TRAFFIC News to-go #34

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Gourmet

Ausgabe N°34 • November 2013 • Jahrgang 5 • trafficnewstogo.de

MALIN ELMLID

SAUERTEIG Der Ursprung des Sauerteigs wird in der Zeit der alten Ägypter vermutet und liegt 6000 Jahre zurück. In seiner Urform kannte man Brot nur als harten Fladen. Mehl wurde mit Wasser vermischt und in der Sonne oder über dem Feuer getrocknet. Durch Zufall entdeckte man dabei die spontane Säuerung. Es war die Geburtsstunde des Sauerteigs. Durch natürlich vorkommende Enzyme und Milchsäurebakterien wird die Stärke im Mehl in Milchsäure, Alkohol und Kohlendioxid umgewandelt. Diese Stoffe, in Kombination mit den im Sauerteig vorkommenden Hefepilzen, sorgen für einen säuerlichen Geschmack und dafür, dass der Teig beim Backen aufgeht. Es entsteht außen eine Kruste und der Innenbereich bleibt feucht und luftig. Im Laufe der Zeit haben sich viele Verfahren der Teigfermentation herausgebildet. Sauerteig mit mehrstufiger Teigführung ist das aufwendigste Verfahren und erlaubt es, Brot ohne künstliche Hefezusätze herzustellen. Weiter verbreitet ist heute jedoch das zeitsparende Backen mit künstlich gezüchteten Hochleistungshefen und chemischen Treibmitteln. Neben seinem Aroma erfreut sich traditionelles Sauerteigbrot vor ­allem auch wegen seiner besseren Bekömmlichkeit großer Beliebtheit. Bereits 79 n. Chr. beschreibt Plinius in seiner Naturgeschichte, dass „die Körper derer, die mit gesäuerten Broten genährt werden, kräftiger sind“.

Du meinst das Brot mit der Kohle im Teig? Ich wusste nicht, dass diese Idee von einer Japanerin stammt. Wie kam es dazu? Es war nicht die Idee mit Kohle Brot zu backen, die von ihr kam. Sie brachte die Kohle einfach nur als Entgiftungsmittel aus Japan mit. Ich fing dann an, damit herumzuexperimentieren. Verschiedene Mengen ergaben verschiedene Grautöne. Ich bin nämlich sehr farbempfindlich. Bis dann irgendwann das Brot herauskam, das du probiert hast.

In welchen Ländern hast du denn Backerfahrungen sammeln können? Ich habe bei Bäckern in Frankreich, Schweden, der Schweiz, den USA und Afghanistan gebacken. Ich hatte immer meine Sauerteig-Mutter in einem Behälter bei mir und suchte mir, egal wohin ich kam, eine Bäckerei, um dort zu backen. Selbst wenn ich nicht überall Praktika machen konnte, ergab sich meistens ein halbes Stündchen, in welchem man mit den verschiedenen Bäckermeistern über Ihre Philosophien und Techniken sprechen konnte. Das ganze war wirklich eine tolle Reise.

Das war wirklich sehr gut. Also ging es dir bei dem Projekt nicht darum neue Brote zu entwickeln, sondern um den Austausch mit Menschen? Als ich damit anfing, habe ich das nicht so geplant. Los ging alles damit, dass es mich frustrierte, in Berlin kein gutes Weißbrot zu finden. Das nahm ich dann erstmal zum Anlass, überhaupt kein Brot mehr zu essen. Schließlich arbeite ich in der Modebranche und will ja nicht dick werden. Doch irgendwann hielt ich den Verzicht nicht mehr aus. Ich war auf einem Businesstrip in Kopenhagen und probierte dort von einem Weißbrot. Es schmeckte besser als alles, was ich vorher probiert hatte. In dem Moment fasste ich einen Entschluss. Ich konnte nicht auf Brot wie dieses verzichten. Also wenn es diese Art von Brot in Berlin nicht gab, würde ich selber lernen müssen, wie man so etwas macht.

Und wie kam es dann zum BreadExchange? Also, ich wusste schon bald nicht mehr wohin mit dem ganzen Brot. Also fing ich an, es an meine Nachbarn zu verschenken. In jedes Business-Meeting brachte ich Brot mit. Irgendwann machte ich sogar Popup-Bäckereien in unseren Showrooms rund um die Welt und fütterte unsere Kunden. Alles um was ich im Gegenzug bat, war die ehrliche Meinung zu meinem Brot. Das ganze machte ich zwei Jahre, bis ich eines Tages eine Email bekam von jemandem, der mein Brot probiert hatte. Ich kannte ihn gar nicht, er hatte es von einem Freund bekommen. Er schrieb, dass er ein großer Fan meines Brots sei und fragte, ob er mich als Dankeschön in die Philharmonie einladen dürfte. Ich freute mich sehr und akzeptierte. Vollkommen unabhängig davon kam in der gleichen Woche noch eine zweite Person zu mir und gab mir ein Geschenk als Dankeschön. Von da an hörte das nicht mehr auf. Dahinter steckte niemals eine Absicht. Es ist einfach von alleine passiert, deshalb fließt auch alles so. Kannst du verstehen wie ich das meine?

Was war an dem Brot aus Kopenhagen so besonders? Es war ein Sauerteigbrot. Das bedeutet, dass es mit natürlichen Bakterien und Hefen langsam gebacken wird. Es dauert ungefähr 24 Stunden ein Sauerteigbrot aus Weizenmehl zu backen. Im Gegensatz zu Brot aus Roggenmehl, wie es hier in Deutschland verbreitet ist, ist ein Sauerteig aus Weizen viel sensibler. Ein ähnlicher Unterschied wie ­zwischen einem Arbeitspferd und einem Vollblut. Aber es lohnt sich, das Brot hat ein ganz anderes Aroma, innen eine feuchte Konsistenz, bleibt länger frisch und ist durch die Mikroorganismen sehr viel

Absolut, mir geht es mit meiner Arbeit auch nicht anders. Es ist so, wie wenn du nur ausgesucht wurdest, sie auszuführen, eine Art Mission, richtig? Genau. Das Projekt ist nicht meines. Es ist genauso das Projekt all der Leute, die daran teilnehmen. Die Menschen haben solch intime Dinge eingebracht, Familiengeschichten, Rezepte. Alle sind in den Broten enthalten. Um diese Geschichten geht es in meinem Projekt und in meinem Buch. Am Anfang hatte ich nicht verstanden, welche metaphorische Kraft im Brot liegt. Es hat mir Türen auf der ganzen Welt geöffnet.

© Shantanu Starick

Wie hast du gelernt, dieses Brot zu backen? Ich fing mit meinen Recherchen an. Ich backte in meiner Wohnung wie eine Verrückte und machte Praktika in Bäckereien auf der ganzen Welt. Da ich wegen meiner Arbeit ohnehin konstant unterwegs war und von einer großen Stadt in die nächste kam, hängte ich einfach oft noch ein paar Tage an, um von jemandem zu lernen. Egal wo ich hinkam, kontaktierte ich die besten Bäckereien.

© Mirjam Wählen

„NEBEN MEHL, WASSER UND SALZ HABEN MEINE BROTE NOCH EINE WEITERE ZUTAT. DAS SIND DIE TAUSCHGESCHÄFTE, DIE ICH MACHE UND DIE GESCHICHTEN DRUM HERUM.“

Und was ist deine persönliche Perspektive auf das Thema? Ich habe nur das handwerkliche Können ein einfaches Sauerteigbrot zu backen. Alles andere kommt von den Menschen, die ich treffe. Aus Ihren Geschichten entstehen die neuen Brote, wie beispielsweise das von der Japanerin, welches du schon kennst.

besser bekömmlich.

© Farzana Wahidy

©Mary Sherpe

Ich habe gehört, dass du momentan an einem Buch arbeitest. Wie läuft das und über was schreibst du? Es läuft super, vielen Dank. Ich bin unter Vertrag bei dem amerikanischen Verlag Chronicle Books. Im Oktober auf der Frankfurter Buchmesse wird das Projekt präsentiert. Es ist in erster Linie eine Reisegeschichte und erzählt, wie es mit meinem Bread-Exchange-Projekt losging. Von meinen ersten Versuchen zu backen im Jahr 2007 und dem Start des eigentlichen Projekts in 2009. Es handelt auch über Brot im Allgemeinen und meine persönliche Perspektive darauf.


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