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1. Kl. Der Weg zum Kopf führt am Herzen vorbei
Mitzuerleben, wie die Kinder im ersten Schuljahr wachsen und sich entwickeln, ist sehr eindrücklich. Die letzten Fettpölsterchen verschwinden und mit ihnen die typische Gestalt des Kleinkindes. Immer wieder wackelt ein Zahn, und oft sind die Kinder in dieser Zeit auch in ihrer Gefühlswelt etwas wackelig unterwegs.
Kinder im Vorschulalter erleben die Welt noch als Ganzheit, sie sind noch unmittelbar mit ihr verbunden und vielfältig verwoben und handeln aus inniger Nachahmung. Mit dem Zahnwechsel löst sich nun aber das Geistig-Seelische vom physischen Körper. An die Stelle dieses alles beinhaltenden Ganzen treten neu unkörperliche Bildinhalte, also ein inneres, seelisches Erleben. Das ermöglicht es dem Kinde, zum Beispiel einen Kreis für sich alleine vorzustellen und vom physischen Erleben und konkreten Bild des Balls oder der Sonne zu lösen. Darum zeichnen wir im Formenzeichnen nun auch Kreise, lernen den Buchstaben O schreiben und die Ziffer 0 kennen, damit wir auch die Zahl 10 aufschreiben können. Aber immer muss auch das Seelische, müssen die Gefühle angesprochen werden. Die Buchstaben lernen die Kinder aus Geschichten und Bildern kennen, und im Rechnen zählen wir beim Spielen und mit Rhythmen. Durch dieses innere Erleben ist dem Kind nun auch ein inneres Nachahmen möglich. Es kann das Gute und Böse aus den Märchen innerlich nachahmen, darum hören wir jeden Tag ein Märchen. Im künstlerischen Tun wird ebenfalls das Seelische angesprochen, und alles Anschauliche, das die Kinder mit den Händen erfahren, geht auf dem Weg in den Kopf immer am Herzen vorbei.
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Entwickelt sich im ersten Jahrsi ebt zwischen Geburt und Zahnwechsel der physische Leib, so folgt nun in den Jahren bis zur Geschlechtsreife der Ätherleib, der Lebensleib. Die klare Gliederung und starke Rhythmisierung unseres Schulalltags und natürlich auch das gesunde Znüni aus dem Cibus, das wir gemeinsam essen, bevor wir nach draussen in die Pause spielen gehen, stärken diese Lebenskräfte. Wer noch nie den Erstklässler*innen nach dem Epochenunterricht beim Znüniessen zugeschaut hat, wird nicht glauben, wie viele Brötchen, Äpfel und Rüebli sie verputzen können. Wenn wir Znüni essen, dann siehtdas beinahe so aus, wie wenn eine Familie gemeinsam am Esstisch sitzt, weil wir ja nur eine ganz kleine Klasse sind. Das hat wie alles zwei Seiten. So sieht zwar der Lehrer praktisch jeden Strich, wenn die Kinder Buchstaben schreiben, und kann verhindern, dass sich falsche Formen einschleifen. Andererseits ist es aber lästig, dass immer alle alles von allen mitbekommen. Und wenn zwei Knaben gerade einmal mit dem Dritten nicht spielen wollen, dann merkt dieser schmerzlich, dass wir eine so kleine Klasse sind. Darum freuen wir uns sehr darauf, dass nach den Sommerferien noch die neuen Erstklässler*innen-Schar zu uns kommt. Als schon erfahrene Schüler*innen werden wir ihnen dann vorleben können, wie Schule geht und ihnen beim Lernen von all dem Neuen helfen können. Matthias Lüthy