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Tirol

NR. 21 | 24. MAI 2018

BauernZeitung Seite 10

Der Wolfsexperte Franz Lanschützer referierte in Zams über das Thema „Wolf“.

Eckpunkte im Umgang mit dem Wolf in Tirol Der Bauernbund und die Tiroler Landwirtschaftskammer haben folgenden Maßnahmenplan beschlossen: 1. Die Sicherheit der Menschen in den ländlichen Räumen Tirols sowohl bei Arbeiten als auch bei Freizeitaktivitäten im Freien muss gewährleistet bleiben. 2. Dem umfassenden Schutz und Erhalt der bäuerlichen Weide-, Alm-, Freiland- und Offenstallhaltung mit ihren umfassenden Leistungen für Kulturlandschaft, Artenvielfalt und Tierwohl ist im Verhältnis zum Wolf der Vorrang einzuräumen. Die für Tirols Naturgefahrenmanagement, Freizeitnutzung und Viehwirtschaft essenziellen Tiroler Almen können nur mit Almtieren, die Gräser und Kräuter fressen, erhalten werden. Sollten Almtiere getötet werden, sind geeignete Maßnahmen zu setzen. 3. Es bedarf auf Expertenebene einer umfassenden Folgenabschätzung zur Eignung Tirols als Lebensraum für den Wolf und zu den Auswirkungen durch dessen Auftreten auf die vielfältig strukturierte Land- und Forstwirtschaft sowie auf die vom bisherigen bäuerlichen Wirtschaften geprägte Kulturlandschaft und auf deren Artenvielfalt. Ebenso sind die Auswirkungen auf Tourismus, Freizeitnutzung und Erholungsraum, insbesondere auch im Hinblick auf die Auswirkungen von Herdenschutzmaßnahmen, auf besagte Bereiche (durch scharfe Hunde, Abzäunungen von Wandergebieten,...) zu prüfen. Ebenso sind die Auswirkungen auf die Jagd, den Wert des Grundeigentums (einschließlich des Jagdrechts als Eigentumsrecht), auf das Wildverhalten und das möglicherweise damit verbundene Entstehen neuer Wildschadensschwerpunkte zu analysieren. 4. Zudem bedarf es einer Experteneinschätzung zur Frage, in welchen Gebieten Präventionsmaßnahmen durch Zäune und/oder Herdenschutzhunde gegen den Wolf überhaupt möglich sind (zu prüfende Aspekte sind beispielsweise: technische Machbarkeit, Fels, Hochgebirge, weitläufige Almgebiete, intensive touristische Nutzung, zumutbare Kosten). 5. Wo Prävention nicht möglich ist, muss künftig die

Entnahme, also in der Regel der Abschuss des Wolfes, trotz Artenschutz erlaubt und möglich sein. Ebenso soll dies bei verhaltensauffälligen Wölfen oder Tieren, die beispielsweise eine bestehende „Herden- und Weideschutzzone“ überwinden, möglich sein. 6. Mögliche Schäden durch Wölfe sollen vollumfänglich (d. h. zum festgestellten Schätzwert des gerissenen Tieres) von der öffentlichen Hand ausgeglichen werden. Dies gilt auch für alle Nutztiere, die im Zusammenhang mit Wolfsangriffen getötet, verletzt oder durch deren Folgen verenden oder geschlachtet werden müssen. 7. Parallel dazu bedarf es einer vollständigen Kostenübernahme für sämtliche wirtschaftliche Nachteile, die der Land- und Forstwirtschaft durch den Wolf entstehen, sei es aufgrund von Schäden und Aufwendungen, aber auch durch Präventionsmaßnahmen. Dazu sollen sowohl Gelder der öffentlichen Hand als auch Spenden, die von NGO‘s zum Zwecke des Schutzes und Erhaltes des Wolfes gesammelt werden, Verwendung finden. 8. Es bedarf eine Umkehr der Beweispflicht im Falle von vermuteten Wolfsrissen oder Wolfseinflüssen weg vom Tierhalter hin zu den zuständigen Behörden. 9. Nachdem sich die Wölfe innerhalb Europas längst miteinander vermischt haben, muss auch der sogenannte Populationsbegriff weiter gefasst werden. In Europa gibt es über 20.000 Wölfe. Damit ist der sogenannte „gute Erhaltungszustand“ längst erreicht, der Wolf vom Aussterben nicht bedroht und der Schutzstatus des Wolfes zu senken. 10. Vorliegender Maßnahmenplan soll zu einem Schulterschluss der bäuerlichen Organisationen, Sektionen und Einrichtungen in Tirol mit den österreichischen Bundesländern, aber auch mit unseren Nachbarn Bayern und Südtirol, Schweiz und Slowenien zur Erstellung eines praxistauglichen, nationalen Wolfmanagementplanes führen. Der Tourismus sowie die Vertreter der Tiroler Jäger sollen als Mitstreiter gegen die Bedrohung durch die Wiederansiedlung des Wolfes gewonnen werden.

Videos für Almsicherheit

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Verhaltensregeln im Umgang mit Weidevieh sollen Kurzvideos der LK Tirol vermitteln.

Workshop

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LHStv. Josef Geisler plädiert für einen sparsamen Umgang mit dem Boden.

Schulterschluss: Almen und Weidetiere schützen Die Unterstützung von zahlreichen bäuerlichen Organisationen und Einrichtungen in Tirol erlebt der Maßnahmenplan „Aktionsplan Wolf“ des Bauernbundes und der Landwirtschaftskammer Tirol.

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ie Wolfrisse im benachbarten Südtirol, Bayern und Salzburg nehmen rapide zu. Nun präsentierten LK-Präsident Ing. Josef Hechenberger und Bauernbundobmann LHStv. ÖR Josef Geisler gemeinsam mit Nationalrat Hermann Gahr einen umfangreichen Maßnahmenplan für das weitere Vorgehen im Umgang mit dem Beutegreifer Wolf. „Vorweg ist es mir besonders wichtig festzuhalten, dass sich gerade die Tiroler Bauern, Bäuerinnen und Jungbauern seit eh und je für den Erhalt der Arten interessieren. Jedoch ist der Schutz von Menschen und Weidetieren ein genauso hohes, wenn nicht deutlich höheres Schutzgut“, so Bauernbundobmann Josef Geisler. „Deswegen lautet unsere Forderung ganz klar, dass dort, wo durch Wölfe Schäden entstehen, diese nach dem Marktwert zu ersetzen sind. Dort, wo keine entsprechenden Schutzmaßnahmen getroffen werden können, halten wir es für notwe n d i g u n d möglich, die Entnahme von großen Beutegreifern zu fordern“, findet Geisler klare Worte.

FOTO:ARCHIV BAUERNZEITUNG

Der Wolf in Zams

Im Jahr 2017 riss der Wolf Nutztiere in Südtirol. Heuer wurde Salzburg Opfer des Raubtieres.

2.000 bewirtschafteten Almen das Almenland Nummer Eins und jenes Bundesland mit der höchsten Alpungsquote Österreichs.“ Die Bäuerinnen und Bauern halten damit über 380.000 Hektar an AlmKatasterflächen und 135.000 Hektar an Alm-Futterflächen offen. Es verbringen rund 68.000 Schafe, 5.900 Ziegen, 3.100 Pferde und 108.000 Rinder ihren Sommer auf Tiroler Almen. „Eine fläNR HERMANN GAHR chendeckende Alm- und Berglandwirtschaft ist keine Liebhaberei, sondern ein ganz wesentlicher Aspekt für regionale Wirtschaftskreisläufe in ganz Tirol. Immerhin haben wir in unserem Land rund 45 Millionen Nächtigungen. Und der Hauptgrund, weswegen so viele Menschen unser Land besuchen, ist nun einmal die gepflegte Kulturlandschaft und dass Tirol ein sehr sicheres Land ist − und das soll es auch bleiben“, meint Hechenberger, der im Positionspapier nicht nur einen Schulterschluss der bäuerlichen Einrichtungen untereinander, sondern auch mit Tourismus, Jagd und mit benachbarten Ländern fordert.

„Es darf nicht passieren, dass Bauern ihre Stalltüren wegen dem Wolf für immer zusperren.“

Weitreichende Verbreitung in Europa Der Wolf kann sich derzeit aufgrund seines umfassenden Schutzes ungehindert in Mitteleuropa verbreiten. Mit Reproduktionsraten von jährlich bis zu 30 Prozent und ohne natürliche Feinde schreitet die Ausbreitung in unseren Nachbarländern wie Deutschland, Schweiz, Slowenien, Frankreich und Südtirol rasant voran (alle drei Jahre kommt es zu einer Verdoppelung des Bestandes). Mit dieser Ausbreitung verbunden sind massive Schäden in der Landwirtschaft, verursacht durch Wolfsrisse. Auch in österreichischen Bundesländern kam es in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder zu Wolfsrissen. In Europa leben mittlerweile schätzungsweise 20.000 bis 30.000 Wölfe (in den USA ohne Alaska lediglich 6.000).

Tourismuszweig Almwirtschaft „In unserem Land nimmt die Almwirtschaft einen ganz besonderen Stellenwert ein“, weiß LK-Präsident Josef Hechenberger. „Tirol ist mit über

Bauernsterben durch Angst vor Raubtier Wolf „Der Wolf kennt keine Landesgrenzen. Bereits in der Alm- und Weidesaison 2017 kam es in Südtirol zu mehreren Wolfsrissen mit dem Resultat, dass sich in diesem Sommer bereits einige Bauern gegen eine Alpung und die damit einhergehende Gefahr entschieden haben“, schildert NR Hermann Gahr, der auch Südtirolsprecher im Parlament ist und schon seit langem um eine bundesweite Lösung in der Wolf-Thematik kämpft. „Es darf uns nicht passieren, dass die ersten Almen in unserem Land schon bald

nicht mehr bewirtschaftet werden und Bauern ihre Stalltüren wegen dem Raubtier Wolf für immer zusperren“, betont Gahr die Wichtigkeit des Positionspapieres. „Auch in Bayern und der Schweiz gibt es mehrere Regionen mit Wolfsvorkommen, wo gehäuft über Risse von Wild (unter anderem Rot- und Rehwild) und landwirtschaftlichen Weide- und Gehegetieren berichtet wird. Im benachbarten Bundesland Salzburg wurden in den letzten drei Wochen mehrere Schafe und Ziegen vom Wolf gerissen und es ist kein Geheimnis, dass sich die Bevölkerung in der Nähe des Truppenübungsplatzes Allentsteig mit dem Wolf konfrontiert sieht“, berichtet Gahr, der in der Wolf-Problematik österreichweit gut vernetzt und informiert ist. „Dazu muss man wissen, dass ein Wolf Tagesstrecken von 50 Kilometer und mehr zurücklegen kann. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis wiederum ein Wolf nach Tirol einwandert. Darüber hinaus besteht aber auch bei besonders tiergerechten Stallungen für Rinder, Schafe und Ziegen im Sinne von Offenställen erhebliche Gefahr für Wolfsübergriffe, gerade für Jungtiere“, so Hechenberger abschließend.

Unterstützung von allen Seiten Zahlreiche bäuerliche Organisationen und Einrichtungen unterstützen den Maßnahmenplan. Neben dem Tiroler Bauernbund, Forum Land, der Jungbauernschaft/Landjugend und der Landwirtschaftskammer Tirol sehen sich auch der Tiroler Almwirtschaftsverein, die Rinderzucht Tirol eGen, die Pferdezuchtverbände Tirol, der Tiroler Schafzuchtverband, der Tiroler Ziegenzuchtverband sowie die Tiroler Bäuerinnenorganisation vom Wolf betroffen und wollen mit der Unterstützung des Maßnahmenplans etwas zum Schutz vor dem Raubtier beitragen.


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