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EDITORIAL

LIEBE LESERINNEN UND LESER,

seien wir ehrlich: So schön es auch ist, im Winter Atemwölkchen in die Luft zu pusten, die Eiskristalle im Morgenlicht glitzern zu sehen und auf den Skiern Spuren in den unberührten Schnee zu ziehen – irgendwann wollen, nein müssen wir alle wieder rein. Nur drinnen hören wir das Knacken des Kaminfeuers, spüren wir die Wärme auf unserer Haut. Noch mehr aber spüren wir hier die Wärme anderer Menschen. Die Herzlichkeit, die Geselligkeit. Ohne Miteinander hätte früher, als es noch keine Zentralheizung, kein Fernsehen und noch nicht mal Internet gab, niemand in den Bergen die langen Winter überstanden. Vielleicht liegt es daran, dass dem Begriff Gastfreundschaft für viele Tiroler bis heute ein eigener Wert innewohnt. Für den Schwerpunkt dieser Ausgabe haben wir uns deshalb nach Herzenslust eingeigelt: Zwei Familien verbrachten ein langes Wochenende in einer Selbstversorgerhütte, wir sammelten Tiroler Kartenspiele, stellten Kuchenrezepte zusammen und interviewten Stubenmusiker. Damit man bei so viel geballter Innerlichkeit jedoch die Perspektive aufs große Ganze nicht verliert, gibt es vorweg Blicke aus einem Heißluftballon auf das winterliche Land – und eine herausfordernde Geschichte über den ersten Versuch unseres Autors, einen Wasserfall hinaufzuklettern. Viel Vergnügen mit diesem Heft – und eine gute Zeit in Tirol, drinnen und draußen! Ihre meinTirol-Redaktion

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INHALT

INHALT

S. 24  – S. 69

S. 26 In der Küche der Selbstversorgerhütte – mit Aussicht auf die Kitzbüheler Alpen.

S. 70 Herkömmlicher Wintersport war unserem Autor zu wenig. Er wagte sich ans Eisklettern.

S. 6

DRINNEN

Ein Blick aus dem Ballon – und plötzlich wirkt alles ganz übersichtlich

S. 26

IN ANDEREN SPHÄREN

S. 18

S. 78 Kaminkehrer sind bis heute Fabelwesen und Glücksbringer.

TIROLER SCHULE Nicht nur das Panorama vor dem Hörsaal lockt Studierende an die Unis und Fachschulen in Tirol S. 20

BRETTER, DIE DIE WELT BEDEUTEN Das Start-up SpurArt feiert das Comeback der Holzski und trifft damit einen Nerv

DIE EIGENEN VIER HOLZWÄNDE Vier Tage in der Selbstversorger­ hütte. Geht das noch als Urlaub durch?

S. 52

ALTE NEUE MUSIK Beim Musizieren kommen die Leut’ zam. Da ist es egal, ob man sich kennt oder nicht

S. 38

FREIES SPIEL Neun Tiroler Spiele, die nicht nur Einheimische so richtig ins Schwitzen bringen

S. 70

ICE, ICE BABY Eisklettern ist nichts für Angsthasen und Stadtmenschen. Oder doch? S. 78

SCHWARZ UND WEISS S. 6 Aus luftiger Höhe schaut die Welt gleich ganz anders aus. Aber gefällt uns das, was wir sehen?

S. 58

BACKE, BACKE KUCHEN

In den Bergen machen sich Rauchfangkehrer noch tagtäglich Hände und Gesicht schmutzig S. 86

S. 44

DIE ZEIT DER AUSREDEN

ECHTE GASTFREUNDSCHAFT

Eine Kolumne über tückische Wintermonate, die mit Verlockungen auf uns warten

Stammgäste erzählen, warum sie immer wieder zu ihren Lieblingswirten zurückkehren

Von Sacherschnitte bis Apfelstrudel. Feine Mehlspeisen nach Familienrezeptur

S. 89

5X5 TIROL Der Urlaub in der malerischen Bergwelt ist sowieso super. So wird’s aber unvergesslich S. 98

S. 52 D’Stommtischsänger wissen, warum Tiroler Volksmusik bis heute so beliebt ist. 4

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IMPRESSUM

MEIN IPAD

Die digitale Version von meinTirol kann man auch auf www.mein.tirol lesen. MEIN TIROL

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Aus dem Tal blickt man nach oben. Vom Gipfel aus in weite Fernen. Wenn man in einem Heißluftballon hoch über der Erde schwebt, verändert sich erneut der Blick auf die Welt: Bei einer Reise über das winterliche Tirol werden das System im Chaos und verborgene Zusammenhänge im Gebirge erkennbar – und man versteht, wie klein der Mensch ist. FOTOS

IN ANDEREN 6

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DOMINIK GIGLER

SPHÄREN MEIN TIROL

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WOLFGANG WESTERMEIER

Seit Anbeginn der Zeit träumt der Mensch vom Fliegen. Heute aber sind Drohnen und Google Earth Teil des Alltags. Verstehen wir wirklich, was wir von dort oben sehen, wenn wir nicht da sind?

er Mensch hat sich noch nie mit der Zweibeinerper­ spektive begnügt. Seit jeher bastelt er an allerlei Geräten, die ihm helfen, seine körperlichen Grenzen zu überwinden: Kutsche, Segelboot, Auto, Drohnentaxi – die Zivilisationsgeschichte lässt sich anhand der Hilfsmittel erzählen, mit denen wir Ziele schneller erreichen oder einen neuen Blick auf die Welt bekommen wollen. Der Inbegriff dieses Höher, Schneller, Weiter ist der Traum vom Fliegen. In der griechischen Mythologie schwangen sich Dädalus und sein Sohn Ikarus mit Kunstflügeln auf – nur, um für ihren Übermut bestraft zu werden. Die Götter wollten sich ihr Privileg, die Draufsicht, nicht streitig machen lassen. In Tirol ist einem der Blick von oben dennoch recht vertraut. Doch vom Gipfel schaut man eher in die Ferne statt „auf“ die Welt. Gut, es gibt die Wildspitzbahn im Pitztal, die einen auf 3.440 Meter Höhe bringt. Und riesige Steilwände. Aber wer wagt sich so nah an den Abgrund? Die Tragödie des Ikarus hat uns jedenfalls nicht davon abgehalten, es weiter zu probieren: Es ist kein Zufall, dass der erste Flug der Montgolfière – des ersten Heißluftballons – mit der Aufklärung und der Französischen Revolution einherging. Und Luftfahrt-

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INFO Wer in den Weidenkorb eines Heißluftballons steigt, muss erstaunlich viel dem Zufall überlassen. Wo es hingeht etwa. Das ist nämlich abhängig von der Windrichtung in der jeweiligen Luftschicht. Wenigs­ tens den Startplatz kann man sich aussuchen – in ­Tirol gibt es zahlreiche Anbieter, eine Ballonfahrt kann man fast überall starten. Erstaunlich: Die Fahr­ ten im Winter sind genauso beliebt wie im Sommer.

Auffi geht’s! Unser Autor nimmt Sie mit auf eine Ballonfahrt in Tirol – und lernt etwas über die Welt der Berge: www.mein.tirol

pioniere und später Astronauten als Superhelden gefeiert wurden. Frei nach „Startrek“: „Sie gehen dahin, wo der Mensch nichts verloren hat.“ Heute ist der Blick von oben für viele alltäglich: Fliegen ist sicherer als Autofahren. Drohnen sind ein normales Werkzeug. Und wer sich fragt, wie sein Haus von oben aussieht, startet Google Earth auf dem Smartphone. Im Alltag geht jedes Wunder unter. Die letzten Entdecker sind Ballonfahrer und Gleitschirmflieger, die sich von freundlicher Thermik tragen lassen. Die erlebte Draufsicht verändert alles: Der Wind pfeift, und doch ist es still. Das Chaos der Welt ebbt ab – und es entsteht ein Bild der Klarheit. Die Spuren der einzelnen Skifahrer am Hang werden zu einem Gesamtkunstwerk. Plötzlich erkennt man, dass alle Höfe nach einem ähnlichen Muster gebaut sind. Versteht endlich die Vegetationszonen und die Bergkämme, für die man im Tal, wenn man sich nur nach dem Navi richtet, keinen Sinn hat. „Overview Effect“ nennt man die bewusstseinsverändernde Wirkung des Höhenflugs. „Ich fühlte mich nicht wie ein Riese“, sagte Neil Armstrong. „Ich fühlte mich sehr klein.“ Gerade weil wir heute so viele Satelliten- und Drohnenfotos zu sehen bekommen, lohnt es sich herauszufinden, wie es wirklich ist, da oben. MEIN TIROL

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TIROLER SCHULE

1 – FACHSCHULE FÜR KUNSTHANDWERK UND DESIGN

Entwerfen, schaffen, vollenden: Die „Schnitzschule“ bei Reutte bietet praktische Bildung im Kunsthandwerk. Die Ausbildungszweige „Bildhauerei“ und „Malen, Vergolden & Schriftdesign“ untergliedern sich in Berufsbilder wie Ornamentschnitzer oder Farbdesigner. Schüler können begleitend ihre Matura (Abitur) nachholen und danach studieren.

9 FH KUFSTEIN

2019 feiert die Leopold-Franzens-Universität Innsbruck ihr 350-jähriges Bestehen. Mit 27.000 Studenten, 4.800 Mitarbeitern und Fächern von Altorientalistik bis Zoologie ist sie eine der wichtigsten Bildungseinrichtungen im Land – aber nicht die einzige. In Tirol kann man viel lernen. ILLUSTRATION

9 – FH KUFSTEIN

PATRICK BONATO

1 REUTTE

den Hotel- und Gastrobereich ermöglicht. Und dafür sorgen will, dass sich Absolventen mit einem eigenen Betrieb selbstständig machen.

5 HALL

7 KRAMSACH

8 ST. JOHANN

Die Fachhochschule widmet sich technischen Berufen wie dem des Wirtschaftsingenieurs. Daneben gibt es mehrere vergleichsweise neue Studiengänge. In „Smart Products & Solutions“ geht es etwa um die Frage, wie neue Geschäftsmodelle in einer digitalisierten Welt erschlossen werden können. „Data Science & Intelligent Analysis“ beschäftigt sich mit Datenerfassung und -verarbeitung. 10 – CAMPUS TECHNIK LIENZ

4 INNSBRUCK 6 ROTHOLZ

2 STAMS

klein und erhebt Gebühren zwischen 363 und 3.600 Euro (je nach Studium und Lehrgang). Das Land Tirol hält 90 Prozent an der UMIT.

2 –KIRCHLICHE PÄDAGOGISCHE HOCHSCHULE EDITH STEIN

Wo Lehrer lernen: Die Hochschule bietet Aus-, Fort- und Weiterbildung für Pädagogen an. Träger ist die katholische Kirche. Am Standort Stams befindet sich etwa das „Institut für LehrerInnenausbildung“ mit seinem „Bachelorstudium für das Lehramt Primarstufe (Volksschule)“. 3 – UNIVERSITÄTSZENTRUM OBERGURGL

Viel höher kommt man als Akademiker nicht hinaus: Die Außenstelle Obergurgl der Uni Innsbruck liegt auf 1.940 Meter über null. Ein guter Ausgangspunkt, um den Naturpark Ötztal zu erforschen, 18

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Der Standort in Osttirol besteht in seiner heutigen Form erst seit 2016. LeopoldFranzens-Universität, UMIT sowie Fach- und Berufsschulen haben hier ein gemeinsames Bildungsangebot geschaffen. Aushängeschild ist der Bachelorstudiengang Mechatronik – und die moderne Architektur des Unigebäudes. Die auffällige Fassade aus Lärchenholz und Glas verläuft entlang der Iselpromenade.

der besonders für Glaziologen, Naturkundler und Archäologen interessant ist. 4 – MEDIZINISCHE UNIVERSITÄT INNSBRUCK

2004 wurde die medizinische Fakultät aus der LeopoldFranzens-Universität ausgegliedert und ist seitdem eine eigenständige Hochschule. Die Medizinische Universität ist unter anderem für ihre Transplantationsforschung und -medizin bekannt und hat aktuell etwa 3.000 Studenten und 2.000 Mitarbeiter.

3 OBERGURGL

5 – UMIT

Die Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik wurde 2001 gegründet und hat sich auf neue Herausforderungen im Gesundheitswesen wie Mechatronik und Gerontologie spezialisiert. Als Privatuni ist die UMIT mit rund 1.800 Studierenden recht

6 – HBLFA ROTHOLZ

Ein Ort für Spezialisten: Die Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft und Ernährung sowie Lebensmittel- und Biotechnologie Tirol ist Ausbildungsund Beratungsstätte zugleich. Als Kompetenzzentrum der österreichischen Milchviehwirtschaft bietet sie Kurse für Landwirte an. Außerdem werden hier die sogenannten Rotholzer Kulturen gezüchtet: Milchsäurebakterien, die bei der Herstellung von Käse verwendet werden.

10 LIENZ 7 – HTL KRAMSACH

In der Höheren Technischen Lehranstalt (HTL) dreht sich alles um Glas, Keramik und Chemie. In den Werkstätten lernen Schüler die Kunst des Glasblasens oder des Metallbaus. Zudem werden hier Chemieingenieure ausgebildet. 8 – TOURISMUSSCHULEN AM WILDEN KAISER

St. Johann ist eine Tourismushochburg. Natürlich gibt es hier auch eine Tourismusschule, die den Berufseinstieg in MEIN TIROL

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WERKSTATTGESPRÄCH 4 SCHRITTE ZUM SKI Richtig stolz ist man auf seine Ski, wenn sie selbst gebaut sind. Mit dem Ski- und SnowboardbauWorkshop von SPURart sind die Bretter an einem Wochenende fertig: 1. Drei Wochen vorher Unterlagen ausfüllen – Gewicht, Größe und das geplante Einsatzgebiet eintragen. In Vorgesprä­ chen werden Shape und Design abgestimmt. 2. Das Team stellt die Materialien und Sonder­ wünsche zusammen. 3. Am ersten Workshop­ tag werden Skikanten in Form gebogen und Be­ läge geklebt. Dann wird laminiert, vakuumiert, über Nacht geht’s in den warmen Ofen. 4. Am zweiten Tag kommen der Feinschliff per Hand, die Versie­ gelung und der Ruf der Berge! Der Workshop kostet mit Material 850 Euro. Wichtig: recht­ zeitig anmelden unter www.spurart.at

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BRETTER, DIE DIE WELT BEDEUTEN INTERVIEW FOTOS

JAN KIRSTEN BIENER ROBERT PUPETER

In Hütten sieht man oft alte Holzski als Deko hängen. Das Innsbrucker Start-up SPURart baut maßgeschneiderte Ski mit Eschenkern und Holzfurnier. Wir sprachen mit dem Co-Gründer Peter Pfeifer über die Suche nach dem perfekten Ski. Es gibt Brillen mit Holzrahmen, Bambusrennräder – ihr baut seit 2010 Ski mit Edelholzfurnier. Was ist das Faszinierende an dem Material? Holz ist ein nachhaltiger Rohstoff, der sich schön bearbeiten lässt, dabei vielseitig ist und extrem stabil. Der Holzkern bei Ski und Snowboards ist so etwas wie das Fahrwerk eines Autos und beeinflusst die Performance enorm. Uns ging es zu Beginn weniger um den Holzlook, wir wollten einfach perfekte Ski bauen. Deshalb sahen die ersten Prototypen fürchterlich aus. Die Skioberfläche war dreckig oder komplett schwarz. Uns war das aber völlig wurscht, uns ging es nur um das Innenleben. Wie fanden das eure Kunden? Wir haben schnell gemerkt, dass Menschen, die sich einen maßgeschneiderten Ski leisten, auch auf das Design großen Wert legen. Während die Kunden unsere Empfehlung bezüglich Form und Holzkernaufbau meist rasch abnicken, diskutieren wir stundenlang über Farbgebung und Style. Sollte das Edelweiß-Icon nicht doch ein wenig größer sein? Oder einen Zentimeter weiter oben oder unten angebracht werden? Wie wird man eigentlich Skibauer? Seid ihr Tischler? Nein. Wir haben beide lange Jahre professionell als Skitester gearbeitet. So hab ich den Michi auch kennengelernt. Dort kam die Idee auf, einen Ski zu bauen, der Bestnoten verdient. Was macht einen guten Ski aus? Vor allem der Kern und die Konstruktion: Wie flexibel ist der Ski, wie schwingt er und wie dämpft er Stöße ab? Für den Holzkern verwenden wir Esche, die dank ihrer langen Fasern die besten Eigenschaften aufweist. Die Kerndicke ist ausschlaggebend für das Fahrverhalten eines Skis. Wir stimmen das individuell auf Gewicht und Bedürfnisse des Kunden ab. Gibt es Kunden, die beim Gewicht schummeln? Kommt immer wieder vor. Aber es bringt halt nix, oder? Deshalb beraten wir unsere Kunden intensiv, bevor wir den Ski bauen: Was kann er? Was will er? Und bestimmen so Kernbeschaffenheit und Skibreite. Ob ein Ski in der Mitte 11,1 oder 11,3 Zentimeter stark ist, macht einen riesigen Unterschied. Liegt darin der Unterschied zu einem „normalen“ Ski? Große Firmen produzieren 5.000 Paar von einem Modell. Wir

passen die Parameter individuell an – und können Form, Höhenkurve und Vorspannungen exakt modifizieren. Auch in der Herstellung wenden wir aufgrund der kleineren Stückzahlen ein präziseres Verfahren an. Die Ski werden bei uns nicht in einer hydraulischen Presse geformt. Wir laminieren die Ski auf Vorform. Dann kommt das Holzpaket in einen Vakuumschlauch, die Luft wird abgesaugt und die Ski bekommen über Nacht einen perfekten Zusammenhalt. Ist diese Manufaktur-Herstellung nur etwas für eine kleine Nische? Wir merken, dass wir einen Nerv treffen. Die Leute haben keine Lust mehr, nur von der Stange zu kaufen. Wir gehen wieder gerne zum Qualitätsmetzger und -bäcker um die

Z W E I H O L ZKÖ PF E Die SPURart-Gründer Michael Freymann (links) und Peter Pfeifer mit ihren Lieblingsdesigns.

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WERKSTATTGESPRÄCH

WERKSTATTGESPRÄCH

LINKS Peter Pfeifer in der Werkstatt UNTEN Die Oberfläche der Ski kann aus jeder Holzart bestehen – von Bambus bis Kirsche

Ecke. Lieber weniger Fleisch oder nur ein schönes Gwand statt einen ganzen Schrank voll Standardware. Von diesem Trend profitieren wir. Und auch das Haptische wird wichtiger. Die gute Qualität muss auch spürbar sein. Wie macht man das? Es geht um Nachhaltigkeit. Und das hat wirkliche Vorteile für das Produkt: Bei einem Ski aus der Massenproduktion werden Kanten und Belag meist am Fließband geschliffen. Wir machen das bei jedem Ski per Hand – weshalb die Kanten und der Belag dicker sind. Unsere Ski kann man häufiger schleifen und sie haben eine höhere Lebenserwartung. Wie lang sollte ein Ski halten? Ein Leben lang. Wirklich? Oder ist das nur ein guter Slogan? Holz kann man ausbessern. Wir behandeln das Holzfurnier auf der Oberfläche kaum. Früher hat man Lacke draufgeschmiert, das ergibt aber keinen Sinn. Die Skioberfläche muss man wie einen guten Boden pflegen. Nach dem Pressvorgang schleifen wir das Furnier ganz fein, lassen es dann wie einen Tisch oder Holzboden mit einem Hartwachsöl ein und polieren. So bekommst du eine gleichmäßige und widerstandsfähige Oberfläche – die sich aber anfühlt wie Holz. Kratzer kann man immer

" DAS HAPTISCHE WIRD IMMER WICHTIGER. DIE QUALITÄT MUSS SPÜRBAR SEIN "

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wieder rausschleifen. Bei Ski mit Kunststoffoberfläche geht das nicht. Da bleibt jeder Kratzer drin. Wer kommt zu euch? Unsere Kunden waren von Anfang an international, Argentinien, Japan, Australien, Deutschland. Die Tiroler haben zwei, drei Jahre gewartet. Wir sind halt skeptisch. Mittlerweile kommen aber auch viele Einheimische. Was war der außergewöhnlichste Wunsch? Ein Bigfoot-Nachbau in Palisanderoptik. Der längste Ski war 220 Zentimeter lang. Und ein Bayer wollte Ski in Laugenstangen- und Weißwurstsenf-Optik . Die Fisser Bergbahnen ließen sich für ihre Skishow bei SPURart spezielle Leuchtski anfertigen. Wie baut man bitte so was? Diese Ski entstanden in Kooperation mit der Firma Spielvolk, die auf Shows spezialisiert ist. Da arbeiten echte Tüftler und Elektrikfreaks.

Wir haben die Ski so gebaut, dass LED-Lichter in den Ski integriert werden konnten, die dann wiederum auf die Beats der Show abgestimmt waren. Auch die Uni Innsbruck hat bei euch Sonderanfertigungen für Forschungsprojekte in Auftrag gegeben. Durch unser Vakuum-Pressverfahren können wir sehr genaue Einzelanfertigungen herstellen. Die Uni hat für ein Projekt des ÖSV und DSV ein Häusl mit Mordscomputerausrüstung aufgestellt, in dem sie Ski in wenigen Zehntelsekunden bis auf 100 Stundenkilometer beschleunigt – und die Gleiteigenschaften von Schliffen, Belägen, Kanten und anderen Parametern für den Rennsport testet. Ihr bietet auch Workshops an, in denen Kunden ihre neuen Ski an einem Wochenende selber bauen können. Geht das nicht regelmäßig in die Hose? Die Workshops haben wir so gestaltet, dass man dafür keine besonderen handwerklichen Fähigkeiten braucht. Unser Grundgedanke war von Anfang an, auf das Selbermachen zu setzen. Viele Kunden, die von weiter weg anreisen, hängen nach dem Workshop gleich eine Woche Urlaub in Tirol dran, um den Ski sofort zu fahren. Kriegt ihr nie genug von Ski und Wintersport? Nein. Wir haben unser Wissen und unsere Technik immer weiter verfeinert. Jeder Auftrag ist ein Neuanfang: Es geht um den perfekten Ski für einen einzigartigen Skifahrer. Und man kann noch so viel verfeinern, für verschiedene Schneebedingungen, für unterschiedliche Einsatzgebiete, vom Tourenbereich bis zum Riesenslalom. Das wird uns noch ein Leben lang beschäftigen.

1 Fast fertig: Jetzt werden die Kanten noch einmal von Hand geschliffen. 2 Holzkerne aus Esche stehen am Anfang der Produktion. 3 Die Stahlkanten werden auf dem Belag fixiert. 4 Die Modelle für die wichtigsten Skitypen.

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It´s a match! Schmal, breit, tailliert, leicht? Welcher Ski zu wem passt, erfährt man auf www.mein.tirol

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SCHWERPUNKT

DRINNEN Cabin Life

Was erlebt man bei einem Winterurlaub in der Selbstversorgerhütte? S. 26

Gut Glück!

Mit diesen uralten Tiroler Spielen wird einem nie fad in der guten Stube S. 38

Zweite Heimat

Wirte und ihre Stamm­ gäste über eine ganz besondere Beziehung S. 44

Spielt uns ein Lied!

Warum Tiroler Volks­ musik noch nie so cool war wie heute S. 52

Backwahn in Tirol

Eine Rundreise durchs Schlemmerparadies S. 58

Eigentlich gibt es für den Winterurlaub in Tirol gar kein schlechtes Wetter. Wenn die Sonne scheint, genießt man auf der Piste, der Loipe oder der Schneeschuhwanderung die Natur. Und wenn es stürmt und schneit, dann bleibt man halt in der warmen Stube der Hütte oder des Ferienhauses, holt die Karten raus und genießt den warmen Ofen im Rücken. Für dieses Dossier haben es sich unsere Reporter zur Abwechslung mal gemütlich gemacht. Ein Autor fuhr mit Familie und Freunden auf eine Selbstversorgerhütte, um das Geheimnis der Hüttenromantik zu lüften. Wir haben in Archiven und Wirtshäusern recherchiert, um die besten Tiroler Gesellschaftsspiele zu entdecken, und sprachen mit alten und jungen Musikern, die die Volksmusik mal wieder neu erfinden. Am Ende hat es uns nicht gewundert, dass viele Besucher seit Jahrzehnten im gleichen Hotel oder Hof übernachten. Deshalb haben wir Wirte und Stammgäste gefragt, wie es ist, wenn Gäste zu Freunden, die Fremde zur Heimat wird.

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DRINNEN

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Die eigenen

Die Selbstversorgerhütte ist das Gegenteil des Allinclusive-Resorts: Schnee schöpfen, kochen, Holz hacken. Ein Freundeskreis verbringt ein Winterwochenende in einem abgelegenen Haus in den Bergen. Ist das noch Urlaub oder schon Arbeit?

vier Holzwände TEXT FOTOS

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GERO GÜNTHER PETER NEUSSER

ZURÜ CK ZU D EN WUR ZELN Die Freundinnen Christelle und Carla (r.) genießen die Ruhe auf der uralten Gfällhütte.

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RECHTS Kerzenschein und Sonnenuntergang: Blick auf die Kitzbüheler Alpen. UNTEN Spuren eines Jahrhundertwinters: Die Gfällhütte verschwindet unter den Schneemassen.

Vier milde, sonnige Tage sagt meine Wetter-App voraus. Tagsüber 15 Grad. Nur nachts soll es winterlich bleiben. Das lange Hüttenwochenende kann beginnen. Zwei befreundete Familien sind wir, Peter und seine Frau Carla mit Tochter Lea, meine Frau Christelle und unser Sohn Baptiste, plus Oskar, ein Kumpel der Kinder. Kinder? Eigentlich sind sie ja mit 18 und 20 schon Erwachsene, die längst ihre eigenen Wege gehen. Umso schöner, dass wir drei Tage zusammen verbringen wollen. Reden, lachen, schweigen. Auch Christelles Geburtstag wird nachgefeiert. Dafür haben wir uns einen Ort ausgesucht, der wenig Ablenkung bietet: eine Stube aus massivem Holz mit sehr viel Schnee rundherum. Unser Rückzugsort liegt auf dem Schwaigerberg bei Westendorf. Unten stehen einige Höfe, dann geht es durch 28

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HÜTTEN-FINDER Ein Häuschen mitten im Nirgendwo: Für Städter und Natur­ liebhaber Musik in den Ohren. Aber wie findet man das richtige? Eine große Auswahl mit vielen Tiroler Hütten für Romantikurlauber und „Dein Bett auf der Alm“-Sucher gibt’s auf almliesl. com. Last-minuteHütten und Infos zu den Vermietern auf huettenland.com. Einen schnellen Über­ blick über Hütten in Tirol finden man auf www.tirol.at/ huetten-tirol

den Wald vier, fünf Kehren hinauf. Die Straße ist vereist, rechts und links türmt sich der Schnee. Außer uns gibt es hier oben weit und breit niemanden. Genial, sagt Carla, und alle atmen wie auf Befehl tief ein und aus. Von der Hohen Salve bis zum Gassnerkogel erstreckt sich das Panorama der Kitzbüheler Alpen, überzogen vom Tortenguss des Traumwinters. Ein erstaunlich warmes Willkommen Lange können die Vormieter nicht weg sein. Die Hütte ist noch warm. Wir stellen die Rucksäcke in die Zimmer, räumen die mitgebrachten

Lebensmittel in die Schränke, stellen die beiden Bierkästen in den Schnee und schüren den Ofen. Jetzt gehört sie uns. Die Gfällhütte ist ein 350 Jahre alter Blockbau. 1.030 Meter über dem Meeresspiegel gelegen. Zwei Stockwerke aus handgehauenen Balken. Drei Schlafzimmer oben, Stube, Küche und ein großes Bad unten. Der Ofen ist das Herzstück der Hütte – und die Eckbank, unter der in dieser Jahreszeit früher die Hühner gackerten. Im Eck hängt ein Kruzifix, daneben noch eine weitere Christus-Darstellung. Darunter sitzt mein Sohn, der dem gemalten Heiland mit seinen langen Locken und dem Bart verblüffend ähnlich sieht. „Stimmt schon“, sagt Oskar. „Nur trug Jesus meines Wissens keine Brille.“ Früher Nachmittag. Kaffee drinnen oder draußen? Wenn die Sonne schon mal so schön scheint? Abstimmungsergebnis: 4:3. Also Eckbank. Kerzen anzünden, Kaffee und Tee kochen und Carlas Guglhupf anschneiden. Mit der Stube steht und fällt eine Hütte. Zumindest im Winter. Warm muss sie sein und gemütlich, und diese hier ist wärmer als unsere Wohnungen in München. Manchmal müssen wir das Fenster aufreißen, so warm wird uns. Auf einem Regalbrett stehen ein paar Bücher: Ein belgischer Krimi, Kinder- und Witzebücher, Tiroler ­Sagen und „Prinzessin Diana. Ihre wahre Geschichte in i­ hren eigenen Worten“. Auf dem Brett darunter ­Spielkarten, Schnapsgläser, das übliche ­I nventar. Irgendwie sehen fast alle Hütten gleich aus. Es kommt auf die Gäste an, was sie draus machen. Aber die Gfällhütte ist schon wirklich ein Prachtexemplar. Das Holz schimmert in Schokoladentönen.

O B EN Feuer frei: Oskar, Baptiste und Lea heizen den Ofen vor der Hütte ein. UNTEN Prosit! Die Hüttenfamilie mit ihrem Gastgeber Sepp (ganz links).

Die Ost-und Südfassaden sind fast schwarz. An anderen Stellen ist die Außenhaut der Hütte grau wie der Rücken eines alten Hofhundes. Mit Äxten hat man die Balken früher behauen. Als man im Tal noch Getreide angebaut hat und die Gfällhütte ein Bergbauernhof war. Christelle und Carla spazieren den Berg hinunter, um bei einer Sennerin kiloweise Käse zu kaufen. Pete und ich schnippeln Wurzelgemüse und Salat. Die Kids wickeln sich auf dem Balkon in Decken ein. Philosophieren. ­Oskar hat sich rittlings auf einem Balken positioniert, der unter der Dachluke auskragt. Früher hätte man warnen, mahnen, schimpfen müssen. Zum Glück ist das vorbei. Schwere, niedrige Türen, sogar ich mit meinen 176 cm muss den Kopf einziehen. Mit geschnitzten Griffen und Riegeln. Türen so einfach wie ein Satz aus drei Worten. Mach mich auf. Mach mich zu. Bei der Treppe ins Obergeschoss bin ich mir nicht sicher: Ist das noch eine Treppe oder schon eine Leiter? Man muss sie ganz vorsichtig hinabklettern. Besonders nachts. Das Wasser kommt aus einer Quelle im Wald – und wird durch Rohre ins Haus geleitet. Es gibt einen Boiler und eine heiße Dusche. „Im Winter schadet ein bissl Komfort nicht“, sagt Lea. „Sommers kann ich gut ohne.“ MEIN TIROL

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D IE SE SEITE Den Außenofen mussten die Hüttenbewohner erst freischaufeln. RECHTE SEITE Und Zack: Oskar macht Kleinholz zum Anfeuern. Auf einer Hütte wird man zum Pyromanen.

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RECHTS Fenster auf! In der Stube wird es so heiß, dass man regelmäßig lüften muss. UNTEN Weise Worte: „Im Winter schadet ein bissl Komfort nicht“, meint Lea. „Sommers kann ich auch ohne.“

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Wir haben beschlossen, den gemauerten Außengrill freizuschippen. Aufgabe der Jungs ist es, eine anständige Glut hinzubekommen. Sie hocken vor dem Feuer und pusten, bis ihnen schwindlig wird. Lagerfeuerprofis. „In uns stecken kleine Pyromanen“, sagt Baptiste und stochert in der Glut. Funken sprühen aus dem Ofenrohr. Jetzt, wo es dunkelt, sieht man, dass wir nicht so allein sind, wie es tagsüber schien. Überall piksen Lichter wie Stecknadelköpfe aus der Landschaft. Höfe, Hütten, Pensionen. Drüben im Skigebiet kriechen die Pistenraupen über den Berg. Plötzlich kommt Besuch Nach den Steaks und den Bratwürsten, nach dem Rote-BeteSalat mit Schafsjoghurt und Äpfeln bekommen wir Besuch. Sepp und Klara sind unsere Vermieter. Sie wohnen einige Kehren tiefer auf einem stattlichen Hof. 40 Stück Vieh, zwei Schweine, eine Ziege und jede Menge Forst. Sepp hat Selbstgebrannten mitgebracht und ein Fotoalbum. Bilder von Familienfeiern und Baumaßnahmen. Kommunionskleider und Dirndln, Koteletten und Dauerwellen. Der Vater, erzählt Sepp, habe die Hütte in den 60erJahren gekauft. Für 80.000 Schilling. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen. Der erste Mieter, so erfahren wir, war ein Münchner Kleinunternehmer. Einen großen Citroën habe der Bayer gefahren und einen Kinderlift gebaut. „Ein erfinderischer Geist.“ Erst viel später hat man die Hütte wochenweise vermietet. An Stammgäste hauptsächlich, wie Klara betont. Einmal sei ein Berliner mit seiner jungen Freundin angereist, erzählt sie: „Den haben seine Kinder

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LINKS Spuren im Schnee: Unser Autor macht mit seiner Frau Christelle und Carla eine Schneeschuhwanderung.

überrascht und die falsche Frau vorgefunden.“ Hüttengeschichten. Dann erzählt Sepp von seiner Zeit als Sennbub. Damals mit 15. „Harte Arbeit.“ Aber schön gemütlich war es heroben auf der Alm. „Weniger Stress gab es früher als heute“, findet Sepp und schenkt uns noch einen Obstler nach. Und dann reden wir über Mondholz und Lastschlitten, Wallfahrten und die großen Portionen, die die holländischen Touristen verdrücken. Beim Abschied laden uns Sepp und Klara zum Kaffeetrinken auf ihren Hof ein. Gerne sagen wir zu, sind neugierig auf den Hof unserer Gastgeber.

Pack ma’s! Stirnlampe, Rodel – und natürlich eine gut gepackte Vorratskiste: Ein kleines Selbstversorger-Manual findet sich auf www.mein.tirol

Ich wache mitten in der Nacht auf. Kein Mucks. Kein Knarren, kein Schnarchen, nichts. Dabei hört man in dieser Hütte eigentlich jeden Ton. Der Mond ist fast voll. Draußen ist es so hell, dass man die Berge zeichnen könnte. Eine Landschaft aus Milch, Rahm und Topfen. Am Morgen bin ich der Erste, der aufsteht. Ich setze mich in den Liegestuhl, der neben dem Schuppen im Schnee steckt. Exakt drei Minuten nach acht klettert die Sonne über den gegenüberliegenden Kamm. Plötzlich glitzert und funkelt alles. Der Himmel blau, als hätte man ihn angeknipst. Wenig später kann ich die Kapuze vom Kopf ziehen. Es ist warm geworden. In der großen Birke neben der Hütte singen die Rotkehlchen und Kohlmeisen. Dutzende von ihnen. Am Stadel tropft es aus den Eiszapfen. Das Frühstück also heute draußen. Mit Eiern von Klara und frischer Milch vom Hof. Einen ganzen Eimer haben sie uns dagelassen. Dazu gibt es Käse und Speck, Marmelade und Preiselbeerjoghurt. Brot, das nach Bockshornklee schmeckt, Kümmel und Koriander. In der Stube: Christelles Strickzeug, Ladekabel, leere Weinflaschen und Bücher, die wir kaum aufgeblättert haben. Statt zu lesen, unterhalten wir uns. Auf der Ofenbank die Gitarre, nach der Oskar mehrmals am Tag greift. „Wish You Were Here“, singt er und „Creep“ von Radiohead. Wir tanzen im Bergwald Drinnen zu bleiben, ist bei diesem Wetter keine Option. Mit den Schneeschuhen stapfen wir den Berg hinauf. Vorbei an Heustadeln, Jagdhütten und klopfenden Spechten. Überall meterhoher Schnee. Die strahlende Sonne verpasst dem Nadelwald eine leuchtende Aura. Beim Abstieg drei Stunden später stecken uns die Kids mit ihrer ungestümen Energie an. MEIN TIROL

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GANZ SCH Ö N URI G Die Gfällhütte ist mehr als 350 Jahre alt und liegt auf 1.030 Metern Höhe in den Kitzbüheler Alpen.

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O B EN Mit Schneeschuhen lässt sich die Umgebung stilecht erkunden. UNTEN Von der Terrasse blickt man auf die Hohe Salve und den Gampen- und Gassnerkogel.

Wir hüpfen an steilen Stellen mit den Schneeschuhen in den Tiefschnee. Keine gute Idee, weil nass, aber sehr lustig. Dann stehen wir auf einer Kuppe, tanzen zu Discohits aus dem Handy und filmen dabei unsere extralangen Schatten. „Wie die Bekloppten“, sagt Baptiste. Erst mal den Braten in den Holzofen schieben. Kaffee kochen. Hatten wir nicht noch Schokolade? Christelle und Carla halten eine späte Siesta ab, Lea und Oskar spielen Mühle, ich schneide die Kartoffeln. Ab und zu erklingt die Gitarre. Ansonsten läuft Musik aus den mitgebrachten Lautsprechern. Ry Cooder, Beastie Boys, äthiopischer Jazz. Das Menü zur Geburtstagsnachfeier besteht aus Rinderbraten in Rotwein, Ofenkartoffeln und Orangensalat mit Feta. Obwohl wir keine Ahnung haben, wie der alte Herd reguliert wird, schmeckt das Fleisch hervorragend und hinterlässt eine Eckbank voller müder Menschen. Wir versuchen Rommé mit zwei verschiedenen Decks zu spielen. Leider fehlen die meisten Joker, und das Spiel erlahmt nach ein paar Runden. Wir haben inzwischen zwei Fenster geöffnet, weil es zu warm ist in der Hütte. Am nächsten Morgen setzen wir uns noch vor dem Frühstück auf die Schlitten. Peter, Oskar und ich. Schon bald wird der Schnee zu weich zum Rodeln sein. Hundert Meter den Hang hinunter. Das reicht zum Aufwachen. Entschleunigung mit Karacho. „Mit der Karibik kannst du mich jagen“ Und wieder eine Schneeschuhtour. Diesmal zu viert. Nur Peter, Christelle, Lea und ich. Die anderen wollen lieber chillen. „Ist doch so schön

LINKS Geheizt wird die Hütte mit Holz, die Scheite lagern neben dem Kamin. UNTEN Retrodesign: Fast alles in der Hütte ist aus Holz. Auch Türklinken und -„schlösser“.

hier“, sagt Oskar. Uns aber treibt die Sonne nach draußen. Außerdem verspüren wir einen Bewegungsdrang nach der Völlerei der ­vergangenen Tage. An manchen Stellen sackt die Schneedecke mit einem dumpfen Geräusch ab. Ein bekanntes Lawinenwarnzeichen – und ein bisschen unheimlich. Wir meiden deshalb allzu steile Hänge, marschieren ein Stück durch den Wald und setzen uns vor einer fremden Hütte in die Sonne. Weiß der Kuckuck, ­wa­r um sich das Gespräch plötzlich um T ­ hemen wie Eifersucht und freie Liebe dreht. Ausgerechnet. Als wir zurückkehren bietet die Hütte ein idyllisches Bild: Auf der Terrasse sitzen sich die Jungs gegenüber. Schach im Anorak. Versunken in das Spiel. Drehzeug und Jazz aus dem Handy. „Madig“, sagt Oskar, als Baptiste seinen Turm einkassiert: „Jetzt kannst du mich safe fertigmachen.“

Zeit für unseren Besuch bei Sepp und Klara. Weil Baptiste sich den Fuß verknackst hat, nehmen wir den Wagen und rattern auf Schneeketten ins Tal. Rahmmus gibt es, mit Preiselbeeren, und danach Kaiserschmarren. Klara hat alles auf dem Holzofen zubereitet, aus eigenen Zutaten, versteht sich. Wir löffeln die Speisen direkt aus der Eisenpfanne und bekommen zur Verdauung Vogelbeerschnaps serviert. „Mit der Karibik kannst du mich jagen“, sagt Klara plötzlich: „Ich geh lieber auf die Berggipfel und bleib so, wie ich bin.“ Danach zeigt uns Sepp seinen Hof. Die Sägen und die Traktoren, den Aebi-

Transporter und die Schnapsbrennerei. Die Kälber, den Stall mit der trächtigen Kuh und das Heulager. „Dürfen wir?“, fragen die Kids und lassen sich in das Bergheu fallen. Es riecht nach Sommer, nach Blumen, Bienen und Schmetterlingen. Und dann ist wieder Winter. „Was ich an einer Hütte so mag“, sagt Lea, „ist die Gemeinschaft. Dass man in der Stube sitzt und etwas zusammen macht.“ Ohne Verabredung, Whatsapp-Gruppe oder Terminkalender. Einen „kleinen Ausnahmezustand“, nennt sie das. Darauf trinken wir unsere letzten Flaschen Bier. Und dann müssen wir packen. MEIN TIROL

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FREIES TEXT PAULINE KRÄTZIG ILLUSTRATION ADAM QUEST

Wie man einen Tiroler aus der Reserve lockt? Man fordert ihn zum Perlaggen, Doz’nhacken oder Tschongelen heraus. Mit diesen neun traditionellen Tiroler Spielen wird einem auf der Hütte bestimmt nicht langweilig.

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BIETEN

Es braucht: 2 bis 5 Spieler; Deutsches Blatt mit 33 Karten (Ass bis 7 plus Schellen-6er, genannt Weli) Bieten ist der kleine Bruder des Perlaggen (siehe Punkt 2) und heißt eigentlich: Bluffen – denn neben Glück braucht man vor allem Spielwitz und ein gutes Pokerface. Das Spiel wird in Runden gespielt. Spieler können Stiche und Punkte machen, indem sie ihre Karten genau analysieren und eine sogenannte Figur bieten: Ich habe das höchste Herz von allen! Die anderen müssen entsprechend taktieren. Es gewinnt der Spieler, der nach mehreren Runden als Erster eine vereinbarte Punktzahl erreicht. Früher galt Bieten als Spiel der Flößer und der Säumer, die Baumstämme auf Wasserstraßen und Waren mit Eseln und Pferden über die Alpenpässe transportierten. Männer vieler Worte waren das nicht. So entstand wohl auch die eigene Spielsprache: „Di Grian“ (ich biete auf Laub), „di roatn“ (ich biete auf Herz), „schaugn“ (ich halte das Gebot), „guad“ (ich halte das Gebot nicht).

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SPIEL

2

PERLAGGEN

Es braucht: 2, 4 oder 6 Spieler, immer 2 gegen 2; Deutsches Blatt mit 33 Karten (siehe Bieten) Es heißt, dass 1833 zwei Kanzleiangestellte und zwei Forst­ beamte im Bozener Gasthaus „Pfau“ zum ersten Mal gegeneinander perlaggten. Worum die ungleichen Stubenhocker spielten, wissen wir nicht. Es muss aber ein Heidenspaß gewesen sein, denn das vergnügliche Kartenspiel wurde schnell über Südtirol hinaus, vor allem um Innsbruck herum, beliebt. Das Wort Perlaggen kommt vom italienischen „Berlicche“, der Teufel. Vielleicht heißt das Spiel so, weil es recht wild zugeht: Beim Perlaggen dürfen sich die Spielpartner nur per Zeichensprache austauschen. Gleichzeitig gilt es, seine Gegner pausenlos abzulenken, Unfug zu reden und Wahres für Falsches auszugeben. Seit fast 150 Jahren kämpfen die besten Trickser und Täuscher jeden Frühling auf dem Perlaggerball in Imst um den Königstitel. Wer das Perlaggen flüssig beherrscht, darf sich auch Hüter eines Kulturgutes nennen – die österreichische UNESCO-Kommission krönte das Kartenspiel 2016 nämlich zum immateriellen Kulturerbe.

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SCHNAPSEN

Es braucht: 2 Spieler; Französisches Blatt mit 20 Karten (Ass bis 10) Im Mittelalter versuchten Kirche und Staat mal wieder, dem Volk den Spaß am Spiel zu verderben, und stellten das Karteln um Geld unter Strafe. Das Volk ließ sich den Spaß aber – mal wieder – nicht nehmen und zockte fortan um Alkohol, bevorzugt Schnaps. Seinen Namen erhielt das Schnapsen aber nicht von hochprozentigen Getränken, sondern von der höchsten Karte: „Schnappen“ bedeutet „mit Trumpf stechen“. Jeder Spieler bekommt fünf Karten. Der Trumpf wird durch das Aufdecken der obersten Karte des verbleibenden Stapels ermittelt. Dann müssen die Duellpartner möglichst viele Stiche machen (die höchste Augenzahl gewinnt) und ziehen danach jeweils wieder eine Karte. Das Spiel endet, wenn einer 66 Punkte erreicht hat. Während des Spiels sollte man aber nicht zu tief ins Schnapsglas schauen, denn man braucht viel Konzentration.

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STROHMANDELN

Es braucht: 2 Spieler; insgesamt 54 Karten (Französisches Blatt mit 32 Karten und 22 Tarockkarten) Tarock ist die Mutter einer großen Kartenspielfamilie. Seit der Erfindung 1425 breitete es sich in vielen Ländern Europas aus und ließ sich in zahlreichen Varianten nieder – als Tarocco in Italien, als Tarot in Frankreich. In Österreich spricht man vom Strohmandeln oder Strohmanntarock. Jeder Spieler hat drei Stapel à vier Karten vor sich liegen – und muss hoffen, dass er gute Karten hat, um einen Stich zu machen. Auch mit zwei Spielern ist Tarock ziemlich anspruchsvoll. Im Laufe des 19. Jahrhunderts hielten Kenner die Feinheiten des Spiels schriftlich fest: „Rechthaberey“, Kartenzupfen, Motzen und Protzen sind nicht gern gesehen. Wer aber stets Contenance bewahrt und als Sieger nicht „übermüthig“ wird, darf darauf hoffen, „den Mond zu fangen, Ruhm zu erlangen“ oder „wenigstens ein paar Damen zu schmieren“. Immerhin waren schon Mozart, Brahms und Sigmund Freud begeisterte Tarockspieler.

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TSCHONGELEN

Es braucht: beliebig viele Spieler ab ca. 12 Jahren; 5 glatte Steine (kleiner als eine Walnuss, größer als eine Haselnuss), Tisch Der Name erinnert ans Jonglieren, und wirklich braucht man beim Tschongelen neben Konzentration und Koordination vor allem Fingerfertigkeit. Erste Übung: Ein Spieler wirft alle Steine möglichst weit verstreut auf den Tisch. Einen davon wirft er dann in die Höhe, schnappt sich mit derselben Hand schnell einen weiteren Stein vom Tisch und fängt den ersten Stein wieder auf. Das Spiel wird immer schwieriger. Denn nun muss der Spieler erst zwei, dann drei und zuletzt vier weitere Steine vom Tisch nehmen, ehe er den hochgeworfenen Stein wieder auffängt. Zweite Übung: Ein Spieler wirft alle Steine in die Luft – je niedriger desto schwerer –, und versucht, möglichst viele mit dem Handrücken aufzufangen. Hat er etwa drei Steine erwischt, muss er diese erneut hochwerfen und regulär auffangen. Nur die Steine in der Hand zählen jeweils einen Punkt. Dann ist der nächste an der Reihe.

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GUZIMANN

Es braucht: beliebig viele Spieler ab 14 Jahren; 1 Stein pro Spieler (eher flach), 1 Konservendose Wer hat Angst vorm Guzimann? Niemand! Im Tirolerischen bezeichnet man mit dem gruseligen Namen nämlich einen Wächter. Zuerst markieren die Spieler mit einem Halbkreis die Wurflinie und die sogenannte Gefahrenzone, in der eine Dose aufgestellt wird. Dann die erste Wurfrunde: Wer seinen Stein am weitesten von der Dose weg wirft, ist der Guzimann und muss an der Grenze des Gefahrenkreises wachen. Nun wird ein beliebiger Stein auf die Dose gelegt, und ein Spieler nach dem anderen versucht, die Dose zu treffen und diesen Stein so in die Gegend zu schleudern. Gelingt das nicht, muss sich der Spieler nach dem Wurf zu seinem Stein stellen, ohne ihn zu berühren. Berührt er ihn doch und steht dabei in der Gefahrenzone, kann ihn der Guzimann abklatschen und zum neuen Wächter ernennen. Trifft ein Spieler die Dose, können alle, die sich im Gefahrenkreis befinden, fliehen, bis der Guzimann den Stein geholt und die Dose wieder am selben Platz aufgestellt hat. Trifft niemand die Dose und alle Spieler sind gefangen, müssen sie den Wächter ablenken, um zu entkommen; zum Beispiel, indem ein Spieler scheinbar nach dem Stein greift, um den Guzimann von einem anderen wegzulocken. Sobald ein Spieler befreit ist, hat er wieder die Chance, mit dem nächsten Wurf einen Treffer zu landen und die Gefangenen zu erlösen.

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KUHSCHWANZEN

Es braucht: mindestens 3 Spieler; je 21 Spielmarken, 1 Würfel Das Spiel ist schnell erklärt: Jeder Mitspieler legt vor sich ein Dreieck aus 21 Spielmarken in sechs Einzelreihen aus (siehe Illustration unten): Das ist der Kuhschwanz. Nacheinander wird gewürfelt. Würfelt man eine Eins, darf man die erste Reihe aus dem Kuhschwanz entfernen, würfelt man eine Zwei, die zweite Reihe und so weiter. Würfelt man eine Zahl erneut und hat die entsprechende Reihe schon entfernt, muss man aussetzen. Gewonnen hat derjenige, der den Kuhschwanz zuerst weggewürfelt hat. Der Sieger erhält alle noch auf dem Tisch liegenden Spielmarken. Der wahre Reiz des Kuhschwanzens liegt in der Wahl der Spielmarken: Keiner hat nämlich behauptet, dass diese aus Holz oder Plastik bestehen müssen. Smarties, Kekse oder Kartoffelchips klingen schon interessanter. Mit Münzen wird das Spiel noch spannender. Und manche Tiroler über 18 spielen auch mit Schnapsstamperln – dann hat das Spiel allerdings nicht viele Runden und der Sieger wird sich an den Triumph kaum erinnern.

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DOZ’NHACKEN

Es braucht: beliebig viele Spieler; 1 Kreisel Der Ur-Doz’n ist ein spitzer Holzkegel mit einem Nagel im Kopf, um den man eine Schnur wickelte. Es ist eine Kunst, die Schnur so kräftig zu ziehen und den Kreisel zugleich derart gezielt aufzusetzen, dass er auf dem Boden tanzt und singt. Heute kaufen wir unseren Kreisel meist im Spielzeugladen. Das Spielprinzip bleibt dasselbe: Man markiert einen Kreis von 40 bis 60 Zentimetern Durchmesser auf dem Boden und legt eine Münze in die Mitte. Wer es schafft, die Münze mit dem Doz’n aus dem Kreis zu „hacken“, darf sie behalten. Ursprünglich wurde Doz’nhacken nur vom Faschingssamstag bis zur Karwoche gespielt. Spätestens am Ostersonntag hörte der Doz’n auf sich zu drehen.

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DER PFARRER VON INZING HAT’S KAPPL VERLOR’N

Es braucht: mindestens 3 Spieler, die schon sprechen können Vielleicht ist dem Pfarrer von Inzing sein Kapperl vor Schreck vom Kopf gerutscht, als 1848 das Gerücht ging, in der Dorfkirche hätten Maria und das Jesuskind auf einem Bild Mund und Augen bewegt. Bald strömten Wallfahrer nach Inzing – und der Pfarrer stand „oben ohne“ da. An dieser Stelle der Geschichte setzt das Spiel ein: Jeder Spieler erhält eine Nummer. Spieler 1 sagt: „Der Pfarrer von Inzing hat’s Kappl verlor’n und gefunden hat’s …“ – „Spieler 3“. Eine Kettenreaktion beginnt: Nr. 3: Was i? Nr. 1: Ja du! Nr. 3: I net! Nr. 1: Wer dann? Nr. 3: Spieler 2 (zum Beispiel) Nr. 2: Was i? Nr. 3: Ja du! Nr. 2: I net! Nr. 3: Wer dann? usw. Wer einen Fehler macht und den Sprachfluss unterbricht, muss 50 Cent zahlen – zum Beispiel in eine Gemeinschaftskasse für den nächsten Tirolurlaub.

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Echte

Viele Besucher kommen alle Jahre wieder nach Tirol. Und manche gehen seit Jahrzehnten stets in das gleiche Haus. Hier erzählen Stammgäste, warum sie sich in diesen einen Ort und die Menschen dort verliebt haben. Und die Tiroler Wirte verraten, warum ihnen manche Besucher so sehr ans Herz gewachsen sind.

Freundschaft Gast 44

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ANN O DA ZUMAL Wenn der Stammgast durchs Gästebuch blättert, stößt er auf Erinnerungen – und erlebt eine Zeitreise.

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ANNA RINDERSPACHER STEPHANIE FÜSSENICH MEIN TIROL

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S TAMM GA S T JANINE G ERG ER (Dritte von links)

S TAMM GA S T JACQ UELINE FRITSCH (links)

Dortmunder Hütte

KÜ H TA I

Die Dortmunder Hütte liegt am Ortsrand von Kühtai, auf 1.948 Metern in den Stubaier Alpen. Sie wurde 1932 vom Alpenverein Dortmund gebaut. Hüttenwirtin Monika Tabernig arbeitet seit 2001 hier oben.

Gasthof Gintherhof

REUTTE

Das 700 Jahre alte Bauernhaus duftet nach Hefezopf und selbst gemachter Marmelade. Annelies Paulweber führt den Gasthof mit Christl Ginther – und in der vierten Generation. Janina Gerger aus Kornwestheim: Ich komme schon mein ganzes Leben auf den Gintherhof. Über 30 Jahre. Ich liebe die Herzlichkeit und die Gastfreundschaft der Menschen hier. Egal, wo auf der Welt ich war, in Neuseeland oder in den USA, ich habe Annelies und Christl stets eine Postkarte geschrieben. Annelies Paulweber: In der heutigen Zeit steht einem die Welt offen. Dass jemand dennoch jedes Jahr zu uns kommt, ist eine große Ehre.

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Christl Ginther: Janina und ihre Eltern sind viel mehr als Gäste für uns – sie gehören zur Familie. Zu meinem 70. Geburtstag haben sie mich an die CÔte d’Azur eingeladen. Und Janina ist auf dem Bauernhof für mich eingesprungen. JG: Das war kein Problem. Ich habe schon als Kind gerne bei der Heuernte geholfen oder bin auf dem Jauchefass gesessen, wenn im Herbst die Felder gedüngt wurden. Ich kann sogar Traktor fahren. AP: Das hat sie schon mit fünf Jahren bei mir auf dem Schoß gelernt.

Jacqueline Fritsch aus der Pfalz: Als Kind war ich weder wintersportbegeistert, noch habe ich mich fürs Klettern oder Bergsteigen interessiert. Das änderte sich, als ich mit 24 ein Bein verlor. Während der Reha war ich viel in der Natur und habe Kraft getankt. So entdeckte ich meine Liebe zu den Bergen. 2016 beschloss ich, die Alpen auf Krücken zu überqueren – so kam ich nach Kühtai. Monika Tabernig: Jacque­ line und ihr Hund haben nur zwei Nächte bei uns auf der Hütte pausiert, aber wir waren uns auf Anhieb sympathisch. Ich fand ihr Vorhaben sehr bemerkenswert – dass sie das gemacht hat, alleine und als Frau. JF: Ich habe mich hier sehr wohlgefühlt. Es ist gar nicht so einfach, eine Hütte zu finden, in der Hunde erlaubt sind. Seitdem komme ich immer öfter für Bergtouren hierher. Die Lage

ist perfekt, und Monika hat immer ein Zimmer für mich – egal, wie kurzfristig ich mich ankündige. Das ist nicht selbstverständlich. MT: Es gibt Gäste, auf die freut man sich das ganze Jahr. Jacqueline zählt definitiv dazu, wobei sie für mich eigentlich kein Gast ist, sondern eine Freundin. Deshalb freue ich mich auch sehr, dass sie bald nach Tirol ziehen will. Ich halte schon die Augen offen nach Wohnungen. JF: Tirol und seine Berge sind ein wichtiger Teil meines Lebens geworden. Deshalb nehme ich mir auch von jeder Bergtour einen Stein mit nach Hause und lege ihn in eine Vi­trine: So erinnere ich mich daran, dass ich jeden Berg, der sich mir in den Weg stellt, überwinden kann.

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DRINNEN S TAMM GA S T ALE X AND ER MA Z Z A (rechts)

Hotel Klosterbräu

SEEFELD

Dieses Hotel hat eine bewegte Geschichte: Seit der Grundsteinlegung 1386 diente das Gemäuer schon als Kloster, Brauerei und Krankenhaus. Heute ist der Betrieb von Alois Seyrling vor allem für seinen tollen Wellnessbereich bekannt. Alexander Mazza aus München: Als gebürtiger Münchner und Skifahrer war ich schon als Kind in Tirol, aber Seefeld habe ich tatsächlich erst vor ein paar Jahren entdeckt. Ein gemeinsamer Freund von Alois und mir hat uns den Ort und das Hotel ans Herz gelegt. Ich war schon in vielen schönen Hotels, aber dieses Haus ist etwas Besonderes. Nach unserem ersten Aufenthalt wollte ich sofort wieder zurück. Alois Seyrling: Das Schöne ist ja: Wenn man ein Hotel nach seinen eigenen Interessen gestaltet, zieht man automatisch Leute an, die ähnlich ticken wie man selbst. Alex und ich sind gute Bekannte geworden, wir sind beide gerne draußen unterwegs, und unsere Kinder sind in einem ähnlichen Alter, da hat man natürlich einiges, worüber man reden kann. AM: Stimmt! In den Gesprächen habe ich viel

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über Seefeld und das Klosterbräu gelernt. Ich fand es schön zu hören, dass ­A lois und seine Geschwister nach dem plötzlichen Tod ihres Vater zusammengehalten haben und das gemeinsame Erbe weiterentwickeln. Meine Familie kommt aus anderen Gründen gerne hierher: Die Kleinste tobt sich in der Kinderbetreuung aus, meine Tochter Mila liebt das alte Gemäuer und die vielen Kerzen überall. Sie fühlt sich hier wie eine Prinzessin in einem Schloss. Und meine Frau erholt sich im Wellnessbereich. Vor Kurzem hat Mila den ersten Skikurs gemacht. Ich hoffe, dass sich meine Frau auch noch anstecken lässt. Irgendwann werden wir bestimmt alle zusammen die Pisten von Seefeld unsicher machen.

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DRINNEN S TAMM GA S T RENATE & KURT REISIN G ER

Landhaus Strolz

S TAMM GA S T AD O LF LEIFHEIT (links)

S T. A N T O N

Die kleine Pension liegt direkt am Hang und weckt selbst bei Nicht-Skifahrern eine tiefe Sehnsucht nach dem Berg und dem Schnee. Wirtin Claudia Strolz kümmert sich um jede Gäste­anfrage selbst. Renate Reisinger aus Wien: Mein Mann und ich kommen seit 53 Jahren zum Skifahren an den Arlberg. Dieses Gefühl von Freiheit, wenn man frühmorgens oben auf dem Berg steht und die Piste ganz für sich alleine hat, ist für uns das Allergrößte. Es kribbelt immer noch jedes Mal, wenn wir uns ins Auto setzen, um hierherzufahren. Claudia Strolz: Wenn im Herbst der erste Schnee fällt, mache ich immer gleich ein Foto und schicke es an Renate und Kurt – sie sollen wissen, dass der Berg auf sie wartet. Kurt fährt wirklich jeden Tag, egal bei welchem Wetter, und ist morgens immer der Erste im Skiraum – und das mit 74. Ich bewundere ihn dafür. Vor ein paar Jahren hat man ihm und Renate einen VIP-Pass für den Lift geschenkt, damit sie nicht anstehen müssen. Das ist eine große Ehre. Kurt Reisinger: Die Geschichte unserer Familie

ist eng mit St. Anton verbunden. Wir haben damals extra im Februar geheiratet, damit wir unsere Hochzeitsreise hierher machen konnten. RR: Alle dachten, ich wäre schwanger und dass es uns deshalb pressiert. „Wer heiratet denn im Februar?“, haben sie gesagt. KR: Inzwischen kommen wir schon mit unseren Enkeln her. Der Jüngste ist gerade viereinhalb und fährt schon ganz gut, das macht uns sehr stolz. RR: Aber wir kommen auch im Sommer an den Arlberg. CS: Das ist immer wie ein Besuch von Verwandten. Dann machen wir ein großes Grillfest mit allen – und meine Kinder spielen mit den Enkeln der beiden im Garten. Diese Vertrautheit zwischen uns ist etwas ganz Besonderes, das gibt es nicht oft. Die beiden sind fast so etwas wie meine zweiten Eltern.

Bis zum nächsten Mal! Tourismusforscher Prof. Dr. Jürgen Schmude über Stammgäste und Gelegenheitsbesucher auf www.mein.tirol 50

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Gasthof Bergblick

BRAND

Seit 1962 gibt es den Familienbetrieb. Heute leben im Gasthof von Herbert Falger vier Generationen unter einem Dach. Seine Enkelin Matilda ist gerade mal ein Jahr alt. Adolf Leifheit aus Kassel: Manche unserer Bekannten können nicht verstehen, dass wir seit über 40 Jahren immer an denselben Ort kommen. Aber wenn wir nach Tirol fahren, ist das mehr als nur ein Urlaub. Hier ist unser zweites Zuhause. Wir kommen jedes Jahr mehrmals – und immer zu denselben Zeiten. Viele andere Gäste machen es ähnlich. Wenn wir morgens in den Frühstücksraum kommen, können wir fast jeden Stammgast mit Namen begrüßen. Herbert Falger: Als ich noch ein Kind war, hatten wir kein privates Wohnzimmer. Unser Gemeinschaftsraum war im-

mer die Gaststube – dass ich ein enges Verhältnis zu unseren Gästen pflege, wurde mir sozusagen in die Wiege gelegt. Längst zähle ich Adolf zu meinen guten Freunden. Als unser erstes Enkelkind geboren wurde, habe ich ihm sofort Bescheid gesagt. AL: Dieses herzliche Verhältnis ist es, was uns immer wieder hierherzieht. Schon im Auto auf dem Weg freue ich mich auf den Moment, in dem ich mit Herbert in der Stube sitze, die „Ahle Worscht“, die ich ihm jedes Mal aus Hessen mitbringe, aufschneide und mit einem Bier anstoße – viel mehr braucht man doch gar nicht im Leben. MEIN TIROL

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Im kalten Winter hatten die Tiroler in ihren Stuben früher wenig Abwechslung und Unterhaltung. Außer: Musik machen. Jeder war willkommen. Jeder konnte mitspielen. Heute ist Tiroler Volksmusik populärer denn je. Wir haben Tiroler, die für die Musik leben und sie lieben, gefragt, warum das so ist. Und wo die musikalische Reise in Zukunft hingeht.

ALTE NEUE TEXT FOTOS

MAXIMILIAN GERL RODERICK AICHINGER

MUSIK ir kennen uns von klein auf und spielen seit Jahren in der Musikkapelle in Brandenberg. Das Singen als Viergesang hat sich bei uns aus dem Anklöpfeln entwickelt. Bei diesem Tiroler Brauch gehen wir im Advent von Haus zu Haus und singen Hirtenlieder. Als ,Stommtischsänger‘ haben wir dann eher zufällig angefangen, wir sind im Rahmen eines Volksmusiktreffens kurzfristig eingesprungen und von Haus zu Haus gezogen. Aber weil es Spaß gemacht hat, haben wir das beibehalten. Unser Repertoire besteht aus circa 30 Volksliedern, aber bei einem offiziellen Konzertabend brauchen wir meistens nur fünf, sechs Stücke. Das Beste kommt erst nach dem Auftritt, wenn du dich zu den Leuten setzt, mit ihnen ins Gespräch kommst und gemeinsam musizierst. Das ist ja das Schöne an der Volksmusik: Viele kennen sich, jeder kann mit jedem mitspielen, dazu musst du auch kein Profimusiker sein. Die Lieder sind meistens einfach und klingen trotzdem gut. Im Jahr haben wir etwa 15 Auftritte als ,Stommtischsänger‘ und mehr als 50 mit der Musikkapelle – alles in unserer Freizeit, neben der Arbeit. Aber die Zeit nehmen wir uns. Musik ist unser Hobby.“

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Von links

CHRISTIAN MESSNER, LUKAS NEUHAUSER, FLORIAN UNTERRAINER & JOSEF MÜHLEGGER d’Stommtischsänger, Brandenberg

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„Meine Doktorarbeit habe ich über Kehlkopfgesänge in Sibirien geschrieben. Das wird manchmal fälschlicherweise als Jodeln bezeichnet, ist aber eine ganz andere Gesangsform. Über den Ursprung des Jodelns im Alpenraum gibt es verschiedene Theorien. Eine besagt, dass die Menschen mit registerwechselnden Rufen über weite Entfernungen miteinander kommunizierten. Was man sicher weiß: dass das Jodeln je nach Tal, je nach Region anders klingt, ähnlich wie beim Dialekt. Die Vokalisation macht den Unterschied. Vereinfacht gesagt, arbeitet österreichisches Jodeln oft mit Kombinationen von Konsonanten in den Jodelsilben wie Tro und Tri, dadurch wird der Kehlkopfschlag nicht so dominant. In der Schweiz dagegen verwendet man häufig nur Vokale und die Konsonanten L oder D, und es knackt richtig beim Registerwechsel. Heute ist das Jodeln sehr beliebt. Und Jodeln ist grenzübergreifend: Ich kenne zum Beispiel eine Schweizerin, die in Wien Schweizer und österreichisches Jodeln unterrichtet. Das ist doch toll!“

"DAS JODELN

KLINGT IN JEDER REGION ANDERS – ÄHNLICH WIE BEIM DIALEKT

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RAYMOND AMMANN RAYMOND Musikethnologe, Universität AMMANNS Innsbruck Musikethnologe, Universität Innsbruck

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NORA DUBSEK & JARED EGGER-DUBSEK Musikinstrumente Dubsek, Innsbruck

„Tirol ist ein musizierendes Land, es gibt über 300 Blasmusikkapellen, viele Volksmusikgruppen und ein gut subventioniertes Musikschulwesen. Wir betreuen die Musiker in unserem Geschäft und in unserer Werkstatt in Innsbruck. Nora erzeugt dort zum Beispiel Posaunen, die sie maßgeschneidert an die Bedürfnisse der Musiker anpasst. Oder wir reparieren Instrumente, es gibt immer genug zu tun. Unsere Branche ist so spannend, weil wir auf ganz unterschiedliche, inte­ ressante Menschen treffen. Was uns alle verbindet, ist die Musik. Gute Musik reißt die Menschen mit – und natürlich auch die Musiker. Wenn man diese Emotionen mit anderen teilen kann, wird es umso schöner. Daheim hören wir Klassik, Pop und Volksmusik: Je nachdem, auf was wir gerade Lust haben.“

„ DAHEIM HÖREN WIR KLASSIK, POP UND VOLKSMUSIK: JE NACHDEM, AUF WAS WIR GERADE LUST HABEN

"

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ISA KURZ & PHILIPP MOLL

STEFAN NEUSSL

Jütz, Vomperbach

Bläser, Kaltenbach

"VOLKSMUSIK

IST WIEDER COOL

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„Wir spielen folkloristisches Liedgut. Aber unser Zugang zur Volksmusik ist anders. Philipp kommt aus der Experimentalmusik, Isa aus Pop und Klassik, und Daniel Woodtli, der Dritte im Bunde, aus dem Jazz. Wir haben alle Musik studiert und arbeiten neben Jütz an weiteren Projekten. Isa beherrscht viele verschiedene Instrumente, darunter Hackbrett und Geige. Philipp spielt Kon­trabass und Daniel unter anderem Trompete und Flügelhorn. Wir ­versuchen, der traditionellen Musik mit unseren musikalischen Erfahrungen zu begegnen und etwas Neues daraus zu machen, behutsam und mit Respekt, ohne es zu verschandeln. Zusätzlich arbeiten wir viel mit Improvisation – diesen Freiraum nehmen wir uns. Daher werden wir gar nicht so sehr als Volksmusikgruppe wahrgenommen und treten oft auf Jazz- oder Klassikfestivals auf.“ 56

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WIR WERDEN NICHT ALS VOLKSMUSIKGRUPPE WAHRGENOMMEN UND TRETEN OFT AUF JAZZ-FESTIVALS AUF

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„Ich selbst habe ganz früh und ganz schlecht mit dem Musikmachen angefangen. Heute, nach meinem Studium am Mozarteum Salzburg, unterrichte ich klassische Trompete und Flügelhorn. Außerdem schreibe ich Notensätze fürs Weisenblasen. Das ist eine besondere Tradition: Dabei wird ein Volkslied, das man eigentlich singen würde, mit Blas­ instrumenten gespielt – und zwar mit mehreren Stimmen, zum Beispiel mit zwei Flügelhörnern. Wahrscheinlich ist das Weisenblasen in den 1920er-Jahren in Blasmusikkapellen entstanden. Es ist gar nicht so einfach, vier bis sechs Stimmen zu arrangieren. Die große Kunst ist, dass das Stück am Ende ganz einfach und natürlich klingt. Heute ist die Volksmusikszene so jung, so weiblich und so gut wie noch nie. Die Qualität der Musiker beeindruckt mich immer wieder. Viele wechseln problemlos von einer Stilrichtung in die andere. Volksmusik ist wieder cool.“ MEIN TIROL

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Für den klassischen Apfelstrudel braucht es Zeit. Was aber nicht fehlen darf, sind Schlag und Staubzucker.

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TEXT OLE ZIMMER JÖRG KOOPMANN & LENE HARBO PEDERSEN

KUCHEN Strudel, Torte, Almschnitten – in Tiroler Küchen entstehen einzigartige Kuchen. Wer die legendären Bäckerinnen und Bäcker besucht, lernt nicht nur viel über Zutaten und Rezepte, sondern auch über Gastfreundschaft. 58

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L I N KS Neben Mehlspeisen gibt’s auf der Karte der Schüllers auch Deftiges. MIT TE Die geschabten Äpfel werden mit Zimt, Zucker, Zitrone und Rum mariniert. R EC H T S Der hauchdünn ausgezogene Teig wird mit zerlassener Butter bestrichen und mit Füllung belegt.

GRÖBENHOF n der Küche von Elisabeth und Roland Schüller riecht es betörend nach Weihnachten, nach Bratapfel und Gewürzen. Schon am Vortag haben die beiden eine große Wanne mit klein geschnittenen Äpfeln gefüllt und mit Rum, Zimt, Rosinen, Zucker und Zitronensaft mariniert. Jetzt zieht die Füllung für den Apfelstrudel – und duftet. Angefangen hat alles 1967, als Elisa­ beths Vater auf dem Hof der Familie oberhalb von Fulpmes im Stubaital eine kleine Jausenstation eröffnete. Elisabeth ist hier oben aufgewachsen und hat das Geschäft Mitte der Neunziger gemeinsam mit Roland übernommen. Bis heute ist der Gröbenhof ausdrücklich kein Restaurant, sondern ein Gasthof im besten Sinne. „Hier sollen sich die unterschiedlichsten Menschen begegnen“, sagt Elisabeth, „hier finden alle ihren Platz.“ In der Küche muss es oft schnell gehen. Der Apfelstrudel bekommt trotzdem die Zeit, die er braucht. „Das Schlimmste für den Strudel ist es, wenn du hektisch wirst.“ Der Trick ist es, den Teig lang und ausdauernd zu kneten, damit sich der Kleber löst. Damit die Masse nicht austrocknet, wird sie hinterher mit Öl bestrichen und darf ruhen, am besten über Nacht im Kühlschrank. Danach wird der Teig auf einem bemehlten Tuch vorsichtig ausgerollt und von Hand immer weiter auseinandergezogen.

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GASTHOF GRÖBENHOF ELISABETH UND ROLAND SCHÜLLER Ort: Fulpmes Höhenmeter: 1.000 Produktion: 80 Portionen/Wochenende Spezialität: Apfelstrudel Bester Tipp: Langsam machen!

" DAS SCHLIMMSTE FÜR DEN STRUDEL IST ES, WENN DU HEKTISCH WIRST "

R EC H T S Im Gröbenhof sollen sich unterschiedliche Menschen begegnen und alle ihren Platz finden. Ob in der Küche oder im Gasthof.

Diese Handarbeit macht den Tiroler Strudel besonders; man braucht Geduld und Kraft. Elisabeth legt den Teig über ihre Fäuste und dreht ihn so lange, bis er die richtige Größe hat. Am Ende ist der Teig so dünn, dass die Farben von Elisabeths TShirt hindurchscheinen. Sie legt den Teighauch auf ein Geschirrtuch und bestreicht den unteren Teil mit zerlassener Butter. Für die Füllung werden Haselnüsse in eine große Pfanne gerieben und mit Semmelbröseln, Butter und Zucker angebräunt. Diese Paste wird mit den marinierten Äpfeln vermischt und auf dem Strudelteig verteilt. Elisabeth schlägt die Ränder ein, rollt mit geübten Handgriffen einen Strudel und legt ihn auf das Blech. Die Nahtstelle muss dabei unbedingt nach unten, sonst wird die dickere Stelle beim Backen hart und lässt sich nur schwer schneiden. Der Strudel wird sorgfältig mit zerlassener Butter bestrichen und kommt ins Backrohr. Erst etwa zehn Minuten bei 200 Grad, weitere 30 bis 45 Minuten bei 180 Grad. Genauer kann man es nicht sagen, die Backzeit hängt von den Äpfeln ab. „Da muss man schauen“, erklärt Elisabeth. „Fertig ist der Strudel, wenn etwas Saft aus dem Teig rinnt.“ Wie der Strudel kann sich auch der Gast auf dem Gröbenhof die Zeit nehmen, die er braucht. Durch die mannshohen Fenster der holzvertäfelten Gaststube geht der Blick weit ins verschneite Stubaital. Und während die Gedanken schon bei den nächsten Erlebnissen im Schnee sind, dampft der Apfelstrudel auf dem Teller und wärmt von innen. MEIN TIROL

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APFELSTRUDEL Für den Teig 350 g Mehl 1 gestrichener TL Salz 4 cl Öl 160 ml lauwarmes Wasser 1 Ei Für die Füllung 1,25 kg Äpfel Saft von 1/2 Zitrone 220 g Zucker 1/2 TL gemahlener Zimt 40 g Rosinen ein Schuss Rum

" STRUDEL, FERTIG IST DER WENN ETWAS SAFT AUS DEM TEIG RINNT

UNTEN Gemeinsam mit Roland hat Elisabeth Mitte der Neunziger das Geschäft ihres Vaters übernommen.

„Eine Torte soll immer etwas Besonderes sein. Ein Genuss“, sagt Sissi Wolf und verwendet nur die besten Zutaten.

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Für die Brösel 25 g Butter 40 g geriebene Haselnüsse 40 g Semmelbrösel 40 g Zucker Etwas ger. Schale einer Zitrone 50 g flüssige Butter zum Bestreichen Zubereitung Mehl, Salz, Öl, Wasser und Ei zu einem Teig verkneten. Teig mit einer dünnen Schicht Öl bede­ cken, damit er nicht austrock­ net – über Nacht ruhen lassen. Füllung: Äpfel schälen, Kerngehäuse ausstechen, in dünne Scheiben hobeln. Mit Zitronensaft, Zucker, Rosinen, Rum und Zimt marinieren. Ein paar Stunden ziehen lassen. Für die Brösel Butter zerlassen, mit Haselnüssen, Zitronen­ schale, Semmelbröseln und Zucker vermengen. Dann den Teig mit etwas Mehl auf einem Stofftuch ganz dünn auseinanderziehen. Mit flüssi­ ger Butter dünn bestreichen. Auf einer Seite einen Streifen dünn mit Bröseln bestreuen. Äpfel darauf verteilen und Teig einrollen. Mit dem Tuch aufs Backblech heben und den Stru­ del mit Butter bestreichen. Strudel 45–50 Minuten bei 180 Grad backen.

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BAUERNHOF WOLF er Geheimtipp für Kuchenfreunde in Nauders liegt ein wenig versteckt hinter dem Hotel Schwarzer Adler. Aber wer einen Kuchen von Sissi Wolf essen möchte, muss bei ihr einziehen. Zumindest auf Zeit. Gästen auf ihrem Hof serviert sie immer sonntags eine Auswahl von Spezialitäten. Und wenn rund um Nauders ein runder Geburtstag ansteht, wenn geheiratet oder Kommunion gefeiert wird, klingelt oft genug Sissis Telefon. Von ihrer Küche aus blickt Sissi über das verschneite Oberland. Ihr Mann Robert hat gerade nach den zehn Kühen geschaut und verabschiedet sich nun in seine Skischule. Sissi selber sagt, sie sei Hausfrau. Wobei sie den Begriff sehr weit dehnt – die sportliche Frau Anfang 50 produziert Joghurt, vermarktet die Hofprodukte in der Region, ist Gastgeberin, Werbefachfrau, Oma, Bürokraft – und eben Bäckerin. Sissi macht alles. Und sie macht es gut Heute hat sie einen Erdbeerkuchen im Rohr, gefüllt mit hausgemachtem Joghurt, und einen Streuselkuchen mit frischem Topfen. Das Tirolerische an Sissis Werken sind die Zutaten, die vom eigenen Hof oder aus der Nachbarschaft stammen: Joghurt, Schlagobers, Frischkäse, Topfen und Erdbeermus. Die Butter bekommt sie im Tausch gegen Joghurt von einer befreundeten Bäuerin. „Die Nüsse hole ich vom Hof meiner Eltern.“ Überhaupt: „Eine Torte soll ja immer etwas Besonderes sein“, sagt sie, „ein Genuss.“ Deshalb verwendet Sissi nur Bioeier und eigene Produkte vom Hof. „Dieses Billig-Billig, das passt nicht zu uns.“ Fünf Schüsseln mit den unterschiedlichen Zutaten stehen auf der Kücheninsel. Sissis Routine ist beeindruckend: Gelatine

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BAUERNHOF SISSI WOLF Ort: Nauders Höhenmeter: 1.360 Produktion: nach Bedarf Spezialität: Joghurttorten Bester Tipp: Nicht an der guten Butter sparen!

OBEN Wenige Zutaten werden schnell vermischt, in nur fünf Minuten ist der Biskuit­ teig fertig und es geht ab in den Ofen. 64

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DIESES"BILLIGBILLIG, DAS PASST NICHT ZU UNS

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OBEN Die gesamte Arbeitsfläche ist voll mit allen möglichen Utensilien und den verschiedensten Zutaten. UNTEN Mit technischen Helferlein kommt Sissi in der Küche noch schneller voran.

einweichen und auflösen, Eier trennen, Zucker und Mehl abmessen, Hefe zerbröseln. Bis der Biskuitteig angerührt und im Ofen ist, dauert es keine fünf Minuten. Sissi backt mit Spaß und Liebe. Aber sie nutzt auch einen modernen Maschinenpark. Das ist kein Widerspruch. Der Hefeteig geht im Thermomix, die große Kitchen-Aid-Maschine rührt Topfencreme und schlägt Eiweiß. Daneben werkelt Sissi mit diversen Handrührern und Mixern, Schabern, Schüsseln, Spritztüten, Ausstechern, Rahmen und Paletten. Das Schmuckstück der Küche ist ein moderner Holzherd, alte Technik in neuem Gewand. Den benutzt sie, wenn das Haus voll ist. Also ziemlich oft. Vier Generationen der Familie Wolf leben auf dem Hof. Der Biskuitboden ist mittlerweile ausgekühlt. Sissi teilt ihn quer und bestreicht die Platten mit Erdbeermarmelade. Hier geht es natürlich auch um den Geschmack. Vor allem aber darum, dass die Feuchtigkeit der Füllung den Teig nicht aufweicht. Auch der Hefeteig für den Streuselkuchen ist aufgegangen und wölbt das Tuch über der Schüssel nach oben. Der Teig kommt nun auf ein Blech mit einem hohen Backrahmen und wird dick mit Topfen bestrichen. Überhaupt müsse man großzügig sein: „Bei den Streuseln darfst du mit der guten Butter nicht sparen“, sagt Sissi. Schnell gehen darf es aber trotzdem. Die Erdbeertorte und der prächtige Streuselkuchen sind nach gut einer Stunde fertig. Sissi muss schon wieder los: nach den Enkeln schauen, frischen Joghurt abfüllen und an die Hotels ausliefern, nach den Hausgästen schauen und den Begriff „Hausfrau“ weiter dehnen.

FRISCHKÄSETORTE Für den Biskuitteig: 4 Eier 120 g Zucker 1 Pkg. Vanillezucker 100 g Mehl 50 g Speisestärke Für die Creme 250 ml Joghurt 250 g Frischkäse 250 g Schlagobers 80 g Zucker ein paar Spritzer Zitronensaft 5 Blatt Gelatine pürierte Erdbeeren Zubereitung Eier trennen, Eiweiß mit der Hälfte des Zuckers zu Schnee schlagen. Eigelb mit restlichem Zucker vermengen, vorsichtig unterheben. Mehl, Stärke und Backpulver durch ein Sieb streichen und zum Biskuitteig geben. Mit dem Schneebesen vermengen. Dadurch wird der Teig schön luftig. In die Form füllen und glatt streichen. Bei 200 Grad 10 Minuten hell backen, abkühlen lassen und in der Mitte teilten – man bekommt zwei dünne Biskuit­ böden. Für die Creme Schlagobers steif schlagen. Die restlichen Zutaten gründlich verrühren und die Sahne unterheben. Gelatine einweichen und in et­ was erhitzter Sahne auflösen, unter die Mischung heben. Biskuitboden auf beiden Seiten mit Erdbeermus bestreichen und Creme auftragen. Zweiten Biskuitboden auflegen. Mit Frischhaltefolie abdecken und mindestens fünf Stunden im Kühlschrank fest werden lassen. Mit Sahne bestreichen, nach Belieben mit Nüssen, Mandeln und Erdbeeren garnieren.

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WALDERALM

" ENTSCHEIDEND. DIE FORM IST NICHT WICHTIGER SIND FRISCHE ZUTATEN AUS DER REGION UND SAUBERE ARBEIT

chön sei es hier oben schon immer gewesen, sagt Rudi vom Stammtisch. „Aber früher war hier längst nicht so viel los.“ „Früher“, das heißt: bevor Herrmann und Christl Krismer die Walderalm vor zehn Jahren pachteten. Denn seitdem gibt es hier oben nicht nur die – offiziell – besten Kaspressknödel in ganz Tirol. Auch die Kuchen und Torten aus der kleinen Kuchl sind berühmt; SchokoNuss-Schnitten, Bananenkuchen, Topfen-Preiselbeerkuchen oder Cremeschnitten – an einem Sommersonntag werden acht bis zehn Bleche verkauft. „Manchmal denke ich, die Leut trinken unsere Kuchen, so schnell gehen die weg“, sagt Christl. Im Winter ist es ruhiger, gemütlicher. Die Walderalm liegt auf 1.501 Metern. Im vorderen Teil der Gaststube sieht man noch, wo früher das Feuer unter den Milchkesseln der Käserei geschürt wurde. Im Küchenanbau herrscht fröhliche Enge. Gemeinsam mit Wirtin Christl bereitet Köchin Petra eine ihrer Spezialitäten vor: Sacherschnitten à la Alm. Die Wiener Sachertorte bekommt einen Tiroler Touch. Denn in der Küche sind die Krismers pragmatisch, wie man es auf einer Alm sein muss. Im Winter ist es mühsam, die frischen Zutaten hochzubringen. „Es ist eng, es muss schnell gehen, und trotzdem machen wir alles frisch von Hand“, sagt Christl. Es fehlt die Zeit und der Platz für klassisch runde Tortenformen. Deshalb werden auf der Walderalm alle Kuchen auf großen eckigen Blechen gebacken. Damit die Sacherschnitten möglichst luftig werden, muss der Teig gründlich gerührt und geschlagen werden. Das meiste macht Petra selbst, nur eine kleine Küchenmaschine im Eck rührt Eidotter, Zucker und Butter schaumig.

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NOCH " KEINER HAT EIN TORTENRECHTECK MIT SCHLAG LIEGEN LASSEN

Eine Sachertorte muss rund sein? Eckig vom Blech schmeckt’s mindestens genauso gut – oder noch besser. 66

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Dann wird die flüssige Schokolade mit Backpulver vermischt und dazugegeben. Zum Schluss rührt Petra den mit 90 Gramm Zucker steif geschlagenen Eischnee unter den Teig. „Nur wenn man gründlich arbeitet“, sagt sie, „geht der Boden im Ofen schön auf.“ Nach 20 Minuten nimmt Petra zwei Kuchenbleche aus dem 190 Grad heißen Ofen – und legt die Rechtecke aufeinander. In die Mitte kommt dick die hausgemachte Marillenmarmelade und obendrauf eine Glasur aus Butter, Zucker, Eiern und herber Schokolade. Bislang hat sich noch niemand, der ein warmes Tortenrechteck mit Schlag auf dem Teller liegen hatte, über die ungewöhnliche Form der Sacherschnitte beschwert. Das ist es, was Rudi vom Stammtisch meint. Die Aussicht ins Karwendel gab es hier oben schon immer. Inzwischen bekommt man auch noch hervorragenden Kuchen.

OBEN Der Teig wird lange und kräftig geschlagen. So werden die Schnitten besonders luftig. UNTEN Die Küchenmaschine gehört zum Hauptinventar. Der Eischnee wird dann vorsichtig unter den Teig gehoben.

WALDERALM HERMANN UND CHRISTL KRISMER Ort: Gnadenwald Höhenmeter: 1.501 Produktion: 8 bis 10 Bleche pro Tag Spezialität: Alm-Sacherschnitten Bester Tipp: Die Form ist nicht entscheidend. Wichtiger sind frische Zutaten aus der Region und saubere Arbeit.

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" DENKE MANCHMAL ICH, DIE LEUTE TRINKEN UNSEREN KUCHEN

An der Marillenmarmelade wird nicht gespart. Die erste Schnitte dick damit bestreichen, dann kommt die zweite drauf.

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ALM-SACHERSCHNITTEN Zutaten: 6 Eier 110 g Zucker 130 g Butter 130 g flüssige Schokolade 90 g Zucker 130 g Mehl 1/2 Pkg. Backpulver Marillenmarmelade für die Füllung Schokolade für die Glasur Zubereitung Für die erste Schnitte die Hälf­ te der Zutaten verwenden: Dotter, Zucker und Butter schaumig rühren. Flüssige Schokolade mit Backpulver vermischen und unterrühren. Eiweiß mit 90 g Zucker steif schlagen und unterheben. Auf einem Blech bei 200 Grad Ober-/Unterhitze 20 Minuten backen. Eine zweite Schnitte backen. Eine davon mit Marillenmar­ melade bestreichen, die zweite Schnitte darauflegen und mit Schokolade glasieren.

Schokolade wird mit Butter, Zucker und Eiern angerührt und verleiht den Schnitten den letzten Schliff. 68

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WOLFGANG WESTERMEIER SEBASTIAN SCHELS

Ice, Ice Baby Dass man in Tirol im Winter hervorragend Ski fahren und langlaufen kann, ist weltbekannt. Doch es gibt noch andere Möglichkeiten, in den verschneiten Bergen große Abenteuer zu erleben: Eisklettern zum Beispiel. Unser Autor hat es ausprobiert. 70

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urz vor meinem ersten Kletterversuch, kurz bevor ich mit zitternden Beinen die Steigeisen in das Eis ramme und nach einem Ziel für die scharfen Spitzen meiner Eisgeräte suche, höre ich in der Nähe einen lauten Knall. War das etwa das Eis? „Gut möglich“, sagt mein Kletterlehrer Michl, kontrolliert die Knoten an meinem Gurt und schiebt mich aufmunternd in Richtung des gefrorenen Wasserfalls. Er scheint nicht sonderlich beunruhigt. „Weiter hinten im Tal bekommt das Eis die pralle Sonne ab. Da kann es schon mal sein, dass sich ein Stück löst.“ Bäm. Ist das ein Startschuss oder ein böses Omen? Der Kletterspot, den Michael Amraser von den Kalser Bergführern in den Hohen

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WERK ZEU G In jeder Hand hält unser Autor ein sogenanntes Eisgerät, mit dessen Hilfe er sich nach oben arbeitet.

Tauern für uns ausgesucht hat, ist der Sonne zum Glück weniger stark ausgesetzt. Es gab genug Auswahl. Der Eispark Osttirol in Matrei ist der größte Eisklettergarten in Österreich. Sobald im Spätherbst die Temperaturen unter null Grad fallen, dreht man die extra angelegten Wasserleitungen über den Felswänden auf – das Wasser läuft hinab, gefriert und bildet eine dicke Eisschicht. 70 Kletterrouten gibt es im Park – wenig steile Eishügel für Anfänger und gigantische Eistürme, die vertikal in den Himmel wachsen und so hoch sind, dass man mehrere Seillängen benötigt, um sie zu bezwingen. An den Hügeln ist Michl schnurstracks vorbeigesteuert. Obwohl ich absoluter Anfänger bin. Jetzt stehen wir vor einer weiß-türkis MEIN TIROL

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schimmernden Wand, die gut zwanzig Meter nach oben geht. Auch in einigen Metern Entfernung spüre ich die Kälte, die die Wand abstrahlt. Aber ich zittere aus anderen Gründen. Die Eiswand wirkt unbezwingbar. Aber jetzt noch einen Rückzieher machen kommt nicht in Frage. Los geht’s. Nach fünf Minuten bereue ich die Entscheidung. Ein vorsichtiger Blick nach unten: Verdammt, ist das hoch! Und überhaupt: Wie verlässlich sind die beiden Pickel, die Michl Eisgeräte nennt und die ich in die Wand schlage, und mich dann mit krampfenden Unterarmen nach oben ziehe? Trotz der eisigen Temperaturen schwitze ich. Mein linker Fuß sitzt nicht richtig, ich rutsche ein paar Zentimeter nach unten, und spätestens in diesem Moment frage ich mich: Was zur Hölle mache ich hier?

EINE SCHWARZE PISTE ANDERER ART Ein paar Stunden zuvor, kurz nach sieben Uhr, ahnte ich noch nicht, was da auf mich zukommt. Gemeinsam mit den anderen Gästen des Matreier Tauernhauses stand ich am Frühstücksbuffet. An der Kaffeemaschine drehten sich die Gespräche um die beste Abfahrt, den Schnee und darum, auf welcher Hütte es das beste Gröstl gibt. Vertraute Sätze. Wintersportroutine. Ich liebe das Skifahren, die verschneiten Berge: schwarze Pisten, Freeride-Routen, Hüttenabende. Oft habe ich vom Hang aus die gefrorenen Wasserfälle gesehen, die wie Monumentalskulpturen am Hang hängen, wunderschön, abweisend und anziehend zugleich. Und manchmal sah ich Leute dort klettern und fragte mich,

KO NZENTR ATI O N Mit verzagten Schritten nähert sich unser Autor der Wand im Eispark Osttirol. Sein Lehrer Michael „Michl“ Amraser von den Kalser Bergführern sichert ihn von unten, gibt Tipps und verteilt – noch wichtiger – viel Lob.

wie das wohl ist. Können das nur Superhelden, Eis-Spidermänner und -frauen oder auch Sterbliche, Leute wie ich? Ich will es ausprobieren. Dafür ist der Bergurlaub doch da: Abenteuer erleben. Als Michl mich am Gasthaus abholt, guckt er sofort auf meine Schuhe. Outdoorstiefel für Stadtmenschen – weiches Leder, weiche Sohle – die ich vor allem deshalb gekauft habe, weil sie so bequem waren. Michl trägt schwere, steife Stiefel, die eine Extrakante haben, an der die Steigeisen fixiert werden. „Na ja, wird schon gehen“, sagt Michl. Wir beginnen mit einer einfachen Übung: Steigeisentraining. Auf einem kleinen Schneehügel gehen wir auf und ab. Michl erklärt mir, wie ich mit den Steigeisen auftreten muss, damit ich möglichst viel Halt habe: „Immer den ganzen Fuß aufsetzen.“ Es fühlt sich an, als hätte ich Saugnäpfe angeschnallt. Leicht o-beinig stakse ich auf dem Hügel herum, auch die steilsten Abhänge bringen mich nicht ins Rutschen. Allerdings wollen wir ja nicht nur im Schnee spazieren gehen, sondern gefrorene Wasserfälle erklimmen. Möglich machen das zwei Frontzacken, die wie Krallen unter meinen Schuhspitzen hervorschauen und die erst in den 1930er-Jahren erfunden wurden. Zuvor konnten sich Bergsteiger auf Gletschern und Eis nur seitwärts fortbewegen. Ab den 1970er-Jahren wurden Steigeisen industriell gefertigt und für die breite Masse erschwinglich. Eine neue Trendsportart war geboren: das Eisklettern. In Tirol gibt es viele berühmte Spots für die Szene: die 80 Meter hohen

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IN DER FERNE HÖRE"ICH EINEN LAUTEN KNALL. WAR DAS ETWA DAS EIS?

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MEIN LEHRER " MICHL WARNT: DAS EIS SEI EIN LEBENDIGES MATERIAL UND AN JEDER STELLE ANDERS

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gefrorenen Wasserfälle in der Salvesenklamm bei Imst, die 220 Meter hohen Steinbruch-Eisfälle im Kaunertal – und viele Eiskletterparks. 2014 war Eisklettern sogar Demonstrationswettbewerb bei den Olympischen Spielen in Sotschi. ZIELEN, ZUSCHLAGEN, ZACK! Das Steigeisentraining macht mir Mut. Ich bin bereit für mehr. Michl erklärt mir, wie ich die Eisgeräte richtig „setze“, also in die Wand schlage: erst zielen, dann mit einem schnellen, entschlossenen Schwung zuschlagen. Doch Michl warnt mich: Eis sei ein lebendiges Material und „an jeder Stelle anders“. Nach Temperaturschwankungen wird es spröde und hält tückische Fallen für Kletterer bereit. Ist viel Luft im Eis eingeschlossen, können beim „Setzen“ der Eisgeräte ganze Brocken abplatzen. Michl klopft hier und da prüfend gegen die Wand. „Das Geräusch zeigt dir, wie das Eis beschaffen ist.“ Er sieht zufrieden aus. Jetzt wage auch ich mich mit den Eisgeräten an die Wand. Zielen, Schwung holen, zuschlagen. Zack. Der erste Schlag sitzt. Ich rüttle am Griff, und obwohl sich die Spitze des Pickels nur einen halben Zentimeter in das Eis gebohrt hat, sitzt sie so fest, dass ich Schwierigkeiten habe, sie wieder herauszuziehen. Einfacher als gedacht, denke ich und wiederhole die Bewegung mit dem linken Arm. Zielen, Schwung holen, zuschlagen. Zack. Die Spitze des Pickels trifft schräg auf das Eis und prallt ab, zwanzig Zentimeter neben der Stelle, die ich eigentlich 74

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EINE FR AG E D ER TECHNIK Mit den Steigeisen und den Eisgeräten kommt unser Autor gut voran in der Wand. Aber hat er genügend Kraft, um bis nach oben zu kommen?

anvisiert hatte. Zu früh gefreut. Michl erklärt mir die verschiedenen Karabiner an meinem Klettergurt, wie ich das Seil in die Sicherungen hängen muss und was eine Eisschraube ist. Schnell schwirrt mir der Kopf. So viele Informationen: Werde ich mich daran erinnern können, wenn ich da oben hänge? Michl sucht eine Einsteigerroute aus und macht den Vorstieg. Während ich ihn von unten sichere, klettert er mit katzenartiger Eleganz nach oben. Alle zwei Meter bohrt er eine Eisschraube in die Wand und hängt das Seil in den Sicherungskarabiner. Oben angekommen, fixiert er das Seil in eine Umlenkung und seilt sich ab. Nach zehn Minuten steht er wieder neben mir, keine Schweißperle im Gesicht. Ist Eisklettern doch nicht so anstrengend? Nach den ersten Metern in der Wand weiß ich: Doch! Sehr! Die Bewegungen sind ungewohnt. Zuschlagen, hochziehen – schon bald schnaufe ich wie beim Dauerlauf. Aber: Es geht rasch nach oben. Anders als Michl muss ich mich nicht um Eisschrauben kümmern – das Seil läuft über die Umlenkung oben, und Michl sichert mich. Und anders als beim Felsklettern muss ich mir die Griffe nicht suchen, ich schaffe sie mir einfach mit Steigeisen und Eispickel. Als ich in 15 Meter Höhe ankomme, fällt die Anspannung von mir ab. Geschafft. Ohne Sturz. Ich bin so stolz, als hätte ich gerade den Großglockner erklommen. Ich genieße den Ausblick. Ein Bartgeier zieht über mir seine Kreise. Dann gebe ich Michl ein Zeichen, setze mich ins Seil und schwebe nach unten. MEIN TIROL

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ÜBERMUT KOMMT VOR DEM … Als ich wieder auf dem Boden ankomme, bin ich vollgepumpt mit Adrenalin und Glückshormonen und kann es kaum erwarten, die nächste Route anzugehen. Das liegt auch an Michl, der mir die Feinheiten der Technik so ruhig und geduldig erklärt wie ein Yogalehrer. Für jeden Minimalfortschritt lobt er mich – und obwohl ich für dieselbe Route drei Mal so lang gebraucht habe wie er, nennt er meine Eisfall-Premiere „gewaltig“. Die nächste Eiswand, die wir uns vornehmen, ist fünf Meter höher und ein gutes Stück steiler. Ich haue, stoße, kicke und schwinge, was das Zeug hält. Bald bin ich süchtig nach dem Gefühl, den Pickel mit einem dumpfen Schmatzen im Eis zu versenken und mich nach oben zu ziehen. Fast kommt es mir vor, als könnte ich mit meinem Werkzeug jedes Hindernis überwinden. Dabei bemerke ich nicht, wie mich langsam die Kräfte verlassen. Als ich mich an einer Spalte entlanghangele, ist plötzlich Schluss. Um einen Überhang zu umklettern, muss ich den Eispickel besonders weit entfernt platzieren. Aber ich bin wie gelähmt. Meine Beine zittern, alle Kraft scheint meinen Körper verlassen zu haben. Was jetzt? Runterklettern? Mein Blick wandert zu meinen Füßen, unter mir der Abgrund, gut 15 Meter sind es bis zum Boden. Panik! „Ich kann nicht mehr“, schreie ich. „Keine Angst“, ruft Michl zurück. „Lass dich einfach in das Seil fallen.“ Stimmt. Das Seil. Das hatte ich in meinem verkrampften Kletterwahn ganz vergessen.

" STOLZ, ICH BIN SO ALS HÄTTE ICH DEN GROSSGLOCKNER ERKLOMMEN "

Mal was Neues? Wer eine Alternative zum Skifahren sucht, muss keine Eiswand erklettern. Welche Winterrandsportart zu wem passt, steht auf www.mein.tirol 76

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Aber einfach loslassen? In Zeitlupe löse ich einen Pickel aus der Eiswand und schlage ihn sofort wieder zurück in das Eis. Was, wenn das Seil nicht hält oder sich am Eis durchgescheuert hat? Die Eiskante, hinter der es verschwindet, siehtscharf aus. Aber länger kann ich mich einfach nicht mehr halten. Ich löse die Eispickel. Erst den einen, dann den anderen – und falle nach unten. Eine Sekunde. Eine Ewigkeit. Dann fängt das Seil mich auf, und obwohl ich nur einen halben Meter nach unten gesackt bin, schlägt mir das Herz bis zum Hals. Völlig durchgeschwitzt erreiche ich den Boden. Michl sagt ein letztes Mal „gewaltig“, dann packen wir zusammen und machen uns auf den Rückweg. Ich kenne das Gefühl, den ganzen Tag am Berg und an der frischen Luft verbracht zu haben, die prickelnde Haut, den angenehmen Schwindel im Kopf und die wackligen Oberschenkel vom Skifahren. Und doch ist alles anders. Ich bin stolz, dass ich meine Angst überwunden habe. Wenn ich die Augen schließe, spüre ich die Kälte der Wand und höre das schmatzende Geräusch, wenn die Eisgeräte in das gefrorene Wasser einschlagen. Zack. Zack. Immer weiter. Immer weiter nach oben. Und das Beste: Ich habe an diesem Tag etwas gelernt, einen neuen Bereich der verschneiten Berge freigeschaltet. Die gefrorenen Wasserfälle sind für mich in Zukunft mehr als ein wunderschöner, gleichzeitig abweisender und anziehender Teil des Winterpanoramas. Sie sind eine neue Möglichkeit. Am Berg gibt es keinen Alltag. Immer wartet das nächste Abenteuer.

G ROS SE AUSWAHL Im Eispark Osttirol gibt es mehr als 70 Routen in allen Schwierigkeitsstufen. Die Eisfälle werden künstlich geschaffen. MEIN TIROL

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SCHWARZ

UND

WEISS

Sie tauchen in Kinderbüchern auf, auf Hochzeitstorten und als Glücksbringer: Kaminkehrer sind die Fabelwesen der Berufswelt. Aber es gibt sie auch noch im 21. Jahrhundert. Besonders wichtig und besonders rußverschmiert sind die Rauchfangkehrer in den verschneiten Tiroler Hochtälern, wo noch viel mit Holz geheizt wird und Wärme besonders wichtig ist.

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GERO GÜNTHER VERENA KATHREIN

Gutes Team: Simon Henökl mit seiner Auszubildenden Elisa und seinem Vater Konrad. 78

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ie Leite in Obernberg gehört zu den höchstgelegenen Orten auf Simon He­ nökls Runde. 1.500 Meter über dem Meeresspiegel liegen die Höfe an dieser steilen, kurvigen Straße. Es ist 8 Uhr morgens, ein kräftiger Wind weht von den Lärchenwäldern herüber, Schnee liegt in der Luft. Am Staudhof steht die Leiter schon parat. „Die Leute wissen ja, dass wir kommen“, sagt der 24-jährige Kaminkehrer. Simon und seine Auszubildende Elisa Pöltl brauchen nur hinaufsteigen und durch den Schnee zum First stapfen. Vorsichtig. Die Dächer könnten vereist sein und rutschig. Auch auf Stromleitungen müssen sie achtgeben, die manchmal keine Isolierung haben. Und dann stehen die beiden auf dem Dach. Zwei schwarze Gestalten umgeben von ganz viel Weiß. Beherzt stecken sie ihre Bürsten in die Kamine. Während Simon das Nylonseil herablässt, erklärt er, dass „Rußpartikel den Abzug des Rauchs behindern und sich selbst entzünden können.“ Gegen diese Gefahr kämpft er. Lässt das Seil hinab, zieht es hoch. Immer wieder, immer weiter. So lange, bis der Kamin durchgeputzt ist. Routiniert wirkt das. Geradezu entspannt. Simon lässt dabei den Blick in die Weite schweifen. Vom Olperer im Osten über den Sattelberg, das Kreuz- und Grubenjoch hinüber zur Tribulaun-Gruppe. Das Massiv liegt wie ein frisch aufgeschütteltes Kopfkissen in der Winterlandschaft.

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„ES IST WICHTIG, DASS UNS DIE LEUTE VERTRAUEN“ „Ich liebe die Berge“, sagt Simon und strahlt dabei über das ganze Gesicht. Ein Lächeln bis in die Haarspitzen, die unter seiner schwarzen Kappe hervorlugen. Eigentlich strahlt der Naturbursche den ganzen Tag wie ein glühender Schwedenofen. Man spürt sofort: Simon Henökl liebt den Beruf, den er in der vierten Generation ausübt. Er ist Rauchfangkehrer mit Leib und Seele. Und obendrein ein grundsympathischer Kerl. So einem öffnet man gerne die Haustür. „Es ist ja wichtig, dass uns die Leute ihr Vertrauen schenken können“, 80

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O B EN In den Tiroler Tälern wird bis in den Sommer geheizt – mit Holz. Der Kaminkehrer kommt öfter als in der Stadt. UNTEN Alte Schule: Bei den alten Holzheizanlagen müssen sich die Kaminkehrer noch die Hände schmutzig machen.

sagt er. Schließlich muss ein Kaminkehrer nicht nur aufs Dach, sondern in die Küche, den Heizungskeller und oft auch die gute Stube. Da hantiert er dann zwischen Familienfotos, Reiseandenken und geschnitzten Jesusfiguren, zwischen Steinkrügen, Plüschtieren, Fernbedienungen. In den meisten Häusern reinigen der Kaminkehrer und seine Auszubildende erst den Holzherd und die Rohrverbindungen, dann den Holzvergaser im Untergeschoss, der für die Warmwassererzeugung genutzt wird. „Bei uns he­roben heizen die meisten Leute noch mit Holz“, sagt Simon. „Die Landwirte haben ja in vielen Fällen selber Forst.“ Das sieht man an den Holzstapeln vor den Höfen. Während Kaminkehrer in der Stadt heutzutage hauptsächlich Anlagen überwachen, Messungen durchführen und Beratungsgespräche in Sachen Energie und Umwelt führen, machen sich Simon und seine Kollegen noch Tag für Tag Hände und Gesichter schmutzig und üben ein altes Handwerk aus. Holzgefeuerte Heizungen produzieren einfach mehr Rückstände als Öl oder Gas. Und diese müssen regelmäßig beseitigt werden. Dass der Kaminkehrer öfter vorbeikommt als anderswo, hat aber noch andere Gründe. „Die Leute in höheren und kälteren Regionen heizen einfach stärker und länger.“ HIER OBEN MUSS AUCH IM SOMMER GEHEIZT WERDEN Fast alle Kunden des Kaminkehrerbetriebs Henökl wohnen über 1.000 Meter Seehöhe. Im Oberen Wipptal muss manchmal noch in den Sommermonaten geheizt werden. Schnee kann hier auch im Juni oder sogar Juli fallen. Kein Wunder,

ICH MAG"DEN JOB: WIR VERBRINGEN VIEL ZEIT DRAUSSEN UND TREFFEN GANZ VERSCHIEDENE MENSCHEN Elisa Pöltl

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O B EN Kaminkehrer Simon Henökl überprüft die Heizung bei seinem Kunden Alfred Larcher. LINKS Im Kehrbuch verzeichnen die Schornsteinfeger jeden Besuch – sie kommen bis zu vier Mal im Jahr.

dass Simon bei den meisten Hausbesitzern vier Mal im Jahr vorbeikommen muss. So sieht es der Gesetzgeber aus Brandschutzgründen vor. Dann fegen er und Elisa die Asche aus den Ritzen, kratzen, schaben und bürsten die schwarzen Rückstände aus den Stahlbehältern. Gleichzeitig kontrolliert Simon den Zustand und die Funktionsfähigkeit der Geräte. Nebenher erklärt er der Auszubildenden die Feinheiten der verschiedenen Anlagen. Etliche Modelle gibt es, und alle müssen unterschiedlich gewartet und geputzt werden. Oft mit vollem Körpereinsatz. „Unsere Arbeit kann sehr anstrengend sein“, sagt Simon: „Besonders die Knie werden dabei beansprucht.“ Seiner Begeisterung für das Handwerk tut das keinen Abbruch, und auch Elisa beklagt sich nicht. „Alle fragen mich immer, ob diese Arbeit nicht zu schwer ist für ein junges Mädchen“, sagt sie und lacht: „Aber für mich ist sie genau richtig“. Die beiden erledigen ihre Aufgaben mit Ruhe und Gelassenheit. Auch wenn es nicht immer einfach ist. Schließlich muss auch bei Regen, Schnee oder Wind gearbeitet werden. Bei starkem Frost ist es auf den Dächern nicht ungefährlich. Trotzdem wird kaum geschimpft, man begegnet sich mit Respekt und Humor. „Der Job ist abwechslungsreich“, sagt Elisa, „wir verbringen viel Zeit draußen und treffen ganz viele verschiedene Menschen.“ FRÜHER WAR ES EIN HARTER JOB Simon und Elisa sind gern gesehene Besucher. „Ich freu ­ mich allweil, wenn die kommen“, sagt Erika Widmann. Die 83-Jährige kannte schon Simons Großvater. Viele Kaminkehrer sah sie kommen, kehren MEIN TIROL

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O B EN „Unsere Arbeit kann sehr anstrengend sein“, gibt Simon zu. „Besonders die Knie werden dabei beansprucht.“ UNTEN Nebel? Wolken? Rauch? Ein Bauernhof vor den Lärchenwäldern. Fast alle Kunden von Simon Henökl wohnen über 1.000 Meter Seehöhe.

" DASS UNS ES IST WICHTIG, DIE LEUTE IHR VERTRAUEN SCHENKEN. WIR ARBEITEN JA IN IHREM ZUHAUSE Simon Henökl

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O B EN Auszubildende Elisa wird oft gefragt, ob die Arbeit nicht zu schwer für sie sei. „Aber für mich ist es das Richtige.“ LINKS Händewaschen lohnt sich erst ganz am Ende der Arbeitsschicht. UNTEN Der Werkzeugkasten: Im Kastenwagen der Kaminkehrer finden sich Bürsten in allen Formen und Größen.

O B EN Beruf mit guter Aussicht: Aber Simon und Elisa müssen aufpassen, auf dem Dach nicht abzurutschen. UNTEN Schwerstarbeit: „Die Leute in höheren Regionen heizen mehr und länger“, sagt Simon. 82

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LINKS Familientradition: Simon Henökl, 24 Jahre, übt den Kaminkehrerberuf in der vierten Generation aus.

und gehen. „Simons Onkel hat manchmal mit einem Buch unter einem Baum gesessen, statt zu arbeiten“, erinnert sie sich. In früheren Zeiten, sagt die Bäuerin, seien die Kaminkehrer noch mit dem Postauto oder zu Fuß ins Tal gekommen. „Die Straße ist ja erst 1964 gebaut worden.“ Eine Woche lang klapperten sie dann die Häuser und Höfe ab. Übernachteten in Stadeln. Damals, als man noch durch enge Schlupfkamine kriechen musste, um sie von unten nach oben zu reinigen. „Ich bin mir nicht sicher“, sagt Simon, „ob ich das gepackt hätte.“ Bald prasselt das Feuer in Erika Widmanns frisch gereinigtem Ofen. „Jetzt zieht er wieder“, sagt sie und freut sich. „Ohne Wärme kann der Mensch halt nicht leben. Schon gar nicht hier heroben.“ Zeit für die Mittagspause. Zusammen mit zwei Kollegen und Simons Vater Konrad kehren die beiden in der Alten Post in Gries ein. Von der Wirtin bekommen die rußverschmierten Kaminkehrer Zeitungspapier zum Draufsetzen. Aber nicht nur die Kleidung der Handwerker, auch ihre Hände sind schmutzig. „Wenn wir das jedes Mal abbürsten wollten“, sagt Simon, „würden wir unsere Haut ruinieren.“ Geschrubbt wird erst abends in der Dusche. Mittags essen die Kaminkehrer eben mit schwarzen Fingern. Das Schnitzel und die Schlutzkrapfen stört es nicht. Noch ein Espresso, und dann geht es weiter. DER KAMINKEHRER ALS UMWELTBERATER Von Hof zu Hof, von Haus zu Haus. Mal kraxeln die beiden Rauchfangkehrer auf neu gedeckte, mal auf jahrhundertealte Dächer. Mal scheint die Sonne, mal herrscht Schneegestöber. In manchen Häusern zwängen sich Elisa und Simon durch enge Luken, dann klettern sie über die Brüstung einer Traktorenauffahrt auf das Dach. Und immer steigen sie in die Heizungskeller hinab, knien neben Skistiefeln, Holzscheiten, Plastikeimern. Leuchten mit den Magnetstablampen ins Innere der Kaminschächte und Kessel. Unermüdlich läuft dabei der Staubsauger. Die Asche wird später draußen verstreut. „Das ist guter Dünger“, erklärt Simon: „Biodünger“. 84 84

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UNTEN Mittagspause: Die Mitarbeiter des Kaminkehrerbetriebs Henökl in der Alten Post in Gries. Die Wirtin hat Zeitungspapier untergelegt.

" KANN OHNE WÄRME DER MENSCH NICHT LEBEN. SCHON GAR NICHT HIER HEROBEN Erika Widmann

"

Der Kaminkehrer kennt sich aus. Schließlich wurde er auch als Umwelt- und Energieberater ausgebildet. Simon weiß also, wie man seinen Ofen am besten schüren sollte, warum eine Hackschnitzelheizung in einer Region, in der fast jeder Holz hat, zum Minikraftwerk wird und wieso Ölheizungen in Tirol nicht mehr in Neubauten installiert werden dürfen. „Für uns Kaminkehrer, sagt Simon, „sind ökologische Gesichtspunkte immer wichtiger geworden.“ Immerhin geht es bei seiner Tätigkeit nicht nur um Sicherheit, sondern auch um Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Weil in den Alpentälern der berüchtigte Feinstaub keine Rolle spielt und es unwirtschaftlich wäre, Gasleitungen zu verlegen, ist die traditionelle Heizmethode zukunftsfähig. Am Ende des Arbeitstages, draußen rieselt der Schnee, klopfen Simon und Elisa dann am Michlerhof. Über 500 Jahre alt ist das Haus, 89 Jahre alt sein Besitzer. Alfred Larcher ist eine kuriose Verbindung aus Filzhut, Rauschebart und Bluejeans. Während die Kaminkehrer sich in seiner Küche zu schaffen machen, schneidet er Käse und Speck auf und holt eine Zweiliterflasche Limonade aus der Speisekammer. „Setzt euch“, sagt der Landwirt und freut sich, dass später auch noch Simons Vater bei ihm auftaucht. Und dann wird erzählt und viel gelacht. Kaminkehrer ist eben nicht nur ein altes Handwerk, sondern auch ein sozialer Beruf. Nachdem man Simon und Elisa einen Tag lang begleitet hat, würde es einen nicht wundern, wenn die beiden tatsächlich Glück bringen würden.

åftang:

Zwoa echte Tyroler.

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DRINNEN

DIE ZEIT DER AUSREDEN TEXT ILLUSTRATION

Die Wintermonate bis Ostern sind eine große, perfide Abfolge von Verführungen und Feiertagen. Was macht das mit uns? Der Sommer ist vorbei, und die Tiroler stehen voll im Saft. Man war sportlich, hat geraftet, stand-upgepaddelt, hat gedownhillt aber auch upgehillt, ist auf jeden Berg zehnmal rauf- und runtergehirscht. Traumkörper sind entstanden, wie man sie nur auf Instagram findet. Aber nun geht eine neue Jahreszeit los: die Zeit der Ausreden, in der hinter jedem Wochenende ein Feiertag lauert und an jedem Feiertag eine Horde von Freunden und Verlockungen an die Tür klopft. Man wird bombardiert mit Einladungen zu Betriebsfeiern und Glühweinbesäufnissen, die das Hüftgold wachsen lassen. Und jedes Mal wird man wieder schwach und findet eine Entschuldigung. Man wollte ja eigentlich brav sein, aber … Es fängt im August an, wenn die ersten Lebkuchenmännchen aus den Regalen zwinkern; hier bleibt man noch standhaft. In den Büros und Firmen des Landes beginnt eine ungewohnte Geschäftigkeit – als müsste man vor einem Unwetter noch schnell die Ernte einbringen, denn man weiß: Wenn erst mal Allerheiligen durch ist, geht nichts mehr. Dann erscheinen die Reiter der Nahrungsapokalypse: Nikolaus, Krampus und die Kekserl-Omas. Jene Magierinnen des Backrohrs, die zwanzig verschiedene Sorten backen können, aber so tun, als wäre nichts dabei: „Ach, i hab halt so a paar ’backen!“, sagen sie, wenn sie einem wie Bombenlegerinnen ihre süßen Säckchen mitgeben, die wenig später im Bauchfett explodieren. Und man nimmt ja eh nur eines! Aber weil das arme Kekserl sich ja im Magen langweilen könnte, schickt man ihm dann doch noch ein paar Kollegen, damit es wen zum Reden hat. Und auch selbst hat man plötzlich viel zu besprechen: Ständig trifft man Leute zum Glühwein, weil: 86

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STEFAN ABERMANN LUDWIG HASLBERGER

STEFAN ABERMANN Der Poetry-Slammer, geboren 1983, lebt mit seiner Familie in Innsbruck. Abermann verfasst neben Bühnentexten auch Romane und Theaterstücke. Zuletzt ist die CD „Tirol Trauma“ erschienen: www. bergton.net

„So jung kemm’ ma nimmer z’amm!“ Offen bleibt die Frage, warum man sich nicht früher schon getroffen hat: Ein Jahr lang wollen die Leute nichts voneinander wissen, aber direkt vor Weihnachten müssen sich plötzlich alle sehen. Und das ausgerechnet am Christkindlmarkt. Kein Ort, ein Zustand: Die Pfandbecher ersetzen für kurze Zeit den Euro als Währung, aus jeder Ritze duftet verführerisch der Zimt, und die Kiachln schwimmen im Fett. Ach, man wollte ja dieses Jahr endlich einmal brav sein, aber … Weihnachten selbst ist dann schon fast nur noch das Tüpfelchen auf dem i. Was man in den Monaten zuvor noch nicht verschlungen hat, vertilgt man nun in einer Woche. Aber man rechtfertigt sich mit einer alten Weisheit: „Fett wird man nicht zwischen Weihnachten und Neujahr, sondern zwischen Neujahr und Weihnachten.“ Jetzt macht nur noch der Magen Dehnungsübungen und die Leber Leistungssport, sodass man sich nach Silvester ein paar Tage krankschreibt. Die Feiertage in Tirol sind fordernder als jeder Arbeitstag, aber wie sagt man: „A Guater hebt’s, und um an Schlechten is’ nit schad.“ Wer aber glaubt, dass damit der Gipfel erreicht wäre, irrt. Denn im neuen Jahr schleppt man seinen Wanst nun durch zahlreiche Fasnachtsfeiern und Faschingsgschnase. Mit jedem Krapfen fühlt man sich stärker und irgendwann kann man beim Axamer Wampeler­ reiten mitmachen, ohne sich das Hemd ausstopfen zu müssen. Die Fastenzeit ignoriert man dann schon recht gekonnt – Sonntage zählen eh nicht dazu, und es kann doch jeder Tag ein Sonntag sein, wenn man sich ein paar Kaskiachl aufbehält. Und wenn dann erst einmal Ostern vor der Tür steht, braucht man mit dem Fasten auch nicht mehr anzufangen. Also isst man mit letzter Kraft eine Familienpackung Eier mit Osterschinken, spült das Ganze mit einem Gauder Bock runter und denkt sich erschöpft: Jetzt brauch ich erst mal Urlaub. Man muss schließlich wieder fit werden – für die nächste Zeit der Ausreden.

DRUCKFRISCH

IN DEN BRIEFKASTEN?


SERVICE

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5 x 5 TIROL Skigebiete

mit Zuganbindung S. 90

Museen

für die ganze Familie S. 92

Volkslangläufe für jedermann S. 93

Übernachtungen,

die man nicht vergisst S. 95

Winterwanderungen mit Hütteneinkehr S. 96

Hohe Berge, goldene Sonnenstrahlen und glitzernder Schnee: Ein Winterurlaub in Tirol ist immer unvergesslich. Aber nur, weil es eh schön ist, müssen wir ja nicht aufhören, nach noch schöneren Orten und Erlebnissen zu suchen. Auf den folgenden Seiten verraten wir Ihnen, wie Sie am bequemsten zur „Wiege des Skisports“ kommen. Was Sie mit der Familie unternehmen können, wenn doch mal kurzzeitig schlechtes Wetter herrscht. Wo Sie sich mit Profisportlern messen können – und nach einer gemütlichen Winterwanderung richtig gute Knödel bekommen. Denn das Perfekte ist für uns gerade gut genug. Oder? ILLUSTRATION

WWW.TIROL.AT/ABO

PATRICK BONATO

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SERVICE

SERVICE

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FÜNF

SKIGEBIETE

mit Zuganbindung

Kein Stau, kein Stress, kein Glatteis. Einfach zurücklehnen und die Bergketten vorbeiziehen lassen. Und dann geht es vom Bahnhof direkt auf die Piste. In viele Tiroler Skigebiete ist die Anreise mit der Bahn die beste Wahl. Diese fünf können Sie besonders einfach mit dem Zug erreichen. 1

SKI ARLBERG

Bahnhof St. Anton

In der „Wiege des alpinen Skisports“ wurde schon in den 1930er-Jahren die erste Seilbahn eröffnet. Heute zählt das Skigebiet zu den bekanntesten der Alpen. Ein geradezu unübersehbar großes Pistennetz mit vielen modernen Liften erstreckt sich rund um den Arlberg – und auch das Nachtleben ist legendär. Von Österreich und den Nachbarländern ist St. Anton ganz leicht und bequem mit dem Zug zu erreichen.

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KITZSKI

Bahnhof Kitzbühel

Kitzbühel lebt vom ­Mythos des Hahnenkammrennens und der berühmten StreifAbfahrt. Mit seiner Schneesicherheit, großartigen Pisten und einer Fülle an gemütlichen Skihütten gehört das Skigebiet zu den beliebtesten Österreichs. Kitzbühel punktet zudem mit edlem Lifestyle und guter Erreichbarkeit. Die flotten ICEs und Railjets düsen direkt in die Gamsstadt.

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SKIWELT WILDER KAISER – BRIXENTAL

Bahnhof Kirchberg / Wörgl / St. Johann / Kitzbühel

Neun Orte, die durch Bergbahnen und kilometerlange Abfahrten miteinander verbunden sind. Es gibt nichts, was es nicht gibt – so könnte das Motto der SkiWelt Wilder Kaiser – Brixental lauten. Die Arena ist so riesig, dass man immer wieder neue Pisten entdeckt, gleichzeitig ist sie auch bestens für Kinder und Anfänger geeignet. So wie die meisten Skigebiete in der Region ist auch die SkiWelt mit Railjet & Co. erreichbar.

" DIE ARENA IST RIESIG. IMMER WIEDER ENTDECKT MAN NEUE PISTEN "

SKISTAR ST. JOHANN IN TIROL

Bahnhof St. Johann Familienfreundlich und vielseitig präsentiert sich das Skigebiet auf der „anderen“ Seite des Kitzbüheler Horns. Höchster Punkt ist der

" AUS HAMBURG DIREKT MIT DEM ICE IN DIE BERGE "

Weitere Skigebiete in Bahnhofsnähe: www.tirol.at/skigebietezuganreise

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Harschbichl auf 1.600 Metern Seehöhe, der von drei Seiten mit Liften erschlossen ist. Kindern und Anfängern erleichtern mehrere kostenlose Übungslifte den Einstieg in den Skisport. Die Schnellzüge der Bundesbahnen halten auch in St. Johann.

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MAYRHOFNER BERGBAHNEN Bahnhof Mayrhofen

Berühmt für seine extrem steile Harakiri-Piste und geliebt wegen seines großen Snowparks, ist das Skigebiet Mayrhofen der Inbegriff für modernen Wintersport. Doch auch Anfänger, Familien und Genussfahrer finden dort, was sie für einen erfüllten Skitag brauchen. Mit dem Schnellzug geht es bequem nach Jenbach, und danach nehmen Wintersportler die „Zillertalbahn“ direkt zur Gondel.

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SERVICE

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Fünf

für die ganze Familie

Museen eignen sich nicht für Familienausflüge? Das stimmt nur, wenn die Kleinen keine Ritter, Bergwerke und Glitzerwelten mögen. Viele Tiroler Kulturbetriebe bieten auch im Winter großartige Kinderführungen an – und so wird aus einem vernebelten Nachmittag schnell ein Spaß für die ganze Familie. Hier fünf spannende Museen für Groß und Klein in Tirol. 1

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MUSEEN

SWAROVSKI KRISTALLWELTEN Wattens

Die Kristallwelten sind ein Kunst- und Erlebnispark, und Millionen Menschen aus aller Welt haben sie bereits besucht. Die Ausstellung wurde zum 100-jährigen Jubiläum der Firma Swarovski nach dem Vorbild der Wunderkammern der Renaissance konzipiert. Seitdem wird die Glitzerwelt kon­stant erweitert und erneuert. Ein Highlight für Kinder ist der fantasievoll gestaltete Indoor-Spielturm, der sich hinter dem „Riesen“ versteckt.

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SILBERBERGWERK

Berge sind nicht nur interessant, wenn man sie besteigt – auch die Reise in den Fels ist hochspannend. „Die Mutter aller Bergwerke“ war einst die größte Silbermine der Welt und brachte der Stadt Schwaz immensen Reichtum. Heute ist der Abbau nicht mehr rentabel, dafür können Besucher unter Tage hautnah die Geschichte des Bergbaus nacherleben. Allein die 800 Meter lange Fahrt mit der Grubenbahn ins Innere des Berges ist ein großartiges Erlebnis für die ganze Familie. Kleiner Tipp: Wasserfeste Schuhe schaden nicht!

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Schwaz

NATURPARKHAUS KAUNERGRAT Fließ

In einer multimedialen Ausstellung unternehmen große und kleine Bergfexe eine virtuelle Wanderung durch den Naturpark Kaunergrat. Die Reise geht von den Hängen im Tal bis zum ewigen Eis auf 3.000 Metern und macht Geologie, Artenreichtum und den Alltag der Menschen erlebbar. Danach bietet es sich an, die Entdeckungsreise an der frischen Luft fortzusetzen. Die Aussichtsplattform „Gacher Blick“ bietet gleich um die Ecke ein beeindruckendes Panorama; die Harber Wiesen locken als Winterwanderziel mitten im Naturpark. 92

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VOLKSLANGLÄUFE für jedermann

BURGENWELT EHRENBERG Reutte

Um 1290 erbaut, war die Burg Ehrenberg das Domizil zahlreicher Fürsten und Könige. Heute können sich Besucher in 14 Schauräumen

" EINE SPANNENDE ZEITREISE INS MITTELALTER "

Im Schwazer Silberbergwerk fühlt man sich fast wie ein Schatzsucher.

INFOCENTER BRENNERBASISTUNNEL Steinach am Brenner

64 Kilometer quer durch die Alpen – in Tirol wird derzeit am längsten Eisenbahntunnel der Welt gebaut. Im 800 Quadratmeter großen Infocenter Brennerbasistunnel werden Themen wie Tunnelbau, Geologie, Umwelt oder die Geschichte des Brenner­passes für die ganze Familie verständlich aufbereitet. Für Kinder gibt es einen eigenen Erlebnisbereich, und auch Führungen durch die Tunnelbaustelle sind auf Anfrage möglich.

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" QUER 64 KILOMETER DURCH DIE ALPEN "

Mehr Museen für einen winterlichen Kulturausflug: www.tirol.at/museen

auf eine Zeitreise ins Mittelalter begeben. Highlights für Kinder sind die Ritter-Rüdiger-Museumsrallye und der Burgspielplatz. Der Festungsberg kann entweder zu Fuß oder per Schrägaufzug erklommen werden. Oben angekommen, wartet mit der „Highline179“ auch die längste Hängebrücke Tirols.

Ob Studentin oder Pensionist, Ehrgeizling oder Spaßsportler – der skandinavische Breitensport wird auch in den Alpen immer beliebter. Bei Volkslangläufen messen sich jedes Jahr tausende Hobbysportler auf der Loipe. Hier fünf coole Jedermann-Rennen in Tirol. 1

SKI-TRAIL TANNHEIMER TAL 2,2 bis 60 km

Beim Ski-Trail Tannheimer Tal – Bad Hindelang werden nicht nur geografische Grenzen überschritten. Der Ski-Trail im Tannheimer Tal ist eine der beliebtesten Langlaufveranstaltungen in ganz Österreich und Deutschland. Die Teilnehmer treten sowohl in der klassischen Technik als auch im Skating gegeneinander an. Für großartige Bilder sorgt zudem das Ballonfestival, das zeitgleich im Tal stattfindet.

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INTERNATIONALER DOLOMITENLAUF 20 bis 60 km

„Jeder ein Sieger über sich selbst“ – das ist das Motto des größten Volkslanglaufs Österreichs. Profis und Amateure kommen nach Osttirol, um sich vor der beeindruckenden Kulisse der Lienzer Dolomiten zu messen. Die Veranstaltung besticht durch eine tolle Atmosphäre und sportliche Highlights, etwa dem Sprint durch die Lienzer Innenstadt oder den Bambini-Marathon. MEIN TIROL

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SERVICE

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Alle Tiroler Volksläufe: www.tirol.at/top-langlaufevents

GALTÜR NORDIC NIGHT RACE 500 und 1.000 Meter

Hobbylangläufer vs. Profi – dieses Format sorgt beim nächtlichen Wettrennen in Galtür für Spannung. Ambitionierte Hobbysportler treten im Sprint gegen Simon Eder, Dominik Landertinger, Urban Lentsch und Simon Schempp an. Als erste Hürde ist jedoch eine 500 Meter lange Qualifikationsrunde zu nehmen, um in das harte K.-o.-Rennen weiterzukommen.

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GANGHOFERLAUF 20 bis 50 km

Der bayerische Schriftsteller Ludwig Ganghofer ist der Namenspatron für den Ganghoferlauf. Er gilt als der älteste Langlaufmarathon Tirols und zählt mit mehr als 1.800 Teilnehmern zu den größten Volkslangläufen des Landes. Vor allem

" DER EINES

SCHÖNSTEN UND ÄLTESTEN RENNEN

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die herrliche Streckenführung durch das Leutaschtal begeistert Sportler und Publikum. 25 bis 50 Kilometer klassisch oder 20 bzw. 42 Skatingkilometer stehen den Teilnehmern zur Auswahl.

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INTERNATIONALER KOASALAUF 28 und 50 km

Der Name „Koasa“ stammt vom berühmten Bergmassiv Wilder Kaiser und gibt einem der traditionsreichsten Volkslangläufe seinen Namen. Auch bei der nächsten Ausgabe werden mehr als 2.000 Teilnehmer aus 20 Nationen in St. Johann erwartet. Neben dem Hauptbewerb über 50 Kilometer ist der „Nachtkoasa“ ein Höhepunkt, bei dem es gilt, im Team möglichst viele Runden zu absolvieren.

ÜBERNACHTUNGEN, die man nicht vergisst

Gewöhnlich war gestern. Wie wäre es stattdessen mit einer Nacht auf einem Felsvorsprung, im Iglu oder mit Sicht auf Österreichs höchsten Berg? Hier fünf Schlafmöglichkeiten für einen ganz besonderen Winterurlaub in Tirol. 1

ADLER LOUNGE 2.621 Meter

60 Dreitausender sieht man durch die Glasfenster der Adler Lounge. Darunter den Großglockner, den höchsten Berg Österreichs. Das Hotel liegt mitten im Skigebiet „Großglockner Resort“, und die Zimmer verbinden Gemütlichkeit mit lässigem Design. Auch kulinarisch spielt die Adler Lounge in der Ersten Liga und bietet sowohl Hüttenklassiker als auch internationale Küche an.

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" DAS BERGMASSIV GIBT DEM LAUF SEINEN NAMEN

FÜNF

SCHNEEKARHÜTTE 2.250 Meter

Die schindelbedeckten Pyramiden der M ­ ayrhofener Schneekarhütte gehören zum Ungewöhnlichsten, was die alpine Architektur zu bieten hat. Besonders exklusiv ist eine Übernachtung in der 19-Quadratmeter-Turmsuite mit 180-Grad-Fensterblick auf die Zillertaler Bergwelt. Ob Heiratsantrag oder romantisches Wochenende, die Schneekarhütte ist ein Ort für große Gefühle.

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IGLUÜBERNACHTUNG SCHNEEDORF HOCHÖTZ 2.000 Meter

Von Weitem nur als weiße Hügellandschaft zu erkennen, entpuppt sich das „1. Igludorf Österreichs“ aus der Nähe als Wunderwelt aus Eis und Schnee. Für Turteltäubchen gibt es das Abenteuer mit Candle-Light-Dinner. Größere Gruppen genießen ein Käsefondue im Iglu. Viele liebevolle Details, ein Aufwärmraum, eine Bar und beheizte WCs sorgen dafür, dass garantiert niemand frieren muss.

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DOLOMITENHÜTTE 1.616 Meter

„Spektakulär“ ist der treffendste Begriff für die Lage der Dolomitenhütte auf einem Felsvorsprung. Statt in Bettenlagern, wie oft auf Hütten üblich, schläft man hier in modernen Zweibettzimmern. Die schönste Aussicht hat man im „Adlerhorst“ genannten Quartier mit Glasfront. Von außen gibt sich die Hütte dennoch urig. Gefertigt ist sie überwiegend aus Lärchenholz, wie der Wald, der sie umgibt. Am nächsten Morgen geht es ganz einfach mit dem Schlitten zurück ins Tal.

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UNTEN Wahl ohne Qual – Winterwanderer im Gaistal können ihren Appetit mit Pressknödeln in der Gaistalalm anregen – und den Resthunger mit Kaiserschmarren auf der Hämmermoosalm stillen.

WANDERUNGEN mit Hütteneinkehr

GIPFELHÜTTE VENET

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2.212 Meter

" DIE DENKBAR BESTE LAGE FÜR EINE HÜTTE? DIREKT NEBEN DER PISTE

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Glasklare Luft, knirschender Schnee und tiefweiße Landschaften: Winterwandern bietet intensive Natur­ erlebnisse. Danach wärmt man die kalten Zehen bei einer heißen Schokolade in der urigen Stube auf. Hier fünf Wanderungen mit besonders gemütlichen Zwischenstopps. MEIN TIROL

Gasthof Pfandl

285 Stufen führen hinauf zum Eingang des berühmten Kaisertals zwischen dem Zahmen und dem Wilden Kaiser. Sie sind der Auftakt zu einer leichten, beschaulichen Winterwanderung durch eines der schönsten Täler Österreichs. Das Tourenziel, die Antoniuskapelle, wurde 1711 errichtet und liegt auf einer kleinen Anhöhe. Aufwärmen kann man sich in den Stuben des Pfandlhofes, der mit Tiroler Schmankerln und Wildspezialitäten aus eigener Jagd beeindruckt.

Wer ein Bett direkt an der Skipiste sucht, ist in der Gipfelhütte Venet auf 2.212 Metern goldrichtig. Neben der Bergstation der Seilbahn gelegen, bietet sie einen 360-Grad-Panoramablick auf die Ötztaler Alpen. Berühmt ist sie auch für ihre freie Sicht auf den winterlichen Sternenhimmel. Besonders luxuriös: die Badewannen direkt am Fenster.

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KUFSTEIN

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PILLERSEETAL

Gasthof Streuböden Alm & Berggasthof Wildalpgatterl

Dörfliches Leben, sanfte Berge, gefrorene Seen – diese Winterwanderung bei Fieberbrunn bietet viele schöne Eindrücke, die man auf Instagram posten kann (wenn man denn ein Netz hat). Zum Aufwärmen steuern Wanderer wahlweise die Streuböden Alm oder den Berggasthof Wildalpgatterl mit eigener Wildzucht an. In beiden Gasthäusern versteht man sich auf die Kunst des Kochens und hervorragende Kompositionen aus regionalen Produkten.

" DORFLEBEN, SANFTE BERGE, GEFRORENE SEEN "

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REUTTE

Ehenbichler Alm

In die verschneiten Lechtaler Alpen führt die Wanderung zur Ehenbichler Alm. Auf einem geräumten Winterweg geht es 650 Höhenmeter bergauf, während das Örtchen Brand vom Berghang gegenüber grüßt. Auf der Alm angekommen, wird man mit einem fantastischen Bergpanorama bis zur Zugspitze belohnt. Spezialität des Hauses ist übrigens der Almgartopf, in dem Gemüse und Bioziegenfleisch schonend gedämpft werden.

ACHENSEE

Alpengasthaus Falzturn

Mitten ins Königreich der Gämsen führt diese Winterwanderung durchs Falzthurntal. Mit etwas Glück kann man sie in den verschneiten Hängen bei der Nahrungssuche beobachten. Die Wanderer haben es bequemer. Sie folgen dem sanft ansteigenden Weg in Richtung Talschluss und finden eine ideale Einkehrmöglichkeit. Ab Februar erlauben es die wärmeren Wintertage, die Sonne auf der Terrasse des Alpengasthauses Falzturn zu genießen. Winterliche Wanderlust – mehr Tipps auf: www.tirol.at/ winterwanderungen-zu-huetten

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OLYMPIAREGION SEEFELD

Hämmermoosalm & Gaistalalm

Das Gaistal war einer der Lieblingsorte des bayerischen Heimatdichters Ludwig Ganghofer. Heute begeistert das Naturparadies zwischen Wetterstein und Mieminger Kette all jene, die idyllische, nicht zu schwierige Winterwanderungen lieben. Die Hämmermoosalm ist bekannt für ihren hausgemachten Kaiserschmarren, während die Gaistalalm mit köstlichen hausgemachten Tiroler Kaspressknödeln lockt. Wo also einkehren? Am besten bei beiden!

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Art-Direktion Daniel Pietsch Director of Photography Jörg Koopmann Druck Alpina Druck GmbH Haller Straße 121 6020 Innsbruck Österreich

Stand August 2019 Alle Angaben trotz sorgfältiger Recherche ohne Gewähr für Richtigkeit.


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