorn im Auge ist. Da gibt einer nicht nur nicht klein bei, da nennt auch noch einer die Dinge beim Namen; und dringt dabei zu allem Überfluss zu jenen zentralen Punkten vor, an denen es richtig übel weh tut – und dann sticht er mit Schmackes hinein. Mohammad Rasoulof ist ein mutiger Mann.

DIE TRÄNEN DER MENSCHEN SAMMELN Wie nicht wenige Künstler, die in einer Diktatur an ihrer Arbeit festhalten, bedient sich auch Rasoulof zu Beginn seiner Laufbahn einer eher allegorischen, metaphernreichen Erzählweise, um die gesellschaftlichen Gegebenheiten in seinem Heimatland kritisch zu hinterfragen. Als Beispiel sei der 2009 entstandene Keshtzarha ye sepid (The White Meadows) genannt, in dessen Mittelpunkt ein Mann steht, der mit einem Boot von Inselchen zu Inselchen schippert und dort mal als Bestatter, mal als Beichtvater, mal als Schamane, mal als Polizist agiert. Unterwegs sammelt er die Tränen der Menschen ein, die üppig fliessen; am Ende wird er mit diesen die Füsse des Herrschenden, eines hinfälligen Greises, waschen.

Mit den reduzierten Schauplätzen, dem Verzicht auf raumzeitliche Festlegung und der episodischen Narration mit ihren symbolhaft verdichteten Handlungen – zu denen immer wieder auch ritualisierte Menschenopfer zählen – lässt sich Keshtzarha ye sepid unschwer als politische Allegorie lesen. Der Schmerz, der sich in ihr artikuliert, ist beträchtlich, die Anklage, die sie führt, wiegt schwer und die Kritik, die sie übt, ist scharf.

BELLA CIAO Eines Morgens erwachte ich (An diesem Morgen bin ich aufgestanden) O Schöne, tschau, Schöne, tschau, Schöne, tschau, tschau, tschau!

Eines Morgens erwachte ich und fand den Eindringling vor O Partisan, bring mich fort O Schöne, tschau, Schöne, tschau, Schöne, tschau, tschau, tschau!

O Partisan, bring mich fort Denn ich fühle, dass ich bald sterben werde Und falls ich als Partisan sterbe (Und falls ich in den Bergen sterbe) O Schöne, tschau, Schöne, tschau, Schöne, tschau, tschau, tschau!

Und falls ich als Partisan sterbe (Und falls ich in den Bergen sterbe) Dann musst du mich begraben Begrabe mich dort oben auf dem Berge (Und du musst mich begraben) O Schöne, tschau, Schöne, tschau, Schöne, tschau, tschau, tschau!

Begrabe mich dort oben auf dem Berge (Und du musst mich begraben) Unter dem Schatten einer schönen Blume Und die Leute, die daran vorbeigehen (Und alle jene, die daran vorbeigehen) O Schöne, tschau, Schöne, tschau, Schöne, tschau, tschau, tschau!

Und die Leute, die daran vorbeigehen (Und alle jene, die daran vorbeigehen) Werden mir sagen: «Welch schöne Blume!»

(Und sie werden dann sagen: «Welch schöne Blume!»)

Dies ist die Blume des Partisanen (Und dies ist die Blume des Partisanen) O Schöne, tschau, Schöne, tschau, Schöne, tschau, tschau, tschau!

Dies ist die Blume des Partisanen (Und dies ist die Blume des Partisanen) Der für die Freiheit starb

Mit dem Lied «Bella ciao» endet die zweite Erzählung in There is no Evil. Es war das Lied der italienischen Partisanen im Zweiten Weltkrieg und entwickelte sich zu einer der Hymnen der antifaschistischen und anarchistischen Bewegungen. Die Melodie des Liedes wurde bereits Anfang des 20. Jahrhunderts von den Reispflückerinnen der ehemaligen italienischen Provinz Terre d’Acqua in der Nähe der Stadt Bologna gesungen.

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DIE SCHÖNHEIT Doch entzieht sich die Allegorie eben gerne der Festnahme, die Eindeutigkeit ist ihre Feindin, mitunter auch stirbt sie in Schönheit. Schönheit ist hier das Stichwort. Denn was bleiben wird, als Rasoulof dazu übergeht, in seinen Werken seine Gegenwart direkter und unverblümt anzusprechen, ist die Schönheit. Ein wunderbarer Sinn für Proportionen, Farbharmonien und -kontraste, eine spürbare Liebe zur Landschaft und zur traditionellen Kultur des Iran zeichnen Rasoulofs Filme aus. Und ihr ästhetischer Entwurf macht diese Studien der Unterdrückung mitunter umso beklemmender zu sehen.

Zuletzt hat Rasoulof mit Lerd – A Man of Integrity einen Film über den geistig-moralischen Stillstand und über Mechanismen der Ausgrenzung in seinem Land gedreht. Ebenso gnadenlos wie vielschichtig ausgeführt am Beispiel des Fischzüchters Reza, der sich von den Opportunisten und Profiteuren, die den Ton angeben, nicht korrumpieren lassen will. Im Dschungel der Bürokratie allerdings erfährt er die eigene Ohnmacht alsbald als existenzbedrohend. A Man of Integrity ist ein atemberaubend präziser Film über die Wut und Empörung, die erwachsen, wenn die einzig mögliche Alternative letztlich die zwischen der Existenz als Unterdrückter und der als Unterdrücker ist.

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­ erden. Im Zuge dieses Dienstes nämlich können die jungen Solw daten auch zur «Urteilsvollstreckung» herangezogen werden; dann sind sie dazu verpflichtet, einem beispielsweise zum Tode durch den Strang Verurteilten den Hocker unter den Füssen wegzuziehen. Wer keinen Militärdienst leistet, riskiert mannigfache Benachteiligung, unter anderem bekommt man keinen Pass und darf keinen Führerschein machen.

So lautet das Gesetz. Aber was, wenn das Gesetz falsch ist? Und wer macht überhaupt das Gesetz? Diese aufrührerischen Fragen stellt Rasoulof im Lauf seiner (vier) Erzählung(en) ganz unver­ holen mit schmerzlicher Direktheit. Und noch einige mehr: Kann man ein geradezu vorbildlicher Nachbar, Ehemann, Vater, Sohn sein – und doch kein guter Mensch? Wiegt das Leben des unbekannten Verurteilten schwerer als das Glück der Tochter, die man noch gar nicht hat? Schützt die Fremdheit des Todeskandidaten davor, Schuld auf sich zu laden? Und welche Möglichkeiten ­bleiben einem überhaupt, entschliesst man sich zur Gegenwehr?

Welchen Spielraum hat moralische Integrität in einer Diktatur?

DIE EIGENVERANTWORTUNG

Es sei ihm mit seinem Film, so Rasoulof, «weniger um die Todesstrafe als um Befehlsgehorsam» gegangen. Nicht das psychische Drama des verurteilten Delinquenten steht demnach im Mittelpunkt der Geschichten als vielmehr das moralische desjenigen, der das Urteil zu vollstrecken hat/hätte.

There is no Evil geht noch einen Schritt weiter. Mohammad Rasoulofs aktueller Film kreist um die Frage nach der Eigenverantwortung von Menschen in einem despotischen Regime. Als Aufhänger wählt der Regisseur den zweijährigen verpflichtenden Militärdienst, eine Zeit, so Rasoulof im oben erwähnten Interview, in der «der freie Wille und die moralische Identität zerstört»

Tatsächlich lässt sich There is no Evil – auch wenn er im Rahmen der Berlinale-Berichterstattung hartnäckig als «Film über die Todes­ strafe» bezeichnet wurde – schwerlich einer Tradition von Dramen wie I Want to Live! (Robert Wise, 1958), Dead Man

DIE PERSPEKTIVE ÄNDERN

Walking (Tim Robbins, 1995), The Green Mile (Frank Darabont, 1999) oder Monster’s Ball (Marc Forster, 2001) zuordnen. Wohl dient Rasoulof die Hinrichtung als Handlung stiftendes Element, als Aktionsmotor, gar als dramaturgischer Kniff. Doch es versteht sich, dass der Filmemacher den überraschenden Schockmoment oder die unvorhergesehene Wendung nicht aus ausbeuterischen Motiven, also zu billiger Effekterzeugung einsetzt. Vielmehr ändert er vermittels dieser Aufrüttler schlagartig die Perspektive – und zwar nicht nur die des Publikums auf Geschichte und Figuren, sondern auch die der Figuren auf fest und sicher Geglaubtes wie beispielsweise einen gemeinsam geteilten Wertekanon oder die Art der familiären Beziehungen oder das Potenzial der Kraft, die in einem starken Willen steckt.

Weder schleicht Rasoulofs Film noch reden seine Figuren um den heissen Brei herum, die fundamentale Frage nach der Möglichkeit oder Unmöglichkeit der freien Entscheidung in einem autoritären Staat schwingt nicht nur beständig mit, sie wird auch beharrlich und in immer wieder neuen Anläufen konkret gestellt: In Form ­einer Auseinandersetzung von sechs Soldaten auf der Kammer, die sich zu einer philosophischen Debatte über Macht, Ohnmacht und Korrumpierbarkeit entwickelt; in Gestalt der tastenden Verständigung zweier Liebender über das, was in einer gemeinsamen Zukunft für gut und richtig zu befinden wäre; als bitter aufheulende Anklage einer um ihren Vater betrogenen Tochter. Letzteres eine auch autobiografisch zu lesende Episode, in der Rasoulof den Versuch einer Antwort auf die Fragen seiner eigenen, entfernt von ihm lebenden Tochter gestaltet hat.

WIDERSTAND ALS PFLICHT Wie entsteht ein solches Werk, dessen blosse Existenz der Beweis der Möglichkeit von Widerstand ist? Rasoulof: «Wir haben vier Produktionen von vier Filmemachern angemeldet, es sind zufällig meine Regieassistenten. Bei Kurzfilmen schaut das Zensursystem noch nicht so genau hin. Die Filme spielen an vier sehr unterschiedlichen Orten, sie wurden zu unterschiedlichen Zeiten realisiert. Es war knifflig: Während der eine Film geschnitten wurde, fing beim nächsten erst der Dreh an. Dank meiner Assistenten hat es aber gut funktioniert, vor allem bei der in Teheran gedrehten Episode, bei der ich selber nicht am Set auftauchen durfte.»

Schlau eingefädelt, in der Tat. Doch darf einen die klammheimliche Freude über die Überlistung des Systems der Mullahs nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Notwendigkeit der Überlistung gar nicht erst stellen sollte, weil die Einschränkung der künstlerischen Freiheit Unrecht ist. So steht am Ende neben der berechtigten Freude über ein hochkarätiges filmisches Kunstwerk auch die aufwühlende Erkenntnis, dass sich in dem hohen Preis, den Rasoulofs Figuren für ihre Integrität zu zahlen bereit sind, der Preis spiegelt, den ihr Schöpfer zahlt. Es liegt darin auch eine Handlungsaufforderung wider die Unterdrücker, die ihr Unwesen ja nicht nur im Iran treiben; es gilt sie zu bekämpfen, wo man sie trifft. n

AUSDRUCKSSTARK IRANS FILMSCHAFFEN BRILLIERT Von Walter Ruggle

Irans Filmschaffen brilliert mit Autoren wie Asghar F­ arhadi, Jafar Panahi, Mani Haghighi, Mohammad Rasoulof oder Shahram Mokri. Das iranische Kino präsentiert sich vielfältiger und lebendiger denn je, ist inhaltlich kühn und formal innovativ wie an wenigen Orten der Welt.

Einen iranischen Film kann man daran erkennen, dass alle weiblichen Figuren eine Kopfbedeckung tragen. Seit 1979 sind Frauen gesetzlich verpflichtet, in der Öffentlichkeit alle Körperteile ausser Hände, Füsse und Gesicht bedeckt zu halten. Das gilt selbst für das Bild einer Frau, das öffentlich gezeigt wird. Auch wenn eine moderne iranische Frau nie im Leben auf die Idee käme, mit Kopfbedeckung zu kochen – in einer Spielfilmhandlung muss sie mit Kopftuch am Herd stehen. Das wirkt befremdlich und führt dazu, dass sich ein gewichtiger Teil des Alltags im iranischen Kino nicht authentisch spiegeln lässt. Im Iran existieren eigentlich zwei Welten: Eine öffentliche und eine private. Die Erstere muss den strengen Vorgaben der religiösen Männerdoktrin folgen, die Letztere steht dieser diametral entgegen und sucht die Freiheit, von der das Individuum träumt. Es gibt viele, die sagen: Das wirkliche Leben im Iran spielt sich im Privaten ab.

AUFRICHTIGKEIT Kreativ, wie Filmschaffende sein sollten, haben sie einen spielerischen Umgang mit dem Gesetz entwickelt und verwenden etwa kecke Wollmützen statt Tücher. In Malaria von Parviz Shahbazi wirft die Protagonistin in der freien Natur den Schal während einem Filmschwenk im Dialog erzählend weg. Von den jüngeren ­Arbeiten ist das eine der intensivsten Betrachtungen des jugendlichen Bedürfnisses nach Befreiung vom religiösen Fundamentalismus, der das Denkschema vorgeben möchte. Der Film spielt mit den Handy-Aufnahmen einer Frau, die einmal von einer Journalistin gefragt wird, was sie als junger Mensch zur Verbesserung der Aufrichtigkeit in der Gesellschaft vorschlagen würde, und ­angewiesen wird zu sagen: «Als junger Mensch hat jeder von uns eine Rolle zu spielen in der Gesellschaft. Wenn ich etwas Gutes mache, steigt das Mass an Aufrichtigkeit.» Die junge Frau weigert sich und meint: «Wenn Sie Ihre Frage aufrichtig stellen würden, könnte ich Ihnen sagen, was ich denke.»

Damit wären wir mitten im iranischen Filmschaffen, das zum spannendsten weltweit gehört, und dies auch, weil ein jeder Filmschaffende, der etwas zu sagen hat und etwas sagen möchte, sich sehr genau überlegen muss, was er sagt und wie er es sagt, damit er seine Aufrichtigkeit nicht aufs Spiel setzt. Auf die Frage, ob er mit Zensur konfrontiert gewesen sei, meint der zweifache OscarPreisträger Asghar Farhadi (Fireworks Wednesday, About Elly, A Separation): «Nein, aber vergessen Sie nicht, ich bin im Iran ­geboren und aufgewachsen, da lernt man aufzupassen und Mittel 35

dafür zu finden, was man realisieren will.» Sein Landsmann Mohammad Rasoulof (A Man of Integrity, There is no Evil ), der mit Berufsverbot, Haftbefehl und Ausreisesperre belegt ist, empfindet die Existenz einer Zensurbehörde als wenig beflügelnd: «Es wird oft gesagt, dass Begegnungen mit der Zensur und die Einschränkungen zu mehr Kreativität beim Künstler führen. Doch das ist nicht immer wahr. Irgendwann erreicht man einen Sättigungspunkt, der den Künstler zur Verzweiflung treiben kann.»

«ZENTREN DER PROSTITUTION» Die Religionsführer mögen das Kino nicht, können ihm aber wenig anhaben, weil es im Land viel zu beliebt ist. Ayatollah Khomeini hatte die Kinos als «Zentren der Prostitution» bezeichnet und liess mehr als 125 Säle niederbrennen. Opfer nahm man in Kauf: Allein beim Brandanschlag durch Geistliche 1978 aufs Kino Rex in Abadan sind 430 Menschen ums Leben gekommen. Man darf bezweifeln, dass sich die Religionsführer heute über die weltweiten Erfolge ihrer nationalen Filmemacher freuen. Selbst ein einzelner Freitagsbeter kann erwirken, dass ein Kassenknüller aus den Programmen genommen wird, weil er – Monate nach dem Start – gehört hat, dass es im Film um so etwas Verwerfliches wie die Liebe gehe.

War das iranische Kino während Jahren ein eher bedächtiges Medium, einer eigenen Art von beschaulichem Realismus verpflichtet, war es stark mitunter im Bereich der Kinderfilme, so verblüfft es heute in seiner Vielfalt. Verbreitet sind Beziehungsgeschichten, die meist in Wohnungen spielen und eher theatral anmuten. Daneben werden die Möglichkeiten des Kinos genutzt und genussvoll ausgereizt von Leuten wie Mani Haghighi, dessen Spielfilm Khook an der Berlinale lief und der schon mit Modest Reception und A Dragon Arrives! ernsthaft zu unterhalten verstand. Er sagt, es gebe Menschen, die felsenfest daran glauben, «dass sie die Wahrheit erreicht haben und sie kennen. Und wenn du ihnen nicht zustimmst, dann stimmt etwas nicht mit dir, du musst berichtigt, bestraft und diszipliniert werden.» Haghighi ist überzeugt, dass die Beschränkungen eine sehr vitale und lebendige Szene geschaffen haben, denn «im Iran kannst du keinen Film machen, ausser wenn du es wirklich, wirklich willst. Wenn du nicht dafür stirbst, einen Film zu machen, ist es beinahe unmöglich, es zu tun.»

Einer, der viel aufs Spiel setzt, ist Jafar Panahi. Mit 20 Jahren Berufsverbot belegt, hat er weltweit Solidaritätsbekundungen erwirkt und es geschafft, weiterhin Filme zu drehen. Zunächst mit Handy in der eigenen Wohnung, wo er einen Film beschreibt, den er machen will (This is not a film), später an einem bevorzugten Drehort des unabhängigen Filmschaffens, im fahrenden Auto, wo es keine Bewilligung braucht. Für den so gedrehten Taxi Tehran erhielt er 2015 in absentia den Goldenen Bären von Berlin, vier A Man of Integrity von Mohammad Rasoulof

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Jahre nachdem Asghar Farhadi ihn für sein packendes Beziehungsdrama A Separation geholt hatte und fünf Jahre bevor Mohammad Rasoulof hochverdient den Goldbären erhielt – auch ihn hinderten die Mullahs an der Ausreise. Farhadi hat inzwischen Filme im Westen gedreht, denen das erzählerische Potenzial zwar noch innewohnt, die aber irgendwie entwurzelt wirken wie die späten im Westen gedrehten Filme von Abbas Kiarostami. 2011 hatte Farhadi selbst gesagt: «Man ist in seinem eigenen Land mit Sicherheit der bessere Filmemacher.»

DROHUNG ALS KONZEPT Danach gefragt, wie man im Iran denn Filmemacher werde, meint der junge Shahram Mokri: «Es gibt zwei Wege. Man dreht auf eigene Faust Kurzfilme oder man arbeitet als Assistent bei einem Regisseur.» Mokri ist ein Filmfreak, der seinen Spielfilm Fish & Cat in einer einzigen Einstellung gedreht hat: «Ich frage mich sehr intensiv, was wir heute im Kino machen können, damit es einen Schritt weiter geht und wir die Schrift des Kinos entwickeln können.» Sein Film spielt unter Jugendlichen in einer Szenerie der Bedrohungen, und Mokri meint, das Konzept, das heute am verbreitetsten sei im Iran, wäre das der Drohung: «Alle Generationen drohen einander. Auch die Ideologen selber drohen einander wechselseitig.»

Taraneh Alidoosti, eine der bekanntesten Schauspielerinnen im Iran, stellt zum unabhängigen Filmschaffen in ihrer Heimat fest: «Wir sind wie eine grosse Familie.» Das sieht man auch, wenn man die Credits der Filme betrachtet. Sie hat mit Asghar Farhadi gearbeitet und etwa in About Elly gespielt, in dem auch Mani Haghighi eine Rolle verkörpert, nachdem er für Farhadis grossartigen Fireworks Wednesday das Drehbuch verfasst hatte. «Mir ist es wichtig», sagt Alidoosti, «dass die Leute dableiben, die Stellung halten und trotz aller Schwierigkeiten versuchen, es immer besser und besser zu machen.» There is no Evil von Mohammad Rasoulof zeigt eindrücklich, wie ausdrucksstark das iranische Kino ist, das nicht sein soll.

Iranisches Kino auf filmingo.ch und in der DVD-Edition trigon-film: Khook – Mani Haghighi 2018 A Man of Integrity – Mohammad Rasoulof 2017 A Dragon Arrives! – Mani Haghighi 2016 Malaria – The Vibes of Tehran – Parviz Shahbazi 2016 Fish and Cat – Shahram Mokri 2013 Modest Reception – Mani Haghighi 2014 Une famille respectable – Massoud Bakhshi 2012 A Separation – Asghar Farhadi 2011 The Hunter – Rafi Pitts 2010 About Elly – Asghar Farhadi 2009 Fireworks Wednesday – Asghar Farhadi 2006 The Legend of Love – Farhad Mehranfar 2001 Djomeh – Hassan Yektapanah 2000 Downpour – Bahram Beyzaie 1972

About Elly von Asghar Farhadi

Die Mexikanerin Fernanda Valadez erzählt in ihrem Spielfilmerstling Sin señas particulares die Geschichte von Magdalena, einer Mutter, die sich trotz aller Warnungen auf die Suche nach ihrem spurlos verschwundenen Sohn macht. Ihre Reise führt sie ins Grenzgebiet zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten, wo sie vielen begegnet, die ihr Schicksal teilen. Was mit ihrem Teenager passiert ist, ist kein Einzelfall. Ein visuell starkes und emotional packendes Spielfilmdebüt, das tief unter die Haut geht.

REISE INS NIEMANDSLAND SIN SEÑAS PARTICULARES VON FERNANDA VALADEZ, MEXIKO Von Stefanie Rusterholz

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Wir blicken aus einem Fenster auf ein Feld hinaus. Vom Feld ist jedoch nicht viel auszumachen, da die Abenddämmerung bereits hereingebrochen ist. Weisslicher Rauch überzieht die Landschaft, was die Sicht noch zusätzlich erschwert. Da erscheint in der Ferne eine Gestalt. In schnellen Schritten läuft das Schattenwesen in unsere Richtung, bald erkennen wir, dass es sich dabei um einen Teenager handelt. Unser Blick bleibt an ihm haften. Der Junge nähert sich dem Hauseingang, bleibt dort stehen. Mit einer Hand stützt er sich erschöpft am Türrahmen ab, sichtlich gezeichnet von der strengen Feldarbeit. Er nimmt seine Mütze ab, atmet tief ein, sein Blick direkt in die Kamera gerichtet, sagt er: «Ich gehe mit Rigo. Sein Onkel wird uns Arbeit in Arizona finden.»

PERSPEKTIVENWECHSEL Der Film wechselt mit einem Schnitt die Szenerie. Zwei Frauen sitzen nun nebeneinander am Tisch auf einem Polizeiposten. Die ­Situation gleicht einem Verhör. Erwartungsvoll schauen sie in Richtung des Polizisten, der nicht im Bild zu sehen ist. Sie erzählen mit gebrochener Stimme, dass sich ihre befreundeten Söhne Jesús und Rigo gemeinsam mit dem Bus 670 in Richtung der US-amerikanischen Grenze begeben haben. In der Hoffnung auf ein besseres Leben. Doch seit Wochen haben die beiden Mütter nichts mehr von ihnen gehört. Die Kamera verharrt auf den beiden Frauen, und wir hören aus dem Off die anteilnahmslose Antwort des Polizisten, dass die Behörden leider nichts für die Mütter tun können.

Mit diesen zwei intensiven Szenen beginnt das Spielfilmdebüt der Mexikanerin Fernanda Valadez, die am Drehbuch mitschrieb, Regie führte und als Produzentin mitwirkte. Seitdem Valadez im Jahr 2012 verschiedene Medienberichte über spurlos verschwundene mexikanische Emigranten und die damit verbundene huma-

«Schon beim Schreiben war uns klar, dass wir keine explizite ­G ewalt zeigen wollten. Das hat damit zu tun, dass wir Empathie für alle Figuren schaffen wollten.

Wir wollten menschliche Figuren, zu denen das Publikum eine ­B eziehung aufbauen kann und erkennt, dass es, wenn die ­U mstände gegeben sind, vielleicht auch so handeln könnte.»

Fernanda Valadez

nitäre Krise las, lässt sie das Thema nicht mehr los. Intensiv arbeitete sie an diesem Film. Wie sehr es ihr dabei um einen Perspektivenwechsel geht, zeigt die beschriebene Anfangssequenz. Valadez will die Perspektive jener Menschen zeigen, die von Staat und Polizei im Stich gelassen sind: Minderjährige, ver-

sind Sicario von Denis Villeneuve oder La Linea von James Cotten mit Ray Liotta in der Hauptrolle.

Diese Filme sind auf Unterhaltung ausgerichtet, sie thematisieren die politischen oder gesellschaftlichen Konflikte, wenn überhaupt, nur oberflächlich. Neben ihnen ist Sin señas particulares eine frische und willkommene Abwechslung. Ja, sogar ein Glücksfall für das gegenwärtige Kino. Denn, obwohl der Film im Grenzgebiet spielt und diese Themen behandelt, vermeidet Regisseurin Fernanda Valadez ausdrücklich die Thriller-Situation à la Sicario.

Sie verfolgt einen humanistischen Ansatz, um die Abgründe, die das ganze Land verschlingt, aufzuzeigen. So wählt sie eine alltägliche Frau mittleren Alters als Hauptfigur, eine Figur, die im Kino meist nicht im Mittelpunkt steht.

EINE GEWÖHNLICHE FRAU schwundene Emigranten und ihre Mütter, die auf der Suche nach ihnen sind. Sie will den Unsichtbaren ein Gesicht verleihen und ihre Geschichte erzählen.

Einige Wochen nach dem Besuch auf dem Polizeiposten taucht die Leiche von Rigo auf. Doch von Jesús fehlt jegliches Lebens­ zeichen. Seine Mutter Magdalena ist nicht bereit, die Hoffnung aufzugeben. Sie glaubt daran, dass ihr Sohn noch lebt. Obwohl ihr die Polizei rät, ihren Sohn auch als Tod zu erklären, und allen ­Warnungen zum Trotz macht sich Magdalena alleine auf die gefährliche Suche nach ihm. Nur: Wie findet man einen Teenager unter all den hunderten von minderjährigen Vermissten? Ihre mühselige Reise führt sie ins Grenzgebiet von Mexiko und den USA. In diesem Niemandsland begegnet sie dem jungen Miguel.

Er war zuvor illegal in die Vereinigten Staaten eingereist, wurde aber von der Polizei erwischt und aus dem Land spediert. Nun ist er ohne Hab und Gut im Grenzgebiet gestrandet. Sie beschliessen, sich gemeinsam auf die Reise zu begeben – Magdalena auf der ­Suche nach ihrem Sohn und Miguel mit der Hoffnung, seine Mutter wiederzusehen. Auf ihrer Odyssee treffen sie auf Menschen, die ihr Schicksal teilen. Schritt für Schritt kommen sie der traurigen Wahrheit näher, denn was mit Jesús passiert ist, scheint kein Einzelfall zu sein.

Kaum eine andere Landesgrenze steht seit zwanzig Jahren sowohl politisch, kulturell als auch medial so sehr im Fokus wie die Grenze zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten. Insgesamt 3.144 Kilometer ist sie lang; sie ist eine der weltweit am häufigsten überquerten Grenzen. Der Versuch, die Grenze zu überschreiten, kostet jährlich hunderte Menschen das Leben. Denn die Emigranten geraten oft in die Fänge von Schleppern, gewalttätigen Drogenbanden oder korrupten Grenzbeamten und sind diesen schutzlos ausgesetzt. Immer wieder machen Funde von Massengräbern Schlagzeilen in den Medien. Besonders seit Donald Trumps Wahlkampf-Versprechen, eine Grenzmauer zu errichten, gewann die Grenze nochmals an symbolischer wie politischer ­Bedeutung.

BORDER-FILME An dieser Grenzlinie werden Machtkämpfe und Abschottungs­ versuche sichtbar. Gleichzeitig ist die Zwischenzone am mexikanisch-amerikanischen Grenzstreifen auch mit vielen Klischees ­behaftet. Das Hollywood-Kino hat dafür sogar ein eigenes Genre entwickelt: Der so genannte Border-Film. Actiongeladene Hochspannungsthriller, in denen es um blutige Kämpfe zwischen den verschiedenen Drogenkartellen geht oder um abgebrühte Grenz­ polizistinnen und Grenzpolizisten, die versuchen, den eiskalten Schmugglern das Handwerk zu legen. Sie sind geprägt von extremer Gewaltdarstellung und stereotypen Figuren. Beispiele ­dafür

Diese gewöhnliche Frau erlaubt es uns als Zuschauerinnen und Zuschauer, uns mit ihr zu identifizieren. Wir sind immer ganz nahe bei Magdalena und begleiten sie auf ihrer mühseligen Suche nach ihrem Sohn. Wir sind dabei, wenn sie etwas herausfindet, aber auch dann, wenn sie Rückschläge einstecken muss. Gezielt setzt die Filmemacherin in solchem Momenten auf Grossaufnahmen von Magdalenas Gesicht aus verschiedenen Blickwinkeln, wodurch wir mit ihr aus dem Moment heraus fühlen können. In derselben Konsequenz setzt die Regisseurin oft auf Point-of-View Shots, also Kameraeinstellungen, die die subjektive Sicht der ­Figur zeigt. Wir blicken aus den Augen von Magdalena und fühlen mit ihr mit. Strukturiert ist Sin señas particulares wie ein Roadmovie und Regisseurin Valadez bedient sich an dessen Stil­mitteln und Motiven. Magdalena ist ständig unterwegs. Sobald sie einen neuen möglichen Hinweis zu ihrem Sohn gefunden hat, fährt sie ihre Suche fort. Die Handlung spielt denn auch überwiegend auf Strassen im Auto, Bus oder Truck, und immer wieder wird – wie im Roadmovie üblich – von der Handlung abgeschweift und die vorbeiziehende Landschaft ins Bildfeld gerückt. Während die Reise im Roadmovie zur Metapher für die Suche nach Freiheit wird, steht die Reise hier für den unermüdlichen Kampf für Gerechtigkeit. Ist es nicht interessant, dass Valadez einen Film, bei dem es um Grenzen geht, als Roadmovie konzipiert?

UNGLAUBLICH VIRTUOSE KAMERAFRAU Sin señas particulares ist unglaublich fesselnd erzählt und inszeniert. Oft lässt uns der Film mit den Figuren im Dunkeln, was die dramatische Spannung erhöht. Wird Magdalena ihren Sohn finden? Ist dieser Hinweis eine Falle? Meinen es die Menschen, denen sie auf ihrer Reise begegnet, gut oder böse mit ihr? Ein weiteres Stilmittel, um Suspense zu erzeugen, sind die unglaublich virtuosen Aufnahmen von Kamerafrau Claudia Becerril Bulos. Es sind akribisch genau komponierte Bilder, die die Erzählung vorantreiben.

Zudem arbeitet Valadez immer wieder gezielt mit Unschärfen.

So sind die Gesichter der Figuren in Grossaufnahme aufgenommen, während der Hintergrund unscharf bleibt. Dies hat den Effekt, dass wir als Zuschauerin und Zuschauer mit der Figur im Ungewissen gelassen werden. Lauert im Hintergrund eine Falle?

Wer tritt vom Hintergrund in den Vordergrund? Sin señas particulares ist ein Film, der einen von der ersten Minute packt und nicht mehr loslässt: Mit ihrem selbstbewussten, bildstarken und packenden Spielfilmdebüt beweist Fernanda Valadez, dass sie eine neue, spannende Stimme aus Mexiko ist. Beim Sundance Film Festival, dem einflussreichsten nordamerikanischen Filmfestival für Independent Film, wurde Sin señas particulares mit dem Publikumspreis geehrt und von der Jury mit dem Preis für das beste Drehbuch ausgezeichnet. Der Film ist in jeder Hinsicht beeindruckendes Kino. n 39

LAND DES TODES

NOTRE-DAME DU NIL VON ATIQ RAHIMI, RUANDA Von Ruedi Küng

Zweifellos gehört der Völkermord von 1994 in Ruanda zum Schlimmsten in der jüngeren Geschichte. Doch das furchtbare Unternehmen, die Tutsi zu vernichten, war der Höhepunkt einer 100-jährigen Entwicklung, zu der christliche Missionare und die Kolonialmächte Deutschland und Belgien beigetragen haben, auch Frankreich und die Schweiz. In Notre-Dame du Nil nach dem gleichnamigen Roman der Ruanderin Scholastique Mukasonga zeigt Atiq Rahimi subtil, wie sich Anfang der 1970er Jahre unter scheinbar friedliebenden Mädchen eines katholischen Eliteinternats menschenverachtendes Denken festsetzt, das schliesslich vor brutaler Gewalt nicht zurückschreckt.

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Was hat der Nil mit Ruanda zu tun? Der Weisse Nil entspringt am Ausfluss des Victoriasees in Uganda und der so viel wasserreichere Blaue Nil dem äthiopischen Tanasee. Das ungelöste Rätsel des Ursprungs des mächtigsten Stromes Afrikas hat die Geografen der europäischen Kolonialmächte lange verfolgt, weisse Erforscher wie Henry Morton Stanley und David Livingstone setzten dafür enorme Mittel ein und nahmen bittere Entbehrungen auf sich. Bei Afrikanerinnen und Afrikanern riefen sie damit vor allem Befremden hervor 1. Bis heute lassen sich Europäer und Europäerinnen vom Mythos Nilquellen faszinieren, auch wenn diese als Quellen der ruandischen Zuflüsse des Victoriasees kleine Rinnsale sind. Die Romanautorin Scholastique Mukasonga hat deswegen wohl augenzwinkernd in ihrem Buch die Tafel mit der Aufschrift «Source du Nil. Mission de Cock, 1924» 2 erfunden. Es hat diese Mission nie gegeben.

MYTHOS DER TUTSI-HERKUNFT Doch es geht in Film und Buch um etwas anderes. Der Nil stellt die Verbindung der Tutsi Ruandas mit dem pharaonischen Reich von Kusch des 7. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung im heutigen Nordsudan her, von wo sie angeblich ursprünglich stammen sollen. Dieser Mythos, den Atiq Rahimi in mehreren Sequenzen figuren- und farbenprächtig ausmalt, ist nur einer von mehreren Theorien weisser «Forscher», dass und wie sich Tutsi nach Herkunft und Wesensart grundsätzlich von den Hutu unterscheiden.

So unsicher diese Erklärungen sind, sie haben fatalste Folgen gehabt. Sie boten die Rechtfertigung dafür, Bewohner und Bewohnerinnen Ruandas, die seit vielen Jahrhunderten ansässig waren, die Tutsi eben, zu Nicht-Ruandern, zu Ausländern, zu Fremden zu erklären und zu verfolgen. Wiederholte Massentötungen von Tutsi und der Völkermord 1994 in Ruanda fanden vor diesem Hinter-

grund statt, ebenso Massaker von Tutsi und auch von Hutu in Burundi, das dieselbe Bevölkerungsstruktur hat. Bis heute ist diese Problematik auch unter Wissenschaftlern ein kontroverses Thema geblieben.

Der radikale Konflikt, der die ruandische – wie auch die burundische – Gesellschaft prägt, ist damit benannt. Die gesellschaftlichen Realitäten, ihre Ausformungen, Dimensionen und Hintergründe, ihre Geschichte, sind jedoch viel komplexer. Dabei treten europäische Akteure in den Vordergrund, im Film als Erstes in der Form der Marienstatue an der Quelle des Nils in der Nähe des Internats «Notre-Dame du Nil» für Töchter der ruandischen Elite, dem Hauptschauplatz. Die Maria ist jener von Lourdes nachempfunden, ihr Gesicht und ihre Hände sind jedoch dunkelbraun gefärbt, eine afrikanische Maria. Tiefe Religiosität und der Glaube an einen Gott prägt die Menschen im Gebiet Ruandas seit Jahrhunderten. Das stellten die katholischen Weissen Väter schnell und mit Genugtuung fest, als sie sich im Jahr 1900 als erste Missionare dem amtierenden König vorstellten und sich im Land niederliessen mit der Absicht, die Einheimischen zum christlichen

Notre-Dame du Nil – weibliche Hommage an Jean Vigos genial anarchischen Internatsfilm Zéro de conduite (1933)

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« Ich wollte nicht wiederholen, was Scholastique bereits brillant in ihrem Buch geschrieben hatte.

Ich musste das Material umgestalten und mich aus dem spezifischen historischen Ereignis ­h erauslösen, um eine universelle Geschichte über die menschliche Tragödie zu schaffen. Denn im Gegensatz zur Literatur ist das Kino, wenn es mit dieser Art von Geschichte konfrontiert wird, ziemlich fragil.»

Atiq Rahimi

Glauben zu bekehren. Die Missionare wirkten erfolgreich, bis heute hat die christliche Religion eine bedeutende Stellung im Land.

Und dies trotz des Umstandes, dass die Kirchenführer lange zögerten, den Völkermord zu verurteilen, viele Kirchenleute mit den ­Tätern sympathisierten oder gar selber mordeten. In den meisten Kirchen des Landes wurden die Tutsi, die dort Schutz gesucht ­hatten, massakriert. Schon seit den 1960er Jahren hatten sich ­Kirchenleute bei den Gewaltexzessen höchst fragwürdig verhalten oder waren gar Komplizen, was auch der Schluss des Films NotreDame du Nil, der in den frühen 1970er Jahren spielt, beklemmend zeigt.

VON KOLONIALHERREN VERMESSEN UND EINGETEILT Deutschland konnte sein Kolonialreich nicht lange halten, mit seiner Niederlage im Ersten Weltkrieg verlor es seine über­ ­ seeischen Besitztümer. Doch die Zeit reichte, um die vorhandene, sehr effiziente zentralistische Macht- und Verwaltungsstruktur des Tutsi-Königreiches zu bestärken und einige unabhängig gebliebene Hutu-Herrschaften im Norden zu unterwerfen, die katholischen und protestantischen Missionare Schulen sowie Landwirtschafts- und Gesundheitszentren einrichten zu lassen und die Menschen zu kategorisieren: «Die Bevölkerung setzt sich aus drei grossen Klassen zusammen», schrieb der Afrikareisende Herzog von Mecklenburg 1907 3, «den Watussi (Tutsi), den Wahutu (Hutu) und dem kleinen Volk der Batwa (Twa).» Die Hutu bezeichnete er als «Urbevölkerung und ackerbautreibender Bantustamm, mittelgrosser Menschenschlag, dessen unschöne Formen harte Arbeit verraten und der sich geduldig in völliger Knechtschaft der Ruanda beherrschenden, später – aus Ägypten oder gar Arabien – eingewanderten Rasse der Watussi beugt.» Die Tutsi sind «ein hochgewachsener Stamm von geradezu idealem Körperbau», «die Hände vornehm … die Handgelenke von fast weiblicher Zierlichkeit». «Unverkennbare Merkmale des fremden Einschlags ver­ raten die hohe Stirn, der Schwung der Nase, das edle Oval des ­Gesichts.» Die schlanken Nasen der Tutsi und die breiten Nasen der Hutu – sie sind zum Inbegriff der rassistischen Kategorisierung der Ruanderinnen und Ruander geworden, übernommen auch von den radikalen Hutu. So schwärmt in Atiq Rahimis Film der in Ruanda hängengebliebene Weisse, Monsieur de Fontenaille, von der göttlichen Schönheit der Tutsi-Mädchen Veronica und Virginia, während die Ministertochter und Hutu-Fanatikerin Gloriosa der Notre-­ ­ Dame-du-Nil-Statue eine Hutu-Nase ver­ passen will.

In vorkolonialer Zeit waren die Bezeichnungen Tutsi, Hutu und Twa in erster Linie ökonomische Kategorien, die etwas über den Besitz von Kühen – die Watussi-Rinder –, landwirtschaftliche ­Tätigkeit oder das Töpferhandwerk aussagten, nicht aber Rassen, modern: Ethnien, angaben. Die Identität der Menschen war hauptsächlich durch die Clan-Zugehörigkeit bestimmt. So waren Heiraten zwischen Hutu und Tutsi möglich und auch, von einer in die andere Kategorie zu wechseln. In welchem Ausmass dies geschah,

VERSCHONT VON DER SKLAVEREI Die Weissen Väter stellten auch fest, dass das kleine, dicht bevölkerte Königreich Ruanda sehr zentralistisch organisiert und hierarchisch strukturiert war. Seinen Ursprung soll es im 11. Jahrhundert gehabt haben, andere Quellen geben das 13. Jhdt. an. Die Datenlage ist schwierig, da es nur mündliche Überlieferung gibt.

Die geografische Abgeschiedenheit im Innern des Kontinents ­jedoch hat die RuanderInnen davor bewahrt, in die Fänge der ­Sklavenhändler zu geraten und diesen eigene Leute bzw. Feinde zu verkaufen, was vielerorts auf dem Kontinent Feindschaft zwischen afrikanischen Volksgruppen hervorgerufen hat, die bis heute nicht vergessen ist. Ebenso wenig fanden arabische Händler oder asiatische Kaufleute, die in Ostafrika weit herum kamen, den Weg ins hügelige, bergige und wasserreiche, fruchtbare Gebiet. Als einer der ersten Europäer reiste der deutsche Graf von Götzen 1894 nach Ruanda und besuchte auf seinem Weg den König in seinem Palast in Nyanza im Südwesten. Dass dieser keine Ahnung davon hatte, dass sein Land seit der Berliner Konferenz von 1884/85 mit dem Namen Ruanda-Urundi Teil des Kolonialreiches Deutsch Ost­ afrika war, macht deutlich, wie isoliert das Königreich Ruanda war.

1 Die simbabwische Autorin Petina Gappah beschreibt dies sehr schön im Roman über David Livingstone «Aus der Dunkelheit strahlendes Licht», Fischer-Verlag 2019 2 Scholastique Mukasonga, Die Heilige Jungfrau vom Nil, Verlag Das Wunderhorn, 2014 3 Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg, Ins innerste Afrika, Leipzig 1909, S. 87/88

ATIQ RAHIMI Atiq Rahimi, geboren am 26. Februar 1962 in Kabul, ist ein afghanisch-französischer Schriftsteller und ­Filmemacher. Sein erster Spielfilm,Erde und Asche, den er zusammen mit dem iranischen Filmemacher ­Kambuzia Partovi schrieb, wurde 2004 bei den Film­ festspielen von Cannes in der Sektion Un Certain Regard vorgestellt und mit dem Prix du Regard vers l’Avenir ­ausgezeichnet. «Stein der Geduld», sein erster direkt auf Französisch geschriebener Roman, gewann 2008 den Prix Goncourt. 2011 verfasste er zusammen mit dem französischen Autor und Drehbuchautor Jean-Claude Carrière ein Drehbuch dazu. Der Film The Patience Stone, bei dem er auch Regie führte, feierte seine Weltpremiere in Toronto. Ihre Darstellung brachte Schauspielerin Golshifteh Farahani eine César-Nominierung ein. Notre-Dame du Nil ist Rahimis dritter Spielfilm und, wie sein Erstling, bei trigon-film erschienen

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ist nicht gesichert, insbesondere was die Twa betrifft, die Nach­ fahren der Pygmäen und eine kleine, bedrohte Minderheit sind.

Doch Belgien, das die deutschen Kolonialherren ablöste, blieb ­dabei: die Tutsi waren das edle Herrenvolk, Hutu und Twa zweitklassige Untergebene. Mehr noch: die belgischen Verwalter liessen von 1930 an die Köpfe und Körper der Menschen mit Zirkel, Messband und Waage vermessen, teilten jeder und jedem eine der drei Gruppen als Ethnie zu – nach eigenem Befinden, wenn die Messungen nicht das gewünschte Resultat ergaben – und vermerkten diese in den Identitätskarten. Bis ins Jahr 1994, bis zum Völkermord, bei dem Hutu-Milizen und über Hunderttausend einfache Hutu während 100 Tagen 800’000 Tutsi und oppositionelle Hutu ermordeten, waren diese Identitätskarten im Gebrauch und konnten über Leben und Tod des Trägers oder der Trägerin entscheiden. – Heute dürfen diese Bezeichnungen nicht mehr verwendet werden, es gibt offiziell nur noch Ruanderinnen und Ruander.

HASS UND GEWALT

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Belgiens Kolonialverwalter hatten sich aus machtpolitischen Gründen mit den herrschenden Tutsi alliiert, damit aber die ­Minderheit der Bevölkerung (9–10%) privilegiert, insbesondere was Ausbildung und anspruchsvollere Jobs betraf. Allfälligen Unmut der Hutu nahmen sie in Kauf. Die Wende kam in den 1950er Jahren, als unter den Hutu die Unzufriedenheit mit ihrer untergeordneten gesellschaftlichen Stellung zunahm und gebildete Ver­ treter immer lautstarker forderten, ihrer Bevölkerungsmehrheit (89–90%) müsse im Sinne der Demokratie gesellschaftlich und politisch Rechnung getragen werden. Gleichzeitig drängten immer mehr Wortführer beider Volksgruppen auf das Ende der belgischen Kolonialherrschaft und die Unabhängigkeit Ruandas. Belgien wechselte sozusagen über Nacht seine Politik radikal, stellte sich

fortan auf die Seite der Mehrheit und ersetzte Tutsi-Chiefs durch Hutu. Die katholische Kirche schloss sich an. Politische Parteien wurden gebildet, insbesondere Parmehutu, die sich der «Emanzipation der Hutu» verschrieb. 1959 kam es zum ersten Gewalt­ ausbruch zwischen Parteigängern von Hutu und Tutsi mit etwa 300 Getöteten. Bei den ersten Wahlen gewann logischerweise ­Parmehutu und bildete die erste Regierung des unabhängigen Ruanda (Juli 1962). Sie führte bald eine 9%-Quote für Tutsi ein, von der in Film und Buch wiederholt die Rede ist, und «säuberte» Verwaltung, Betriebe und Schulen von ihnen, so dass es vielen Hutu unangenehm war. Radikalisierte Hutu aber zeigten ihre Feind­ seligkeit gegenüber Tutsi immer drastischer, die Beschimpfung «Kakerlake (inyenzi)» zeugt davon. Sie griffen in grosser Zahl T ­ utsi brutal an, töteten oder vertrieben sie und zerstörten ihre Häuser.

Viele Tutsi flohen in die benachbarten Länder.

Vor dieser Entwicklung schlossen die ehemalige Kolonialmacht Belgien ebenso wie andere europäische Länder – Frankreich, die Schweiz – die Augen und unterstützten die «Mehrheitsregierung».

Die Schweiz engagierte sich mit vollem Elan als Entwicklungshelferin im «Land der Tausend Hügel» und sah über die Feindschaft gegenüber den Tutsi hinweg. Wegschauen und geschehen lassen – die kurzen Szenen im Film dazu, wenn die Mutter Oberin sich in ihr Büro einschliesst und sich die weissen Lehrerinnen und Lehrer in einen abgeschlossenen und verdunkelten Raum zurückziehen, während die Mörderbanden die Schülerinnen verfolgen, sind für unsere Augen heute besonders brennend. Auch im April 1994 hat die Welt weggeschaut. Gibt es Hoffnung für Ruanda, 20 Jahre vor dem Völkermord? – Ja, die Hutu Immaculata rettet der Tutsi Virginia das Leben. Nein, Virginia sagt am Schluss von Mukasongas Roman: «Ruanda, das ist das Land des Todes». n

TRIGON-FILM SHOP NEUHEITEN

Atlantique 21.– Mati Diop, Senegal Wolof/d/f, Trailer

La cordillera de los sueños 21.–

Patricio Guzmán, Chile Spanisch/d/f, Trailer So Long, My Son 21.– Wang Xiaoshuai, China Mandarin/d/f, Trailer, Booklet For Sama 21.– Waad al-Kateab, Syrien OV Arabisch & Deutsch Synchron/d/f/i, Trailer Where We Belong 21.– Jacqueline Zünd, Schweiz Dialekt/Französisch/d/f/e Adam 21.– Maryam Touzani, Marokko Arabisch/d/f, Trailer It Must Be Heaven 21.– Elia Suleiman, Frankreich/Palästina OV diverse/d/f/i

SPEZIALAUSGABEN

Miloš Forman, Tschechoslowakei Die vier tschechischen Filme in rest. Version Black Peter – Loves of a Blonde – Firemen’s Ball – Audition Box mit 3 DVDs, Tschechisch/d/f Taviani – Box 59.– Paolo & Vittorio Taviani, Italien Vier Meisterstücke in schöner Box mit Begleitbuch Padre Padrone – La notte di San Lorenzo – Kaos (rest. Fassungen) – Una questione privata Italienisch/d/f (Padre padrone nur d), Szenenwahl, Begleitbuch mit Texten und Bildern, herausgegeben von Walter Ruggle Kore-eda – Box 76.– Hirokazu Kore-eda, Japan Fünf Meisterwerke in schöner Box mit Begleitbuch Maboroshi – Nobody Knows – Hana – Still Walking Like Father, Like Son Japanisch/d/f, Szenenwahl, reich illustriertes Begleitbuch mit Gespräch und Texten zum Werk, herausgegeben von Walter Ruggle

Mariano Llinas, Argentinien Spanisch/d/f/e/i/sp/i No te mueras sin decirme adónde vas 21.– Eliseo Subiela, Argentinien Spanisch/d/f/e, Szenenwahl Lluvia 15.– Paula Hernández, Argentinien Spanisch/d/f/e, Making of, Trailer Herencia 19.– Paula Hernández, Argentinien Spanisch/d/f, Szenenwahl

Un amor 19.–

Paula Hernández, Argentinien Spanisch/d/f/e, Gespräch, Trailer Bombón – el perro 21.– Carlos Sorín, Argentinien Spanisch/d/f, Szenenwahl Sur (Restuarierte Fassung) 21.– Fernando Solanas, Argentinien Spanisch/d/f/e, Szenenwahl La historia oficial 19.– Luis Puenzo, Argentinien Spanisch/d/f, Szenenwahl Birds of Passage 23.– Cristina Gallego & Ciro Guerra, Kolumbien OV/d/f, Making of, Wayúu Kultur, Bonanza, Trailer, Booklet Ixcanul 19.– Jayro Bustamante, Guatemala Kaqchikel/SP/d/f/e/i, Bonus: Gespräch El botón de nácar 23.– Patricio Guzmán, Chile Spanisch/d/f Bonus: Encuentros (Sp/f/e, 35 Min.), Trailer Nostalgia de la luz 21.– Patricio Guzmán, Chile Spanisch/d/f, Gespräch mit Patricio Guzmán, 5 Themenfilme und Porträts im Kontext des Filmes Salvador Allende 19.– Patricio Guzmán, Chile Spanisch/d/f, Szenenwahl Whisky 19.– Pablo Stoll & Juan Pablo Rebella, Uruguay Spanisch/d/f, Szenenwahl Terra em transe (Restauriert, Doppel-DVD) 21.– Glauber Rocha, Brasilien Port./d/f, Informative Dokumentation über Glauber Rocha und die Restaurierung

Rafi Pitts, Mexiko Spanisch/Englisch/d/f, Szenenwahl Workers 19.– José Luis Valle, Mexiko Spanisch/d/f, Szenenwahl, Gespräch Cinco días sin Nora 21.– Mariana Chenillo, Mexiko Spanisch/d/f, Szenenwahl Últimos días en La Habana 23.– Fernando Pérez, Kuba Spanisch/d/f/e, Szenenwahl, Trailer, Gespräch La vida es silbar (restaurierte Fassung) 23.– Fernando Pérez, Kuba Spanisch/d/f/e, Trailer Bonus: La vida es filmar von Beat Borter Qué tan lejos 19.– Tania Hermida, Ecuador Spanisch/d/f/e/sp, Making of, Gespräch, Booklet La teta asustada 21.– Claudia Llosa, Peru Spanisch/d/f/e, Making of, Audiokommentar

AFRIKA Lamb 23.– Yared Zeleke, Äthiopien Amharisch/d/f/e

Supa Modo 19.–

Asghar Farhadi – Box 45.–

Soy Nero 21.–

Asghar Farhadi, Iran Die starken Anfänge von Asghar Farhadi Fireworks Wednesday – About Elly – A Separation Box mit 3 DVDs, OV/d/f, Booklet Fredi M. Murer – Die Berg-Trilogie 34.– Die drei Bergfilme von Fredi M. Murer in edler Box, restaurierte Fassungen, reich illustriertes Begleitbuch, herausgegeben von Walter Ruggle.

Wir Bergler in den Bergen . . . – Höhenfeuer – Der grüne Berg (alle Dialekt mit div. UT) Jiří Menzel – Box 1 (Rest. Fassungen) 36.– Jiří Menzel, Tschechoslowakei Scharf beobachtete Züge – Lerchen am Faden Launischer Sommer Box mit 3 DVDs, OV/d/f, Szenenwahl Bonus: Jiří Menzel – To Make a Comedy is no Fun, Porträt von Robert Kolinsky

LATEINAMERIKA La flor 24.–

Miloš Forman – Box 45.–

Jiří Menzel – Box 2 (Rest. Fassungen)

45.– Jiří Menzel, Tschechoslowakei Das einsame Haus am Waldesrand – Die wunderbaren Männer mit der Kurbel – Kurzgeschnitten Box mit 3 DVDs, OV/d/f, Szenenwahl Bonus: Jiří Menzel – To Make a Comedy is no Fun, Porträt von Robert Kolinsky Russische Filmperlen – Box 29.– Drei Stummfilmperlen des russischen Kinos der 1920er Jahre in restaurierter Fassung Die seltsamen Abenteuer des Mr. West im Land der Bolschewiken (Lew Kuleschow) – Der Mantel (Kosinzew & Trauberg) – Das Mädchen mit der Hutschachtel (Boris Barnet) Inserts Russisch/d/f/e (Mantel d/f) Musik: André Desponds, Piano Improvisations Kurosawa & Mifune 26.– Akira Kurosawa, Japan Sanjuro –Yojimbo – Shizukanaru keto Box mit 3 DVDs, Japanisch/d/f Youssef Chahine 21.– Drei Filme des ägyptischen Meisters Cairo Station – Der Sperling – Die Rückkehr des verlorenen Sohnes Box mit 3 DVDs, Japanisch/d/f, reichhaltiges Bonusmaterial

Likarion Wainaina, Kenya OV & Deutsch Synchron/d/f/e, Trailer Rafiki 21.– Wanuri Kahiu, Kenya Swahili/Englisch/d/f/i, Trailer Gabriel and the Mountain 21.– Fellipe Barbosa, Malawi/Kenia/Tansania OV/d/f, Szenenwahl, Trailer Virgem Margarida 21.– Licínio Azevedo, Mosambik Port./d/f/e, Szenenwahl Bonus: Gespräch mit Yared Zeleke zum Film Wilaya 15.– Pedro Pérez Rosado, Westsahara Hassania/Spanisch/d/f, Gespräch, Trailer Daratt 21.– Mahamat-Saleh Haroun, Tschad OV/d/f, Making of, 3 Szenen Sankofa 21.– Haile Gerima, Burkina Faso/Ghana Englisch/d/f, Szenenwahl Yaaba 15.– Idrissa Ouedraogo, Burkina Faso Mooré/d/f/e/i, Szenenwahl Bonus: Kurzfilm Parlons grand-mère (30 Min.) Vacances au pays 15– Jean-Marie Teno, Kamerun Franz./Bamileke/d/f/e, Booklet TGV 23.– Moussa Touré, Senegal Wolof/d/f/e, Szenenwahl, Trailer, Infos Hyènes – Besuch der alten Dame 21.– Djibril Djop Mambéty, Senegal Wolof/d/f/e/i, Szenenwahl Touki Bouki 19.– Djibril Djop Mambéty, Senegal Wolof/d/f/e/i, Szenenwahl Timbuktu 21.– Abderrahmane Sissako, Mauretanien OV/d/f/i, Szenenwahl, Booklet Félicité 17.– Alain Gomis, Kongo Lingala/d/f, Szenenwahl, Gespräch zum Film Yeelen – Das Licht 21.– Souleymane Cissé, Mali Bambara/d/f/e/sp, Szenenwahl Amandla! – Music For Freedom 21.– Lee Hirsch, Südafrika OV/d/f/e, Szenenwahl

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ARABISCHER RAUM Le grand voyage 21.–

Ismaël Ferroukhi, Marokko Arabisch/Französisch/d/f, Szenenwah Die Tunisreise –Paul Klee 21.– Bruno Moll, Tunesien Deutsch/Franz./d/f/e, Szenenwahl Bab el-oued City 19.– Merzak Allouache, Algerien Arabisch & Französisch/d/f/e, Szenenwahl A peine j’ouvre les yeux 21.– Leyla Bouzid, Tunesien Arabisch/d/f/e, Szenenwahl Tel Aviv On Fire 21.– Sameh Zoabi, Palästina Arabisch//Hebräisch/d/f/i, Trailer Wajib – Die Hochzeitseinladung 23.– Annemarie Jacir, Palästina Arabisch/d/f/e, Szenenwahl, Trailer Longing 23.– Savi Gabizon, Israel Hebräisch/d/f, Szenenwahl, Trailer Theeb – Wolf 21.– Naji Abu Nowar, Jordanien Arabisch/d/f/e, Szenenwahl, Trailer Al Leil (Video-DVD) 19.– Mohamed Malas, Syrien Arabisch/d/f (fix) Barakah Meets Barakah 23.– Mahmoud Sabbagh, Saudi Arabien Arabisch/d/f, Szenenwahl, Trailer Kick Off 19.– Shawkat Amin Korki, Irak Kurdisch/d/f/e, Szenenwahl, Gespräch

Sibel 19.–

A Dragon Arrives! 23.–

Mani Haghigi, Iran Farsi/d/f/e, Trailer, Gespräch (e)

AUSTRALIEN & OZEANIEN The Orator 21.–

Tusi Tamasese, Samoa OV/d/f/e, Bonusfilm: Sacred spaces Tanna 23.– Martin Butler & Bentley Dean, Australien Nauval/d/f, Trailer, Making of The Death and Life of Otto Bloom 21.– Cris Jones, Australien Englisch/d/f, Szenenwahl, Trailer Statements, Making of, Kurzfilm The Funk The Goddess of 1967 21.– Clara Law, Australien Englisch/Japanisch/d/f/i, Szenenwahl

ASIEN

Tokyo sonata

19.–

Kiyoshi Kurosawa, Japan Japanisch/d/f, Making of, Booklet Tokyo monogatari (restaurierte Fassung) 23.– Yasujiro Ozu, Japan Japanisch/d/f, Szenenwahl, Booklet White Sun 23.– Deepak Rauniyar, Nepal Nepali/d/f/e/i, Szenenwahl, Trailer Urga 21.– Nikita Michalkow, Mongolei Mong./Russ./d/f, Booklet mit Interview Durak 19.– Juri Bykow, Russland Russich/d/f/e, Szenenwahl, Trailer Bodhi-Dharma (restaurierte Fassung) 19.– Bae Yong-kyun, Südkorea Koreanisch/d/f/e, Szenenwahl, Booklet Blind Dates 19.– Levan Koguashvili, Georgien Georgisch/d/f, Szenenwahl, Gespräch mit Levan Koguashvili Centaur 21.– Aktan Arym Kubat, Kirgisistan Kirgisisch/d/f, Szenenwahl, Trailer

Guillaume Giovanetti & Çagla Zencirci, Türkei Türkisch & Deutsch Synchron/d, Trailer Wolf and Sheep 23.– Sharbanoo Sadat, Afghanistan Hazaragi/d/f/e, Szenenwahl, Gespräch A Separation 21.– Asghar Farhadi, Iran Farsi/d/f, Booklet Fish & Cat 19.– Shahram Mokri, Iran Farsi/d/f/e, Trailer, Gespräch

EUROPA God Exists, Her Name Is Petrunya 21.–

Teona Strugar Mitevska, Nordmazedonien OV/d/f, Szenenwahl Grbavica – Esmas Geheimnis 21.– Jasmila Žbanić, Bosnien und Herzegowina Bosnisch/d/f, Gespräch, Making of Worlds Apart 23.– Christopher Papakaliatis, Griechenland Englisch/Griechisch/d/f/e, Making of (e) Western 21.– Valeska Grisebach, Bulgarien Deutsch/Bulg./English/d/f, Trailer Comment j’ai fêté la fin du monde 21.– Catalin Mitulescu, Rumänien Rumänisch/d/f, Szenenwahl C’eravamo tanto amati 23.– Ettore Scola, Italien Italienisch/deutsch, Szenenwahl El espíritu de la colmena 21.– Victor Eríce, Spanien Spanisch/deutsch, Szenenwahl Les hommes du port & Chandigarh 21.– Alain Tanner, Italien/Schweiz/Indien OV/d/f/e/sp/port., Gespräch mit Alain Tanner The Song of Mary Blane 21.– Bruno Moll, Schweiz Deutsch/Englisch/d/f, Trailer, Booklet mit Gespräch

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TALON BITTE SENDEN AN : trigon-film, Limmatauweg 9, 5408 Ennetbaden

DIE BLU-RAY-EDITION

Still Walking 26.–

Hirokazu Kore-eda, Japan Japanisch/d/f, Making of A Touch of Zen (Restaurierte Fassung) 26.– King Hu, Taiwan Mandarin/d Stalker (Restaurierte Fassung) 26.– Andrei Tarkowski, Russland Russisch/d Die sieben Samurai – Director’s Cut 26.– Akira Kurosawa, Japan (Restauriert) Restaurierte Fassung des integralen Films Japanisch/d/f, Filmessay von Walter Ruggle Rashomon (Restaurierte Fassung) 26.– Akira Kurosawa, Japan Japanisch/d/f, Filmessay von Walter Ruggle Solaris (Restaurierte Fassung) 26.– Andrei Tarkowski, Russland Bonusfilm und Die Walze und die Geige Iwans Kindheit (Restaurierte Fassung) 26.– Andrei Tarkowski, Russland Russisch/d, Bonus: Die Walze und die Geige Der Spiegel (Restaurierte Fassung) 26.– Andrei Tarkowski, Russland Russisch/d, Bonus zum Film Nostalghia (Restaurierte Fassung) 26.– Andrei Tarkowski, Russland Italienisch/Russisch/d, Bonusfim: Meeting Andrei Tarkowski, Booklet Andrej Rubljow (Restaurierte Fassung) 26.– Andrei Tarkowski, Russland Bonusfilm und Die Walze und die Geige Tokyo monogatari (Restaurierte Fassung) 26.– Yasujiro Ozu, Japan Bonus: Filmessay von Walter Ruggle Mohenjo Daro 26.– Ashutosh Gowariker, Indien Hindi & Deutsch/D, Trailer

KINO LESEN

Farben der Welt 15.–

Gedanken von Filmschaffenden zu ihrer Kunst Hrsg: Walter Ruggle, 16 × 11.5 cm, 196 Seiten, reich bebildert, Text deutsch & französich, Welt in Sicht 21.– Das Lese- und Schaubuch durchs Filmschaffen von Lateinamerika, Afrika und Asien von Walter Ruggle, 504 Seiten, 280 Bilder, Farbe Ich möchte das Magazin TRIGON gerne nach Hause zugestellt erhalten und so informiert sein übers Kino aus Süd und Ost. Jahresabo: 20.–

Im Onlineshop finden Sie weitere Titel und Kombina­ tionsangebote. Die Bestellungen können auch online gemacht werden: www.trigon-film.org Mitglieder des Fördervereins trigon-film erhalten Ermässigungen.

T 056 430 12 30, F 056 430 12 31 – info@trigon-film.org – www.trigon-film.org

DIE ANDERE KINODIMENSION FÖRDERN – MITGLIED WERDEN

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Ich möchte etwas für die kulturelle Vielfalt tun

und Mitglied werden bei trigon-film.

Als Eintrittsgeschenk erhalte ich das Buch «Farben der Welt». – Jahresbeitrag: 80 Fr. (40 Fr. für Studierende unter Vorlage der Legi)

UNTERWEGS NEU FÜRS HEIMKINO AUF DVD ODER ZUM STREAMEN AUF FILMINGO IT MUST BE HEAVEN, ADAM UND ASGHAR FARHADIS MEISTERSTÜCKE

ASGHAR FARHADIS MEISTERSTÜCKE

Geboren 1972 in Isfahan, Iran, entdeckte der spätere iranische Doppel-Oscarpreisträger Asghar Farhadi bereits zu Schulzeiten sein grosses Interesse am Schreiben, an Dramen und am Kino.

Er belegte Seminare bei der «Iranian Young Cinema Society» und begann schon als Jugendlicher 8mm- und 16mm-Filme zu drehen. An der Universität in Teheran studierte Farhadi Filmregie und schloss 1998 sein Studium ab. Während der Studienzeit war er als Autor und Regisseur beim Studenten­ theater tätig. Er schrieb Drehbücher für das Nationale Radio und führte Regie bei einigen Fernsehserien, darunter Episoden von «Tale of a City».

IT MUST BE HEAVEN Elia Suleiman lebt in Nazareth allein in ­e inem grossen Haus. Sein Nachbar kümmert sich rührend um Suleimans Zitronenbaum, allerdings tut er das unaufgefordert und heimst darüber hinaus auch die ­Z itronen ein. Aber der Regisseur will ohne­ hin verreisen, um sein neues Filmprojekt anzupreisen. Es ist just der Film, den wir uns als ZuschauerInnen gerade ansehen.

Suleiman bereist darin Paris und New York, durchstreift die fremden Metropolen und beobachtet das dortige Treiben aufmerksam und stumm. Seine Herkunft folgt ihm wie ein Schatten, wohin er auch geht.

Zehn Jahre sind seit seinem letzten Film vergangen, doch mit seinem neusten Werk war der palästinensische Regisseur Elia Suleiman bereits wieder im Wettbewerb des Filmfestivals Cannes angetreten. ­D iesmal richtet er seinen politischen Blick über die Grenzen seiner Heimat hinaus – und erkennt, wie er in Interviews sagt, dass die Welt im Grunde ein «Mikrokosmos Palästinas» ist. Überall ist der Überwachungsstaat im Vormarsch, und allerorts gewinnt das Absurde die Oberhand. So wird Suleiman zum stummen, staunenden Beobachter. Aber gerade daher rührt auch die Komik des Films. Nicht umsonst wurde der Filmemacher oft mit Buster ­Keaton und Jacques Tati verglichen. Eine politische Komödie über Identität, Nationalität und Heimat, die ebenso unterhaltsam und scharfsinnig wie poetisch ist. Und ­e infach wunderbar schmunzelnd anzuschauen. trigon-film DVD-Edition 371 Sprache OV, Untertitel deutsch, f & i; Dauer 102 Min. PAL, Ton DD 5.1 Ländercode 0

ADAM

In den schmalen Gassen der Altstadt von Casablanca betreibt Abla eine kleine, weitum beliebte Delikatessen- Bäckerei.

Ihre Tage sind mit der Herstellung und dem Verkauf der Backwaren ausgefüllt, zudem hält sie ihre achtjährige Tochter Warda auf Trab. Als es eines Nachmittags an der Türe klopft, ahnt Abla nicht, dass sich ihr Leben bald für immer verändern wird. Draussen steht Samia, eine hochschwangere junge Frau, die nach einem Platz für die Nacht fragt und ihre Hilfe in Haushalt und Bäckerei anbietet.

Die verwitwete Abla ist nicht interessiert. Doch die kleine Warda schliesst

Samia sofort ins Herz. Maryam Touzani erzählt eine universelle Geschichte über die Freundschaft zwischen zwei ganz unterschiedlichen Frauen, über weibliche Solidarität, Mutterschaft und die sinnliche Kunst des Backens. Ihr wunderschön fotografierter Spielfilm wird vom starken Spiel der beiden Hauptdarstellerinnen getragen. The ­H ollywood Reporter hat nicht umsonst ­n otiert: «Die beiden Schauspielerinnen in den Hauptrollen bringen Adam ­g eradezu zum Leuchten.» trigon-film DVD-Edition 368 Sprache OV Arabisch Untertitel deutsch, ­f rançais; Dauer 98 Min. Bildformat 1:1.

85 – 16/9 LB, PAL, Farbe Ton DD 5.1 Ländercode 0

2001 schrieb Farhadi das Drehbuch zu Ebrahim Hatamikias grossem Kino­ erfolg Low Heights. Zwei Jahre später entstand sein international erfolgreiches Regiedebüt mit Tanz im Staub.

Es folgten 2004 Beautiful City und 2006 Fireworks Wednesday. Mit About Elly gewann Asghar Farhadi den Silbernen

Bären als bester Regisseur bei der ­B erlinale 2009, A Separation brachte ihm zwei Jahre später Gold und einen ersten Oscar.

Inzwischen hat der Iraner diverse Filme im Ausland realisiert, aber die gross­ artigen Drei bleiben die Produktionen aus dem Iran, die in einer schönen Box mit Begleitbüchlein vereint sind: Fireworks Wednesday, About Elly und A Separation. Zusammen bilden die ­F ilme ein thematisch und formal intensives Trio, das zeitlos ist und das iranische Kino geprägt hat. Farhadi wandte sich mit ihnen der Mittelklasse zu und den Schwierigkeiten der Ehe in einem Umfeld, wo Geld nicht das zentrale ­P roblem ist. trigon-film DVD-Edition 350 Box mit 3 DVDs und Booklet Sprache OV Farsi Untertitel deutsch, français; Bildformat 1:1.85 – 16/9 PAL, Farbe Ton DD 2.0 FSK 16 Ländercode Alle Regionen

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WAS ZÄHLT DENN IM LEBEN? DIE SCHWEIZER ARTHOUSE-STREAMING-PLATTFORM FILMINGO FÜR FILMLIEBHABENDE

Die Schweizer Streaming-Plattform filmingo bietet bereits eine Auswahl von rund 700 Filmen aus dem Arthousebereich, die zum Teil in den Kinos zu sehen waren, zum Teil in Premiere gezeigt werden. Eine Reihe von grandiosen Klassikern der Film geschichte erweitert das Filmvergnügen. Wöchentlich kommen neue Filme dazu, Tipps und kuratierte Selektionen erleichtern das Auswählen, das über eine umfassende Suchfunktion einfach möglich ist.

Alle Filme können einzeln geschaut werden oder im Abonnement.

NUL HOMME EST UNE ÎLE

Ein unauffälliger Film, der in aller Ruhe ein paar Orte und Menschen zusammenbringt, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben und vielleicht gerade deshalb klar machen, wie alles zusammenhängt. In unseren schwierigen Zeiten wohl noch mehr denn je. «Kein Mensch ist eine Insel, sondern ein Teil des Ganzen», schrieb der englische Poet John Donne und inspirierte mit seinen Gedanken (siehe «Das letzte Wort») den Filmemacher Dominique Marchais zu einer ausgesprochen anregenden und intelligenten dokumentarischen Reise. Sie beginnt in Sizilien mit der Kooperative Galline Felici und führt ihn über Frankreich ins Lugnez und in den Bregenzer Wald im Vorarlberg. Marchais betrachtet Gegenwärtiges und zeigt mögliche Zukunftsperspektiven anhand von Beispielen diesseits und jenseits der Alpen. Das Lokale als Perspektive und letzter Ort für Utopien.

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Im bündnerischen Vrin im Lugnez etwa besuchen wir den regional wirkenden Architekten Gion A. Caminada, in Siena betrachten wir ein dreiteiliges Fresco, das Ambrogio Lorenzetti 1338 auf die Mauern des Stadthauses gemalt hat, im Bregenzer Wald erleben wir Projekte, die von der Gemeinschaft ermöglicht und getragen wurden und lauschen mit Gewinn engagierten Beteiligten zu: «Ab und zu ist es ganz gut, wenn die Sachen etwas schlafen, wenn nicht zu viel passiert.» Es geht um das, was hier ist, um den Raum dazwischen auch und die Lebenskunst, aus dem Ort das zu machen, was er in sich birgt. «Gesunde Grösse, würde auch der Welt gut tun», dazu gilt es, Sehnsucht zu wecken nach einer erstrebenswerten Zukunft.

Ein äusserst empfehlenswerter Film, der weit weg beginnt, um nahe zu münden.

Nul homme est une île

Einblicke in die therapeutische Arbeit von Irvin D. Yalom, sondern auch in das Innere des Menschen und Autors.

Ausgangspunkt ist Yaloms Kindheit in Washington. Als Sprössling jüdischrussischer Einwanderer wuchs er in einfachen Verhältnissen auf. Um daraus zu entfliehen, verzog er sich so oft es ging in die Stadtbibliothek.

A TICKLE IN MY HEART

Yalom’s Cure

YALOM’S CURE

Der 80-jährige Psychiater und Bestseller-Autor Irvin D. Yalom gilt als der einflussreichste Psychotherapeut der USA. Er hat weltweit Millionen von Büchern verkauft. Kritiker beschreiben ihn als inspirierend, fesselnd und lebensverändernd. Sein Werk betont den Wert von Beziehungen und dreht sich um die Frage, wie Therapie funktioniert. Der Film Yalom’s Cure bietet mehr als eine klassische Biografie: Yalom nimmt das Publikum mit auf eine existentielle Reise durch die vielen Schichten der menschlichen Psyche. In der Rolle des Reiseleiters teilt Yalom seine Einsichten und gewährt tiefe Einblicke in sein eigenes

Seelenleben. «Je besser wir uns selber kennen, desto besser wird unser Leben», sagt Irvin Yalom. Der US-amerikanische Psychotherapeut, dessen Romane weltweit die Bestsellerlisten stürmen, rät deshalb allen zur Therapie.

Denn wenn es darum geht, sich kennenzulernen, sind alle Menschen Patienten.

Von der klassischen Psychoanalyse hält er jedoch nicht viel. Denn Patientinnen und Patienten brauchen nicht nur kluge Deutungen, sondern vor allem menschliche Zuwendung. Er bevorzugt deshalb die Gruppentherapie, in der Menschen lernen, aufrichtige Beziehungen einzugehen. Das Filmporträt Yalom’s Cure von Sabine Gisiger bietet aber nicht nur

Max, Willie und Julie Epstein waren ein aussergewöhnliches Brüdertrio.

Aus Brooklyn stammend, musizierten die drei über mehr als 60 Jahre mit Leib und Seele. Der Leib war ihnen dabei recht massig geworden, die Seele unergründlich tief. Die Epstein Brothers lebten in God’s waitingroom, einer öde wirkenden Rentnerzone im sonnig warmen Florida. Nostalgia, der russiche Begriff für Heimweh und Sehnsucht, kommt einem dabei in den Sinn, denn Nostalgie hat hier gleich dreifach Körpergestalt angenommen, und dies inmitten US-amerikanischer Geschichtslosigkeit.

Immer wieder packten Max, Willie und Julie ihre Instrumente und die Koffer, brachen auf, um zu tun, was sie seit ihrer Jugend nicht lassen konnten: Sie treten auf eine Bühne und stimmen die Klänge der in Osteuropa verwurzelten Klezmer-Musik an, lassen auch das Herz derjenigen höher schlagen, die

A Tickle in My Heart

bis dahin keine Ahnung von der bluesigsehnsüchtigen Schönheit, der fröhlichschwermütigen Spannung dieser Musik hatten.

Der Film A Tickle in the Heart des Schweizers Stefan Schwietert wirkt wie das Echo aus einer anderen Welt.

Ausgesprochen liebevoll und subtil nähert sich der Filmemacher den drei Männern und über sie dem Wesen der Klezmer-Musik. Schwietert vermittelt einen intensiven Eindruck, denn er porträtiert mit den inzwischen verstorbenen Epstein-Brothers nicht nur dieses Musiker-Trio, das eine ganze Epoche geprägt hat. Man vergisst sie kaum, die sanften jüdischen Liedeles, die unter Einbezug des Publikums angestimmt werden. Es ist ein Publikum, das den drei Relikten einer traditionsreichen Kultur gerade in der alten Heimat Europa zu Füssen liegt. Schwietert versteht es, mit den Brüdern auf eine Reise zurück zu den Wurzeln zu fahren, nach Deutschland genauso wie nach Polen.

Und er weiss, dass neben der Tonspur, von der wir die Lieder hören, auch das Bild einer Partitur folgen sollte, dass auf ihr etwa die zerfurchten Gesichter der alten Männer Landschaften gleichen und so für sich Geschichten erzählen können: wortlos. A Tickle in the Heart ist wohltuend.

ANDREJ RUBLJOW

Andrej Tarkowskis Meisterwerk Andrej Rubljow, entstanden zwischen 1964 und 1972 und inzwischen in restaurierter Fassung sowohl auf DVD als auch auf Blu-ray und im Streaming zum Schauen verfügbar, schildert in unvergesslichen

Andrej Rubljow

Chant d’hiver

Tableaus die Lebensgeschichte des malenden Mönchs Rubljow (Anatolj Solonizin), der als Schüler des Griechen Theophanes mit seiner Ikonenmalerei stilbildend werden sollte. Tarkowski zeichnet ein Künstlerleben inmitten eines brutalen mittelalterlichen Umfelds und denkt damit über das Verhältnis von Kunstschaffenden und Gesellschaft nach.

Er plädiert für die Freiheit von Mensch und Kunst.

«Russland, Russland, was es doch alles erdulden muss, alles erträgt. Wird es noch lange so gehen?», wird Theophanes einmal gefragt. «Ich weiss es nicht, ich fürchte, es wird immer so sein», lautete die vorausahnende Antwort. Die aktuelle Situation zeigt erschreckend, wie recht er hatte. Auch wenn er das Mittelalter inszenierte, sprach Andrej Tarkowski, selber ein Opfer (sowjet-)russischer Willkür, in diesem Film und durch ihn von der Gegenwart. Aber wenn er auch von der Gegenwart sprach: Seine Filme haben etwas Transzendentes, und der Andrej Rubljow gehört zu den intensivsten und stärksten Filmen überhaupt. Die Art wie Tarkowski die stürmische und leidvolle Epoche beschreibt, wie er Kunst und Lebensalltag miteinander in Beziehung setzt, besticht und bewegt. Es ist einmal mehr bei ihm auch ein Film über die Elemente, angefangen vom Fliegen zum Einstieg über das Wasser, das Feuer und die Erde.

LE CHANT D’HIVER

Der Georgier Otar Iosseliani liebt zwei Dinge ganz besonders: Er hebt in seinen filmischen Erzählungen die zeitliche Abfolge auf und setzt auf motivische

Montagen. Und: Liebend gerne kehrt er alles um, lässt das Alltägliche absurd erscheinen und das Absurde alltäglich.

Damit kommt er dem Wesen des Dargestellten womöglich am nächsten. Geboren 1934 in Georgien, hat sich Iosseliani in seinem Werk stets mit dem Wert der Dinge im Lauf der Zeit beschäftigt. Seine Filme sind geprägt vom Fliessenden, der liebevollen Beobachtung, der Poesie, der Nostalgie auch. Dialoge sind Nebensache, alles ist Musik. Wenn man mit ihm über die Struktur seiner Filme redet, so kommt er auf das Bild des Skeletts zu sprechen, das sich als tragfähige Konstruktion in Lebewesen genauso findet wie in Skulpturen und in Filmen.

Ob in «Es war einmal eine Singdrossel» (1972), «Pastorale» (1976) oder «Et la lumière fut»(1989): Er setzt auf eine Art innere Bewässerung, die ihm den sanften Fluss ermöglicht, der sich aus jenen kleinen Strudeln ergibt, die das Leben ausmachen.

Otar Iosseliani besuchte zunächst die Musikschule, studierte anschliessend in Moskau Mathematik, bevor er zwischen 1955 und 1961 von Alexander Dowschenko in die Filmregie eingeführt wurde. Musik und Mathematik bleiben Konstanten in seiner filmischen Arbeit, improvisiert er doch immer wieder auf einer vorgegebenen Struktur. Auch in Chant d’hiver haben diejenigen, die die Untertitel zum Film machen müssen, wenig zu tun. Der Filmemacher führt uns auf einen praktisch dialogfreien Zustand der sinnlichen Wahrnehmung zurück: Schauen und lauschen und über das derart Wahrgenommene empfinden, über alle Zeiten hinweg. Alles hängt zusammen: Die Französische Revolution und die Räu-

Norwegian Wood

mung von Flüchtlingslagern, neureiche Russen und verarmte Adelige, die Tochter des Polizeichefs und die kleine Gangsterin. Chant d’hiver ist ein skurriler Film mit tollen Slapstick-Einlagen, der an die Werke von Jacques Tati oder Buster Keaton erinnert.

NORWEGIAN WOOD

Wer erinnert sich nicht an den eingängig sanften Beatles-Song «Norwegian Wood» (This Bird Has Flown)? «I once had a girl/Or should I say/She once had me/She showed me her room/Isn’t it good Norwegian Wood?» Diese Musik ist im Roman «Naokos Lächeln» vom japanischen Kultautor Haruki Murakami der Anlass zur Erinnerung an die Ereignisse in den 1960er Jahren; das Buch wiederum war die Vorlage zum Film des gebürtigen Vietnamesen Tran An Hung.

Toru Watanabe ist ein ruhiger junger Mann in den späten 1960er Jahren der Studentenrevolten in Tokyo. Sein Leben gerät nach dem Verlust seines besten Freunds Kizuki, der sich aus unerklärlichen Gründen das Leben genommen hat, in Aufruhr. Toru tritt in eine Tokyoter Universität ein, um seinem bisherigen Leben zu entfliehen. Durch Zufall trifft er bei einem Spaziergang Kizukis Ex-Freundin Naoko, und sie kommen einander näher. Toru, Naoko und Kizuki kannten sich schon seit ihrem dritten Lebensjahr, und sie verband eine innige Liebe und Vertrautheit. Die Musik des Films stammt von dem Radiohead-Mitglied Jonny Greenwood sowie von der deutschen Band Can. Und eben: Von den Beatles.

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PREMIEREN IN VIRALEN ZEITEN MEDIENSTIMMEN ZU DEN FILMEN, DIE NORMAL HÄTTEN STARTEN SOLLEN UND JETZT NACHGESTREAMT WERDEN KÖNNEN: EMA Y GASTÓN, YOU WILL DIE AT 20, TO THE ENDS OF THE EARTH UND CANCIÓN SIN NOMBRE

YOU WILL DIE AT 20

«Ein junger Mann, dem nach der Geburt der Tod in seinem zwanzigsten Lebensjahr prophezeit wurde, steht in Zentrum eines Spannungsbogens, der politisch, metaphorisch oder auch einfach märchenhaft interpretiert werden kann.» Michael Sennhauser, SRF «You Will Die at 20 ist ein beeindruckendes Debüt, dem hoffentlich noch weitere Werke folgen werden, und sei es nur, um den Sudan kennenzulernen, der sich erst langsam wieder der Filmwelt öffnet.» film-rezensionen

EMA Y GASTÓN

«Der Film ist spielerisch montiert, ­zärtlich inszeniert und fein intoniert.

Ema y Gastón ist ein cineastischer ­L eckerbissen.» SRF2, Brigitte Häring «Ein heftiger Film, der unmittelbar an die frühen Melodramen von Pedro ­Almodóvar erinnert und sich kräftig ins Gedächtnis brennt.»

Cineman, Irene Genhart «Wer sich auf dieses Wagnis einlässt, wird mit einer kompromisslos brennenden Darstellung von Weiblichkeit belohnt, wie sie im Kino seit langem nicht mehr zu bestaunen war.»

NZZ am Sonntag, Tobias Sedlmaier «Pablo Larraín dreht mit Ema y Gastón einen verstörend intensiven Film über das Durchdrehen bei zeitgleichem Gegendruck, gesellschaftsfähig zu bleiben – ein irrsinnig heftiger Filmrausch.»

P.S., Thierry Frochaux «Fein, verspielt und furchtlos nähert sich der Regisseur nicht nur seiner starken weiblichen Protagonistin, sondern auch dem Reggaeton.»

Filmexplorer, Silvia Posavec

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«Selten hat ein Film so viel Spass ­gemacht wie Ema y Gastón von Pablo Larraín. Das vibrierende Drama hat den Rhythmus im Blut, die ReggaetonBeats sitzen und die Farben könnten prächtiger nicht sein. Angereichert mit spektakulären Tanz-Performances und einer amüsanten, teils sehr emotionalen Geschichte von Leidenschaft, Schuld und Muttersein entwickelt sich eine Odyssee durch die Strassen Valparaísos. Larraín beweist einmal mehr,

dass er ein Händchen für mitreissende Inszenierungen hat. Ema y Gastón, der mit Mariana Di Girolamo und Gael García Bernal in den Hauptrollen grossartig besetzt ist, sollte man sich nicht entgehen lassen.»

Maximum Cinema, Aurel Graf «Das Drama von Pablo Larraín ist visuell experimentell, emotional wild, ein Film wie ein Rausch.»

Film des Monats, Schweizerischer Verband der FilmjournalistInnen «Ema y Gastón überfährt einen mit ­jener Wucht, mit der die Hauptfigur (grandios intensiv gespielt von Mariana Di Girolamo) durch den Film marschiert.

Und man lässt sich gern davon über­ fahren.» Kino-Zeit «Eine gestalterisch aussergewöhnliche Geschichte voller Liebe, Passion, Tanz und Musik. Ein bildgewaltiges Werk mit Sogwirkung.» Kulturtipp «Ein Film, den man nicht mehr vergisst.

Der bei einem bleibt. Weil seine Haupt­ figur so unvergesslich ist. Das Mädchen mit dem Flammenwerfer. Mitten in ­einem flammenden Inferno lodernder Emotionen.» blickpunktfilm, Thomas Schultze «Energiegeladenes Werk über eine ­junge Frau, die sich nicht um Konventionen schert: Ema macht, was sie will, liebt, wen sie will, und schläft, mit wem sie will. Der chilenische Regisseur ­Pablo Larraín hat mit Mariana Di ­G irolamo eine herausragende Hauptdarstellerin gefunden, die diese junge Frau eindrucksvoll verkörpert.» nau

«Einer der mitreissendsten Filme des Jahres.» Indiewire «Der Film beeindruckt durch atem­ beraubend choreografierte und mit ­hypnotischem Farbeinsatz visualisierte Tanzsequenzen, die in ihrer traumgleichen Wirkung dem Film eine angenehm surrealistische Note verleihen. Grossartig gespieltes und mit Gespür für Sinnlichkeit ausgestattetes Kino aus Chile!» uncut «Pedro Almodóvar nach dem Beat des Reggaeton.» Filmstarts «Unterlegt mit dem fesselnden Rhythmus des Reggaeton, handelt Ema y Gastón von der Rebellion gegen traditionelle ­familiäre Bindungen und ihrer Neuerfindung in ungewöhnlichen Konstellationen.» Barbara Schweizerhof

«Ein wertvolles Werk, sowohl durch die Kraft seiner Erzählung als auch durch seine grossartige Fotografie, die die Leuchtkraft weiter Landschaften dem Schatten enger Häuser gegenüberstellt, in denen sich unsichtbare Dramen abspielen.» Le Temps, Stéphane Gobbo «Visuell magisch.» La Liberté «Der Film ist wirklich erhaben, die Foto­ grafie ist wirklich grossartig, ob es sich nun um Aussenaufnahmen bei natürlichem Licht oder um Innenaufnahmen in Hell-Dunkel handelt.» Couleur 3 «Das Spielfilmdebüt des sudanesischen Regisseurs Amjad Abu Alala summt zwar leise das Lied vom langen Schatten des Todes, ist jedoch eine melancholische Hymne auf das Leben. Dabei zollt Alala den jahrhundertealten Traditionen seines Heimatlandes Respekt und schenkt uns sehnsuchtsvolle, aus der Zeit gefallene Bilder, die uns den Sudan als einen magischen Ort aus Sand, Himmel und den Farben des Nils entdecken lassen.» Sarah Stutte

TO THE ENDS OF THE EARTH

«Meisterlich, wie der Film Yokos Innenleben auf die Leinwand übersetzt.

Das ist einerseits Regisseur Kiyoshi ­Kurosawa geschuldet, der diese Kunst schon seit Jahrzehnten beherrscht, aber es vor allem das Verdienst der grossartigen Hauptdarstellerin Atsuko Maeda.» SRF, Georges Wyrsch «In To the Ends of the Earth erkundet der japanische Horror-Spezialist Kiyoshi Kurosawa (Pulse) das vielschichtige, facettenreiche Wesen einer Frau, die ihre Ängste durch die Kraft der Neugier überwindet.» cineman, Björn Schneider «Ein elegant-flüssig inszeniertes Reisetagebuch mit Sinn für Spannung.»

Züritipp, Pascal Blum «Ein tief persönliches Projekt, das durch seine souveräne Erzähllinie und eine schwerelose Inszenierung besticht.» Patrick Straumann

CANCIÓN SIN NOMBRE

«Starkes Debüt.»

Regina Grüter, Aargauer Zeitung Als Canción sin nombre letztes Jahr in Cannes seine Premiere feierte, war der Vergleich mit Roma des mexikanischen Regisseurs Alfonso Cuarón schnell zur Hand: ebenfalls schwarzweiss gedreht, ebenfalls eine historische Erzählung über eine gespaltene Gesellschaft, mit einer indigenen Heldin im Zentrum.

Doch anders als bei Cuarón zielt die visuelle Wucht von Canción sin nombre nie nur auf Überwältigung. Stets verankert Melina León ihre Bildsprache in der Erzählung. Damit vermeidet sie alles Nostalgische und trägt die Grausamkeit

der historischen Fälle von Kindes­ entführungen in die Gegenwart.

WochenZeitung, Timo Posselt «Ein zutiefst menschlicher Film, der ­zugleich reale Missstände und Emotionen in seine elegische Erzählweise einspinnt und getrieben von einem imposanten experimentalmusikalischen Überbau zu einem visuell wie akustisch beeindruckenden Ganzen verschmelzen lässt.» Filmexplorer «Das melancholische Sozialdrama ­erzählt in poetischen Schwarz-Weiss-­ Bildern unaufgeregt und mit brutaler Direktheit von Missbrauch, Rassismus und Kampfgeist am Beispiel eines politischen Skandals in Perus Vergangenheit.» NZZ, Teresa Vena «Melina León gestaltet mit visueller Kraft eine bewegende Fiktion über ­korrupte Strukturen und eine Zweiklassengesellschaft, die sie kafkaesk in Szene setzt.» Aaku Kulturmagazin «Eine Story, die wohl bei allen Beteiligten aus dem Herzen kam und beim ­Publikum ans Herz gehen dürfte.» der-andere-film «Melina Leóns stilvoller Debütfilm ist ein atmosphärischer, direkter Blick auf die Wunden der lateinamerikanischen Geschichte und ein erschütterndes Mahnmal.» Medientipp «Die ausdrucksstarken Schwarzweissbilder und die physisch sehr präsente Pamela Mendoza, die bewegend die Ohnmacht und die Verzweiflung Georginas vermittelt, sorgen dafür, dass dieses Debüt haften bleibt.» film-netz

FILMINGO.CH

«filmingo versucht gar nicht erst, den anderen Diensten nachzueifern, sondern schnitzt sich eine eigene Ni­s che abseits des amerikanischen und europäischen Film-Mainstream. Netflix für gehobene An­s prüche.» AZ «Ein Angebot mit ausgewähltem Arthouse-Kino: praktisch, wenn du einen Film im Kino verpasst hast. filmingo bringt World Cinema zu dir nach Hause und dort, wo du gerade bist… Als Schweizer Arthouse-VoD-Plattform bietet filmingo.ch sorgsam ausgewähltes unabhängiges Filmschaffen und verlängert die Spieldauer von neuen ­F ilmen, die nicht mehr in den aktuellen Kinoprogrammen stehen.»

Maximum Cinema «Seit ihrer Gründung 1988 von Entdeckerfreude und Pioniergeist geprägt, ist die Schweizer Kultur-Stiftung trigon-­f ilm. Sie hat sich regelrecht als Qualitätsmarke etabliert. Nun stellt ­trigon-film ein nächstes Produkt vor: filmingo, eine Streaming-Plattform, auf der trigon-film zusätzlich zu den eige­ nen eine erlesene Auswahl weiterer ­A rthouse-Filme anbietet. Mit wachem Geist und Ideenreichtum, überaus ­b enutzerfreundlich!»

Filmdienst «filmingo– so heisst die oben erwähnte Plattform. Sie enthält sorgfältig ausgewählte Kinofilme, zeitlose Klassiker und herausragende Dokumentarfilme.» ­R epublik «Brandneue Plattform mit Kunstwerken auf HD-Niveau und deutschen Unter­ titeln.» Radio Stadftfilter «Ihr Wohnzimmer in ein Arthousekino zu verwandeln, ist dank dem Portal filmingo möglich, das Filme aus den ­j eweiligen Katalogen mehrerer Schweizer Verleiher anbietet.»

Liberté «Ein anderes Profil hat die Plattform filmingo.ch: Sie wird von dem Schweizer Verleih ‹Trigon› be­trieben, der sich einerseits mit dem Vertrieb von anspruchsvollen internationalen Filmen einen Na­m en gemacht hat, andererseits einige der ganz grossen Meisterwerke der Filmgeschichte in neuen ­restaurierten Fassungen auf den Markt bringt. Damit man sich in den 500 Filmen aus dem Trigon-Programm auf ‹filmingo› zurecht findet, gibt es neben der normalen Suchfunktion auch sorgfältig kuratierte Listen, in denen man nach

Thema und Genre suchen, sich aber auch Empfehlungen von namhaften ­R egisseurinnen und Regisseuren anschauen kann.»

Watson «Dass sein Kinofilmdebüt Grauzone von 1979 im Gegensatz zu ‹Eisbär› weitgehend in Vergessen­h eit geraten ist, könnte dem Umstand geschuldet sein, dass Fredi M. Murer sein eigenes Frühwerk mit so erfolgreichen Filmen wie Höhenfeuer oder Vitus quasi selbstverschuldet in den Schatten stellte. Dabei wurde der Film bei seiner Premiere in Locarno von der französischen Fach­ kritik mit den frühen Werken Godards verglichen. Allein darum lohnt sich ein Blick ins Archiv des Streaming-­ Anbieters filmingo.»

NZZ am Sonntag «Kinos bieten Filme für zu Hause an.

Das Kino Roxy in Romanshorn will sei­ nem Publikum in der Zeit, wo alle Kinos geschlossen sind, eine Alternative ­b ieten (…) filmingo.ch bietet eine kuratierte Auswahl an Arthouse-Filmen zum Streamen im Abonnement oder per Einzel­m iete, betrieben durch die Schweizer Stiftung trigon-film.»

Thurgauer Zeitung «filmingo: Streamen ohne Mainstream.

Ein tolles Nischenprodukt. filmingo ist kein Streaming-Dienst für jedermann.

Aber eine Empfehlung für alle, die auf Filme ab­s eits des Mainstreams stehen.

Einen Gratismonat kriegst du zum Einstieg zwar nicht, aber die Plattform kannst du trotzdem risikolos ausprobieren. Denn das ganze Angebot ist ­offen ersichtlich. Filme können einzeln gemietet oder im Rahmen eines günstigen Monatsabos geschaut werden.»

Digitec Blog «Ob preisgekrönte Arthouse-Filme, coole Indies, zeitlose Klassiker oder spannende Dokumentarfilme: Mit dem Angebot des Schweizer StreamingDiensts filmingo erhältst du ein sorgfältig kuratiertes Filmangebot aus aller Welt und unterstützt damit erst noch unabhängige Filmschaffende… Dem heillos überfordernden Überangebot anderer Streamingplattformen setzt filmingo eine gut kuratierte Filmauswahl entgegen. Mithilfe von Genres, thematischen Filmlisten, GastkuratorInnen wie RegisseurInnen oder regionalen Listen kannst du nach Lust und Laune stöbern und neues entdecken und landest damit garantiert im richtigen Film.» tsri.ch 51

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12 – 58 – 37 – 85 – 32 Vom Urwaldreptil umschlungen sein (5W, span.)

Zur Abwechslung ein Kreuzworträtsel für KennerInnen der trigon-film-Kollektion, erstellt von Finanzjongleur Hugo Köpfli, der in Aarau die Spielstatt mit betreut.

14 – 27 – 21w – 18 Prophezeiung mit der man nicht leben möchte (4W, E. ohne Zahl)

37s Der Film über den kirgisischen Waldläufer gewinnt den Oscar im gleichen Jahr wie die Kuckucksnestflieger (2W)

15 Fliegt im Wald und klebt im Büro und auch anderswo.

38 – 30 Ein Berner Quartier auf den Teller gebracht (2W)

16s Vorname eines dem Namen nach ­k riegerischen Regisseurs.

40 Stadt in Mali, in der Fussohneball ­g espielt wird.

17 Isabelle Huppert plant einen Damm gegen welches Gewässer? (franz.)

41 Hauptstadt von Mali.

19s Der grösste Säuger.

43 Glückszettel

20 Schokodrink mit Rum, in den 1980ern Hugos Lieblingsdrink!

45 – 51 – 28 Schuppe und Kralle in einem Take (3W, engl.)

21 Elektronische Verzögerungsschleife zur Stabilisierung des Phasenausgleichs zweier Signale (Abk, engl.)

47 Kurzform von Theres

2 Ein Meer (fr) 3 Im Herrscher von Mykene und Anführer der Griechen im Trojanischen Krieg steckt ein stiller Film aus der sibirischen Taiga.

4 Umfliesst den Hades neun mal.

5 – 60 – 54 – 16w Die Schnecken­g eneralin muss sie haben! (4W, span.)

6 Tolstois Roman über Ehe und Moral wurde mehrfach verfilmt (2W) 7 Wirklich? (schweizerdeutsch) 8 Zusammen Julia Martini hat Marcos …... das Drehbuch einer brasilianischen Romeo und Julia Geschichte geschrieben. Damit ist auch für diesen Lückenfüller (im durchaus positiven Sinn) ein Link zu trigon gefunden, ansonsten wär's einfach einer der berühmtesten Tenöre im 20. Jahrhundert.

9 – 46 – 66 Der seit 2004 letzte trigon Film (3W) 10s Argentinischer Komponist und ­M usiker, der den Vornamen Eduardo trägt.

11s trigons Science-Fiction–Klassiker 11w – 79 Auch ein Superheldenfilm darf in der Kollektion trigon nicht fehlen (2W)

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TRIGON-FILM KREUZWORTRÄTSEL

1 Dass dieser schräge Film einen überwältigenden Erfolg haben würde, haben die Spatzen nicht von den Dächern gepfiffen, aber gepfiffen hat's. (4W, span.)

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13 Gastons feurige Partnerin.

22 russiches Kartenspiel, Idiot (russisch) 23 – 44 – 87 – 10w Alarm: Stadtbrand in Israel (4W, engl.)

36 – 53 – 50 Pink Floyd besingt diejenige des Mondes, Subiela verfilmt diejenige des Herzens (3W, bei uns spanisch)

42 … ist wer das alles weiss.

48 – 35 Milos Forman hat ein Kartenspiel als Filmtitel gewählt (2W, tschechisch) 49 Hailiges Gepäckstück für Zeitreisen?

52 Die Stange mit Seilschlinge zum ­E infangen von Weidetieren (mongol.)

65 – 62 – 70 Findet el gato wenn die Vögel ausgeflogen sind (3W, span.)

67 Bevor Esteban sein Diebesgut dem Hehler übergibt, dreht er damit noch ein paar Runden mit Kunden (int) 69 Was hat die zentralasiatische schamanisten Allegorie für die menschliche Seele in einem marrokanischen Film zu suchen?

Wir suchen nur das Tier dazu (franz.).

71 In diesem indischen Film spielt ein Vogelhändler die zentrale Rolle.

72 Kennzeichen des Landes, in dessen Stadt am Meer ein Junge im Bürgerkrieg mit der Kamera die Welt entdeckt.

73 Der Fluss der Stadt in der sich die ­C inecitta-Studios befinden (deutsch) 74 In Bolivien gibt es sie im Geheimen und im Titel eine Klassikers, eigentlich gibt es sie überall. (2W span.)

75 Die Seele im Namen unseres kapverdisch-kreolischen Films (port.)

24 Die Mutter (russisch)

55 Schafskind (engl.)

76 Im Mist lebende Primaten (engl.)

25 – 86 Der See zum Festival mit der ­b eliebten Piazza (2W, ital.)

56 – 74 Tropisch-amerikanische Süssspeise, kommt bei trigon-film in Begleitung ­e ines Reiseführers (2W, engl.)

77 Übermorgen Vorgestern und umgekehrt (italienisch)

57 Liebling auf brenglisch?

80 Eines der wenigen afrikanischen ­L änder, aus denen trigon-film noch keinen Film hat.

26 Andrei Tarkowskis letzter Film spielt in Schweden (schwedisch) 29 In diesem Land liegt Hector Galvez’ ­Paradies

59 – 68 Miriam Makeba

31 Aus Aleppo stammt eines der eindrücklichsten filmischen Tagebücher (2W, engl)

63 Auch Serge Gainsbourg erweist trigon-film seine Ehren, wenn auch nur mit ­s einen … (spanisch)

33 – 19 Das Tal (2W, arabisch) 34 Laut Dsiga Wertow war die Sowjet­ union ein Sechstel davon (dt) 35w Ehemalige spanische Währung (Mz, dt)

61 Willkommen zuhause (japanisch)

64s Stadtteil von Sarajevo 64w – 51 – 81s – 39 Ein Engel und eine Landschaft (4W, englisch da Engel)

78 Worum es hier vor allem geht (Mz)

81w Dreifacher Blickwinkel auf Nahost mit Caméra d'Or aus Cannes.

81w Einfache Erkenntnis 83 Le Corbusier war dort und Alain Tanner mit John Berger auch.

84 angesagt.

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Das letzte Wort

Impressum

Druck Gremper AG, Basel

Kein Mensch ist eine Insel Kein Mensch ist eine Insel, ein Ganzes, vollständig in sich selbst; jeder Mensch ist ein Stück des Kontinents, ein Teil des Ganzen; wenn das Meer einen Klumpen Erde wegträgt, ist Europa kleiner geworden, als hätten die Wellen eine Landzunge weggetragen, das Haus deiner Freunde oder deines; der Tod eines jeden Menschen ist mein Verlust, weil ich zum Menschengeschlecht gehöre; deshalb schicke niemals jemanden zu fragen, für wen die Glocke läutet: sie läutet für dich.»

John Donne, englischer Schriftsteller (1572–1631)

TRIGON Das trigon-film-magazin 2.& 3. Trimester 2020 Redaktionsadresse Limmatauweg 9 5408 Ennetbaden Tel: + 41 56 430 12 30 Fax: + 41 56 430 12 31 magazin@trigon-film.org www.trigon-film.org

Herausgeberin

© 2020 trigon-film Das Copyright der Texte ist bei den AutorInnen, jenes der Bilder bei trigon-film, das der Archiv-Bilder bei taris.

Die Rechte der Fotos von ­Gilles Caron bei der Fondation Gilles Caron / Clermes in Frankreich, das street.life-Bild von Maciej Dakowicz beim Fotografen selber, Foto­ museum Winterthur.

Stiftung trigon-film, Basel

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Konzept und Realisation Integral Lars Müller, Zürich

Produktion Martina Mullis Infos zu trigon-film gibt’s auch per Monats-Newsletter www.trigon-film.org und auf

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