TRAFFIC News to-go #16

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Ausgabe N°16 • Juli / August 2011 • Jahrgang 2 • trafficnewstogo.de

Sport

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© sfeyes © alles schlumpf

Extrembergsteiger Reinhold Messner im Gespräch über seine nächsten Achttausender: Museale Pläne, bedrohte Welten und Perspektiven für das Überleben der Menschheit Nach einer langen Karriere als Ausnahme-Bergsteiger halten Sie inzwischen auch Vorträge über Entscheidungsfindung in Extremsituationen, wie sie auch im Geschäftsleben nötig sein können. Zu Ihren eigenen Unternehmungen zählen mittlerweile fünf Museen an fünf verschiedenen Standorten – warum? In diesem Fall geht es darum, dass ich mein Wissen, mein Know-How, meine Kontakte und meine Sammlung zur Verfügung stelle und in diesem Fall auch einmal die Stellvertreterrolle übernehme. Als junger Mensch habe ich nur für mich die Antarktis erobert und mir gedacht, dass alle anderen davon nichts verstehen werden, auch wenn ich es ihnen erzähle. Heute sehe ich das etwas anders, es ist sehr wohl möglich, einen Teil der Erfahrungen und Emotionen, die dabei entstehen, weiterzugeben. Da gibt es sehr viele Möglichkeiten, ich kann einen Film machen, davon erzählen auf

der Bühne, ein Buch schreiben oder es museal gestalten. Die museale Arbeit ist in der praktischen Umsetzung die schwierigste. Daraus ein ganz normales Unternehmen mit Mitarbeitern, Marke und Logo zu machen hat mehr gekostet, als alle meine Expeditionen zusammen. Und ich will, dass das Ganze sich auf Dauer selbst trägt, es muss nichts abwerfen. Doch es sollte so nachhaltig sein, dass es in hundert Jahren noch steht. Museum übrigens im alten Sinne von: Begegnungsraum. Und aus den Zutaten Kunst, Reliquien und Aussagen entstehen die Geschichten, die ich in diesen Museen erzähle. Sie engagieren sich auch für den Erhalt bedrohter Völker. Welche Bedeutung hat das für Sie? Heute mit öffentlichen Geldern oder privaten Spenden noch Expeditionen zu unternehmen ist völliger Unfug. Es gibt nichts mehr zu erforschen, das ist nicht gerechtfertigt, so zu tun als ob. Wenn man heute auf den Nanga Parbat geht, ist es Abenteuer oder Selbstzweck. Ich habe dann selber eine Stiftung gegründet, damit die Bergvölker in den Anden oder im Himalaya oben bleiben können um nicht in den Slums der Ballungszentren

zu enden. So konnte ich beim Wiederaufbau helfen, nachdem bei den großen Überschwemmungen in Pakistan dort, wo zwei Flüsse aus dem Himalaya aufeinandertrafen, ein ganzes Dorf weggeschwemmt wurde. In drei Tranchen habe ich den Dorfbewohnern mehr als die Hälfte zum Wiederaufbau ihrer Häuser gegeben und auch erfahrene Handwerker geschickt – allerdings unter der Bedingung, dass nachhaltig mit Materialien von vor Ort gearbeitet wird und auch lokale Arbeitskräfte eingestellt werden. Inzwischen haben die alten Herren, die in Pakistan alles entscheiden, auch zugestimmt, dass auch die Mädchen zur Schule gehen dürfen – und das ist eine ganz wichtige Aufklärungsarbeit für die Zukunft der Menschen in diesem Gebirge. Sind die Bergvölker ein Wissensreservoir der Menschheit oder gar entscheidend für unser Überleben? Ja, ich behaupte, dass die Bergkultur eine eigene Kultur ist. Das ist nicht wie die Stadtkultur. Sie als Städter könnten zum Beispiel etwas über Selbstversorgung lernen. Die Bergkultur lebt in viel kleineren Einheiten, aber die Verantwortung innerhalb des Clans ist viel größer als in der

Stadt, auch emotional. In der Stadt wissen wir gar nicht, wer unter uns wohnt und wir wissen gar nicht, was wir heute Abend essen. Wir gehen heute in ein Restaurant und morgen in ein anderes. Wir haben das Gefühl, es sei alles da. Strom aus der Steckdose, Warm- und Kaltwasser aus dem Hahn. Da oben sind die Leute aufeinander angewiesen. Sie schützen sich nach außen und sind viel stärker auch nach innen untereinander in Verantwortung verknüpft und sie sind alle in der Lage sich selbst zu versorgen. Als ich irgendwann vierzig wurde und eines Tages wusste, dass ich mit meinen Abenteuern aufhören würde, haben meine Banker gesagt: Kaufen Sie Rentenpapiere! Aber ich habe gesagt: Nein, ich kaufe mir einen Selbstversorgerbauernhof. Inzwischen habe ich drei, weil ich sie auch den Kindern weitergeben will, und da wird alles produziert, was ich zum Leben brauche. Wenn beim letzten Mal die Weltwirtschaft zusammen gebrochen wäre, wären die Städter einfach verhungert. Das erzähle ich besonders gerne Bankern, zuletzt in Wien: „Ihren Papieren habe ich nie vertraut, sondern einen Bauernhof gekauft!“ Ein Dutzend kam dann hinterher zu mir und sagte: Das ist das Beste, was Sie machen konnten.


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