TRAFFIC News to-go 45 Juni/Juli Ausgabe 2015

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NEWS TO GO JUN ––– JUL 2015 NO 45

Zeitgeschehen S. 6

Design S. 22

Ehe, wem Ehe gebührt!

Zurück in die Zukunft

123 S. 7

Design S. 23

Waffen, Kinder, Coladosen

Make City: Urbanes DIY

Feuilleton S. 8

American Apparel, werd erwachsen!

Reise S. 24

Havanna: Baufälliges Paradies Film S. 26

Berlin, Kopenhagen, London & New York

Che bis Escobar: Benicio Del Toro im Interview

Sport S. 11

Arrogant Bastard S. 26

Rugby und Rum

Design Quality

Wetter S. 10

Design Fiction S. 13

Objekte und Gedankenspiele aus dem Studio Aisslinger


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impressum

Contributors o

4 Sabine Weier

Werner Aisslinger

Millicent Nobis

Sabine Weier lebt als freie Kulturjournalistin und Kuratorin in Berlin. Sie schreibt vor allem über zeitgenössische Kunst und Fotografie, beschäftigt sich aber auch mit Architektur, Design und den Schnittstellen zwischen den Disziplinen. Für diese Ausgabe traf sie Designer Werner Aisslinger zum Gespräch.

Die Arbeiten von Werner Aisslinger sind im Bereich des experimentellen und künstlerischem Design zu Hause und reichen von Indsutriedesign bis hin zu Architektur. Er bedient sich in seinen Arbeiten neusten Technologien und ist mit verantwortlich für die Einführung neuer Materialien und Techniken in die Welt des Produktdesigns. Aisslingers Arbeit wird in internationalen Museen ausgestellt und 2013 eröffnete seine erste Soloausstellung mit dem Namen »Home of the future« in Berlin. 2014 wurde Werner Aisslinger für seine Arbeiten mit dem AW Designer of the Year Award geehrt.

Millicent Nobis lebt quer über die Kontinente: Sydney, Bali und Berlin. Ihre Jugend verbrachte sie in den Blue Mountains Australiens. Sie graduierte 2009 an der Fashion Design Schule Sydneys, bevor sie vor fünf Jahren nach Berlin zog. Nebenbei schreibt sie für Publikationen wie JPeople Magazine, i Heart Berlin und TRAFFIC. Ihr Hauptberuf ist das 2012 gegründete Schmucklabel Mies Nobis. Die Kreativaktionistin lässt sich für ihre Konzeptionen gerne von abstrakten Formen, Skulpturen und der Architektur inspirieren, was in ihren High-End-Kollektionen zum Ausdruck kommt.

bilder Aisslinger Jens Gyarmaty Nobis Florian Kolmer

Impressum Traffic news to-go

»Constituting a New Read« Gormannstr. 20 A D-10119 Berlin trafficnewstogo.de info@trafficnewstogo.de VERLEGER

Jacques C. Stephens V.i.S.d.P. jacques@trafficnewstogo.de

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gestaltung

MITARBEITER DIESER AUSGABE

Studio Hausherr, studiohausherr.com Creative Director: Sven Hausherr Art Director: Max Winter Grafik: Julia Michaelsen

Thomas Abeltshauser, Werner Aisslinger, Eva Biringer, Thorsten Denkler, Robin Hartmann, Millicent Nobis, Florian Olbrich, Jacques C. Stephens, Laura Storfner, Dr. Inge Schwenger-Holst, Adrian Stanley Thomas, Cornelia Tomerius, Benicio Del Toro, Nina Trippel, Sabine Weier.

Titelbild

Studio Aisslinger Foto: 25 Hours Hotel Berlin

SCHLUSSREDAKTION

Webdesign

ISSN

Florian Olbrich

Desisn

1869-943 X

Inhalt

redaktion@trafficnewstogo.de

DRUCK

Europrint Medien GmbH

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zeitgeschehen

Ist das noch Ehe? Kürzlich habe ich auf Facebook mit einem Kollegen eine erstaunliche Diskussion über die Homo-Ehe geführt. Er ist ein dezidierter Verfechter der Ehe als Gemeinschaft von Mann und Frau. Ein Argument war besonders abstrus: Er fühle sich ja auch nicht diskriminiert, wenn er als Mann nicht auf die Damentoilette dürfe. Darum sei es eben auch keine Diskriminierung, wenn ein Homo-Paar keine Hetero-Ehe führen dürfe. Der Mann ist nicht dumm. Aber was der Toilettengang mit einer Ehe zu tun hatte will mir nicht in den Kopf. Die Debatte um die Homo-Ehe wird so unerbittlich geführt wie sie absurd ist. Nichts wird einem Hetero-Ehepaar weggenommen, wenn auch das schwule Nachbarpärchen einen Trauschein in den Händen hält. Die Ehe ist längst nicht mehr die Keimzelle der Gesellschaft. Kinder wachsen heute in allen möglichen Konstellationen auf. Mit Mama und Papa, mit Mama und Mama, Papa und Papa oder nur mit Mama oder nur mit Papa. Oder in Patchwork-Familien. Selbst Priester sollen schon Kinder gezeugt haben. Und die sind nur mit Gott liiert. Der ist zum Glück geschlechtslos. Oder doch ein Mann? Dann wäre das ja… lassen wird das. Die Kampf um die alte, die klassische MannFrau-Ehe, ist ohnehin längst verloren. Paare in eingetragenen Lebenspartnerschaften haben die gleichen Rentenansprüche, können Ehegattensplittung beantragen, sich gegenseitig Bauernhöfe vererben. Nur zwei Dinge fehlen im Kern. Sie können nicht zusammen Kinder adoptieren. Und ihre Ehe darf nicht Ehe heißen. Das Perfide in der an sich ja richtigen Entwicklung der vergangenen Jahre ist: Nach dem praktisch alle anderen Bereiche des partnerschaftlichen Zusammenlebens entdiskriminiert worden sind, bleiben die beiden Themen übrig, die am Meisten mit irrationalen Ängsten belegt sind. Da ist der Begriff Ehe. In der Tradition des christlich-jüdischen Abendlandes geht es hier tatsächlich erst mal um Mann und Frau. Aber in der Tradition des christlich-jüdischen Abendlandes ist Homosexualität auch immer noch eine schwere Sünde die noch schwerer zu bestrafen ist. Der sekuläre Staat hat dieses Denken zum Glück überwunden. Oder richtiger: Die Menschen, die in ihm Leben. Das Bundesverfassungsgericht, das für fast alle rechtlichen Verbesserungen von Homosexuellen verantwortlich ist, hat oft gesagt, dass das Grundgesetz nicht in Stein gemeißelt ist, dass es atmet. Und zwar mit der Gesellschaft. Nicht gegen sie. Es dient der Gesellschaft. Und zwingt ihr nichts auf. Die Mütter und Väter des Grundgesetztes mögen noch Mann und Frau vor Augen gehabt haben, als sie Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Grundgesetzes gestellt haben. Aber sie waren auch klug genug, Mann und Frau nicht explizit zu erwähnen. Jetzt, 66 Jahre später, hat sich die Gesellschaft verändert. Die Institution der Ehe ist den Deutschen immer noch wichtig. Aber sie allein auf Mann und Frau zu beschränken halten über zwei Drittel der Menschen im Land für falsch. Das restliche Drittel führt gerade die letzte Schlacht gegen die Zerbröselung der Gesellschaft. In den 60er Jahren noch galten nicht eheliche Kinder als Bastarde. Gab es einen Kuppelparagraphen, der es untersagte, nicht verheirateten Paaren ein Zimmer zu vermieten. Stand Homosexualität unter Strafe. Da war noch nichts zerbröselt. Es war, kurz gesagt, eine andere Zeit.

von Thorsten Denkler

Die Ehe für alle scheint für manche gleichbedeutend zu sein mit dem Zusammenbruch des Abendlandes. Dabei stehen die wirklich drängenden Fragen erst noch an, wenn auch HomoPaare ihre Partnerschaft Ehe nennen dürfen.

Dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, diese Binse hat sich erst in den vergangenen zehn Jahren in der Breite der Gesellschaft durchgesetzt. Diese Akzeptanz ist heute da. Der Gesetzgeber muss dem nur noch Rechnung tragen. Wenn es aber um das Adoptionsrecht geht, da haben plötzlich viel mehr Menschen noch Bauchschmerzen, es für Homosexuelle zu öffnen. Belastbare Gründe dafür gibt es nicht. Kinder wachsen schon heute in Familien mit schwulen und lesbischen Eltern nicht mehr und nicht weniger behütet auf, als in anderen Konstellationen. Aber plötzlich ist da wieder diese diffuse Angst. Die Angst, dass Homosexualität doch irgendwie ansteckend sein könnte. Wenn das Bundesverfassungsgericht demnächst über die Adoption entscheidet, wird es sich allein auf das Kindeswohl konzentrieren müssen. Und das muss vom

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Einzelfall abhängig geprüft werden. Die Frage kann nur sein, ob diese oder jene zwei Menschen besser geeignet sind, ein Kind anzunehmen. Vielleicht ist ja auch einfach das Institut der Ehe überholt. Warum sollte der Staat das Zusammenleben von Paaren fördern? Ist es nicht besser, Paaren gerne einen Rechtsrahmen zu geben, aber jede finanzielle Förderung an die Anwesenheit von Kindern zu koppeln? Wenn die Ehe endlich eine Ehe für alle ist, dann werden das die nächsten Fragen sein, die gestellt werden müssen.

bilder oben Brian Chilson unten Hans Kreul


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von Cornelia

Kinder und Waffen

Tomerius Im US-Staat Virginia hat sich ein Zweijähriger in den Kopf geschossen. Am selben Tag gab sich in New York eine Vierjährige die Kugel. Und bereits zwei Tage zuvor knallte sich in Missouri ein Dreijähriger ab. Was ist los mit dem Nachwuchs Amerikas? Dass die Kinder dort nicht die glücklichsten sind, weiß man ja. Schließlich sind die USA nicht Rumänien, wo einer neuesten Statistik zufolge die zufriedensten Kinder leben – auch wenn dies den simplen Grund haben könnte, dass die Kids in der rumänischen Pampa einfach keine aufs Maul bekommen wollten, nur weil sie in dem Fragebogen für die Studie Children’s World das falsche Kreuz gemacht haben. In Amerika hingegen dürfen Kinder bekanntlich eine eigene Meinung haben – so wie die Erwachsenen eine eigene Waffe. Doof nur, wenn Eltern ihre Schießeisen dann einfach rumliegen lassen und die Kleinen meinen, sie müssten unbedingt damit spielen. Mehr als hundert Kinder sterben in den USA pro Jahr aus Jux und Dollerei. Und niemanden scheint es groß zu jucken. Die Waffenlobby ist einfach zu mächtig.

USA

In Deutschland müssen die Kinder immerhin nicht selber schießen. Da wird schon mal mit einem Luftgewehr aus einem Fenster heraus auf sie gezielt, wie kürzlich in Berlin geschehen. Hier versteckt man übrigens auch gern Rasierklingen in Sandkästen und zündet Kinderwägen in Hauseingängen an. Wie unwillkommene Minderheiten – etwa die Rohingya in Birma oder Ausländer in Deutschland – werden Kinder und ihre Erzeuger hierzulande zuweilen behandelt. Und in der Minderheit sind sie ja auch: Die Deutschen haben, wie jetzt herauskam, die niedrigste Geburtenrate der Welt. 8,28 Geburten werden je 1000 Einwohner gezählt. Nicht mehr lange, und der Kindermangel wird zum ernsten Problem. Denn wer soll all die Arbeit erledigen und die Rentenkassen füllen? Die Lösung: Es müssen mehr Einwanderer ins Land! Durchschnittlich 533.000 pro Jahr, so hat ein Institut errechnet. Und am besten bringen die ihre Schusswesten gleich mit.

Um Kinder sollte es auch auf der Konferenz in Washington gehen, zu der Tahera Ahmad–Direktorin für interreligiöse Zusammenarbeit an der Northwestern University in Chicago und vom Weißen Haus als »führende muslimische Frau in den Vereinigten Staaten« bezeichnet – Ende Mai flog. Als die Stewardess nach ihrem Getränkewunsch fragt, bittet sie um eine Cola Light. »Ungeöffnet«, fügt sie hinzu, aus Hygienegründen. Und das sollte kein Problem sein, schließlich bekam einer ihrer Nachbarn sein Bier auch in der geschlossenen Dose. »Wir dürfen keine ungeöffneten Dosen an Passagiere geben, weil sie diese als Waffe in einem Flugzeug benutzen könnten,« antwortete daraufhin die Stewardess und Ahmad verstand die Welt nicht mehr. Von den Mitreisenden stand ihr niemand bei. Im Gegenteil. »Du weißt doch selbst, dass du die Dose als Waffe benutzen willst. Also halt verdammt noch mal die Schnauze!«, rief einer. Tatsächlich gibt es keine Regelung über das Öffnen von Getränkedosen an Bord – wie zu erwarten war.

Luftraum

Deutschland 7

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Medizin Dr. Inge Schwenger-Holst, Medizinerin, Homöopathin und Klinikmanagerin, betreibt derzeit das Schlossgut Schönwalde mit Gästehaus, Restaurant und Polozentrum.

FEUILLETON

Bye-bye, Miss American Apparel

Gluten, Lactose & Partner

8

…der Lebensmittelindustrie, die seit wenigen Jahren eine neue Sau durchs Supermarktdorf treibt: Die Lebensmittelunverträglichkeit! War in den 90ern bis frühen 00ern noch die Anreicherung allen Essbarens mit jeder Menge Wasser der Verkaufshit schlechthin (Stichwort »Du darst«), so ist nunmehr – abgesehen von der steten Steigerung übergewichtiger Mitbürger – Nestlé und Co. zum erklärten Feind der gängigsten Allergene geworden. Ähnlich wie die Asbest verarbeitende Industrie, die seit Jahren an der Entsorgung des vormals so entschieden beworbenen Baustoffs verdient sind diejenigen, für die »naturbelassen« offenbar ein Schimpfwort ist, nun Feuer und Flamme, was die weitere Denaturierung unseres Essens angeht. Wie bereits in der letzten Ausgabe erwähnt beträgt die Allergierate der Menschen in Ländern mit veränderten und zusatzstoffreichen Nahrungsmitteln ein Vielfaches derer, die sich (versuchen) in der Regel von originären, regionalen Produkten zu ernähren, den Völkern der sogenannten 3. Welt. Nichts desto trotz werden nun Teufel Lactose und Belzebub Gluten an den Pranger gestellt und es erscheinen – wie der Phoenix aus der Asche – Dutzende von Produkten, die von diesen Plagegeistern befreit wurden. So auch Käse und sogar Milch (!), die immer weniger mit dem aus der Kuh kommenden Original zu tun hat. Ist es doch so, dass viele der sogenannten Lactoseunverträglichkeiten lediglich mit der verwertungsfreundlichen Homogenisierung der Milch, also der mechanischen Zerschlagung der natürlichen Fetttropfen, zu tun haben und die damit Geschlagenen wie durch ein Wunder geheilt sind, sobald sie Milch mit natürlich belassenem Fettgehalt zu sich nehmen. Unterstützt wird dieser industrielle Wahn durch die Brüsseler Gutmenschen, die seit dem 13.12.2014 jeden Gastronomen zwingen, seinen Gerichten Allergenschildchen zu verpassen. Wunderbar für Ketten wie McDonalds, die eh immer nur das gleiche Futter an Mann und Frau bringen. Eine nicht lösbare Krux für alle, die frische regionale Küche anbieten, ihre Gemüsefonds selbst kochen und die Saucen frisch und ohne Kunstprodukte anrühren. So ist eben nicht immer klar, ob die Kloßbrühe aus Selleriebehafteten Sud hergestellt wurde oder nicht. Also – falls Sie an einer Allergie leiden, reden Sie einfach mit dem Küchenchef Ihres Lieblingslokals und wechseln Sie die Milchsorte! Einen schönen ersten Sommermonat wünscht Ihnen Dr. Inge Schwenger

Es war einmal in Amerika. Der junge Kanadier Dov Charney kam frisch vom College und zog mit seiner Idee vom »vertikalen Marketing« zunächst nach South Carolina, später nach Los Angeles. Innerhalb weniger Jahre wurde seine Marke »American Apparel« zur inoffiziellen Uniform der Start-Up-Szene, zum Liebling von Myspace: T-Shirts und Hoodies produzierte man lokal, nicht in Bangladesch, die Mode war nachhaltig, die Löhne fair (Massagen und Yogastunden inbegriffen) und geworben wurde für die Rechte von Homosexuellen, Plakate zeigten ziemlich junge, ziemlich halbnackte Mädchen in Lolita-Posen. Ohne Make-Up, dafür mit ganz viel Fun. Nicht selten sahen die Models aus wie die Verkäuferinnen in den Läden – hip, gelangweilt, aber nie unerreichbar: American Apparel war die Indie-Band unter den Modeketten. Charneys ästhetisches Regime prägte die Zeit, seine Vorstellung von natürlicher Schönheit, die kein Photoshop kennt, hallt bis heute nach. Der tiefe V-Ausschnitt mag aus den Fußgängerzonen verschwunden sein und eine zweite Karriere im Fußballermillieu eingelegt haben, feststeht jedoch, dass keine Innenstadt ohne dünne Jungs in Röhrenjeans und schlanke Mädchen in engen Leggins auskommt. Um diese Menschen zwischen 15 und 30 zu beschreiben, greifen Journalisten heute immer noch überfordert auf den Begriff »Hipster« zurück, Charney rief 2010 schon dessen Ende aus. American Apparel war Kult, sein Firmenchef ein Sektenführer mit Vollbart und Pilotenbrille. Irgendwann ging es bergab: Gegen Charney wurden

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FEUILLETON

bilder oben Adam Holtrop Mitte Michael Kalus Unten edis08

von Laura Storfner

American Apparel, die tonangebendste Modemarke der Nullerjahre, liegt im Sterben. Das liegt nicht nur an den Skandalen um den ehemaligen Firmenchef Dov Charney, sondern an einer neuen Kundengeneration, die sich für mehr interessiert als ironische Partyfotos. Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs laut. Dass er sich in den Medien als »bad guy« stilisierte, galt als charmant. Später soll er behauptet haben, dass »Schlampe« kein abfälliger Begriff sei, seinen Angestellten Vibratoren geschenkt und während eines Interviews masturbiert haben. Die Umsätze gingen zurück, die Schulden wuchsen, seit 2009 hat American Apparel keinen Gewinn mehr geschrieben. Mit den Erfolgseinbußen des Unternehmens kamen den Investoren plötzlich Zweifel an der Seriösität ihres Vorstandschefs, sie forderten ihre Kredite zurück. Charney wurde im Sommer 2014 gekündigt. Vor ein paar Jahren war er noch »Unternehmer des Jahres« (Ernst & Young, 2004), »Mann des Jahres« (Apparel Magazine, 2008) und »eine der mächtigsten Personen in Südkalifornien« (LA Times, 2009), nun soll Charney nicht mehr als 100.000 Dollar auf dem Konto haben und Gerüchten zufolge bei Freunden auf einer Couch in Manhattan übernachten. Mit seinem Abstieg kam auch der Niedergang der Marke. Ähnlich wie bei Abercrombie & Fitch, der Antithese zu American Apparel, wanderte die Kundschaft peu à peu weiter: Die Coolness blätterte ab und von Exklusivität war nicht mehr die Rede, nachdem man die Sweater auch im Flagshipstore in Heidelberg kaufen konnte. Die Käufergeneration, die mit beiden Marken erwachsen geworden war, interessierte sich weder für übersexualisiertes Marketing, noch für überparfümierte Läden mit halbnackten, trainierten Türstehern. Der Wunsch nach zurückhaltender Eleganz und Schlicht-

heit verhalf Labels wie Acne und A.P.C. Ende der Nullerjahre zum großen Erfolg. Stand American Apparel für tragikomische Ikonen wie Terry Richardson und das Vice Magazin, die den nachlässigen Stil des neuen Jahrtausends prägten, in dem alles irgendwie ein bisschen heruntergekommener, metaironischer, verrückter aussehen musste, verkörperten die jungen europäischen Marken die Ernsthaftigkeit, gegen die American Apparel immer rebellieren wollte. Das schönste Accessoire war plötzlich nicht mehr die goldene Retro-Armbanduhr von Casio, sondern – huch – Bildung. Der hedonistische Drang nach Party und Exzess ist heute natürlich nicht verschwunden, auch wenn das Interesse an Inneneinrichtung und die Rückkehr zum Herd (#foodporn) gerne als reaktionär gedeutet wird. Trotz allem lässt sich seit den letzten Jahren eine Interessenverschiebung beobachten: Fragt man Gymnasiastinnen, welche Frauen aus der Unterhaltungsbranche sie wirklich bewundern, fällt die Wahl nicht auf Selfmade-Star Kim Kardashian, sondern auf Emma Watson und Taylor Swift. Zwei Frauen, die man früher herablassend »süß, brav, mädchenhaft« genannt hätte, werden als medienkompatible Vorbilder des neuen Feminismus gefeiert, ohne prüde zu sein. Mit Paula Schneider, der neuen American-Apparel-Chefin, die im Januar Charneys Posten übernommen hat, hofft man nun auf Veränderungen und weniger Skandale. Derzeit ist sie wohl am bekanntesten dafür, nicht Dov Charney zu sein. Ihr erster Schritt in Richtung Trendwende bestand in der Einführung ei-

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nes Design-Kalenders – ein Planungsinstrument, das es in der Firma bis dahin nie gegeben hatte. »In der Vergangenheit haben wir Badeanzüge Ende Juli ausgeliefert und Flanellhemden Anfang April.« Auch das Selbstverständnis, mit dem man in Zukunft an Kunden herantreten möchte, hat man sich nochmal genauer durch den Kopf gehen lassen. Ähnlich wie das amerikanische Modelabel Anthropologie, das seine Zielgruppe in drei hypothetische Käuferinnen aufteilt und ihnen Namen (Aurora, Silver und Quinn) samt Charaktereigenschaften, Hobbys und Lieblingsbüchern zuschreibt, konzentriert sich American Apparel auf drei bestimmte Archetypen. Da wäre zum einen das »Young Girl", das sich vor allem dadurch auszeichnet, jung zu sein. Man stellt es sich am besten als 16-Jährige vor, die sich am liebsten nachmittags zum Shoppen mit ihren Freundinnen trifft, Zayn Malik total süß findet und während des Unterrichts über WhatsApp Nachrichten verschickt (»LOL Algebra ist sooooo langweilig. Will lieber mit euch chilln!«). Die zweite Käufergruppe, zusammengefasst unter dem Titel »Classic Girl«, ist 25, macht gerade ein Praktikum (bei einem Modemagazin/ Musiklabel/ Grafikbüro), schreibt am liebsten fehlerfreie Emails, benutzt Emojis – wenn überhaupt – nur ironisch und erzählt seiner Mutter von der neuen Wohnung, die es gerade bezogen hat (»Hey Mama, ich habe endlich meine Traumwohnung gefunden: Mit abgezogenen Dielen und Stuck an den Decken.«). Abgerundet wird dieses Trio durch das »Party-Girl«, das ohne weitere Attribute auskommt – man muss es sich als Alter Ego der anderen beiden Figuren vorstellen: »Young Girl« und »Classic Girl« im »Nachtmodus« – das »Party-Girl« als betrunkene Version ihrer Schwester-Charaktere. Natürlich bleiben diese sogenannten »Personas« schablonenhafte, eindimensionale Versuche von Firmen die ja tatsächlich komplexe Lebenswelt ihrer Käufer zu erfassen. Die ^ »Girls« wirken aber selbst in der künstlichen Welt der Markenidentitäten seltsam eindimensional. Schneider zufolge, könne man sich aber weiterhin an dieses Konzept halten, der Fokus müsse sich nur ein wenig verschieben: In Zukunft soll sich das Unternehmen mehr auf das »Classic Girl« konzentrieren, und gleichzeitig die Angebote für das »Young Girl« zurücknehmen. Weniger bauchfreie Tops und Tennisröcke, mehr Tuniken mit weiten Schnitten, für die es im Büro Komplimente gibt. Eine Option, die wenig bahnbrechend klingt. Selbst wenn man glauben will, dass junge Frauen heute wieder an »klassischen« Werten wie Job, Eigenheim und Beziehung interessiert sind, reicht ein Etikett wie »Classic Girl« wohl nicht aus, um das Lebensgefühl zu beschreiben, das sie antreibt. Eine Bluse, die locker sitzt, genau so wenig.


wetter präsentiert neue Produkte und Erkenntnisse, die die Menschheit braucht.

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von Nina

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Trippel

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New York

40° 43' N, 74° 0 ' W Mittagshitze

Warum nicht: Beim nächsten Möbelkauf ein Produkt in Betracht ziehen, das es derzeit in den meisten Wohnungen noch gar nicht gibt? Das Daybed! Gemacht für ein Nickerchen – im Gegensatz zu seinem Freund dem Sofa, das zum Sitzen gemacht, aber häufig als Schlafcouch zweckentfremdet wird. Das Daybed hingegen verschleiert seine Funktion nicht. Es will uns zum Schlummern verführen, während die Sonne hoch am Himmel steht. Der deutschen Nation würde es sicherlich gut tun, sich ab und an für ein Schläfchen zurückzuziehen, leben wir doch in einer »Er­ müdungsgesellschaft«, wie Philosoph Byung-Chul Han es ausdrückt. Das Tagesbett des New Yorker Duos VonnegutKraft macht aus der Not einen eleganten Powernap-Partner. Schlicht und schick genug darf es im Wohnzimmer gerne Raum einnehmen. Stellt sich nur die Frage, wo man auch am Arbeitsplatz ein passendes Plätzchen dafür finden könnte… vonnegutkraft.com

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Berlin

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52° 31 ' N, 13° 24 ' O  heiß-kalt

Wahrer Wohnluxus ist heutzutage ein handgefertigtes Unikat sein Eigen nennen zu können. Beispielsweise von Moa Hallgren. Die Schwedin hat Textildesign an der Berliner Kunsthochschule Weißensee und in Istanbul studiert, bevor sie sich selbstständig machte. Aktuell konzentriert sich die 35-Jährige auf das Weben von Hand. In ihrem Atelier in Neukölln stellt sie unter anderem Teppiche an einem Schaftwebstuhl her. Der hier Gezeigte ist hoffentlich kein Temperaturindikator für den deutschen Sommer mit seinem Farbverlauf von Rot nach Blau. Farben und Muster kann ohnehin jeder selbst wählen, wenn er den Teppich seiner Träume als Auftragsarbeit direkt bei der Designerin bestellt. Nach circa zwei Wochen darf man sich über sein individuelles Stück Gemütlichkeit made in Berlin freuen. Aber dieser Teppich kann mehr als gut aussehen, er animiert dazu, die Grenze zu hinterfragen. Zum Beispiel die, zwischen horizontaler und vertikaler Ebene in den eigenen vier Wänden.

Kopenhagen 55° 41 ' N, 12° 35 ' O  kristallklar-kühl

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London

51° 31 ' N, 0° 7 ' W  Pool-cool

Spieglein, Spieglein in der Wohnung, welches Objekt macht mein Zuhause zum schönsten der Welt? Ein Objekt von Hugau/Larsson vielleicht? In jedem Fall zieht es die Aufmerksamkeit auf sich. Die Entwürfe des dänischen Design-Duos erhaschen aber nicht nur Blicke, weil der Betrachter sich darin reflektiert, sondern weil sie exzentrische Deko-Elemente sind, die jedem Raum einen Hauch Glamour verleihen. Manche sind so extravagant, dass sie einen ganzen Salon brauchen, um die Umgebung nicht zu überstrahlen. Andere, wie das Wandobjekt in Form eines Kristalls, könnten dagegen fast schüchtern aus der Ecke hervorlugen. Und so Aufmerksamkeit auf eine sonst eher unbeachtete Stelle im Zimmer zu lenken. Hugau/Larsson erschaffen also Dinge, von denen man gar nicht wußte, dass es sie gibt. Aber bei allen dekorativen Aspekten sei Funktionsverfechtern gesagt: Ja, spiegeln kann man sich im »Crystal« auch.

In ein paar Jahren können wir uns diesen Tisch wahrscheinlich Zuhause per 3D-Drucker ausdrucken – wer nicht so lange warten kann, bestellt ihn sich bei Duffy. Die Londoner Firma hat »Abyss«, wie das Schichtoptik-Modell heißt, hergestellt. Ein Jahr Entwicklungszeit steckt in dem Tisch und deswegen kostet ein Exemplar auch rund 20.000 Euro. Das Resultat der intensiven Arbeit ist wie ein Blick auf die Erde von oben. Das Auge erfasst die Tiefe und blickt in einen imaginären, natürlichen Pool. Wer also die Oberflächlichkeit seines bisherigen Tisches satthat, könnte dieses tiefgründige Werk als Beistelltisch verwenden, um Nachmittagstee zu servieren. Wer weiß, vielleicht regt der Blick unter die gläserne Oberfläche ja auch zum tiefschürfenden Diskurs an. Aber Achtung: Abyss heißt auf Deutsch so viel wie Abgrund – den sollte das Tischgespräch natürlich nicht zutage bringen.

reflectionsbyhugaularsson.com/ contact

duffylondon.com

Die Preise für Moa Hallgrens Teppiche beginnen bei 120 €; der hier gezeigte kostet ca. 400€, moahallgren.com

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SPORT

Früher Feinde – heute Familie

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Es ist kaum zehn Jahre her, da war das verschlafene Nest El Consejo im venezolanischen Bundesstaat Aragua ein Ort der Angst. Bewaffnete Banden bekämpften einander bis aufs Blut und entführten, vergewaltigten und mordeten. Heute ist das Dorf ein landesweit bekanntes Beispiel dafür, wie Sport das Leben und die ganze Gesellschaft auf positive Weise verändern kann – in diesem Fall hieß das Zauberwort Rugby. Verantwortlich dafür zeichnet Adolfo Vollmer, ein Rum-Magnat mit deutschen Wurzeln, auf seiner Hacienda Santa Teresa lernen Kinder aus dem ganzen Land, ihre Aggressionen auf sportliche Art und Weise abzubauen - Werte wie Bescheidenheit, Respekt und Teamgeist gehören zu den obersten Maximen des Rugby-Spiels. Mit dem Alcatraz Rugby Club hat Vollmer 2003 ein Team ins Leben gerufen, in dem mittlerweile etwa 2000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene trainieren, längst nicht mehr nur aus Problemvierteln, aber vor allem dort zeigt diese etwas andere Art von Sozialarbeit den größten Erfolg. So hat es ein eierförmiger Ball geschafft, die Mordrate in der Gegend um El Consejo signifikant zu senken: wurden vor zehn Jahren noch 115 unter 100 000 Einwohnern zu Opfern von Gewaltverbrechen, so sind es heute »nur« noch 25 – und wenn es nach Adolfo Vollmer geht, soll diese Zahl so bald wie möglich bei 0 liegen. Die Erfolgsgeschichte dieses ungewöhnlichen Projekts begann ebenso ungewöhnlich – nämlich mit einem Raubüberfall. Eines Nachts brachen José Gregorio Arrieta Montilla und seine Bandenmitglieder auf der Hacienda Santa Teresa ein, der junge Mann wurde von der Polizei gestellt. In letzter Sekunde konnte der schockierte Vollmer verhindern, dass die Beamten den Kleinkriminellen an Ort und Stelle hinrichteten – nicht selten löste die Polizei in Venezuela damals auf diese Art »Probleme«. Vollmer selbst machte José nun ein Angebot: Statt 10 Jahren Gefängnis Arbeit auf seiner Hacienda. Nur wenig später kamen die Beamten auf ihn zu und fragten, ob er denn nicht noch mehr Delinquenten aufnehmen könne. So arbeiteten schon bald die beiden einstmals verfeindeten Gangs aus El Consejo gemeinsam auf der Hacienda Santa Teresa. Auf dem Rugby-Feld lernten sie zudem nach und nach, ihren Hass und ihre Wut aufeinander auf sportliche Weise zu kanalisieren. Aus Feinden wurden erst Arbeitskollegen, dann dank des Alcatraz Rugby Club Teammitglieder – und später nicht selten sogar Freunde. »Dass das funktioniert hat, erfüllt mich bis heute mit einer Mischung aus Überraschung und Stolz«, so Vollmer, der selbst seit 30 Jahren Rugby spielt, ein baumlanger Kerl mit wachen blauen Augen und einem Nussknacker-Händedruck. »Jeder Mensch kann sich ändern, man muss nur an ihn glauben und ihm helfen, sein Potential freizusetzen. Die Gesellschaft zu verändern ist möglich.« Drei bis fünf Millionen Euro hat der Unternehmer laut eigener Aussage bereits in sein Sportprojekt investiert, die ehemaligen Kriminellen aus seinem Team haben mittlerweile in dem immer noch von Gewalt geplagten Land eine Vorbildfunktion – wie José Gregorio Arrieta Montilla, der heute nicht nur Kapitän des Alcatraz Rugby Club ist, sondern dank seines Lebenswandels auch studierter Informatiker und stolzer Vater von drei Söhnen. Seine Vergangen-

von Robin Hartmann

bild Lucylde Gonzalez

In Venezuela trainieren ehemalige Kriminelle mit Jugendlichen Rugby – und tragen so dazu bei, die Kriminalitätsrate signifikant zu senken. Schirmherr des Projekts ist ein Unternehmer mit deutschen Wurzeln.

heit kommt ihm heute wohl selbst vor wie ein Albtraum, wenn er erzählt: »Die Jüngeren haben damals zu mir aufgeschaut und die Scheiße nachgemacht, die ich gebaut habe – Raubüberfälle, Schießereien, das ganze Register. Diesen Einfluss habe ich Gott sei dank auch zum Guten nutzen können. Ganz ehrlich, ohne das Team wäre ich selbst heute wahrscheinlich im Knast oder tot.« Seine beiden Ältesten, José Angel und Wilkinson, sind auch unter den 2000 Nachwuchsspielern – und haben kein Problem damit, dass ihr eigener Vater sie trainiert: »Wir sind stolz darauf, Teil des Teams zu sein.« Die Werte, die der Alcatraz Rugby Club verkörpert, sind wie ein Mantra auf der gesamten Hacienda auf Holztafeln angeschlagen: »Bescheidenheit«, das oberste Gebot. »Wir spielen fair – und um zu gewinnen«, Wir sind stolz auf das, was wir tun«, und nicht zuletzt »Wir verändern unsere Umwelt«. Der Rugby-Sport ist mit der Rum-Brennerei Santa Teresa derart eng verknüpft, dass das Firmenmotto lautet: »Jugamos Rugby – Hacemos Ron« – »Wir spielen Rugby und machen Rum«. Die Spieler der A-Mannschaft, zu der 35 junge Männer gehören, sind in Venezuela dank großflächiger Plakatierung (und nicht zuletzt wegen eines hervorragenden Rum) mittlerweile sogar zu kleinen Werbeikonen geworden. Längst begeistert der für Zuschauer manchmal etwas archaisch anmutendende Vollkontaktsport nicht mehr nur junge Männer, der Alcatraz Rugby Club hat auch mehrere Damen-Mannschaften. Atalia Herería ist Kapitänin des Alcatraz RC Feminino, genau wie ihre Teamkameradin Rosmely Rodríguez ist sie überzeugt: »Wenn ich nicht spielen würde, wäre ich nicht komplett. Das Team ist wie eine zweite Familie für mich geworden, meine Mitspielerinnen sind auch meine Freundinnen und meine Schwestern.« Dabei gab es anfangs viele Zweifel an dem Projekt, berichtet Adolfo Vollmer. »Die Leute fanden es merkwürdig, dass wir ehemalige Kriminelle unterstützen. Aber sie wieder auf die Straße loszulassen wäre doch

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weitaus schlimmer.« Eine Rückfallquote gäbe es kaum, sagt Vollmer, erzählt aber im gleichen Atemzug auch von einem Fall, der ihn anscheinend bis heute betroffen macht: »Da war dieser Junge, ein vielversprechender Spieler, gerade neu im Team. Und dann ist der auf die Straße zurück und hat einen anderen jungen Mann erschossen.« Doch auch solche scheinbar hoffnungslosen Fälle lässt Vollmer nicht hängen, der Junge stellte sich mit seiner Hilfe der Polizei. Mittlerweile verhandelt der unermüdliche Sportfan mit verschiedenen Ministerien und der Anti-Drogenbehörde über staatliche Unterstützung, auf die der Alcatraz Rugby Club trotz seiner Vorbildfunktion bisher nicht zurückgreifen konnte. In den nächsten Jahren will Vollmer aber notfalls auch allein weiter in sein Team und auch die landesweite Infrastruktur des venezolanischen Rugby investieren. »Wir sind jetzt an einem guten Anfang«, sagt er. »Aber es gibt noch viel mehr zu tun.« Nach den Olympischen Spielen und der Fußball-Weltmeisterschaft ist der seit 1987 existierende RugbyWorldcup das populärste globale Sportereignis, hat 4,2 Milliarden Zuschauer in 205 Ländern. Beim Rugby spielen zwei Teams mit jeweils 15 Mann zwei Halbzeiten à 40 Minuten gegeneinander, wobei es gilt, den eiförmigen Ball wie beim American Football hinter der Verteidigungslinie des Gegners abzulegen. Ein solcher »Versuch« bringt 5 Punkte, das Befördern des Balls durch die Tore bringt noch einmal zwei Zähler. Quelle: Venezolanischer Rugby-Verband

Rugby Venezuela Das in England erfundene Rugby-Spiel wird in Venezuela seit Beginn des 20. Jahrhunderts praktiziert. Damals führten es Einwanderer ein, die in Europa studiert hatten. Die venezolanische Nationalmannschaft, die den Spitznamen »Die Orchideen« trägt, spielte 1974 ihre erste offizielle Partie. Ihr bestes Ergebnis bislang war ein 70:0 gegen Costa Rica.


Gefördert durch:

Mit freundlicher Unterstützung von:

www.mmk-frankfurt.de

Kulturpartner:

Tuchfühlung Kostas Murkudis

und die Sammlung des MMK 17.7. 2015 — 14.2.2016


Design Fiction: Objekte und Gedankenspiele aus dem Studio Aisslinger

Von Sabine Weier

Osram / 2014

In Werner Aisslingers Berliner Studio stapeln sich Bücher und Stühle, stehen Styropormodelle, überziehen Skizzen und Computervisualisierungen die Wände, sind Materialproben und Farbfächer zu kleinen Möglichkeitsinseln arrangiert. Kaum ein Stück Boden oder Wand in diesem großen Industrieloft ist frei. Es gibt viel zu tun. Aisslinger ist einer der erfolgreichsten Designer der Gegenwart. Bekanntheit erlangte er mit Entwürfen wie dem »Juli Chair«, einem Stuhl mit minimalistischer und dabei erstaunlich bequemer Sitzschale. Es war der erste, den Aisslinger je entwarf, Mitte der 1990er Jahre, heute gehört er zur Sammlung des Museum of Modern Art in New York. Viel Aufmerksamkeit erregte der 1964 geborene Industriedesigner und Architekt auch mit seinem Projekt »Loftcube«, einem Mini-Wohnhaus, das auf Flachdächern installiert werden kann. Die Idee kam Aisslinger wegen der vielen ungenutzten Berliner Dächer. In seinem Besprechungszimmer erzählt er von seinen zukunftsweisenden Projekten. Er sitzt an einem großen, aus Holzdielen gezimmertem Tisch, darüber hängt eine gigantische Lampe, deren Schirm aus aufgeschlagenen Bildbänden zusammengesetzt ist. Überall hier manifestieren sich Spieltrieb und Experimentierfreude, zwei Prinzipien, die Aisslinger so erfolgreich gemacht haben, und die dafür sorgen, dass er auch in einer Zeit der Umbrüche im Design durch neue Technologien, intelligente Materialien und stetigem Innovationsdruck noch sichtlich Freude an seinem Beruf hat.

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Bikini / monkey & Neni: Hotelbar & -Restaurant / 2013

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Chair Farm / 2012 / freies Projekt Warum nicht einfach einen Stuhl pflanzen? Zum Beispiel mit Weide oder Bambus? In Asien gibt es Bambusarten, die 30 Zentimeter pro Tag wachsen. Wir haben für dieses Experiment Weide benutzt und die Pflanze in ein Eisengestell hineinwachsen lassen, das die Form vorgab. Das Gedankenspiel kann noch weitergehen: Wie wäre es, wenn künftig vieles mit einem solchen Farming produziert würde? Man könnte natürlich genmanipulierte Pflanzen einsetzen, die schon wissen, dass sie ein Stuhl werden. Zu diesem Projekt haben mich natürliche Brücken inspiriert, die sich in Indien über Schluchten spannen. Vorerst bleibt es aber bei der Idee, die Natur auf diese Weise für das Produktdesign einzusetzen. Denn die Umsetzung müsste man gemeinsam mit Agrarwissenschaftlern anpacken, und das würde sich ein zäher und langwieriger Prozess.

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Mesh Vases / 2009 / Lumas

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Kitchen Farm / 2013-14 / freies Projekt Wie wir in Zukunft wohnen wollen, ist für Designer immer eine wichtige Frage. Für die Ausstellung Home of the Future im Berliner Haus am Waldsee haben wir die Installation Kitchen Farm entwickelt. Es geht darum, die Küche als Produktionsort und nicht als eine Art repräsentative Kochstelle zu begreifen, wie es heute verbreitet ist. Die Idee: Was sonst im Garten angepflanzt wird, also Gemüse und Kräuter, wird in der Küche installiert. Dem zugrunde liegt ein von Wissenschaftlern entwickeltes System namens Aquatronic, ein Kreislauf aus Fischzucht und Pflanzen, in dem Fischexkremente als Dünger dienen und die Fische wiederum von nahrhaftem Pflanzenwasser profitieren. Die Idee knüpft an soziale Bewegungen wie Urban Farming an. Menschen pflanzen schon jetzt auf Dächern und Brachen Nahrungsmittel, warum nicht auch in der eigenen Küche?

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Hemp Chair / 2012–14 / für Moroso Der Hemp Chair ist der erste Biokomposit-Monoblock-Stuhl der Welt. Es ist ein Freischwinger, die Statik ist also recht anspruchsvoll. Wir haben den Stuhl zusammen mit dem Chemie-Unternehmen BASF entwickelt. Grundlage ist ein umweltfreundlicher Klebstoff, mit dem man Naturfasern wie Hanf so verdichten kann, dass ein sehr stabiler Werkstoff entsteht. Er hat die Qualität von glasverstärktem Kunststoff. Diese Technologie wird schon für den Innenausbau von Automobilen eingesetzt, ist aber sehr kompliziert. Deswegen ist der Stuhl auch noch nicht auf dem Markt. Er ist extrem leicht, stapelbar und man kann ihn kompostieren, wenn man ihn nicht mehr braucht. Nachhaltigkeit gehört zu den Feldern, mit denen ich mich gerade intensiv beschäftige. Häufig sind Biomaterialien aber teuer, das macht die kommerzielle Umsetzung schwierig.

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Bikini Island / 2013-14 / für Moroso Bikini Island ist eine Sitzinsel, eine Art Collage aus modularen Elementen: Sofateilen, Daybeds, einem Bügel mit Vorhang zum Separieren, kleinen Tischen und Kommoden. Man kann die Stücke selbst so zusammenstellen wie man möchte. Es handelt sich um eine Neuinterpretation des Sofas. Das Familienleben ist heute parzellierter als früher, es sitzen nicht mehr alle monodirektional zusammen auf dem Sofa und schauen einen Spielfilm. Bikini Island wird in der Mitte des Raums platziert und lässt viele Liege- und Sitzvarianten zu. Der eine liest ein Buch, der andere chattet oder spielt vielleicht auf einem Tablet-Computer. Jeder findet seine Ecke. Die Module der Insel sind kompakt, bieten aber ausreichend Fläche. Sie ist so etwas wie die Antithese zu zeitgenössischen Sofas. Das sind ja in der Regel riesige Trümmer. Erstmals eingesetzt haben wir diese Inseln im Bikini-Hotel in Berlin, dort stehen sie in den öffentlichen Bereichen, daher kommt auch der Name.

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Networks / 2010 / freies Projekt Bei diesem Projekt ging es mir darum, mit Local Heroes zu arbeiten. Ich habe dafür die Firma Gerber aus der Stadt Plauen ins Boot geholt. In Sachsen gibt es eine lange Handwerks- und Kunstgewerbetradition. Spitze aus Plauen ist weltberühmt. Produziert werden aber vor allem altbackene Tischdeckchen und zwar mithilfe von Hightech-Maschinen. Networks ist mehr Gedankenspiel als Produkt: Wie kann man dieser hochwertigen Spitze eine moderne Identität geben? Unsere Kollektion überführt sie in die Dreidimensionalität und zwar in Form gehäkelter Hocker. Mit einer Häkelmaschine wird das Muster auf Zellulose geplottet, mit Wasser gelöst, über eine Form gelegt und anschließend mit Materialien wie Epoxidharz ausgehärtet. Fertig ist das Objekt. Theoretisch. Gerade das Aushärten ist nämlich noch ein wenig schwierig, da müssen wir noch weiter experimentieren.

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Design

Die Gestalter der Zukunft

beiten von Designern aus aller Welt zu sehen sein. Wer nur

DMY

Kraftwerk Mitte, Berlin

Oranienburger Strasse 32, Heckmann-Höfe, 10115 Berlin 10 - 14 June 2015 DUTCH DESIGN Contemporary Creation Processes in Design: Dutch Art & Design Berlin presents an exhibition

2 2 that focuses not only on the objects on display but wants to explore and explain the extraordinary creation process that the young Dutch designers behind these objects follow. It shows that sometimes the road to creation can be more important than the actual outcome. The exhibitors are: Jetske Visser (Hydro-phobia scarfs, Kirstie van Noort (The Research Collection) , Lotte de Raadt & Dirk Osinga (Open Objects) and Ruben der Kinderen (Blow).

Berlin Glas e.V.

Provinstrasse 42a, 13409 Berlin

PET MARKET

Pappelallee 69, 10437 Berlin

Pflanzenfreude.de May-Ayim-Ufer, 10997 Berlin

MBzwo Loft

Engeldamm 64, 10179 Berlin

Berlinische Galerie: Radikal Modern

Alte Jakobstrasse 124-128, 10969 Berlin

designtransfer

Einsteinufer 43, 10587 Berlin

Bundespreis Ecodesign

DMY, der Berliner Platt-

Jahr werden rund 500 Ar-

Design Spots Locations

DAD Gallery Berlin

tet die diesjährige Ausgabe des

form für Design. Dieses

DMY

Köpenicker Straße 70, 10179 Berlin U-Bhf Heinrich-Heine-Straße / S-/ U-Bhf Jannowitzbrücke

Stattliche 50.000 Besucher erwar-

einen Tag einplant, wird wohl nur Zwischen der Jetztzeit und der Zukunft pendeln – geht. Zumindest als Besucher der Designmesse DMY. »Back to the Future« lautet das Motto der diesjährigen Messe DMY, die sich als Plattform für internationales Design versteht. Fachpublikum und Laien können hier Gegenwartsgestaltung in Form aparter Möbel und nützlicher Objekte betrachten, dekorative Dinge und zukunftsweisende Innovationen bewundern, Schönes und Schräges in Augenschein nehmen. Gegründet wurde die DMY, die Fachmesse und Publikumsevent zugleich ist, im Jahr 2003. Nach Stationen am Gleisdreieck und Flughafen Tempelhof werden dieses Jahr die Räume des Kraftwerks – des ehemaligen Heizkraftwerks, auch bekannt als Club Tresor, bespielt. Unter dem Begriff »Berliner Zimmer« wird auch die hauptstädtische Designlandschaft herausgestellt. Etabliert hat sich die Veranstaltung vor allem als Talentschau: Rund 15 Universitäten nutzen die Plattform, um Arbeiten von Studenten vorzustellen: Prototype, Unikate und Kleinserien gibt es zu sehen. Im Rahmen der New Talent Competition, die in Zusammenarbeit mit der Ikea-Stiftung ausgelobt wird, werden die ausgewählten Teilnehmer vorgestellt. Neben dem Hauptaustragungsort laden aber auch etliche Galerien, Museen, Studios und Designinstitutionen zu dezentralen Ausstellungen und Events in ganz Berlin ein. Die Preise des DMY-Wettbewerbs werden von Berlin Glas e.V. gefertigt. Dieses mal in Zusammenarbeit mit Marcel Hoogstad Hay aus Adelaide, Australien, der gemeinsam mit Jesse Günther eine Glasbläser-Demonstration abhalten wird. Preisgekröntes wird auch beim Bundespreises Ecodesign im Orangelab gezeigt. Hier warten unter anderem Vorträge, Podiumsdiskussion zum Thema »Mode und Nachhaltigkeit – wie lässt sich beides vereinbaren?« Wer Natürlichkeit etwas direkter erfahren will, schaut bei Pflanzenfreunde.de vorbei, einer Ausstellung, die sich dem Thema Zimmergrün als Indoor-Dschungel widmet. Holz als Naturmaterial steht im Fokus, der Ausstellung Till the Well Runs Dry zu der die Design-Manufaktur Mbzwo gemeinsam mit dem Berliner Künstler Christopher Kieling laden. Design hören kann man im Rahmen der Veranstaltungsreihe Designtransfer der Fakultät für Gestaltung der UdK. Hier wird der Zusammenhang zwischen Gestaltung und elektronischer Musik ausgelotet. Zu sehen und erleben gibt es Arbeiten von Studenten. Von der Idee zum Produkt: Im Rahmen der Ausstellung My Private Pen zeigt das Design-Duo Adam+Harborth

Ernst-Reuter-Platz 2, 10587 Berlin

den Hauptausstellungsort besuchen können, es warten aber diverse Satelliten-Locations in der ganzen Stadt auf neugierige Besucher. Ein Überblick.

von Nina Trippel

den Entstehungsprozess einer Kollektion für das die Marke e+m Germany entwickelt haben. Wer selbst tätig werden will, schaut beim Workshop vorbei, bei dem ein eigenes Schreibgerät entworfen werden kann. Auch bei der DAD Galerie steht nicht nur das Produkt im Fokus, sondern der Entstehungsprozess. Fünf niederländische Designer zeigen ihre jüngsten Arbeiten. Francophile planen einen Besuch bei Lobby for a Weekend ein, bei der Couture, Kunst und Objekte von französischen und deutschen Kreativen präsentiert werden. Wer sich in einem anderen Kontext mit deutschem Design beschäftigen will, sollte die Ausstellung im Museum der Dinge nicht verpassen. Hier wird der kontrovers diskutierten Frage nach einem Museum über deutsches Design, Raum gegeben.

Wer wissen will wann, was, wie, wo, findet alle Informationen und Lo­ cations auf dmy2015.com

Lobby for a weekend Xantener Strasse 17, 10707 Berlin

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Design

von Sabine Weier

Make city Design Spots Locations

In der Spree schwimmen und Gemüse im Luftschutzbunker anbauen bild Julien Lanoo

Main Hub

TSCHECHISCHES ZENTRUM / CZECH CENTRE

Wilhelmstraße 44 / Eingang Mohren-straße, 10117 Berlin U-Bahn: Mohren-straße (U2)

2 3

11. Juni Gemeingut Definieren, Gemeingut Gestalten 14:00–16:00 Volkspark 2.0 16:30–18:30 Liegenschaftspolitik neu gedacht. Auf dem Weg zu einem Berliner Modell? 19:00–20:30 12. Juni Ausweg aus der Krise, Gemeinschaft aufbauen 14:00–17:00 Flussbad Talks #1 18:00–20:00 13. Juni Selfmade City 15:00 18. Juni Urban Open Source: Partizipative Designstrategien 10:00–13:00 Zivile Ökonomien der Teilhabe 14:00–16:30 Kollektive Buchpräsentation & Diskussion 17:00–18:30 19. Juni Stadtmanagement neu gedacht 11:00–16:00 Another City is Possible: Practices of the Minimum Viable Utopia 19:00 20. Juni Geld spielt keine Rolle 11:00–12:30 Konzept überbietet Geld 13:30–15:30 24. Juni Holz Arbeitet 17:00–20:00 25. Juni Anders Wohnen 15:00 26. Juni Gestalten – Machen – Verkaufen 16:00–17:30 Neues Bauen Ermöglicht 18:00–19:30 27. Juni Modulab Workshop 11:30–13:00 Der Wert des öffentlichen Raum 14:00–15:00 Architekturfestivals: Rück-und Ausblick 15:30–16:30

Stadt selber machen: Das Festival Make City fragt in Berlin danach, wie Städter ihren Lebensraum mitgestalten können

Gläserne Wohntürme und Autobahnen überziehen den Planeten, Betonwüsten weiten sich auf allen Kontinenten aus. Nach über 150 Jahren Urbanisierung leben mehr Menschen in Städten als auf dem Land, und immer mehr Stadtbewohner greifen kreativ in ihren Lebensraum ein. Brachen werden zu Tummelplätzen für Wohnsubkulturen, Industrieruinen zu Künstlerstudios umfunktioniert. Urbane Aktivisten fordern Teilhabe, sie wollen die Stadtplanung demokratisieren und neoliberalen Investoren etwas entgegensetzen: eigene Ideen. In Berlin diskutieren Akteure aus Disziplinen wie Architektur und Design diesen Sommer bei einem eigens dafür ins Leben gerufenen Festival, wie es mit unseren Städten eigentlich weitergehen soll und welche Rolle die Bewohner selbst dabei spielen können. Make City wird verschiedene Orte in der Stadt mit Diskussionen, Workshops, Vorträgen und Ausstellungen bespielen, auch Touren sind geplant. Die Veranstalter haben zahlreiche Partner ins Boot geholt, etwa das Deutsche Architekturzentrum DAZ, die TU Berlin, verschiedene Kulturinstitute, Architekturbüros, Designstudios und Verlage. Vor allem um partizipatorische Ansätze soll es bei Make City gehen. Schon jetzt tun sich Menschen in der Hauptstadt etwa zu Baugruppen zusammen, um ihre Vision vom Wohnen und Arbeiten in der Großstadt in eigenen Projekten zu verwirklichen. Was mal als aktivistischer Trend begann, hat sich mittlerweile zur breiten bürgerlichen Bewegung etabliert, von einem Paradigmenwechsel ist in der Festival-Ankündigung die Rede. Ein Schlüsselkonzept in der aktuellen Diskussion ist das der Urban Commons, die Antithese zur Privatisierung des Stadtraums und der damit einhergehenden Einschränkung der Bewohner, die etwa ein Stück Flussufer nicht mehr nutzen können. Erst 2014 lehnte sich in Berlin eine Bürgerinitiative erfolgreich gegen Umgestaltungspläne für das Tempelhofer Feld auf, einem ehemaligen Flughafen und eine der größten Freiflächen der Stadt. Die Berliner wollten dort lieber weiter Skateboard auf den alten Landebahnen fahren und Sonnenblumen pflanzen als einen schicken Stadtpark mit neu-

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en Häusern drumherum. Sie erreichten ein Referendum und darin schließlich ein Nein zum Plan des Senats. Im Mittelpunkt vieler Programmpunkte stehen Fragen nach sich – auch durch die Digitalisierung – schnell verändernden Lebensentwürfen, die neue Räume für ein neuartiges Wohnen und Arbeiten verlangen. Die Stadt wird zum anthropologischen Experiment. In Ausstellungen und Workshops werden Bedürfnisse besprochen, Projekte vorgestellt und tiefer gebohrt. Was die Politik tun muss, um eine partizipatorische Stadtkultur zu ermöglichen, soll etwa mit Berlins regierendem Bürgermeister Michael Müller besprochen werden. Ausgediente urbane Strukturen wie das Tempelhofer Feld führen manchmal auch zu außergewöhnlichen Konzepten, einige werden beim Festival vorgestellt, zum Beispiel das Projekt Growing Underground aus Großbritannien. Die Macher planen den Anbau von gesunder, von Kohlenstoff unbelasteter Nahrung in stillgelegten Luftschutzbunkern und U-Bahn-Schächten in London. Mit Hilfe moderner LED-Technologie und einem Hydrokultur-System wollen sie Blattgemüse und Kräuter bis zu 33 Meter unter der Erde anbauen. Vorhandenes wieder wie ursprünglich nutzen zu können, kann auch ein Bedürfnis sein. Eine Panel-Diskussion wird der Frage nachgehen, wie man den Berlinern wieder das Schwimmen in der Spree ermöglichen kann. Schwer vorstellbar, schaut man sich das träge bräunliche Nass an. Doch solche Gedankenspiele regen die Fantasie an – und so entstehen Visionen für ein besseres Leben in der Stadt. An Ideen mangelt es nicht, schwieriger ist die Frage nach der Finanzierung. Eine Möglichkeit ist das Crowdfunding, also das Sammeln von Spenden bei Unterstützern im Internet. Die Gruppe Zones Urbaines Sensibles aus den Niederlanden kommt nach Berlin und stellt ihr Projekt The Urban Bridge vor, die Fußgängerbrücke in Rotterdam ist das erste Beispiel eines so bezahlten Architekturprojekts. Eine Art Crowdfunding ermöglicht auch Make City: Über 100 Partner gestalten das Programm und finanzieren das Festival mit. Make City – Festival für Architektur und Andersmachen, 11. bis 28. Juni 2015, www.makecity.berlin


Reise

Havanna

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bilder Eva Biringer

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Reise

Beim Gedanken an Kuba fallen einem als erstes bonbonfarbene Oldtimer ein. Kein westliches Klischee, sondern karibische Realität.

Die Mehrheit der Autos auf Havannas Straßen ist wirklich Baujahr 1970 oder älter, wie die offiziell den rund zwei Millionen Hauptstadtbewohner n vorbehaltenen Pesos-Taxen. Es gilt das hop-onand-off-Prinzip, einzige Bedingung: Spanisch sprechen und die einheimische Währung Pesos in der Tasche haben. Ganz nebenbei erlebt man bei so einer waghalsigen, zu fünft auf die Rückbank gequetschten Taxifahrt die Kubaner sozusagen hautnah. So bonbonfarben wie die Autos, sind auch viele der im Art déco-Stil gehaltenen Häuserfassaden. Insbesondere in Havannas Vororten ersetzt so eine Farbkur oftmals die Haussanierung. Wenn der Putz bröckelt, dann wenigstens in altrosa. Kuba verstehen, heißt pragmatisch denken. La Habana Vieja, das historische Stadtzentrum, gehört seit 1982 zum Weltkulturerbe und glänzt durch einen morbiden shabby-chic. Ausnahmen wie die liebevoll restaurierte Plaza Vieja bestätigen die Regel. Das dort gelegene Café El Escorial betreibt eine eigene Rösterei, deren Bohnen ein schönes Souvenir für Daheimgebliebene sind. Ähnlich pittoresk sitzt es sich im Innenhof des Hotels Valencia, einer wuchernden Oase mit hängenden Blumen und Mosaiktischchen. Die hauseigene Paella ist über die Landesgrenzen hinaus berühmt. Jener in anderen Metropolen hippe Flirt mit dem Kaputten ist hier schlichtweg sozialistische Realität. Zerfallene Fassaden, gefährlich instabil anmutende Balkone und von Schlaglöchern übersäte Straßen gehören zu der Stadt wie der Malecón, eine kilometerlange Uferpromenade, auf der auch Einheimische feiern, knutschen, joggen.

Gegründet 1519 als spanische Kolonie, haben Havannas Erbauer ihre Spuren in Form prächtiger Kolonialbauten hinterlassen. Zwischen barocken Gotteshäusern wie der Iglesia Parroquial del Espíritu Santo, neoklassizistischen Residenzen mit verwunschenen Innenhöfen und imposanten Plätzen, fallen die vereinzelten zeitgenössischen Bauten umso mehr ins Auge. Ein Beispiel ist das Café Lamparilla. Zur Straße hin öffnet sich der futuristische und zugleich an gotische Spitzbögen erinnernde Bau als eine Art überdachte Terrasse. Mit Blick auf den Malecón isst man hier spanisch inspirierte Tapas zu landestypischen Weinen. Wenige Kilometer und nah genug für einen Spaziergang entfernt, befindet sich ein weiteres signifikantes Beispiel moderner kubanischer Architektur. Im obersten Stock des 121 Meter hohen Focsa-Gebäudes serviert das Restaurant La Torre kubanische und westliche Spezialitäten. Für die entsprechend hohen Preise gibt es ein Panorama wie kein anderes in der Stadt. Weniger hoch, dafür unter freiem Himmel sitzt es sich auf der Dachterrasse des Hotels Ambos Mundos an der Plaza de Armas. Im Erdgeschoss des Anfang des 20. Jahrhunderts erbauten Hotels lockt eine Pianobar mit schwerem Holzmobiliar. Ernest Hemingway soll hier bevorzugt seinen Daiquiri eingenommen haben – genau wie in der sehr touristischen, aber sehenswerten Bar El Floridita. Daiquiri und Mojito, das muss sein in Havanna. Verzichtbar hingegen ist das lokal produzierte Eis, selbst beim angeblich besten Hersteller Coppelia. Trotzdem lohnt ein Besuch der Eisdiele im Stadtteil Vedado, schon ihrer sagenhaften Architektur wegen. Durch den Kinofilm Fresa y Chocolate ( »Erdbeer und Schokolade«) kam dieses ufo-artige Gebäude mit den bunten Glasfenstern zu einiger Berühmtheit. Ebenfalls in Vedado befindet sich das Hotel Nacional de

von Eva Biringer

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Cuba. Hier steigen die Schönen und Berühmten ab, hier serviert das Barraca im großzügigen Garten mit Blick aufs Meer auch Nicht-Hotelgästen frischen Fisch. Auch für einen Café Cubano, die kubanische Version eines stark gesüßten Espressos, lohnt der Besuch und sei es nur des hauseigenen WLANs wegen, eine seltene Freude im sozialistisch regierten Castro-Staat. Ein Land, das im Jahr 2015 praktisch ohne Internet auskommt – abgesehen von den bonbonfarbenen Oldtimern eines der Kuba-Klischees, die sich als wahr erweisen.


Film

Benicio del Toro

2 6

von Thomas Abeltshauser

Er ist einer der besten Schauspieler seiner Generation mit einem Faible für widersprüchliche, komplexe Charaktere. Benicio del Toro, geboren in Puerto Rico und aufgewachsen in Pennsylvania, war schon Bond-Bösewicht, einer der »Üblichen Verdächtigen«, Polizist in »Traffic«, Ex-Häftling in »21 Gramm« und Revoluzzer in »Che«. In »Escobar – Paradise Lost«, der am 9. Juli in den deutschen Kinos anläuft, spielt er nun Pablo Escobar, einen der mächtigsten Drogenhändler aller Zeiten. Der Film vermischt das wahre Leben Escobars mit der fiktiven Geschichte eines jungen kanadischen Surfers, der sich in Escobars Nichte verliebt und so in den Dunstkreis des Drogenbarons gerät. Entspannt und erheblich schlanker als in seiner Rolle des übergewichtigen Gangsters steht der Oscar-Preisträger TRAFFIC News to-go an einem sonnigen Nachmittag im nordspanischen San Sebastián Rede und Antwort.

Nach Che Guevara spielen Sie nun Pablo Escobar, einen der berüchtigsten Verbrecher der Geschichte. Hatten Sie schon früher daran gedacht, diese ikonische Figur zu spielen? Nein, das stand nie auf meiner Wunschliste. Es gab auch keine Filmprojekte über sein Leben, außer einer Seifenoper im lateinamerikanischen Fernsehen, aber komischerweise nichts in Hollywood. Als mir das Drehbuch geschickt wurde, wollte ich es zuerst gar nicht lesen, ich war nicht besonders scharf drauf. Ich ließ es eine Weile liegen, bis mich mein Agent bedrängte. Als ich es schließlich doch in die Hand nahm, fand ich es interessant, den Wahnsinn Kolumbiens durch die Perspektive eines Fremden zu zeigen. Es ist schwer, sich ein authentisches Bild von Escobar zu machen. Sein Image ist das eines Monsters, larger than life… Ich für meinen Teil versuchte im Film eine Interpretation dieses Menschen, basierend auf dem Drehbuch, das uns Escobar durch die Augen der von Josh Hutcherson gespielten Hauptfigur zeigt, eines jungen Surfers, der neu nach Kolumbien kommt und Escobar kennenlernt, weil er sich in dessen Nichte verliebt. Die Idee gefiel mir: wenn man Escobar als Nichtkolumbianer irgendwo begegnete, dann auf einer Party und dann war es ziemlich wahrscheinlich, dass man ihn auf den ersten Blick sehr einnehmend finden würde. Wahrscheinlich würde man ihn mit seiner Frau sehen, vielleicht würde er mit einem Ständchen auftreten. Wenn Sie Pablo, den Familienmenschen spielen, haben Sie dann all die anderen Dinge im Kopf, die er zu

verantworten hatte – Drogenhandel, Entführungen, Liquidationen? Oder grenzen Sie das voneinander ab? Man kann es nicht sauber trennen. Wenn er sich etwa nach den Hundebissspuren auf dem Arm des Jungen erkundigt, seinen Stift herausholt und in aller Ruhe eine kurze Notiz macht, vermischen sich Privates und Business. Wenig später hängen die Angreifer tot an einem Baum. Ich schreibe in der Szene auf meine Hand. Angeblich hatte Escobar ein kleines Notizbuch, in das er nun ja, Dinge, aufschrieb. Und man möchte seinen Namen nicht in diesem Notizbuch stehen haben. Ein anderer Moment: wenn er sich von seiner Familie verabschiedet und im nächsten Moment wird ein Typ kaltgemacht. Wenn man Escobars Geschichte erzählt, kann man diese beiden Seiten nicht voneinander trennen, den Familienmensch vom skrupellosen Monster. Und vergessen Sie nicht: in Kolumbien war er eine lange Zeit ein Held, weil er sich für die Armen einsetzte. Erst als er sich zur Kongresswahl aufstellen ließ, gab es Widerstand, weil er als Drogenhändler die Immunität des Regierungspostens missbrauchen wollte. Die Vereinigten Staaten wollten ihn ausliefern lassen und Escobar nahm einfach die Regierung eines ganzen Landes in den Schwitzkasten. Das ist ein Gangster wie Godzilla! Er war mächtiger als jeder andere Gangster in der Geschichte. Wenn man einen charismatischen Gangsterboss spielt, ist es dann schwierig, aus dem Schatten Marlon Brandos als »Der Pate« herauszutreten? Brando! Es sind ganz sicher Teile von ihm in meiner Art zu spielen, aber ich tue es nicht bewusst. Ich wollte kei-

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ne Brando-Imitation machen. Aber ich bin natürlich ein großer Bewunderer. Ich war sogar bei derselben Schauspiellehrerin wie er, Stella Adler, um das Handwerk zu lernen. Der Vergleich ist also durchaus berechtigt, auch wenn es nicht meine Absicht ist, ihn nachzumachen. Aber es gibt Leute, die behaupten, immer wenn ein Schauspieler in einer Szene etwas Interessantes oder Besonderes machen will, kommt er früher oder später auf Brando. Natürlich eine Übertreibung, aber oft stimmt es. Viele geschätzte Kollegen meiner Generation, von Javier Bardem über Philip Seymour Hoffman bis Sean Penn, haben etwas Brandoeskes. Ich bin also nicht der Einzige und ich nehme es als Kompliment. Wie haben Sie sich konkret darauf vorbereitet, Escobar zu spielen? Wir hatten nicht viel Zeit. Es ist ja kein Biopic, wir erzählen nicht sein ganzes Leben. Ich hatte etwa drei Monate, um Gewicht zuzulegen, Escobar war ja Fastfood-Junkie. Ich habe sehr viel Brot und Pizza gegessen. Und dann habe ich für jede Szene recherchiert, an welcher Stelle in seiner Laufbahn und seinem Leben er gerade war. Wenn wir ihm im Film zum ersten Mal begegnen, ist er ja schon erfolgreich, den Weg dorthin sehen wir allerdings nicht. Das hat mich aber interessiert und ich habe viel über seinen Werdegang gelesen. Er fing als Kurier für einen Typen an, der gar nicht mit Drogen gedealt hat, sondern Waschmaschinen, Kleidung und solche importiert hat und Escobar war einer seiner Fahrer. Und bei einer der Lieferungen versprach er den Arbeitern anstelle des fixen Lohns einen Anteil am Gewinn und erwarb so ihre Loyalität. Damit baute er sich ein Netzwerk an Leuten auf, die er später für den


Film

Wie kommen Sie üblicherweise an Rollen wie diese? Kommt man auf Sie zu? Ich bezahle sie dafür. Ich mache ihnen ein Angebot, das sie nicht ablehnen können.

2 7

Drogenhandel einsetzte. Das fand ich spannend. Unterm Schlussstrich muss ich nach der Recherche sagen, dass er wirklich ein vergeudetes Talent war. Ich würde sogar sagen, dass es der Verlust eines der größten Talente in der Geschichte Lateinamerikas ist. Wirklich tragisch! Warum wollten Sie das Drehbuch anfangs noch nicht einmal lesen? Ich dachte zunächst, dass es ein klassisches Biopic ist über sein ganzes Leben und dafür hätte ich viel mehr Zeit benötigt. Um seiner Geschichte in all ihren Details gerecht zu werden, hätte es ein Höchstmaß an Vorbereitung und Sensibilität erfordert. Ich hätte sein Leben bis ins Kleinste recherchieren und es dann mit dem Drehbuch abgleichen müssen. Und dafür hätte schlicht die Zeit gefehlt. Als ich es schließlich doch las und er-

kannte, dass es eher ein Thriller als ein Biopic war, fand ich schnell doch Interesse daran. Auch Steven Soderberghs »Che«, in dem Sie den kubanischen Revolutionsführer Che Guevara gespielt haben, ist nur ein Ausschnitt aus dessen Leben. Was war daran schwieriger? Das war ja nicht nur das Porträt eines Mannes, sondern eines ganzen Landes und einer ganzen Zeit. Außerdem war es als Amerikaner schwierig nach Kuba zu kommen, um dort zu recherchieren und mit Historikern und Zeitzeugen vor Ort zu sprechen. Und wir mussten diese vier Stunden in sehr kurzer Zeit drehen. Es gibt kaum Großaufnahmen in dem Film, weil dafür keine Zeit war. Es war also auf ganz vielen Ebenen schwierig. Aber genau deswegen ist mir »Che« so wichtig.

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Kinostart: 9. Juli 2015, mehr Informationen auf www.escobar-film.com

bilder Mika Cotellon


TO-GO Boutique von der Schmuckgestalterin Millicent Nobis, Sydney

WELL (UN)HEELED

OFF THE FLOOR

«A woman can not survive on champagne alone, she also needs shoes” says shoe designer Brian Atwood, «-but ideally a comfy pair of glitter slip-ons with hot pink rubber soles that will keep me from falling over after my second glass of champagne” i say. USLU X VANS slip-on Glitter, €90, www.vans.de

Mode & Design

Take Four

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1 Maison Kitsuné Waterproof dark navy Hester Cape, 550€ 2 Pashley Guv'nor Buckingham Black, price n/a 3 Thonet Cantilevered chair with padded armrests design: Glen Oliver Löw, price n/a 4 Fundamental Group Kennedy Side Table, 1.590€ 5 Nomos Metro 38 Datum urban gray, 2.380€

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6 Mies Nobis Kielos Ring, brass 85€, Silver 130€ 7 Aigle Rubber Venise ankle boots, 59€ 8 Ray Ban Clubmaster Wood Braun Klassisch B-15, 280€

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JUST DO ME

I don’t know about you but nothing says do me now more than a man shod in a hot new sneaker collab, this classic Nike Dunk silhouette updated in monochrome high end materials by Dover Street Market being the perfect aphrodisiac. NikeLab Dunk High x DSM, US$16, www.nike.com

9 Ray Ban Ray-Ban Clubmaster Acetate And Metal Optical Glasses , 165€ 10 Loro Piana via Mr. Porter, Toquilla Straw Hat, 590€ 11 Leica T 701 Compact Camera, 1.545€ 12 Flagpole via Net-a-Porter, Swim Perry color-block bikini, 366€

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13 Foscarini Floor LampTWIGGY, design: Marc Sadler, 2015, price n/a 14 Shusta LAY/T Buzz cognac, 220€ 15 String Pocket (2005) shelving stand, price n/a 16 Maiami Mohair Big Cardigan, 410€

SHOE SPEW

Don’t you hate it when you consume far too many diamantes/rhinestones/sequins and vomit them up up all over your shoes? No. No i don’t hate it at all, infact the opposite; i like it very very much. Anna Slip-on Ricamo, €490, Coliac, www.coliac.com

17 Arper Spin (1998), design: Benedini Associati 18 RB Jewels »Black Orange« Neon Acrylic beads & black chain with Feather, 160€ 19 Paul Smith via Mr. Porter, Mid-Length Swim Shorts, 85€

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20 Mulberry Bag Matthew Leather 25-Hour Bag, 1990€ 21 Sennheiser PX 100-lli, 69€ 22 Sigurd Larsen Compact Café Table, 2.900€

LOUBOUTIN NO’S

Louboutin said «‘I would hate for someone to look at my shoes and say, "Oh my God! They look so comfortable!” but in these sleek and clean unlined lace-up sneakers made in Italian grain leather i imagine he wouldn't hate it so much. Adrian-Grain Sneaker, €300, Acne Studios www.acnestudios.com

23 Rado HyperChrome Automatic Chronograph Match Point, 4.500€ 24 Arper Song, design: Lievore Altherr Molina, 2013, price n/a 25 Madewell via Net-a-Porter, Leather-trimmed straw fedora, 81€

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Arrogant Bastard

Design Quality And Solitude 3

von Adrian Stanley Thomas, New York City, New York In the most efficient and earnest way possible, I have decided to evaluate the quality of my associates. I’ve come to this decision not without extensive consultation with myself and myself. Being attentive to the shortfalls of others and seeing as how I’m a capitalist due solely to the indoctrination of the almighty executive branch of government, I see it necessary to evaluate the people around me to determine if they meet the very stringent criteria of being suitable for my friendship. Truth be told, Most are just distant momentary associates, “who’s your friend, she’s a cutie, introduce me fool, things like that.” I’m not sure what other benefit that an associate could have. Given the opportunity, a human will become a turncoat if the benefit to themselves is high enough. What a pity. No moral compass among the trendy. How did I come up with this design? These kinds of things design themselves. I’m simply the conduit. I came to this decision based on a number of deciding factors. First, even though I’m a person who is extremely patient and giving with regard to my own greatness and the deficiency of all that I survey, it is prudent to measure the validity of associates. The result of this in depth analysis into the lucky individuals who are allowed to be in my presence is a difficulty one. Does this person enhance my “quality of life” in such a way that makes them valuable to me? See, you need to think of your associates as commodities. That’s right, I said it, commodities. Listen, there’s really no such thing as a friend in any real way. It’s a myth, like world peace. The-

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re’s a proposition in the background somewhere just waiting to blossom if the moment arises for your so called friend. Most of the time, it’s just good old gossip. Friendships are mainly for gossip. There’s really no value in the friendship design at all, group laughter maybe, but nothing more than that. Think about this for a moment. What are the main reasons that you and any of your associates argue with one another? Enough said. It has become painfully clear that humans are not only evil, despicable, untrustworthy, but also liars and cheaters. How does one come to this conclusion or develop this kind of animosity and disdain? Actually, I’ve always known it, even when I was a new born babe and everyone likes you because you can’t talk, and your skin is new and fresh. Isn’t it strange that the only time that every person in the world loves you is when you aren’t able to respond? As soon as you develop the ability to speak and process information; that’s when you develop haters. Now I have not come to this decision without careful consideration of those who might be shunned and left without my nimble wit and magnetism, but unfortunately, this is something that must be done if the Darwinian model is to be fulfilled. I suggest you do the same. Solitude equals security. It’s up to you.


This is why you should spend your week at Stockholm Furniture & Light Fair! It’s the world’s largest meeting place for Scandinavian design. It’s where you discover all the latest news and styles. It’s where 700 unique design companies exhibit their work. It’s where you do the best business and develop important connections. It’s where you experience the trends of tomorrow firsthand. It’s all about being where it happens, and a real meeting means everything.

Welcome! February 9–13, 2016

stockholmdesignweek.com

northernlightfair.com

stockholmfurniturefair.com

February 9-13, 2016


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