Saison 03/10

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servus Christl Christl Horn hat 30 Jahre die Kitzbüheler Gästezeitung „Servus“ herausgegeben. Vor Kurzem verkaufte sie das Magazin an den Kitzbühler Anzeiger. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. DA S INTERVIEW FÜHRTE NINA HEIZER .

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AISON: Vor 30 Jahren gründeten Sie gemeinsam mit Ihrem Mann Michael das „Servus“. Warum? CHRisTL HoRn: „servus“ wurde während unseres Urlaubs auf Jamaika im april 1980 geboren. Damals gab es noch kein internet oder große globale Fernsehstationen. Damit wir auf der insel etwas vom Weltgeschehen mitbekamen, wurden nachrichten auf Din-a4-Zettel gedruckt und verteilt. auf unserer nächsten station in new york kamen wir das erste Mal mit einer Gästezeitung in Kontakt, da war uns klar, dass das auch etwas für Kitzbühel wäre. Und so gründeten wir die erste Gästezeitung in ganz Tirol. Wie wurde die Idee in Kitzbühel aufgenommen? sehr gut. 55 Prozent unserer anzeigenkunden vom anfang waren bis zum schluss treue Kunden. Das „servus“ wird in alle Welt verschickt. eltern senden es an ihre Kinder im ausland. Manche Hoteliers verwenden es als Weihnachtskarte für ihre stammkunden. Die Zeitung erscheint fünfmal im Jahr, dreimal im Winter und zweimal im sommer. Wir haben eine auflage zwischen 10.000 und 15.000 stück, je nach saison. Worauf haben Sie Wert gelegt, was war Ihnen wichtig? ich wollte nie Politik in die Zeitung bringen. obwohl mein Mann extrem-ÖVPler ist (lacht). ich habe immer darauf geachtet, dass wir keine streitereien abdrucken. Das will der Gast nicht, Probleme hat er daheim. Das interessiert ihn im Urlaub nicht. er soll nach der Lektüre des Buches wissen, wo er hinwill, was er sich anschauen möchte. Wo er Tiroler Küche findet und wo es sushi gibt. Wobei die Besucher die Tiroler Küche schon bevorzugen. Der Trend geht wieder zurück zur natur. aber in „servus“ findet er auch, wo er sein Glas Milch und ein BauernButterbrot bekommt. Warum jetzt der Abschied? 30 Jahre sind genug. es war eine tolle und schöne Zeit,

aber alles ist schnelllebiger geworden und wir älter. Wenn wir ein Foto von der in-Disco „Take Five“ machen wollten, müssten wir uns zuerst schlafen legen und uns einen Wecker für mitten in der nacht stellen. ich freue mich auf einen wohlverdienten Ruhestand. Und das „servus“ ist beim Kitzbüheler anzeiger in sehr guten Händen. Mein Großvater war ja ein Gründer der Zeitung. Uns war schon vor 20 Jahren klar, dass das ein Weg für unser „servus“ sein kann. Die Verhandlungen haben zwar eine Zeitlang gedauert, aber wir sind mit dem ergebnis sehr zufrieden. Und unsere inserenten auch. Was hat sich im Tourismus in den letzten 30 Jahren verändert? Der Gast selber hat

Was raten Sie dem Tiroler Tourismus? Wohin soll die Reise gehen? Wir sollten uns wieder mehr auf die Bodenständigkeit und das Tirolerische konzentrieren. Wir müssen acht geben, dass unsere Kultur nicht verloren geht. nicht „Tschüss“, sondern „Grüß Gott“ und „auf Wiedersehen“. Bei uns ist alles lockerer als zum Beispiel in nord-Deutschland. Unter anderem deswegen macht der Gast ja Urlaub bei uns. sonst könnte er daheim in Balkonien bleiben. Der Gast will die einheimischen sehen und unsere Bräuche kennen lernen. Wir müssen ihn vermehrt einbeziehen und am Leben teilhaben lassen. Und auf Freundlichkeit müssen wir setzen. außerdem sollte jeder Mitarbeiter oder angestellte das „servus“ seines ortes lesen,

„Wir sollten uns wieder mehr auf die Bodenständigkeit und das Tirolerische konzentrieren. Wir müssen Acht geben, dass unsere Kultur nicht verloren geht. Nicht ‚Tschüss‘, sondern ‚Grüß Gott‘ und ‚Auf Wiedersehen‘.“ sich verändert. er beschäftigt sich nicht mehr von alleine, sondern erwartet eine Rund-um-animation. er weiß nicht mehr wirklich, was er mit sich selbst anfangen soll. Daher sind die Club-Urlaube auch so beliebt geworden, da steht ständig ein animationsprogramm bereit. Der individuelle Gast ist auch anspruchsvoller geworden. Mit einem Frühstück aus semmel und Marmelade geht nichts mehr. er muss wesentlich mehr arbeiten, damit er sich den Urlaub leisten kann. Dann will er auch alle Viere von sich strecken können und Unterhaltungsmöglichkeiten serviert bekommen. Wenige unternehmen aus eigeninitiative eine Wanderung.

damit er auskünfte geben kann und weiß, was in seinem Umfeld los ist. Was machen Sie nun mit so viel Freizeit? ach, es gibt noch viel zum aufarbeiten. Bis alles abgeschlossen ist, die letzten Kunden gezahlt haben, wir die steuer erledigt haben. Und als fünffache Großmutter finde ich sicher immer etwas zu tun. es war eine wunderbare Zeit mit „servus“. ich war für alle die Christl. Gäste sprachen mich auf der straße an und begrüßten mich, weil sie mich als Herausgeberin wiedererkannten. aber jetzt war Zeit zu gehen. Vielen Dank für das Gespräch.

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