Tirol
NR. 30 | 28. Juli 2016
BauernZeitung
Hochwasserschutz
Seite 14
Wird ein Haus oder eine Straße gebaut, ist das Versickern von Wasser nicht mehr möglich.
Almgeschichten
Seite 15
Irene Prugger hat die Gampe Thaya der Familie Prantl in Sölden besucht.
Agrarmarketing Tirol
Seite 17
Der „Peternhof“ in Kössen setzt auf 100 Prozent „Kalbli“ aus Tirol.
Schiffstaufe am Achensee
Foto: tiwag
Vergangene Woche wurde das neue Fahrgastschiff am Achensee getauft. Im Anschluss hat die MS Achensee mit zahlreicher Prominenz an Bord die Jungfernfahrt aufgenommen.
Bauernbundobmann LHStv. Josef Geisler nimmt im Sommerinterview mit der Bauernzeitung Stellung zur Situation der Milchwirtschaft, plädiert für Eigeninitiative in den Regionen und will den Weg der Diversifizierung und Professionalisierung der Tiroler Landwirtschaft und Verarbeiter mit Landesunterstützung vorantreiben. Herr Bauernbundobmann LHStv. Tirol“ auch viel weiter. Das Ende der Josef Geisler, Der anhaltend niedrige Fahnenstange ist gerade im Tourismus Milchpreis ist für viele bäuerliche Be- noch nicht erreicht. Wenn wir den triebe existenzbedrohend. Was tut die Schulterschluss von Tourismus und Politik? Landwirtschaft flächendeckend leben Geisler: Zinsfreistellung des Lan- wollen, braucht es auch die Eigenverdeskulturfonds für Milchviehbetriebe antwortung der handelnden Personen für das Jahr 2016, Ratenstundung und in den Regionen. Der Ruf nach der Laufzeitverlängerung von AIK-Kredi- Politik ist hier zu wenig, wenngleich ten, Befreiung von Sozialversicherungs- das Land Vorhaben tatkräftig unterbeiträgen im vierten Quartal und nun stützt. Initiativen werden vor allem auch EU-Gelder für dann erfolgreich einen freiwilligen Liesein, wenn sie vor ferverzicht: Die Summe Ort entstehen. Dabei aller Sofortmaßnahsollten wir seitens men zur Überbrückung der Landwirtschaft der Krise kann sich bestehende Struktusehen lassen. Aber die ren wie die RegioPolitik kann Marktmenalmanagements chanismen nicht aus- bauernbundobmann lhstv. josef geisler stärker nutzen. schalten. So realistisch Wo sehen Sie die müssen wir selbst und auch die Bäue- mittel- und langfristigen Perspektiven rinnen und Bauern sein. Wir haben für die Tiroler Landwirtschaft? Marktwirtschaft, keine Planwirtschaft. Geisler: Von den 269 Millionen KiEs gibt auch Kritik an den geplanten logramm angelieferter Milch waren im Zahlungen für nicht gelieferte Milch. Jahr 2015 57 Prozent Standard- und 43 Wie stehen Sie dazu? Prozent Spezialmilch. Die Hälfte der Geisler: Die Milchmenge über einen Tiroler Milchbetriebe produziert bereits freiwilligen Lieferverzicht zu drosseln, Spezialmilchsorten. Die Produzent/ ist der richtige Ansatz. Die in Aussicht -innen von Spezialmilchsorten haben gestellten Zahlungen von EU und Bund bessere Preise und schlagkräftige Verbieten einen Anreiz. In den nächsten arbeitungsbetriebe als Abnehmer. Mehr Wochen muss ausgearbeitet werden, als ein Fünftel der Tiroler Milch wird wie das in der Praxis ablaufen kann. in Kleinsennereien verarbeitet. Die Und eines sollten wir auch nicht ver- Sennereien investieren 2015/16 13 Milgessen: Die Tiroler Bauern sind an der lionen Euro. Das Land Tirol unterstützt Überproduktion in Europa nicht schuld. diese Zukunftsinvestitionen mit bis zu Die Vermarktung heimischer Lebens- 20 Prozent. Einen neuen Impuls für mittel in der Region ist seit langem ein den Absatz regionaler Produkte wird Schwerpunkt. Gibt es noch Potenzial? die Käseschneide- und VerpackungsGeisler: Seit Jahren trommeln wir anlage bringen. Regionalität nicht nur, sondern bringen Bedeutet das, die Milchproduktion mit dem AMT-Erfolgsprojekt „Bewusst soll in großem Stil umgestellt werden?
„Tirols Bauern sind an der Überproduktion in Europa nicht schuld.“
Geisler: Jeder Betrieb muss sich überlegen, mit welchem unternehmerischen Konzept er in die Zukunft geht. Patentrezepte gibt es keine. Eine Änderung der Wirtschaftsweise ist ja auch mit Investitionen verbunden. Basis muss jedenfalls ein realistisches und belastbares Betriebskonzept sein. Dabei muss man sich auch selbstkritisch fragen: Passen Viehbestand und Eigenflächenausstattung zusammen? Gibt es günstigere Lösungen beim Stallbau? Lässt sich bei der Mechanisierung noch etwas einsparen? Ist die Fleischproduktion, die Schaf- oder Ziegenhaltung möglicherweise eine Alternative? Derzeit importieren wir ja Schaf- und Ziegenmilch aus anderen Bundesländern.
Erwerbskombination und Diversifizierung In den vergangenen Tagen wurde oft so getan, als hätten Agrarpolitik und Interessenvertretung in den letzten Jahren geschlafen. Das stimmt nicht! Seit Jahren stellen wir in der Strategie, in der Beratung und in der Förderung die Weichen in Richtung Erwerbskombinationen sowie Diversifizierung und Professionalisierung der Landwirtschaft. Viele Bäuerinnen und Bauern sind in Spezialsegmenten tätig. Die Mehrzahl der bäuerlichen Familien in Tirol hat bereits mehrere Standbeine. Diesen Weg werden wir konsequent weitergehen. Klar ist aber auch: Auf den Almen wächst kein Salat. Wir brauchen eine gewisse Anzahl von Tieren, um die flächendeckende Bewirtschaftung und die Bestoßung der Almen aufrechterhalten zu können. Damit sind wir beim nächsten Thema, den Almen. Geisler: Für die Strafzahlungen bei den Almfutterflächen haben wir mit Hilfe von Bundesminister Andrä Rupprechter eine tragbare Lösung gefunden. Besonders ärgerlich ist, dass nach einer Vor-Ort-Kontrolle der AMA getroffene Flächenfeststellungen im
Foto: die fotografen
Der Viehbesatz ist wichtig für die flächendeckende Bewirtschaftung
Bauernbundobmann LHStv. Josef Geisler ist engagierter Viehzüchter.
Folgejahr wieder infrage gestellt wurden. Da haben wir vergangene Woche in Wien vereinbart: Es gilt die Flächenfeststellung nach der Vor-Ort-Kontrolle. Für die Mehrfachanträge 2017 ist vereinbart, dass die aktualisierten Referenzflächen rechtzeitig vor der Antragstellung feststehen sollen. Weite Teile Tirols waren in den letzten Wochen von schweren Unwettern betroffen. Welche Hilfe gibt es für die Betroffenen? Geisler: Trotz der zahlreichen Ereignisse ist kein Mensch zu Schaden gekommen. Die materiellen Schäden sind beträchtlich, aber bewältigbar. Für die notwendige Wiederherstellung von Schutzbauten werden Land und Bund die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen. Mein Dank gilt allen Einsatzkräften, vor allem den Feuerwehren, die im Dauereinsatz waren und hervorragende Arbeit geleistet haben. Über 300 Feuerwehreinsätze gab es allein am 10. und 11. Juli. Die steigende Zahl der Extremereignisse ist auch Auftrag, beim Hochwasserschutz für das Unterinntal weiterzumachen. Die Gefahr ist da. Die Planungen für die Schutzmaßnahmen werden zunehmend konkreter und wir können Schritt für Schritt die Grundeigentümer informieren.