Tracks 3 16 (Mai/Juni 2016)

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GAVIN JAMES

Kein Plan B

Gavin James berührt mit seinem neuen Album “Bitter Pill“ das Herz. Dies schafft der junge Ire mit seiner einzigartigen Stimme und der zurückhaltenden Musik. Alles andere als zurückhaltend ist der junge Herr. Es sprudelt aus ihm heraus wie es von den lauten Anfängen und persönlichen Erfahrungen zu “Bitter Pill“ kam. Nicht unwesentlich für seinen schnellen Erfolg war eine Begegnung mit einem anderen bekannten Rothaarigen. Es schreit beinahe nach einer Gegenüberstellung der beiden Ginger, der Gavin James glücklicherweise standhält.

kw. Wenn Gavin James im Song “Remember Me“ hofft, sie erinnere sich doch daran, als sie 17 waren und ihre Träume lebten, dann ist das auf den ersten Blick fast schon belustigend. Der Musiker ist 24 und schreibt über Liebeskummer als wäre er schon grau und alt. Dabei ist er ja überhaupt nicht grau. Die roten Haare, die grössere Statur, die schwarze Kleidung fallen sofort auf. Und wenn man Gavin James sprechen hört, spitzbübisch, schnell und lebensfroh, dann ist er eben ganz wie ein Vierundzwanzigjähriger. Aussergewöhnlich viel hat er auch in Liebesdingen nicht gelitten, zweimal hatte er schlimmeren Herzschmerz. Mittlerweile sei er aber darüber hinweg. Also eigentlich ist er ein fröhlicher junger Mann, der als seine grosse Inspiration seinen Vater nennt, der der glücklichste Mensch der Welt sei. Nein, die Erklärung seiner Ambivalenz ist eine andere. Er hat Talent. Beigetragen hat sicherlich auch, dass er in einem musikalischen Haus aufgewachsen ist. Die Urgrosseltern waren Opernsänger. Es gibt zwar einen missglückten Versuch im Kinderschulchor, sonst ist er aber in seiner Kindheit von irischer Musik und Instrumenten umgeben. Die musikalische Karriere

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musste einfach klappen, denn einen Plan B gab es nicht. Gavin James erzählt, dass er in einem Shoppingcenter gearbeitet habe und es abgrundtief hasste. Er wolle solange Musik machen bis er nicht mehr kann. Sie sei sein Psychiater, eine Möglichkeit alles zu verarbeiten. “Bitter Pill“ drückt auf die Tränendrüse, aber es hat auch einige muntere Songs. Die Musik ist schlicht im Hintergrund gehalten. Im Vordergrund steht immer die gefühlsbetonte Stimme von Gavin James. Beeindruckend sind die Falsetteinlagen in “Nervous“. Klavier und Gesang sind das tragende Gerüst im wunderschönen Lied “For You“. Unterstreicht werden die Lieder ab und zu auch durch Chöre oder Gitarren. Das Letztere kommt in “Remember Me“ bestens zum Ausdruck, da es ein wenig irisch und volkstümlich angehaucht ist. “Hole In My Heart“ ist auch ein gutes Exempel für Leichtigkeit und den volkstümlichen Hauch. Der Song “Bitter Pill“ im Gegensatz dazu ist so schwer wie ein Totenmarsch. Das neue Album ist nichts zum nebenbei hören, auch wenn es puristisch ist. Der Hörer muss sich auf jeden Fall darauf einlassen. Hat man sich jedoch einmal mit der Welt von


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