XYZ Sommerheft 2025 Schule und Theater: Orte der Demokratie?

darstellende künste & junges publikum sommerheft 2025

2025 ASSITEJ

Theater der Zeit

ixypsilonzett

darstellende künste & junges publikum

sommerheft

ixypsilonzett

Programm & Tickets www.sdl2025.schul.theater

wissenschaft. Zuversichtlich unruhig bleiben in krisenhaften Zeiten diskurs. Bildungsauftrag, Kunstfreiheit, Empowerment

Veranstalter

Ausrichter Fachverband Schultheater — Darstelltendes Spiel Niedersachsen e.V.

Förderung durch

Kooperationen

praxis. Erinnerungskultur, kollektives Abenteuer und neue Allianzen international. Arts-rich Schools: Kunst als fester Bestandteil des Lehrplans service. Termine und Neuigkeiten

Schule undTheater: Orte der Demokratie?

ASSITEJ Theater der Zeit

HAIRCUTS BY CHILDREN Eine Performance über verrückte Haarschnitte und Macht / Mit Leipziger Kindern \ In Kooperation mit Mammalian Diving Reflex Premiere: 6. September 2025

Junges Schauspiel — Die Premieren der Spielzeit 2025/26 — www.dhaus.de

Schauspiel

»Pinocchio«. Eva Maria Schindele, Hannah Joe Huberty, Jonathan Gyles, Ayla Pechtl, Felix Werner-Tutschku. Foto: David Baltzer

DIE STUNDE DA WIR NICHTS VONEINANDER WUSSTEN 6+ Ein Leipziger Wimmelbild nach Peter Handke

Emil und die drei Zwillinge von Erich Kästner Kinder- und Familienstück Regie: Robert Gerloff Premiere am 16. November 2025 Eine gemeinsame Produktion von Jungem Schauspiel und Schauspiel

Das grüne Königreich von Cornelia Funke und Tammi Hartung Regie: Leonie Rohlfing mit künstlerischer Audiodeskription Uraufführung am 27. Februar 2026

Big Brother is Watching You! nach dem Roman »1984« von George Orwell Regie: Katharina Birch Premiere am 16. Mai 2026

Weiter im Repertoire: Freedom is a Dancer — Pinocchio — Wolf — Faust 1+2+3 — Blindekuh mit dem Tod — Don Quixote — Bin gleich fertig! — Emil und die Detektive

Regie: Martina van Boxen Uraufführung \ Premiere: 21. September 2025 Puppentheater

LEIPZIG

Das NEINhorn von Marc-Uwe Kling Regie: Philip Heitmann und Matts Johann Leenders Premiere am 8. März 2026

EIN GLÜCKSDING 12+ Stimmen und Zeitzeugnisse von damals und heute / Von Lena Gorelik

THEATER DER JUNGEN WELT

Die Tür von Gregory Caers und Ensemble Regie: Gregory Caers Uraufführung am 28. September 2025

The Drop Jugendstück von Lutz Hübner & Sarah Nemitz Regie: Liesbeth Coltof Uraufführung am 5. Dezember 2025 In Kooperation mit der Deutschen Oper am Rhein

Puppentheater

Spielzeit 2025/26

Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen von James Krüss Regie: Robert Gerloff Premiere am 19. September 2025

Regie: Sandra Strunz Premiere: 19. September 2025

DIE GOLDENE GANS 4+ Märchen von Peter Brasch nach den Brüdern Grimm Regie: Ines Heinrich-Frank Premiere: 11. Oktober 2025 Theater mit jungen und alten Leipziger:innen

UND ENDLICH 10+ Rechercheprojekt von Karen Breece Regie: Karen Breece Uraufführung / Premiere: 7. November 2025

Schauspiel

DIE SCHNEEKÖNIGIN 6+ Nach dem Märchen von Hans Christian Andersen Regie: Benedikt Grubel Premiere: 16. November 2025 Materialtheater

OH! 2+ Theater für alle ab 2 Jahren Regie: Julika Mayer Uraufführung / Premiere: 13. Februar 2026 Schauspiel

DER AUSBRUCH 14+ (Arbeitstitel)

Gerechtigkeitsdrama zwischen Sneaker und Scheiterhaufen / Von Fayer Koch Regie: Liesbeth Coltof Uraufführung \ Premiere: 6. März 2026 Schauspiel

FREIBAD 8+ Geschichte über einen ganzen Sommer unter dem Himmel / Von Will Gmehling Regie: Jan Gehler Premiere: 30. April 2026 Theater mit Leipziger Jugendlichen

PEER GYNT 13+ Social-Media-Trip von Joanna Praml und Dorle Trachternach nach Henrik Ibsen Regie: Joanna Praml Premiere: 10. Mai 2026

www.TDJW.de

editorial

von Katrin Maiwald und Nikola Schellmann

L

Katrin Maiwald (sie/ihr) schreibt und spricht aus weißer, nicht-behinderter und queerer Perspektive. Sie ist Theatervermittlerin und Regisseurin sowie 1. Vorstandsvorsitzende der ASSITEJ e.V. Katrin Maiwald arbeitet freischaffend und lebt in Leipzig.

Nikola Schellmann (sie/ihr) ist mit einer weißen und nicht-behinderten Perspektive Mitarbeiterin für Kommunikation und Fachdiskurs im Kinderund Jugendtheaterzentrum in der Bundes­ republik Deutschland (KJTZ) sowie Kuratorin für Austausch- und Diskursformate.

Fotos: Julius Erler und privat

Liebe Leser*innen,

die aktuelle politische und gesellschaftliche Situation stellt Schulen und Theater als Institutionen sowie einzelne Akteur*innen der kulturellen Bildung vor besondere strukturelle Herausforderungen: Unsichere Haushaltslagen, Finanzkürzungen und Personalmangel erschweren Planung, kreatives Schaffen und nachhaltiges Arbeiten. Gleichzeitig verdeutlicht die Zunahme von rechtspopulistischen und extremistischen Tendenzen die demokratische Verantwortung, die Schule und Theater für junge Menschen haben.

In diesem sommerheft 2025 versammeln wir Stimmen, die auf künstlerischer, pädagogischer und organisatorischer Ebene Schule und Theater als Orte der Demokratie gestalten. Erst an der Schnittstelle von Kunst und Bildung werden politische und künstlerische Erfahrungsräume für junge Menschen ermöglicht.

In den Texten geht es darum, Haltung zu zeigen und zukunftsfähige Konzepte umzusetzen. Es geht darum, die notwendige Verbindung von Theater und Schule aufzuzeigen und nachhaltige Allianzen zu bilden. Es geht darum, einer demokratischen – und künstlerischen – Verantwortung gerecht zu werden und deshalb Fragen nach dem Bildungsauftrag von Theater und nach Kunstfreiheit zu stellen.

Darüber hinaus wird in vielen Texten deutlich, wie schwer es ist, Zeit und Raum für Theater und kulturelle Bildung im Schulalltag zu schaffen. Die bundesweiten Verbände des Rats der Darstellenden Künste und Tanz im Deutschen Kulturrat fordern deshalb in einer aktuellen Resolution unter anderem, dass deutschlandweit für alle Schulformen und -stufen verbindlich das Fach Theater / Darstellendes Spiel auf dem Stundenplan steht. Sie beziehen sich dabei auf das im Februar 2024 von den Mitgliedsstaaten der UNESCO verabschiedete Framework of Culture and Arts Education.

Um auch die ländlichen und kleinstädtischen Räume sichtbar zu machen, kommt die Bildstrecke in diesem Heft von FLUX – Netzwerk Theater und Schule.

FLUX ist ein vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefördertes Programm, das 2009 ins Leben gerufen wurde mit dem Auftrag, kulturelle Bildung in den ländlichen Räumen Hessens zu stärken sowie nachhaltige Strukturen in der Zusammenarbeit von Theatern und Schulen zu etablieren. Die Fotos zeigen eine Auswahl aus dem mobilen Gastspielprogramm, mit dem FLUX an Schulen geht. Die Stücke werden in Klassenzimmern, in Turnhallen, in Aulen oder auf dem Schulhof aufgeführt und mit theaterpädagogischen Workshops nachbereitet. Über die Gastspielreihe hinaus bietet FLUX partizipative Projekte und Formate an, die ortsspezifisch und bedarfsorientiert angelegt sind und zum Diskurs über Kulturelle Bildung auf dem Land einladen möchten.

Das Wort „flux“ bedeutet etymologisch „ständige Bewegung“. Es verweist auf Fluss (flow), auf Wandel (change), auf Strom (current, power, stream), auf Flut (flud). In Bezug auf Fragen nach Orten der Demokratie finden wir das ein sehr passendes Bild: Wir müssen in Bewegung bleiben und viele Fragen immer wieder stellen.

In diesem Sinne viel Freude beim Lesen dieses sommerhefts!

Katrin Maiwald und Nikola Schellmann

vermittlungskunst

inhalt

2

wissenschaft

4

Wann, wenn nicht jetzt? Überlegungen zu didaktischen Verschiebungen über den Weg der performativen Vermittlung von Noëmi Berger

diskurs

9

Schöner wählen Das Kinderwahlbüro als Experiment von Elisabeth Hoppe im Gespräch mit Hannah Kowalski

12

Liebe auf den ersten (oder zweiten) Blick Über nachhaltige Kooperationen zwischen Theater und Schule – Ein Beziehungsdrama in 5 Akten von Petra Fischer

16

To learn or not to learn – Was können junge Menschen heute tatsächlich im Theater lernen? von Line Ott

19

Kunstfreiheit oder Bildungsauftrag?

Die Frage nach demokratischer Verantwortung von Schule und Theater von Ali Napoé

22

Krake Demokratie mit acht Armen von Alexander Benke und Natascha Grasser

24

Dieser Text könnte zwei Anfänge haben Erinnerungskultur an der Schnittstelle von Theater und Schule von Anja Sparberg und Barbara Raub

28

Mitmachen und Gefragt-Sein als Teil der Theatererfahrung Ein Streifzug durch die Junge Theaterwerkstatt am Zoo von Esther Boldt

30

Statt Stadt Land Kleinere Welt, größere Banden von Sebastian Schimmel

international

35

Arts-rich Schools Das pulsierende Herz der Kunst-Teilhabe The Pulsing Heart of Arts Access von Yvette Hardie in einer Übersetzung von Lynnette Polcyn

service

46

Neuigkeiten Termine Impressum

ixypsilonzett darstellende künste & junges publikum sommerheft 2025

47 48

ASSITEJ

Theater der Zeit

ixypsilonzett

darstellende künste & junges publikum

sommerheft

2025

briefwechsel

Coverfoto: MOVE IT Hessisches Landestheater Marburg Foto: Jan Bosch

praxis

Programm & Tickets www.sdl2025.schul.theater

wissenschaft. Zuversichtlich unruhig bleiben in krisenhaften Zeiten diskurs. Bildungsauftrag, Kunstfreiheit, Empowerment praxis. Erinnerungskultur, kollektives Abenteuer und neue Allianzen international. Arts-rich Schools: Kunst als fester Bestandteil des Lehrplans service. Termine und Neuigkeiten

Schule Theater: Orte der Demokratie?

und

ASSITEJ Theater der Zeit

Klasse Kinder!

LIGNA/Künstler*innenhaus Mousonturm Fotos: Ralf Groemminger

rubrik

Schule

Theater

: Orte der

3

und

Demokratie?

Wann, wenn nicht jetzt?

4

Überlegungen zu didaktischen Verschiebungen über den Weg der performativen Vermittlung von Noëmi Berger

wissenschaft

U

Unsere Gegenwart ist geprägt von politischer Verworfenheit, Krieg, Rechtspopulismus, Klimakrise und Ressourcenmangel. Hochrechnungen machen deutlich, wie durch Entwaldung, Zerstörung von Böden und Meeren ein Artensterben von enormem Ausmaß stattfindet. Parallel scheitern politische Abkommen, Friedensverhandlungen verlaufen im Sand. Wie gelingt es, nicht in apokalyptisches Zukunftsdenken abzudriften und handlungsfähig zu bleiben? Welche Fähigkeiten müssen entwickelt werden, welche Lernprozesse ausgelöst, um mit diesen Anforderungen Schritt halten zu können? Welche Rolle kann die Praxis des Vermittelns ausgehend von Theater an Schulen einnehmen?

Wie können künstlerische Strategien befähigen, sich in der Gegenwart zu verbinden? Die Annahme, dass Bildung durch Transformation1 stattfindet, durch unerwartete oder krisenhafte Herausforderungen ausgelöst wird, spricht der gegenwärtigen Zeit Potenzial zu. Also die Annahme, dass Bildung dann stattfindet, wenn sich Selbst- und Weltverhältnisse transformieren, Lernprozesse durch neuartige Problemlagen oder Krisenerfahrungen ausgelöst werden.

Voraussetzung für diesen Bildungsbegriff ist, dass eine Krisenerfahrung nicht bloss als etwas Schlechtes, etwas zu Betrauerndes oder Unveränderbares wahrgenommen wird, sondern als einen Möglichkeitsraum, bestehende Perspektiven zu erweitern, Strukturen zu verschieben. Bildung wird innerhalb dieser Theorie als einen Prozess beschrieben: „der

1

Vgl. Marotzki, Koller, Sanders, 2007, S. 7

durch einen fremden Anspruch herausgefordert wird.“2. Ich kann nicht aus mir heraus, mit mir allein in bildende Momente einzutauchen, mich weiterzuentwickeln und Lernprozesse zu durchlaufen. Weiter stütze ich mich auf die These von Thomas Alkemeyer, dass Lernen als gemeinsam agierende Körper stattfindet3. Alkemeyer empfiehlt denjenigen, die etwas über die Wirklichkeit von Lern- und Bildungsprozessen erfahren möchten, nicht über die Körperlichkeit ihrer Vollzüge wegzusehen und fragt somit, im Anschluss an Bordieu, nach den konkreten Praktiken des Lernens. Er betont dabei Bordieus Erkenntnis, dass Körper immer beteiligt sind, selbst bei vermeintlich rein mentalen Akten. Diese Ausgangslage spricht für performative Praktiken als mögliche didaktische Wege und fordert didaktische Logiken heraus, die den Unterricht so strukturieren, dass Lernprozesse „aus alltäglichen Handlungskontexten herausgelöst und von allen vermeintlich störenden Einflüssen bereinigt“4 stattfinden. Häufig finden performative Praktiken an Schulen parallel zu didaktischen Grundstrukturen statt, in eigens dafür geschaffenen Gefässen. Ich sehe den Möglichkeitsraum innerhalb der Zusammenarbeit von Lehrpersonen und Vermittler*innen, die sich gemeinsam dem Problem der Didaktik annehmen. Vor kurzem hab ich einem Kommentar in den sozialen Medien gelesen, der im Kontext einer Preis-Verleihung für Kinder- und Jugendtheater einen Inhalt beschrieb, 2 3 4

Vgl. Ebd., S. 14 Vgl. Friebertshäuser, Rigger-Ladich, Wigger, 2006, S. 119–140 Friebertshäuser, Rigger-Ladich, Wigger, 2006, S. 126

wissenschaft

der beeindruckte, weil er klug, vielschichtig, spielerisch, dynamisch und keinesfalls didaktisch gebaut ist. „Didaktik ist im Moment das grösste und wichtigste Unterrichtsfach.

Daran geht die Schule zugrunde“5, wie Karl-Josef Pazzini das Problem mit der Didaktik bereits vor Jahrzehnten formulierte – dass Schüler*innen lernen, dass etwas rauskommen muss und dass sie ihren Lehrpersonen eine Freude machen müssen. Dass Haltungen von Lehrpersonen durch Schüler*innen erlernt und übernommen werden, ohne Spielraum, diese kritisch befragen zu können. Alkemeyer benennt die Logik des Schulzimmers, die den Effekt habe, dass erwartete Verhaltensweisen durch Einschleifen typischer Körperhaltungen, Gesten und damit Sichtweisen angeeignet werden.

Dass im Verlauf dieses Prozesses, die mitgebrachten Habitus6 der Schüler*innen überformt werden. Wenn es Schüler*innen gelingt, sich dieser Einschleifung hinzugeben, würde ein Sinn dafür entwickelt, das eigene Verhalten immer besser differenzieren sowie evaluieren zu können und den schulischen Erwartungen anzupassen. Ich beobachte, dass Schulprogramme, Schulleitungen und Lehrpersonen gegenwärtig das Gegenteil erreichen wollen und mittels partizipativer Projekte Verschiebungen innerhalb von Schule auslösen möchten. Alkemeyer beschreibt, dass in der Schule verschiedene Inhalte in verschiedenen Räumen erlernt werden: „Während die Vermittlung von Lernstoff` das Sitzen an den Schultischen voraussetzte, fand die Strukturübung demokratischen Verhaltens in einer Ordnung ringförmiger Geschlossenheit statt, in der die Schülerinnen und Schüler eng beieinander sassen und der Aussenwelt demonstrativ den Rücken zukehrten.“7 Alkemeyer beobachtet, dass Schüler*innen, die sich sicher fühlen, sichtbar werden, in dem sie in der freien Rede ihre Gedanken vermitteln können. Wobei die Spannung, die andere Schüler*innen fühlen, durch verknotete Hände, zitternde Stimmen, aufgeregt-wippende Beine ebenso sichtbar wurde. Hilflose Gesten wie Grimassen, die versuchten, das eigene Scheitern mittels Komik zu verbergen8. Alkemeyer schlussfolgert, wie die Aufmerksamkeit auf Körper innerhalb von Unterricht transparent werden lasse, wie mit schulischen Bildungspraktiken immer auch eine Selbsteinschätzung erlernt wird, die performativ bestätigt wird. Wie kriegen wir es hin, das Stillstellen des Körpers9 innerhalb des Schulzimmers, das den Effekt hat, Körper zu Objekten zu konstituieren, welchen von Lehrpersonen und Mitschüler*innen besondere Aufmerksamkeit gezollt werden, zu verschieben? Und wie gelingt es, die Aufteilung zwischen Lehrenden und Lernenden punktuell aufzulösen und bestehende Haltungen benennen und kritisch diskutieren zu können? Im Projekt unruhig bleiben (2023), das ich im Rahmen des Studiengangs Theaterpädagogik (Master of Arts) in Zürich (ZHdK) ins Rollen bringen konnte, startete ich mit einem Team aus unterschiedlichen Akteur*innen den Versuch, das Klassenzimmer innerhalb des bestehenden Unter5 6 7 8 9

Pazzini: Kunst existiert nicht. Es sei denn als angewandte Vgl. Friebertshäuser, Rigger-Ladich, Wigger, 2006, S. 131 Ebd., 2006: S. 131 Vgl. Ebd., 2006, S. 132 Vgl. Ebd., 2006, S. 129

5

richts zu verlassen, als einen möglichen Ausgangspunkt, den genannten Anliegen näher zu kommen. Auszuschwärmen und rund um die Schule mögliche Räume für gemeinsam agierende Körper zu entdecken, den gewohnten Radius, in welchem Lernprozesse ausgelöst werden, zu erweitern. Das Vermittlungs-Team von unruhig bleiben (2023) setzte sich aus Jeanne Lehnherr, Tanz- und Bewegungspädagogin; Deborah Berger, Sozialarbeiterin und Projektleiterin am Kinderbüro

Wie gelingt es, die Aufteilung zwischen Lehrenden und Lernenden punktuell aufzulösen?

Basel-Stadt (CH); Claudius Skorski, soziokultureller Animator, bildender Künstler, Musiker; Yossi Herzka, Theaterschaffender und mir zusammen. Um uns im weiten Feld der Vermittlung verorten zu können, entschieden wir uns für den Begriff der performativen Vermittlung, eine Vermittlungsrichtung innerhalb der Verknüpfung beider Systeme, die zusätzlich zu den wichtigen Feldern des projektbasierten Arbeitens, der künstlerisch-kulturellen Profilförderung einer Schule oder des Darstellenden Spiels eingeordnet wird. Wir trafen innerhalb eines Schuljahres in verschiedenen Etappen auf fünf unterschiedliche Schulklassen (3.-6. Grundstufe) der Primarstufe Muttenz (BL/ CH) und entwickelten gemeinsam mit ihnen ein Empathie-Training, das Kritters-Training.

Donna J. Haraways Buch Staying with the Trouble – Making Kin in the Chthuluncene (2016) bildete die Grundlage dieses Kritters-Training die Praktik des Sich-verwandt-Machens:

Haraway bietet neben wissenschaftlichen und feministischen auch fiktionale Handlungsmöglichkeiten an. „Kin (Verwandtschaft, Sippschaft) ist eine wilde Kategorie, die viele verschiedene Leute zu zähmen versuchen. Sich auf eigensinnige Art verwandt zu machen, anstatt, oder zumindest zusätzlich, mit der göttlichen, genealogischen und biogenetischen Familie, rührt wichtige Dinge auf; (...) die Frage, wem gegenüber man eigentlich verantwortlich ist. (...) welche Kritter verbinden und trennen die Verwandtschaftslinien, und warum das Ganze?" (Haraway, 2018: S.11) Haraway bietet neben wissenschaftlichen sowie feministischen auch fiktionale Handlungsmöglichkeiten an. Ihr Vorschlag, sich auf eigensinnige Art und Weise mit allem, was ist, verwandt zu machen, lässt sich unglaublich gut mit den Ansätzen des transformatorischen Bildungsbegriffes und der Idee des kollektiven Lernens durch gemeinsam agierende Körper in der Grundschule denken. Wir Vermittler*innen vereinbarten mit den fünf Lehrpersonen verschiedene Termine,

6

wissenschaft

um sie innerhalb ihres Unterrichts zu besuchen. Pro Besuch kamen zwei Vermittler*innen in die Schule. Die Kinder wurden im Vorfeld nicht eingeweiht. Mitten im Unterricht tauchten wir also zu zweit auf und stellten uns als Kritters vor. Neben der Fähigkeit, dass wir uns mit allem, was ist, verwandt machen können, erklärten wir, dass wir nur in der Mehrzahl existieren können, also als Kritters. Ein Kritter alleine ist nicht lebensfähig. Dass wir auf der Suche nach weiteren Kritters bei ihnen gelandet waren, leuchtete den Kindern sofort ein. Um auszuloten, ob eine Zusammenarbeit möglich sein könnte, fragten wir die Kinder und Lehrpersonen

Ein Kritter alleine ist nicht lebensfähig. Dass wir auf der Suche nach weiteren Kritters bei ihnen gelandet waren, leuchtete den Kindern sofort ein. nach ihren je einzelnen Verwandtschaften, die sie in ihrem Leben bereits ausgebildet hatten. Neben den biologischen Verwandtschaften, bestanden bereits vielfältige Verwandtschaften zu Freund*innen, Büchern, Dinosauriern, Steinen, Energiegetränken, Sportarten, Atomen, Rollbrettern, digitalen Geräten, Praktiken wie Essenszubereitung oder Geschichten erfinden, zum Sammeln verschiedenster Objekte, Geheimschriften und vielem mehr. Diese erste Frage nach bestehenden Verwandtschaften legte die Grundlage offen, auf der unsere Zusammenarbeit startete, bildete die Ressourcen der fünf verschiedenen Kollektive, bestehend aus allen anwesenden Menschen, ab und führte zur Etablierung fünf unterschiedlicher Klassenwesen. Dass wir uns für das Kollektiv interessierten und gleichzeitig unsere individuellen Ressourcen bewahren und neue Verwandtschaften etablieren wollten, löste bei allen fünf Klassenkollektiven eine Lust aus, die sie unmittelbar in körperliches Agieren versetzte.

Nach ersten kollektiven Verhandlungen mittels Austestens verschiedener Gangarten, der Erkundung der Lieblingsplätze rund um das Klassenzimmer (drinnen wie draussen), loteten alle Beteiligten aus, wie sie die Klassenwesen nennen könnten. So, dass jedes Individuum sich innerhalb des Namens heimisch fühlen konnte. Wir arbeiteten unter anderem mit den Nikebarahs oder den Chiwantmuts. Inspiriert von Haraways Aufforderung: „Die Aufgabe bestehet nun darin, reagieren zu können, und zwar gemeinsam (...) sich entlang erfinderischer Verbindungslinien verwandt zu machen und eine Praxis des Lernens zu entwickeln (...) die Verflechtung

von uns sterblichen Krittern (..)“10 loteten wir das-proaktiveSich-verwandt-Machen, mit allem was ist und noch nicht in Verwandtschaft zu einem steht, aus. Alle anwesenden Personen konnten ihre individuellen Verwandtschafts-Anliegen innerhalb des Kollektives parallel zueinander aufnehmen.

Diese Haltung kurbelte die Kraft der Imagination an, vermochte körperliches Handeln sehr direkt auszulösen und löste das bestehende Verhältnis zwischen Lernenden und Lehrenden auf. Über Haraways Konzepte forderten wir unseren bestehenden Naturbegriff heraus, in dem wir Natur als alles was ist, alles was uns umgibt, definierten: Menschen, Plastik, Autos, Würmer, Wiesen, Streit, Straßen, um einen Bruchteil zu nennen. Über die Erkundung, wer sich an welchen Orten rund um das Klassenzimmer und das Schulhaus wohlfühlt und wo wiederum nicht, vertieften wir kollektives Agieren. Wir erlebten uns alle als Teile eines Klassenwesens, das, in verändernden Distanzen, durchgehend zusammenhängt.

Mittels Kreide-Spray zogen die einzelnen Individuen Linien vom Klassenzimmer über den Pausenhof zu den Plätzen rund um die Schule. Das Linien-Netz aus neonrotem KreideSpray wurde dichter und zog sich über Wiesenstücke, Kiesflächen und unter Basketballkörben hindurch. Linien kreuzten sich, Verbindungen und mögliche Abzweigungen taten sich auf. Wir bewegten uns in unterschiedlichen Missionen auf diesem Klassennetz. Ausgehend von der Frage, wie sich dieses Klassenwesen fortbewegt, hin zu Erweiterungen in unterschiedlichen Spielanlagen, erkundeten die Kollektive Wege. Mit der Zeit entdeckte ein Klassenwesen neonrote Linien-Wege eines anderen Klassenwesens, das sich ebenfalls mitten im Kritters-Training befand. Die Wege führten zu deren Versteck-Orten, Lieblings-Orten, Angst-Orten, Geheim-Orten. Perspektivwechsel über das Nehmen anderer Fährten, das sich Hineinversetzen in Menschen, Tiere, in Plastiksäcke, die auf dem Pausenhof unterwegs sein könnten. Begegnungen mit Unerwartetem und Erwartetem. Wo lauern Gefahren? Wo finde ich Schutz? Weshalb benötigt eine andere Person Schutz und wo findet sie diesen? Mit wem möchte ich mich verstecken? Mit wem nicht? Warum?

Wo kann ich eine Geschichte erahnen? Wo braucht es Wege, die noch nicht da sind? An welchen Orten können welche Themen verhandelt werden? Die Lehrpersonen konnten und können die Plätze und Herangehensweisen innerhalb ihres Unterrichts einbauen, auch wenn wir Vermittler*innen nicht vor Ort waren oder sind. Wie entwickelt sich ein Narrativ, wenn Kinder Geschichten auf einem Baum oder hinter einer Kiesgrube erfinden? Wie verändert sich das gemeinsame Lernen im Klassenraum, wenn dieser gezielt aufgesucht wird? Wann ergibt es für wen Sinn, sich in diesen 10 Haraway, 2018: S.9

wissenschaft

Raum zurückzuziehen und wann für wen nicht? Wie gelingt es, sich als Klassenwesen, inklusive Lehrperson und Vermittler*innen, auch dann vernetzt zu fühlen und gegenseitig in Prozesse einzuweihen, wenn nicht alle im selben Raum sind, respektive an unterschiedlichen Orten auf unterschiedliche Weisen geforscht wird? Welche Regeln müssen verhandelt und welche Vertrauensbasis kann etabliert werden? Was funktioniert nicht? Wie können dominierende Haltungen kritisch befragt werden? Unser Prozess wurde durch die Schulleitung der Primarschule Muttenz getragen und unterstützt. Wir Vermittler:innen vernetzten uns mit weiteren Akteur:innen rund um die Bildungsinstitution Schule hier in der Schweiz. Mittlerweile befindet sich die Suche rund um die performative Vermittlung erneut in einer konzeptionellen Phase, angetrieben vom Kollektiv Sämy*Zunder: Jeanne Lehnherr, Produktionsleitung; David Reichel, Theaterpädagoge/ Vermittler und mir in der Projektleitung. Wir befinden uns in der Phase der Eingabe und fragen aktuell Stiftungen an, uns innerhalb der nächsten Etappe, der Pilotphase, zu unterstützen. Bei grünem Licht ist es unser Anliegen, unsere Zusammenarbeit zu erweitern, weitere Akteur*innen und Schulen einzubinden. Unser Ziel nach der Pilotphase ist es, in der Schweiz eine Fachstelle unter dem Dachbegriff der performativen Vermittlung zu gründen. Wir sind sehr interessiert, uns mit Praktiker*innen innerhalb der Vermittlung, Lehrpersonen, Kindern, Theoretiker*innen und weiteren Akteur*innen im Feld der Schnittstelle der beiden Systeme zu vernetzen. Was uns aktuell umtreibt: Welche Formate, Kooperationen und Projektkonstellationen eignen sich, um Theorien wie auch Praxiserfahrungen mit unterschiedlichen Kritters beider Systeme nachhaltig auszutauschen? Wie können wir uns, in und um die beiden Systeme, verstärkt miteinander verwandt machen und kollektiv-agierend performative Praktiken als didaktische Wege weitertreiben, die befähigen, zuversichtlich zu lernen und sich in und mit der Gegenwart zu verbinden? Wie können wir theoretisch-wissenschaftliche und gleichzeitig künstlerisch-forschende Herangehensweisen parallel weitertreiben und eine nachhaltige Zusammenarbeit etablieren?

7

Beide Systeme miteinander verwandt machen und kollektiv-agierend performative Praktiken als didaktische Wege weitertreiben!

Quellenverzeichnis Alkemeyer, Thomas: Lernen und seine Körper. Habitusformungen und -umformungen in Bildungspraktiken. In: Friebertshäuser, B./ Rieger-Ladich, M./Wigger, L. (Hrsg.): Reflexive Erziehungswissenschaft. Forschungsperspektiven im Anschluss an Pierre Bourdieu. Wiesbaden, 2006: Verlag für Sozialwissenschaften, S. 119–140.

Haraway, Donna J.: Unruhig bleiben. Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän.

Frankfurt am Main, 2018.

Koller, Hans-Christoph/ Marotzki, Winfried/ Sanders, Olaf: Einleitung. In: Koller C./ Marotzki W./ Sanders O. (Hg.): Bildungsprozesse und Fremdheitserfahrung.

Beiträge zu einer Theorie transformatorischer Bildungsprozesse. Bielefeld, 2007: transcript Verlag, Einleitung S. 7–11 Kokemohr, Rainer: Bildung als Welt- und Selbstentwurf im Anspruch des Fremden.

Eine Theoretisch-empirische Annäherung an eine Bildungsporzesstheorie. In: Koller C./ Marotzki W./ Sanders O. (Hg.): Bildungsprozesse und Fremdheitserfahrung.

Beiträge zu einer Theorie transformatorischer Bildungsprozesse. Bielefeld, 2007: transcript Verlag, Vorbemerkung S. 13–20 Pazzini: Kunst existiert nicht. Es sei denn als angewandte

Noëmi Berger hat an der Zürcher Hochschule der Künste und der Pädagogischen Hochschule studiert, arbeitet freischaffend wie angestellt, bewegt sich zwischen Stückentwicklungen, Theater in Kontext und Schulen. Sie lebt in Basel (CH).

Foto: privat

Mein ziemlich seltsamer Freund Walter Hessisches Landestheater Marburg Foto: Jan Bosch

9

Schöner wählen Das Kinderwahlbüro als Experiment

I

von Elisabeth Hoppe im Gespräch mit Hannah Kowalski

Hannah, wir sind hier im Kinderwahlbüro. Magst Du kurz erklären, was das für ein Raum ist und was hier passiert, wenn Kinder kommen?

Das Kinderwahlbüro ist ein Ort, an dem Kinder wählen können, in diesem Fall für die Hamburger Bürgerschaftswahl und für die Bundestagswahl. Damit sie wählen können, gibt es verschiedene Angebote, die es ihnen ermöglichen, sich politisch zu informieren und ihre eigene Position zu reflektieren. Dafür gibt es drei verschiedene Räume im Kinderwahlbüro. Im ersten Raum laufen Videos mit Interviews, die Schüler*innen aus der siebten Klasse mit Politiker*innen geführt haben. Im zweiten Raum geht es um die Wünsche und Begehren der Kinder. Es gibt eine Station, an der sie sich einen Saft mischen lassen können, der auf ihren politischen Wünschen basiert. Und an einer Bastelstation können sie ihre Forderungen an die Politik gestalten. Hier, im dritten Raum, dem Hauptversammlungsraum des Kinderwahlbüros, begrüßen wir die Schüler*innen zu Beginn mit einer kleinen Lecture-Performance. In diesem Raum gibt es eine Bürgermeister*innen-Bühne, auf der die Kinder eingeladen sind, eine Rede zu halten: Was wäre, wenn du Bürgermeister*in

von Hamburg wärst? Außerdem gibt es eine Entscheidungsebene, auf der man gemeinsam Fragen stellen und ausprobieren kann, wie es ist, sich gemeinsam zu entscheiden. Es gibt eine TikTok-Station, an der Videos laufen, die Schüler*innen der achten Klasse zusammen mit Studierenden der HAW erstellt haben, um verschiedene politische Parteien vorzustellen. Und natürlich gibt es auch die Glitzerwahlkabinen, in denen dürfen die Kinder am Ende wählen.

Dies ist bereits das zweite Mal, dass ihr ein Kinderwahlbüro eröffnet habt. 2020 habt ihr das bereits einmal gemacht. Aber wie kam es überhaupt zu dieser Idee?

Das Kinderwahlbüro ist ein Ergebnis meiner Promotion.

Meine Promotion trägt den Titel Das Theater der Entscheidung – Die Rolle des Performativen beim Abstimmen. In diesem Rahmen habe ich fünf Jahre lang untersucht, wie man kollektive Entscheidungsprozesse mit Kindern so gestalten kann,

Was wäre, wenn du Bürgermeister*in von Hamburg wärst? dass sie sowohl lustvoll als auch motivierend sind. Ich habe szenische und räumliche Bühnenelemente verwendet, um zu testen, wie dieser Prozess, bei dem Menschen versuchen, mit ihren Interessen übereinzukommen, zu einem vergnüglichen Erlebnis werden kann. In dieser Forschung habe ich einen Versammlungsraum kreiert, in dem es konkrete Objekte gab – wie dimmbare Leuchtstoffröhren, um Stimmungsbilder sichtbar zu machen, oder die Entscheidungsebene, eine runde Wippe, die sich immer dorthin neigt, wo das meiste Gewicht ist. Auch mit Bodenfeldern habe ich viel experimentiert. Nachdem diese Objekte in meiner Forschung entwickelt waren, kam bei uns am FT der Gedanke auf: „Jetzt hätten wir eigentlich das Mobiliar für ein Kinderwahlbüro – also machen wir das doch!“ Die Ausgangsfrage deiner Promotion war, inwiefern sich durch die Gestaltung von Entscheidungsverfahren die Fähigkeit zu entscheiden und die Motivation, gemeinsam eine Entscheidung zu treffen, verändern. Zu welchem Ergebnis bist Du gekommen?

Eines der Ergebnisse aus dem Forschungsprozess war, dass es wichtig ist, die Frage, wie wir abstimmen, immer wieder neu zu verhandeln. Also, dass man diese Räume, in denen entschieden wird, nicht als festgelegt ansieht, sondern als experimentelle Anordnung, als einen Entscheidungs-

diskurs briefwechsel

Ich treffe mich heute mit Hannah Kowalski im FUNDUS THEATER in Hamburg.

Das FUNDUS THEATER | Forschungstheater ist ein szenisches Labor, das für seine partizipativen Projekte mit und für Kinder und Jugendliche bekannt ist. Hannah ist seit 18 Jahren Teil des FUNDUS | Forschungstheaters (FT). Ich möchte sie zu ihrer Promotion über kollektive Entscheidungsfindung mit Kindern befragen und dem daraus resultierenden Projekt, dem Kinderwahlbüro.

Ich befinde mich in einem typischen Theaterraum, die Decke voller Scheinwerfer, viel Schwarz, rundherum mit Molton abgehängt. Ungewöhnlich ist nur, es gibt keine erkennbare Bühne. An einer der Wände werden Videos projiziert, daneben hängen Kopfhörer. An einer anderen Seite des Raumes sind Neonröhren an der Wand installiert, davor eine weiße Bodenfläche und Kostüme an Stangen. Dem gegenüber befindet sich eine wackelig ausschauende, runde, schwarze Scheibe, auf der Ja/Nein/Vielleicht geschrieben steht, dahinter eine weitere Projektionsfläche. Und werfe ich einen Blick hinter den roten Samtvorhang, der die vierte Wand ziert, findet sich da hinter nicht etwa eine Bühne, sondern vier glitzernde Kabinen, mit jeweils einem Tisch, einem Hocker und einem Stift darin. Mir gegenüber sitzt nun Hannah Kowalski.

10

diskurs

spielraum. Wir sollten immer wieder hinterfragen, wie Abstimmungen funktionieren – sei es durch das Setzen eines Kreuzes oder das Handheben im Bundestag. Ich glaube, wir müssen solche Verfahren viel spielerischer angehen. Ein weiteres Ergebnis meiner Forschung ist, dass es dafür Experimentierräume braucht – und das Theater ist ein idealer Raum, um dieses gemeinsame Verhandeln immer wieder neu zu denken und auszuprobieren. Das Theater hat ja ohnehin eine Expertise darin, Kollektive zu organisieren. Ich wollte mich jedoch speziell auf den Moment der Abstimmung konzentrieren: Welche Objekte und Dinge benutzen wir, um abzustimmen? Einen Stift, einen Zettel, einen Bogen – und was passiert, wenn wir das anders machen? Was passiert, wenn wir mit Laserpointern abstimmen oder uns im Raum bewegen? Der Prozess des Abstimmens, bei dem Menschen zusammenkommen und Entscheidungen treffen, ist immer erstmal kompliziert, anstrengend und langwierig und er birgt viele Tücken. Aber als Theatermacher*innen können wir unsere Kunst nutzen, um diesen Prozess attraktiver und interessanter zu gestalten. Der Versammlungsraum in meinem künstlerischen Dissertationsprojekt und jetzt hier im Kinderwahlbüro ist also ein Angebot, um die Schwierigkeiten der sozialen Zusammenkunft zu überwinden. Man kann Kunst als eine Art „Prothese“ nutzen, um herauszufinden, wie man bessere und lustvollere Wege finden kann. Und ich glaube, genau das machen wir hier im Kinderwahlbüro.

Wir sollten immer wieder hinterfragen, wie Abstimmungen funktionieren.

Kinder können diesen Raum interaktiv nutzen, aber, du hast es bereits kurz erwähnt, auch an der Entwicklung waren Schüler*innen beteiligt. Kannst du das nochmal ein bisschen ausführen?

Es war von Beginn an klar, dass wir Kinder und Jugendliche in die Gestaltung des Kinderwahlbüros einbeziehen wollten. Wir haben mit einer siebten und einer achten Klasse der Wiechernschule zusammengearbeitet. Die Siebtklässler*innen haben Politiker*innen interviewt und so dafür gesorgt, dass es Videomaterial gibt, das auch die Fragen der Schüler*innen widerspiegelt. Zudem haben sie das Logo des Kinderwahlbüros gestaltet. Die Achtklässler*innen haben zusammen mit Studierenden der HAW überlegt, wie TikTok-Videos funktionieren könnten, die einerseits Informationen über verschiedene politische Parteien vermitteln, aber gleichzeitig so gestaltet sind, dass sie junge Menschen ansprechen. Die Frage war also: Welche Inhalte und Formate kommen bei jungen Menschen an?

Wie eigenständig wurde das von den Jugendlichen entwickelt?

Und wie geht ihr damit um, wenn mal jemand eine Idee hat, von der ihr denkt, dass ihr sie eigentlich nicht verfolgen wollt?

Häufig geht es eher darum, dass die Schüler*innen erstmal Zutrauen zu ihren eigenen Ideen finden. Ich versuche sie immer zu ermutigen, aus sich heraus Fragen zu entwickeln und nicht Bestehendes zu kopieren, um vermeintliche Erwartungen zu erfüllen. Denn genau das, was sie interessiert, ist

für uns richtig und wichtig. Und dass es dann einen Weg einschlägt, der uns nicht gefällt, gab es in meinen 18 Jahren hier ganz selten. Ich finde, es gibt da nichts, womit man nicht umgehen kann. Einmal hatten wir eine unangenehme Situation, weil politisch rechts motivierte Fragen aufkamen, aber dann muss man halt in den Dialog treten und das aushandeln.

Bei den TikTok-Videos allerdings war ich erstaunt, welche Eigenständigkeit die Schüler*innen entwickelt haben, das war auch für mich ungewohnt. Sie waren sehr engagiert und verblüffend souverän in der Art und Weise, in der sie mit den Studierenden zusammengearbeitet haben. Es war ganz offensichtlich, dass sie die Inhalte mitgestaltet haben. Es waren ihre Ideen, und die haben sie auch in den Abschlussrunden am Ende unserer Workshops vollkommen souverän vorgestellt. Als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, dass sie sich überlegt haben, die SPD in einem Tagesschauformat mit Puppen vorzustellen, oder dass sie ein Politikquiz vorbereiten oder eine Straßenumfrage machen werden, um herauszufinden, was Menschen an der AfD gut finden. Ich hatte das Gefühl, dass es wirklich „ihr Projekt“ war.

Ich denke, für diesen Erfolg gibt es mehrere Gründe. Zum einen war die Zusammenarbeit mit den Studierenden sehr fruchtbar, weil jüngere Menschen für jüngere Menschen einfach gut funktionieren. Einerseits erhalten die Schüler*innen so Unterstützung und Know-how, gleichzeitig wird aber keine hemmende Hierarchie aufgebaut. Aber noch viel mehr, denke ich, haben die Medien dazu beigetragen. Der Wunsch und das Begehren, mit Medien umzugehen, sind bei Schüler*innen sehr groß. Die Lust, das, was sie die ganze Zeit sehen und was sie umgibt, weiterzudenken, selbst TikTokVideos zu machen, hat dazu geführt, dass es ihnen wirklich Vergnügen bereitet hat. Es hat sich also als sehr sinnvoll erwiesen, etwas, das die Schüler*innen vielleicht primär nicht direkt interessiert, wie politische Inhalte von Parteien, mit diesem Wunsch zu kombinieren.

Ihr arbeitet häufig eng mit Schulen zusammen. Zu welchem Zeitpunkt in der Entwicklung tretet ihr an Schulen heran? – Vielleicht am Beispiel dieses Projekts.

Im Grunde läuft es so ab: Wenn ich weiß, dass wir im Februar das Kinderwahlbüro durchführen wollen, muss ich schon im Juni, also vor den Sommerferien, eine Schulkooperation festlegen. Das ist manchmal schwierig, weil die Schulen zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, wie ihr Stundenplan aussieht. Aber wenn ich ein größeres Projekt wie dieses umsetzen möchte, muss ich frühzeitig wissen, mit wem ich zusammenarbeite und worum es genau geht. Im Juni habe ich der Lehrerin also schon erklärt, dass es um TikTok-Videos, Interviews und das Logo geht. Ich skizziere zu diesem Zeitpunkt bereits die gesamte Kooperation.

Am Ergebnis sieht man ja, dass die Zusammenarbeit mit Schulen ein großes Potenzial birgt, aber gibt es da auch Schwierigkeiten, denen ihr begegnet?

Grundsätzlich arbeiten wir hier am FUNDUS THEATER | Forschungstheater sehr partizipativ und weil wir szenische Forschung gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen ma-

diskurs

chen, sind wir total abhängig von Schüler*innen und KitaKindern. Sie sind unser Publikum, aber es sind auch die Menschen, die uns Ideengeber sind, uns Impulse geben. Deshalb sind Kooperationen mit Schulen und Kitas für uns wichtig und ganz grundsätzlich. Ohne Schüler*innen könnte es kein Kinderwahlbüro geben. Ich bin 43 Jahre alt, ich kann nicht dafür sprechen, was Kinder wollen. Natürlich kann ich als Erwachsene für die Kinderrechte einstehen, und auch das ist wichtig, aber ich weiß nicht, was aktuell die Wünsche der Kinder sind. Dafür brauchen wir Kinder. Sie sind in unseren Prozessen nicht wegzudenken und deshalb pflegen wir die Zusammenarbeit mit Lehrer*innen. Wir haben beispielsweise ein Lieblingslehrer*innentreffen, bei dem wir uns mit Lehrkräften austauschen und versuchen herauszufinden, was es braucht, damit sie gut mit uns kooperieren können.

Aber das ist in den letzten Jahren deutlich schwieriger geworden. Da der Lehrstoff immer dichter wird, ist es immer schwerer, Schulen für außerschulische Projekte zu gewinnen. Auch in diesem Projekt war das der Fall. Wir hatten dreimal 90-Minuten-Blöcke mit den Schüler*innen vereinbart und das Fehlen der Schüler*innen in diesem Zeitraum macht sich anscheinend derart bemerkbar, dass es eng wird, die Lerninhalte durchzukriegen, um Klausuren und Tests schreiben zu können. Und das erscheint mir absurd.

In diesem Fall ist politische Bildung zur Hamburger Bürgerschaftswahl und zur Bundestagswahl sogar Lernplan der achten Klasse, und dennoch konnten sie die Zeit kaum aufbringen. Die Situation hat sich über die letzten 18 Jahre, seit ich das beobachte, sehr verändert. Das ist eine Entwicklung, die ich sehr bedauere, weil ich glaube, dass Schüler*innen sehr davon profitieren, in außerschulischen Kontexten zu lernen. Ich glaube, es ist total kostbar, Wissen auf unterschiedliche Weisen zu produzieren und zu erleben.

11

festgestellt haben, dass rechte Parteien, wie die AfD, besonders stark auf diesem Medium sind. Dort sind vor allem junge Menschen unterwegs, und wir wollten herausfinden, ob wir als Theatermacher*innen auf diesem Medium etwas bewirken können. Die Frage, wie man Menschen mit politischen Informationen erreicht, ist gerade sehr aktuell und dringend. Komplizierte Aushandlungsprozesse scheinen aktuell weniger beliebt als einfache populistische Antworten.

Mit unserem künstlerischen Zugang beim Kinderwahlbüro versuchen wir, einen demokratischen Experimentalismus zu propagieren und zu zeigen, dass es wichtig und lohnend ist, sich auf die Vielfältigkeit einzulassen. Demokratische Prozesse müssen immer wieder geübt werden. Das gilt für Erwachsene und Kinder gleichermaßen. Um Demokratie wertzuschätzen, kann mit dem Praktizieren von kollektiven Entscheidungsprozessen und Mitbestimmung gar nicht früh genug angefangen werden. Politische Bildung ist manchmal nicht unbedingt sexy – das liegt auch an dem Gegenstand.

Mit Hilfe der Kunst können wir im Kinderwahlbüro ein schöneres Wählen ausprobieren.

Demokratische Prozesse müssen immer wieder geübt werden.

Das gilt für Erwachsene und Kinder gleichermaßen.

Das Kinderwahlbüro ist ja nicht nur Ergebnis einer Forschung, sondern selbst ein Forschungslabor. Es geht im Kinderwahlbüro neben der Wissensvermittlung auch darum, neues Wissen zu kreieren. Gibt es eine zentrale Forschungsfrage, der ihr mit dem Kinderwahlbüro nachgeht?

Ja, das Kinderwahlbüro ist auch selbst ein Forschungssetup, in dem wir untersuchen, was passieren würde, wenn Kinder mitbestimmen dürften.

Eine große Frage im Kinderwahlbüro ist: Wollen Kinder überhaupt wählen? Eine weitere Frage lautet: Was würde sich ändern, wenn Kinder selbst über ihre Zukunft entscheiden dürften? Daraus ergibt sich natürlich die Frage: Wie müsste der Wahlkampf aussehen, um auch Kinder zu überzeugen?

Dann bräuchte man ein Kinderwahlbüro, das ist klar!

Neben diesen konkreten Fragen stellen sich aber auch neue. Die TikTok-Kampagne haben wir gestartet, weil wir

Noch läuft das Kinderwahlbüro 2025, aber kann man schon manche Forschungsergebnisse ablesen?

Ja, ein ganz offensichtliches Ergebnis des Kinderwahlbüros ist, dass deutlich mehr Menschen, die uns besuchen, für ein Kinderwahlrecht sind als noch vor fünf Jahren.

Außerdem lässt sich festhalten, dass in dieser politisch aufgeladenen Zeit der Wunsch der Schüler*innen, mitzusprechen, noch stärker geworden ist. Sie möchten ihre Meinung äußern – sei es zur Klimapolitik, zu Lebensmittelpreisen oder zur Abschiebungspolitik. Das heißt, die Notwendigkeit, die jungen Menschen einzubeziehen, ist größer geworden.

Es müssen dringend Räume geschaffen werden, in denen sie mitreden können.

Wir arbeiten zurzeit eng mit der Hamburger Kulturbehörde zusammen und haben die Hoffnung, unser Erprobtes in ganz konkrete politische Strukturen umwandeln zu können.

Wir im FUNDUS | Forschungstheater möchten nicht nur, dass Kinder mitsprechen dürfen, sondern wir wollen, dass Kinder mitbestimmen dürfen, also wirkliche Macht bekommen.

Hannah Kowalski ist Performancekünstlerin und Kulturwissenschaftlerin und Teil der künstlerischen Leitung des FUNDUS THEATER | Forschungstheater. Im Rahmen des Graduierten­kollegs Versammlung und Teilhabe hat sie zu kollektiven Entscheidungen mit Kindern promoviert.

Foto: Margaux Weiß

Elisabeth Hoppe ist Schauspielerin, sie war u.a. am Stadttheater Freiburg, am Schauspiel Hannover und am Theater Oberhausen engagiert.

Sie ist Teil des Theaterkollektivs Die Compagnie.

Derzeit studiert sie Dramaturgie im Master an der HfMT-Hamburg.

Foto: Margaux Weiß

Liebe 12

auf den ersten (oder zweiten) Blick Über nachhaltige Kooperationen zwischen Theater und Schule – Ein Beziehungsdrama in 5 Akten von Petra Fischer

D

Die Darstellenden Künste für ein junges Publikum definieren sich seit Jahrzehnten auch über die Zusammenarbeit mit Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Wir wissen, welche Chancen darin liegen, welche Ziele damit verfolgt werden können und warum wir das wollen. Und wir wissen auch, wie schwierig sich dieses Verhältnis oft gestaltet.

Ich lade aus einer jahrelangen Erfahrung heraus dazu ein, das Beziehungsgeflecht zwischen Theater und Schule seitens des Theaters einmal aus einer anderen Perspektive zu betrachten: einer Liebesgeschichte, die zum Entstehen und Wachsen bestimmte Bedingungen braucht, die für ihren Erhalt genährt, erfrischt also gepflegt werden muss und die wächst, wenn sie sich bei Infragestellungen und Konkurrenzen behauptet.

1. Akt – Annäherung Am Beginn jeder Beziehung steht das aufeinander aufmerksam werden. Irgendetwas sticht einem ins Auge. Irgendetwas erregt und bekommt man nicht mehr aus dem Sinn.

Man träumt, ist in Gedanken der Realität voraus, kommt ins Schwärmen und Pläne schmieden …

Man geht nicht planvoll vor, eher sprunghaft, lässt sich von den eigenen Gefühlen treiben.

Groß ist der Wunsch, Anzeichen zu deuten, die auf Erwiderung des Interesses schließen lassen. Bleibt das Interesse auf der anderen Seite aus, sucht man Wege, wahrgenommen zu werden.

Genau hinsehen, zuhören, erfinden, überraschen, statt nach einem Warum zu fragen.

diskurs

Ein Auge werfen auf…

Was erweckt mein Interesse, wenn ich als Theaterschaffende einen Pausenplatz betrete? In ein Schulgebäude komme?

Informationstafeln auf den Gängen lese? Das Thema der diesjährigen Projekt- oder Themenwoche erfahre? Wo bleibe ich „hängen“? Welche Menschen möchte ich näher kennenlernen?

Überraschende Besuche Können die Theaterleute unverabredet die Kolleg*innen zur Frühstückspause im Lehrpersonenzimmer mit Gipfeli & Kaffee/Tee & Theaternews erwarten?

diskurs

Was geschieht, wenn sich Theaterleute die Aufsicht auf dem Pausenplatz mit Lehrpersonen teilen, dabei Neues austauschen, die Kinder und Jugendlichen in ihrem Alltag beobachten und für diese nahbar werden?

Das gegenseitige Interesse bestimmt die Kadenz der Begegnungen. Statt darauf zu warten, eingeladen zu werden, die Frage: Womit lässt sich die andere Seite überraschen?

2. Akt – Gelebte Gemeinsamkeit Haben sich Partner*innen gefunden, versuchen sie, viel Zeit miteinander zu verbringen. Kein Weg ist zu weit, keine Uhrzeit falsch, um einander zu erreichen: live, per SMS, Sprachnachricht, Briefpost, E-Mail o. ä. Man lernt einander immer besser kennen. Das schweißt zusammen.

Ist man anfangs darum bemüht, sich nach außen nichts anmerken zu lassen (die Umgebung weiß jedoch meistens schon viel früher, dass da ‚etwas‘ ist), will man das gemeinsame Glück öffentlich machen. Gemeinsame Auftritte in den jeweiligen Lebensrealitäten werden geplant, inszeniert, gelebt und nachbereitet. Stärken, Schwächen, Besonderheiten aller Beteiligten schälen sich heraus, schaffen Vertrauen, Verlässlichkeit, Konstanz. Daraus erwachsen Mut, Risikobereitschaft, Übermut.

Alle sollen wissen, dass wir zusammenstehen.

Es tut gut, Verbindlichkeiten zu fixieren. Welches einzigartige Dokument kreieren wir, das von unserem Zusammensein kündet, stolz und selbstbewusst? Wo und wie wollen wir das veröffentlichen?

Freude am Wiedersehen Um der Lust nachzugehen, gemeinsam Zeit miteinander zu verbringen, ist es wichtig, Zeitressourcen zu akzeptieren.

Wie kann die Agenda aufeinander abgestimmt werden? Das vermeidet Enttäuschungen. Gegenseitig erkundet man Vorlieben, Gewohnheiten, Interessen der anderen, um daran anknüpfend Überraschungen vorzubereiten und dazu einzuladen.

Wie kann man Lust auf- und aneinander entstehen lassen, erhalten, erneuern, auffrischen?

Welche Ideen werden ungefragt vorgeschlagen?

Wo liegen Möglichkeiten für ein Jobsharing bei Projektwochen, Weiterbildungen, gemeinschaftlichen Anlässen?

Welche Formate erfinden wir, um in ein Miteinander mit Kindern und Jugendlichen zu kommen, ohne Lehrpersonen?

Spuren hinterlassen Auf welchem Weg können wir uns in Erinnerung bringen?

Wodurch denken Schüler*innen und Lehrpersonen wieder ans Theater? Welche Bezüge stellen sie in ihrem Alltag zu dem Erlebten im Theater her? Welche Farbe, die zum Theater gehört, sticht aus den aktuellen Flyern, Ausschreibungen, schulischen Mitteilungen heraus? Welcher schulische Ort kann zum gemeinsamen Raum werden?

3. Akt – Krisen Schulen können, vermeintlich, ohne Theater. Aber Theater für junges Publikum kann nicht ohne Schule. Was braucht es, dass beide ohne den jeweils anderen nicht können? Das Umfeld von Schule wie von Theater ändert sich. Wie reagieren beide Seiten gemeinsam darauf, statt sich zu trennen?

Jede Seite ist aufgefordert, Bedürfnisse, Forderungen aufzuzeigen und sich nicht mit dem zufriedenzugeben, was man kennt – und was nun augenscheinlich nicht mehr reicht.

Gegenseitig vorhandene Bilder müssen immer wieder hinterfragt und erneuert werden.

4. Akt – Krisenmanagement durch Zwiegespräche Die Belastbarkeit der Beziehung erweist sich auch darin, die andere Seite zu kontaktieren, wenn es nicht gut geht, wenn man keinen Ausweg sieht, wenn man am Hadern ist. Davon zu wissen und aufgefordert zu sein, sich zu verhalten, stärkt die Verbundenheit. Sich einzugestehen, dass sich Gewohnheiten leergelaufen haben, Anderes für Abwechslung sorgt und daher interessanter ist, gehört zur Vertrauensbasis. Ist es auch der Absprung zu Neuem?

Verantwortung teilen Wie kann die entstandene Beziehung zu einem Beziehungsgeflecht werden, in dem mehr Beteiligte ihren Platz finden und sich gegenseitig bereichern? Welche Rollen können temporär einzelne Lehrperson, einzelne Künstler*innen einnehmen? Wie sind die Kinder und Jugendlichen, die Elternschaft, die Gemeinde eingebunden?

Ensembleerfahrungen aus der künstlerischen Arbeit helfen, die Hierarchie des Schulalltags infrage zu stellen. Wie finden partizipative Arbeitsweisen aus Tanz- und Theaterprojekten Eingang im Schulalltag? In welche Entscheidungsprozesse werden Kinder und Jugendliche verantwortlich eingebunden? Auf welche kreative Art lernen die Schüler*innen die Theaterangebote ganz direkt, ohne Beteiligung der Lehrpersonen, kennen? Was müssen und was wollen sie überhaupt im Vorfeld wissen? Wie bekommt jede und jeder eine Stimme im Entscheidungsprozess? Wie gehen die Beteiligten mit der gewonnenen Verantwortung um? Wie und was möchte ich mitgestalten?

Dieser Informations- und Entscheidungsprozess kann nicht unter Effektivitätsaspekten stattfinden. Vielmehr ist es eine Gelegenheit, mit den Schüler*innen in einen Austausch über Erwartungen, Maßstäbe und Ziele künstlerischer Arbeit zu kommen. Die Gestaltung dieses Austauschs wie auch der damit verbundene Zeitaufwand vermitteln im besten Fall, dass sie wirklich gemeint und gefragt sind. Sie erleben, dass sie mit ihren Gedanken und Fragen den Prozess mitgestalten, dass man einander auf Augenhöhe begegnet. Es braucht Argumentations- und Kommunikationsfähigkeiten, um eigene Überzeugungen in die Diskussion einzubringen. Die Öffnung zueinander ist gegenseitig, braucht Ernsthaftigkeit, ist Arbeit. Das Abgeben von Entscheidungen, das Teilen von Macht erweitert den Gedanken- und Handlungsspielraum aller. All das sind Anforderungen und Möglichkeiten unseres demokratischen Zusammenlebens.

13

14

diskurs

Welche Banden wollen wir in der Zusammenarbeit mit den Familien der Kinder bilden? Die Einladung zu einem Familientheaterbesuch der ganzen Klasse, zu dem Theater und Schule zusammen einladen und für dessen Organisation das Theater den Lead übernimmt, kann entspannen, überraschen und ermöglicht Neuanfänge.

Geschenke sorgen für neue Aufmerksamkeit Welche Überraschungsmomente halten Einstimmungen und Nachbereitungen mit den Schüler*innen für die Lehrperson bereit? Wie sind erlebte Arbeitsmittel/-methoden für die Lehrpersonen übertragbar auf andere Kontexte? Andere Arbeitsweisen legen neue Perspektiven frei, verändern den Blick aufeinander. Wie lassen sich diese Wahrnehmungen der eigenen Klasse bzw. einzelner Schüler*innen als Türen nutzen, die zu Neuem führen?

5. Akt – Der zweite Frühling Die gemeinsame Geschichte mit Erinnerungen und Spuren lohnt, weitergegeben, erzählt wie auch fortgeschrieben zu werden. Welche Staffelstabübergabe(n) will man zelebrieren? Wer wird dazu eingeladen?

Welche Kostproben kann man vom Erlebten und Erkannten verteilen? Das gemeinsam Geleistete verdient anerkannt, wertgeschätzt zu werden. Welche Jubiläen lassen sich erfinden, feiern und genießen?

Epilog Erfahrungen aus konkreten Praxisbeispielen wurden in Fragestellungen übersetzt, um sie unabhängig von den konkreten Rahmenbedingungen anzuschauen und zu prüfen.

Entsprechende Praxisbeispiele dürfen gern bei der Autorin angefragt werden.

Eine Beschreibung des Beziehungsdramas seitens der Schule steht (noch) aus, könnte aber so beginnen: Ein Auge werfen auf…

Was erweckt mein Interesse, wenn ich als Lehrperson das Theatergebäude betrete? Fotos im Foyer sehe? Themen, Autor*innen, Arbeitsweisen bei der Entstehung neuer Projekte kennenlerne? Wo bleibe ich „hängen“? Welche Menschen möchte ich näher kennenlernen?

Als Dramaturgin und Vermittlerin ist Petra Fischer seit 2021 am Theater Chur sowie bei freien Tanzund Theaterproduktionen in der Schweiz tätig.

Als künstlerische Leiterin verantwortet sie außer­ dem fanfaluca – das Jugend Tanz Theater Festival Schweiz mit. In allen Feldern sucht sie die Zusammenarbeit mit Schulen auf verschiedenen Ebenen.

Foto: Naja Derungs

praxis

15

BAU! Hessisches Staatsballett Foto: De-Da Productions

16

To

learn learn-

or not to

Was können junge Menschen heute tatsächlich im Theater lernen? von Line Ott

diskurs

D

Der Vorhang fällt unter wohl verdientem Applaus. Jugendliche fallen sich jubelnd in die Arme. Selten habe ich so viele zufriedene, stolze junge Menschen auf einem Fleck erlebt, wie beim Schlussapplaus des diesjährigen Jugendgroßprojekts Der Besuch der alten Dame der Jugendsparte plattform am Ernst Deutsch Theater in Hamburg. Dabei war der Weg dahin keinesfalls nur einfach. Das Projekt besteht aus vier verschiedenen Projektklassen aus den Jahrgängen 7 bis 11 vier verschiedener Schulen, ihren Leitungsteams und einer Gruppe von Hobby-Spieler*innen im Alter von 15 bis 21 Jahren, die zweimal in der Woche proben. Man kann sich vorstellen, dass es manchmal chaotisch wird.

Aber das Scheitern gehört genauso zum Theater dazu, wie die gelungene Aufführung am Ende und ist für die Jugendlichen als Lernerfahrung mindestens genauso wichtig, wie das Gefühl, das Ernst Deutsch Theater vollständig für sich zu erobern, sich auszuprobieren, egal, ob im Tanz, Performance, Musik, Bühnenbildbau, Schauspiel, Gesang und sogar die eigenen biografischen Geschichten auf der Bühne zu erzählen.

Als Assistentin der Jugendsparte hatte ich die Möglichkeit, das Festival mitzuorganisieren, die Jugendlichen gelegentlich in ihrem Probenprozess zu begleiten und mich, vor allem während des Festivals und bei einigen Nachgesprächen, mit ihnen über ihre Erfahrungen auszutauschen.

Die Eindrücke, von denen die Jugendlichen mir dieses Jahr erzählten, haben mich stark an meine eigenen Erfahrungen bei plattform erinnert. Ich habe mit 16 Jahren begonnen, im Jugendclub Performance, unter der Leitung von Gesche Lundbeck, zu spielen und habe dort einen Raum kennengelernt, der ganz anders war als die Atmosphäre, die ich aus der Schule kannte: wertungsfrei, gemeinschaftlich, kreativ und politisch. Dadurch begann ich, mich mit Themen auseinander zu setzen, die mir in der Schule zu komplex zum Verstehen, aber gerade eingänglich genug zum kurzfristigen Auswendiglernen schienen, und begriff komplexe Zu-

sammenhänge über das Gefühl und die Emotion und nicht mehr ausschließlich über den Verstand, ich lernte Kreativität, Innovation und Teamgeist als Grundlage einer Arbeitsweise kennen.

Diese Fähigkeiten prägten meinen Charakter, mein Blick auf die Welt wurde durch die Arbeit im Theater verändert und meine Denkmuster umstrukturiert. Und es sind diese Fähigkeiten, die mich noch heute in meinem Alltag prägen und unterstützen.

Margret Rasfeld und Stephan Breidenbach schreiben in Schule im Aufbruch. Eine Anstiftung: „Während die Herausforderungen der Zukunft neben kognitiven Kompetenzen Liebe zur Schöpfung, Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, Beziehungsfähigkeit, Fähigkeit zur Wertschätzung verlangen, ist die Schule des 20. Jahrhunderts gefährdet, Kinder zu passiven Konsumenten und Pflichterfüllern zu erziehen.“1 Die Schule hänge fest in einem System der optimalen Wissensvermittlung, das aber mit der rasanten Wissensvermehrung unserer Zeit kaum Schritt halten könne. Dies führe zu überfrachteten Lehrplänen, dadurch zu einer zusammenhanglosen Abfolge von Fächern im Schulalltag, wodurch die Schüler*innen ausschließlich für Tests lernen würden und es zu einer Förderung von einseitigen kognitiven Fähigkeiten komme. Fächer würden gemäß der PISA-Statistik hierarchisiert und Standards würden der Selbstbestimmung, -akzeptanz und -verantwortung der Schüler*innen gegenüberstehen. Leistungen würden ständig bewertet, beruhend auf Normierungen und Vergleichen. So herrsche in der Schule Druck und Stress, in dieser Atmosphäre sei es unmöglich Fähigkeiten, wie Kreativität, auszubilden, da diese Räume zum Scheitern ohne Beurteilung bedürfen 2. Die Schule, wie 1 2

Rasfeld, Margret. Breidenbach, Stephan, 2014. Schulen im Aufbruch. Eine Anstiftung. München: Kösel-Verlag: 46 Ebd.: 37–40

diskurs

ich sie kenne vermittelt Schüler*innen, dass es eine klare Antwort auf jede Frage gibt, es gibt richtig und es gibt falsch.

Die Schule, wie Rasfeld und Breidenbach sie für die Zukunft entwerfen will das kreative Potential ihrer Mitglieder entfalten und ihnen das Aushalten von Paradoxien, Unsicherheiten und Mehrdeutigkeit beibringen3. Man könne sich neue Haltungen und Einstellungen nicht anlesen, sie entstünden durch neue Erfahrungen4.

Ich könnte mir gut vorstellen, dass Theater sich mit verschiedenen Schulfächern verbinden ließe, es könnten ganze Themenkomplexe über das Theater erarbeiten werden. Anstelle der puren theoretischen Auseinandersetzung in den herkömmlichen Schulfächern ließe sich eine Kombination vorstellen, ein theoretischer Input neben der Erarbeitung des Theaterstücks. Über Improvisationen und Diskussionen, Emotionen und rationalen Auseinandersetzungen, Theorie und Praxis, würden sich die Schüler*innen den recht komplexen Themen nähern und durch die Abstraktion im kreativen Prozess könnten Bezüge zu ihrem Alltag hergestellt werden.

Neben Schauspiel könnten auch andere Theaterbereiche, wie Bühnen- und Kostümbild, Dramaturgie und Regie für die Schüler*innenschaft geöffnet und nicht einfach von der Lehrkraft übernommen werden. So wäre wahrscheinlich für jede Person eine Tätigkeit dabei. Dadurch würden die jungen Menschen Selbstwirksamkeit erleben, jede*r würde sich als ein wichtiges Element in einer Gruppe verstehen, hiermit Verantwortung und Gemeinschaft wahrnehmen und eine Expertise übernehmen. Dies wäre auch ganz im Sinne von Rasfeld und Breidenbach, die davon ausgehen, dass ein Erleben von Partizipation und Selbstwirksamkeit die Demokratiefähigkeit fördert und die strukturelle Abhängigkeit schwächt5.

Natürlich müsste für ein solches Projekt Zeit im Stundenplan geschaffen werden. Ich denke, es ist wichtig, dass solche Theateraktivitäten in der Kernunterrichtszeit stattfinden, ohne, dass der ohnehin überfrachtete Stundenplan noch weiter anschwillt. Wahrscheinlich würde das auf lange Sicht ein Überarbeiten des gesamten Bildungsplans bedeuten. Allerdings gibt es auch jetzt schon Schulen, die Raum schaffen für regelmäßige Projektarbeitszeit. Der FREI DAY beispielsweise ist ein Lernformat von Schule im Aufbruch, eine Initiative, die 2012 ins Leben gerufen wurde, um Schulen dazu anzustiften die Potenzialentfaltung der jungen Menschen zu fördern und das historisch gewachsene Unterrichtsverständnis zu hinterfragen und umzudenken6. Orientiert an den Global Goals der Vereinten Nationen beschäftigen sich die Schüler*innen mit aktuellen sozialen, ökonomischen und ökologischen Fragen. Sie gestalten Projekte nach eigenem Interesse, jahrgangsübergreifend in der Schule, der Gemeinde oder Stadt7. Schon 202 Schulen haben den FREI DAY in ihren Stundenplan integriert8 und er ist nur ein Beispiel 3 4 5 6 7 8

Ebd.: 94 Ebd.: 44 Ebd.: 89–90 https://schule-im-aufbruch.de/ueber-uns/vision/ https://frei-day.org/der-frei-day/bildungsansatz/ https://frei-day.org

17

aus einer ganzen Reihe von möglichen Konzepten, die Raum schaffen für freie, vom Lehrplan losgelöste Projekte, die fest in der Schulstruktur verankert sind.

Um in der Schule Raum für kreative Projekte und mehr Raum für Theater zu schaffen, fehlt es also nicht an Möglichkeiten, sondern vermutlich an Mut, Kreativität und Innovationsfähigkeit.

Das Theater schafft Raum für neue Erfahrungen, für Liebe zur Schöpfung, das Lernen von Verantwortung gegenüber einer Gruppe, Beziehungsfähigkeit und Fähigkeit zur Wertschätzung. Theater bietet jungen wie alten Menschen einen Ort der Begegnung, der Konfrontation mit anderen Ansichten, neuen Weltbildern, Diskursen und Weiterentwicklung.

Die Schule sei zwar gut, um das eigene Wissen zu erweitern, aber das Theater sei gut, um den eigenen Charakter auszubilden und zu stärken.

Hier kann politische Positionierung in einem geschützten Rahmen ausprobiert werden, Reaktionen ausgetestet und Resilienz geübt werden. Gerade für junge Menschen kann das Theater den Horizont erweitern, Begegnung mit dem Scheitern ermöglichen und beibringen, dass Fehler machen, okay ist, es kann ein Safer Space sein, in dem Fragen gestellt und Ängste angesprochen werden können und es kann völlig neue Zugänge zu komplexen Themen verschaffen. Sophia Haß, eine Teilnehmerin des Jugendgroßprojektes, beschreibt beispielsweise, dass das Theater ihr einen emotionalen und direkteren Zugang zu komplexen Themen ermöglicht. Die Schule sei zwar gut, um das eigene Wissen zu erweitern, aber das Theater sei gut, um den eigenen Charakter auszubilden und zu stärken.

Die Hamburger Theater- und Schullandschaft ist sehr bemüht, jungen Menschen diese Möglichkeit zu bieten. Neben Jugendsparten an allen großen Häusern gibt es Kinder- und Jugendtheater, wie das FUNDUS Theater und das Junge SchauSpielHaus. Mit TUSCH (Theater und Schule) werden jedes Jahr Kooperationen geschaffen, die Kindern und Jugendlichen im Schulalltag Zugang zum Theater ermöglichen und viele Hamburger Schüler*innen haben Theaterunterricht in der Schule. Allerdings müssen die Schüler*innen in der Regel wählen zwischen Kunst, Musik oder Theater und können nicht alle drei Fächer belegen. Pauline Zilling hat ebenfalls im Jugendgroßprojekt mitgespielt. Sie erzählt mir, der Theaterunterricht sei wie jeder andere Unterricht auch, die meisten Mitschüler*innen hätten Theater gewählt, weil alles andere noch schlechter gewesen wäre. In dieser Atmosphäre, geprägt von Verurteilungen und Bewertungen, sei es schwer, sich wirklich auf Theater als Kunstform einzulassen. Auch die Lehrkräfte würden nicht wirklich den Funken überspringen lassen. Das, was sie am Theater begeistere und

18

diskurs

wofür sie brenne, sei ihr nicht durch die Schule vermittelt worden.

Dabei ist gerade die Vermittlung so entscheidend, um jungen Menschen die Türen zum Theater zu öffnen. Das bestätigen mir auch zwei weitere Spieler unseres Ensembles.

Mike-Ken Agbo gehe selbst nicht ins Theater, obwohl er gerne spiele, was vor allem daran liege, dass er das Gefühl hätte das Theater sei eher für ältere Menschen. Dieses Stereotyp bemängelt auch Lennard Lammers. Er ist der Meinung, es stimme zwar nicht, dass das Theater nur für ältere Menschen sei, aber er vermisse die Vermittlung über die Schule.

Die wenigsten Lehrkräfte, ein paar explizit ausgenommen, würden sich darum bemühen, den Jugendlichen einen Zugang zum Theater zu schaffen. Aus meiner eigenen Schulzeit erinnere ich, dass Theaterbesuche immer Schulausfall bedeuteten und darum höchstens in Projektwochen erlaubt wurden. Wenn jedoch weder durch das Elternhaus noch durch die Schule ein Zugang zum Theater geschaffen wird, wie soll man dann wissen, dass Theater eine gute Sache ist?

Zur Wahrheit gehört auch, dass das Theater selbst Schranken aufbaut, die nicht leicht zu durchdringen sind. Diese Strukturen werden nach und nach aufgebrochen, aber überholte, festgefahrene Strukturen, wie der berüchtigte GenieKult, scheinen noch immer tief in die Körper der Menschen eingeschrieben zu sein. Als ich anfing Theater zu spielen, musste ich mich zunächst an die Muster und Codes der Szene gewöhnen, es dauerte eine Zeit, bis ich die Sprache und Dynamik im Theater verstand und mir zu eigen machen konnte. Ich erinnere mich noch gut an das Gefühl von Frust und Zweifel, wenn ich eine Inszenierung eines gehypten Regisseurs nicht verstand und mich fragte, ob das Theater vielleicht doch einfach nicht meine Kunstform ist, weil der Rest der Blase über die Qualität der Inszenierung im Einklang schien. Später, als ich mich zunehmend mit Bekannten über die Aufführungen austauschte, wurde mir klar, dass sich doch nicht alle immer einig waren, dass eine Arbeit gut ist, nur weil sie von einer bestimmten Person stammt.

Immer wieder werden Fälle von Machtmissbrauch, Sexismus, Ableismus und anderen strukturellen Benachteiligungen und Diskriminierungen an Theatern aufgedeckt, die auch Außenseiter*innen zeigen, dass im Theater der Gegenwart doch noch nicht jede*r einen Platz hat.

Wie soll unter diesen Bedingungen jungen, außenstehenden Menschen ein Gefühl von Willkommen-Sein und Offenheit vermittelt werden? Wenn ein Großteil der jungen Menschen sich nicht repräsentiert fühlt und die Codes der Szene nicht auf Anhieb versteht, werden sie sich dem Theater nicht hingeben. So wird das Potential, das Theater für junge Menschen hat, schlichtweg nicht ausgeschöpft.

Line Ott arbeitet als Assistentin der Jugend­ sparte plattform am Ernst Deutsch Theater, in der sie zuvor selbst drei Jahre gespielt hat.

Außerdem studiert sie Ethnologie und Deutsche Sprache und Literatur an der Universität Hamburg.

Foto: Lena Domagk

Dabei ist Kinder- und Jugendtheater weit verbreitet, allerdings stehen diesem weiterhin große strukturelle Herausforderungen im Weg. Gabi dan Droste erzählte Elena Philipp und Susanne Burckhardt 2020, wenn sie einen Antrag stelle für eine Produktion für junge Menschen, sage man ihr, sie bekomme nur etwa 60% im Vergleich zu einer Produktion für Erwachsene9. Auch die Regisseurin Mina Salehpour beschreibt in dem Zuge, dass sie bereits feststellen musste, dass Häuser oder Sparten, die auf Theater für junge Menschen ausgelegt sind, oft schlechter finanziert sind10. Dieses Ungleichgewicht in der Finanzierung deutet auf ein strukturelles Problem hin, das auf ein geringeres Ansehen von Kinderund Jugendtheater hinweist.

Und das, obwohl gerade diese Sparte sehr wichtig ist, um Nachwuchspublikum zu generieren und um jungen Menschen die Vorzüge des Theaters nahezubringen.

Ich sage nicht, dass Kinder und Jugendliche statt in die Schule nur noch ins Theater gehen sollten. Aber ich denke, dass Theater Potentiale birgt, die jungen Menschen Fähigkeiten lehren können, die sie durch die Kernfächer nicht vermittelt bekommen. Und ich denke, dass es neben kognitiven Fähigkeiten diese Fähigkeiten sind, die die Gesellschaft benötigt, wenn wir die Herausforderungen der Zukunft bewältigen wollen.

Um so wichtiger ist es, dass wir über den langen Schatten der deutschen Bürokratie springen und mutig das Theater in die Schule bringen. Kooperationen wie TUSCH, auch das Jugendgroßprojekt des Ernst Deutsch Theaters, und engagierte Lehrkräfte, die trotz Gegenwind immer wieder ihre Schüler*innen aus dem Unterricht nehmen oder ihre freien Abende mit ihnen verbringen, um sie mit ins Theater zu nehmen, bilden die Vorreiter*innen, aber es ist noch so viel mehr möglich.

Quellen: Burkhardt, Susanne. Philipp, Elena. 2020. Konsequent unterschätzt: Kinder- und Jugendtheater. Der Theaterpodcast 29 Rasfeld, Margret. Breidenbach, Stephan. 2014. Schulen im Aufbruch. Eine Anstiftung.

München: Kösel-Verlag https://schule-im-aufbruch.de/ueber-uns/vision/ https://frei-day.org/der-frei-day/bildungsansatz/ https://frei-day.org

Burkhardt, Susanne. Philipp, Elena. 2020. Konsequent unterschätzt: Kinder- und Jugendtheater. Der Theaterpodcast 29: 24.07-24.38 10 Ebd.: 26.29-27.04 9

19

Kunstfreiheit oder Bildungsauftrag? von Ali Napoé

Die Frage nach demokratischer Verantwortung von Schule und Theater

Angesichts der letzten Wahlergebnisse und dem allgemein stark steigenden Rechtsruck in Europa habe ich mich gefragt, ob und inwiefern diese Entwicklung antidemokratisch ist. Nach meinem Verständnis der Definition von Demokratie sehe ich keinen Widerspruch, aber es fühlt sich trotzdem falsch an.

Während meiner Recherche für diesen Text fiel mir auf, dass wir die Freiheiten in der Wertegemeinschaft mit dem Demokratiebegriff vermengt haben und deshalb die Demokratie als Herrschaftsform nicht von den Werten trennen.

Demokratie ist die Herrschaft der Mehrheit, aber die Mehrheit kann immer noch irrational blöde Entscheidungen treffen und diese wären gültig. Wohingegen Entscheidungen, die auf Werten basieren, sich auf Vernunft, Ethik und Moral stützen.

Die Herrschaftsform hat eine unausgesprochene ethischmoralische Ebene, die Rassismus, Diskriminierung, Armut und Kriege nicht toleriert, aber praktiziert. Wie dieser Widerspruch zustande kommt, und wie diese Entwicklung letztendlich gedeutet werden soll für eine Gesellschaft, die sich als tolerant und offen versteht, fällt nicht nur mir schwer nachzuvollziehen, sondern auch vielen anderen Menschen.

Ich schreibe zu einem Thema, das mich persönlich sehr bewegt und wozu ich weniger theoretisches Wissen als praktische Erfahrung habe. Meine Perspektive ist die des Künstlers und Wissenssuchers; ich bin kein Gelehrter im akademischen Sinne, sondern ein Lernender in der Schule des Lebens.

Ich bin eine nicht weiß-gelesene Person und schreibe hier einen Artikel in einer Sprache, die nicht meine Muttersprache ist, für Menschen, die meine Belange nicht unbedingt werden nachvollziehen können. Es ist aber nicht mein Anspruch, alle zu erreichen. Ich freue mich, dass Ihr bis hierhin gelesen habt.

Ich werde zunächst auf die Frage eingehen, ob Kunstfreiheit und Bildungsauftrag nicht im Widerspruch liegen, bevor ich mich der Frage der demokratischen Verantwortung widme.

Liegen Kunstfreiheit und Bildungsauftrag nicht im Widerspruch?

Kunst ist eine Ausdrucksform und ähnlich wie die Meinungsfreiheit ist auch Kunstfreiheit ein fundamentales Recht, das in vielen Verfassungen verankert ist, um das Recht von Künstler*innen zu schützen, sich frei auszudrücken. Im deutschen Grundgesetz ist sie in Artikel 5 gemeißelt. Sie schützt das Recht von Künstler*innen sich frei zu äußern, ohne staatliche Zensur oder Einschränkungen befürchten zu müssen. Daran, dass das nicht immer der Fall ist, erinnern uns berühmte Beispiele wie die des chinesischen Konzeptkünstlers Ai Weiwei1, der, wegen seiner kritischen Haltung zum kommunistischen Machtsystem in China, nicht nur sein Land sondern auch den Exil Standort Berlin mit den Worten Deutschland ist keine offene Gesellschaft nach Portugal verlassen musste; oder die jüdisch US-amerikanische Fotografin Nan Goldin2 und ihre deutschlandkritische Rede zur Eröffnung ihrer Ausstellung This will not end well in Hamburg. Ihre Aussagen zur Zensur der Meinungsfreiheit in Deutschland zum Nahost-Konflikt und den Vergleich zum Holocaust, schlugen Wellen bis in die höchsten Etagen; oder wie die „Böhmermann Affäre“, ein Gedicht des deutschen Satirikers Jan Böhmermann3 Schmähkritik, eine Staatsaffäre zwischen Deutschland und der Türkei auslöste, woraufhin der § 103 aus dem Strafgesetzbuch, dem Majestätsbeleidigungsparagrafen, gestrichen wurde.

Theater ist Kunst, und Kunst ist subjektiv, experimentell, provokant und kontrovers. Sie spricht oft auch Themen an, die herausfordernd oder unbequem sind. Da die Kunst eine Kommunikationsform ist, geht es lediglich um die Prozesse zwischen Sender*in und Empfänger*in. Sie steht für sich und hat keinen ausdrücklichen Bildungsauftrag wie die Institution Schule.

Künstler*innen können mit ihren Werken gesellschaftliche Normen und Tabus hinterfragen oder neue Perspektiven eröffnen.

1

2 3

„Deutschland hat seine Seele verloren“ https://www.spiegel.de/politik/ deutschland/ai-weiwei-kritisiert-cina-politik-der-bundesregierung-deutschland-hat-seine-seele-verloren-a-82502793-366d-47b0-a7b0-d0d80cc56cf8 (26.3.2025) „Neue Nationalgalerie: Nan Goldin kritisiert Deutschland in Rede über Gaza Krieg“ https://www.youtube.com/watch?v=Z4iGiFTbrKQ (26.3.2025) „Staatsaffäre Böhmermann“ https://www.spiegel.de/kultur/tv/jan-boehmermann-das-sind-die-fakten-der-staatsaffaere-a-1086571.html (26.3.2025)

diskurs

A

Artikel 20 des Grundgesetzes besagt: „Alle Gewalt geht vom Volke aus.“

20

Die Schule dagegen hat einen Bildungsauftrag. Sie ist auf die gesamtgesellschaftliche und pädagogische Entwicklung der Schüler*innen ausgerichtet. Schulen müssen sicherstellen, dass Inhalte angemessen und altersgerecht sind. Sie müssen eine Lernumgebung schaffen, in der alle Schüler*innen respektiert, gefördert und geschützt werden. Somit sind die Schulen in Deutschland sehr auf die Bedürfnisse ihrer Zielgruppen bedacht und müssen sicherstellen, dass die Inhalte in einer Weise vermittelt werden, die pädagogisch sinnvoll und angemessen sind. Schulen handeln in einem vorgegebenen Normen- und Werterahmen, indem sie Wissen vermitteln und junge Menschen zu mündigen Bürger*innen erziehen sollen.

Genau genommen liegt kein Widerspruch zwischen Kunstfreiheit und Bildungsauftrag vor.

Wenn bestehende Werte herausgefordert, Tabus gebrochen und moralische Dilemmata dargestellt werden, entstehen Wertekonflikte. Wenn Kunstwerke Themen aufgreifen, die als extrem, zu gewalttätig oder zu explizit angesehen werden, können sie die pädagogische Verantwortung der Schule übersteigen. Ein Beispiel ist die Überforderung von Lehrkräften bei den Themen Nahostkonflikt, Rassismus, Antisemitismus oder Anti-Islam und vielen weiteren.

Pädagog*innen müssen sicherstellen, dass die Schüler*innen in der Lage sind, diese kritischen Themen zu reflektieren und die moralischen Fragestellungen selbstständig lösen zu können. Ohne die pädagogische Vermittlung steigt das Missverständnis und die Kommunikation findet nicht statt.

Genau genommen liegt kein Widerspruch zwischen Kunstfreiheit und Bildungsauftrag vor. Vielmehr hat der Bildungsauftrag einen kontroversen Widerspruch. Er hat den Auftrag Werte zu vermitteln, in einer unvollkommenen Welt, die sich in sich widerspricht. Die Kunstfreiheit dient in diesem Sinne der Übersetzung und Vermittlung dieser Kontroverse.

Künste wie Theater oder Literatur können hervorragende Werkzeuge sein, um kritisches Denken, Empathie und Reflexion zu fördern. Ein kontroverses Stück oder Buch kann dazu anregen, über die eigenen Werte und Perspektiven zu gesellschaftlichen Themen nachzudenken, diese zu hinterfragen und folglich in den Diskurs zu gehen.

Ali Napoé ist seit der Spielzeit 2020/2021 Interkultureller Vermittler am Staatstheater Darmstadt. Er trägt zum einen den pädagogischen Auftrag als kultureller Vermittler in der Abteilung Mitmachen & Vermittlung und stellt zum anderen sein künstlerisches Können im Schauspiel vor.

Ali Napoé vermittelt zwischen Kunst und Schule und andersherum.

Foto: Daniel Shaw

Die demokratische Verantwortung Theater ist Politik; Schule auch. Der Staat subventioniert diese Institutionen mit massiven Steuergeldern und das ist vor allem eine politische Entscheidung. Auch wenn wir es uns heute nicht mehr vorstellen können, Schule, Theater, Medien und Meinungsfreiheit wegzudenken, ist der Genuss dieser Vorzüge immer noch ein Privileg, das über Nacht weg rationiert werden könnte. Es sei an dieser Stelle nur an die Begriffe „systemrelevant“ und „Pandemie“ erinnert und man bekommt schon beim Gedanken daran Gänsehaut.

Dafür, dass Steuern einer vielfältigen Bevölkerung verwendet werden, um Kunst und Kultur zu subventionieren, bringen die künstlerischen Inhalte weder die gesellschaftliche Vielfalt zum Ausdruck, noch spiegeln sie ihre Geschichten wider.

Wenn die Vielfalt im Programm und auf der Bühne nicht zu sehen ist, dürfen sich Theater über mangelnde Diversität im Publikum und folglich auf der Bühne nicht wundern. Das Desinteresse wirkt gegenseitig.

In seinem gemeinsam mit Sebastian Kurtenbach und Klaus Peter Strohmeier herausgegebenen Buch Kinder. Minderheit ohne Schutz – Aufwachsen in einer alternden Gesellschaft schreibt Aladin El-Mafaalani4: „Das Konzept superdiverse Kindheiten ist dabei wohl ein handfester Befund als auch eine neue Perspektive auf Kindheiten und die Veränderung der Gesellschaft insgesamt. Es ersetzt das binäre Modell [mit oder ohne Migrationshintergrund], das mittlerweile mehr Probleme schafft, als es löst, und fokussiert auf die reale Komplexität. [...] Die jüngeren Altersgruppen können als Generation superdivers bezeichnet werden. […] Und entsprechend ist die Zukunft Deutschlands superdivers.“ Genau diese „superdiverse junge Generation“ ist es also, die der Relevanz der Institution Theater in ihrem Leben einen eher weniger wichtigen Stellenwert beimessen könnte. Vor allem wenn man ihnen die Subventionssummen nennt, die sie als Steuerzahler*innen der Zukunft tragen werden.

Da außerdem der derzeitige Zuspruch für die Unterhaltung staatlich subventionierter Kulturhäuser politisch abnimmt, nicht zuletzt durch immer knapper werdende Haushaltskassen der Länder und daraus folgende Kürzungen, merken wir, es geht auch um den Fortbestand dieser Institutionen.

Die demokratische Verantwortung von Theater liegt deshalb, meiner Meinung nach, in der Vermittlung einer pluralistischen Gesellschaft durch die Sichtbarmachung ethnischer Vielfalt in Besetzungen auf der Bühne und in den Geschichten sowie der künstlerischen Auseinandersetzung mit einer sich selbst widersprechenden Welt. Die demokratische Verantwortung von Schule liegt darin, die Schüler*innen in kritischem Denken durch Aufklärung und Vermittlung von Werten zu stärken, die ihnen bei der Wahrheits- und Verantwortungssuche helfen werden.

4

El-Mafaalani, Aladin: Kinder. Minderheit ohne Schutz. Aufwachsen in der alternden Gesellschaft. Köln, 2025, S.66

praxis

MOVE IT Hessisches Landestheater Marburg Foto: Jan Bosch

21

Krake 22

von Alexander Benke und Natascha Grasser

D

Der folgende Text ist interaktiv. Er ist nicht linear. Es kann selbst entschieden werden, in welcher Reihenfolge er gelesen wird. Themen tauchen immer wieder auf, aber in einer neuen Kombination. Wer ihn liest, kann sich verlaufen, sich an einem Gedanken festhalten oder sich treiben lassen.

Wir laden ein, euch auf dieses kleine Textexperiment einzulassen. Wenn ein Worthochgestellt ist, könnt ihr zur jeweiligen Überschrift wechseln. Ihr müsst aber nicht, ihr könnt auch einfach weiterlesen und beim nächstenWort neu entscheiden, ganz wie ihr wollt. begrüßen – Uh, hallo! Entschuldige, ich hab’ gar nicht bemerkt, dass du da bist. Du hast mich überrascht. Gar nicht erschreckt, aber eben, wir kennen uns ja noch nicht. Darf ich mich ein bisschen in deiner Nähebewegen aufhalten? Nur ein bisschenbefühlen, nur wenn du willst. befühlen – Ich fühle, dass du in meiner Nähe bist. Ich fühle es nicht mit einer Hand, sondern mit allem. Mit jedem Teil von mir. Ich fühle mich manchmal ganz klein, es ist zu viel Platzsein. Aber wahrscheinlich kann man gar nicht wissen, wie großdenken man wirklich ist. Ich sag’ mal so, der kleinste

praxis

Ich bin Viele. Und wir ziehen in verschiedene Richtungen.

Arm eines riesigen Wesens ist wahrscheinlich immer noch recht groß. Aber wer weiß, wir haben wirklich sehr viel Platz hierbewegen. Weißt du, wenn man mit jeder Zelle des Körpers gleichzeitig riecht, fühlt und schmeckt – das mit dem Hören unter Wasser ist ein bisschen kompliziert –, das überfordert auch manchmal. Aber soweit ich es kann, will ich dir sagen: „Ich höre dich“. Eigentlich will ich, dass du dich gehört fühlst, das klingt fein. bewegen – Ich bin Viele. Und wir ziehen in verschiedene Richtungen. Ich könnte mich zerreißen. Oder wirfließen könnten etwas Neues entdecken. Manchmal will ich einfach weglaufen, also wegschwimmen. Dann bewegt sich zu viel

Demokratie mit acht Armen

gleichzeitig, da kann man schon Angstbefühlen bekommen. Ich könnte mich sehr gut verstecken, aber wirklich gut bin ich im ruhig bleiben. Das hilft mir auch nicht immer. Manchmal muss ich schnell sein, von einem Moment auf den anderen, bevor etwas abreißt. Ich beweg mich, weil ich mich bewegen musshandeln und manchmal einfach, weil ich will. Es reicht manchmal auch, wenn man einfach Lust darauf hat. denken – Und ich denke ja nicht an einem einzigen Ort. Mein Kopfbewegen ist kein Zentrum. Er ist mehr so ein Vorschlag. Ich habe das Gefühl, dein Terrarium ist zu klein für dich. Du brauchst mehr Raum, so scheint es zumindest.

Wenn dem Kopf der Raum zu klein wird, dann macht er sich einfach kleiner, aber ich glaub’, da unterscheiden wir uns verhandelnmutlich Wo denkst du? In deinem Kopf? Oder Arm? Was ist mitfließen dem Bauchgefühl? Ist das nicht auch ein bisschen dein Kopf? handeln – Ich hab’ schon mal einen ganz wichtigen Teil von mir verloren. Einfach abgerissen. Von einem Moment auf den anderen war da einfach nichts mehr. Der Arm ist nachgewachsen, jetzt hab’ ich einen anderen Armsein. Wir kennen uns noch nicht. Es hat jetzt niemand Schuld, niemand einzeln und nicht alleine. Es ist halt jetzt so, ein bisschen worst of both worlds. Es ist auch gar nicht so groß, ich fürchte, wenn ich das zu dir sage, wird es für dich größer, als es eigentlich ist. Ich versuche mich da rauszuwinden, schon länger. Kannst du mir helfen? Es ist mir ein bisschen unangenehm zu fragen und ich habe ehrlich gesagt Angst, dass du michbefühlen missverstehst. Alles gleichzeitig lösen und unabhängig voneinander. Mit acht Armen und neun Hirnen fällt es mir nicht ganz leicht, dein „Ich“ zu begreifen. Also, meines auch. Gut, dass „Ich“ so flexibel ist. Ich bin nicht allein.

Ich kann nicht allein entscheiden. Der Kopf sagt ja nicht, was wir zu tun haben. Der Kopf sagt genau genommen gar nichts, wir spüren halt ein bisschen, wie es ihm geht, wenn er unruhig ist oder etwas will. Er hat eine Lieblingsspeise. fließen – Die Wellen sind ein bisschen wild in letzter Zeitfließen. Sie sind auch neu, die alten Ströme zittern so ein bisschen vor sich hin und schießen plötzlich in eine ganz

praxis

andere Richtung. Ich muss mich oft neu orientieren, in letzter Zeit. Und kalt wird’s. Dann wieder zu heißdenken. Würdest du mich ein Stück begleiten? Ich will dir gerne etwas zeigen.

Also, zuhause in dem Sinn hab ich ja keines. Ich bin halt da.

Ich bin sehr oft unter diesem Stein da drüben. Und manchmal halt ich nur den Zipfel eines Tentakels raus, dann bewegt er sich so ein bisschen in der Strömung. Da bin ich beruhigt, so wirklich. Nicht nur still. Das ist was anderes. sein – Ich hab’ auch neun Gehirne. Ich habe einen Kopf und acht Arme. Ich bin Viele. Ich bin Eine. Ich weiß nicht immer, wer ich bin. Aber ich bin da. Du bist auch da. Freut mich immer noch dich kennenzulernen! Ich glaube, wir müssen kurz über das „Ich“ reden, das funktioniert ja bei dir ein bisschen anders als bei mir. Also, ich bin einerseits „Ich“, das Ganze. Ich bin die Krakebegrüßen. Freut mich, dich kennenzulernen! Und irgendwie bin ich jeder einzelne meiner Arme. Also irgendwie das Ganze und irgendwie ein Teil. Und du bist du, oder? „Du“ ist dein Ganzes. Soweit, so gut. Und „Du“ ist auch ein Teil vom Ganzen. Von deiner ganzen Familie, Schulklasse, Nachbarschaft, deinem Arbeitsplatz, Wohnhaus, Ökosystem. Deine Handbewegen ist Teil von dir, aber bist du deine Hand? Ich vermute, du hast schon das Gefühl, dass du irgendwo knapp hinter deinen Augen bist, oder? Ich bekomme viel von dir zu spüren. Du bist ja auch Teil meiner Welt und ich jetzt Teil von deiner.

Wir sind Natascha Grasser (Mezzanin Theater) und Alexander Benke (Das Planetenparty Prinzip) und haben die künstlerische Leitung über das Projekt Krake inne. Dieses Projekt ein „Theatergame“, das vom Mezzanin Theater Graz in Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstler*innen entwickelt wird. Wir arbeiten mit Partnerklassen aus der Modellschule und der Andräschule Graz zusammen. Sie begleiten den kreativen Prozess, entwickeln Spielmechaniken und setzen sich in Workshops mit den Themen Freundschaft, Identität und Zukunft auseinander. Wir denken nicht allein. Wir denken mit vielen.

Wir leben in einer Zeit, in der es sich manchmal so anfühlt, als würde Zusammenhalt brüchig werden. Jeder zieht in eine andere Richtung. Polarisierung, Fragmentierung, Isolation. Doch die Herausforderungen unserer Zeit lassen sich nur gemeinsam bewältigen. Wir müssen neu lernen, miteinander zu sprechen, zu hören, zu kooperieren. Unser Spiel kann die Welt nicht retten. Aber wir wollen spielend die Welt bewegen – Demokratie als kollektives Abenteuer!

Unter der Betrachtung dieser gesellschaftlichen Entwicklungen, sind wir auf die Krake gestoßen. Wir sind fasziniert von diesem Wesen, das gleichzeitig so fremd und doch in

vielerlei Hinsicht so nah an uns ist. Die Krake ist ein intelligentes Geschöpf, das ohne zentralisierte Kontrolle agiert – eine sehr gute Metapher für unser Projekt, das Theaterperformance, Ausstellung und Spiel zugleich ist. Die Krake kommuniziert durch Farbe, Form und Bewegung, durch Berührung und Verhalten. Sie fordert uns heraus, unsere eigenen Kommunikationsformen zu hinterfragen und neue zu entdecken.

Gespielt wird im COSA – Center of Science Activities Graz.

Ein Spiel wie Krake braucht einen Ort, der Bewegung erlaubt, Berührung zulässt, der atmet – eine Forschungsstation für das Denken. Zwei Stunden lang sind die Teilnehmenden dann keine Einzelnen mehr. Zwei Stunden lang verschmelzen sie zu einem Organismus. Denn die Krake denkt nicht

Natascha Grasser ist künstlerische Leiterin des Mezzanin Theater Graz, setzt sich leidenschaftlich für die Produktion und Vermittlung von qualitätsvollem Theater für alle Generationen ein. Ihr künstlerischer Schwerpunkt liegt auf der Verbindung verschiedener Kunstformen und interdisziplinären Projekten, die die Grenzen des Theaters stets neu ausloten.

Foto: Clemens Nestroy

Alexander Benke ist freier Performancekünstler in Graz und Mitbegründer des Kollektiv Das Planetenparty Prinzip. Mit spezifischem Fokus auf interaktive Performanceformate versucht er in unterschiedlichen Arbeiten, Spiel und aktives Handeln sowohl als narratives Vehikel, als auch als politischen Akt erfahrbar zu machen.

Foto: Johanna Lamprecht

23

Wir leben in einer Zeit, in der es sich manchmal so anfühlt, als würde Zusammenhalt brüchig werden. mit einem Kopf, sondern mit vielen. Ihr Körper ist ihr Verstand, ihr Verstand ist Bewegung. Demokratie mit acht Armen. Koexistenz mit drei Herzen.

Dieses Projekt begann mit einer simplen Frage: Wie lässt sich Kollektivität spielerisch erfahrbar machen? Inspiriert durch wissenschaftliche Erkenntnisse über Kraken und ihr dezentrales Nervensystem, begannen wir mit Konzepten des verteilten Denkens zu experimentieren. Wie fühlt es sich an, Teil eines größeren Wesens zu sein? Wie koordinieren wir uns, wenn es keine Hierarchie gibt? Schritt für Schritt entwickelt sich unser Krakengame zu einem immersiven Erlebnis, das die Grenzen zwischen Gaming, Performance und Forschung verschwimmen lässt.

Wir entwickeln ein Format, das sich bewusst von klassischen Theaterkonventionen löst. Statt frontalem Erzählen setzen wir auf partizipative Elemente, auf immersive Spielerlebnisse, in denen das Publikum die Erzählung mitgestaltet. Wir verbinden Theater und Interaktion, um neue Wege der Begegnung zu ermöglichen. Dieses Projekt ist eine Suche nach anderen Formen des Miteinanders, nach neuen Perspektiven auf Handeln, auf Verantwortung, auf Koexistenz.

Theater war immer ein Raum des Miteinanders, des Fragens, des Spiegelns der Welt. Spiele fordern uns heraus, lassen uns ausprobieren, lehren uns das Scheitern. Ein Theatergame verbindet beides: Es ist nicht nur Darstellung, sondern Handlung. Nicht nur Geschichte, sondern Entscheidung.

24

Dieser Text könnte zwei Anfänge haben Erinnerungskultur an der Schnittstelle von Theater und Schule von Anja Sparberg und Barbara Raub

D

Der erste Anfang beginnt mit einer Zeitungsmeldung: „Mehr als die Hälfte der Stimmen für die AfD: Jugendliche in Hersbruck wählen bei U18-Wahl mehrheitlich rechts.“1 Diese Nachricht erreichte uns – das Projekt-Seminar des Paul-Pfinzing-Gymnasiums Hersbruck und die Theaterpädagogik PLUS vom Staatstheater Nürnberg – mitten in einer Projektarbeit zum Thema Neue Straßennamen2 . Darin spannten wir einen Bogen über die Neubenennungen von Straßen in Nürnberg nach Widerstandskämpfer*innen im Nationalsozialismus zu den Opfern einer rechtsextremen Gruppierung der Nuller Jahre, dem Nationalsozialistischen

junge expertise praxis

Was ist geschehen in einer Stadt, die sich seit vier Jahrzehnten mit ihrer Rolle im Nationalsozialismus auseinandersetzt?

Untergrund (NSU). Allein in Nürnberg wurden vom NSU drei Menschen aus rassistischen Gründen ermordet. Die Stadt hat Plätze nach den Opfern benannt. Einige der Schüler*innen waren schon in vorherigen Projekten im Rahmen der Tagung Leerstellen als Chance: Historische Vermittlungsformen an Orten ehemaliger KZ-Außenlager in tschechisch-deutscher Perspektive 3 dabei und kommentierten den Wahlerfolg der AfD so: „Für mich war das Wahlergebnis zunächst ein großer Schock. Ich hätte von Junior-Wählern einer Stadt wie Hersbruck ganz anderes erwartet, auch wegen Hersbrucks dunk-

1 2 3

Nordbayern.de, 6. Oktober 2023 BR24_Kulturnachrichten_StaatstheaterNürnberg_PLUS_20.02.2024MP3 Nürnberger Zeitung, Hersbrucker Schweiz, Wie aus Leerstellen Lehrstätte werden, 10. November 2022

ler Geschichte während des Zweiten Weltkriegs. Ich hoffe, dass es wahr ist, dass viele der AfD-Stimmen ‚nur Spaß‘ waren.“ (Ewart, 17 Jahre) Was ist geschehen in einer Stadt, die sich seit vier Jahrzehnten mit ihrer Rolle im Nationalsozialismus auseinandersetzt? Die sich mit dem KZ-Außenlager von Flossenbürg inmitten der Stadt Hersbruck intensiv beschäftigt hat? In der es zivilgesellschaftliches Engagement gibt? In der ein Dokumentationsort errichtet worden ist, um an die Opfer zu erinnern? Wo Schüler*innen aller Schularten mit ihren Lehrer*innen Projekte zum Erinnern organisieren und sich bezüglich menschenverachtender Sprache sensibilisieren?

Der zweite Anfang dieses Textes handelt von einer Facharbeit in den 80er-Jahren zum KZ-Außenlager in Hersbruck.

In Bayern schreibt man in der Oberstufe zu einem selbstgewählten Thema ein Jahr lang eine wissenschaftliche Arbeit.

Der Schüler Gerd Vanselow sieht die baulichen Reste in seinem Heimatort, hört Geschichten hinter vorgehaltener Hand, recherchiert in Archiven, spricht mit Zeitzeug*innen und benennt die Verstrickungen seines Dorfes und der Stadt Hersbruck mit dem Nationalsozialismus. Er wird von verschiedenen Seiten dafür angefeindet.4 Gleichzeitig setzt er wichtige erinnerungspolitische Impulse, die die Stadt- und Schulgesellschaft zunehmend prägen. Es entstehen zivilgesellschaftliche Prozesse. Erinnerungsorte werden errichtet, Begegnungen zwischen Überlebenden und/oder den Angehörigen finden statt. Mittendrin eine junge Frau, Barbara Raub, die beschließt Geschichtslehrerin zu werden, das Theater liebt und, als sie zurück an ihr Gymnasium in Hersbruck geht, alles miteinander verbindet.

In diesem Artikel beschreiben wir – Anja Sparberg und Babara Raub – die Motive, methodischen Ansätze und strukturellen Voraussetzungen unserer Zusammenarbeit und 4

Vanselow, Gerd: KZ-Hersbruck. Größtes Außenlager von Flossenbürg, Hersbruck 1983

praxis

lassen dabei auch die Gedanken von zwei an den Projekten beteiligten Schüler*innen einfließen.

Das zentrale Motiv unserer Zusammenarbeit besteht in dem Wunsch, Theater und Schule miteinander zu verbinden und mit der Theaterpädagogik andere didaktische Vermittlungsformate in den Geschichtsunterricht zu integrieren. In zahlreichen Kooperationen haben wir den Geschichtsunterricht aus dem Klassenzimmer heraus in die Städte Hersbruck und Nürnberg getragen und darüber hinaus auch in den internationalen Schüler*innenaustausch mit Tschechien und Frankreich eingebracht. Unsere Grundüberzeugung ist, dass theaterpädagogische Methoden auf emotionaler und kognitiver Ebenen das geschichtliche Bewusstsein schärfen können.

Beim internationalen Schüler*innenaustausch haben wir Orte gewählt, die in besonderer Weise mit den Verbrechen des NS, der Wehrmacht und der SS verbunden sind und gleichzeitig auch Bezüge zur Geschichte der Stadt Hersbruck aufweisen. Sowohl im tschechischen Litomerice als auch in Hersbruck befand sich ein KZ-Aussenlager. Das französische Oradur-Sur-Glane wurde durch ein Massaker der Waffen SS ausgelöscht.

Alles keine einfachen Themen für junge Menschen. Insbesondere in einer Stadt, in der ihre Großeltern unter Umständen Täter*innen, willige Mitläufer aber auch Opfer sein können. Da braucht es viel Wissen und eine gute Didaktik damit keine schiefen Geschichtsbilder entstehen. Neben eigener Expertise bekamen wir Unterstützung von Historiker*innen.

Noch wichtiger ist es, eine vertrauensvolle Atmosphäre entstehen zu lassen: Die Auflösung der Klassenzimmersituation oder die ersten Begegnungen beim Schüler*innenaustausch im Theater durch Körper- Raum-, Wahrnehmungs-, Sprach-, Schreib- und Phantasiespiele hatte auf die Schüler*innen nach anfänglichem Zögern immer eine auflockernde, Kreativität und Gemeinschaft fördernde Wirkung. „Am schönsten fand ich unser gemeinsames Lied am Ende der Performance. Es wurden Texte gelesen, die zeigten, wie wichtig es ist mit der Vergangenheit zu beschäftigen und dann hatten wir diese verbindende Botschaft.“ (Ewart, 17 Jahre) Aufgrund der Möglichkeit, Rollen anzunehmen oder Rollen zu wechseln, konnte man sich identifizieren, aber auch auf Abstand zum eigenen gehen.5 „Durch die Rolle – ich bekam die Rollenkarte eines schüchternen Mädchen – konnte ich meine Gedanken und Ideen einbringen und mich in die Situation versetzen, dadurch fühlte ich mich geschützter und freier.“ (Ewart, 17 Jahre) Die persönlichen Recherchen und Texte verbanden die Schüler*innen intensiver mit den Themen, Orten und Menschen.6 „Durch den Briefwechsel und die Zusammenstellung aller Briefe zu einer Lesung habe ich so viel über Litoměřice und das Leben dort erfahren, ich glaube, das findet man alles gar nicht in den Geschichtsbüchern.“ (Laura, 18 Jahre)

ist, dass die Schüler*innen das Gelernte auch praktisch anwenden können – im Geschichtsunterricht Mahnmale besuchen, in Archiven recherchieren, mit anderen Institutionen zusammenarbeiten. Dies ermöglicht es den Schulen, komplexe Themen wie Erinnerungskultur eingehender zu behandeln und kreative Methoden wie Theaterarbeit einzubeziehen. Schüler*innen lernen, politische Sachverhalte zu durchschauen und sich ein eigenes Urteil zu bilden, indem sie sich aktiv mit historischen Ereignissen und Personen auseinandersetzen.

Diese Möglichkeiten haben auch andere Schularten.

Schon früh gab es Kooperationen zwischen Staatstheater, Paul-Pfinzing-Gymnasium und der Kulturschule BismART/ Bismarck, eine Mittelschule, die an dem staatlichen Programm Kulturschulen in Bayern7 teilnimmt. Sie forschten u. a. mit Regine Dura und Hans-Werner Kroesinger (Expert*innen des Dokumentartheaters) zum Thema Erziehung im Nationalsozialismus8. Die Leitfrage war stets, welche Anlässe und Formate können Theater und Schule schaffen, damit Geschichte lebendig wird und sie sich mit der Lebenswelt der Jugendlichen verbindet?

Indem man zum Beispiel einen ehemaligen Schüler der eigenen Schule in den Fokus nimmt, wie in der Kulturschule BismART/Bismarck Nürnberg: Der Lehrer Christian Horneber stellt zusammen mit der Theaterpädagogik den Schüler*innen den Literaten Hermann Kesten vor, dessen Büste in der Schule steht. Die Stadt will seinen 125. Geburtstag mit einem Festakt würdigen. Kesten wurde in der heutigen Ukraine geboren und kam mit zwei Jahren in das Viertel, in dem auch die Schüler*innen, fast alle mit einem internationalen Hintergrund, aufwachsen.

5 6

7 8

https://www.gedenkstaette-flossenbuerg.de/pl/offerings/was-tust-du-2 Nürnberger Zeitung, Hersbrucker Schweiz, Workshop zum Thema Oradour, 24. Februar 2024

25

Die Schüler*innen spielten im Theater, lasen in der Schule oder machten ortspezifisches Theater auf Baustellen, Bahnhöfen und in der Kongresshalle am Reichsparteitagsgelände. „Nun sind wir hier in der Kongresshalle – die ja nie fertig geworden ist. Wenn man sich vorstellt, dass auf dem Gelände bei den Reichsparteitagen so viele gefeiert haben und marschiert sind.“ (Laura, 18 Jahre) Die strukturelle Voraussetzung für all diese Projekte ist seit 2017 die Umstellung auf das neunstufige Gymnasium in Bayern, wodurch mehr zeitlicher Spielraum für vertiefende Projekte geschaffen wird. Das Ziel des neuen Lehrplans

Alles keine einfachen Themen für junge Menschen. Insbesondere in einer Stadt, in der ihre Großeltern unter Umständen Täter*innen, willige Mitläufer aber auch Opfer sein können.

https://www.kulturschulen.bayern.de/ Nürnberger Nachrichten, Hersbrucker Schweiz, Demokratie ist Erziehungssache, 21. Oktober 2021

26

praxis

Ein Gedicht von Kesten wird für die Schüler*innen be- und dem Saal 600 im Memorium Nürnberger Prozesse versonders wichtig: Der Spaziergänger9. Darin beschreibt Kes- tiefende Einblicke bekommen. ten, wie er – als Jude vor den Nationalsozialisten geflohen – Immer wieder muss überprüft werden, ob diese oder jene durch Städte und Länder wandert, dort aber niemals wirk- Art der Reflektion und der theatralen Auseinandersetzung lich ankommt und sich nach seiner Heimat sehnt. Dieses zu einem Erinnern führt, im Sinne von: Ich erinnere mich Gedicht bezogen die Schüler*innen auf ihre Erfahrungen, an Ereignisse aus einer anderen Zeit, die mir vorher nicht schrieben es für sich neu und fast alle erzählten von ihren bekannt waren, von denen ich möchte, dass sie nicht wieder eigenen Wanderungen oder denen ihrer Eltern durch immer passieren. Im besten Fall zeigt man Strategien auf, um selbstwieder neue Städte, bis sie schließlich in Nürnberg ankamen. wirksam an demokratischen Prozessen teilzunehmen.

Durch die feste Verankerung im Lehrplan und durch geIch bin Ausländerin/ lungene Kooperationen mit Theatern und anderen BildungsIch ging durch hunderte von Ländern/ stätten können Schüler*innen in die Lage versetzt werden, Immer dieselben Städte?/ Bilder, Texte, Reden und Filme zu analysieren und sie mit Ich gehe als sehnte ich mich wohin/ geschichtlichen Ereignissen in Verbindung zu setzen.

Verzweifelt, denn ich komme irgendwohin/ Geschichte wiederholt sich sicher nicht eins zu eins, kann Wohin ich nicht will/ aber durchaus in anderen Gewändern wieder auftauchen.

Ich ging durch Syrien und stand im Iran/ Demokratiegefährdende Mechanismen erkennen zu können Wie ein Migrant ging ich durch Afrika/ und eigene Strategien zu erarbeiten, um jene abzuwenden, Aber immer wieder stand ich nicht/ ist daher eine immer wichtiger werdende Gegenwarts- und Dort wo ich hingehörte/ Zukunftsaufgabe und so verbinden sich die beiden Anfänge Werde ich irgendwann dazu gehören? zum Schluss wieder miteinander.

(Ilenia, 13 Jahre) Die intensive Beschäftigung mit einer Person über verschiedene Sinneskanäle war das Zentrum und der Türöffner für die Schüler*innen, sich mit einer Religion und einer Zeit auseinanderzusetzen, mit der sie erst einmal wenig verbinden konnten.

Die Projekt-Beispiele aus dem Schulalltag zeigen, wie wichtig es ist, Geschichte mit den Lebenswelten der Jugendlichen in Verbindung zu bringen, ohne sie zu überwältigen.

Von Seiten des Theaters sind diese Projekte immer Befragun-

Geschichte wiederholt sich sicher nicht eins zu eins, kann aber durchaus in anderen Gewändern wieder auftauchen. gen der Jetzt-Zeit. Wie erinnern, reflektieren, analysieren wir heute und mit wem? Angefangen hat diese Recherche für mich, Anja Sparberg, als Theaterpädagogin 2007 mit dem deutsch-polnisch-rumänischen Jugendprojekt Du bist so jung und sollst schon sterben im Innenhof der Kongresshalle. Aus Zeitzeugengesprächen wurde eine Performance.10 In letzter Zeit denkt man verstärkt über Zweitzeugen-Projekte, die Befragung der Kinder und Enkel, nach. In der Stadt Nürnberg und in Hersbruck kann man zusätzlich, anhand von Mahnmalen, Straßen und Plätzen, dem Dokumentationszentrum11 9 https://kesten.de/ 10 15 Jahre Theaterpädagogik, Staatstheater Nürnberg, 2014/15: https:// assets.ctfassets.net/0i0zqigm38c2/3RueqxadLY1sAkI5fPOzaT/c19337b02a96f943e45a6aa993fc0ce1/JUBILA__UM_15_Jahre_Theaterpa__dagogik.pdf 11 https://museen.nuernberg.de/dokuzentrum

Anja Sparberg leitet seit 2000/2001 die Theaterpädagogik am Staatstheater Nürnberg, publizierte zu dem Thema Erinnern und anderen theaterpädagogischen Themen.

Foto: Julia Puder

Barbara Raub ist Lehrerin für Geschichte, Politik und Gesellschaft und Deutsch am Paul-PfinzingGymnasium in Hersbruck und mitverantwortlich für die Schulplatzmiete (Theaterabonnement) am Staatstheater Nürnberg.

Foto: Michael Schober

Ewart Bowen ist in der 12. Klasse des PaulPfinzing-Gymnasiums und interessiert sich unter anderem für kreative Formen der Geschichts­ vermittlung, beispielsweise in Form von einem Theaterstück und für eine nachvollziehbare Aufarbeitung der Geschichte.

Foto: privat

Laura Ehmer ist Schülerin am Paul-Pfinzing-Gymnasium, ihr ist wichtig, dass die Erinnerungskultur weiterhin gefördert wird, alle Generationen eingebunden werden und der Austausch zwischen unterschiedlichen Ländern aufrecht erhalten bleibt.

Foto: privat

praxis diskurs

27

Truckermärchen TheaterGrueneSosse Foto: Katrin Schander

28

Mitmachen und Gefragt-Sein als Teil der Theatererfahrung Ein Streifzug durch die Junge Theaterwerkstatt am Zoo von Esther Boldt

S

Schon im Foyer geht es los mit dem Angesprochen-Werden.

Da erzählt Theaterpädagogin Laura Zettl eine Geschichte ins Mikrofon, umstanden von Kindern und Erwachsenen. Die Chipsbande ist auf einem Kreuzfahrtschiff unterwegs, doch plötzlich verschwinden Gegenstände. Ein Fußball. Eine Badehose. Wie können wir herausfinden, wer die Sachen geklaut hat? – „Nach Fußabdrücken suchen“, schlägt ein Kind vor, und ein anderes sagt sofort: „Aber es gibt keine!“ Keine Fußabdrücke, notiert Zettls Kollege Anton Winker auf ein Flipchart. „Hat der Täter vielleicht keine Füße?“, überlegt jemand laut. Der einzige an Bord, auf den das zutrifft, ist der Kapitän – ein Vogel. Ist er etwa der Dieb? So wird die Geschichte gemeinsam weiter fabuliert, locker, entspannt, und hoch aufmerksam.

praxis

Einmalige Chance für ein Experiment: das Pilotprojekt Junge Theaterwerkstatt.

Das kollektive Geschichtenerfinden heißt hier „Radio“, und es ist Teil eines Programms, das das Geschehen in der Jungen Theaterwerkstatt am Zoo fortlaufend begleitet und kommentiert. Das Radio ist für Publikumsgespräche da und für Partys, und am Offenen Montag bespielen es Jugendliche, die diesen Raum als ihren begreifen. Denn Mitmachen und Gefragt-Sein sind in der Jungen Theaterwerkstatt am Zoo in Frankfurt am Main von Anfang an Teil der Theatererfahrung.

Als Modellprojekt probiert die Junge Theaterwerkstatt eine Spielzeit lang aus, was für ein Theater die Stadt eigentlich braucht. Und vor allem: Was ihre Kinder und Jugendlichen brauchen – welche Räume für Engagement, Erfahrung und Mitgestaltung ihnen derzeit fehlen. Hier, im repräsentativen Zoogesellschaftshaus am Rande des Zoogeländes, in der Nachbarschaft von Brüllaffen und Brillenbären soll künftig ein städtisches Kinder- und Jugendtheater entstehen. Dieses wurde bereits 2019 beschlossen, 2021 der Architekturwett-

bewerb ausgeschrieben. Eine finale Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung für die Einrichtung eines solchen Hauses und für seine Finanzierung steht allerdings immer noch aus – eigentlich sollte sie bereits 2024 fallen.

Als im Frühjahr 2023 ein Privattheater schloss, das im Seitenflügel des Gebäudes ansässig war, bot sich die einmalige Chance für ein Experiment: das Pilotprojekt Junge Theaterwerkstatt. Es wird vom Künstler*innenhaus Mousonturm gemeinsam mit dem TheaterGrueneSosse und dem Paradiesvogel e.V. betrieben, einem Zusammenschluss freier Theaterschaffender. Was in der Spielzeit 2024/25 hier erprobt wird, soll in die künftige Planung einfließen. „Das Haus soll im besten Sinne ein neues Instrument der Zerstreuung sein, ein Ort, an dem unterschiedliche Inhalte und Bedürfnisse Platz haben, an dem Überraschendes geschehen kann und neue Begegnungsformen und die Beteiligungsorientierung im Mittelpunkt stehen. Gastgeben ist unsere Kernaufgabe“ sagt Marcus Dross, Intendant des Künstler*innenhauses Mousonturm. Gemeinsam mit der künstlerischen Projektleitung Liljan Halfen ist er für die Ausrichtung des Hauses verantwortlich. Dabei geht das Leitungsteam recht ergebnisoffen vor. „Ein gutes Konzept“, davon ist Halfen überzeugt, „muss im Kontext der Stadt, in der es wirksam werden soll, gedacht werden.“ Seiner Struktur nach ist die Junge Theaterwerkstatt das erste Produktionshaus für junges Publikum in Deutschland – ein Haus also, das nicht über ein festes Ensemble verfügt, sondern mit der freien Szene vor Ort zusammenarbeitet sowie nationale und internationale Gastspiele einlädt. Diese Struktur ermöglicht, dass es als Plattform für unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen und Bedarfe fungiert, sich durch rege Vernetzungsarbeit unterschiedliche Institutionen und Protagonist*innen hier heimisch fühlen können und die Gastspiele, die ästhetisch höchst vielfältig daherkommen, verschiedene Publika anspricht. ‚Sich zur Verfügung stellen’ ist eine Formulierung, die in den Gesprächen mit der Leitung der Jungen Theaterwerkstatt häufig fällt. Die offene, vielgliedrige Konstruktion des Hauses lädt alle Beteiligten ein, gemeinsam auf die Suche

praxis

zu gehen. Hierfür ist das Team im engen Gespräch mit zahlreichen Frankfurter Institutionen, von den Schulen bis zur Bildungsstätte Anne Frank und dem internationalen Familienzentrum. Und es sucht den Dialog mit seiner Zielgruppe: mit Kindern und Jugendlichen. Während üblicherweise ausschließlich Erwachsene Orte konzipieren, die für junge Menschen da sein sollen, reden diese hier von Anfang an mit.

So begleitet beispielsweise eine Gruppe Jugendlicher, der Jour Nutz, den Prozess der Entwicklung des neuen Theaters für junges Publikum von Anfang an kritisch und partizipativ, und bringt ihre Vorschläge in die Planung ein. „Sie haben sich ähnliche Häuser in Stuttgart und Berlin angesehen, und waren zu Besuch im Berliner Architekturbüro, das den Umbau gestalten wird“, erzählt Ossian Hain, Kurator für Vermittlung & Partizipation. Alle zwei Wochen trifft sich der Jour Nutz, im Winter veranstaltete er eine erste Jour Stage – eine Open Stage mit viel Wertschätzung und gemeinsamer Karaoke am Schluss.

Hier werden die Verhältnisse also einmal umgekehrt – soweit es eben geht. Für die Demokratiebildung sind solche Momente und Erfahrungen wichtig, denn in ihrem Alltag erleben junge Menschen oft, dass ihre Interessen denen der Erwachsenen untergeordnet werden: Sei es in Familien, in denen Zeit und Ressourcen häufig knapp sind und die Tage durch die Erwerbstätigkeit der Erwachsenen streng durchgetaktet. Oder sei es in Schulen als Institutionen, in denen die natürliche Neugier junger Menschen, ihr Tatendrang und ihre Sozialkompetenz in 45-Minuten-Rhythmen und einen von Noten geprägten Leistungsbegriff gefasst werden – wie unter anderem Beteiligungspädagogin und Autorin Marina Weisband nicht müde wird zu betonen.

Zeiten, in denen ihre Bedürfnisse Raum bekommen, Orte, an denen sie sich ausprobieren und über ihre unmittelbare Lebenswelt mitentscheiden können, sind selten. Für unsere Demokratie ist das ein Problem: Wenn Kinder und Jugendliche sich in ihrem Alltag nicht als gleichberechtigten Teil unserer gesellschaftlichen Gegenwart erfahren, wie sollen sie dann Vertrauen in unser politisches System fassen? Über ihre eigene Diskriminierung lernen Kinder und Jugendliche vielmehr, „dass die Abwertung und Unterdrückung anderer in Ordnung ist“, schreibt die Journalistin und Autorin Teresa Bücker in ihrem Buch Alle Zeit. In demokratischen Gesellschaften müssen wir, so fordert sie, „Kinder als Menschen mit vollen Rechten in unser politisches Denken und Handeln einschließen.“ Kann das Theater ein solcher Ort sein, an dem junge Menschen Selbstwirksamkeit erfahren können? Natürlich, findet Ossian Hain, Kurator für Vermittlung und Partizipation. Um Demokratie zu erlernen, sei es notwendig, sich in öffentlichen, gesellschaftlichen Räumen als gestaltend und relevant wahrnehmen zu können und dort Beziehungen zu entwickeln. Neben den künstlerischen Arbeiten und der kritischen Auseinandersetzung über diese gibt es unterschiedliche Bausteine in der Jungen Theaterwerkstatt, die das ermöglichen.

Das offene Haus am Montagnachmittag etwa sei, so Hain, „für viele Kids der erste und einzige Ort mit einem institutio-

29

nellen Zusammenhang, an dem sie mitbestimmen können.“ Jugendliche können hier neue Sachen ausprobieren, Möbel für das Theater bauen, einen Garten auf der Terrasse anlegen. Sie können neue Freundschaften schließen oder einfach einmal durchatmen und den Leistungsdruck ablegen. „Der offene Montag hat hier mittlerweile den Spitznamen ‚Feierabend für Jugendliche‘“, erzählt Hain. Gestaltet wird er von den beiden Radiomacher*innen vom Anfang, von Laura Zettl und Anton Winker.

Die Demokratie braucht Orte wie die Junge Theaterwerkstatt, an denen sich Kinder und Jugendliche frei von Bewertungen und Sanktionen ausprobieren und erfahren können, wo sie auf Gleichaltrige treffen und mit diesen gemeinsam

Wenn Kinder und Jugendliche sich in ihrem Alltag nicht als gleichberechtigten Teil unserer gesellschaftlichen Gegenwart erfahren, wie sollen sie dann Vertrauen in unser politisches System fassen? über Prozesse entscheiden können, die sie betreffen. Ein solches Selbstverständnis stünde übrigens auch vielen Kulturinstitutionen mit einem erwachsenen Zielpublikum sehr gut. Das Gefühl jedenfalls, hier nicht nur als anonyme Konsumentin ein- und auszugehen, die allenfalls durch die Erfüllung bestimmter Dress- und Verhaltenscodes angenehm auffallen möge, sondern angesprochen zu werden, willkommen geheißen, mit einer Popcorntüte in der Hand (im Foyer läuft unermüdlich eine Popcornmaschine, und natürlich ist es gratis) – das Gefühl, dass der Ort wirklich für seine Besucher*innen da ist, dass die Räume benutzt und gestaltet werden dürfen, und nicht primär der Repräsentation dienen – das dürfte auch in andere Kulturorte Einzug halten.

Esther Boldt studierte in Gießen Angewandte Theaterwissenschaft. Sie arbeitet als Autorin, Tanz- und Theaterkritikerin u.a. für nachtkritik.de, Theater heute, tanz – Zeitschrift für Ballett, Tanz und Performance sowie HR2 und Deutschlandfunkkultur. Seit 2019 leitet sie gemeinsam mit Philipp Schulte die Akademie für zeitgenössischen Theaterjournalismus.

Foto: Jörg Baumann

30

Statt Stadt Land Kleinere Welt, größere Banden von Sebastian Schimmel

I

Ich sitze am Rand eines jeansblauen Sofas. Es quietschte bereits in Leipzig. Als Sitzmöglichkeit diente es damals weniger oft, umso häufiger als Trampolin. „Nein! Lass das!

Irgendwann fliegst du noch runter! Es geht kaputt!“ – Das innerste Zwicken und Knarzen der Altlasten bleibt, die wehmütigen Erinnerungen, das ängstliche Kind in meiner stolzen Vaterseele, die Launen eigener Unzulänglichkeiten, das stets unvermittelte, hinterhältige Rückenstechen all der persönlichen Vergangenheiten. Immer bleibt etwas, wenn man geht, gleichsam schön wie schmerzhaft. Wenn sich der rechte Mundwinkel hebt, tränt das linke Auge. Doch wenn ein Mundwinkel sich hebt, ist das erfahrungsgemäß immerhin das, was wir Glück nennen dürfen. Dann nimmt das kreative Potential einer Melancholie den Platz der bloßen Schwere ein. Und das ist dann eine, wenn nicht die Möglich-

praxis

Zurück an den Ort der eigenen Herkunft? keit der Geburt von Kunst. Vermutlich fand sich jener hypothetische Vorfahr in ebenjenem emotionalen Zwielicht, der, nach einer Idee von Fluxus-Künstler Robert Filliou, im Jahre 998.037 vor Christus einen Schwamm in einen Eimer mit Wasser warf und damit die Kunst gebar und mit ihr diesen allzu oft vernachlässigten, dabei so heilsamen Teil des menschlichen Wesens. Die Idee ist simpel, etwa eine bewusste Entscheidung für die ästhetische Dimension im Alltäglichen. – Nach Joseph Beuys wird eine Kartoffel zu einer Plastik, wenn der Schälende sich darüber bewusst wird, dass er arbeitet wie ein Bildhauer. Bewusstsein also, Entscheidung, die Revolte gegen den Nihilismus, ein Ausdruck, der bewegt. Etwa der dokumentierte Nachhall des Quietschens eines Sofas.

Draußen auf der großen Wiese frühstücken zwei Rehe.

Dahinter ein Bach, dahinter ein Hügel, darauf eine Holzdampflok mit einem Waggon – ein Rastplatz für Wanderer, die sich für den „Dampfloksteig“ entschieden haben, der vom südlichen Harzrand hinauf in die Berge und damit in die Steppe der einstigen Fichten-Monokultur führt. Wald ohne Bäume. Menschengemacht. Doch hier: Eine Minute bis zur Wiese, zwei Minuten bis zum Bach, fünf bis zum

Waldbad, zehn bis in den tiefen Mischwald des Naturparks Südharz hinein. – Befreiendes Durchatmen nach einer lebenund nervenzehrenden Pandemie.

2020 waren der Großstadt zusätzliche Wände gewachsen.

Der sonst regelmäßige Kulturpuls Leipzigs stolperte alsbald durch verengte Gefäße und mit ihnen durch eine neue Angst. Die Dramaturgie des Theaters der Jungen Welt, ohnehin seit Jahren überlastet, absolvierte Extraschichten. Alles bereits leibhaftig Erprobte wurde neu gesetzt und in digitale Versionen überführt. Kontaktbeschränkungen sollten nicht das Ende der Kultur und damit womöglich den Triumph der Ängste bedeuten. Wir zoomten durch die neugewachsenen Wände hindurch und nahmen das Publikum mit. Wir reagierten schnell. Das war erhellend. Doch die hochfrequenten neuen Herausforderungen zwischen Schreibtisch und Kinderzimmer sorgten für immer kürzere Akkulaufzeiten.

Das Theater war mit den Jahren weniger familienkompatibel geworden, das leider begründbare, doch allzu Prekäre des Herzensjobs bohrte ins Fleisch, die faktische Erreichbarkeitspflicht, twentyfour/seven. Und trotz der komfortableren Lage als Festangestellter: Die Familie und ich waren an einer Grenze angelangt. – Wer oder was also kann Rettung sein?

Eine neue Liebe? Die Eltern? Ein neuer Job? Zurück an den Ort der eigenen Herkunft? – Diese Frage hatte sich vormals nie gestellt. Zu viele lange Schatten, unliebsame Abgründe der eigenen Historie, ein kaum beschreibbares regionales Störungsfeld aus Ignoranz und Erinnerungskultur: Nordhausen im Thüringer Norden. Einst stolze Reichs-, nun stetig schrumpfende, grummelige Kleinstadt mit Schnapsbrennerei und recht besonderer Mundart.

Unweit findet sich der markerschütternde historische Produktionsort der V2, „Wunderwaffe“ der Nazis, mit angegliedertem Konzentrationslager, heute Gedenkstätte. Die Anekdote, dass vor allem die Nordhäuser Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg mit Herzblut dafür sorgte, dass ihr Theater eine der ersten wieder nutzbaren Spielstätten in Deutschland wurde, hörte ich oft. Doch jenes, Ende der 1990er Jahre dann geradezu jugendliche 5-Sparten-Haus mit „Schrillen Nächten“, in denen es zeitweise zum hedonistischen Miniatur-Berghain avancierte, verlor durch Sparmaßnahmen im Jahr 2004 das eigene Schauspiel und damit spürbar an Agilität. Die Zeiten, als gar Berliner Publikum für Armin Petras’

praxis

Dantons Tod nach Nordhausen reiste und die Menschen sich an ihrem Theater rieben, gingen mit Intendant Christoph Nix. Auch das damals (mit 5 Mitarbeitenden plus je einer Zivildienst- und FSJ-Stelle) verhältnismäßig üppige KJT, das gar in große Produktionen eingebaut wurde, bekam beiläufig die jungen Flügel gestutzt. Doch wenn etwas lange genug abstinent ist, vermisst es irgendwann niemand mehr. Ob die Prioritäten seitens Theaterleitung und Stadt schlicht falsch liegen oder die Weichensteller*innen sich bereits dem Fatalismus inmitten des demographischen Wandels hingaben, um am Ende mit einem betagt-betuchten Abonnement-Publikum unterzugehen? Die Legitimationsrisiken werden in der Zahl zunehmen, nicht zuletzt aufgrund des Spannungsverhältnisses zwischen einem reichen kulturellen Erbe und einem prognostizierten Bevölkerungsrückgang in Nordthüringen von bis zu 15% bis zum Jahre 2042. Da heißt es: Zusätzliche Formate finden, um weitere Teile der Gesellschaft zu akquirieren – jung, alt; intergenerativ. Eine Bürgerbühne à la Staatsschauspiel Dresden vielleicht?

Sicher bleibt Unsicherheit. Im für so viele Wählende seltsam glanzvollen Antlitz des wachsenden Rechtspopulismus’ spiegeln sich bereits die Sorgenfalten der Kulturschaffenden.

Und wenn woanders, in Berlin, Köln, München nun billiges Parken gegen die Kultur ausgespielt wird, wächst die Sorge vor einem weiterführenden Flächenbrand ins gesamte Bundesgebiet hinein und damit vor der fortschreitenden Ökonomisierung eines einstigen Non-Profit-Wirkfeldes. Wohin geraten wir, wenn gesellschaftskritische Produktionen ungespielt der Reißwolf malmt, weil „identitätsstiftendem“ Wagner und munteren Operetten Vorrang gebührt? Wohin, wenn zukünftig Werbeblöcke die wenigen übrigen Veranstaltungen spicken oder wenn Kinder- und Jugendtheater nebst freier Szene und soziokultureller Institutionen als einzusparender Luxus postuliert werden? Werden die einstigen ländlichen Bühnen bald zu mondänen Privatgemächern mit Naturbezug „optimiert“, in denen die immer neuen Milliardäre vor leerem Saal auf ihren Hochmut onanieren, während 24h-Fleischautomaten die Reste deutscher „Kultur“ markieren?

Doch womöglich stellt sich ja zumindest die Bevölkerung Nordhausens, im Bewusstsein der eigenen historischen Verantwortung, vor einen zukünftigen Kulturrückbau, zuvorderst an diesem, ihrem Theater?

Dass soziale und kulturelle Vereine Nordhausens eine subversive Solidarität erfahren werden, bleibt nur zu hoffen.

Der Druck jedenfalls wird größer. Die Sparmaßnahmen werden kontinuierlich mehr ins Mark jener immer wichtigeren gesellschaftlichen Kontrollinstanzen treffen. Ob es um große oder kleine Kultureinrichtungen geht, ob um den in Nordhausen wirkenden Kinderzirkus Zappelini mit seinem Blue Balloon Festival für internationale zeitgenössische Zirkusund Theaterproduktionen oder andere gewichtige gemeinschaftsbildende Vereine – wahrscheinlich ist: Gerade hier, wo viele lediglich geschehen lassen, während sie „immer schön rechts gehen und die Leute freundlich grüßen“, werden wir keine äquivalenten Substitute für die Leerstellen finden, die wir hinterlassen, wenn substanzielle Elemente unserer

31

Gemeinschaftsarchitektur erstmal zerstört wurden. Der gesamte Bau würde kippen. Am Ende will es auch der Konservativste nicht gewesen sein.

Doch gibt es durchaus Funkensprühen im Dunkel. Immerhin haben viele in Nordthüringen unlängst bewiesen, wie Hauruck-Resistenz geht. Anlässlich einer Bürgermeister-Stichwahl, deren verfassungsleugnender Sieger bereits als ausgemacht galt, gründete sich im September 2023 das überparteiliche Demokratiebündnis NORDHAUSEN ZUSAMMEN, später auch entsprechende Ableger in umliegenden Gemeinden, um den etablierten AfD-Narrativen mit

Die Sparmaßnahmen werden kontinuierlich mehr ins Mark jener immer wichtigeren gesellschaftlichen Kontrollinstanzen treffen.

Aufklärung zu begegnen. Und sie vermochten es innerhalb zweier schlafloser Wochen, das Ergebnis zugunsten des parteilosen Kandidaten zu drehen; ein außergewöhnlicher Vorgang, dessen Wellen bis zur New York Times schlugen und der für Demokrat*innen in anderen Regionen zur Blaupause werden sollte, obgleich festzustellen war, dass sich das Ringen um die Demokratie in der Provinz als ungleich anstrengender zeigt als in den größeren, heterogeneren Städten. Hier bleibt es ein Kampf gegen Windmühlen. Die Großstädte sind noch immer Inseln. Dort kann sich jedweder Protest, der sich gegen Ungerechtigkeiten richtet, einer Unterstützung Vieler sicher sein. Hier aber hat „Viele“ eine durchaus andere Bedeutung; die „humanistische Masse Mensch“ ist untergewichtig, weshalb intensive Vernetzung umso essenzieller wird.

Nach über 20 Jahren war diese offenkundig schwierige Provinz in schwierigen Zeiten voller Krisen und Zweifel tatsächlich wieder zu meinem Zentrum geworden. Doch nicht innerhalb der Gefilde der sogenannten „Hochkultur“ eines Stadttheaters. Ich fand meinen Platz in der ansässigen

Die „humanistische Masse Mensch“ ist untergewichtig, weshalb intensive Vernetzung umso essenzieller wird.

Jugendkunstschule. Etwa 400 ihrer Art gibt es in Deutschland, vertreten durch den Bundesverband der Jugendkunstschulen und kulturpädagogischen Einrichtungen (bjke) und seine Landesarbeitsgemeinschaften. 13 Jugendkunstschulen gibt es derzeit in Thüringen.

Vorüber ist die Zeit, in der sich Mitarbeitende zum Ende des Haushaltsjahres arbeitssuchend melden mussten, verfolgt vom Unbehagen einer möglichen Verteilungswillkür im Folgejahr. Denn mehr als zehn lange Jahre fochten die

32

praxis

Kolleg*innen vor mir für die Verabschiedung eines Thüringer Musik- und Jugendkunstschulgesetzes, das eine Förderung verankert und damit außerschulische Angebote in der bildenden und darstellenden Kunst absichert. – Ob junge Mitglieder wie der Verein Virtuosen und Schmierfinken in Gera oder die bereits von Anna Amalia und Goethe geförderte Weimarer Mal- und Zeichenschule, die im kommenden Jahr ihren 250. Geburtstag feiern wird – alle Jugendkunstschulen in Thüringen haben eines gemein: Sie sind agile, außerschulische, spartenübergreifende Begegnungs- und Lernorte, für Allerkleinste ebenso wie für Senior*innen, die den Interessierten eine verheißungsvolle Tür hin zur eigenen Kreativität und Selbstwirksamkeit öffnen.

Ich vermisste das ausladende, dynamische Tätigkeitsfeld der Dramaturgie dennoch. Ich vermisste das TDJW, die Kolleg*innen. Ich vermisste Leipzig und seine Möglichkeiten.

Doch die meisten der Theaterarbeit allzu oft immanenten Stressoren verabschiedeten sich mit der Zeit und die neuen Gefilde entpuppten sich als offenes Feld für neue Ideen – wenn Verein in diesem Falle auch bedeutet, dass das kleine Kollegium, neben dem eigentlichen Kerngeschäft, auch dann anpacken muss, wenn diverse Ecken und Enden bröckeln, der Hof gefegt, die Werkstätten gestrichen und etwas repariert werden muss. Allerdings revitalisiert die Handarbeit stets aufs Neue das Denken, vor allem in Institutionen ohne Hausmeister*in.

Neben regulärem Wochenkursprogramm von Keramik bis Yoga, zu zwei Dritteln unterstützt durch Honorarkräfte, bietet die Jugendkunstschule u. a. AGs und Workshops für Schulen, ein breitgefächertes Ferienprogramm, das Format After Work Art für gebeutelte Arbeitswochenseelen und mehrtägige Projekte an. Letztere zunehmend auch im Rahmen einer innovativen Kooperation namens STEAM DREAM

Ein K zu MINKT, wobei dieses K für Kunst und Kreativität steht.

TEAM von Naturpark Südharz, Schülerforschungszentrum und Jugendkunstschule Nordhausen. STEAM ist das internationale Äquivalent zum deutschen MINKT, der Erweiterung der bekannten Abkürzung MINT (für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) um ein K zu MINKT, wobei dieses K für Kunst und Kreativität steht, ergo das Lehrfeld erweitert. Eine überfällige, zeitgemäße Liaison. Die Kooperation agiert im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und der Sustainable Development Goals (SDGs) der UNESCO und möchte die Bildungslandschaft innerhalb der Region Nordthüringen proaktiv erweitern – fächerübergreifend, mithilfe der Expertise unterschiedlicher, sich gegenseitig prägender Akteur*innen, Kompliz*innen, wenn es darum geht, zu erforschen, was die komplexe Welt im Innersten zusammenhält.

Das Zusammendenken von Umwelt, Naturwissenschaft und Kunst hat den positiven Nebeneffekt, dass die individuellen Vorlieben der Teilnehmenden für einen bestimmten

Bildungsbereich als Zugang zu sonst eher gemiedenen anderen Feldern dienen können. Ein eher naturwissenschaftlich begeisterter Mensch wird animiert, einen kreativen Perspektivwechsel zu vollziehen, ebenso wie die künstlerisch Affinen durch die Schwerpunkte seitens Natur und Forschung um weitere Dimensionen bereichert werden. Diese Klammer verrückt Horizonte, beginnt da, wo der Tellerrand aufhört.

Und das macht Spaß und gibt Halt – vor allem, wenn Menschen und oft allzu getrennte Themen mit ihr und durch sie zusammenfinden. Die Eltern- und Großelterngenerationen waren im Gros ja nicht gerade „Checker“ in Sachen Positivismus und Nachhaltigkeit. Sonst hätten sie doch vielleicht ein, zwei entsprechende Schulfächer installiert. „Umwelt“ oder „Problemlösen“ zum Beispiel. Oder eben „Nachhaltigkeit“, auf allen denkbaren Ebenen. Wir knüpften deshalb an die Schaffung eines Zugangs zu MINT-Themen an. Durch ästhetisches Forschen einerseits und Aufzeigen der kreativen Aspekte wissenschaftlichen Arbeitens andererseits.

Das klappt zum Beispiel, wenn die chemischen Anteile einer fotografischen Reproduktionstechnik wie der Cyanotypie (Eisenblaudruck), die Genese und Beschaffenheit der Substanzen niedrigschwellig Beachtung finden. Das klappt, wenn deutlich wird, woher Farbmittel stammen, wie sie selbst hergestellt werden und was die Umwelt dabei für eine Rolle spielt. Das klappt auch, wenn nicht „einfach nur“ Draht und Gipsbinden eine Büste formen, sondern wenn im Zuge dessen ein weiterer Blick auf die wirtschaftlichen Dimensionen des Gipsabbaus in der Region und dessen Auswirkungen auf Flora und Fauna erarbeitet werden. Es klappt, wenn das Workshop-Basislager, fernab der Schule, im Grünen Klassenzimmer im Harz aufgeschlagen wird, wenn Umweltbildner*innen der Naturparkverwaltung mit den Teilnehmenden auf die Suche nach heimischen Insekten und Neozoen gehen, bevor sie mit Facettenlinsen zeitweise selbst zu Sechsbeinern werden; wenn Aquarelle aus mikroskopischen Entdeckungen, Insektenskulpturen aus Altpapier und Linoldrucke für eine Ausstellung im Naschgarten entstehen und spielerisch vermittelt werden kann, warum wir uns für Recyclingmaterialien entschieden haben. Es klappt, wenn die Mitarbeiterin des Schülerforschungszentrums gemeinsam mit den kleinen und größeren Forscher*innen dann die Nahrungspyramide veranschaulicht und sich die Zutaten für die leckere Suppe aus dem Feuertopf zusehends minimieren, als sich die Kinder fragen, welche davon ohne Insekten wohl noch vorhanden wären. Vom lebensmittelgefüllten Tisch bleibt am Ende nämlich nur Wasser und Salz.

Das Ergebnis verdeutlicht den Beteiligten ganz prägnant, dass sich komplexe Fragen und kurze Antworten ausschließen und alle staunen, wie wenig Menschen eigentlich über die Zusammenhänge ihres alltäglichen Lebens wissen.

Was wir uns mit dieser Arbeit selbst stets aufs Neue vor Augen führen: Ein Nach uns die Sintflut steht uns nicht zu.

Es wird eine Welt nach uns geben. Wir müssen mithilfe weiterer progressiver, kreativer, innovativer Kooperationen vehement die offenkundigen Lücken in der Vermittlung schließen, den Unwägbarkeiten der Gegenwart mit Perspektivwechsel begegnen und wir müssen uns, auch im

praxis

Kleinen, die Frage beantworten: Wie nachhaltig sind unsere Konzepte dahingehend und reichen unsere Mittel? Das überkommene Never change a running system funktioniert nicht in einem System, das nicht mehr running ist – im Angesicht oft wissenschaftsimmuner Nase-Wand-Politik und Menschen, die vermehrt glauben, statt zu wissen. Gerade im Ländlichen und Kleinstädtischen mangelt es oft an tragfähigen Netzwerken und Ressourcen, um dieser Entwicklung zu begegnen.

Hier im Kleinen braucht es größere „Banden“, die jene im OECD-Projekt Future of Education and Skills 2030 veranschaulichten 21st century skills breit befördern; physische, soziale und emotionale Kompetenzen, kritisches, kreatives Denken, die Fähigkeit zur Selbstregulierung, zu Empathie, Respekt, Selbstwirksamkeit, Verantwortung und Zusammenarbeit mit dem Ziel der Schaffung neuer Werte sowie Verantwortungsübernahme in einer von multiplen Krisen und existenziellen Dilemmata geprägten Ära: Dabei helfen wir.

Ein dem Streetart-Künstler Banksy zugeschriebener Satz lautet: „Kunst soll die Verstörten trösten und die Bequemen verstören.“ Wenn schon nicht verstört, mögen diese „Bequemen“ im besten Sinne gestört werden. Sie sollen leicht zugängliche Angebote erhalten (vermehrt auch im Schulkontext), um sich spielerisch neue Impulse und Zusammenhänge erschließen zu können, auf dass der öffentliche

33

Diskurs nicht mehr von Ressentiments, Verkürzungen und Halbwahrheiten bestimmt werden möge. Die Menschen müssen wissen und nicht zu wissen glauben. Packen wir es an, kooperieren wir, machen wir das Licht heller! Denn für Kinder und Kindeskinder, für Zukunftserfinder und Erfinderkinder sind wir Kriegsklimakrisenüberwinder. Damit wir uns später nicht vorwerfen lassen müssen: „Ihr habt uns sehenden Auges ins Dunkel geführt.“ Ich sitze am Rand eines jeansblauen Sofas. Draußen auf der großen Wiese frühstücken vier Rehe.

Sebastian Schimmel wurde 1983 in Nordhausen geboren. Nach einem halben Studium der Architektur an der Bauhaus-Universität Weimar, schloss er ein Studium der Theaterwissenschaft an der Universität Leipzig mit einem Master of Arts ab. Zuletzt war er als Dramaturg am Theater der Jungen Welt Leipzig tätig, davor freischaffend als Fotograf und Grafiker, als Autor, Musiker und Sprecher bei Hörspielproduktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, als Theaterproduzent und Performer am Schauspiel Leipzig und in der Freien Szene. Gegenwärtig ist er als künstlerischer Mitarbeiter an der Jugendkunstschule Nordhausen beschäftigt.

Foto: privat

Superheroes gehen nicht aufs Klo gossips Foto: De-Da Productions

briefwechsel

34

vermittlungskunst

Mein ziemlich seltsamer Freund Walter Hessisches Landestheater Marburg Foto: Jan Bosch

35

Arts-rich Schools Das pulsierende Herz der Kunst-Teilhabe von Yvette Hardie in einer Übersetzung von Lynnette Polcyn

terium für Grundbildung unterzeichnet, um bei der Verwirklichung dieser Vision zu helfen. Jedoch stehen wir erst am Anfang dieser Reise.

Unserer Ansicht nach gibt es fünf Dimensionen des Kunstreichtums. Jede davon trägt auf ihre Weise zu einer demokratischeren Gesellschaft bei. Diese Dimensionen sind: Kunst in der Schule (als Teil des formalen Lehrplans), Kunst außerhalb der Schule (mit Möglichkeiten zur Teilnahme und zum Selbstausdruck), Kunst als Lehrmethode (indem kunstbasierte Ansätze für nicht-künstlerische Fächer verwendet werden), Kunst in der Gemeinschaft (wo die Künste zum Vehikel für ein breiteres Engagement der Schulen werden) und Kunstbegegnungen (mit professionellen Kunsterfahrungen, wie z. B. im professionellen Theater).

Wie Kunstreichtum durch ihre Projekte geschaffen wurde, haben uns mehrere Kunstbeteiligte auf unsere Bitte hin geschildert:

Kunst im Lehrplan: Durch Workshops für Lehrkräfte sowie die Einbeziehung von Kunstvermittler*innen in den Unterricht, stellen wir Verbesserungen in der Qualität der Kunsterziehung fest, die zu einem höheren Engagement der Lernenden insgesamt führen. Masego, Lehrkraft an der Montshiwa Primary School in Kimberley, berichtet: „Ich mache beim Kickstarter-Projekt mit und ... das Projekt hat großen Einfluss sowohl auf die Schule als auch auf die Lernenden. Die Schüler*innen kommen sehr gerne ins Klassenzimmer und stürzen sich auf die Aufgaben – eifrig und bereit, das Theaterstück zu machen oder Instrumente sowie sonstiges Material mitzubringen, was für die Arbeit im Klassenzimmer benötigt wird. Das Projekt hat so viele Veränderungen mit sich gebracht und das Unterrichten ist so einfach geworden, weil die Leute von Kickstarter kommen und uns helfen.“ Hier sehen wir ein gutes Beispiel dafür, wie die Einbeziehung von Kunst im Lehrplan zu einer stärkeren Unterrichtsbeteiligung führt.

Kunst außerhalb der Schule: We are Instructables war eine belgisch-südafrikanische künstlerische Zusammenarbeit, bei der junge Menschen in außerschulischen Programmen virtuell miteinander in Verbindung traten und jeweils Anleitungen für die Kunstwerke der anderen erstellten. Dieser Prozess förderte die Kreativität der Lernenden: Sie konnten mitbestimmen, was die anderen

international

I

In Ländern wie Südafrika, in denen der Zugang zu Kunst weitgehend Glückssache ist – abhängig vom Geburtsort, dem relativen Wohlstand der Familie, dem persönlichen Interesse an oder eigenen Begegnungen mit der Kunst –, bleibt die Schule der einzige Ort, an dem Kinder hoffen können, die Kunst als Selbstverständlichkeit zu erleben.

Während Schwarzen Kindern in der Zeit der Apartheid der Zugang zu Kunst und kultureller Bildung verweigert wurde, hatten wir (als Weiße, die in einem Vorort der Mittelschicht aufwuchsen) das „Glück“, im Laufe unserer gesamten Schulzeit Zugang zu Kunst zu haben. Auch ohne meine sehr kunstinteressierten Eltern hätte ich durch meine gesamte schulische Laufbahn hindurch Theater, bildende Künste, Tanz und Musik erlebt und die Möglichkeit gehabt, professionelle Arbeiten zu sehen sowie ganz allgemein Kunst-Teilhabe zu genießen. Denn ich hatte das Glück, Arts-rich Schools als Teil meiner Ausbildung zu besuchen, und das hat mein Leben unermesslich bereichert.

In dem Bemühen, nach der Apartheid die Fehler der Vergangenheit wiedergutzumachen, machte die sudafrikanische Regierung Kunsterziehung zu einem obligatorischen Teil des Lehrplans für alle südafrikanischen Schüler*innen vom ersten bis zum neunten Schuljahr. Dies bedeutet jedoch nicht, dass jede Schule zu einer Arts-rich School wurde. Leider gibt es aufgrund einer mangelhaften Umsetzung der politischen Vorgaben immer noch viele Kinder und Jugendliche in Südafrika, die keinen Zugang zu Kunstunterricht in der Schule haben. Die Gründe dafür sind vielfältig: fehlende finanzielle Mittel und widerstreitende Prioritäten, nicht ausreichend ausgebildete oder desinteressierte Lehrer*innen, Schulleiter*innen, die sich nicht für Kunstunterricht engagieren, Eltern, die selbst Kunst nie als wertvoll erlebt haben, und kein systematischer Ansatz zur Sicherstellung eines regelmäßigen, hochwertigen Kunstangebots durch die Regierung oder andere Geldgeber*innen.

Aber Zugang zu Kunst sollte keine Glückssache sein. Vor allem nicht im Rahmen eines demokratischen Gesellschaftssystems, das jedem gleiche Rechte und Chancen verspricht sowie gleichberechtigte Teilhabe, freies Engagement, Mitsprache und Selbstverwirklichung.

Die ASSITEJ Südafrika stellt sich dieser Herausforderung, indem sie sich für Arts-rich Schools einsetzt, diejenigen feiert und anerkennt, die bereits in irgendeiner Weise kunstreich sind, und andere dabei unterstützt, noch kunstreicher zu werden. Wir haben eine Absichtserklärung mit dem Minis-

36

international

schufen und mussten ihrerseits kreativ auf die Anweisungen der anderen reagieren – und zwar in einem gänzlich anderen Kontext. Kgomotso von der Phoenix College High School reflektiert: „Ich habe erfahren, wie weit ich mit meiner individuellen Kreativität gehen kann. Das war das erste Mal, dass ich die Aufgabe hatte, andere anzuleiten – und ich schaffte es, meine Kreativität einzusetzen. Dabei habe ich gelernt, meine Ideen nicht in meinem Kopf zu behalten, sondern, dass ich sie mit anderen Menschen teilen kann, und wir sie alle zusammen kreativ nutzen können.“ Das Projekt zeigt, wie Theater Barrieren zwischen Menschen mit sehr unterschiedlichem Hintergrund überwinden und den Selbstausdruck fördern kann – ein Schlüsselelement demokratischer Beteiligung.

Manchmal führt Kunst verschiedene gesellschaftliche Gruppen mit einem bestimmten Thema zusammen. Im Rahmen des Projekts Girl Power wandten sich junge Menschen mit Theaterstücken zum Thema geschlechtsspezifische Gewalt an ihre Gemeinden; ihre Aufführungen wurden von Gemeinderäten und anderen führenden Gemeindemitgliedern besucht. Einer dieser Gemeinderäte bemerkt: „Diese erstaunliche Produktion, die von den Roselands-Schüler*innen aufgeführt wurde, hat das gesamte Publikum umgehauen. Das Team brachte seine Botschaft mit so viel Liebe, Leidenschaft und Hingabe herüber, dass wir als Publikum das richtig nachfühlen konnten. Ihre Darbietung hat mir die Augen für die vielen Möglichkeiten geöffnet, die es in der Gemeinschaft gibt, zu zeigen, was unsere wunderbaren jungen Schüler*innen anderen Lernenden und der GemeinKunst als Lehrmethode: schaft insgesamt beibringen können. Ich würde das Girl-PoJefferson Dirks Korkee, ein Vermittler der ASSITEJ Südafrika, wer-Projekt auf jeden Fall gerne auf andere Schulen im Bezirk der an der Gestaltung innovativer Unterrichtseinheiten mit ausweiten. Es wäre definitiv ein großer Gewinn für unsere kunstbasierten Techniken arbeitet, sagt: „Mit diesem Projekt gesamte Stadtgesellschaft.“ werden den Lehrer*innen kreative und innovative Methoden Das Girl-Power-Projekt ist ein Beispiel für Artivismus, bei für den Unterricht an die Hand gegeben, damit die Lernenden dem Theater genutzt wird, um gesellschaftliche Themen zu den Lernprozess genießen können. Lernen sollte Spaß ma- behandeln und sozialen Wandel herbeizuführen – wobei chen und ein sicheres Umfeld gewährleisten. Die Methoden junge Menschen in die Lage versetzt werden, im Mittelpunkt der kreativen Künste, die wir einsetzen, verleihen den Leh- des Gesprächs zu stehen. renden aber vor allem den Lernenden ein Gefühl der Eigenverantwortung. Mit einem kunstbasierten Ansatz betreten Begegnungen mit der Kunst: die Jugendlichen die Lernumgebung mit dem Verständnis, Und schließlich sollten wir über die Begegnung mit dem dass ihr Vorwissen wichtig ist und dass das, was sie in ihren Theater selbst nachdenken.

Gemeinschaften und auf dem Spielplatz gelernt haben, eine Das Programm Junge Kritiker*innen der ASSITEJ Südafwichtige Rolle im Klassenzimmer spielt. Die Lernenden füh- rika ermöglicht jungen Menschen, sich über erlebte Thealen sich befähigt und zuversichtlich, an den Aktivitäten teil- terstücke mitzuteilen. Hier drückt Nala Phethu die tiefe zunehmen, egal in welchem Fach.“ Hier sehen wir, wie demo- Empathie aus, die er bei der Aufführung von „The King of kratische Werte in den Lernprozess eingebettet sind.

Broken Things“ empfunden hat: „In diesem Moment wird dir klar, wie vertraut du mit diesem Jungen bist. Er ist du. Dein Spiegelbild auf einer Bühne, die mit zerbrochenen Dingen übersät ist. Du bist mit diesem Jungen genauso vertraut wie mit dir selbst, denn er nimmt uns mit auf eine Reise, auf der wir die Schönheit des Lebens sehen. Obwohl er in der Schule schikaniert wird und seine Eltern sich getrennt haben, flößt er uns einen Glauben ein. Die Zuversicht, dass alles wieder in Ordnung gebracht werden kann, wenn man nur fest genug Kunst in der Gemeinschaft: daran glaubt ... Man spürt, wie sich das nährende Wesen des Kunst in Schulen kann eine Schnittstelle zwischen der lo- Herzens ausbreitet, um ihn zu umarmen, wenn er seinen abkalen Gesellschaft und der Schule darstellen und diejenigen wesenden Vater als sein Vorbild und seinen besten Freund stärken, die sich ausgegrenzt oder übersehen fühlen. Ein erwähnt. Der neben seinem Sohn auch ein ‚König der zersolches Beispiel ist Aviwe Mabhuti, der über die Kunstwork- brochenen Dinge‘ war. Bevor sich die Dinge änderten ... The shops, an denen er teilgenommen hat, feststellt: „Ich war King of Broken Things eröffnet eine neue Perspektive auf alles, noch nie in einer Gemeinschaft, in der ich meine Meinung was zerbrochen ist, durch eine herzerwärmende, magische äußern konnte, in der mir zugehört wurde, in der ich so ak- Reise in die Werkstatt eines Jungen und seine Gedanken und zeptiert wurde, wie ich bin, und in der ich mich unter Men- Fantasien. Und sein Herz.“ schen, die nicht mit Behinderungen leben, so willkommen Wenn wir jeder der oben vorgeschlagenen Dimensionen des fühlte. Aber jetzt würde ich sagen, dass ich hier eine Familie Kunstreichtums Beachtung schenken, können wir meiner habe. Ich werde meine Schwester zur Abschlusspräsentation Meinung nach sehen, wie Schulen in Herzensräume verwaneinladen, damit sie Fähigkeiten von mir kennenlernt, von delt werden, in denen demokratische Werte angenommen denen sie nie gedacht hätte, dass ich sie habe.“ Hier sehen und gelebt werden. wir, wie Kunst in der Gemeinschaft Inklusion und gesellschaftliche Akzeptanz fördert.

Schulen in Herzensräume verwandeln, in denen demokratische Werte gelebt werden.

37

Arts-rich Schools The Pulsing Heart of Arts Access

by Yvette Hardie

international

I

In countries such as South Africa where access to the arts is In our view there are five dimensions to Arts-richness, and largely a matter of luck – where you are born, the relative each contributes, in its way, to a more democratic society. wealth of your family, their interest in or exposure to the These dimensions are: Arts in school (as part of the formal arts – the one place that children can hope to experience the curriculum), Arts after school (providing opportunities for arts as a matter of course, is through their school. participation and self-expression), Arts as method (where Arts education and access were denied to black children arts-based approaches are used for non-arts subjects), Arts in under apartheid, while for those like myself (white, growing community (where the arts become the vehicle for schools to up in a middle class suburb), we were “lucky” enough to have engage more broadly), and Arts Encounters (providing proaccess to the arts throughout our education. My parents were fessional experiences of the arts, such as professional theatre). keenly invested in the arts, but even if they had not been, I We asked people participating in different aspects of this would have experienced drama, visual arts, dance, and music work to share with us how the projects they have experithrough every stage of schooling with an opportunity to see enced have created “arts-richness”. professional work and participate in the arts throughout. I was lucky enough to experience arts-rich schools as part of my Arts In The Curriculum: education and it enriched my life immeasurably.

Through workshops for teachers and sending artist-facilPost-apartheid, the South Afirca government sought to itators into classrooms to team-teach with them, we note redress the wrongs of the past, and made the arts a compul- improvements in the quality of arts education that results sory part of the curriculum from reception year through to in higher overall learner engagement. As Masego, a teacher Grade 9 for every South African learner. However, this did from Montshiwa Primary School, Kimberley has said, not mean that every school became an arts-rich school. Un“I’ve been doing the Kickstarter project and … the project fortunately, due to poor implementation of this policy, there has had a huge impact on the school and the learners as well. are still many children in South Africa unable to access the The learners are very eager to come to the classrooms, learnarts in school. The reasons are many: lack of funding and ers are eager and willing to do the assignments or the drama competing priorities, untrained or disinterested teachers, or to bring instruments or things needed to make the things principals without commitment to the arts, parents who happen in the classroom. The project has brought so many themselves have never experienced the arts as valuable, and changes and teaching has become so easy with people from no systematic approach to ensuring consistent, quality arts the Kickstarter that come and help us.” provision, with support from government or other funders.

Here, we see how improved arts in the curriculum faciliBut access to the arts should not be a matter of luck. And tates greater participation in the learning process. particularly within the context of democracy, which promises equal rights and opportunities to all members of society, Arts After School: as well as equal capacity for free engagement, dialogue and We are Instructables was a Belgian-South African artistic colexpression. laboration which encouraged young people working in after ASSITEJ South Africa is addressing this challenge by school programmes to connect virtually with one another championing arts-rich schools, celebrating and accrediting and to create instructions for one another’s artworks. This those who are already arts-rich in some way, and supporting process empowered the learners to be more creative, as they others to become more arts-rich. We have signed an MOU got to determine what others created and in turn had to with the Department of Basic Education to assist in making respond creatively to instructions from others, in contexts this vision a reality, but we are just at the beginning of this very different to their own. As Kgomotso from Phoenix Coljourney. lege High School said, “I learned how much I can be creative

38

international

as a person because this was the first time I was given a task to instruct others and I was able to use my creativity and actually learn that I don’t need to keep my ideas in my mind but I can share them with other people and we can use them creatively all together.”

The project speaks to how theatre practice can break barriers between people from very different backgrounds, and encourage self-expression, a key element in democratic participation.

Arts As Method: Jefferson Dirks Korkee, an ASSITEJ South Africa facilitator who has worked on creating innovative lessons using artsbased techniques, says, “With this project, teachers are provided with creative and innovative methods to use when teaching, so that learners can enjoy the learning process.

Learning should be fun, and it should ensure a safe environment. The Creative Arts methods that we are making use of give a sense of ownership to the teacher, but most importantly to the learners. With an Arts-based approach, the young ones enter the learning environment with an understanding that their prior knowledge matters, and what they obtain from their communities and on the playground plays a vital role in the classroom. The learners feel somehow empowered and confident to participate in the activities, no matter the subject area.”

Here we see how democratic values are embedded in the learning process.

Schools can be transformed into heart spaces where democratic values are practiced and embraced.

Arts In Community: Arts in schools can provide an interface between communities and the school, empowering those who feel that they are marginalised or overlooked. One such example is Aviwe Mabhuti, who said about the arts workshops that he attended: “I have never been into a community where I can voice my views out, being listened to, accepted as I am and feel so welcomed around people who are not living with disabilities. But now I would say I have a family here. I will invite my sister for the final showcase to experience my abilities which they never thought I have.”

Here we see how arts in community encourages social inclusion and acceptance of diversity.

Yvette Hardie is a theatre director, producer, educator and advocate, focusing on theatre for young audiences. She is national director of ASSITEJ South Africa, and serves as Chairperson of STAND (Sustaining Theatre and Dance) Foundation. She is Honorary President of ASSITEJ international.

Foto: ASSITEJ South Africa

Sometimes, the arts brings communities together around an issue. The Girl power project involved children addressing their communities through plays on gender-based violence; their performances were attended by ward councillors and other leading community members. One of these ward councillors said, “This amazing production that was performed by the Roselands learners, blew the entire audience away. The team taught with such much love, passion and dedication and that’s what we witnessed as the audience. Their performance opened up my eyes to the many opportunities that are out there in the community to showcase what our beautiful young learners are capable of teaching other learners and the community at large. I most definitely would like to have the Girl Power project rolled out to other schools in the Ward. It would definitely bring value to the entire community at large.”

The Girl Power project is an example of artivism, where theatre is used to speak back to societal issues and to bring about social change, empowering young people to be at the heart of the conversation.

Arts Encounters: And finally let’s think about encountering theatre itself.

The Young Critics programme of ASSITEJ South Africa gives young people the opportunity to share their responses to the plays they encounter… here we see how Nala Phethu expresses the deep empathy he experienced while witnessing The King of Broken Things.

“It is at this moment you realize how familiar you are with this kid. He is you. Your reflection on a stage sprawled with broken things. You are now familiar with this kid as you are with yourself, as he takes us on a journey of seeing the beauty in life. Despite him being bullied at school and a split between his parents, he instils in us a belief. A belief that reassures us that anything can be fixed if only you believe …

You feel the nurturing nature of your heart extending its arms to embrace him as he mentions his absent father as his role model and his best friend. Who was also a „king of broken things” alongside his son. Before things changed ... The King of Broken Things will leave you with a fresh perspective on all that is broken, through a heartwarming, magical journey into a boy’s workshop and his thoughts and imaginations. And his heart.”

In my view, if we are able to pay attention to each of the dimensions of arts-richness as suggested above, we can see how schools can be transformed into heart spaces where democratic values are practiced and embraced.

Lynnette Polcyn ist ausgebildete Dramaturgin und Übersetzerin mit Schwerpunkt Sachbücher aus dem kulturellen Bereich. Ursprünglich aus Michigan (USA) lebt und arbeitet sie seit über 20 Jahren in Frankfurt am Main.

Foto: privat

nachruf briefwechsel

service

rubrik 39

40

JUN

Premieren im Jungen Theater Spielzeit 2025/2026

GES

SPIELZEIT 2025/2026 DER KLEINE PRINZ nach gleichnamigen Klassiker

herzkopfüber

von Antoine de Saint-Exupéry

U R AU FFÜ H R U N G

PETER UND WOLF

Schauspiel von Simone Saftig P R E M I E R E 11 . O K TO B E R 202 5 K L E I N E S H AU S | A B 7 JA H R E N

The Addams Family Eine neue Musical-Comedy

P R E M I E R E 1 . N OV E M B E R 202 5 G RO ß E S H AU S | A B 12 JA H R E N

T-Rex, bist du traurig?

Schauspiel von Fayer Koch FA M I L I E N ST Ü CK

mit Marina Blanke bekannt als »Checkerin Marina«

ERSTE REIHE Konzertbesuche für Schulklassen mit Chefdirigent Rubén Dubrovsky

ALICE IM WUNDERLAND nach dem gleichnamigen Buch von Lewis Carroll

P R E M I E R E 13 . D E Z E M B E R 202 5 K L E I N E S H AU S | A B 6 JA H R E N

Wolf

Schauspiel nach dem gleichnamigen Jugendroman von Saša Stanišić P R E M I E R E 17. A P R I L 2026 K L E I N E S H AU S | A B 12 JA H R E N

Feuerwerkskörper

Tanzstück von Raimonda Gudavičiūtė U R AU FFÜ H R U N G P R E M I E R E 2 3 . M A I 2026 K L E I N E S H AU S | A B 1 0 JA H R E N

service

gaertnerplatztheater.de/jgpt instagram.com/jungesgaertnerplatztheater

www.stadttheater-giessen.de

JGPT_Anz_Programm_86,5x249mm-RZ.indd 1

28.03.25 16:35

41

FIGUREN · MENSCHEN · DINGE

Swimmy

RZ

nach dem bekannten Kinderbuch von Leo Lionni über einen außergewöhnlichen Fisch

Copyright © 1963 by Leo Lionni

Der winzige, aber kluge Fisch Swimmy will ins große Meer hinaus, doch seine Freunde, die kleinen roten Fische, haben Angst vor den riesigen Fischen dort draußen. Doch Swimmy hat eine Idee und zusammen formieren sie sich zu einem Riesenfisch, den sich keiner traut zu bedrohen.

Premiere: So., 22. Juni 2025, 15.00 Uhr

Exit (AT) Ein Solostück für Jugendliche über politisch motivierten Extremismus Werden Sie Zeugen einer unterhaltsamen und zugleich tiefgründigen Auseinandersetzung über Menschlichkeit, Toleranz und die Bedeutung von Empathie und Verständnis in einer gespaltenen Gesellschaft.

Premiere: So., 5. Oktober 2025, 18.00 Uhr

Hinter dem Adler 2 · 72108 Rottenburg Telefon: 0 74 72 - 2 53 71 · info@tat-rottenburg.de

Infos und Tickets:

www.tat-rottenburg.de

TaT ASSITEJ AZ ok.indd 1

17.02.25 15:50

www.parkaue.de

SaiSonEröffNung 2025/26 reGiert eucH! (at)

(12+) ein geSellSchaftSSpiel von turbo paScal Premiere 02.10.25

nalEpaStraße – power voN der eaStSide (at) (14+)

TPA_Anzeige_Jahrbuch_865x249mm_RZ_PFAD.indd 1

service

eine dokufiktionale ZeitreiSe von Marion braSch Uraufführung Regie: Alexander Riemenschneider Premiere 16.11.25

01.11.23 17:27

service

42

43

Junges Theater Frankfurt • Gastspiele • Vermittlung

junges theater 25_26 koproduktion des tfn mit dem theater pieddefou ab 6 jahren _ september 25

fang den tod

koproduktion des tfn mit dem theaterweiter ab 10 jahren ab september 25

warte mal

koproduktion des tfn mit dem theater fata morgana ab 8 jahren _ ab oktober 25

hier kommt keiner durch

koproduktion des tfn mit dem theater karo acht ab 8 jahren _ november 25

eine woche voller samstage

kinderstück zur winterzeit von paul maar _ ab 6 jahren ab november 25

der heuschreck und die ameise

koproduktion des tfn mit dem theaterweiter ab 6 jahren _ ab november 25

#wo ist emily?

koproduktion des tfn mit dem theater persephone ab 12 jahren _ ab dezember 25

die abenteuer des hässlichen entleins

koproduktion des tfn mit dem theater persephone ab 3 jahren _ ab januar 26

theater für niedersachsen. www.mein-theater.live

service

pippi langstrumpf

44

STARKE STÜCKE IM JUNGEN THEATER KONSTANZ 2025/26

Theaterstück für Kinder ab 5 von Heidi Lehnert und Thomas Klischke

Volle Nuss voraus 27. Juni bis 28. Juli 2025 URAUFFÜHRUNG nach dem gleichnamigen Kinderbuch Theaterstück für Kinder ab 5 nach dem Buch von Paul Maar

Die Tochter der Zauberin 28. November bis 22. Dezember 2025 URAUFFÜHRUNG Theaterstück für Menschen ab 12 nach dem Buch von Dita Zipfel

Wie der Wahnsinn mir die Welt erklärte

www.theater-massbach.de Parksiedlung 8 97711 Maßbach Telefon (09735) 235

27. Februar bis 27. März 2026

Theater-LKW mobiles Theater für Kinder und Jugendliche

»Flörchen« Thomas Klischke ab 4 Jahren von die Menz« »Opa Bär und Paul Maar von ren Jah 4 ab »Body of Work« Thalia Schoeller ab 15 Jahren von n« »Paulas Reise von Paul Maar von 3 bis 5 Jahren

ab 18/10/25 14+

ab 13/03/26 12+

Wie jede andere hier

von Viola Rohner | Uraufführung Auftragswerk für das Theater Konstanz

3. BAYERISCHES THEATERTREFFEN FÜR JUNGES PUBLIKUM: 24. – 29.06.

Aufgepasst!

von Fayer Koch | Uraufführung in Zusammenarbeit mit dem JUKUKO – dem Jugendbeirat des Jungen Theater Konstanz

ab 22/02/26 Adresse unbekannt

festival

nach dem gleichnamigen Roman von Susin Nielsen

10+

ab 26/04/26 Haus Blaues Wunder von Ingeborg von Zadow

8+

ab 09/11/25

service

3+

La le lu

Eine theatrale Traumreise für kleine und große Schlafmützen von tanzfuchs PRODUKTION

theaterkonstanz.de

/suedwindfestival

45

sH

a m b ur

g

J ges S ch

S p i e l Ha u

25 | 26

J a h re

un

DER GESTIEFELTE KATER ab 6

20

au

DAS JUNGE RHEINISCHE

Foto: Sinje Hasheider

Märchen nach den Brüdern Grimm Fassung von Sergej Gößner Uraufführung: 2.11.25

IRGENDWO IST IMMER SÜDEN ab 10

Spielzeit 25-26

Nach dem Roman von Marianne Kaurin Premiere: 3.5.26

20/9/25

Anybody Home 14+ von Stanislava Jević und Klaus Schumacher Regie: Klaus Schumacher

30/10/25 Fühler 12+

DAS KLUGSCHEIẞERCHEN ab 4

Nach dem Kinderbuch von Marc-Uwe Kling Uraufführung: 5.10.25

Eine SchauSpielRaum-Produktion Regie und Choreografie: Jenny Beyer, Antje Pfundtner und URSina Tossi (Shared Leadership in Dance)

21/11/25

Der Himmel, die Vögel, der Schnee beim richtigen Namen genannt 8+ von Markolf Naujoks Regie: Markolf Naujoks

17/1/26

Momo 10+ von Michael Ende für die Bühne bearbeitet von Sophie Glaser und Stanislava Jević / Regie: Sophie Glaser

14/3/26

Die Schönen und das Biest 6+ Ein Tanztheaterstück frei nach Motiven des bekannten Märchens Regie und Choreografie: Ceren Oran

18/4/26

Sleeping Beauties 13+ Postgraduierten-Projekt Regie: Tamara Sonja Aijamathiesen

22/5/26

My School Musical 12+

www.rheinisches-landestheater.de

Mehr Infos auf: junges.schauspielhaus.de

service

Eine SchauSpielRaum-Produktion Regie: Till Wiebel Musikalische Leitung: Nico-Alexander Wilhelm

46

Neuigkeiten ASSITEJ Preise und Vera Gerdau Preis Im Rahmen des Festivals AUGENBLICK MAL! erhielten in diesem Jahr Christiane Müller-Rosen, FLUX – Netzwerk Theater und Schule und Prof. Dr. Wolfgang Sting die ASSITEJ Preise.

Der ASSITEJ Veranstalter*innen Preis ging an das WUK Theater Quartier Halle. Christine Wahl wurde mit dem Bernd Mand-Preis 2025 für Kulturjournalismus ausgezeichnet. Den Vera Gerdau Preis erhielt Camilla Pölzer.

Berufung in den Vorstand ASSITEJ e.V. Der ASSITEJ Vorstand hat im Februar 2025 beschlossen, dass Diversitätsentwicklung zum handlungsleitenden Teil der ASSITEJ-Identität wird. Damit das auch in der Vorstandsarbeit zur Umsetzung kommt, sollen unter anderem drei Personen für die Vorstandsarbeit gewonnen werden, die neben ihrer fachlichen Expertise in den Darstellenden Künsten für junges Publikum eine BIPOC Perspektive und/oder eine Behinderungsperspektive mitbringen. Die Positionen stehen ab sofort zur Verfügung und die neuen Vorstandsmitglieder sollen baldmöglichst, aber spätestens bis zur Mitgliederversammlung im Oktober 2025 berufen werden.

Um arbeitsfähig zu bleiben, hat der ASSITEJ Vorstand Vincent Kresse bereits in den geschäftsführenden Vorstand berufen.

Vincent Kresse war bisher im erweiterten Vorstand und nimmt durch die Berufung die Position ein, die durch den Rücktritt von Christoph Macha im Januar 2025 frei geworden ist.

FAIR P(L)AY – Modellprojekt für faire Bezahlung im freien professionellen Theater für junges Publikum Ermöglicht durch eine Förderung der Staatsministerin für Kultur und Medien in Höhe von 1,5 Millionen Euro fördert die ASSITEJ in den Jahren 2025/2026 die Zahlung von Mindesthonoraren im professionellen Kinder- und Jugendtheater. Zudem starten viel­ fältige Vermittlungsaktionen, um die Einführung von Mindesthonorarstandards im Theater für junges Publikum voranzubringen.

Die Förderung FAIR P(L)AY richtet sich an freie Theater für junges Publikum und Veranstaltungsorte bzw. freie Ensembles, die Theater für junges Publikum zeigen und mit freien Gruppen und/ oder einzelnen freien Theatermacher*innen zusammenarbeiten.

Alle Formen der Darstellenden Künste für junges Publikum wie Schauspiel, Musiktheater, Figuren- und Objekttheater, Tanz und Performance sowie Mischformen sind förderfähig.

Anträge können in einer zweiten Antragsrunde im Zeitraum vom 15.08. bis 15.09.2025 gestellt werden. Vorab werden regelmäßig Infotermine angeboten. | jungespublikum.de |

Abschied von Nikola Schellmann Nach langjährigem Wirken für darstellende künste & junges publikum hat Nikola Schellmann das Kinder- und Jugendtheaterzentrum im April 2025 verlassen. Sie hat seit 2018 insbesondere das Frankfurter Forum Junges Theater umgestaltet und die Kommunikationsarbeit von KJTZ und ASSITEJ sowie die Entwicklung der Dachmarke initiiert und vorangetrieben.

Einschnitte an der Züricher Hochschule der Künste Der Master Theaterpädagogik an der ZHdK droht aktuell aus dem Programm der Hochschule gestrichen zu werden. Tendenziell wird Theater in den kommenden Jahren eine weiter anwachsende Bedeutung im Schulfeld einnehmen. Sollte der ZHdK-Master in Theaterpädagogik wegfallen, würde der zukünftige Bedarf an Masterabsolvent*innen auf absehbare Zeit nicht gedeckt werden können.

Premieren Spielzeit 2025/26 Troja! Blinde Passagiere im trojanischen Pferd von Henner Kallmeyer [10+] Regie: Linda Bockmeyer ▶ 26. September 2025 Zwinger 3

Die kleine Hexe von Otfried Preußler für die Bühne bearbeitet von John von Düffel [6+] Regie: Yvonne Kespohl ▶ 2. November 2025 Alter Saal

Krabat

service

von Otfried Preußler für die Bühne bearbeitet von Frank Alexander Engel [12+] Regie: Frank Alexander Engel ▶ 30. November 2025 Zwinger 3

MEINS und DEINS UA Eine Stückentwicklung zum Thema Teilen und Besitzen [3+] / Regie: Cédric Pintarelli ▶ 1. Februar 2026 Zwinger 3

Ist das gerecht?

(AT) UA von Armela Madreiter [10+] Regie: Pascal Wieandt ▶ 22. März 2026, Zwinger 3

Das hässliche Entlein UA Familienstück frei nach Hans Christian Andersen in einer Fassung von Nata­ scha Kalmbach [6+] Regie: Natascha Kalmbach, Iván Pérez ▶ 11. Juni 2026 Englischer Bau, Heidel­ berger Schlossfestspiele www.theaterheidelberg.de

47

Termine SCHÄXPIR Theaterfestival für junges Publikum 3. bis 14. Juni 2025 in Linz (AUT) | schaexpir.at |

Online TAG Meeting im EU-Projekt ForesTEEN 25. Juni 2025, online via Zoom | jungespublikum.de|

Grenzen – 12. Festival Politik im Freien Theater 16.-25. Oktober 2025, Leipzig | tdjw.de |

ASSITEJ Small countries Network & Next Generation Program 5. bis 8. Juni 2025 in Luxembourg (LUX) | assitej-international.org |

It's About Us – 16. Welt-Kinder-Theater-Fest Ab 27. Juni 2025, Lingen | weltkindertheaterfest.de |

Mitgliederversammlung der ASSITEJ 18. Oktober 2024, Leipzig | jungespublikum.de |

Marionettefestival 8. bis 10. Juni 2025 in Tadler (LUX) | marionettefestival.lu |

FUSE. International Arts Festival 28. Juni bis 6. Juli 2025, Kingston upon Thames (UK) | creativeyouthcharity.org/fuse-international |

Interdisziplinäre Summerschool Figurentheater 16. bis 22. Juni 2025, Leipzig | westfluegel.de | DIRECTORS IN TYA – An International Exchange 22. bis 29. Juni 2025, FUNDUS Theater Hamburg | jungespublikum.de |

27. Baden-Württembergische Theatertage: ... und jetzt?

08. bis 12. Juli 2025, Nationaltheater Mannheim | nationaltheater-mannheim.de | Junge Triennale 21. August bis 21. September 2025, Ruhrgebiet | ruhrtriennale.de |

Symposium Figurentheater-Pädagogik 11. bis 14. September 2025, Figurentheater-Kolleg Bochum-LangenMusik, Klang, Geräusch in Theaterprodreer duktionen: Treffen der AG Musiktheater | figurentheater-paedagogik.de | für junges Publikum der ASSITEJ 24. und 25. Juni 2025, Theater Pfütze in schultheater.vielfalt – Nürnberg Bundeswett­bewerb Schultheater | jungespublikum.de | der Länder 27. September bis 2. Oktober 2025, COMMUNITY ARTS AM THEATER. Braunschweig/Wolfenbüttel Internationaler Fachkongress zu | schul.theater/sdl-2025 | Partizipation 25. bis 27. Juni 2025, Stadtensemble des Tanztreffen der Jugend Nationaltheaters Mannheim 27. September bis 3. Oktober 2025, | nationaltheater-mannheim.de | Berlin | berlinerfestspiele.de | südwind – Bayerisches Theatertreffen fürs junge Publikum in Nürnberg „Nah dran!“-Uraufführung: 24. bis 29. Juni 2025, Nürnberg herzkopfüber von Simone Saftig | kjt-bayern.de | 11. Oktober 2025, Junges Stadttheater Gießen | stadttheater-giessen.de |

Frankfurter Forum Junges Theater 13. bis 15. November 2025, Frankfurt am Main | jungespublikum.de | Landesfachtage Kulturelle Teilhabe 2025 – Jugendbeteiligung 17. bis 18. November 2025, Stuttgart | kulturelle-teilhabe-bw.de| „Nah dran!"-Uraufführung: Der Himmel, die Vögel, der Schnee beim richtigen Namen genannt von Markolf Naujoks 22. November 2025, Junges Schauspielhaus Hamburg | junges.schauspielhaus.de | „Nah dran!“-Uraufführung: Ein Riese allein hebt noch keinen Mond an den Himmel von Lisa Krusche Februar 2026, Thalia Theater Halle | buehnen-halle.de | Save the date: 11. Deutsches Kinder Theater Fest 24. bis 27. September 2026, Köln | kinder-theater-fest.de |

service

Wir wollen spielen! – Internationales Theaterfestival für Kinder 10.- 15. Juni 2025, Hamburg | theaterzeppelin.de|

34. Bundestreffen Jugendclubs an Theatern 6. bis 9. November 2025, Staatstheater Nürnberg | butinfo.de |

48

IMPRESSUM

ixypsilonzett Theater für junges Publikum Schule und Theater: Orte der Demokratie? sommerheft 2025 Eine Veröffentlichung der ASSITEJ e.V. Bundesrepublik Deutschland (Internationale Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche), in Kooperation mit dem Kinderund Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland (KJTZ) Herausgegeben von Katrin Maiwald und Nikola Schellmann (V.i.S.d.P.)

ASSITEJ e.V. Bundesrepublik Deutschland Schützenstraße 12 60311 Frankfurt am Main Tel. 069 291538 assitej@jungespublikum.de www.jungespublikum.de Verlag: Theater der Zeit, Berlin Gestaltung: Kerstin Bigalke Druck: Druckhaus Sportflieger, Berlin Printed in Germany

Redaktion: Katrin Maiwald, Nicola Neumann, Nikola Schellmann

ixypsilonzett ist Bestandteil der Abonnementauflage von Theater der Zeit sowie für die Mitglieder der ASSITEJ Deutschland.

Heftpreis im Einzelverkauf: 9,50 Euro (print) 9,50 Euro (digital) Abonnementpreis: Jährlich je zwei Ausgaben ixypsilonzett. darstellende künste & junges publikum | das sommerheft und ixypsilonzett. darstellende künste & junges publikum | das winterheft in Deutschland: 22 Euro, außerhalb Deutschlands: 40 Euro

Alle Rechte bei den Autor*innen und der Redaktion. Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von Verlag und Herausgeber*innen.

Redaktionsschluss für dieses Heft: 15. April 2025 ISBN (Paperback) 978-3-95749-594-5 ISBN ePDF: 978-3-95749-595-2

Gefördert durch das

Abo- und Einzelheftbestellung: Theater der Zeit Winsstraße 72 10405 Berlin Tel. +49 30 4435285 -12 abo-vertrieb@tdz.de www.tdz.de Bestellungen auch über: assitej@jungespublikum.de

Prävention & Internationale Theaterprojekte

Mobile & präventive

Theaterstücke

für Kinder und Jugendliche

service

Wir kommen zu Euch! Mit unseren lebensbejahenden Stücken führen wir achtsam in verschiedene Themen wie (Cyber-)Mobbing, Gewalt, Resilienz, Ernährung, Friedensbildung oder Radikalisierung.

www.eukitea.de

mobil und bundesweit buchbar!

HAIRCUTS BY CHILDREN Eine Performance über verrückte Haarschnitte und Macht / Mit Leipziger Kindern \ In Kooperation mit Mammalian Diving Reflex Premiere: 6. September 2025

Junges Schauspiel — Die Premieren der Spielzeit 2025/26 — www.dhaus.de

Schauspiel

»Pinocchio«. Eva Maria Schindele, Hannah Joe Huberty, Jonathan Gyles, Ayla Pechtl, Felix Werner-Tutschku. Foto: David Baltzer

DIE STUNDE DA WIR NICHTS VONEINANDER WUSSTEN 6+ Ein Leipziger Wimmelbild nach Peter Handke

Emil und die drei Zwillinge von Erich Kästner Kinder- und Familienstück Regie: Robert Gerloff Premiere am 16. November 2025 Eine gemeinsame Produktion von Jungem Schauspiel und Schauspiel

Das grüne Königreich von Cornelia Funke und Tammi Hartung Regie: Leonie Rohlfing mit künstlerischer Audiodeskription Uraufführung am 27. Februar 2026

Big Brother is Watching You! nach dem Roman »1984« von George Orwell Regie: Katharina Birch Premiere am 16. Mai 2026

Weiter im Repertoire: Freedom is a Dancer — Pinocchio — Wolf — Faust 1+2+3 — Blindekuh mit dem Tod — Don Quixote — Bin gleich fertig! — Emil und die Detektive

Regie: Martina van Boxen Uraufführung \ Premiere: 21. September 2025 Puppentheater

LEIPZIG

Das NEINhorn von Marc-Uwe Kling Regie: Philip Heitmann und Matts Johann Leenders Premiere am 8. März 2026

EIN GLÜCKSDING 12+ Stimmen und Zeitzeugnisse von damals und heute / Von Lena Gorelik

THEATER DER JUNGEN WELT

Die Tür von Gregory Caers und Ensemble Regie: Gregory Caers Uraufführung am 28. September 2025

The Drop Jugendstück von Lutz Hübner & Sarah Nemitz Regie: Liesbeth Coltof Uraufführung am 5. Dezember 2025 In Kooperation mit der Deutschen Oper am Rhein

Puppentheater

Spielzeit 2025/26

Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen von James Krüss Regie: Robert Gerloff Premiere am 19. September 2025

Regie: Sandra Strunz Premiere: 19. September 2025

DIE GOLDENE GANS 4+ Märchen von Peter Brasch nach den Brüdern Grimm Regie: Ines Heinrich-Frank Premiere: 11. Oktober 2025 Theater mit jungen und alten Leipziger:innen

UND ENDLICH 10+ Rechercheprojekt von Karen Breece Regie: Karen Breece Uraufführung / Premiere: 7. November 2025

Schauspiel

DIE SCHNEEKÖNIGIN 6+ Nach dem Märchen von Hans Christian Andersen Regie: Benedikt Grubel Premiere: 16. November 2025 Materialtheater

OH! 2+ Theater für alle ab 2 Jahren Regie: Julika Mayer Uraufführung / Premiere: 13. Februar 2026 Schauspiel

DER AUSBRUCH 14+ (Arbeitstitel)

Gerechtigkeitsdrama zwischen Sneaker und Scheiterhaufen / Von Fayer Koch Regie: Liesbeth Coltof Uraufführung \ Premiere: 6. März 2026 Schauspiel

FREIBAD 8+ Geschichte über einen ganzen Sommer unter dem Himmel / Von Will Gmehling Regie: Jan Gehler Premiere: 30. April 2026 Theater mit Leipziger Jugendlichen

PEER GYNT 13+ Social-Media-Trip von Joanna Praml und Dorle Trachternach nach Henrik Ibsen Regie: Joanna Praml Premiere: 10. Mai 2026

www.TDJW.de

darstellende künste & junges publikum sommerheft 2025

2025 ASSITEJ

Theater der Zeit

ixypsilonzett

darstellende künste & junges publikum

sommerheft

ixypsilonzett

Programm & Tickets www.sdl2025.schul.theater

wissenschaft. Zuversichtlich unruhig bleiben in krisenhaften Zeiten diskurs. Bildungsauftrag, Kunstfreiheit, Empowerment

Veranstalter

Ausrichter Fachverband Schultheater — Darstelltendes Spiel Niedersachsen e.V.

Förderung durch

Kooperationen

praxis. Erinnerungskultur, kollektives Abenteuer und neue Allianzen international. Arts-rich Schools: Kunst als fester Bestandteil des Lehrplans service. Termine und Neuigkeiten

Schule undTheater: Orte der Demokratie?

ASSITEJ Theater der Zeit