Ensemble in Bewegung. Wie sich das Puppentheater Magdeburg stetig neu erfindet

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ENSEMBLE Wie sich das

IN

Puppentheater Magdeburg

stetig neu erfindet

BEWEGUNG

Theater der Zeit



ENSEMBLE IN

BEWEGUNG Wie sich das

P U P P E N T H E AT E R M A G D E B U R G stetig neu erfindet

Herausgegeben von Anke Meyer und Silvia Brendenal

Theater der Zeit


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Inhaltsverzeichnis

I N H A LT

Prolog (Astrid Griesbach/Ensemble)

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Einleitung Puppen Theater Ensemble Puppen Theater … (Anke Meyer)

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R Ü CK B LI CK (AUFBAU/UMBAU 1) Nach Moskauer Vorbild Unsortierte Gedanken über das Puppentheater der DDR (Silvia Brendenal)

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Ein Theater – zwei Staaten – drei Jahrzehnte – vier Säulen Wie das Puppentheater Magdeburg die Wende als Ensembletheater überlebte (Birgit Ahlert)

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Sprung in die Tiefe Damiet van Dalsum, einstige künstlerische Leiterin, im Dialog

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P O SI TI O NEN (UMBAU 2) Repertoire und kreative Sehnsucht Gespräch mit Frank Bernhardt, dem künstlerischen Leiter des Theaters

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Der Spirit zwischen den Zeilen Zur Arbeit mit einem jungen Ensemble (Moritz Sostmann)

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Ich mag, wenn Theater in Bewegung bleibt Als Puppenspieler und Regisseur am Magdeburger Puppentheater (Nis Søgaard)

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Zusammen meckern, Monaco und der kleinste gemeinsame Nenner Ein Gespräch zwischen Jana Weichelt und Leonhard Schubert über das Ensemble-Spieler*in-Sein

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Fluchtpunkt Puppe Ein Versuch zur ästhetischen Vielfalt (Anke Meyer)

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EXKURS Wer spricht? Und warum? Wie Theatertexte für Puppen entstehen (Roscha A. Säidow)

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PA RTNER S TA D TGESELLSCHAFT Perspektivische Sicht Theaterfreuden eines Kulturpolitikers (Rüdiger Koch)

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Inhaltsverzeichnis

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Ist Zeus tot?! Einblicke in die theaterpädagogische Arbeit (Marlen Geisler) 94 Im Wechselspiel Über die Jugendkunstschule des Puppentheaters (Marianne Fritz) Ein Journal für das Theater Theaterarbeit für das Publikum anders erfahrbar machen (Petra Szemacha)

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FE STIVAL Mit Neuem konfrontieren! Das Festival Blickwechsel als Horizont-Erweiterer für Publikum und Haus (Tom Mustroph)

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Sechs Tage, die (vermutlich) das Puppentheater Magdeburg veränderten Rückblick auf Welt-Festival und -Kongress UNIMA 2000 (Gerd Taube)

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E XPANSION (UMBAU 3)

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Das ist machbar?! Der Weg von der Guckkastenbühne zum modernen Theater (Wolfgang Krebs)

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I N H A LT

Leben und arbeiten in Veränderung Fragen an Jana Schneider, Leiterin des Künstlerischen Betriebsbüros

Etwas, das für mich das Bild auflädt Tops und Flops eines Ausstattungsleiters (Aus einem Gespräch mit Sven Nahrstedt)

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Plötzlich Kuratorin Dramaturgie als interdisziplinäre Aufgabe (Miriam Locker)

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Ein Impromptu über Theater, Café & Genuss (Marlis Hirche)

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Epilog (Agnès Limbos)

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ANHANG Inszenierungschronik 1958 bis 2020

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Ensemblemitglieder 1958 bis 2020

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Prolog

PROLOG A s tr i d G r i e s ba ch


Prolog

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„Am Anfang sind drei Buffone. In ihrem Besitz ist Faust. Der ganze Faust. Johann, Heinrich … alle Fäuste. Und die Buffone erobern sich die Geschichte, erobern sich den Faust, naiv und wissend, sie durchschreiten die Zeit, nehmen Dinge und Puppen, die aus einem zu klein gewordenen Kinderzimmer auf ihre Entsorgung warten … und Geschichten in sich tragen.“* -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Faust (Puppe) springt in den Abgrund, Freda (Puppenspielerin) fängt ihn auf/zieht ihn hoch/stellt ihn auf Faust springt wieder, Freda fängt ihn auf/zieht ihn hoch/stellt ihn auf F: Das muss doch gehen – es gibt doch das Fallgesetz von Newton. Faust springt wieder, Freda fängt ihn auf/zieht ihn hoch/stellt ihn auf F: Welch ungewöhnlich feste Kraft hält mich auf Erden? Freda: (ksks) – Du wirst nicht sterben, du bist nur eine Puppe. F: Ich habe einen eigenen Willen, ich bin Faust! Freda: (ksks) – Vergiss es. Wir animieren dich so lange, wie wir wollen. Und wir sagen: Deine Geschichte ist noch nicht vorbei. . . . Kasper: (…) Gretchen … äh, Gretel, du bist noch nicht verloren. Du kannst noch zurück. Komm raus aus der Geschichte! – Mit mir sollst du Kinder haben, kleine Gretels und Kasperpuppen. Wir müssen auch an die Zukunft denken! Das Puppentheater soll nicht aussterben! Wir werden auf Gastspiel gehen, und die Oma kommt auch mit. – Gretel, der Faust, der ist nicht in Ordnung. Er hat einen komischen Freund. Mit dem stimmt was nicht, der ist überall. Heute früh beim Bäcker stand er hinterm Tresen und hat mir dann heimlich verkohlte Brötchen in die Tüte gepackt. Das ist doch krank. (…) Der war es auch, der mir den Kredit aufgeschwatzt hat. Hilfe, ich hab mich nicht mehr unter Kontrolle! Fragmente aus „Doktor Faustus reorganisiert“ nach dem Puppenspiel vom Doktor Faust, nach Friedrich Wilhelm Murnau und nach Johann Wolfgang von Goethe Spielfassung: Astrid Griesbach und Ensemble – Regie: Astrid Griesbach – Spiel: Freda Winter, Lennart Morgenstern, Nis Søgaard. Ausstattung: Franz Zauleck – Puppenbau: Barbara Weinhold – Puppentheater der Stadt Magdeburg, 2012 -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------„Zwischen Goethes Dichtkunst und Kaspers Improvisationen blicken wir aus dem Heute auf die ewige Frage, was uns antreibt, immer noch mehr zu wollen. Aus der Magie des Zusammenspiels von Dingen, Handpuppen und Buffonen/Spielern entstehen gespiegelte und gedoppelte Sichten auf einen Text und seine Figuren, die uns sehr, sehr nahe sind.“*

* aus ersten konzeptionellen Überlegungen von Astrid Griesbach zu „Doktor Faustus reorganisiert“


Frank A. Engel, Pascal Martinoli, Nis Søgaard in König Richard III, 2011. Foto Jesko Döring


Florian Feisel in Novecento. Die Legende vom Ozeanpianisten, 2004. Foto Willi Filz


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Einleitung

PU PPE N

A n ke Meyer

EN SEM BLE

THE ATER

PU PPE N THE ATER

Das Puppentheater der Stadt Magdeburg. Ein Stadttheater, das ein Puppentheater ist. Und umgekehrt. Gibt es nicht beliebig oft in Deutschland, im „alten Westen“ gar nicht. Dort erntet noch immer – 30 Jahre nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten –, wer von städtischen Ensemblepuppentheatern spricht, ungläubige Blicke. Ist doch das Puppentheater als Stadttheater oder auch als Sparte eines Stadt- bzw. Staatstheaters ein ostdeutsches Kulturphänomen. Wie es zur Gründung von rund 20 Ensemblepuppentheatern in der DDR kam und welche Rolle das Puppentheater Magdeburg in diesem Zusammenhang spielte, ist im Kapitel „Rückblick (Aufbau)“ anschaulich dargestellt. Den Herausforderungen der Nachwendezeit und dem kreativen, tatkräftigen Optimismus, mit dem das Puppentheater Magdeburg diese letztlich in künstlerische und strukturelle Impulse umzuwandeln wusste, widmen sich zwei weitere Beiträge im selben Kapitel. Und Herausforderungen, seien sie von außen herangetragen oder selbst gestellt, tauchen immer wieder auf in den hier versammelten unterschiedlichen Perspektiven auf ein Ensemblepuppentheater, das, um es mit den Worten des Intendanten Michael Kempchen zu sagen, „sich selbst nie genug“ war und ist. Ensemble „Aber was zum Teufel macht denn nun ein Ensemblepuppentheater aus?“, mögen sich manche Leser*innen1 fragen. Geschüttelt, ergibt das Wort ein weiteres aus „Ensemble“, „Puppe“ und „Theater“ gebildetes Kompositum: „Puppentheaterensemble“ – Keine Antwort, aber eine neue Frage: Was ist das? Die Puppen? Die Puppenspieler und Puppenspielerinnen? Oder letztlich alle, die an dem künstlerischen Gelingen einer Puppentheaterinszenierung beteiligt sind?    Auch wenn die Beiträge dieses Buches Letzteres nahelegen, möchte ich hier zunächst den Blick auf das darstellende Ensemble lenken. Denn genau diese Frage – Wer sind die Darsteller und Darstellerinnen in einem Puppentheater? – dringt vor zu der grundlegenden Besonderheit eines (Ensemble)Puppentheaters.    Melanie Sowas und Mario Hohmanns betont artifizielle, plüschig-vornehme Klappmaulpuppen in der am Puppentheater Magdeburg aufgeführten Parabel „Das Katzenhaus“2; Stoffpuppen ohne Unterleib, aber mit ungemein lebendiger Mimik, wie sie die Puppenbauerin Kattrin Michel und der Regisseur Frank Alexander Engel in „Marleni – preußische Diven blond wie Stahl“ auf riesigem Lotterbett posieren und um Faschismus und


Einleitung

Sex streiten lassen; in hartem Schwarz-Weiß skizzierte Gesichter von „Hänsel-und-Gretel“-Flachfiguren, übergroß projizierte Zeichnungen, die uns auf eine „Wilde Reise durch die Nacht“ mitnehmen oder eine gefährlich schwankende Kiste, die in „Novecento“ ganze Welten eröffnen kann … Dinge, Puppen, Materialien, Automaten, Installationen, Projektionen – in jedem Fall ist es eine bildgestalterische Entscheidung, der sich die Puppenspieler*innen stellen wollen und müssen. Sehr oft (nicht immer) im Prozess der Animation, in dem ein Ding glaubhaft und wahrhaftig die Anmutung des Lebendigen erhält. Dieser Prozess bedarf, soll er gelingen, nicht nur spieltechnischer Präzision, sondern auch einer speziellen Hingabe, eines Sich-durchlässig-Machens für die essenzielle Qualität des Dinges, das eine Puppe sein kann, aber nicht sein muss. Animation weist damit über die Verabredung „Wir behaupten, der Holzkopf lebt und ihr glaubt das“ weit hinaus. In den Raum der Synergien, des Zusammenwirkens ganz unterschiedlicher Materialien, Lebewesen, Stoffe, Formen … Die Animation im Puppentheater, im Theater der Dinge, schafft stets etwas Neues, das nur im Zusammenspiel von Mensch und Nicht-Mensch existiert. Bewegung Somit besteht ein Puppentheaterensemble (das Darsteller*innenensemble) aus den Puppenspieler*innen und ihrem jeweiligen Material. Niemals wird eine Puppe, ein Objekt, animiert von verschiedenen Spieler*innen in einer identischen Szene, die- oder dasselbe sein. Es ist immer der zwischen Spieler*in und Puppe oszillierende Raum, der mitwirkt. Von besonderem Reiz, wenn mehrere Spieler*innen eine Figur führen und ihr zugleich gegenübertreten. Wie zum Beispiel in Moritz Sostmanns legendärer Inszenierung „König Richard III“, in der sich das Magdeburger Ensemb-

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le auf verschiedenste Weise zu den Puppen von Atif Hussein ins Verhältnis setzt. Oder in Astrid Griesbachs „Faust“-Variante, in der drei menschliche komische Figuren scheinbar unangemessenen, kleinen Puppen (von Franz Zauleck und Barbara Weinhold) immer neue Aspekte der großen alten Geschichte entlocken und Spielzeug in die Tragödie treiben (und wieder hinaus).    Diese Art von Suchbewegung, der Impuls, Fragwürdigem oder Mysterien hinter vermeintlichen Gewissheiten auf die Spur zu kommen, zeichnet – in Verbindung mit einer großen Zuneigung zu Literaturadaptionen – in den letzten Jahren vor allem die Inszenierungen des Puppentheaters Magdeburg für ein erwachsenes oder jugendliches Publikum aus. Wie dabei Spiellust und künstlerischer Eigensinn des darstellenden Ensembles beflügelnd mitwirken, zeigen Beiträge von künstlerischer Leitung, Regisseur*innen und Spieler*innen des Hauses im Kapitel „Positionen“. Es erweist sich aber auch, dass der pädagogische Impetus der Gründungszeiten als schwieriges kulturpolitisches Erbe unterschwellig fortwirkte – und sei es in Erwartungshaltungen des Publikums. Ebenso deutlich zeigen die „Positionen“ allerdings, dass am Puppentheater Magdeburg der Kunstauftrag auch für ein kindliches Publikum erfolgreich behauptet wird. Und dass – unabhängig von der Zielgruppe – der Erfolg dieser ästhetischen Behauptung, schlechthin jeder künstlerischen Entwicklung, nicht zuletzt von der Kreativität der Puppengestalter*innen, der Ausstatter*innen und des Atelierteams mitbestimmt wird. Stadtgesellschaft Die Magdeburger*innen haben ein sehr besonderes Verhältnis zu ihrem Puppentheater, das sie einst in bürgerschaftlichem Engagement zuerst zu bauen, dann

Die Herausgeberinnen haben sich in der vorliegenden Publikation für eine genderneutrale Schreibweise entschieden. Bei einzelnen Formulierungen wurde der besseren Lesbarkeit halber darauf verzichtet. Einige Autor*innen haben sich für andere Schreibweisen entschieden. Alle in diesem Beitrag genannten Inszenierungen entstanden am Puppentheater Magdeburg. Detaillierte Angaben dazu finden sich in der Inszenierungschronik (ab S. 158) und ggfs. bei den Abbildungen.


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Einleitung

zu retten halfen. Dieses besondere Verhältnis zeigt sich dauerhaft nicht nur in ausverkauften Repertoirevorstellungen oder den Jahr für Jahr innerhalb weniger Tage hoffnungslos ausgebuchten SommertheaterWochen, sondern auch im klaren Bekenntnis der städtischen Kulturpolitik zu diesem Haus und seinen Protagonist*innen. Mit einem solchen Bekenntnis eröffnet das Kapitel „Stadtgesellschaft“. Welch bedeutsamen Anteil am lebendigen Austausch von Theaterleuten und Publikum die Abteilungen Dramaturgie und Theaterpädagogik sowie die dem Puppentheater angegliederte Jugendkunstschule haben, lassen facettenreiche Projektberichte zu Beteiligungsformaten ebenso erkennen wie ein analytischer Blick ins theatereigene Journal „Puppe“.    Das anschließende „Festival“-Kapitel nimmt die seit vielen Jahren vom Puppentheater ausgerichteten internationalen Blickwechsel-Festivalausgaben sowie das Ausnahmeereignis UNIMA 2000 ins Visier – vornehmlich die von diesen bedeutenden Figurentheaterfesten ausgehenden künstlerischen und gesellschaftspolitischen Impulse. Umbauen … … haben wir als eine Art Leitbegriff für dieses Buch über das Puppentheater Magdeburg gewählt, nicht nur, weil die künstlerische Entwicklung des Hauses von Beginn an immer auch von Baumaßnahmen begleitet war. „Aufbauen, umbauen, ausbauen“ erscheint darüber hinaus wie eine unausgesprochene Maxime das Wirken des Theaters zu begleiten – sei es bei der Ensemblebildung, der künstlerischen Ausrichtung, der Vernetzung mit anderen Kultureinrichtungen oder der Ausweitung der Aufgabenfelder, unter anderem durch Einrichtung einer öffentlichen „FigurenSpielSammlung“ und die Organisation von Wechselausstellungen in der inzwischen dem Theater angeschlossenen Rayon-Villa, genannt villa p. Diesen interdisziplinären Schaffensbereichen und

diversen Umbauten im materiellen Sinn widmen sich im Kapitel „Expansion“ Beiträge aus Dramaturgie, Künstlerischem Betriebsbüro, Ausstattung und Technik. Das Kapitel schließt mit einer Ode an das Theatercafé als Genuss- und Kommunikationsort und wahres Drehkreuz des Geschehens.    Das Theatercafé mit dem sprechenden Namen café p. war, das sei nun offenbart, auch (räumlicher) Ausgangspunkt der vorliegenden Publikation. Die ersten Gedanken zum Magdeburger Symposium „Aufbruch“, das sich 2016 und 2018 der Situation der verbliebenen Ensemblepuppentheater widmete und als Grundimpuls für dieses Buch wirkte3, wurden hier entwickelt, das internationale Symposium selbst mit einem „World Café“ hier eröffnet und der Entschluss, ein Buch über das Puppentheater der Stadt Magdeburg herauszubringen, hier gefasst. Auch das bedeutet Umbau: für Veränderung offen bleiben, den Blick weiten – mit (selbst-) reflexiven Publikationen4, mit der Einladung zu Diskussionen, Symposien, Weiterbildungen … Und vielleicht, in Zukunft, mit einem dauerhaften Ausbildungsauftrag für Puppentheaterregie?    Unter anderem für diese künstlerische Offenheit und Beweglichkeit, für die Befragung des eigenen Schaffens sowie der Strukturen von Ensemblepuppentheatern mit dem Ziel „Arbeitsprozesse des Genres zukunftsfähig zu gestalten“, für die konsequente Nachwuchsförderung und die „Kooperation mit den Hochschulen in Berlin und Stuttgart“ erhielt das Puppentheater Magdeburg 2019 den Theaterpreis des Bundes. Schlusssatz der Jurybegründung: „Mit dem Figurentheaterfestival ‚Blickwechsel‘ als internationalem Branchentreff, der großen Figurenspielsammlung in der angegliederten villa p., einem breiten theaterpädagogischen Angebot sowie der Vernetzung in die Stadtgesellschaft hinein ist das Haus unter der Intendanz von Michael Kempchen zentraler Anker des deutschen Figurentheaters – für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.“5

3 Zu dem Symposium liegt die zweiteilige Dokumentation „Aufbruch“ vor, herausgegeben vom Puppentheater Magdeburg. 4 Darunter die veritable Graphic-Novel von Hans-Jochen Menzel „Ich bin nicht lustig – Tagebuchfragmente eines Kaspers“. Berlin 2008 5 Jurybegründung zur Verleihung des Theaterpreises des Bundes 2019. www.iti-germany.de


Einleitung

Aufgang zum Puppentheater, 2020. Foto Anjelika Conrad

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Saal des Puppentheaters, 1950er Jahre. Foto Archiv Puppentheater Magdeburg


R ÜC K B L I CK (Aufbau/Umbau 1)


Der Rabe - Spieler*innen auf der Marionettenbrücke, 1983. Foto Jürgen Banse rechte Seite oben: Brigadeeinsatz beim Bau des Puppentheaters, 1958. Foto Archiv Puppentheater Magdeburg rechte Seite Mitte: Das erste Gebäude des Puppentheaters, 1962. Foto Archiv Puppentheater Magdeburg rechte Seite unten: Foyer 1960er Jahre. Foto Archiv Puppentheater Magdeburg





Matthias Engel in Der kleine August, 1993. Foto Jürgen Banse Seite 16: Peter Bruckner in Sonnenkind, 1997. Foto Jürgen Banse Seite 17 oben: Der kleine Prinz, 1970. Foto Gustel Möller Seite 17 unten: Peter Bruckner in Der Vogelkopp, 1985. Foto Jürgen Banse


Gabriele Grauer, Elke Schettler, Gerhild Reinhold in Falle, Fälle, 1999. Foto Jßrgen Banse


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Rückblick (Aufbau/Umbau 1)

NA C H Unsort ier t e Ge d a n ke n über das Pupp e n th e a te r i n der DDR

Carl Schröder, einer der bedeutendsten Puppentheatermacher der DDR, wurde 1962 gebeten, für den Band „Puppentheater der Welt“, herausgegeben vom Henschelverlag Berlin, einen Beitrag über das Puppentheater seines Landes zu schreiben. Er beschreibt zwei Vorstellungsbesuche: den in einem alten Dorftanzsaal bei Ritschers Marionettentheater und den im Haus eines noch jungen staatlichen Puppentheaters. Er berichtet von der Faszination des Publikums an dem gemächlichen Spiel der Marionetten, an der Zwiesprache des heiter und unbekümmert wirkenden, tapferen, wahrhaftigen Kaspers mit den Zuschauer*innen und erzählt begeistert von den technischen Möglichkeiten des gerade eröffneten staatlichen Puppentheaters, von dem köstlichen Spiel der federleichten Puppen.    „Zwischen gestern und morgen“ betitelt Carl Schröder seinen Beitrag und begreift in ihm einerseits mit leiser Wehmut, dass die Reise eines Wandertheaters reinsten Barocks zu Ende geht, und freut sich andererseits über den frischen Wind, der zu wehen beginnt – über das neue Puppentheaterverständnis, das sich immer deutlicher herausbildet. Interessant ist, dass Schröder beiden Puppenspielformen großen Respekt zollt, der traditionellen und der modernen, und damit weitaus genauer in die Puppentheaterzukunft blickt als die zu dieser Zeit noch rigide, auf Ausmerzung der Traditionslinien des Genres bedachte Kulturpolitik der DDR.    Vielleicht speiste sich Schröders Wehmut auch aus der Beobachtung, dass im Zuge eines „politischen Reinigungsprozesses“, kurz nach Gründung der DDR, zahlreichen traditionellen Wandermarionettentheatern und Handpuppenspielern die Spielerlaubnis entzogen wurde, mit der Begründung: „Die Puppenspieler geben – von wenigen Ausnahmen abgesehen – weiter den Schund, der vor 50 Jahren schon hätte abgelehnt werden müssen“1, oder daraus, dass der so „tapfere Kasper“ insbesondere bei den Bildungspolitikern in Ungnade gefallen war, für kurze Zeit gar zum Volksfeind avancierte. Seine Freude an frischem Wind dagegen fußte gewiss auf den Impulsen, die mit dem Gastspiel des Moskauer Puppentheaters unter Leitung von Sergej Obraszow einhergingen, das um die Jahreswende 1950/51 stattgefunden hatte. Dieses Gastspiel prägte die Entwicklung der Puppentheaterszene der DDR künftighin.

MO S K A U E R S i l vi a Brenden a l

VO RBILD


Rückblick (Aufbau/Umbau 1)

Recherche: die Gründerjahre Es waren nicht nur die Kultur- und Bildungspolitiker, die glaubten, mit einem Theater dieser Art am Ziel ihrer sozialistischen Vorstellungen von einem gesellschaftlich repräsentativen Puppentheater angekommen zu sein, und die konsequent die Gründung staatlich subventionierter Puppentheater nach Moskauer Vorbild durchzusetzen suchten; auch die Puppenspieler selbst reagierten enthusiasmiert auf die von den Moskauer Kolleg*innen gezeigten Inszenierungen, waren sie doch Beleg für die Kunst des Ensemblespiels in seinen vielfältigen technischen und künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten und für – das vor allem – die Verortung des Puppentheaters als Gattung der darstellenden Künste. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in der Folge des Gastspiels zahlreiche Puppentheater ähnlicher Struktur in der DDR entstanden, einige – wie das Puppentheater Dresden oder die Puppenbühne Oestreich-Ohnesorge – initiiert von bis dahin traditionellen Puppenspielern, andere wiederum basierten auf der Umwandlung von Amateurgruppen, meist geleitet von Lehrern, in ein professionelles Theater.    Wie beispielsweise das Puppentheater Magdeburg, das achte der neu eröffneten, staatlich geförderten Puppentheater in der DDR, er- bzw. umgebaut auf Initiative der Kunsthandwerkerin und Übersetzerin Jutta Balk und des Lehrers Gustel Möller. Beide hatten als Leiter einer 1952 gegründeten schulischen Arbeitsgemeinschaft Puppenspiel intensiv um ein ständiges Puppentheater geworben. Dieses Engagement wurde 1958 durch einen entsprechenden Ratsbeschluss belohnt. In einer Auf- und Umbauphase im Rahmen des Nationalen Aufbauwerks, was tatkräftige, zupackende Hilfe aller Kolleg*innen und vieler Magdeburger*innen bedeutete, entstanden in kurzer Bauzeit ein Bühnenhaus, ein Zuschauerraum mit 200 Plätzen, Foyer und Garderoben – und damit das erste für ein Puppenthe-

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ater gebaute Haus in der DDR. „Zum Kollektiv gehören: Gustel Möller, Jutta Balk, Karl Steller.“2 Drei Mitarbeiter*innen!    Das Engagement dieser Gründergeneration mutet nahezu abenteuerlich an angesichts der Dimensionen des sowjetischen Modells: Immerhin reiste das Moskauer Theater zu seinen Gastspielen mit einem mehr als 50 Personen starken Team und mehreren Eisenbahnwaggons voller Bühnenausstattung an – was nicht nur Ausdruck eines arbeitsteilig durchorganisierten, hochprofessionellen Theaterbetriebs war, sondern auch ahnen ließ, welchen kulturpolitisch hohen Stellenwert die Unterstützung dieses Puppentheaters, unter Leitung seines wirklich großartigen Solo-Puppenspielers, in der Sowjetunion hatte. Nun mag der politische Wille der DDR-Kulturpolitiker*innen, das Puppentheater als Kunstgattung zu entwickeln und zu fördern, unbestritten gewesen sein, ob allerdings die entsprechenden professionellen Voraussetzungen vorhanden waren für die zahlreichen Puppentheaterneugründungen nach dem Moskauer Vorbild, sei zu hinterfragen. Beispielsweise existierten in den meisten Städten, in denen diese erfolgten, kaum räumliche Voraussetzungen für die Ansiedlung der Theater in festen Häusern, das heißt, viele der Ensembles agierten über Jahre in unzureichenden Provisorien, zudem fehlte den Theatern in der Regel jener „Unterbau“ aus qualifizierten Machern (Puppenspieler*innen, Regisseur*innen, Puppengestalter*innen, Dramaturg*innen etc.), der den künstlerischen Anspruch dann auch manifestierte: „Vielmehr muß man davon ausgehen, daß die meisten staatlichen Puppentheater in ökonomischer Hinsicht zwar Berufstheater wurden, in künstlerischer Hinsicht aber Amateurtheater blieben.“3    Dessen ungeachtet hatte sich das Puppentheater Magdeburg bereits Mitte der 60er Jahre mit seinen nunmehr 20 Mitarbeiter*innen – davon zwölf Puppenspieler*innen – den Ruf eines „Leittheaters“

1 Ernst-Frieder Kratochwil: „Das verachtete Genre“, in: Theater der Zeit 5/1989, S. 22. 2 Arbeitsplan des Kollektivs der Magdeburger Puppenbühne, Archiv Puppentheater Magdeburg. 3 Kratochwil, a. a. O.


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Rückblick (Aufbau/Umbau 1)

erarbeitet. Dieser etwas krude Begriff stützte sich laut Akten des Verbandes der Theaterschaffenden der DDR darauf, dass es als einziges Puppentheater des Landes in dem eigens gebauten, mit für die damalige Zeit optimalen technischen Möglichkeiten ausgestatteten Haus spielte, dass seine Personalstruktur der eines Stadttheaters entsprach, dass bereits 1963 die 1. Woche des DDR-Puppenspiels, ein nationaler Leistungsvergleich, in Magdeburg stattfand, dass Magdeburg Gastgeber der ersten drei Nationalen Puppentheaterfestivals war, dass seit 1965 regelmäßig Fernsehaufzeichnungen ausgewählter Inszenierungen erfolgten und dass lebhafte Arbeitskontakte mit Puppentheatern des sozialistischen Auslands bestanden.    Gisela Wahlberg, von 1959 bis 1968 Schauspielerin, Puppenspielerin und Regisseurin am Puppentheater Magdeburg erinnerte sich: „Aus der kleinen Amateurgruppe von 1958 war inzwischen ein ‚Theaterbetrieb‘, ein ‚Profitheater‘ geworden.“4    Sie packten es an – die Magdeburger, die Chemnitzer, die Zwickauer oder die Hallenser Puppenspieler*innen. Sie betraten zielbewusst ein unbekanntes Terrain, das sie mit enormen Anstrengungen und durchaus künstlerischer Ambition beackerten: Unter anderem eigneten sie sich eine ihnen bis dahin unbekannte Puppenart, die Stabpuppe samt adäquater Spielweise an; die Handpuppe, vor allem aber die Marionette wurden nach dem Gastspiel des Moskauer Puppentheaters kurzerhand von der Bühne verbannt. Sie schufen ein Repertoire, das vorrangig aus Märchenadaptionen bzw. aus Übersetzungen dramatischer Vorlagen aus den sozialistischen Bruderländern bestand, suchten nach Autor*innen, Komponist*innen und bildenden Künstler*innen, die es galt, für das noch unentdeckte Genre Puppentheater zu begeistern, oder arbeiteten mit Gastkünstler*innen aus den östlichen Nachbarländern, und sie erfüllten zudem ihren vorrangigen gesellschaftlichen Auftrag, nämlich den, teilzuhaben an „der sozialistischen Bildung und Erziehung der jungen Generation“.    Wobei die offizielle Festschreibung des Publikums für das Puppentheater auf Kinder bis zu zehn Jahren die

Puppenspieler*innen nicht daran hinderte, sich auch dem erwachsenen Zuschauer zuzuwenden. Das Städtische Puppentheater Chemnitz wurde beispielsweise 1951 mit der Premiere von Wolfgang Amadeus Mozarts „Entführung aus dem Serail“ eröffnet, das Staatliche Puppentheater Dresden zeigte die Stabpuppenadaption des „Fröhlichen Sünders“ von Leonid Solowjow und Wiktor Witkowitsch als Eröffnungsinszenierung und das Repertoire der Dresdner umfasste ebenso Inszenierungen für Kinder wie für Erwachsene. Mitte der 60er Jahre kam auch am Puppentheater Magdeburg die erste Inszenierung für das Erwachsenenpublikum heraus: Egon Erwin Kischs „Himmelfahrt der Galgentoni“, inszeniert von Walter Bechstein, in der Ausstattung des Grafikers Wilhelm Höpfner, wurde der erste große Erfolg des Ensembles. Das war der Beginn eines regelmäßigen Abendspielplans und einer Kooperation mit dem Schauspiel Magdeburg. Der endgültige Durchbruch gelang 1970 mit der Inszenierung von Antoine de Saint-Exupérys „Kleinem Prinzen“, die über fünf Spielzeiten auf der Bühne des Schauspielhauses gezeigt wurde. Eine Theaterkunst etabliert sich Zwei Ereignisse bestimmten die Entwicklung der staatlich subventionierten Ensemblepuppentheater der DDR, Ende der 70er Jahre waren es 18, wesentlich: 1972 entstand mit der Fachrichtung Puppenspiel an der Staatlichen Schauspielschule Berlin (heute Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch) die erste professionelle Institution, die Puppenspieler*innen ausbildete und diese nach drei Jahren Studium mit entsprechend künstlerischem Anspruch in die Praxis entließ. Das heißt, die Ensembles der in den 70er Jahren gegründeten Puppentheater, beispielsweise in Wismar, Frankfurt/Oder, Erfurt oder Neubrandenburg, setzten sich zu großem Teil aus den ersten Absolvent*innen des neuen Studiengangs zusammen.    Und bereits 1971 erfolgte mit der Gründung der eigenständigen Sektion Puppentheater beim Verband der Theaterschaffenden der DDR eine erste instituti-


Rückblick (Aufbau/Umbau 1)

onelle Verankerung des Genres. Die von der Sektion veranstalteten Arbeitstreffen, Leistungsvergleiche und Kolloquien beeinflussten auch entscheidend den theoretischen Disput über die Spezifik des Puppentheaters und dienten allein dem Zweck, „daß sich unser Puppentheater zu einem achtenswerten Partner der anderen Gattungen im System der darstellenden Künste entwickelt“.5    So fanden beispielsweise 1973, initiiert von der Sektion Puppentheater, die 5. Arbeitstage „Zur Erberezeption im Puppentheater der DDR“ am Puppentheater Magdeburg statt. Eingeladen wurde zu diesem Anlass das Traditionelle Marionettentheater Dombrowsky, das seine Inszenierung „Karl Stülpner – der Rebell des Erzgebirges“ zeigte. In der anschließenden Diskussion erfolgte nicht nur eine respektvolle Wertung der gezeigten Inszenierung, sondern zudem ein deutliches Bekenntnis zum traditionellen Erbe als Vorläufer und Bestandteil des Puppentheaters in der DDR.    Carl Schröders eingangs zitierte Wehmut war gewiss begründet, sehr vielen der traditionellen Wandermarionettentheater wurde in den Anfangsjahren der DDR die Spielerlaubnis entzogen, doch jenen, die eine Überlebensnische für sich gefunden hatten, gewährte man jetzt die Anerkennung, die ihnen gebührte: Vertreter traditionellen Volkspuppenspiels zu sein.    Die modernen, federleichten Puppen hingegen, die Carl Schröder so faszinierten, ereilte ein anderes Schicksal: Die bis dahin das Spielgeschehen determinierende Stabpuppe verschwand zunehmend von den Puppenbühnen. Denn insbesondere die in die Theaterpraxis entlassenen Absolvent*innen der Fachrichtung Puppenspiel entdeckten die beiden nun zu neuer Anerkennung gelangten Puppenarten Marionette und Handpuppe für sich als ein modernes theatralisches Ausdrucksmittel.    Die künstlerischen Innovationen der folgenden Jahre fanden vorrangig an den jüngeren Theatern statt. Vor allem am Puppentheater Neubrandenburg, gegründet 1976 von einer Gruppe Absolvent*innen, die

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„ihr“ Theater gleichermaßen als ein Laboratorium in Sachen Kunst des Puppenspiels handhabte. In völliger Selbstverständlichkeit produzierte sie für Kinder wie für Erwachsene auf vergleichbarem künstlerischen Niveau, Handpuppe und Marionette wurden nicht nur auf die ihnen angestammte Bühne zurückgeholt, sondern veranlassten dazu, in ganz neuen ästhetischen Zusammenhängen über deren Abbildfunktion auf eben dieser Puppen-Theater-Bühne nachzudenken. Es entstanden so herausragende Inszenierungen wie „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ von Bertolt Brecht, in der Regie von Peter Waschinsky, oder die kollektiv erarbeitete Produktion „Picknick im Felde/Guernica“ von Fernando Arrabal, beide ausgezeichnet auf dem III. Puppentheaterfestival der DDR.    Allerdings fanden die in die Puppentheaterpraxis entlassenen Absolvent*innen höchst unterschiedliche Schaffensbedingungen vor. In Magdeburg fühlten sich die zwei jungen Kolleg*innen weder akzeptiert noch gefordert und wandten sich mit einem Beschwerdebrief an den Rat der Stadt: „Aus der Tatsache, daß wir studiert haben, leitet man eher ab, daß wir nicht für voll zu nehmen sind … Dabei wurden wir unter anderem mit dem Argument zum Studium gewonnen, daß sich das Niveau des Puppentheater nur verbessert, wenn sich mehr Leute über ein dreijähriges Studium qualifizieren.“ Das heißt, an diesem Theater gelang es der ersten Absolventen-Generation nicht, vorhandene Denk- und Arbeitsweisen, die sich über die Jahrzehnte als vermeintliche Erfolgsrezepte verfestigt hatten, aufzubrechen und durch ihr eigenes kreatives Tun das künstlerische Gesicht des Theaters zu bereichern. Sie scheiterte. Aufbruchsstimmung Die mit der Erbe-Diskussion einhergehende Renaissance des „tapferen Kaspers“ ließ diesen auferstehen wie Phönix aus der Asche – als hätte er nur darauf gewartet, dem Volk wieder aufs Maul zu schauen. Das

4 Interview mit Gisela Wahlberg, November 2011, Archiv Puppentheater Magdeburg. 5 Thomas Wieck: Vorlage für die Präsidiumssitzung des Verbandes der Theaterschaffenden der DDR vom 22.06.1977, Archiv Puppentheater Magdeburg.


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Rückblick (Aufbau/Umbau 1)

Puppentheater Gera, dessen Ensemble sowohl aus extern ausgebildeten Puppenspieler*innen wie jungen Absolvent*innen bestand, brachte unter der Regie von Ingrid Fischer die ebenfalls ausgezeichnete Open-AirInszenierung „Kasperiade“ heraus, in der ganz bewusst eine Verbindung zwischen Traditionslinie und modernem Ensemblespiel geschaffen und gleichzeitig viel über die Manipulier- und Benutzbarkeit der Kasperfigur erzählt wurde.    Politischer Höhepunkt der Aufarbeitung des Themas Kasper war jedoch die Inszenierung „Die Jäger des verlorenen Verstandes“ der aus Absolvent*innen des Studiengangs Puppentheater bestehenden freien Berliner Gruppe Zinnober, die sich 1978/79 zusammenfand. Sie schuf ein Handpuppen-Kasperstück als aggressivsatirische und verzweifelt-komische Bestandsaufnahme der DDR-Gegenwart, ebenfalls (wenngleich unvorstellbar bis zur Preisverleihung) mit einer Auszeichnung bedacht für die schöpferische Weiterführung der Kaspertradition. Wie zu erkennen ist: Die strikten kulturpolitischen Vorgaben, die einst den Puppentheatern Fesseln auferlegten, hatten sich in den 70er/80er Jahren deutlich gelockert. Es herrschte Aufbruchsstimmung:    Durften beim I. Puppentheaterfestival der DDR einzig für Kinder inszenierte Stücke gezeigt werden, so waren beim III. Festival, ebenfalls ausgerichtet am Puppentheater Magdeburg, sowohl szenische Arbeiten für Erwachsene wie für Kinder im Wettbewerb. Zudem hatte sich die Qualität der Inszenierungen für Kinder deutlich verändert, sie kamen ästhetisch anspruchsvoller daher, nahmen ihre kleinen Zuschauer*innen ernst und gefielen sich keineswegs in Verniedlichung und Verharmlosung der kindlichen Welt. Wie beispielsweise die leise, auf eine intensive Partnerschaft mit dem zuschauenden Kind setzende szenische Produktion „Indianer“ des Puppentheaters Erfurt in der Regie von Lars Frank. „Das III. Puppentheaterfestival der DDR 1982 ist das Festival der vollzogenen ‚Wachablösung‘ gewesen. Konnte 1979 nach dem II. Puppentheaterfestival hervorgehoben werden, daß in zunehmendem Maße junge

Puppenspieler das künstlerische Niveau in den Theatern bestimmen, so ist nunmehr deutlich geworden, daß sich eine neue Generation künstlerisch begabter, politisch engagierter und schöpferisch ernsthaft arbeitender junger Puppenspieler (und z. T. auch Regisseure und Ausstatter) entwickelt und durchgesetzt hat.“6    Das V. Puppentheaterfestival, das 1990 in Erfurt stattfand, war das letzte in der DDR und merklich gekennzeichnet von den politischen Veränderungen und den künstlerischen Wirrnissen, die die „Wende“ auch für das Puppentheater bereithielt. Denn mit dem letzten Abend des Festivals war nicht nur dies, sondern auch das Puppentheater der DDR Geschichte.    Dass das Modell Ensemblepuppentheater – trotz großer Gefährdung und extrem schmerzhafter Einschnitte nach der „Wende“ – nicht ebenfalls Geschichte wurde, zeigen die strukturellen Veränderungen, vor allem die künstlerischen Entwicklungen unter anderem an den Theatern in Halle, Gera, Chemnitz, Dresden, Erfurt oder Bautzen. Für all diese Theater brachte die Nachwendezeit einen Neubeginn mit sich. Auch das Puppentheater Magdeburg stellte sich den Herausforderungen der Zeit und vollzog nahezu einen Quantensprung in seiner kreativen Umgestaltung.    Wieder einmal erfand sich das Puppentheater – getreu seiner Biografie – neu. Si l vi a B r e n d e n a l war langjährige künstlerische Leiterin der Schaubude Berlin und ist Autorin des Magazins für Puppen-, Figuren- und Objekttheater „double“.

6 Hans-Peter Schreiber: „Anliegen – Vermögen – Wirkung“, in: Theater der Zeit 7/1982, S. 40.


Dieter Reyer in Das Puppenspiel vom Doktor Faust, 1977. Foto Archiv Puppentheater Magdeburg

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EIN

TH E ATE R W i e das P u p pent heat er Ma g d e b u rg di e Wende al s E n se mb le th e a te r über l ebt e

Z WE I

S TAAT E N D RE I

J A HRZ EHNTE Bi r g it Ahl er t

VI E R

SÄULEN

Dass unruhige Zeiten bevorstehen, wurde im Puppentheater Magdeburg nicht erst im November 1989 begriffen. Schon zuvor hatten sich Veränderungen angekündigt: im Miteinander, Denken und Handeln. Bis Mitte der 80er Jahre produzierte das Puppentheater in einer Art Nische, die vieles möglich machte. Die „Oberen“ schauten nicht so genau hin, für sie war Puppentheater unterhaltendes Kindertheater.    Das Magdeburger Puppentheater, gegründet 1958 als eines der letzten Ensemblepuppentheater in der DDR, hatte einen guten Ruf. An dem Haus wurde erstmals in der DDR auch für Erwachsene inszeniert und schon damals genreübergreifend mit der Schauspielsparte des Theaters Magdeburg zusammengearbeitet. Mitte der 70er Jahre erfolgte die Klassifizierung als „Leitpuppentheater“ der DDR. Grund dafür waren künstlerische Leistungen, aber ebenso die linientreue Umsetzung der entsprechenden kulturpolitischen Vorgaben. Doch 1985 strebte die damalige Intendantin Elke Schneider eine inhaltliche Neuausrichtung des Theaters an: Es entstanden erste Inszenierungen, die sich kritisch mit den gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Verwerfungen in der DDR auseinandersetzten. Schließlich hatte sich das Theater auch von innen her politisiert. Mitarbeiter*innen waren aktiv in der Liedermacher*innen-Szene und in der Friedensbewegung der Kirche. Andererseits nahm die Zahl der Ausreiseanträge zu, Mitarbeiter*innen verließen das Land.    Und nicht zu übersehen war: Die Qualität der künstlerischen Leistungen am Haus stagnierte seit längerer Zeit – sowohl inhaltlich als auch ästhetisch. Das heißt, es ging in den 80er Jahren auch um den Anschluss an sich deutlich vollziehende Entwicklungen in der Puppenspielkunst, die die Gründung der Fachrichtung Puppenspiel an der Schauspielschule Berlin, Mitte der 70er Jahre, mit sich gebracht hatte. A l l e s änd e r t s i c h Das Land veränderte sich. Die Kunst veränderte sich. Alles änderte sich. Intendantin Schneider wechselte 1990 an ein Musiktheater und das Magdeburger Puppentheater stand ohne Intendant*in da. Wie sollte es weitergehen, wer würde die Leitung übernehmen? Seit 1985 war Michael Kempchen als stellvertretender Intendant am Haus tätig und übernahm zunächst amtierend die Leitung. Eine Lösung, die sich später als Glücksfall für das Theater herausstellen sollte. Kempchen war nicht nur sehr kulturinteressiert, sondern liebte auch Herausforderungen. Ihm war bewusst, dass die so anderen Zeiten, der neue Staat Bundesrepublik Deutschland ein völlig neues


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Herangehen an die Leitung eines Theaters erforderten. Er, ein Mann der Zahlen, hatte Wirtschaft studiert, in den kommenden Jahren ein zunehmend wichtiger Aspekt im Bereich des Kulturmanagements. Und je länger er an diesem Haus arbeitete, umso besser lernte er das Genre kennen, umso mehr faszinierte ihn die Bandbreite an Ausdrucksmöglichkeiten, die diese Theaterkunst in sich trägt. Vor allem hatte er tiefen Respekt vor den an dem Puppentheater tätigen Menschen. Sie hatten teilweise das Theater mit aufgebaut, woraus eine große, heute selten zu findende Verbundenheit mit dem Haus entstanden war. Die Entscheidung, 1990 die Leitung zu übernehmen, fiel Michael Kempchen dennoch nicht leicht, denn ringsum brach vieles weg. Niemand wusste, wie es mit dem Land weitergehen würde.    Er erwartete für das Theater keinen Sympathiebonus, sondern wusste, dass das neue politische und vor allem wirtschaftliche System niemandem etwas schenken würde. Letztlich waren es die Hoffnung auf ein gemeinsames Gestalten und das Wissen um ein gutes künstlerisches Team an seiner Seite, die ihn zusagen ließen. In der Absicht, das gemeinsam Erkämpfte, die gerade gewonnene Freiheit, zu schützen und zu bewahren. „Wir hatten die Hoffnung auf künstlerische Freiheit ohne Beschränkungen“, erinnert sich Kempchen. Das Theater sollte sich in gesellschaftliche Prozesse einmischen, sollte deren Brüche und Entwicklungen reflektieren. Gerade als ein Theater, das auch für Kinder spielte. Brauchten doch besonders die Kinder in dieser Umbruchsituation Orientierungen. Das Ensemblepupp en theater erhalten Schnell wurde klar: Etwas Adäquates zu so einem Puppentheater wie dem in Magdeburg, mit festem Haus und festem Ensemble, gibt es im Westen Deutschlands nicht. Man wird um das Haus und seine Mitarbeiter*innen kämpfen müssen. Wie also vorgehen? Strategisch! Das bedeutete: Das Ensemblepuppentheater als ostdeutsches Kulturerbe gilt es zu erhalten. Magdeburg gehörte mit über 40 Beschäftigten zu den größten Puppentheatern des Landes. Sich in den vermeintlich sicheren Schoß ei-

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nes Mehrspartentheaters zu begeben, wie das seinerzeit einige andere, ehemals selbstständige kommunale Puppentheater Ostdeutschlands taten, war für Magdeburg keine Option. Zu offensichtlich die Gefahr, das eigene künstlerische Profil zu verlieren. Außerdem war dieses Ensemblepuppentheater für die Menschen in der Region, die damit aufwuchsen, ein Stück Identität.    Kempchen und sein Team entwickelten ein Leitprinzip: Tradition wahren und Neues wagen. Dazu gehörte die Kontinuität in der Produktion von Inszenierungen für Kinder ebenso wie der gleichzeitige Ausbau des Angebots für Erwachsene. Nach dem Motto: abends mehr Licht im Puppentheater. Bei Anfang der 90er Jahre aus Budgetgründen sinkender Mitarbeiterzahl bedeutete das aber auch mehr Arbeit für die am Theater Verbliebenen. Und die waren bereit dazu. Gemeinsam rangen sie um das Fortbestehen, brachten ihre Ideen ein, setzten sie um, begeisterten das Publikum.    Der früheren Schere im Kopf, was man sagen oder tun dürfe, drohte jedoch eine neue zu folgen: die ökonomische. Geld war zu einer wichtigen, vielleicht der wichtigsten Frage geworden. Um die kümmerte sich der Intendant, im Kreativpool wurde über die Entwicklung künstlerischer Projekte nachgedacht. Zunächst half ein Bundesprogramm für Erhalt und Neustrukturierung der Kulturlandschaft in Ostdeutschland mit Fördergeldern. Theaterleiter Kempchen, dem nicht nur ein gesundes Misstrauens eigen war, sondern der auch politischen Statements wenig vertraute, sorgte dafür, dass das Fördergeld zum einen für die Neustrukturierung verwandt, zum anderen aber auch als Investition in die Zukunft, in den Ausbau der Angebote verstanden wurde. Frühzeitig wurden Sponsoren gewonnen, die dem Haus bis heute verbunden sind. Am Ende des Förderzeitraums schlossen zahlreiche Kultureinrichtungen und Theatersparten im Land – das Puppentheater Magdeburg jedoch hatte sich die Grundlage geschaffen, weiter voranzugehen, mit dem Ziel, Magdeburg und Sachsen-Anhalt mitzugestalten und einen internationalen Kulturaustausch zu befördern. Bereits 1991 fand erstmals wieder – wie bis 1985 regelmäßig – eine Puppentheaterwoche statt.


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Im Gegensatz zu früher war das Festival nun jedoch nicht nur national bzw. osteuropäisch orientiert, sondern international. Eine Bürgerbewegun g f ür das P up p entheater Nach Sachsen-Anhalt kamen – wie in den gesamten Osten – ab 1990 viele externe Berater aus den alten Bundesländern. In den Taschen diverse Konzepte, unter anderem für die Stadt Magdeburg. Aber ein wirklich ernstzunehmendes Kulturentwicklungskonzept war bis zur Mitte der 90er Jahre nicht dabei, auch ein breit angelegter Diskurs zur Kulturentwicklung fand nicht statt. Das einzige Konzept für das Puppentheater hieß: Schließung. Die Kultur in der Stadt sollte kostengünstig neu strukturiert und das Puppentheater „abgewickelt“ werden, bis auf maximal zehn Mitarbeiter*innen, um Kinder in Kindergärten und Schulen zu „bespaßen“. „Sie haben Null Überlebenschance“, erklärten Berater*innen, „es wird niemand mehr ihr Haus besuchen“. Ensemblepuppentheater in seiner künstlerischen Qualität, seinem Potenzial für die Kulturlandschaft oder in der gesellschaftlichen Verantwortung, in der sich Ensemblemitglieder sahen, spielte keine Rolle bei diesen Plänen, ebenso wenig wie die Frage, was mit den Mitarbeiter*innen geschehen sollte.    Die in dieser Situation entwickelte Strategie der Theaterleitung zielte darauf, aus dem kleinen Haus ein großes zu machen, das man nicht einfach „mit einem Federstrich aus der Landschaft tilgen kann“. Sie bestand aus vier Handlungsfeldern: 1. zur Identitätsbewahrung beitragen – für die Mitarbeiter*innen und die Menschen der Region; 2. Kontinuität in der künstlerischen Arbeit; 3. Wachstum und Innovation; 4. Verantwortung für die Stadt. „Wir haben uns nie als eine Insel gesehen“, sagt Michael Kempchen. Ging es doch auch darum, als Künstler dazu beizutragen, den angeschlagenen Ruf der Stadt und des Bundeslandes zu verbessern – gerade angesichts der ausländerfeindlichen Ausschreitungen Himmelfahrt 1994.    Zur Unterstützung der Vier-Punkte-Strategie wurde ein Förderverein gegründet, der bis heute

wichtiger Partner bei der Verwirklichung von künstlerischen und kulturpolitischen Vorhaben ist. Das Puppentheater sah sich in der Verantwortung – sowohl den Mitarbeiter*innen des Hauses als auch dem Publikum gegenüber. Das nämlich war nach wie vor regelmäßig zu Gast. Der prognostizierte Besuchereinbruch fand nie statt und das Puppentheater konnte auf sein Publikum setzen. Dieses erwies sich in den 90er Jahren, während auf politischer Ebene über Schließung oder drastisches Reduzieren diskutiert wurde, als wichtigster Verbündeter. Die Magdeburger*innen protestierten, schrieben Leserbriefe, die veröffentlicht wurden. Es entstand eine Art Bürgerbewegung für das Puppentheater. Die zeigte, wie verwurzelt das Theater in der Stadt ist, beliebt bei Kindern und Erwachsenen. Zu den beeindruckenden Reaktionen zählte zweifelsohne der offene Brief von Elisabeth Graul, Schriftstellerin und zeitweise Teil des Puppentheaterensembles, Dissidentin und politische Gefangene in der DDR, in dem es am Ende heißt: „Dafür sind wir nicht auf die Straße gegangen!“ Dieser Brief und noch weitere aufrüttelnde Worte von ihr hatten sicher erheblichen Anteil daran, dass man von den Schließungsplänen abließ. K ü ns t l e r i s c h e Au f b rü c h e m i t R ü c k e nw i nd au s d e r K u l t u r p o l i t i k Wie sehr wegweisende Entscheidungen immer auch von den handelnden Personen abhängen, zeigte sich in Magdeburg deutlich ab 1995: Mit Rüdiger Koch kam ein neuer Kulturdezernent, der sich engagierte.    Er erkannte das Potenzial des Hauses, hat weder für Abwicklung noch für Zusammenlegung mit dem Theater Magdeburg plädiert. Stattdessen setzte er auf künstlerische und strukturelle Selbstständigkeit als Garant für das Wachstum und die Entwicklung des jeweiligen Theaters. Auch den Rückhalt, den sich das Puppentheater in der Bevölkerung und im Stadtrat erarbeitet hatte, nahm er wahr. War es bis dahin ums Überleben des Ensembletheaters gegangen, ging es nunmehr um die Neugestaltung der künstlerischen Entwicklung. Mit den hervorragenden Leuten am eigenen Haus und einer verantwortungsvollen Art, auf das Publikum zuzu-


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gehen und es in künstlerische Prozesse einzubeziehen, wagte sich das Theater an neue Darstellungsformen. Namhafte Regisseure und Ausstatter wie zum Beispiel Frank Söhnle, Pavel Möller-Lück wurden für das Haus gewonnen. International vernetzte Leute wurden engagiert, unter anderem die Niederländerin Damiet van Dalsum, die als künstlerische Leiterin und Regisseurin neue Sichtweisen einbrachte und deren Theaterfiguren nahezu Kunstobjekte sind, oder Rob Maaskant, mit dessen Arbeit das Haus sich erstmals in den Stadtraum begab. Natürlich brachte der Wandel auch Reibungen mit sich, vor allem aber beförderte er die schöpferische Auseinandersetzung mit den Ausdrucksmöglichkeiten der Puppenspielkunst. „Wir waren uns selbst nie genug“, sagt Michael Kempchen, „wir wollten ab 1990 vor allem über den künstlerischen Tellerrand hinausschauen.“    Mit Frank Bernhardt, der Damiet van Dalsum als künstlerischer Leiter folgte und in der nationalen wie internationalen Figurentheaterszene bereits bestens vernetzt war, begann ein neuer, entscheidender Prozess in der künstlerischen Etablierung des Puppentheaters Magdeburg. Konzeptionell wurde nun verankert, bewusst über die Grenzen des Genres hinauszugehen, das Zusammenspiel mit den Schwesterkünsten des Theaters zu suchen.    Im Jahr 2000 gelang es, das Weltfestival der UNIMA nach Magdeburg zu holen. Überall in der Stadt war Puppen- oder Figurentheater zu sehen – von mehr als 10 000 Besucher*innen. Plötzlich sprach jeder über die Kunst des Puppenspiels. Nach UNIMA 2000 baute Frank Bernhardt die jährlich veranstaltete Puppentheaterwoche zu einem internationalen Figurentheaterfestival mit dem programmatischen Titel „Blickwechsel“ aus. Internationale Künstler*innen kamen und kommen nach Magdeburg und die Magdeburger Puppenspieler*innen wurden in alle Welt zu Auftritten eingeladen. Sie haben inzwischen alle Kontinente (bis auf Australien) mit Inszenierungen „made in Magdeburg“ bereist. Die Ernennung des Puppentheaters zum Ehrenbotschafter der Stadt trug diesem internationalen Wirken Rechnung.

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Das Puppentheater entwickelte sich zu einer Größe – im wahrsten Sinne. Es ist nicht nur ein gefragtes Ensembletheater, auch die Spielstätte in der Warschauer Straße nahm enorm an Umfang zu. Existierte früher lediglich eine Bühne, stehen heute der große und der kleine Saal, die Probebühne und für die Sommerbespielung die Bühne auf dem Hof zur Verfügung. Die Jugendkunstschule wurde angegliedert und neben dem internationalen Festival finden regelmäßig die Kinderkulturtage statt. 2012 wurde die FigurenSpielSammlung Mitteldeutschland in der villa p. am Theaterhaus eröffnet – in der Stadt, in der Xaver Schichtl, Prinzipal einer alten Puppenspielerdynastie, einst mit seinem Marionetten-Varieté-Theater die Menschen begeisterte. Das sich darin abzeichnende Engagement über das Theater hinaus wurde wahrgenommen: 2018 erhielt Michael Kempchen für seine Verdienste um das kulturelle Leben in Magdeburg und Sachsen-Anhalt den Landesverdienstorden.    Wie bereits in dem Entwicklungskonzept der 90er Jahre gründet das Haus seine Arbeit auch heute auf vier Handlungsfelder: den Theaterbetrieb, die Figurenspielsammlung, den erweiterten Bereich der ästhetischen Bildung und auf das internationale Figurentheaterfestival Blickwechsel.    Die strukturelle Selbstständigkeit, die Leitung des Hauses durch einen künstlerischen Leiter und den sich auf das Management konzentrierenden Intendanten waren entscheidende Kriterien für die kontinuierliche Weiterentwicklung eines inzwischen mehrfach ausgezeichneten Theaters. 2019 wurde dem Puppentheater Magdeburg der Theaterpreis des Bundes für Kontinuität, Innovation und Identität in der Theaterarbeit verliehen. B i r g i t A h l e r t studierte Journalistik an der Universität Leipzig. Sie ist Kulturredakteurin der „Kompakt Zeitung“ in Magdeburg und begleitet die Entwicklungen im Puppentheater Magdeburg seit Jahren als kritische Beobachterin. Für diesen Beitrag sprach sie mit Michael Kempchen, studierter Ökonom und seit 1990 Intendant des Puppentheaters Magdeburg.


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S P RUNG IN D I E Da mie t va n Da lsum , einst i ge k ü n stle risch e L e iter i n im Dia l og

TIEF E

Damiet van Dalsum, in der jüngeren Geschichte des Puppentheaters Magdeburg gehörst du zu seinen wichtigen Impulsgeberinnen. Als du 1997 die künstlerische Leitung des Theaters übernommen hast, warst du international ausgewiesen als Leiterin des Poppentheater Damiet van Dalsum in Dordrecht. Du hattest den Ruf einer ästhetisch eigenwilligen, szenisch originären Puppenspielerin und Puppengestalterin. Zudem verantwortetest du das von dir initiierte Microfestival, ein internationales Puppentheaterfestival in Dordrecht. Was interessierte dich an dem Angebot, die künstlerische Leitung des Puppentheaters Magdeburg zu übernehmen? Eines Theaters, das zuvor zu den staatlich subventionierten Ensemblepuppentheatern der DDR gehört hatte? Insgesamt war es eine ziemliche Herausforderung, mich auf ein Theater in derart hierarchischen Strukturen einzulassen, wie sie am Puppentheater Magdeburg existierten. Mich auch auf ästhetische Kriterien einzulassen, die fest im Ensemble verankert waren und vermutlich auf einem jahrzehntelang gepflegten und geförderten traditionellen Theaterverständnis basierten.    Die künstlerische Herausforderung wiederum bestand nun darin, diesen Theaterbetrieb zu verändern, ein anderes, wenn man so will, höheres künstlerisches Niveau entstehen zu lassen. Die Voraussetzungen dazu waren vorhanden, sowohl unter finanziellem Aspekt als auch unter dem der Mitarbeiter*innen-Kapazität. Es war für mich faszinierend zu beobachten, dass eine große Gruppe Menschen – mehr als 30 Personen – daran arbeitete, eine einzige Inszenierung auf die Bühne zu bringen. Der Begriff Ensemblepuppentheater der DDR meint natürlich auch bestimmte künstlerische Produktionsweisen. Deine Sicht auf Arbeitsprozesse im Theater, denke ich an Inszenierungen des Theaters Damiet van Dalsum, war eine grundsätzlich andere. Oder irre ich mich? Als ich 1997 die künstlerische Leitung am Puppentheater Magdeburg übernommen habe, habe ich sehr schnell gespürt, wie tief sich die offizielle „Teile-und-


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herrsche-Politik“ auch in das künstlerische Denken, in die Ausbildungen, in das Leben selbst eingegraben hatte. Trotz des Mauerfalls 1989. Die Grenzen waren zwar offen, aber der Alltag war noch immer von der DDRRealität durchtränkt. Die Stadt machte es einem schwer zu atmen. Diese vielen grauen Gebäude, noch immer hing das Odeur des „Ostblocks“ über allem.    Aber einen Vorteil hatte das vormalige System mit sich gebracht: Es gab Publikum im Überfluss. An den Schulen und Kindergärten wurde dafür gesorgt, dass alle Kinder mindestens zwei Mal im Jahr ins Puppentheater gingen. Ein Vorgang, von dem wir in der westlichen Welt nur träumen konnten. Kollidierte das Theaterverständnis der sich selbst verantwortenden Theatermacherin mit dem eines Ensembles, das sich eher verwalten ließ? Das künstlerische Ziel der Arbeit war letztlich das gleiche: Eine Inszenierung sollte entstehen. Doch die Entscheidung, welches Stück inszeniert wurde, trafen nicht die Spieler*innen, sondern sie wurde von der Theaterleitung bzw. in der Dramaturgie getroffen. Oft wurde sich dabei am Publikumsgeschmack orientiert. Auf die Bühne gebracht wurde das Stück dann mit Darsteller*innen, die ihre künstlerischen Ambitionen dem Sagen eines Regisseurs oder Ausstatters unterordneten.    Ich, als Poppentheater Damiet, machte Inszenierungen über Einsamkeit, Selbstmord bei Kindern oder über das Anders-Sein („Hollebollebeer“), über Diskriminierung („Kleiner Frederik“) und viele andere Themen, die mich persönlich berührten oder interessierten, die ich für wichtig hielt und von denen ich meinte, dass sie auf die Bühne gehörten – selbst, wenn sie auf emotionaler Ebene von der Allgemeinheit oft nur schwer zu akzeptieren waren. Schaut man sich die Fotos der acht Inszenierungen an, die du während deiner Zeit als künstlerische Leiterin erarbeitet hast, fällt deutlich diese andere Regie- und Szenografiehandschrift auf. Ist es dir gelungen, das Ensemble in deinen künstlerischen Partner zu verwandeln, es neu-

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gierig zu machen auf andere Ästhetiken, andere Spielweisen, andere szenische Lesarten? Unser erstes Kennenlernen fand 1993 während der Internationalen Puppentheaterwoche in Magdeburg statt. Man hatte mich eingeladen mit der Inszenierung „Hollebollebeer“. Während die Kolleg*innen die Premiere einer neuen Inszenierung feierten, baute ich mein kleines Theater allein auf, bereitete alles für die Vorstellung am folgenden Tag, die für 9 Uhr angesetzt war, auf. Vor der Vorstellung spürte ich die Spannung, die von der Leitung des Hauses ausging.Welche Ängste hatten sie? Eine Frau allein auf der Bühne, vor 180 Kindern zwischen sieben und neun Jahren, die zudem alles allein machte, das Aufbauen, die Technik und dann auch noch spielte. Würde sie es schaffen, gegen das ziemlich unruhige Publikum anzukommen? Doch es gab kein einziges Problem während der Vorstellung. Die Kinder folgten meinem Spiel gespannt.    Nach meinem Auftritt bemühten sich Vertreter der Theaterleitung um Annäherung, man lud mich ein, am Theater zu arbeiten. Meine Art zu produzieren, zu inszenieren und zu spielen kam offensichtlich gut an und war doch so anders als erwartet und an diesem Theater gewohnt.    Damit das Ensemble mich kennenlernen konnte und ich das Ensemble, wurde ein Workshop organisiert. Auf Basis eines Spielangebots, das die Puppenspieler*innen oder Mitarbeiter*innen des Hauses machten, wählte ich einige Personen aus, mit denen ich arbeiten wollte. Wir schufen dann gemeinsam die szenische Grundlage für die Inszenierung „Tierische Träume“ – eine Produktion für Erwachsene. Der Intendant gab mir völlig freie Hand. Es war ein gemeinsames Projekt zwischen dem Puppentheater Magdeburg und dem Poppentheater Damiet van Dalsum. Die Premiere fand 1995 statt. Parallel dazu nahm die Idee, mich als künstlerische Leiterin am Theater zu verpflichten, Gestalt an.    Die erste Inszenierung, die ich mit dem Ensemble verantwortete, war „Pu der Bär“. Um sich in Arbeitsweise und Kunstverständnis nicht allzu weit vom


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Charakter des Ensembles zu entfernen und die Tradition osteuropäischen Ensemblespiels fortzusetzen, luden wir vertraute Künstler aus Belarus ein. Alexei Leliavski führte Regie, Sascha Vakhramejev übernahm die Ausstattung. Jede*r an der Inszenierung Beteiligte war aufgefordert, den kreativen Prozess eigenverantwortlich mitzugestalten – von den Darsteller*innen bis zu den Mitarbeiter*innen des Ateliers. Diese Arbeitsweise umzusetzen, war wirklich ein Kampf, viele Widerstände taten sich auf.    Ich glaube noch immer, dass „Pu der Bär“ eine sehr schöne Inszenierung war. Leider fanden nur zwei Vorstellungen statt – aus urheberrechtlichen Gründen, wie uns mitgeteilt wurde. Vielleicht war die Inszenierung aber auch einfach ihrer Zeit voraus. Welches Resümee kannst du heute, im Rückblick, aus deinen vier Spielzeiten am Puppentheater Magdeburg ziehen? Worin hast du Vorzüge des Produzierens an städtischen Puppentheatern erkannt, worin Zwänge und Nachteile? Wenn ich auf die Magdeburger Zeit zurückblicke, denke ich an viele Versammlungen, an viele Auseinandersetzungen, die nötig waren, um irgendeine Form von Vision zu entwickeln. Die Puppenspieler*innen waren alle Vertreter der „alten Schule“. Gediegen ausgebildet und, wie gesagt, voll integriert in die konventionelle Produktionsweise des Hauses.    Glücklicherweise hatte ich während meiner Theaterausbildung an der Theaterakademie Maastricht all das gelernt, was den gängigen Regeln des Theatermachens entsprach: Textarbeit, Rollenverteilung, Figurenentwicklung etc. Ich versuchte also, mit dem Ensemble nach Methoden zu arbeiten, die es kannte, hatte aber gleichzeitig für mich persönlich diese Art und Weise, Kreativität zu kanalisieren, über Bord geworfen. Wollte für mich anderes, Neues ausprobieren, wollte jegliche Fesselung des Schöpferischen vermeiden, so gut es ging. Ich befand mich in einem ziemlichen Dilemma.    Meine wichtigste Aufgabe in Magdeburg sah ich tatsächlich darin, Hierarchien zu durchbrechen, Platz

für neue Theater- und Kunstauffassungen zu schaffen. Wichtig war mir aber auch das Öffnen des Theaters nach außen. Als ich dort angefangen hatte, war alle Aufmerksamkeit nach innen gerichtet. Man schwamm zu sehr im eigenen Saft. Da musste frische Luft hinein. Ich bemühte mich, Künstler*innen aus dem Inund Ausland einzuladen. Es ging darum, auf Magdeburg und sein Puppentheater aufmerksam zu machen, neue Ideen von Szenograf*innen, Puppenbauer*innen, Autor*innen und freien Theatergruppen einzuholen, die Konfrontation zu wagen.    Es ging aber auch darum, dem am Haus stattfindenden Festival einen größeren, internationaleren Charakter zu geben. Auch die Idee, dass sich die Stadt Magdeburg und damit ihr Puppentheater um die Austragung des UNIMA-Festivals und -Kongresses im Jahr 2000 bewerben, entstand in dieser Zeit. Und ich bin sicher, dass sowohl Stadt als auch Land durch das dann tatsächlich in Magdeburg durchgeführte Welt-Festival wichtige Impulse aufgenommen haben. Ich glaube, aus der heutigen Distanz betrachtet, dass meine Art, künstlerische Arbeit zu verstehen und zu praktizieren, die Entwicklung des Ensembles positiv beeinflusst hat.    Es scheint, als hätte man inzwischen in Magdeburg eine gute Balance gefunden zwischen dem alten DDR-Modell und der zeitgenössischen Art, Theater zu machen. Durch das Ausprobieren neuer Ideen, auch mit enormen geistigem und materiellem Aufwand, konnte das Theater offenkundig erfolgreich seine ureigene Identität behalten und zugleich weiterentwickeln. Chapeau! Die Fragen stellte Silvia Brendenal. Übersetzung der Antworten aus dem Niederländischen: Crischa Ohler D a m i e t va n D a l su m gründete im Jahr 1967 ihr eigenes Puppentheater und leitete 25 Jahre lang das Internationale Puppentheaterfestival in der niederländischen Hafenstadt Dordrecht. Von 1997 bis 2001 war sie künstlerische Leiterin des Puppentheaters der Stadt Magdeburg.


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Die Brüder Löwenherz, 1999. Foto Jürgen Banse

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Die wilden Schwäne, 2001. Foto Maria Steinfeldt


P OS I T I O N E N (Umbau 2)



linke Seite: Claudia Luise Bose in Die Schneekönigin, 2014. Foto Jesko Döring rechte Seite: Lennart Morgenstern in Schimmelreiter, 2018. Foto Viktoria Kühne Seite 38/39: Florian Kräuter in Das blaue Licht, 2015. Foto Jesko Döring





linke Seite: Freda Winter in Die zweite Prinzessin, 2016. Foto Jesko Döring rechte Seite: Lennart Morgenstern in Die Legende vom Anfang, 2017. Foto Jesko Döring Seite 42: Freda Winter in Siegfried, 2016. Foto Jesko Döring Seite 43 oben: Anna Wiesemeier, Claudia Luise Bose, Stefan Wenzel, Lennart Morgenstern in Die Bremer Stadtmusikanten, 2012. Foto Jesko Döring Seite 43 Mitte: Leonhard Schubert in Die Meerjungfrau in der Badewanne, 2012. Foto Jesko Döring Seite 43 unten: Der kleine Lord, 2013. Foto Jesko Döring Seite 44/45: Lennart Morgenstern, Freda Winter in Wilde Reise durch die Nacht, 2015. Foto Kerstin Groth






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Positionen (Umbau 2)

R E PE RTO IR E

UND Gespräch mit Frank Ber nh a rd t, dem künst l er i sch e n Lei ter des T hea te rs

KREATIVE SEHNSUCHT

Frank, du hast 1993 eine Stelle in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit und Marketing am Puppentheater Magdeburg angetreten. Wie hast du den künstlerischen Betrieb zu dieser Zeit dort erlebt? Ich empfand die Situation an dem Theater als seltsam familiär – mit allem, was diese Aussage beinhaltet: viel Liebe, aber auch viele Intrigen. Die Abteilungsstrukturen waren – wie auch vor 1989 – festgefügt, die Ensemblestruktur nahezu unantastbar. Zum Ensemble gehörten zu dieser Zeit sehr viele unkündbare Kolleg*innen, geprägt von einem DDR-Puppentheaterverständnis, aus einer sehr spezifischen Theatertradition kommend. Mit diesem Ensemble eine künstlerische Vision zu entwickeln, gestaltete sich mehr als schwierig. Das Interesse war durchaus groß, aber es fehlte letztlich an Erfahrung und Verständnis.Vielleicht auch an Motivation.    Denn das Theater, das sich inhaltlich und ästhetisch als Stadttheater positionierte und weiterhin positioniert, war extrem verwurzelt in der Stadt. Es war gerettet worden vor der Abwicklung, wurde akzeptiert und anerkannt. Doch die künstlerischen Impulse, die von dem Theater hätten ausgehen müssen, blieben aus. Der Spielbetrieb mit Vorstellungen in ungebrochener künstlerischer Vorwendetradition florierte.Vielleicht war das einer der Gründe, warum unkonventionelle ästhetische Ansätze junger, neugieriger Kolleg*innen – wie zum Beispiel der Theaterpädagogin Ines Lacroix und des Puppenspielers Matthias Engel – nicht prägend für den Spielplan werden konnten: Es schien risikoärmer und weniger kräftezehrend zu sein, am Bekannten und Erprobten festzuhalten. Dieses Problem blieb bestehen, auch unter der künstlerischen Leitung von Therese Thomaschke (1996/97) und der der niederländischen Puppentheatermacherin Damiet van Dalsum (1997 bis 2001), die neue ästhetische Impulse einbrachte und auf eine stärkere Korrespondenz zwischen Regie und Darsteller*innen setzte.    Einige Lichtblicke, so 1996 „Nussknacker und Mausekönig“, inszeniert von Therese Thomaschke, in der Ausstattung von Eberhard Keienburg, 1997 „Der zerbrochene Krug“ in der Regie von Hans-Jochen Menzel oder 1998 die Koproduktion mit Flup & Ju Bedrijf anlässlich des 40-jährigen Bestehens des Puppentheaters Magdeburg machten zwar Appetit, aber man wurde nicht satt. Hinzu kommt, dass das Publikum des Hauses konditioniert war, und die Haltung dazu war: Wir werden den Teufel tun, diese Konditionierung infrage zu stellen. Was musste letztlich passieren, um im Ensemble die entsprechende Kreativität freizusetzen? Natürlich existierte eine kreative Sehnsucht im Ensemble, wurden entsprechende künstlerische Versuche in Richtung eines artifiziellen Neubeginns unternommen, aber fast all diese Versuche scheiterten an dem Aspekt der Authentizität. Bereits 1996 holten wir den Regisseur Alexei Leliavski an unser Haus, damit er „Son-


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nenkind“ inszeniert. Eine großartige Inszenierung! Es wurde handwerklich einwandfrei gespielt, aber das Spiel entwickelte sich nicht weiter, wurde nicht zu etwas Eigenem des Darstellers, wurde nicht zu Theater, letztlich zu Kunst. Oder das lyrisch-biografische Projekt „Wahnsinnsfrau Anne Sexton“, das das Potenzial dazu hatte, fantastisch zu werden, was aber genau wegen des eben genannten Aspekts nicht gelang.    Gut funktionierte – und mit großem Erfolg – Daniil Charms’ „Falle Fälle“, inszeniert von Frank Soehnle, der die Intentionen der Kolleg*innen klug genutzt und eingesetzt hat. Hier gab es keinen Raum, den man als Darsteller hätte füllen müssen. Die Vorgänge waren vertraut, die Struktur dieser Inszenierung war bekannt. Wenn du dich hingegen als Darsteller*in bei „Wahnsinnsfrau Anne Sexton“ nicht am Stoff gerieben hast, nicht den Mut hattest, diesen Vorgang auf der Bühne immer wieder neu sichtbar werden zu lassen, dann entstand letztlich eine leere Hülle, gut erarbeitet, aber kaum existenziell. Und mein Bedürfnis war es, dass sich die Situation im Ensemble in Richtung Künstlertum ändert. Hier stellt sich die Frage, in welchem Maß die künstlerische Weiterentwicklung des Ensembles auch mit der Entwicklung der Sehgewohnheiten des Publikums zu tun hat. Nachdem ich 2001 die künstlerische Leitung übernommen hatte, versuchte ich als erstes, konsequent die Inszenierungssprache in Richtung offener Spielweise zu verändern. Die wurde zwar schon praktiziert, aber nicht in der künstlerischen Konsequenz, wie von mir gewünscht. Ich erinnere mich, dass Anfang der 2000er Jahre das Publikum darauf zunächst ablehnend reagierte. In etlichen Reaktionen aus dem Kindertheateranrecht, aber auch auf die Inszenierungen für Erwachsene wurde beklagt, dass „zu viele Menschen auf der Bühne zu sehen waren“. Das heißt, es war noch immer dieses Bedürfnis nach der geschlossenen Form mit weitgehend unsichtbar geführten Puppen lebendig und die sich nunmehr in unserem Theater etablierende Spielweise musste um ihre Anerkennung und Akzeptanz beim Publikum tatsächlich kämpfen. Bis dahin war das Thea-

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terangebot sehr eindeutig: Es wurden Ausdrucksmittel gesucht, die ermöglichten, das Ganze vom „Blatt zu spielen“ – um es vereinfacht auszudrücken.    Aber das, was für mich Theater ausmacht, also dass ich als Zuschauer meine Projektionsflächen auf der Bühne finde bzw. erlebe – sowohl die, die der Regisseur zulässt, als auch die, die mir die Darsteller anbieten –, das ist etwas, das das Ensemble und das Magdeburger Publikum erst annehmen mussten. Längst indes sind die Feedbacks zum Beispiel bei Pädagogenweiterbildungen in unserem Hause ganz andere. Die auf der Bühne gezeigten theatralischen Mittel werden mit sehr viel Akzeptanz und Lust beschrieben und die offen agierenden Darsteller*innen als eine zusätzliche künstlerische Ausdruckskraft begriffen. Das, was nunmehr auf eurer Bühne passiert, was dort an Inhalten verhandelt und artifiziell transportiert wird, hat sicherlich mit der wachsenden Anzahl der an den Hochschulen ausgebildeten Puppenspieler*innen im Ensemble zu tun und dadurch auch mit der sich entwickelnden, verändernden Qualität dieser Ausbildung. Die Darsteller*innen drängt es heute ja viel eher auf die Bühne, um sich auf eigene, originäre Weise ins Verhältnis zu ihren Ausdrucksmitteln zu setzen, und sie verfügen über das entsprechende körperliche Vokabular, dies zu tun. Wie hat sich generell in deiner Zeit als künstlerischer Leiter des Theaters die Zusammenarbeit mit den beiden Puppenspieler*innen ausbildenden Studiengängen in Stuttgart und Berlin gestaltet? Die Ausbildungsmethoden an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch entsprachen natürlich eher den künstlerischen Traditionen am Puppentheater Magdeburg. Folglich engagierte ich vor allem ehemalige Absolvent*innen des Berliner Studiengangs. Es war wichtig, ein gutes Ensemble zu schaffen, das unsere Absicht mitträgt, die ästhetischen Erzähl- und Inszenierungsweisen des Hauses zu verändern.


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Persönlich habe ich eine deutliche Affinität zu der Ausbildung an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart entwickelt und ich habe großen Respekt vor den künstlerischen Leistungen der in Stuttgart ausgebildeten Kolleg*innen. Ab 2003 fanden ja etliche Koproduktionen an unserem Haus statt und die habe ich fast ausschließlich mit Stuttgarter Kolleg*innen gemacht – mit Anne-Kathrin Klatt, mit Christian Glötzner, mit dem Ensemble Materialtheater. Allein schon, um unserem Publikum zu zeigen: Es gibt ein anderes Verständnis von Theater, von Dingen auf der Bühne, als an unserem Haus bisher vorherrschend. Diese Ko-Produktionen waren recht erfolgreich, zudem ein gutes Mittel, um den Spielplan aufzubrechen. Nun war das Puppentheater Magdeburg nicht unbedingt das Theater, an das die Absolvent*innen der Hochschulen drängten … Nach meinem Antrittsbesuch als künstlerischer Leiter des Puppentheaters Magdeburg bei der damaligen Leiterin der Abteilung Puppenspielkunst in Berlin, Dr. Konstanza Kavrakova-Lorenz, war mir klar, ich muss dieses Theater wieder zu einem Begriff für die Studierenden machen.    Und ich hatte in diesem Zusammenhang großes Glück: Im November 2001 sah ich Florian Feisels Vordiplominszenierung „Der Fall Ikarus“ in der Schaubude Berlin und war begeistert. Ich bot Feisel sofort eine Produktion an unserem Theater an. Daraus resultierte dann die Inszenierung „Novecento. Die Legende vom Ozeanpianisten“ nach Alessandro Baricco, ein wirklicher Glücksfall für unser Haus.    Aus dieser Zusammenarbeit entstand nicht nur eine gute Freundschaft, sondern auch eine gewisse Produktionskontinuität. Ich nutzte im Rahmen der Festivals immer die Möglichkeit, mit Feisel besondere Projekte zu realisieren. Seine Art, Theater zu verstehen und zu machen, gab mir wiederum die Möglichkeit, zum Ausdruck zu bringen, an welcher künstlerischen Sprache mir an unserem Haus gelegen ist. Und zu sehen, wie intensiv und zugewandt das Publikum auf die-

se Produktionen reagierte, machte mir wiederum Mut, den Spielplan immer mehr zu verändern. Das heißt, was im Repertoirespielplan aus Besorgnis oder Übervorsicht versagt wurde, konnte zunächst für die Festivals produziert werden. Inwieweit haben aber Produktionen wie „Novecento“ oder „Kleine Geschichte über die Liebe“, inszeniert von Alexei Leliavski, auf das Ensemble ausgestrahlt, eine andere künstlerische Sehnsucht in ihm geweckt? Im Ensemble hatten sich inzwischen die Kräfteverhältnisse verschoben. Wir hatten neue, junge Leute engagiert und: die waren Macher. Das heißt, das waren junge Künstler*innen, die was wollten und die sich produktiv einbrachten. Es gab an unserem Haus plötzlich Puppenspieler*innen, die sich bemerkbar machten. Die kamen genau in dem Moment, in dem im Theater der Boden für sie bereitet war, bereitet für jedwedes, selbst für das verrückteste künstlerische Experiment. Diese jungen Künstler*innen fanden ein Klima vor, das signalisierte: Ihr seid mit eurer Kreativität willkommen, wir bieten euch dazu einen geschützten Raum! Lässt sich dieser Moment auch an Inszenierungen festmachen? Zum Beispiel an den wirklich besonderen Inszenierungen für Kinder von Frank Engel oder an all den spannenden Arbeiten, die ab 2008 entstanden: „Moby Dick“, „Oscar und die Dame in Rosa“, „Das letzte Hemd“, „Corpus Delicti“, „Marleni – preußische Diven blond wie Stahl“, „König Richard III“.    Umso schmerzlicher, dass das Ensemble vier, fünf Jahre später wieder zerfiel. Ungelebte private Bedürfnisse meldeten sich bei einigen zu Wort. Das bedeutete, zwei, drei Spielzeiten mit Gästen zu arbeiten, bevor ein neues Ensemble aufgebaut worden war. Dieser „Umbau“ erwies sich aber als relativ unproblematisch, denn das Puppentheater Magdeburg hatte inzwischen einen guten Stand an der Berliner und der Stuttgarter Hochschule und wir konnten Absolvent*innen engagieren.


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Dieses neue Ensemble ist allerdings eine echte Herausforderung. Auch für mich. Ich habe mir gewünscht, dass es ist, wie es ist. Aber die Situation erfordert unendlich viel Energie und Aufmerksamkeit. Ich bin überzeugt davon, dass die Arbeit mit einem Ensemble auch sehr viel mit Menschenliebe zu tun hat.Wenn man die nicht aufbringt, mit all dem Selbstschutz, der dazu gehört, nicht bereit ist, diese individuelle Aufmerksamkeit zu geben, dann bleibt vieles auf der Strecke. Allerdings bekommen wir auch beglückend viel zurück unter dem Aspekt, was mit, durch und für dieses Haus entsteht. Diese Energie wird natürlich nicht von allen Mitarbeiter*innen des Theaters aufgebracht, weil das Ensemble tatsächlich als Störfaktor fungiert. Nicht nur in dem Sinne, dass künstlerische Ambitionen oder Visionen behauptet werden – das ist ja das, was ich immer befördert habe –, sondern auch in der Suche nach den individuellen Potenzen eines jeden Ensemblemitglieds, in der Regie, in der Darstellung oder in der Puppengestaltung.    Das Ensemble funktioniert also nicht mehr nur als die Einheit, die den Spielplan abarbeitet, sondern jede*r einzelne von ihnen ist künstlerische*r Partner*in. Wenn künstlerisch etwas getan wird, das nicht unbedingt im Spektrum der Aufgaben eines Darstellers liegt, aber dem Theater Impulse gibt, muss ich nach Alternativen suchen, also danach, wie ich die durch die besondere anderweitige Begabung auf der Bühne entstandene Leerstelle fülle. Damit der- oder demjenigen die Chance gegeben wird, das eigene Künstlertum auszuprobieren bzw. auszuleben. Will also jemand unbedingt die Musik für die Produktion machen, kann er folglich nicht auf der Bühne stehen.

Genau da bin ich, sind meine unmittelbaren Mitarbeiter*innen der Dramaturgie und des Künstlerischen Betriebsbüros gefragt.Wir müssen innerhalb des Hauses moderieren. Manche Wünsche oder Ideen sind absolut zu verstehen und zu akzeptieren, aber beispielsweise erst in zwei Spielzeiten zu realisieren. Zwei Spielzeiten sind für Künstler*innen eine unvorstellbar lange Zeit, für die Planung am Theater sind sie nichts.    Mittlerweile fühle ich mich auch in der Lage zu sagen, dass das Konzept interessant, gar spannend ist. Aber ich könnte mir vorstellen, dass es erst einmal in einer Garage oder wo auch immer erprobt werden sollte. Nicht alles muss gleich auf die große Bühne. Ich würde gern am Haus so etwas wie mehrere kleinere Laboratorien entstehen lassen, die nicht gleich Produktionszeiten und Spielplanpositionen binden, aber eine Plattform zum Ausprobieren bieten. Je offener und individuell handhabbarer du diesen Kunstbetrieb machst, umso mehr Sehnsüchte kommen hoch und die brauchen Raum.    Im Ensemble gibt es eine gute Diskussionskultur. Es wird sich relativ offen darüber ausgetauscht, wie man die Arbeiten des anderen bewertet. Diese Gesprächskultur macht die momentan stattfindenden Prozesse so lebendig und kreativ. Doch bei allem Potenzial der einzelnen Projekte,Vorrang hat der Spielplan. Er ist unsere Existenzgrundlage.

Das eine ist, ein Ensemble zu befördern, das kreativ sehr begabt, sehr eigenständig ist und auch in der Lage, sich durchzusetzen mit seinen Ambitionen, das andere ist, dass die Abläufe im Theater funktionieren, Vorstellungen gespielt werden müssen. Wie handhabt man dann den Punkt, an dem künstlerisches Engagement sämtlicher Mitarbeiter des Theaters – ich rede nicht nur von den Darstellern – in eine Überforderung zu münden droht?

Die finde ich auch bemerkenswert, wenngleich sie sich Schritt für Schritt entwickelt hat. Dazu braucht es Zeit, Vertrauen, Erfahrungen im Umgang miteinander, Wissen um Zwänge und Nöte des Theaters. Zu Beginn lautete die Frage noch: Warum nicht? Und warum nicht schon morgen ändern! Mittlerweile sind die Ensemblemitglieder dem Theater auf tiefere Weise verbunden, auch mehr sozialisiert in der Stadt; sie befinden

Wir reden also von einem nicht unkomplizierten Balanceakt. Ich finde, die von dir beschriebene gegenseitige, offene Kritik- und Rezeptionskultur innerhalb des Hauses sehr wichtig, unterscheidet die sich doch deutlich von oft üblichen Weisen des „kritischen“ Umgangs miteinander.


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sich in Auseinandersetzung mit der Stadt und ihrer sich entwickelt habenden Fangemeinde. Es ist ein anderer Blick auf das Ganze entstanden.    Wenn man darüber spricht, wie schnell Ensembles in Stadttheatern ausgewechselt werden müssen, kann ich nur sagen, dass ich froh darüber bin, was wir hier tun dürfen, welche Kontinuität wir für unser Ensemble schaffen können. Grundvoraussetzung war und ist: Wenn der Künstler, die Künstlerin etwas dringend machen will, dann muss damit begonnen werden. Da kann man nicht nach Umständen fragen. Denn die Denkweise: Ich bin an einem festen Haus, das hat eine Struktur, ich bin pausenlos besetzt und habe keine Zeit – das lässt keine Kunst entstehen. Aber wenn ich Aufmerksamkeit und Unterstützung gebe, sind schon Voraussetzungen geschaffen, um anzufangen. So hat das Projekt wirklich mit den jeweiligen Macher*innen zu tun. Auf das, was daraus entsteht, schauen dann wir und das Publikum. Hat sich denn diese Laborbühnenidee schon manifestiert? Im Prinzip ist das von den Künstler*innen eigenverantwortlich betriebene Café Monaco bereits ein existierendes Laboratorium. Aus diesem Format sind noch andere kleinere Formate entstanden. Beispielsweise die Aufführungen in der Villa oder die Idee der Dramaturgin Anna Polke, einen Austauschexpress zu entwickeln, an dem sich das Ensemble beteiligt: Ein Mal im Monat ist das Theaterauto unterwegs, besetzt mit zwei Spieler*innen und einer Kollegin der Dramaturgie, und liest Leute an Straßenbahnhaltestellen auf, bietet an, sie nach Hause zu fahren.Währenddessen kommt man spielerisch ins Gespräch und erfährt viel über Biografie und Befindlichkeit. Express als interaktive Aktion, im Sinne eines Wir-reden-Miteinander. Und weitere Laboratorien werden entstehen, dessen bin ich sicher.

inwieweit hatten diese Projekte mit deiner Vorstellung von Weiterentwicklung zu tun? Ich war der festen Überzeugung, dass es für dieses Konstrukt Ensemble- bzw. Repertoiretheater eine gewisse Solidarisierung braucht. Jedes Ensemble-Puppentheater der neuen Bundesländer wirkte so vereinzelt in der Theaterlandschaft. Aus diesem Impuls heraus ist „Aufbruch I“ entstanden. Mir war es wichtig, zusammenzukommen und einander so etwas wie einen Wert zu vermitteln. Ich bin besonders froh darüber, dass im Ergebnis von „Aufbruch I“ die Bereitschaft entstanden ist, sich intensiver mit der Frage zu befassen, wie eine Regieausbildung speziell für unsere Theaterform aussehen könnte.    Freie Projekte, wie sie in „Aufbruch II“ präsentiert wurden, waren an unserem Hause bereits seit längerem eine feste Größe. Mit ihnen erhielten die Kolleg*innen die Chance, ihr eigenes kreatives Potenzial zu erkennen bzw. sichtbar zu machen. So entstand beispielsweise 2010 mit „Reineke Fuchs“ die erste Regiearbeit von Nis Søgaard, der bis dahin als Puppenspieler im Ensemble engagiert war und wohl heute einer der interessantesten Regisseure in unserer Szene ist.    Selbst wenn es dann passiert, dass der- oder diejenige an einem gewissen Punkt der persönlichen künstlerischen Entwicklung unser Haus verlässt, ist diese Art der Förderung richtig. Es ist eine Investition in die Zukunft des Puppentheaters. Man kann und darf begabte Leute nicht fest binden. Es ist zudem beglückend zu sehen, welch faszinierende künstlerische Wege die einzelnen einschlagen, wie sich ihr schöpferisches Pozenzial entwickelt. Und vor allem, wie viele es inzwischen sind, die an unserem Hause einst begannen – und nun kommen sie als Gäste zurück. Die Fragen stellten Silvia Brendenal und Anke Meyer.

Inwiefern hatten die von euch initiierten Projekte wie die Symposien „Aufbruch I“ und „Aufbruch II“, in denen ihr euch ja als Ensemble-Puppentheater mit anderen Ensemble-Puppentheatern auseinandergesetzt, positioniert habt, auch eine Ausstrahlung auf euer Ensemble? Und

Fra n k B e r n h a r d t studierte Kulturwissenschaften und ist seit 2001 künstlerischer Leiter des Puppentheaters Magdeburg. Das Internationale Figurentheaterfestival Blickwechsel kuratiert er seit 1995.


Gerhild Reinhold in Wahnsinnsfrau Anne Sexton, 2004. Foto Susanne Huth

Florian Kräuter, Lennart Morgenstern, Freda Winter, Gabriele Grauer in Der Untertan, 2014. Foto Viktoria Kßhne

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DER

S PIRIT Z ur Arbeit m it e i n e m jungen E n se mb le

Im Sommer 2012 unterschrieb ich einen Vertrag mit dem Puppentheater Magdeburg, einen sogenannten NV Bühne Solo. Vertragsinhalt waren nicht nur die zwei Inszenierungen, die ich jede Spielzeit als Hausregisseur machen sollte, sondern auch „Sitzungen zur Spielzeitplanung, Spielzeitberatungen, Leistungsauswertungen mit Ensemblemitgliedern, Konzeptionsbesprechungen nicht nur der eigenen Inszenierungen, Beratung des Intendanten, Erarbeitung von Programmbeiträgen zu besonderen Veranstaltungen, Leitung von Publikumsgesprächen, Übernahme von Leitungsdiensten“ usw. – kurz: alles Sachen, die das Bonmot eines befreundeten Theaterfunktionärs, Theater sei als erstes Sitzung, absolut bestätigten und einem Regisseur, der sich als „freier Künstler“ versteht, nicht gerade Lust machen zu arbeiten.    Nun, ich hätte ja weiter als freier Regisseur arbeiten können, aber ich habe den Vertrag genau so unterschrieben. Warum? Einige praktische Vorteile liegen auf der Hand: bezahlter Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Renten-

Z W IS C H E N M o r i t z S ost m an n

D EN

Z EILEN

ansprüche. Aber diese Vorteile habe ich erst später wirklich zu schätzen gelernt. In diesem Moment, ich schwöre es, waren sie mir gar nicht wichtig, ja, nicht mal wirklich bewusst. Vielmehr interessierte mich ein eher romantischer Gedanke – nämlich der, mit einem neuen, jungen, sexy Ensemble, das direkt von der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin kam, kontinuierlich zusammenarbeiten zu können, einen spielerischen und ästhetischen Stil zu entwickeln, der vielleicht sogar prägend würde, ja, das Leben und das Arbeiten endlich zusammenzubringen – was für ein herrlicher Gedanke!    Denk ich ans Theater in der Nacht, so bin ich um den Schlaf gebracht! Diese eigentlich auf Deutschland gemünzte und oft missverstandene Zeile von Heinrich Heine, die gerne verwendet wird, um defätistische Gemeinschaft herzustellen, meint eigentlich etwas anderes, nämlich das sehnsuchtsvolle, ja zwanghafte Kreisen der Gedanken um immer wieder den gleichen Gegenstand: bei Heine um das ferne Heimatland, bei


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mir um das Theaterstück und die Spieler: Wie könnte man es besser machen, was müsste man erfinden, um die Szene ideal zu inszenieren, den Darstellern und Darstellerinnen das freie Spiel zu ermöglichen, einen noch nicht gehörten Ton, eine noch nicht gesehene Geste zu provozieren, um beim Zuschauer eine Wirkung zu erzielen … F r a g i l e Vo r g ä n g e b e h a u s e n und schützen Das fest installierte Ensembletheater, so wie es im deutschsprachigen Raum existiert, und darunter diese ostdeutsche Anomalie des Ensemble-Puppentheaters, ist ein merkwürdiger Zwitter aus romantischem Künstlertraum und den realen Sperrigkeiten eines Apparats. Niemals ist dieser Apparat in der idealen Balance. Wenn man ihn am Leben erhalten und ihm Sinn verleihen will, muss man immer auch von innen heraus an seiner Zerstörung arbeiten, damit er sich nicht verselbstständigt und einen auffrisst – mit seinen Routinen, Planungen, Sitzungen und Notwendigkeiten. Allerdings sind die Möglichkeiten, die er einem bietet, wenn man „die Familie“, die das ganze Theater umfasst, liebt und auf die Reise mitnehmen will, geradezu luxuriös in seiner Zuarbeit und seiner Kraft, den an sich immer fragilen Vorgang des Theaterspielens zu behausen und zu schützen. Ein Theater mit fest installiertem Ensemble ist in einem universalen Sinn ein sozialer Betrieb. Das macht ihn, im besten Falle, auch künstlerisch relevant. Und diesen Betrieb zu bewegen, stellt einen Regisseur (und genauso einen Spieler) nicht nur künstlerisch auf die Probe.    Zentral kam mir dabei immer die Position des Ensembles vor und der Gedanke, dass sich alles um dieses spielende Ensemble gruppieren, sich an ihm ausrichten soll. Dieser Gedanke muss in der Tiefe eingepflanzt sein und grundsätzlich verstanden werden. Das Licht und die Bühne werden gemacht, um Puppenspielerinnen und -spieler wirkungsvoll auftreten zu lassen, die Dramaturgie sucht (oft verzweifelt) nach Stoffen und Texten, die die Spieler zum Klingen bringen können, die Werkstätten bauen das Material und die Puppen, durch

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die die Spieler ihre Persönlichkeit transportieren können, das Künstlerische Betriebsbüro versucht mühevoll, Proben- und Vorstellungsbetrieb (und hoffentlich auch persönliche Bedürfnisse) zu organisieren, die Leitung treibt Geld und andere Ressourcen auf, damit Spieler sorgenfrei Zeit haben, sich der Sorge ums Spiel zu widmen.    An das Ensemble selbst aber stellt das auch große und nicht immer selbstverständliche Anforderungen. Gefordert ist ein hohes Maß an Selbstbewusstsein und Kritikfähigkeit, Ernsthaftigkeit und wilder Verspieltheit, Disziplin und Laissez-faire, persönlichem Autonomiewillen und Harmoniebedürfnis, kurz: sich dem Theater selbst als lebender Widerspruch zur Verfügung zu stellen, sich öffentlich zu machen. Anders ist diese zentrale Position nicht zu füllen. Doppelte Erdung: Kindertheater Ein weiterer neuer Aspekt war für mich folgender: Puppentheater ist in der Wahrnehmung der meisten Menschen immer noch, und seit jeher, Theater für Kinder. Und in der Politik gilt zumeist: Puppentheater ist, na ja, Kindertheater! Und auch in seinem eigenen Selbstverständnis befand sich das Puppentheater immer in einer, wie ich es nenne, emanzipatorischen Zwickmühle. Es will „das große Theater“ sein, aber es arbeitet mit der Verkleinerung. Es will die richtige Welt, den realen Menschen, aber es arbeitet mit „künstlichen Welten“ und Kreaturen. Es will Theater für Erwachsene sein, aber es spielt mit der kindlichen Vereinbarung, dass da ein Gegenstand auf der Bühne für ein lebendiges Subjekt gehalten werde.    Der romantische Künstlertraum wurde also ganz unsentimental doppelt geerdet, durch den Repertoirebetrieb eines Theaters, dessen Vorhang sich in erster Linie jeden Morgen für Kinder hebt, die, wenn die Vorstellung beginnt, schon einen halben Tagesablauf hinter sich haben. Frühmorgens um neun Uhr den Alltag mit dem hohen Ideal des autonomen Künstlertums zu versöhnen, war und ist nach wie vor eine ziemliche Herausforderung, will man nicht die Raison d‘Être des


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Ensemble-Puppentheaters in einer Stadt wie Magdeburg grundsätzlich infrage stellen.    So wie ich immer versucht habe, in der Mischung der Genres das Puppenspiel vom Schauspiel (und umgekehrt!) profitieren zu lassen, so habe ich auch versucht, an die Inszenierungen für Kinder die gleichen ästhetischen Maßstäbe und Methoden anzulegen wie an die Stücke für Erwachsene und dadurch dieser selbstkonstruierten Zwickmühle zu entkommen. Im Arbeiten ging es mir also immer darum, Charaktere und Situationen in ihrer Komplexität und Ambivalenz sichtbar zu machen und die Puppenspieler zu einer Haltung gegenüber den Kids, für die sie spielten, zu ermutigen (wobei ich nichts von der Plattitüde halte, Kinder seien die erwachseneren Zuschauer. Alle Spieler, alle Spielerinnen, die sowohl für Kinder als auch für Erwachsene spielen, wissen, dass sie sich anders an diese als an jene richten können bzw. müssen!). Deshalb war aus meiner Sicht ein regelmäßiger und ausgebauter Abendspielplan, der sich an Erwachsene richtete, unabdingbar für ein gutes Puppentheater. Es braucht die Mischung! Und es braucht die daraus resultierende Befruchtung. Biotop des Aushaltens von Widersprüchen Nun ist der NV Solo nicht dafür gemacht, Strukturen grundlegend zu verändern, in den Apparat direkt einzugreifen und das Modell Ensemble-Puppentheater quasi neu zu erfinden. Dafür bietet er nicht die Handhabe. Aber er bietet dem Regisseur über eine längere Zeit die „Softpower“, das Theater neu zu sehen und anders zu nutzen. Und das Magdeburger Haus reagierte mit vorsichtiger Bereitschaft und neugierigem Zutrauen auf den sich manifestierenden Willen eines frischen Ensembles und seines Regisseurs, sich im Gehäuse einzurichten und sich Platz und Geltung zu verschaffen: Spielpläne entstanden auf andere Weise, der Abendspielplan wurde wesentlicher Bestandteil des Spielbetriebs, Spieler wurden zu Regisseuren mit eigenen Projekten, künstlerisches Selbstverständnis und Stilistiken wurden neu

diskutiert und eingefordert, das Café Monaco wurde geboren, ein dunkles, nur für die Spieler und Spielerinnen reserviertes Refugium, in dem die Spielplanlogik ausgesperrt blieb. Die Balance des Betriebes wurde in Unordnung gebracht und neu ausgefochten, fruchtbar, erfolgreich, aber naturgemäß nicht ohne Konflikte und Enttäuschungen auf allen Seiten. Denn die Institution Ensembletheater ist trotz allem antagonistisch.    Vergessen wir aber nicht, dass sie auch ein Biotop ist, ein Biotop der längerfristigen Verabredungen, des Auskämpfens und Aushaltens von Widersprüchen, ein Biotop, in dem man sich entwickeln kann und in dem Gewächse entstehen, die es sonst nicht geben würde. In gewissem Sinn ein Abbild en miniature (Puppentheater!) für die Prozesse und Verhältnisse in einer Gesellschaft. Wenn das Ensembletheater sich verständlich macht, kann die Gesellschaft sich darin wiedererkennen. Darin liegt nach wie vor Relevanz und Strahlkraft.    Diese Gedanken waren für mich der Spirit, der zwischen den Zeilen meines NV Bühne Solo steckte. In den vier Jahren ist einiges passiert. Und das Puppentheater in Magdeburg wurde ein Zuhause. M o r i tz So stm a n n , diplomierter Puppenspieler, Schauspieler und Regisseur, brachte zwischen 2009 und 2020 am Puppentheater Magdeburg elf Inszenierungen auf die Bühne, darunter so legendäre wie „König Richard III“ nach Shakespeare oder „Corpus Delicti“ nach Juli Zeh. Von Magdeburg ging er als Hausregisseur ans Schauspiel Köln, inszeniert aber weiterhin als Gast am Puppentheater Magdeburg.

Seite 55 oben: Leonhard Schubert, Richard Barborka, Claudia Luise Bose in Das Katzenhaus, 2016. Foto Jesko Döring Seite 55 unten: Inga Schmidt, Margit Hallmann, Nis Søgaard, Martha Rudolf in Corpus Delicti, 2009. Foto Jesko Döring


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ICH MAG A l s Puppensp ie le r u n d R egisseur am Ma g d e b u rger Puppen th e a te r

WENN T H E AT E R N i s S øgaard

IN B E WEG U NG

BLEIBT

Meine Erfahrungen als Spieler In den ersten Jahren nach meinem Puppenspielstudium war ich mir noch nicht im Klaren darüber, welche Art von Theater ich machen wollte. Mir fehlte es an Praxis. 2004 bin ich ins Ensemble des Magdeburger Puppentheaters gegangen, um eben diese künstlerische Praxis an einem Theater mit laufendem Repertoirebetrieb zu erleben. In den ersten Jahren lernte ich Puppenspieler*innen kennen, die schon zu Zeiten der DDR dort angestellt gewesen waren. Es war spannend für mich, zu erfahren, welche Beweggründe sie damals zum Figurentheater gebracht hatten, und mich faszinierten die Geschichten, die sie mit ihrer Beschäftigung am Puppentheater vor der „Wende“ verbanden.    Durch den Vergleich mit meinem Alltag begriff ich, in welch stetigem Wandel sich das Magdeburger Puppentheater befand. Ich war überrascht von der Offenheit, mit der die Spieler*innen die für sie neuen Aufgaben am Haus angingen, von dem Mut, mit dem sie ungewöhnliche künstlerische Formen ausprobierten – beeindruckend in Anbetracht der unzähligen Vorstellungen, die sie in den vielen Jahren ihres Engagements schon gespielt hatten. Von ihnen habe ich so einiges gelernt. Vor allen Dingen: wie man ein großes Kinderpublikum bei der Stange hält und zum Zuhören verführt.    Anfangs hat mich die Routine bei den Proben und während der laufenden Vorstellungen abgeschreckt. Die größte Herausforderung stellten die Vorstellungen in den Monaten vor Weihnachten dar. Es schien mir völlig absurd, über einen Zeitraum von fünf Wochen hinweg, in der gleichen Kulisse, dieselben Sätze bis zu drei Mal am Tag vorzutragen. Die Schwierigkeit bestand darin, die Gedanken, die dem Handeln auf der Bühne zugrunde liegen, immer wieder neu zu denken und glaubhaft zu vermitteln.    Dieses Prinzip der Wiederholung beinhaltete aber paradoxerweise eine große Freiheit: Ich erkannte, dass die Aufführungen mir ein gewisses Maß an Improvisation ermöglichten und dass gerade die erprobten Inszenierungen mir dafür einen fantastischen „Spielplatz“


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boten. Auf dem konnte ich mich permanent aufs Neue ausprobieren. Mein Selbstvertrauen steigerte sich, als ich merkte, dass ich, trotz der Verankerung in den Mechanismen eines Stadttheaters, die Zuschauer mit meinem Spiel ergreifen konnte. Wenn mir diese guten Vorsätze nicht über die Runden halfen, akzeptierte ich den hektischen Theaterbetrieb als eine Art von Training, das mir die Möglichkeit gab, an meinem Handwerk zu feilen. Und das wurde, beispielsweise in der Puppenführung, von Tag zu Tag besser. Ich hatte zwar Puppenspiel studiert, aber kein Lernprozess ist ergiebiger als der in der Praxis. Meine Erfahrungen als Regisseur Nach acht Jahren als Beobachter und agierender Spieler wollte ich herausfinden, welche Art von Theater mir besonders zusagte. Der Plan war einfach: Führe Regie, sammle deine besten Beobachtungen und Erkenntnisse, setze sie auf der Bühne um und wenn es nichts bringt, wirst du weiter spielen – bis zu dem Tag, an dem du wieder das Bedürfnis verspürst, deine Welt auf die Probe zu stellen.    Regie zu führen ist eine kreative Arbeit, die häufig die Grenze der Erschöpfung überschreitet. Im Prozess der Stückentwicklung befindest du dich andauernd in einem Zustand zwischen Anspannung und Euphorie. Besonders spürbar in den hektischen Tagen kurz vor der Premiere, in denen die wuchtige Konsequenz der Konzeptidee erbarmungslos auf dich hinunterfällt und alles von dir fordert, indem sie dich zwingt, das Chaos der Einfälle mit einer klaren Absicht zu bändigen. Nichts passt, alles kratzt und beißt und es fühlt sich an, als würdest du ein tobsüchtiges Monster in einen viel zu kleinen Strickpulli zwingen wollen.    Unmittelbar nach der Premiere schwirren die Intensität und die Energie aus den Proben noch im Körper. Du kannst deine Verantwortung noch nicht ganz loslassen. Wärst du Spieler, würdest du die Unruhe in den Vorstellungen, die du noch zu spielen hast, kanalisieren, als freier Regisseur aber reist du nach Vollendung deiner Aufgabe ab und findest dich am nächsten

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Tag in einem ganz anderen Zusammenhang. Die Ruhe, die dann plötzlich da ist, wirkt fast quälend. Manche nennen diesen desolaten Zustand nach der Premiere das schwarze Loch. Zum Glück sind nicht alle Regisseur*innen davon betroffen. Ich leider sehr.    Doch trotz des schwarzen Lochs, trotz der Leere: Die Inszenierungen gehören dann zum Repertoire eines Hauses. Wie kleine Menschen, die gerade zur Welt gekommen sind und wissbegierig erste Fragen stellen, haben die geprobten Stücke ihre ersten Begegnungen mit den Zuschauer*innen: Behauptungen stehen im Raum, Reaktionen werden ausgelöst und Aussagen werden überprüft. Die Inszenierungen wachsen von Vorstellung zu Vorstellung. Ich mag es, wenn Theater in Bewegung bleibt. Es wäre schlimm, wenn es darum ginge, den optimalen Ausdruck oder das beste Spiel herauszukristallisieren, nur um es dabei zu belassen.    An einem festen Haus werden die szenischen Arbeiten in der Regel oft gezeigt – manchmal über Jahre hinweg. Über eine so weite Zeitspanne können die Inszenierungen sich gut entfalten, in der freien Szene ist es schwieriger, eine solche Entwicklung zu garantieren. Hin und wieder kommt es jedoch an festen Häusern vor, dass Inszenierungen (zum Beispiel wegen eines anziehenden Titels) zu lange im Repertoire bleiben und hoch und runter gespielt werden – bis sich nichts mehr entfalten kann. Doch wenn sich nichts mehr bewegt, ist die Inszenierung tot und sollte begraben werden, um Platz für neue Impulse zu schaffen. Das Gute in Magdeburg war, dass dieser Raum für neue Produktionen geboten wurde. Und immer wieder ergänzten freie Gruppen mit ihren Gastspielen den Spielplan. Diese Praxis war besonders inspirierend für das Ensemble und wegweisend für die Produktionen am Haus. Meine Erfahrungen mit dem jungen Publikum Die erste Inszenierung, bei der ich Regie führte, war die von Goethes „Reineke Fuchs“. Einen Tag nach der Premiere wurde ich unerwartet während der laufenden Vorstellung zur Bühne gerufen. Vor der Tür zum Zuschauerraum stand eine aufgebrachte Lehrerin mit


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Tränen in den Augen. Als ich sie fragte, was passiert sei, sagte sie mir, dass sie nicht die Altersempfehlung des Stückes beachtet hätte und sich nun ernsthafte Sorgen darüber machte, ob ihre zu jungen Schüler*innen bleibende Störungen von der Brutalität der Inszenierung bekommen würden; es wäre also besser, die Vorstellung gleich abzubrechen und die Kinder rauszuholen. Als ich meinte, dass sie als Lehrerin gewusst haben müsse, dass Goethes Versdichtung zu Reinekes Intrigenspiel eine brutale und schonungslose Vorlage sei, unterbrach sie

mich entrüstet mit den Worten: „Aber wir sind doch hier im Puppentheater!“    Konfrontiert mit diesem die Kunst des Puppenspiels banalisierenden Argument, versicherte ich ihr, dass die theatralische Umsetzung nicht die Absicht hätte, Gewalt zu verherrlichen, und bot ihr an, nach der Vorstellung mit den Kindern zu sprechen. Das Zuschauergespräch war dann sehr interessant. Die Kinder hatten erlebt, wie die beiden erzählenden Puppenspieler*innen (in der Rolle von Wissenschaftler*innen) sich durch

Susanne Søgaard, Michael Hatzius in Reineke Fuchs – eine Vergangenheitsforschung, 2009. Foto Jesko Döring


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eine dramatische Geschichte von Lüge, Verrat und Gier gekämpft hatten, um am Ende des Stückes zu realisieren, dass auch sie, im Spiel um die Macht, Leidtragende ihrer eigenen Darstellung geworden waren. Weil aber die Lehrerin, vielleicht aus einem Gefühl der Verantwortung für ihre Schüler*innen, allein auf Gewalt signalisierende Bilder fixiert war, konnte sie den Sinn und die Absicht der szenischen Umsetzung zunächst nicht erkennen.    Theater ist dafür da, Gedanken frei in einem geschützten Raum formulieren zu dürfen. Auf der Bühne darfst du morden, hassen und grenzenlos lieben. Es ist faszinierend, wie Kinder, schon in einem sehr jungen Alter, das Prinzip des Theaters begreifen: Es handelt sich um ein Spiel, in dem Gefühlsszenarien und die Konsequenzen von Handlungen geprüft werden. Denn nichts anderes passiert im Spiel der Kinder. Die Welt dieses Spiels kann sogar erbarmungsloser sein, als wir wahrhaben wollen. Wenn in solchen Fällen niemand da ist, um einen kritischen Konflikt aufzufangen, kann er in all seiner eventuellen Brutalität viel Schmerz verursachen. Auf der Bühne jedoch wird im Idealfall indirekt mit den Theatermacher*innen als verantwortlichen Moderator*innen kommuniziert. Die Kinder werden nicht sich selbst überlassen. Ein Erfahrungsaustausch findet statt, indem darüber reflektiert wird, was es heißt, ein Mensch zu sein. Das Theater kreiert also ein Versuchslabor, in dem Wunschträume, aber auch tabuisierte Gedanken durchgespielt und untersucht werden.    Über die Puppe oder die Objekte manifestiert sich eine ganz besondere Möglichkeit der Verfremdung, und weil die jungen Zuschauer*innen selbst Objekte und Puppen als Werkzeug benutzen, um die Welt zu verdauen oder zu verstehen, kannst du mit dem Objekt- und Figurentheater im Bereich des Kindertheaters weitaus mehr Grenzen ausloten als bei anderen Theaterformen. Meine Erfahrungen mit der Stadt und ihrem Theater Als ich 2003 das erste Mal nach Magdeburg kam, war ich überrascht, mit welcher Präsenz das Puppentheater die Kulturszene der Stadt prägte. Jede*r wusste, wo das Puppentheater liegt, und viele waren schon mal dort.

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Das Theater war immer gut darin, neue Herausforderungen zu suchen, und sehr bemüht, sein Tätigkeitsfeld zu erweitern. Mit spektakulären Events wurden unbelebte Orte der Stadt in exotische Welten verwandelt. Weil das Theater seine Türen öffnete (und nach wie vor öffnet), fühlen sich viele Einwohner*innen mit ihm verbunden. Es gibt beispielsweise unmittelbar nach den Vorstellungen viele Reaktionen von Zuschauer*innen. Oft haben diese das Bedürfnis, ihre Anerkennung spontan auszusprechen, und man wird als Spieler nach den Vorstellungen oder sogar auf der Straße wegen einer Vorstellung angesprochen. Die Zuschauer*innen in Magdeburg sind also weit von einer anonymen, konsumierenden Masse entfernt. Weil diese lebendige Kommunikation zwischen Einwohner*innen und Theater stattfindet, ist man als Spieler besonders motiviert, auf dieser Bühne zu stehen.    Ein festes Haus trägt aber auch eine gewisse Verantwortung für sein Publikum und dessen Erwartungen haben indirekt Einfluss auf die Gestaltung des Spielplans. In der freien Szene kannst du mehr wagen, aber der Abstand zu den Zuschauer*innen ist größer und du musst dir mühsam ein eigenes Publikum erarbeiten.    Am Puppentheater in Magdeburg ist es wie an jedem anderen Arbeitsplatz auch: Viele Menschen müssen über Jahre miteinander ausgekommen. Die Art der Kommunikation zwischen allen Beteiligten ist entscheidend für das künstlerische Antlitz und die Aussage einer Inszenierung, denn die Zuschauer*innen werden am Ende merken, ob ein Dialog, ein schöpferischer Denkprozess zwischen allen Beteiligten stattgefunden hat oder nicht. Die besten Inszenierungen werden auf einem Fundament der produktiven Auseinandersetzung geschaffen, indem die Theatermacher*innen miteinander reden, streiten und Kompromisse schließen, die sich bei der Premiere als geniale Umsetzungsvorschläge entpuppen. Ni s Sø g a a r d gehörte von 2004 bis 2011 als Puppenspieler und Regisseur zum Ensemble des Puppentheaters Magdeburg. Er lebt als freier Regisseur in Berlin und inszeniert regelmäßig als Gast in Magdeburg.


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ZUSA MMEN

MECKERN Ei n Gespräch zwisch e n Ja na Weichelt u n d Leonhard S ch u b e rt ü b e r das Ensem ble - Sp ie le r* in - Se in

M O NACO

UN D D ER K LEINS TE G E MEINSAME N EN N ER

Ja n a We i ch e l t (Jahrgang 1980) hat sich, wie sie selbst sagt, „von hinten an das Puppentheater rangeschlichen“. Sie hat Textilkunst studiert, in Leipzig an einer Bar gearbeitet, in Schwerin am Puppentheater in der Ausstattungsabteilung Puppenkleider genäht. Sie hat ein Weilchen gebraucht, bis ihr klar wurde, dass sie spielen will, und noch ein weiteres Weilchen, bis sie es sich zugetraut hat, zu spielen. Nach dem Studium an der Hochschule für Schauspielkunst (HfS) Ernst Busch Berlin, Abteilung Puppenspielkunst, wurde sie 2016 als Puppenspielerin an das Puppentheater Magdeburg engagiert. L e o n h a r d Sch u b e r t (Jahrgang 1988) hingegen wollte schon mit sieben Jahren Schauspieler werden und ist mit großen Schritten von vorn auf die Kunstform Theater zumarschiert. Leo war in der Theater-AG eines Magdeburger Gymnasiums und direkt nach dem Abitur im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres Regieassistent am Magdeburger Puppentheater. Spätestens in der Zusammenarbeit mit dem Regisseur Moritz Sostmann hat es bei ihm „Klick“ gemacht und er hat sich statt für das Schauspiel- für das Puppenspielstudium an der HfS Ernst Busch entschieden. Die künstlerische Leitung des Theaters wollte den ausgebildeten Puppenspieler, der schon vor seinem Studium kleine Rollen spielen durfte, unbedingt wieder zurück ans Haus engagieren und verpflichtete mit ihm zwei weitere Absolventen und eine Absolventin aus seinem Studienjahrgang. Seit 2013 ist Leo Ensemblemitglied, mittlerweile führt er, wie sein Spielerkollege Florian Kräuter, selbst Regie. Jana: Ich habe vor meinem Studium viele dieser „Alleinmacher“ gesehen, in der typischen Puppentheaterform, wo nur ein Spieler auf der Bühne steht. Deswegen war für mich irgendwie klar: Puppentheater macht man alleine. Einen EnsembleGedanken hatte ich am Anfang also überhaupt nicht. Ich habe mich auch während meines Studiums eher als Einzelkämpferin betrachtet und als Solistin Papiertheater gemacht. Als ich nach Magdeburg kam, war es eine beglückende Erfahrung für mich, Teil dieses Ensembles zu werden. Leo: Als ich an der Hochschule angenommen wurde, war das Tollste, dass ich wusste: Ab jetzt werde ich nur noch mit Menschen Zeit verbringen, die das Gleiche wollen wie ich. Und genauso war es dann auch: Ich war den ganzen Tag mit Menschen im Austausch, die dieselbe Leidenschaft teilen. Das hat mich extrem glücklich gemacht. Und das macht es mich heute noch. Die


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soziale Komponente am Theater spielte für mich schon immer eine sehr große Rolle. Ich muss kommunizieren über das, was ich tue, mich austauschen. Beim Sprechen kann ich viel besser denken. Sowohl beim Spiel als auch beim Konzipieren von Projekten brauche ich ein Gegenüber, mit dem es funzt und klickert. Ich brauche immer jemanden, an den ich mich richten kann.

Leo: Die Theaterleitung hat registriert, dass wir ein Open-Stage-Projekt für Publikum entwickeln, und Heizung und Lichttechnik investiert und uns gebeten, es regelmäßig einmal im Monat auszuprobieren. Das haben wir sehr gern getan.

Jana: Ja, es ist toll, zusammen zu spielen, sich immer wieder aufs Neue gegenseitig herauszufordern. Aber ich weiß auch, dass dieser Zusammenhalt, den wir hier im Ensemble haben, nicht selbstverständlich ist. Ich spreche von dem Interesse, das wir aneinander haben. Wir entwickeln gemeinsam Dinge, die über die Arbeit im Spielbetrieb hinausgehen, wie die Spielstätte Café Monaco zum Beispiel. Ich war ja noch nicht engagiert, als die entstanden ist. Wie war das eigentlich: Habt ihr den Raum entdeckt und dann gedacht, das wäre toll, darin was zu machen, oder war zuerst der Gedanke da, außerhalb des Spielplans autonom etwas machen zu wollen?

Leo: Am ersten Abend waren 15 Leute aus dem inner circle da, dann machten wir eine Facebook-Seite. Am zweiten Abend war es auch noch leer, an dem haben Lennart und ich Charles Bukowski gelesen und uns währenddessen auf der Bühne mit Whisky betrunken. Das war – scheint’s – so skandalös, dass es sich schnell rumgesprochen hat, und am dritten „Monaco“-Abend war die Bude voll.Von da an waren die Abende immer voll – bis heute. Wir haben uns um den Raum gekümmert, ihn auch geputzt und als Rückzugsort begriffen. Wir haben dort Musik gemacht und rumgelungert. Zudem mussten wir keine Schließzeiten beachten. Das war und ist das Größte, dass es einen Raum gibt, der unabhängig vom Theaterbetrieb funktioniert.

Leo: Den Raum haben wir zuerst entdeckt, der war vollgestellt mit irgendwelchem Zeug und wurde vom Atelier genutzt. Gleichzeitig hatte ich den Wunsch, selbst zu inszenieren, und ich wollte mit einem kleinen Format beginnen. Dafür haben wir den Raum ausgewählt. Für eine kleine Miniinszenierung von mir, die in einer abgefuckten Trinkhalle spielen sollte.Wir haben dann Barhocker und rote Vorhänge besorgt und einen Tresen gebaut. Mein Respekt vor der Inszenierungsverantwortung war dann doch so groß, dass ich angeregt habe, dass an dem Abend jeder aus dem Ensemble eigenverantwortlich etwas auf der Bühne, in dem Raum macht. Jana: Und wie kam es zu dem Namen? Leo: Auf den sind Florian und ich gekommen, das sollte eigentlich der Titel von dem Trinkhallenstück sein. Und schließlich wurde es der Name für den Raum. Jana: Und wie seid ihr darauf gekommen, das „Monaco“ jeden Monat zu bespielen?

Jana: Und wie kamt ihr zu Publikum?

Jana: Eine große Freiheit. Leo: Ja. Das wurde von uns auch als Vertrauensbeweis von Seiten der Theaterleitung wahrgenommen. Wir waren ja erst ein Jahr im Engagement. Jana: Als ich kam, war das „Monaco“ schon voll etabliert, und ich habe es sofort als einen Ort der Freiheit und Autonomie wahrgenommen. Als einen Ort, an dem man sich anders kennenlernt und was zusammen wuppt. Ich habe euch dafür sehr bewundert und fand es toll, daran teilhaben zu können. Ich schätze dieses Gruppengefühl sehr. Leo: Wir sind ja auch zusammen aus dem Studium hierhergekommen: Florian, Lennart, Freda und ich.Wir haben uns von Anfang an als Gruppe verstanden und sind vor der Leitung auch immer als Kollektiv aufgetreten. Der Gruppengedanke kam organisch aus dem Studi-


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um. Wir sind nicht acht Einzelkämpfer, sondern halten zusammen, wenn es „ums Eingemachte“ geht. Das ist eine große Stärke des Ensemblegedankens jenseits der Kunst, die wir gemeinsam machen. An so einem Haus geht es ja nicht nur darum, Kunst zu machen. Wir begreifen uns als eine Gruppe, agieren als eine Gruppe. Uns wurde einiges an Freiheiten eingeräumt, aber auch an Verantwortung. Wenn es Konflikte gibt, treffen wir uns und diskutieren, um herauszufinden, wo der kleinste gemeinsame Nenner zwischen uns ist, den wir dann auch nach außen vertreten können. Aber das Finden dieses kleinsten gemeinsamen Nenners kann natürlich ungeheuer anstrengend sein. Jana: Aber es ist gut zu erleben, dass wir als Ensemble, als Gruppe Dinge bewegen können, die tatsächlich Veränderungen herbeiführen – nicht nur für uns, sondern für das Haus und all die anderen, die hier arbeiten. Leo: Es ist wichtig, dass man zusammen meckert. Und das geht nicht ohne eine gewisse Identifikation mit dem Haus. Die ist allmählich gewachsen und ich merke, dass das eine das andere bedingt: Je mehr du dich einmischst, je mehr du selbst in die Hand nimmst, umso mehr fühlst du dich mit der Sache verbunden, weil du ja mitverantwortest, was geschieht. Jana: Wir unterstützen uns auch gegenseitig in unseren jeweiligen künstlerischen Entwicklungswünschen. Zum Beispiel: Wenn jemand von uns Regie machen möchte wie du oder Florian, dann bekommt derjenige diese Möglichkeit und macht aus dem Ensemble heraus Regie, entscheidet über Konzepte und künstlerische Handschriften. Damit vertreten wir ja auch unsere eigene Theatersprache und treffen Aussagen, die nach außen wirken. Und wir beteiligen uns an Auseinandersetzungen mit gesellschaftspolitischen Themen. Wir haben zum Beispiel vor der Bundestagswahl 2017 an der Demokratieinitiative „Offene Gesellschaft“ mitgewirkt. Leo: In diesem Zusammenhang hatten wir als Ensemble die Eigenverantwortung für einen Abend und haben

zu den Themen Utopie und Dystopie ein interaktives Format entwickelt, das an verschiedenen Orten stattfand und in dem das Publikum verschiedenen Utopien und Dystopien ausgesetzt war. Dazu haben wir uns Leute von der Landeszentrale für politische Bildung geholt, die den Abend moderiert und besprochen haben. Anschließend fand im „Monaco“ eine Diskussionsrunde statt. Jana: Das ist ja auch ein guter Raum dafür, an Themen zu arbeiten, die gerade aktuell sind und zu denen man Stellung beziehen möchte. Leo: Es gibt das Bedürfnis bei uns Spieler*innen, sich in irgendeiner Art und Weise zu positionieren. Ich weiß, das „Monaco“ verändert nicht die Welt, aber es stiftet Gemeinschaft. Das finde ich sehr wichtig, auch für das Stadtbild. Wir als Spieler*innen haben im Vergleich zu anderen, die am Theater arbeiten, am ehesten die Möglichkeit, Impulse zu geben. Aber es ist natürlich gut, wenn sich alle am Haus verantwortlich fühlen, alle dabei sind, wenn es zum Beispiel darum geht, bei so etwas wie der Kampagne für eine offene Gesellschaft Die Vielen mitzumachen. Solche Aktionen müssen über das Ensemble hinausgehen und es ist wichtig, dass man sich mit allen, die am Theater arbeiten, auseinandersetzt und sich auf etwas einigt, das mit politischer Außenwirkung zu tun hat. Jana: Ich denke, das hat auch mit Struktur zu tun. Leute, die eigenverantwortlich arbeiten, sind vielleicht eher bereit, aktiv zu werden als jene, die Arbeit nur ausführen und nicht dazu aufgefordert sind, gestalterisch bzw. kreativ zu denken. Leo: Ich weiß nicht, ob ich das so unterschreiben würde, weil ich denke, dass jeder die Entscheidung treffen kann, etwas zu tun. Man muss ja nicht mal Verantwortung für sein Theater verspüren, wenn man sich ins Auto oder in den Zug setzt, um zu einer Demo gegen Rechts zu fahren. Aber es ist sehr interessant, darüber nachzudenken, wo in anderen Arbeitsbereichen mehr Eigenverantwortung liegen könnte.


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Jana: Natürlich sind wir als Ensemblemitglieder eher Schnittstelle zwischen Theater und Gesellschaft als die Mitarbeiter*innen anderer Abteilungen. Wir stehen auf der Bühne und agieren im „Monaco“. Wir sind die Sichtbaren, das spielt schon eine Rolle. Wir stehen mit unseren Gesichtern für das Theater und vertreten es. Und das ist ja auch schön. Das Puppentheater ist eine gewachsene Größe in der Stadt. Die Leute hier achten und schätzen das Haus offenbar sehr.

Stadtgesellschaft subversiv zu sein. Und das sollte es viel mehr geben. Man hat hier um das Theater ein so tolles Gelände, das man öffnen könnte …

Leo: Wir könnten aber auch noch radikaler sein – und sei es nur ästhetisch. Obwohl sich da auch schon viel entwickelt hat, vor sieben Jahren war die Situation noch eine ganz andere.

Leo: Ein Festival fühlt sich an wie ein offenes Haus … Davon könnten wir mehr gebrauchen: Begegnungen initiieren, niederschwellige Angebote schaffen, auch für Menschen, die sich nicht für 14 Euro eine Karte kaufen können, wenn sie abends mal ins Theater gehen wollen. Wir könnten einen offenen Ort schaffen, der sich klar positioniert und Gemeinschaft stiftet. Ich fände es gut, wenn wir uns nicht nur als Institution der Hochkultur sehen würden. Interessant, auch darüber mal nachzudenken.

Jana: Und es geht immer weiter. Zum Beispiel der Austauschexpress, den das Ensemble gemeinsam mit der Dramaturgin Anna Polke angeschoben hat: Ein Auto, in dem Puppenspieler*innen sitzen, fährt durch die Stadt, sammelt Menschen ein, die dann miteinander ins Gespräch kommen. Solche Aktionen sind super. Leo: Genau, das ist auch so etwas Subversives wie das „Monaco“. Es ist auch eine Aufgabe von Theater, in der Weihnachtsspecial im Café Monaco, 2016. Foto Jesko Döring

Jana: Alle zwei Jahre, wenn das Festival stattfindet, ist hier auf dem Gelände eine fantastische, offene Atmosphäre. So etwas könnte es tatsächlich häufiger geben. Zudem ist es anregend, wenn man Gäste von außen einlädt, wenn Austausch stattfindet.

Aufgezeichnet und mit einleitenden Informationen zu den Gesprächspartner*innen versehen von Miriam Locker, Dramaturgin am Puppentheater Magdeburg.


linke Seite: Benno Lehmann in Odysseus, 2011. Foto Jesko Döring rechte Seite oben: Gabriele Grauer, Gerhild Reinhold in Der Herr aus San Francisco, 2006. Foto Liane Pätz rechte Seite Mitte: Gerhild Reinhold in Die Geschichte vom kleinen Onkel, 2011. Foto Jesko Döring rechte Seite unten: Sascha Bufe in Don Quichotte, 2017. Foto Jesko Döring





Richard Barborka und Lauren Urquhart in Die wahre Geschichte von King Kong, 2019. Foto Kirsten Nijhof Seite 66: Anna Wiesemeier in Schonzeit, 2020. Foto Viktoria Kühne Seite 67: Margit Hallmann, Susanne Søgaard in Marleni – preußische Diven blond wie Stahl, 2010. Foto Jesko Döring


Die sieben TodsĂźnden, 2009. Foto Claudia Heysel


Freda Winter, Claudia Luise Bose, Anna Wiesemeier in Meet me in Moskau, 2017. Foto Viktoria KĂźhne


Jana Weichelt in Froh ist der Schlag unsrer Herzen, 2019. Foto Viktoria Kühne Seite 72/73: Claudia Luise Bose, Anna Wiesemeier, Freda Winter, Richard Barborka, Florian Kräuter, Lennart Morgenstern, Leonhard Schubert in M – Eine Stadt sucht einen Mörder, 2016. Foto Jesko Döring




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F L U C HT P U N K T

Ei n Versuch zu r äs t het ischen Vie lfa lt A n ke Meyer

PU P P E

Ein Puppentheater ohne Puppengestalter – so könnte man es überspitzt formulieren. Denn am Puppentheater Magdeburg entschied man sich Anfang der 2000er Jahre dagegen, eine feste Stelle für Puppenbau, wie sie an anderen Ensemblepuppentheatern üblich ist, zu besetzen. Auch ein eigener Szenograf wurde nicht mehr eingestellt, ein „Magdeburger Stil“ nicht angestrebt. Das Haus sollte weit offen bleiben für ästhetische Impulse von außen, Raum für diverse künstlerische Ausdrucksformen bieten und es so ermöglichen, in der Ausstattung erstrangig den Intentionen des jeweiligen Regiekonzepts zu folgen.    Eine Entscheidung, die – abgesehen von einem kurzen Intermezzo – bis heute Bestand hat und die der rasanten Entwicklung des Genres Puppentheater sowie generellen Tendenzen zum Interdisziplinären Rechnung trägt. Zugleich eine grundlegende Entscheidung für das Haus, denn sie betrifft mit dem Puppenbau, der Figurengestaltung und der Szenografie essenzielle Schaffensbereiche dieser Theaterkunst: Die Führungstechnik und deren Funktionalität in Bezug auf die Inszenierungsidee, der angestrebte bzw. erreichte Ausdruck der Figurengesichter und -körper, generell die künstlerische Handschrift des Puppenbauers, der Figurengestalterin, gegebenenfalls auch der Puppenkostümgestalter*innen – das alles hat wesentlichen Anteil an der ästhetischen Wirkung einer Inszenierung, bis hinein in das dramaturgische Gefüge, den spielerischen Grundgestus.    Nicht zufällig also gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Magdeburger Puppentheaters mit der Kunsthandwerkerin Jutta Balk eine ausgewiesene Puppengestalterin. Sie prägte als Ausstatterin ab 1958 die ersten Jahre des Hauses, vor allem mit den von ihr entworfenen und gebauten, teils stark stilisierten Figuren. Ihr folgte 1967 die studierte Theatermalerin Irmgard Lieske (Synowitz) – bis 1995 entwarf sie charakteristische eigene Ausstattungen und war an weiteren ausführend und unterstützend beteiligt. Denn Atelier und Werkstatt waren auch damals schon offen für Gäste, wie zum Beispiel den Magdeburger Grafiker Wilhelm Höpfner: 1966 schuf der international ausstellende Künstler Puppen und Bühne für „Die Himmelfahrt der Galgentoni“ von Egon Erwin Kisch, die erste Inszenierung für Erwachsene am Puppentheater Magdeburg.


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Lange Zeit arbeitete man hier, wie an den meisten Ensemblepuppentheatern, mit eigenen Puppenbauer*innen und Szenograf*innen. Diese hatten eine feste Anzahl Ausstattungen zu entwerfen und sich zusätzlich der Betreuung von Gastauststatter*innen zu widmen. Außer den bereits erwähnten waren das unter anderem Hans Haupt in den 60er, Olaf Randel in den 90er Jahren und ab 2010 für kurze Zeit die renommierte Puppengestalterin Barbara Weinhold. Deren Verpflichtung ans Puppentheater fiel allerdings schon in die Epoche, die bereits seit längerem durch die Zusammenarbeit mit Gästen im Bereich Puppengestaltung und Szenografie geprägt war. Ästhetischer Entwurf und Regiekonzeption Begründet war die Anstellung, so der künstlerische Leiter Frank Bernhardt auf Nachfrage, durch die ungewöhnlichen Ausprägungen, die Weinhold ihrer speziellen Handschrift im Einzelfall zu geben vermag. Wie das Changieren zwischen menschlichen und tierischen Zügen, zwischen morbide und ruppig, das die Figuren im „Reineke Fuchs“, Nis Søgaards 2009 entstandener Debütinszenierung am Puppentheater Magdeburg, so wundersam heutig mit Goethes Text und dem sehr präsenten Spielerduo (Susanne Søgaard, Michael Hatzius) auf Augenhöhe bringt. Dagegen lebt die 2011 ebenfalls von Søgaard inszenierte „Geschichte vom kleinen Onkel“ (nach Barbro Lindgren-Enskog) von einem Figurenensemble im Einheitslook, mit glatter Oberfläche, der das Selbstgewisse und Abweisende, an dem der einsame, mollige Protagonist scheitert, eingeschrieben scheint. Weinhold schuf hier eine Art Corps de ballet mit stolperndem Solotänzer und rettendem Hund, welches mit seinen ausdrucksstarken Gesichtern und Körpern keinen Text braucht, um dem Kinderpublikum eine große Geschichte von Ausgrenzung und Liebe zu erzählen – nur eine kluge, „mitspielende“ Bühne (Sven Nahrstedt), eindringliche Musik und die hohe Animationskunst der Magdeburger Puppenspieler*innen Astrid Kjær Jensen, Gerhild Reinhold, Susanne Søgaard und Frank Alexander Engel. An dieser Stelle sei auch auf das

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Licht (hier: Enrico Rößler) hingewiesen, generell ein für das Theater mit Puppen und Objekten maßgebliches Element, im Wortsinn lebenswichtig für die Verlebendigung von Dingen, von Figuren.    Eine Inszenierung, in der Szenografie, Licht (Thoralf Kotlenga) und Figuren geradezu symbiotisch verschmelzen, entstand 2001 in der Regie von Therese Thomaschke: Für „Die wilden Schwäne“ schuf Eberhard Keienburg, von 1974 bis 2001 Bühnenbildner und Ausstattungsleiter am Deutschen Theater Berlin, einen farbig leuchtenden Raum, in dem mehrere in Reihe gesetzte Kulissenebenen eine surreale, sogmächtige Bühnentiefe erzeugten – und das in einer puppentheaterkleinen Kastenbühne. Rund 80 Flachfiguren und Objekte, hergestellt von kongenialen Mitarbeiter*innen des Magdeburger Ateliers, wurden von den fünf Spieler*innen Vera Pachale, Elke Schettler, Raimund Jurack, Alexander Szallies und Holger Vandrich auf hintereinander liegenden Rillen durch das ebenso malerische wie formenstrenge Universum dieses Zaubermärchens geführt, zu immer neuen, bewegten und bewegenden Bild-Musik- und Licht-Kompositionen vereint – eine im wahrsten Sinn verzaubernde Umdeutung der herkömmlichen Papiertheaterbühne. Ein großer Erfolg. Impulse aus anderen Kontexten Spätestens mit dieser Inszenierung – vielleicht schon 1999 mit Frank Soehnles „Falle Fälle“ nach Daniil Charms – wurde deutlich, dass die Gastausstatter, die mit einer Expertise aus dem Schauspiel oder anderen Kontexten kamen, Ästhetiken ins Haus brachten, die einerseits unverwechselbar waren und andererseits einen unerwartet neuen Fokus auf Stoff, Spiel, Bühne oder dramaturgische Wirkung inkludierten. Eindrucksvoll belegte dies 2006 noch einmal Keienburg mit seiner Ausstattung von „Der Herr aus San Francisco“, frei nach der Erzählung des russischen Nobelpreisträgers Iwan Bunin. Nino Sandow inszenierte diese lakonischböse Geschichte vom plötzlichen Tod eines reichen Reisenden als Montage aus Textfragmenten, die in verschiedenen Welten spielen. Keienburg schuf dafür ein


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universales Bühnenbild, einen von zwei riesigen aus Holz geschlagenen Köpfen (Christian Werdin) bewachten, verspiegelten Kosmos, in den die Puppen-/Schauspieler als (sie führende) Gefährten filigraner Puppen und unzähliger, die Personage und die Stationen der Reise verkörpernden Flachfiguren aus Metall eintauchen – ein bildgewaltiger Abgesang auf die Bourgeoisie.    Auch Frank Soehnle gehört zu den Gästen, die aus einem anderen künstlerischen Umfeld kamen, aus der eigenen, freien Spielpraxis, die von deutlich anderen ästhetischen Entwürfen geprägt war, als die in Magdeburg praktizierten. Das zeigte sich vor allem in seiner Arbeit zum Lebenskampf der amerikanischen Dichterin Anne Sexton. Gemeinsam mit dem Magdeburger Ensemblemitglied Gerhild Reinhold entwickelte der am Stuttgarter Studiengang Figurentheater ausgebildete Regisseur, Figurengestalter und -spieler die Stückcollage „Wahnsinnsfrau Anne Sexton“. Die von ihm dafür geschaffenen fragilen Figuren sind von einer gleichermaßen anrührenden wie verstörenden Instabilität, die sich zu einem, wenn auch selbst unsteten, immer hinterfragten Spielprinzip auswächst. Eine große Herausforderung für die beiden Spielerinnen Gerhild Reinhold und Gabriele Grauer, sich auf diesen schwankenden Boden jenseits jeder geläufigen Rollengestaltung zu begeben.    Noch deutlich weiter in Richtung interdisziplinäre Performance bewegt sich die Inszenierung „Wilde Reise durch die Nacht“ nach Walter Moers’ Roman, einem wahnwitzigen Tagtraum entlang der Bildwelt des französischen Illustrators Gustave Doré. Für diese auf einem Ensemblekonzept und einer Stückfassung des Dramaturgen Tim Sandweg basierende SøgaardInszenierung produzierten die Videoanimationskünstler Krauss & Feigl einen furiosen Bilderreigen, der zwar den Stil Dorés aufnimmt, aber zugleich demontiert. Die Bühne (Florian Kräuter) mutet zeitweise wie ein chaotisches Medienlabor an, in dem die Spieler*innen Freda Winter, Florian Kräuter und Lennart Morgenstern als Mitarbeiter eines todgefährlichen Versuchs über Er-

wachsenwerden, über künstlerische Berufung agieren und sich geradezu in einen Rausch der virtuellen Bilder und Töne arbeiten. Am bisher äußersten Rand dieser Bewegung des Puppentheaters Magdeburg hin zum Dialog mit dem Digital-Virtuellen ist wohl ein freies Spielerprojekt zu verorten: „SciFi-Piraten“ nannten das Magdeburger Ensemblemitglied Richard Barborka und der Chemnitzer Spieler Tobias Eisenkrämer ihr im Rahmen des „Aufbruch“-Symposiums entstandenes Laborprojekt zur Idee einer „digitalen Bühne als Spielplatz“1. Keine Gesamtschau Das Schlimme am Fabulieren über die Bandbreite eines Phänomens ist ja, dass man diese im vorgegebenen Textumfang nie ganz fassen kann. So gäbe es natürlich noch viel zu berichten über unterschiedliche Handschriften der weit mehr als 100 Szenograf*innen und Figurengestalter*innen, die am Puppentheater Magdeburg bis heute als Hausauststatter*innen oder Gäste gewirkt und es mitgeprägt haben. Darunter der vielseitige, immer wieder auch als Spieler und Regisseur verpflichtete Frank Alexander Engel, der neben zahlreichen anderen die witzig-melancholischen Puppen zu „Pension Schöller“ oder auch die grafisch strukturierten Flachfiguren zu „Hänsel und Gretel“ gestaltete und zuletzt gemeinsam mit der Ausstatterin Kerstin Schmidt ein schräges, comicartiges Panoptikum zu Georg Philipp Telemanns „Don Quixote“-Suite entwarf. Und natürlich der bildende Künstler Sascha Vakhramejev aus Weißrussland, der unter anderem „Odysseus“ mit Gestalten von poetisch-skurrilem Humor begegnete. Nicht zu vergessen das raue Gebälk von Julia Plickat für „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“, das der Tischler des Hauses mit großem Geschick zu realisieren wusste, oder die funktionalen Drahtgestelle des Gastausstatters Gildas Coustier, von der Schneiderin in humanoide Puppenkörper verwandelt, mit passgenauen Kostümen, die für „Meet me in Moskau“ auch noch wasserfest sein mussten. Dazu vermerkt der

1 Aufbruch 2. Laboratorien – Masterclass – Fachgespräch. 2. Teil des Projekts Aufbruch. Dokumenation, Magdeburg 2019, S. 13ff.


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künstlerische Leiter Frank Bernhardt: „So manche*r Bühnenbildner*in wäre verzweifelt am eigenen ästhetischen Entwurf, wenn unser Atelierteam nicht in der Lage wäre, diesen adäquat umzusetzen. Egal ob Atelierleitung, Ausstattungsassistenz, Tischler, Theatermaler, Schneiderin, Fundusverwalter …, sie alle sind hochprofessionelle Handwerker*innen und zugleich Künstler*innen, die sich mit Leidenschaft der Realisierung der Intentionen unserer Gäste widmen.“    Noch ein Thema, das hier nicht zu bewältigen ist. Also ungern, aber notgedrungen: Schluss mit dem Überblick. Glücklicherweise gibt es ja in diesem Buch diverse Fotografien, die von den ästhetischen Entwicklungen der letzten Jahre im Puppentheater Magdeburg beredtes Zeugnis ablegen und vielleicht eine Ahnung von deren dramaturgischer Relevanz ermöglichen. Deshalb nun wirklich ein Letzter Szenenwechsel Immer wieder verschwinden junge Menschen, eine altersmüde, liebeskranke Puppe auf dem Arm oder über der Schulter tragend, manchmal lamentierend, manchmal still, in dem von Sven Nahrstedt kunstvoll angelegten Wald, der sich hinter dem offenen Bühnenpodest fast 30 Meter tief in den Theaterhof erstreckt. Ein seltsam anrührendes Bild.    Linda Mattern, Anna Wiesemeier, Freda Winter, Richard Barborka, Florian Kräuter, Lennart Morgenstern und Leonhard Schubert vom Ensemble des Pup-

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pentheaters Magdeburg machen so aus der technischen Not eine inhaltliche Tugend: Die von dem Puppengestalter Hagen Tilp in Florida entworfenen und im Atelier des Puppentheaters Magdeburg eingekleideten Puppen erinnern nämlich an kleine Bunraku-Figuren – also verkleinerte und in den Proportionen leicht verzerrte, aber sehr realistisch anmutende Menschengestalten, deren differenzierte Fortbewegung eigentlich mindestens zwei Spieler*innen benötigt. Doch in Moritz Sostmanns Hofspektakel 2020 „Ein Spätsommernachtstraum“ müssen sich Helena, Demetrius, Hermia und Lysander mit jeweils einer animierenden Person begnügen. Deshalb werden sie von einem Ort zum andern eben – getragen. Dieses scheinbare Manko der Inszenierung trifft sich allerdings recht gut mit der Entscheidung, Shakespeares durchgedrehte Liebende als betagte Menschen darzustellen, denen selbst die Gebrechen des Alters nicht den Willen rauben können, sich miteinander zu vergnügen respektive sich gegenseitig zu quälen – ganz im Sinne Schopenhauers, dessen „Welt als Wille und Vorstellung“ von Sostmann ganz nonchalant als philosophische Folie in die Sommernachtskomödie eingezogen wird. Für wichtige Hinweise danke ich Marianne Fritz und Frank Bernhardt. A n ke M eye r ist Kuratorin und Autorin sowie Leitende

Redakteurin des Magazins für Puppen-, Figuren- und Objekttheater „double“.

Gerhild Reinhold und Alexander Szallies in Pension Schöller – Hofspektakel, 2006. Foto Archiv Puppentheater Magdeburg


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Exkurs

WER S P RI CHT? W i e T heat ert e xte f ür Puppen entste h e n Roscha A. S äid ow

U ND

WAR U M ?

Woher kommt der Impuls, lebloses Material sprechen, womöglich sogar singen zu lassen, mit ihm in einen Dialog zu treten und dann gemeinsam zu schweigen? In meinen Arbeiten im Figurentheater spielt Sprache als eines der Mittel des semiotischen Künstlichkeitskarussells eine wichtige Rolle und schleicht sich sogar als Voice-Over in ansonsten stumme Maskenspiele. Man könnte also sagen: Ich kann nicht ohne Sprache.    Diese Grunddisposition spielt auch für meine Arbeit am Puppentheater Magdeburg eine entscheidende Rolle. Hier habe ich von 2017 bis 2019 als Artist in Residence inszeniert – nachdem ich 2016 mit dem wunderbar spielwütigen Ensemble des Puppentheaters bereits „M – eine Stadt sucht einen Mörder“ erarbeitet hatte. Die Residenz war für mich eine Art Formenforschungslabor, von Tschechow-Überschreibung bis Puppen-Webserie, an dessen Ende die Oper „The True Story of King Kong“ stand – ein Hybrid, der sich aus unterschiedlichen Schichtungen von Kunstformen und -inhalten zusammensetzte. Die Oper (Komposition: Jeffrey Ching) entstand als Koproduktion des Puppentheaters und der Oper Magdeburg. „King Kong“ als Highlight hollywoodesker Popkultur, als erster Animationsfilm, als Diskursanstoß der Gender Studies und moderner Mythos mit der Tragweite einer antiken Tragödie schien mir eine gute Basis, um Figurentheater und Oper verschmelzen zu lassen. Das Libretto schrieb ich, wie die meisten Texte für meine Inszenierungsprojekte, selbst. Die Spielerfigur als zweiter Plot Ich bin Konzeptarbeiterin. Ich starte mit einer Idee, einer Frage, einer Plotvorlage, die ich umsetzen will, und gehe dann auf die Spur, um herauszufinden, welche künstlerischen Mittel es dafür braucht. Im Konzeptionsprozess verknüpfe ich alle gegebenen Komponenten notwendig über eine Grundsituation. Diese ist für mich Grundlage allen Arbeitens.Von ihr erhalte ich meine Antworten zu Ausstattung, dem Verhältnis zwischen Spieler*in und Puppe, Form der Puppe und ihrer Sprache.


Exkurs

Warum? In der Grundsituation formuliere ich, handelt es sich um eine offene Spielweise, die Position der Spieler*innen. Wer sind sie? Warum gehen sie auf die Bühne? Warum nehmen sie Materialien zu Hilfe, um eine Geschichte zu erzählen oder einen Diskurs zu führen? Warum müssen sie das notwendig tun – mit einer Puppe, Maske, Schattenfigur spielen? Diese Position der Spieler*innen, diese „Spielerfigur“, funktioniert für mich wie ein zweiter Plot hinter der eigentlich zu erzählenden Geschichte. Um dieses Verhältnis von Spieler*in zu Grundplot zu Puppe bereits in den Text einarbeiten zu können, schreibe ich die Texte selbst.    Aus dem „Wollen“ der Spielerfigur ergibt sich das Verhältnis zur Puppe und demnach auch die Sprache der Puppe. Diese Sprache hängt in Rhythmus und Farbe auch von der Form der Figur ab. Zum Beispiel: Ein Kaukautzky funktioniert besser über brüchige Repliken; eine düstere Maske hat den Raum für längere Monologbögen. Ich kann daher, wenn ich als Autorin für das Figurentheater schreibe, nicht genauso über Figurensprache nachdenken, wie ich es beim Schauspiel tun würde, sondern betrachte diese immer im Kontext zur Puppenform und mit dem Ziel, die „Spielerfigur“ zu fassen. Zu der Frage, wie die Sprache zu den Puppen kommt, möchte ich im Folgenden auf zwei meiner Inszenierungen am Puppentheater Magdeburg näher eingehen – und auch einige meiner Protagonistinnen einbeziehen. Denn die Grenze zwischen Gut und Bös verläuft – mitten durch das menschliche Herz „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ war 2016 meine erste Arbeit am Puppentheater Magdeburg und erzählt in anarchisch-poetischer Weise aus Sicht der Opfer die Geschichte eines Kindermörders, der in den 20er Jahren sein Unwesen im Großstadtmoloch Berlin treibt. Der Stoff orientiert sich dabei am Plot des 1931 veröffentlichten Films von Fritz Lang und Thea von Harbou. „M“ habe ich als Singspiel geschrieben, das heißt, die Bühnenhandlung wird eingerahmt von 16 Songs, welche live vom ganzen Ensemble performt werden und

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mal Handlung vorantreiben, mal Atmosphäre schaffen. Sie klingen nach den goldenen 20ern, nach rauen Spelunken und den Straßen von Berlin – Anni: Ich sing da ditt Lied von meen Ball! Roscha: Stimmt. Die kleine Anni Beckmann singt das Lied von ihrem Ball. Wir begleiten sie auf dem Nachhauseweg und dann begegnet sie – Anni: Ditt jefällt ma jut, weil ick doch meen Ball so jerne hab. Roscha: Das hab ich mir fast gedacht, dass du – Anni: Soll ick ditt Lied mal singen? Roscha: Jetzt grad nicht. Aber vielleicht hast du eine Frage für mich, Anni? Anni: Was jibsn zum Mittag? Roscha: Uh, das weiß ich nicht. Aber vielleicht hast du eine andere Frage für mich? Anni: Nö. Roscha: Du Anni, wir haben doch vorhin – Anni: Ick jeh jetz Ball spielen. Weil, der Peter wartet schon! Roscha: Anni! Warte! Anni: Schüssi! Nun denn, also ohne Frage. Ich habe „M“ konzipiert mit der Grundannahme, dass die Geschichte aus Sicht der erwachsen gewordenen Opfer des Kindermörders erzählt wird. Diese, gespielt von den Spieler*innen als Schauspielrollen, springen in einer Art Niemandsland in Bretter-Bühnen-Varieté-Manier immer wieder in Spielsituationen, zeigen ihre Geschichte, nehmen dazu – scheint’s – selbstgebaute Puppen jeder Form zu Hilfe. Das ist oft wild und leidenschaftlich, kann aber auch sehr zart und verletzlich sein. Und wenn Unaussprechliches an die Hand genommen werden will, weil Worte klobig wirken würden oder sich keine finden lassen, hilft die Musik weiter, zum Beispiel nachdem die kleine Anni Beckmann vom Mörder geholt wurde. Dem Mörder verweigern die Spieler*innen zunächst einen Körper, er wird von allen chorisch gesprochen und bleibt lang eine Figur, die nur aus Sprache besteht. Dies macht die Idee von ihm groß, gibt ihm eine überzeit-


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liche Beispielhaftigkeit, ohne seine konkrete Gefahr zu schmälern. Gegen Ende des Stücks ist die Kraft da, sich ihm gegenüberzustellen. Die Spieler*innen holen eine mannshohe Puppe aus einer Holzkiste, welche anstatt eines Kopfes einen Lautsprecher zwischen den Schultern trägt. Aus dem tönt der Gerichtsmonolog des Mörders aus dem Lang-Film, während die Spieler*innen die Puppe stumm führen. Ein schaurig „stiller“ Moment. Die Tonspur dient also als künstliches Mittel, welches eine Bewertung auslagert und so – Anni: Der Peter is voll der Arsch! Roscha: Anni, was ist – Anni: Der hat anjefangen mit mein Ball zu spieln. Kiek ma! Jetz hatta ne Schramme, mein Ball. Roscha: Oh nein. Das tut mir – Anni: In den Theater bin ick jar nicht mehr lebendig, sondern werde von zwei Spieler*innen als Marionette gespielt, wobei Anna als dritte Spielerin mir meine Stimme leiht. Janz schön ville Leute. Lenni spielt sogar mein Ball.Warum sindn ditt so ville Leute nur für mich alleene? Roscha: Jede Spielerin, jeder Spieler repräsentiert ein Opfer. Und alle warn mal so klein und fröhlich, wie du, weißt du. Und alle haben gern mit dem Ball gespielt. Daher hat auch jeder etwas mit dir zu tun. Anni: Was jibsn zum Mittag? Roscha: Das weiß ich nicht. Anni: Ick jeh Muttern fragen. Aufgrund einer Stellwerkstörung fallen alle Züge in Richtung Moskau aus „Meet Me in Moskau“ (UA: 2017, meine zweite Arbeit am Puppentheater Magdeburg) ist eine Fortschreibung von Anton Tschechows „Drei Schwestern“, will heißen: Es nutzt die gegebene Konstellation an Figuren und spinnt ihre Geschichte weiter. Die Schwestern Irina, Mascha und Olga treffen sich 20 Jahre nach Tschechow-Stückende bei der Beerdigung des Bruders Andrej in der Provinz, aus der sie immer fliehen wollten. Olga ist geblieben, Mascha und Irina konnten sich

losreißen und halten während der perfekt von Olga inszenierten Beerdigungszeremonie ihre Lebenslügen hoch. Mein Haus, mein Mann, meine Skills. Nach Moskau haben es alle geschafft. Zumindest tun sie so vor uns Trauergästen, die wir ihnen zuschauen dort im Publikum, wie sie lächeln unter ihren Regenschirmen und immer wieder ängstlich zum Sarg lugen. Aber der Druck steigt, Züge mahnen, die Witwe des Bruders will und will nicht auftauchen, während literweise Wasser im Bühnenschlamm versickert. Die Schwestern sind im ersten Teil pure Schauspielfiguren, die Spielerinnen kämpfen ganz unmittelbar mit der Contenance ihrer Figuren, so lange, bis alte Wunden aufreißen und die Vergangenheit im zweiten Teil des Abends hervorbricht. Irina: Ein Schock! Stellen Sie sich vor, ich kläre gerade die Trauergäste über unsere damalige Lebenssituation auf – Roscha (flüstert): Ein Kurzabriss der Original-Tschechow-Handlung. Irina: – und merke, wie ich mich verliere in all den Namen und Begebenheiten von damals, wie alles hochkommt und herauswill aus mir. All die Ungerechtigkeiten werf ich Mascha und Olga an den Kopf. Und teilweise scheinen sie wirklich keine Ahnung zu haben, die lieben Schwestern, was da gelaufen ist. Und grad als ich fertig bin und wir uns betreten anschauen, klopft es. Erst leise, dann immer fordernder und überall. Um uns herum brechen Wände ein und dahinter: unser Salon, das Schlafzimmer. Alles in Miniatur! Und darin lauter kleine Soljonis. Und Verschinins. Roscha (flüstert): Stop-Motion-Puppen des OriginalTschechow-Figurenstabs. Irina: Und die reden mit einem wie früher. Roscha (flüstert): Über einen Voice-Over, eine externe Tonspur. Irina: Und tun so, als ob man nie weg war, es nie rausgeschafft hat aus der Provinz. Ha! Sofort sind alle wieder drin im Schlamassel. Mascha steckt mit dem Verschinin unter einer Decke. Olga weidet sich an ihren Kopfschmerzen. Und ich … Das ist vielleicht der unangenehmste Moment, sich selbst gegenüberzustehen. Zu


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Exkurs

sehen, was man gemacht hat. Zu hören, wie man dachte und sprach. Ohne Einfluss drauf zu haben. Wie schnell das geht, dass man wieder in gleiche Muster und Konflikte gezogen wird. Und es gibt Momente, in denen das alles so überfordernd und groß wird, dass da eben keine Kraft mehr ist, um, nun, die „Beschönigung“ – Roscha: – die „Lebenslüge“ …? Irina: So hart würd ich es nicht … aber, ja, um die hochzuhalten. Und dann kommt der ganze Dreck hoch. Hässlich. Anni: Muttern sacht, et jibt keen Nachtisch! Irina: Wer bist du denn? Anni: Anni Beckmann! Roscha: Willst du nicht noch eine Runde Ball spielen, Anni? Anni: Ick will Eis! Roscha: Aber wir sind hier noch nicht – Anni: EIS! Roscha: Anni, bitte! Hier haste 2 Euro – Irina: Du kannst die Kleine doch nicht allein … Komm Anni, wir holen dir Eis. Anni: Zwei Kugeln! Irina: Wir sind gleich zurück. Den ersten Teil des Abends, die Beerdigung, habe ich textlich genau gebaut, da habe ich auf jedes „Äh“ oder „Hmm“ geachtet, dieser Teil ist sehr rhythmisch und pointiert. Für den zweiten Teil, wo die Vergangenheit einbricht, hatte ich lose Textblöcke vorbereitet, die wir auf der Probe in intensiver gemeinsamer Forschung mit den drei Spielerinnen überprüft und weiterentwickelt haben. Uns war es wichtig herauszufinden, was die wunden Punkte der Schwestern sind, wie wir diese zeigen und wie die Schwestern diese überwinden können. Im dritten Teil sind wir wieder auf den genau gebauten Text zurückgegangen. „Das Buch der Vergangenheit“ wird geschlossen und ein schmerzhafter Prozess liegt hinter den Schwestern, der teilweise hochamüsante Momente hat, da wir Zuschauer uns natürlich in jeder der Schwestern samt ihrer Verdrängungs-, Verleumdungs- und Beschönigungsstrategien wiederfinden können. Die Figurensprache ist inspiriert vom

Tschechow-Sprech, vielleicht mit Hang zum Diminutiv. Eine der Figuren fällt jedoch völlig aus dem Raster und macht alle mit ihrem leiernden Aggressionsmonolog mundtot: Natalja Ivanovna, die Witwe des verstorbenen Bruders, die im ersten Teil nicht mal zur Beerdigung kommt – Natalja Ivanovna: Sama, watt soll denn ditte! Irina: Was macht DIE denn hier! Roscha: Seid ihr schon zurück vom Eis? Natalja Ivanovna: Wie, „DIE“? Anni: Is ditt die böse Frau, von der du erzählt hast,Tante Irina? Natalja Ivanovna: „Böse Frau“?! Wer ist hier – Irina: Komm, Anni, wir gehen zu deiner Mama. Roscha: Ich muss auch …, ich glaub, wir sind eh durch mit „Moskau“ …? Natalja Ivanovna: Wie watt „Moskau“? Bleib mir weg mit „Moskau“! All der Dreck und der Lärm! Anni: Die olle Tante darf nich mit Ballspielen! Natalja Ivanovna: Ditt hab ick jetz nich jehört, Frollein. Irina: Komm, Anni, wir gehn. Natalja Ivanovna: Hä?! Roscha: Ok, tschüß! R o sch a A . Sä i d ow ist Autorin und Regisseurin mit Abschluss der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, Berlin. Sie arbeitet genreübergreifend und hat bisher fünf eigene Stücke am Puppentheater Magdeburg inszeniert. Meet me in Moskau, 2017. Foto Viktoria Kühne


Firma Himmel GmbH bei La Notte … schöne Aussicht im Engpass/Festival Blickwechsel 2007, Foto Viktoria Kühne


PART N ER STAD T G E S E L L S CHA F T


La Notte … schöne Aussicht im Engpass/Festival Blickwechsel 2007. Foto Viktoria Kühne rechte Seite oben: La Notte della Luna im Klosterbergegarten/Festival Blickwechsel 2003. Foto Hans-Peter Lippert rechte Seite unten: Kinderkulturtage 2012. Foto Jesko Döring Seite 86 oben: Probe des PuppenSpielClubs (PSC) zu Wie ich zum besten Schlagzeuger der Welt wurde – und warum, 2017. Foto Jesko Döring Seite 86 Mitte: PSC mini, Workshop, 2020. Foto Juliane Barz Seite 86 unten: Interkulturelles Modellprojekt Theaterpädagogik Das Haus, 2017. Foto Jesko Döring Seite 87: Kooperationsprojekt mit der Jugendkunstschule, 2011. Foto Jesko Döring Seite 88/89: Interkulturelles Modellprojekt Theaterpädagogik II Breaking the Walls, 2018. Foto Anjelika Conrad







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PERSPEKTIVISCHE

T he a te rfre u d e n e in e s Ku ltu rp o litike rs Rü d ig e r Ko ch

S ICHT

Nur etwa 100 Schritte trennten mich vom Magdeburger Puppentheater, als ich im Juli 1995 mein Dezernatsbüro in der Schönebecker Straße bezog. Bereits zuvor, in meiner Zeit als Leiter des Kulturamts der Stadt Braunschweig, hatte das dortige (freie) Figurentheater Fadenschein mein besonderes Interesse an der Puppenspielkunst geweckt – einem Genre, das im besten Fall seismografisches Erspüren gesellschaftlicher Brüche und Entwicklungen mit der Offenheit kindlicher Fantasiewelten zu paaren weiß. In Magdeburg begegnete ich einer Tradition des Puppenspiels von europäischer Dimension und einem Ensemble in städtischer Trägerschaft. Dieses verlieh dem Kunstgenre Puppenspiel nach meiner Auffassung einen angemessenen Ausdruck. Gleichwohl war die strukturelle und damit auch existenzielle Situation für das Puppentheater fragil. Richten wir den Blick auf diese bewegten Zeiten. „on the carousel of time“ (Joni Mitc hell) Mit der „Wende“ kennzeichneten auch die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts Um- und Aufbrüche. Zehntausende Arbeitsplätze in den einstigen Schwermaschinenbaukombinaten gingen verloren, gefolgt von Abwanderung, Immobilienleerständen und einer halbierten Geburtenrate. Im Unterschied zu strukturell-demografischen Entwicklungen im Westen Deutschlands verliefen diese wie im Zeitraffer. Reale Verlustängste struktureller, wirtschaftlicher und materieller Art gingen einher mit den eröffneten Chancen zur freien Selbstbestimmung, Eigenverantwortlichkeit, Neuverortung und Identitätsfindung. In den derart aufgewühlten Jahren unmittelbar nach der „Wende“ fehlte oft der zeitliche Atem für einen breit angelegten gesellschaftlichen Diskurs, der auch kulturpolitische Entscheidungen legitimiert hätte. Hinzu kam, dass es der Leitung des Kulturdezernates der Landeshauptstadt Magdeburg bis Mitte der 90er Jahre an personeller Kontinuität fehlte. In dieser Situation arbeiteten externe Berater mit an den ersten kulturkonzeptionellen Entwürfen.    Das Puppentheater, in Magdeburg-Buckau gelegen am Rand der einstigen großindustriellen Anlagen, sah sich Anfang der 90er Jahre in seinem Bestehen gefährdet. Die Existenz von Ensemble- und Repertoirepuppentheatern in kommunaler Trägerschaft war – aus westdeutscher Perspektive – nicht wie der Status von Stadttheatern aus sich heraus selbstverständlich.1 Vor diesem Hintergrund empfahl ein erster kulturkonzeptioneller


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Entwurf, das Puppentheater auf maximal zehn Mitarbeiter mit einem leitenden Regisseur und damit den städtischen Zuschussbedarf von zwei Millionen DM auf 200 000 bis 300 000 DM jährlich zu reduzieren. Dieses hätte für das traditionsreiche Puppentheater der Stadt das Ende als Ensemble- und Repertoirebetrieb bedeutet. Desweiteren stand auf der kommunalpolitischen Diskursagenda, das Puppentheater einem der seinerzeit zwei Magdeburger Schauspielhäuser zuzuordnen. Auf diesem Karussell der schnellen Entscheidungsfindungen drohte die perspektivische Sicht zu verschwimmen.    Die öffentliche und – in Teilen – kommunalpolitische Reaktion hierauf ließen bereits 1993 erkennen, dass das Puppentheater in seiner bisherigen Form zunächst erhalten bleiben sollte und die Finanzierung für 1994 gesichert schien. Trotz dieser Statussicherung stand die Klärung der Rechtsform für das Puppentheater noch aus. Mit der Überführung in einen optimierten Regiebetrieb wurde Mitte der 90er Jahre dem Puppentheater eine erweiterte Eigenverantwortung und Selbstständigkeit ermöglicht. 2006 wurde es dann in einen Eigenbetrieb umgewandelt. Diese Betriebsform ermöglicht dem Haus, finanzielle Ressourcen effektiver zu nutzen und innerhalb des Wirtschaftsplans eigenständiger zu handeln.2 Mit dem Erhalt des Ensemble- und Repertoirepuppentheaters und dessen Wahrnehmung als originäre Kunstform wurde folgerichtig auch eine Aufnahme in den Deutschen Bühnenverein angestrebt. Zudem gelang es, das Puppentheater in die institutionelle Förderung des Landes Sachsen-Anhalt einzubinden.    Ab Ende 1995 legte das Kulturdezernat in rascher Folge Konzeptpapiere mit inhaltlichen Schwerpunktsetzungen für die einzelnen kulturell-künstlerischen Aufgabenbereiche vor. Durch den Stadtrat bestätigt, bildeten diese wiederum die Basis für inhaltlich-strukturelle Weiterentwicklungen sowie für umfängliche investive Maßnahmen. Nachdem das Magdeburger Puppentheater 1958 im Rahmen des nationalen Aufbauwerks der

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DDR mit eher minderwertigen Baumaterialien errichtet worden war und bis 1995 lediglich Werterhaltungsmaßnahmen durchgeführt wurden, konnten nunmehr grundlegende Modernisierungs- und bauliche Erweiterungsmaßnahmen realisiert werden. „A community without art is a community without soul“ (Anonymus) War ab 1990 der Fokus vor allem auf den Erhalt des Ensemble- und Repertoirepuppentheaters als eigenständige Kunstform gerichtet, rückte nunmehr – neben den Investitionsmaßnahmen – die inhaltlich-programmatische Weiterentwicklung des Angebots in den Vordergrund. Obwohl sich das Repertoire des Hauses im Bewusstsein, oftmals die erste Begegnung mit dem Theater zu ermöglichen, bis heute vorrangig an Kinder wendet, wurde das Angebot an Inszenierungen für das Erwachsenenpublikum parallel ausgebaut. Die Besucherzahlen im Abendprogramm verdoppelten sich seit 1995, mit einem Anteil von bis zu 40 Prozent am Gesamtpublikum.    Der Weg zu weichenstellenden Entscheidungsfindungen für das Magdeburger Puppentheater war von intensiven Dialogen mit der Theaterleitung gesäumt. Die künstlerisch-ambitionierte Arbeit des Hauses, die Suche nach grenzübergreifenden Beziehungen zu benachbarten Theaterformen, der Performancekunst oder den virtuellen Medienwelten inspirierte mich über dieses Kunstgenre hinaus: Die Genese neuer Perspektivräume, das Infragestellen scheinbarer Gewissheiten und gesellschaftlicher Entwicklungen, diese kreativkünstlerischen An- und Zumutungen erlebte ich als Quelle für offenes, neues Denken.    Es gibt Schlüsselmomente, die sich emotional in das Gedächtnis einbrennen. Als mich Mitte des Jahres 1996 der Anruf des künstlerischen Leiters des Puppentheaters erreichte, dass Magdeburg für das Jahr 2000 den UNIMA-Weltkongress mit dem Weltpuppenthea-

1 Vgl. „Statusbericht 1995 bis 2005 mit Ausblick“, hg. v. Dezernat für Kultur, Schule und Sport, Magdeburg 2005, S. 124. 2 Vgl. Bildung des Eigenbetriebes „Puppentheater der Stadt Magdeburg“, Drucksache 0279/06, veröffentlicht vom Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Magdeburg, Magdeburg 04.07.2006.


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terfestival zugesprochen bekommen hatte, ergriff mich eine tiefe Freude und Genugtuung über die hiermit verbundene internationale Wertschätzung des Hauses. Zudem sah ich in dieser Entscheidung eine nachdrückliche Bestätigung meiner kulturpolitischen Positionierung. Im Festivaljahr wurde Magdeburg zur Welthauptstadt des Puppenspiels. So vielgestaltig wie keine andere Theaterform präsentierte es sich in 18 Spielstätten mit 68 Figurentheatern aus fünf Kontinenten, begleitet von über 10 000 Besuchern und Festivalbeobachtern.3 Die neun Tage vom 24. Juni bis 2. Juli 2000 habe ich als ein kunst- und lustvolles Statement für die eigenständigen Ausdrucksformen des Puppentheaters erlebt, als ein wirkliches Weltfestival, das dem Magdeburger Publikum neue, überraschende Perspektiven auf diese Kunstform eröffnete. Und das sich auch auf die künstlerische Arbeit des Hauses auswirkte, insbesondere auf die Programmierung des eigenen Festivals.    Bereits Anfang der 90er Jahre hatte das Magdeburger Puppentheater zu internationalen Puppentheaterwochen eingeladen. Diese wurden ab 2003 mit dem internationalen Figurentheaterfestival Blickwechsel inhaltlich neu ausgerichtet und mit einer besonderen Eröffnung verbunden: Nachdem ich in Venedig erfolgreich die Stadt Magdeburg als nächste Ausrichterin der Deutsch-Italienischen Kulturbörse ins Gespräch gebracht hatte, verzauberte im Mai 2003 das Puppentheater seine Gäste mit „La notte de la luna“ im historischen Klosterbergegarten, dem ersten Volksgarten Deutschlands. 140 Mitwirkende gestalteten diese Auftaktveranstaltung zum 5. Internationalen Figurentheaterfestival. Ein unvergesslicher Abend, magisch und besinnlich! Nie wieder begegneten mir bei einer Kulturveranstaltung der Stadt so viele emotional berührte Menschen.    Indem das Festival aktuellen Formen des Figurentheaters verstärkt Raum gab, auch die Vermittlung mit den affinen Künsten suchte, induzierte es Diskussionen 3 4 5

zur Entwicklung dieses künstlerischen Genres. Als Festivalbesucher, und in der Folge auch als Zuschauer bei Inszenierungen des Hauses, konnte man eindrücklich erleben, wie bisher ungesehene Bildwelten aus dem Zusammenspiel zwischen unterschiedlichen Materialien und Figureskem erwachsen. Dies ging einher mit darstellerischer Virtuosität und frischen Ideen, welche die Grenzen zwischen dem „Wesen der Körper“ und dem „Wesen der Dinge“ spielerisch überschritten.4 Gerade in dieser Hinsicht zeigt sich ein spezifisches Kreativpotenzial des Puppentheaters, das inzwischen offenbar auch andere Bühnengenres aufmerken lässt. „Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele“ (Pablo Picasso) Immer wieder war es das Puppentheater, das über sein angestammtes Haus hinaus den Fokus auf andere Stadträume richtete, sich kulturpolitisch vernetzte und eindrückliche Spuren hinterließ. So wie mit der Theaternacht „Schöne Aussicht“ im Engpass: Der Engpass umfasst ein Magdeburger Stadtquartier, das durch den Zusammenbruch des großindustriellen Schwermaschinenbaus nach 1990 von Leerstand gezeichnet war. Mein Anspruch war es zu zeigen, inwieweit über bestehende und neu geschaffene Kultureinrichtungen dieses Quartier belebt und perspektivisch in einen sich selbst tragenden Entwicklungsprozess überführt werden könnte. Zum Gelingen trug wiederum das Puppentheater wesentlich bei, indem es den Buckauer Engpass mit seinen angrenzenden Straßen und leergezogenen Fabrikhallen im Juni 2007, zum Auftakt des 7. Internationalen Figurentheaterfestivals, spektakulär zur Bühne machte. Gemeinsam mit den Bürgern, im Kontext ihrer Lebensgeschichten, mit Geschichte überhaupt, wurde eine Vision für einen Ort mit seinen vergessenen Plätzen, Gärten und Häusern, eine Vision für ein ehemaliges Arbeiterviertel geschaffen. Puppenspieler, Schauspieler, Musi-

Vgl. „Statusbericht“, S. 121–124. Vgl. Rüdiger Koch: „Grußwort“, in: Spielzeitheft 2004/05, hg. v. Puppentheater der Stadt Magdeburg. S. 4. Vgl. „Kulturcharta Magdeburg 2020 – Visionen und Strategien für die Entwicklung von Kunst und Kultur in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts“, hg. v. Kulturbüro der Landeshauptstadt Magdeburg, 2010, S. 32.


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ker und Artisten bespielten, betanzten und bemalten in farbige Lichtspiele getauchte Straßen und Häuser. Die Theaternacht „Schöne Aussicht“ ließ dieses fast aufgegebene Quartier für einen Augenblick zum Montmartre Magdeburgs werden und wirkte tatsächlich nachhaltig – eine Art künstlerischer Akt der Stadtentwicklung.    Auch dass die Städtepartnerschaft zwischen Magdeburg und Nashville in den ersten Jahren dieses Jahrtausends zu den lebendigsten zwischen einer US-amerikanischen und deutschen Stadt zählte, war nicht zuletzt ein Verdienst des Puppentheaters. Zwischen April 2004 und Oktober 2009 fanden Ausstellungen und Gastspiele in Nashville derart große Resonanz, dass die dortige öffentliche Bücherei als Kooperationspartner hierfür in den USA ausgezeichnet wurde. Mit „String City – Nashville’s tradition of music and puppetry“ gab das Puppentheater Nashville im Rahmen des Figurentheaterfestivals 2014 seinerseits ein Gastspiel im Magdeburger Schauspielhaus. „Solange man selbst redet, erfährt man nichts“ (Marie von Ebner-Eschenbach) Die erfolgreiche Nachwendegeschichte des Puppentheaters Magdeburg zeigt beispielhaft: Eine kulturelle Programmatik bedarf für ihre normative Legitimation

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eines vorausgehenden Diskurses mit den vielfältigen Akteuren. Im Bewusstsein, dass sich insbesondere in der Kultur die stetige Selbstreflexion der Gesellschaft über ihre Werte und Standards widerspiegelt, ist eine breite Öffentlichkeit an diesem Diskurs zu beteiligen. Die Kulturcharta 2020 der Landeshauptstadt Magdeburg war Ausdruck dieses öffentlichen Diskussionsprozesses.5 Und natürlich, strukturelle Entscheidungen sollten den inhaltlichen, organisatorischen und finanziellen Aspekten einer Einrichtung dienlich sein.    Erfolg und Umsetzung kulturpolitischer Vorlagen liefen jedoch ohne die herausragenden Leistungen von Intendanz und Gesamtensemble, ohne den stetigen Dialog zwischen Dezernats- und Theaterleitung ins Leere. Erst im Zusammenspiel kulturpolitischen Handelns mit gesellschaftlichen Entwicklungen und dem Engagement der Beteiligten werden Kulturinstitution und -potenzial gestärkt. Auch das ist am heutigen Status des Puppentheaters Magdeburg deutlich ablesbar. D r. R ü d i g e r Ko ch war von 1995 bis 2014 Beigeordneter für Kultur, Schule und Sport sowie von 2008 bis 2014 gewählter Bürgermeister der Stadt Magdeburg. Er ist Ehrenmitglied des Fördervereins Magdeburger Puppentheater e. V. und freut sich auf jede Premiere.

Florian Feisel und Christoph Mäcki Hamann bei Recherchen im Wissenschaftshafen 2011. Foto Jesko Döring


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IST Ei n b licke in d ie t heat erpädagog isch e A r b ei t

ZEUS M a r l en Gei sle r

TOT?!

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Es ist düster im Workshop-Raum des Puppentheaters. Einzig eine kleine Lampe leuchtet. Die elf Spieler*innen des Puppenspielclubs (PSC) Mini und ich sitzen in einem Halbkreis auf dem Boden und lauschen gespannt „Zeus“, der in Gestalt einer pinken Klappmaulpuppe berichtet, wie er zu Tode gekommen ist. Nach und nach melden sich fadenscheinige „Augenzeugen“(ein Maulwurf), skurrile „Tatverdächtige“ (eine verrückte Henne und eine Ziege), ungeschulte „Kriminalbeamte“ (ein in die Jahre gekommener Hase) zu Wort und rekonstruieren den vermeintlichen Tathergang aus ihrer Perspektive. Diese hatten die Kinder innerhalb eines Schreibauftrags zuvor entwickelt, ohne zu wissen, was der andere schreibt. (Irr-)Witzige Verknüpfungen, unlogische Überschneidungen und waghalsige Behauptungen verbinden sich zu einem ganz besonderen Kriminalfall, der in einigen Wochen zum ersten Mal vor Publikum präsentiert und von diesem gelöst werden soll. Bis zur ersten Präsentation gilt es nicht nur Ideen der Kinder zu strukturieren, sondern die Animationstechniken an den sehr unterschiedlichen Klappmaulpuppen aus unserem Fundus zu trainieren: Wie bewegt sich die Puppe? Wie spricht sie? Was ist das Besondere an ihr?    Diese „Nachwuchsförderung“, konzipiert für Kinder zwischen acht und elf Jahren, ist das Herzstück meiner Arbeit – Theater zu machen mit Laien verstehe ich als die Kernkompetenz der Theaterpädagogik. Gemeinsam mit zwei Spieler*innen aus unserem Ensemble und Gästen führe ich den neu gegründeten PSC Mini in wöchentlichen Proben und Intensivwochenenden an das Puppenspiel heran. Ich trete dabei in die großen Fußstapfen unseres bisherigen PuppenSpielClubs (PSC), der sich im Januar 2020 auflöste, da aus den Kindern junge Erwachsene geworden sind, die nun ihre eigenen Wege gehen. Angeleitet von dem Schauspieler und Theaterpädagogen Michael Morche, hatte sich der Jugendtheaterclub des Puppentheaters Magdeburg zu einem beeindruckenden Ensemble entwickelt, das mehrfach ausgezeichnet wurde, zuletzt im September 2019 mit dem im Zweijahrestakt an Produktionen des Amateurfigurentheaters vergebenen Fritz-Wortelmann-Preis der Stadt Bochum.    Die Begründung der Jury beschreibt sehr gut, was engagierte theaterpädagogische Anleitung auszulösen vermag: „Die Inszenierung ‚Wie ich zum besten Schlagzeuger der Welt wurde – und warum‘ besticht durch ihre Spielfreude. Das Ensemble traut sich zu, ein gesellschaftliches Tabuthema [Krebs] mit Leichtigkeit und durchaus mit Humor zu behandeln. Faszinierend ist die handwerkliche Präzision, mit der durchgehend zu Werk gegangen wird: Das gilt für den Figurenbau, die Figurenführung, den Einsatz von Sprache, die körperliche Präsenz, das flexible Bühnenbild sowie die federleicht wirkenden Arrangements. Das Ensem-


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ble hat eine literarische Vorlage in Gemeinschaftsarbeit gekonnt zu einer Theaterfassung umgearbeitet und dabei eigene biografische Elemente eingeflochten.“ (www.fidena.de) Mehrwert: Freude über das Entdeckte Nachdem ich die Kinder des PSC Mini verabschiedet habe, wische ich den Boden, den ich für die Probe kurzerhand zweckentfremdet und mit Angaben und Fragen zum möglichen Tathergang und potenziellen Tätern beschriftet hatte, und gestalte den Workshop-Raum für die Inszenierungsvorbereitung am nächsten Tag um. In dieser eineinhalbstündigen Vorbereitung gilt es, die teilnehmenden Kinder behutsam an Inhalt und Ästhetik der ausgewählten Inszenierung heranzuführen. Dabei werden sie selbst zu Protagonist*innen eines Theaterbetriebs und setzen sich oder verschiedene Puppen(-arten) als Regisseure, Puppenspieler, Bühnenbildner usw. innerhalb einer konstruierten Konzeptionsbesprechung in Szene. Assoziativ entwickeln die Kinder auf diese Weise szenische Ideen zu einem Stück, das sie noch nicht kennen, aber gleich sehen werden.    Vor- oder Nachbereitung, Premierenklassen und Probenkinder ermöglichen eine aktive Beteiligung am Theater, seinen Themen, Diskursen, Denk- und Spielräumen und öffnen den Blick für die Besonderheiten des Puppen-/Figuren- und Objekttheaters. Kern unserer theaterpädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, aber auch Erwachsenen ist es, Erfahrungsräume zu schaffen, innerhalb derer sie die Möglichkeit bekommen, die Dinge, das Material, die Puppe spielerisch zu erforschen. Der Mehrwert dieser (oft mit einer gewissen Überforderung verbundenen) Erfahrung liegt in dem Moment der Freude über das Entdeckte, aber auch im neugierigen Erkennen, „wie schwer das eigentlich ist“, was auf der Bühne so leicht erscheint: aus einer Puppe, einem Ding ein lebendiges Gegenüber zu erschaffen. Diese Erfahrung beeinflusst spürbar das Theatererlebnis der Kinder. Die Teilnehmer*innen werden zu Kompliz*innen der Spieler*innen, und je öfter sie zu uns kommen, desto mehr auch zu Wahrnehmungsexpert*innen.

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Mit Fortbildungen Neugier wecken Gespräche mit Pädagog*innen zeigen, wie sehr es auch für die Lehrer*innen und Erzieher*innen selbst einer spezifischen, die Besonderheiten des chamäleonartigen Genres Figurentheater mitbedenkenden „Vermittlungsarbeit“ bedarf. Kaum eine andere Kunstform innerhalb der darstellenden Künste sieht sich so vielen Klischees und Vorurteilen gegenüber wie das Puppenund Figurentheater – was sich auch in der Bewertung der Inszenierungen widerspiegelt. Dies führt(e) nicht selten dazu, dass die Erwartungen der erwachsenen Besucher*innen (vornehmlich Pädagog*innen), wie Puppentheater und Theater allgemein zu sein hat, mit den Vorstellungen des Theaters, was Figurentheater ist und sein kann, kollidier(t)en. Das beginnt schon bei den Stückinhalten. So können unbequeme Themen, wie Tod oder Mobbing, durchaus Ursache dafür sein, dass bestimmte Puppentheaterinszenierungen erst gar nicht besucht werden.    Bei unseren Fortbildungen ist es wichtig, dass Pädagog*innen uns als Verbündete wahrnehmen – und umgekehrt. Während die Fortbildung „KostProbe“ Einblicke in die Neuinszenierungen und Input durch die Dramaturgie und Theaterpädagogik gibt, geht es in „F.B.I.“ – einer Fortbildung mit Bezug auf eine ausgewählte Inszenierung – ausschließlich um ein Thema oder eine Figurenart. Diese Formate wollen informieren, methodische Hilfestellung leisten, sensibilisieren und die Neugier auf zeitgenössische Diskurse und das Genre wecken. Um ein Beispiel zu nennen: Im Rahmen der Inszenierung „Nur ein Tag“ nach Martin Baltscheit (bei der eine Eintagsfliege eine besondere Rolle spielt) ging es innerhalb des F.B.I. um das Thema Sterben. Eine Sterbebegleiterin referierte nicht nur zum kindlichen Verständnis von Sterben und Tod, sondern machte den Pädagog*innen Mut, sich mit dem Thema innerhalb des Unterrichts zu beschäftigen.    Ein anderer Baustein ist das praktische Heranführen an das Thema Puppe durch externe Figurenspieler*innen und -gestalter*innen. Die teilnehmenden Pädagog*innen lernen nicht nur, eine bestimmte Pup-


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Nach einer Vorstellung des PSC, 2018. Foto Marlen Geisler


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penart, wie zum Beispiel die Klappmaulpuppe, herzustellen, sondern auch, sie in ihrem eigenen pädagogischen Kontext anzuwenden. I n t e r a k t i v, i n t e r d i s z i p l i n ä r , interkulturell Die 2012 am Puppentheater eröffnete FigurenSpielSammlung bildet ein weiteres Feld unserer Arbeit. Ein besonderes Augenmerk liegt hier auf der Entwicklung interaktiver Formate für Kinder und Familien. „Geschichten zur Dämmerung“ beispielsweise – ein Angebot für Menschen ab sechs Jahre und ihre Familien – lässt die Besucher*innen selbst zu Expert*innen für „paranormale Phänomene“ werden und auf die Suche nach Geisterspuren gehen. Die Räume der FigurenSpielSammlung, ebenso wie einige sonst nicht zugängliche Räume des Theaters, werden dafür zu Spielorten geheimnisvoller Figuren, die ihre eigene Geschichte aus 60 Jahren Puppentheater zu erzählen wissen. Ein selbstverantwortlich entwickeltes Konzept, gemeinsam mit dem Ensemble und den Gewerken umgesetzt. Mittlerweile ist dieses Format zwischen Theaterpädagogik, Museumsführung und interaktiver Inszenierung Bestandteil unseres Spielplans. Und es möchte, wie all unsere theaterpädagogischen Aktivitäten, auch Hemmschwellen abbauen – gerade für diejenigen, denen der Zugang zu Kunst und Bildung oft versperrt oder zumindest erschwert ist.    Bereits seit längerem beschäftigt sich das Puppentheater, insbesondere die Theaterpädagogik, immer wieder mit der Forderung nach kultureller Bildung und der Frage, inwieweit Theater gesellschaftspolitisch agieren muss. Die KinderKulturTage, die seit 2007 vom Puppentheater und der JugendKunstSchule ausgerichtet werden, könnte man als beispielgebend dafür bezeichnen: In SachsenAnhalt sind knapp 75 000 Kinder und Jugendliche von Armut betroffen, ihre Möglichkeiten zu gesellschaftlicher Teilhabe sind dadurch ebenso eingeschränkt wie ihre Bildungschancen. Die Teilnahme an den KinderKulturTagen mit ihren inzwischen über 50 Workshop-Angeboten ist nicht zuletzt deshalb für alle Kinder und Jugendlichen (und deren Familien) kostenfrei.

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Auch theaterpädagogische Sonderprojekte des Puppentheaters wie „Das Haus“ und „Breaking the Walls“ gründen im Selbstverständnis einer kulturpolitischen Verantwortung. 2015 bis 2016, im Jahr der von bestimmten Kreisen sogenannten Flüchtlingswelle, realisierten wir, der Tänzer Christian Sasse, der Schauspieler Michael Morche, die Journalistin Melanie Schwitzer, der Puppenspieler Nasir Formuli und ich, ein interkulturelles Theaterprojekt mit geflüchteten und deutschen Jugendlichen zwischen acht und 18 Jahren. Über Improvisationen entwickelten wir eine Geschichte aus Erlebtem und Erfundenem, die die Grundängste und besonderen Bedürfnisse der Teilnehmer*innen behandelte, ohne explizit die Fluchtgeschichten in den Vordergrund zu stellen. Zu diesem Zeitpunkt konnten wir kaum auf Sprache, auf Worte zurückgreifen. Doch im Tanz, insbesondere im Breakdance, sowie im Masken- und Puppenspiel fanden wir eine gemeinsame theatrale Ausdrucksweise. Der Erfolg spricht für sich: „Das Haus“ erhielt 2017 einen Sonderpreis für die gelungene Integrationsarbeit von der Landesvereinigung kulturelle Kinderund Jugendbildung S/A e.V. (LKJ); das Nachfolgeprojekt „Breaking the Walls“ (2018), das gemeinsam mit Christian Sasse und Julia Raab performative Strukturen in Tanz und Maskenspiel untersuchte und dabei jugendlichen Einsamkeitsgefühlen nachging, errang den ersten Platz des Kinder- und JugendKulturPreises Sachsen-Anhalt des LKJ 2019.    Es ist wieder Donnerstag und während ich den Workshop-Raum für die Probe mit dem PSC Mini vorbereite, überlege ich mir, welche der Übungen, die ich vor wenigen Tagen in einer Weiterbildung zum Figurenspiel am Figurentheater-Kolleg in Bochum gelernt habe, ich anwende. Plötzlich knallt die Tür auf. Die ersten Kinder stürmen auf mich zu und reden durcheinander: „Marlen, Marlen … mir ist noch was zu dem Krimi eingefallen! Wie wäre es, wenn …“ M a r l e n G e i sl e r arbeitet seit 2015 für das Puppentheater Magdeburg und ist seit 2018 leitende Theaterpädagogin des Hauses.


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IM Di e Jugendkunst schul e des Puppent heat ers M a r i anne Frit z

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WECHSE LSPIEL

„Als im Oktober 1990, in der Zeit des gesellschaftlichen Aufbruchs, einige Enthusiasten den Antrag stellten, eine Jugendkunstschule in Magdeburg zu etablieren, war noch nicht abzusehen, daß sich aus diesem Projekt eine Institution entwickeln sollte, die zum ersten Anlaufpunkt aller kunstinteressierten Kinder und Jugendlichen der Stadt wird.“1    1991 fanden sich Pädagog*innen, Künstler*innen und Eltern in einem Förderkreis zusammen. Als Ziel formulierten sie: „Kulturelle Bildung soll für die Kinder und Jugendlichen der Stadt zugänglich gemacht werden, inhaltlich frei von politischen Strukturen.“ Daraufhin entstand, geleitet von den Kunstpädagoginnen Angela Weidt und Sabine Kaftan, mit dem Haus KLE der erste kreative Ort. In einer alten Villa wurden Arbeitsgemeinschaften über bildende Kunst, darstellende Kunst und Musik für Kinder und Jugendliche angeboten. Seit dieser Aufbruchszeit arbeitet die Jugendkunstschule eng mit Künstler*innen aus der Region zusammen. Zunächst in einer Art Experimentierfeld: Frischgebackene Dozent*innen und ihre Kurskinder entdeckten miteinander Ausdrucksmöglichkeiten, in Kunstklassen und Familienworkshops. Jahresprojekte wurden entwickelt. Besuche im Puppentheater gehörten schon bald dazu. Kinder ab vier Jahren beobachteten die Probenarbeit und zeichneten im Theater.    Im Jahr 2000 kam es zur ersten Kooperation. Anlass war der UNIMA-Weltkongress mit dem Weltpuppentheaterfestival, ausgerichtet in Magdeburg. In der Vorbereitungszeit sahen Kindergruppen Inszenierungen an, besuchten die Werkstatt des Theaters und konnten immer wieder mit den Theaterleuten sprechen. Was heute selbstverständlich ist, war damals neu. Das Kennenlernen der künstlerischen Prozesse, die zu einer Inszenierung gehören, erwies sich als äußerst anregend und floss in die Aktionsausstellung „Puppenwelten“ ein. Daran beteiligten sich alle Gruppen der Jugendkunstschule. Im Haus KLE bauten Kinder und Jugendliche mit ihrem Blick auf das Thema Puppe eine überraschende, bespielbare Landschaft. Während des Festivals konnten die Ausstellungsbesucher*innen unter anderem Miniaturwelten durch Gucklöcher entdecken, in geräumige Königsmäntel schlüpfen und dabei zur Märchenfigur werden oder riesige Masken aus Keramik erkunden. Sowohl die Künstler*innen als auch ihre Kurskinder gewannen neue Erkenntnisse darüber, welche erstaunliche Wirkungen Puppen als bildnerisches Werk und Spielmaterial zugleich entfalten können. Für ihre Unterstützung wurden die Partner*innen im Puppentheater belohnt: Die unbefangenen, fantasievollen Exponate der Ausstellungen im Haus KLE regten auch ihre Arbeit an, besonders in der Theaterpädagogik. Unterschiedliche Gedankenund Gestaltungswelten Ausstellungs- und Vorstellungsbesuche unterscheiden sich voneinander. Im Theater verfolgen die Zuschauer*innen meist sitzend eine Handlung im Augenblick ihres Entstehens. Ist die Geschichte auserzählt, dann ist Schluss für alle. Die Puppenspieler*innen verbeugen sich und werden mit Applaus entlassen. Das Publikum geht nach Hause oder in die Nachbereitung, erinnert sich beschwingt, nachdenklich, auf- oder angeregt.    In einer Ausstellung bewegen sich die Besucher*innen im eigenen Rhythmus zwischen Werken und durch Räume. Dabei erschließen sie eine Bilder- und Ideenwelt, die nicht gleich wieder verschwindet. Für eine Jugendkunstschule schließlich sind Ausstel-


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lungsstücke das, was öffentlich sichtbar bleibt nach einem Kunstunterricht, für den es keine Zensuren gibt und den der Maler Reinhard Rex als „ein Spiel der freien Kräfte“ bezeichnet. Aus dem Hineinfinden in die Gedanken- und Gestaltungswelt der jeweils anderen Einrichtung erwuchsen Gemeinsamkeiten und eine Nähe, die 2004 dazu führte, dass sich das Puppentheater offiziell zur Jugendkunstschule bekannte: Im Rahmen eines Strukturwandels in der Stadtverwaltung nahm das Theater die Jugendkunstschule als feste Abteilung auf.    Seit 2006 befindet sie sich in einer für ihre neue Zweckbestimmung umgebauten und modernisierten ehemaligen Feuerwache. Gemeinsam mit dem Fachbereich Rock-Pop-Jazz des Konservatoriums Georg Philipp Telemann ist in einem strukturschwachen Stadtteil ein lebendiges Zentrum vielfältiger kreativer Selbstbetätigung für Kinder und Jugendliche entstanden, das Thiem20 – Haus für Junge Kunst. Kurz ist der Weg aus dem Puppentheater dorthin – gut für Austausch und interdisziplinäre Angebote. So arbeitete zum Beispiel der Puppenspieler, Regisseur und Ausstatter Frank Alexander Engel 2006 in den neuen Räumen mit Schulkindern zum Thema Wasser. Gebaut wurde eine Miniatur-Nautilus. Und dann eine Spielszene dazu inszeniert. Jugendkunstschule und Blickwechsel Höhepunkte des Wirkens als Jugendkunstschule des Puppentheaters waren in den Festivaljahren 2007 und 2011 zu erleben. Zur Eröffnung des Internationalen Figurentheaterfestivals Blickwechsel 2007 – Motto: „HölleHimmel“ – unterstützte die Jugendkunstschule eine Gruppe Studierender der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin unter der Leitung des Objekttheaterkünstlers Peter Ketturkat bei der Installation „Haus des Hades“ im Buckauer Engpass. Im Rahmen des opulenten Gesamtkunstwerks, das leerstehende Wohnhäuser und Ladengeschäfte für eine Nacht zu theatralem Leben erweckte, widmete sich „Haus des Hades“ den Berührungspunkten von Mythen und Hinterlassenschaften ehemaliger Bewohner*innen.

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Im gleichen Jahr übernahm die Jugendkunstschule die künstlerische Leitung der 1. KinderKulturTage, die das Puppentheater für die Landeshauptstadt organisierte. Sie finden seitdem biennal in Magdeburg statt.    2011 stand das Internationale Figurentheaterfestival unter dem Motto „Unheilig“. Zur Eröffnung im Magdeburger Wissenschaftshafen feierte die Jugendkunstschule gemeinsam mit ihren Dozent*innen, der Kunstklasse Malerei unter Leitung von Uwe Wendler und Mitgliedern des Fördervereins der Jugendkunstschule eine ungewöhnliche Premiere. In das stillgelegte Umspannwerk des ersten Magdeburger Elektrizitätswerks zogen sie als „Heilige Mieter“ ein. Als Projektleiterin hatte ich mir überlegt, die sehr langen Gänge mit fenster- und türlosen Boxen so zu besiedeln, als wären sie die einzig möglichen Wohnungen in einer ungewissen Zukunft nach existenziellen Bedrohungen durch Krieg, Naturkatastrophen oder Epidemien. Mit ausgedientem Mobiliar wurde die Industrieruine aus dem 19. Jahrhundert eingerichtet. In den Boxen hielten die „Heiligen Mieter“ öffentlich Haushalt und luden die Festivalbesucher*innen zum Bleiben ein. Tausende Gäste wurden zu temporären Mitbewohner*innen.    Wer als Kind, Jugendliche*r oder Erwachsene*r in der Jugendkunstschule lernt und kreativ wird, nimmt etwas mit. Und manchmal kommt ein ehemaliges Kurskind zurück. So war die Magdeburger Künstlerin Dorothea Hertel von 1999 bis 2002 Kunstklassenschülerin im Haus KLE. Nach einem Auslandsaufenthalt in Neuseeland studierte sie an der Burg Giebichenstein, Kunsthochschule Halle. Seit 2012 arbeitet sie im eigenen Magdeburger Atelier. Als Dozentin der Jugendkunstschule gibt sie heute ihr Wissen und ihre Erfahrung weiter. Mit schöpferischer Kraft. M a r i a n n e Fr i tz , bildende Künstlerin, Erzählerin und Theaterpädagogin, hat mehrfach für das Puppentheater Magdeburg gearbeitet – unter anderem als künstlerische Leiterin der 1. und 2. KinderKulturTage.

1 Dr. Rüdiger Koch, Beigeordneter für Kultur, Schule und Sport: aus dem Grußwort zum zehnjährigen Bestehen. 2001.


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EIN JOURNAL

FÜR

Th e a te ra rb e it fü r d a s Pu b lik u m a n d e rs e rfa h rb a r ma ch e n

Pe tra Sze ma ch a

DAS

TH EAT ER

Große Theaterhäuser wie das Staatstheater Stuttgart, das Nationaltheater Mannheim, die Schauspielhäuser in Bochum und Düsseldorf haben es: ein theatereigenes Magazin. Während Fachpublikationen eine Außensicht auf Theater liefern, entstehen diese Zeitschriften innerhalb der Häuser. Obwohl Spiel und Performance für ein Publikum ihr Metier sind, begegnen Theater einer Öffentlichkeit seit Jahrhunderten im Umfeld von Aufführungen mit dem schriftlichen Wort. Gemeint ist nicht die Fülle dramatischer Texte von Autor*innen oder im Entstehungsprozess einer Aufführung entstandene Texte einer (multiplen) Autorschaft, sondern sie begleitende Publikationen. Ve r ö f f e n t l i c h u n g e n : infor mativ und programmatisch Über Programmhefte und Plakate hinaus publizieren Theater unter anderem Flyer, Spielpläne, Spielzeithefte mit einer umfänglichen Saisonvorschau. Theater lassen drucken wie verrückt und sie veröffentlichen im Web und via Social Media. Im Rückblick bekommen vor allem die gedruckten Veröffentlichungen einen – mal größeren, mal kleineren – historischen Wert. Denn sie tragen eine Spur von einem verflüchtigten, nicht mehr zu erlebenden Etwas: der Inszenierung.    Vor zehn Jahren entschied sich das Puppentheater Magdeburg mit dem „Journal PUPPE“ für eine zusätzliche Publikation. Zugegeben, das Theatermagazin ist keine Magdeburger Erfindung. Das Deutsche Theater in Berlin brachte ab 1911 die „Blätter des Deutschen Theaters“ unter der Leitung von Max Reinhardts Dramaturgen Arthur Kahane und Felix Hollaender heraus.1 Die Idee einer Programmschrift taucht seither immer wieder in der Theaterwelt auf. Die Leitung der Häuser, die sich dazu entscheiden, muss darin Sinn und Gewinn sehen, bedeutet sie doch einen erheblichen Aufwand. Die Überlebensdauer von Theatermagazinen ist nicht selten geknüpft an die von Intendanzen und/oder künstlerischen Leitungen. Vo r g ä n g e r Im Archiv des Puppentheaters Magdeburg liegen zwei Vorgänger der „PUPPE“. 1965 brachte die Leitung des städtischen Puppentheaters Magdeburg die Nr. 1 der „Mitteilungen“ heraus. In einem kleinen A5-Heft wurden auf acht Seiten neben Texten zu einer kommenden Inszenierung ein neues Ensemblemitglied vorgestellt, über eine Koproduktion des Hauses mit


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dem „Deutschen Fernsehfunk“ berichtet und schließlich über den Kulturaustausch mit einem Bulgarischen Puppentheater. Dieses Thema wurde in weiteren zwei Heften fortgeführt. Die vier Ausgaben der „Mitteilungen“ – alle aus der zweiten Hälfte der Spielzeit 1964/65 – boten mit ihren Berichten, ganzseitigen Porträts, Kurzmitteilungen und Auszügen aus Rezensionen zusätzlichen Lesestoff, über die ohnehin publizierten Programmhefte hinaus. Vier inhaltlich ähnlich orientierte Ausgaben in der darauffolgenden Spielzeit tragen den Titel „das kleine theater“ und sind als Fortsetzung der „Mitteilungen“ zu lesen.    Zu jener Zeit hatte das Puppentheater Magdeburg keine*n Dramaturg*in unter Vertrag. Die Herausgabe des Magazins ist auf das Engagement des jungen Ensemblespielers (und späteren Intendanten) Dieter Peust zurückzuführen, der als verantwortlicher Redakteur zeichnete und zusätzlich dramaturgische Aufgaben übernahm. Neben fest engagierten Künstlerinnen2 schrieb auch Inge Borde-Klein, Sachbuchautorin zum Thema Puppentheater und Dramatikerin, Beiträge für die Hefte. Spätestens ab Juli 1965 diente der Titel des Magazins „das kleine theater“ als Eigenbezeichnung für das Städtische Puppentheater Magdeburg. Unter diesem Label wurden Werbematerial3, ab 1967 Programmhefte, Plakate und ein Jahr später inszenierungsbezogenes Informationsmaterial der Abteilung Pädagogik/Organisation veröffentlicht. Das Theatermagazin hingegen wurde eingestellt. Ein weiterer Versuch wurde zu DDRZeiten nicht unternommen.    Nach der friedlichen Revolution, in den „Zeiten des Um- und Aufbruchs“, wollte das Puppentheater mit seinen Zuschauer*innen „auch vor und nach den Aufführungen im Gespräch bleiben“4 und gab dafür im Mai 1990 – noch unter der Intendanz von Elke

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Schneider – eine eigene Zeitung heraus. Der Untertitel „Überparteiliches Extrablatt der anhaltischen Holzköppe“ lässt bereits den Humor erahnen, der sich in den Beiträgen dieser Theaterzeitung wiederfindet. Eine Melange diverser journalistischer Formen bot neben Informationen vor allem kurzweilige, leichte Lektüre. Elke Schneider wechselte im Sommer als Intendantin an die Staatsoperette Dresden. Es blieb bei der einmaligen Ausgabe des „Magdeburger Puppen Kuriers“. Dramaturgie und Redaktion Während seit 1990 am Puppentheater Magdeburg kontinuierlich eine Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit bestand, war die einer Dramaturgie lange Zeit keine Selbstverständlichkeit. Erst zum Jahresbeginn 2008 gelang es wieder, eine Stelle explizit für eine*n Dramaturg*in zu etablieren. Mit dem zweiten Dramaturgen, der anderthalb Jahre später hinzukam, konnte Frank Bernhardt, künstlerischer Leiter seit 2001, seine Pläne von einem Theatermagazin statt eines Spielzeitheftes verwirklichen. Der Wunsch, für Visualisierungen bevorstehender Premieren nicht mehr mit Platzhaltern arbeiten zu müssen, war der erste Anstoß zur vierteljährlichen Publikation. Mit einem Erscheinungsdatum näher an der Produktion standen Fotos von bereits gebauten Puppen oder Objekten zur Verfügung. Dies kam dem Bedürfnis entgegen, „die Theaterarbeit anders erfahrbar zu machen, mit seltsam gelegten Erwartungen gegenüber dem Genre zu brechen und ein Bild von zeitgenössischem Puppentheater zu vermitteln“5. Nicht nur durch das Journal, sondern auch über kleinere Formate im Spielplan sollte dem Publikum mittels Geschichten und Gesichtern des Hauses nahegebracht werden: Hinter der Institution Theater und dem Spielplan stecken Menschen, die dafür arbeiten, dass Auffüh-

1 Renate Heuer: „Kahane, Arthur“, in: Neue Deutsche Biographie 11, 1977. 2 Namentlich genannt sind Spielerin und Puppengestalterin Jutta Balk, Spielerin Gisela Reyer, Spielleiterin Gisela Wahlberg und die Regieassistentin Inga Diez mann (später Köhler). 3 Die ältesten Publikationen mit der Eigenbezeichnung sind die Premieren- und Spielplanübersicht: „‚das kleine theater‘ magdeburg bringt 1965/66“, 7/1965, und: Leitung des Städtischen Puppentheaters Magdeburg: „wir kommen. das kleine theater. Magdeburg“, 5/1967. 4 „Magdeburger Puppen Kurier. Überparteiliches Extrablatt der anhaltinischen Holzköppe“, Magdeburg Mai 1990, 1. 5 Ebd.


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rungen erlebbar sind. In den Rubriken „Menschenbild“ und „Gastarbeiter“ wurden bisher 80 Persönlichkeiten, Mitarbeiter*innen aus allen Gewerken und Gäste des Hauses, mit ihren Gedanken zur Theaterarbeit und ihrer Tätigkeit am Haus vorgestellt.    Tim Sandweg, Dramaturg und Redakteur des Theatermagazins bis Sommer 2014, stellte dem Editorial der ersten Ausgabe folgendes Zitat des Regisseurs Jürgen Gosch aus der „Zeit“ voran: „Wenn man einmal anfinge, sich mit dem Theater ernsthaft auseinanderzusetzen, dann würde man sich ja zwangsläufig mit der ganzen Welt befassen müssen.“ Er wählte es als Einstieg zur Reflexion über das Spielzeitmotto „über:leben“. Im Rückblick ist es hervorragend geeignet, dem Projekt „PUPPE“ voranzustehen. Die Autor*innen des Puppentheatermagazins berühren in ihren Beiträgen unzählige Themen, angestiftet immer durch ihren Gegenstand: Theater, an diesem Haus ein Theater der animierten Dinge, der Puppen, Figuren, Objekte, Materialien – mit großer inhaltlicher Bandbreite.    Im „Lampenfieber“, einer prominenten Rubrik des Journals seit dem ersten Heft, zeigen die Texte in ihrer Vielfalt, dass diese Rubrik nicht allein einer Premierenankündigung dient. Denn Informationen sind nur ein Teil des „Lampenfiebers“. Selten liegt der Probenstart vor Redaktionsschluss. Die/der produktionsbetreuende Dramaturg*in kann nicht aus einer bereits begonnenen Umsetzung schöpfen, sondern lediglich aus einer konkreten Idee, aus dem künstlerischen Austausch mit der/dem Regisseur*in, dem Wissen um eine gewählte Form, um Spielweisen, -mittel und Musik. So wird die anstehende Produktion zum Ausgangspunkt für Assoziationen, Abschweifungen, für ein Weiterdenken bis hin zu brennenden Themen, die vielleicht nur einen vagen Berührungspunkt mit der Inszenierung aufweisen. Die Autor*innen sind frei in ihren Texten und zugleich unfrei. Immer gilt es, die Balance zu halten zwischen der Verfolgung eines Gedankens und der Ankündigung einer bevorstehenden Premiere.    Hier zeigt sich im Kleinen, was für das ganze Heft gilt: Der „Lampenfieber“-Text soll neugierig machen auf die Premiere, das Magazin auf das Puppentheater

Magdeburg. Es soll lesenswerte Lektüre bieten, aber auch Menschen ins Theater locken. Werbung soll es nicht sein, auf keinen Fall so aussehen. Es ist ein Theatermagazin. Also alles andere als Werbung!? Die Magdeburger Leser*innen des Journals und die aus der Region lesen die „PUPPE“, weil sie mehr erfahren wollen von dem, worauf sie hungrig sind: Theater. Sie haben Puppentheaterhunger und mit der Lektüre wird er größer. Den werbenden Effekt gilt es auszutarieren. Nicht ohne Grund liegt die Redaktion in den Händen der Dramaturgie. Eine bewusste Entscheidung der künstlerischen Leitung des Hauses.    Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, die Leser*innen vor der Autorin dieses Beitrags zu warnen: Sie ist Redakteurin der „PUPPE“ in dritter Generation und fest engagierte Dramaturgin am Puppentheater Magdeburg. Die Betrachtung des Gegenstands aus freier Distanz ist also nicht gegeben, zu sehr ist sie involviert. Für sie ist der große Gewinn eines Theatermagazins der Raum, in dem künstlerische Intentionen formuliert und das eigene Tun über eine einzelne Inszenierung hinausgehend reflektiert werden kann. Künstlerische Entwicklung i m S p i e g e l v o n Te x t u n d L a y o u t War der Anstoß für die „PUPPE“ ein praktischer, so wirkt er doch als programmatischer zugleich. Selbstbewusst nennt das Puppentheater Magdeburg sein Theatermagazin „Journal PUPPE“. Aktuelle Fragen, die das Genre am Haus aufwirft, werden eruiert, Formen und Spielweisen tauchen als Themen in den Beiträgen immer wieder auf, und im „Mutmacher“ berichten Theaterpädagog*innen von ihrer Arbeit. Seit 2012 werden auch in der villa p. stattfindende Sonderausstellungen angekündigt und in der Rubrik „Spurensuche“ einzelne Objekte der FigurenSpielSammlung mit Achtsamkeit für Details vorgestellt.    Mit der künstlerischen Entwicklung des Hauses und dem Wechsel der Redakteur*innen gingen auch immer wieder Veränderungen einher, sowohl in den Rubriken als auch im Erscheinungsbild. Als signifikantes Beispiel dafür stehen die Titelbilder: Zu der ins


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Titelseiten des Journals PUPPE. Titelfoto Nr. 41, 42, 44 Kerstin Groh, Nr. 45 Jan Welchering

rechte Licht gerückten Puppe gesellten sich ab der 21. Ausgabe Spieler und Spielerinnen. Ein Dutzend Hefte später, in der Spielzeit 2017/18, schuf die Fotografin Kerstin Groh, inspiriert durch Ideen des Ensembles, expressive Bildkompositionen von Spieler*in und Figur. Die ganze Kreativität und Energie von Atelier, Ensemble und der Fotografin waren für die Fotoshootings der darauffolgenden beiden Spielzeiten gefragt, um mit den speziellen Mitteln des Puppentheaters und dem szenischen Blick der Künstlerin Groh das jeweilige Spielzeitmotto ausdrucksstark in einer Fotoserie zu visualisieren. Seitdem beschränkt sich die Reihe nicht auf Titel fürs Journal, sondern liefert auch ein Motiv für das Imageplakat der Spielzeit. In der bildnerischen Umsetzung dieser einen Gedanken verdichtenden Spielzeitmotti geben sich mit Hilfe der Fotografin Dramaturgie und Öffentlichkeitsarbeit die Hand.

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Mit solchen Partner*innen, gelegentlichen Gastautor*innen und der Agentur genese, die sich um das Layout der „PUPPE“ kümmert, erlebt das theatereigene Journal seine elfte Spielzeit. Die konstante Auflage von 3000 kostenlosen Exemplaren vertreibt das Theater selbst. Um eine stetige Herausgabe verfolgen zu können, sind eine Redaktion nötig, ständige Autor*innen, unter ihnen inzwischen drei Dramaturginnen aus den eigenen Reihen, und der unumstößliche Wille der Theaterleitung zu dieser Publikation. D r. Pe tra Sze m a ch a ist seit 2017 Dramaturgin am Puppentheater Magdeburg. 2019 erschien ihre Publikation „Tamasa-Wandertheater. Dramaturgie einer indischen Volkstheatertradition aus Maharashtra“ mit aus dem Marathi übersetzten Theatertexten.


Die Pyromantiker Versailles reloaded bei La Notte ‌ Buckauer Fantasie/Festival Blickwechsel 2014. Foto Jesko DÜring


F E S T I VA L


beide Seiten: La Notte … vor Anker im Schiffshebewerk/Festival Blickwechsel 2009. Fotos Jesko Döring




linke Seite oben: La Notte … ein Mitternachtspicknick am Salbker See/Festival Blickwechsel 2018. FotoWenzel Oschington linke Seite unten: La Notte … zu neuen Ufern im Wissenschaftshafen/Festival Blickwechsel 2011. Foto Jesko Döring rechte Seite: La Notte … ein Mitternachtspicknick am Salbker See/Festival Blickwechsel 2018. Foto Jesko Döring


Gruppe 38 (DK) Hans Christian – du musst ein Engel sein/Festival Blickwechsel 2014. Foto Jesko DÜring


Russian Engineering Theatre AKHE (RU) Pook & Prakh/Festival Blickwechsel 2016. Foto Vladimir Telegrin


Meinhardt&Krauss Room/Festival Blickwechsel 2014. Foto Andreas Meinhardt


Akram Khan Dance Company Chotto Desh/Festival Blickwechsel 2016. Foto Richard Haughton Seite 114/115: Kob/KieĂ&#x;ling/DrĂźnert (DE/CH) Ghostcity/Festival Blickwechsel 2014. Foto Donata Ettlin




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MIT Das Fest i val Blick we ch se l al s Hor i zont erwe ite re r f ür Publikum u n d Ha u s

Seit der Ausgabe von 1995 kuratiert Frank Bernhardt das Internationale Figurentheaterfestival Blickwechsel, elf Ausgaben mittlerweile. Zahlreiche neue Akzente wurden in diesen 25 Jahren gesetzt. Seit 2003 eröffnet das Festival mit „La Notte“, der inzwischen Legendenstatus erreicht habenden Außenbespielung von so unterschiedlichen Orten wie dem Klosterbergegarten, dem Schiffshebewerk oder dem Buckauer Engpass. 2016 und 2018 wurde das Festival vom Symposium „Aufbruch“ begleitet, 2018 von der Masterclass Regie im Theater mit Puppen – allesamt Instrumente, um dem Puppen-, Figuren- und Objekttheater nach außen mehr Gewicht zu verleihen und innerhalb der Szene größere Dynamiken auszulösen. Grundsätzlich geht es Bernhardt mit Blickwechsel darum „zu zeigen, welche Dimensionen das Theater der Puppen, Figuren und Objekte haben kann, dabei die Sicht des Publikums zu erweitern. Denn wenn du experimenteller werden willst, musst du die Menschen mitnehmen. Und natürlich geht es auch darum, dem Ensemble bzw. dem gesamten Haus zu zeigen, was alles möglich ist, darum, Impulse zu setzen für die Arbeit am eigenen Spielplan“, erklärte er sein Anliegen. Ein Festival also als hochkarätiges Theater-Fest für die Stadt Magdeburg sowie als Weiterbildungs- und Anregungsprogramm für die eigenen Künstler*innen. Und nicht zuletzt als Podium und Ort der Begegnung für international arbeitende junge Künstler*innen des Genres. „Viele Blickwechsel-Festivals waren mit Begleitprogramm kuratiert, mit der Präsentation internationaler Theaterhochschulen, Workshop-Angeboten und Diskussionsformaten. Zum Sehen gehört unbedingt das Reden

NEUEM Tom Must roph

KO N F R ONT IER E N !


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und der Austausch, wenn vom Magdeburger Puppentheater und Festival Impulse in die Szene ausgehen sollen“, so Bernhardt.    Als eine Besonderheit des Blickwechsel-Festivals nennt er die inhaltlichen Themensetzungen der jeweiligen Ausgaben. Damit sollte „unter anderem Aufmerksamkeit geschaffen werden dafür, dass Puppen- und Figurentheater sich als ebenso politisch und sozial engagiert begreift wie jede andere Theaterform. Dies in den kuratierten Inszenierungen zu zeigen, war essenzieller für mich, als auf die Suche nach formalen Experimenten zu gehen. Im besten Fall allerdings vereinen sich beide Aspekte in einer treffenden Symbiose.“ Exkurs zu den Anfängen in der DDR Das Festival selbst gibt es schon sehr lange. 1976 fand das I. Puppentheaterfestival der DDR in Magdeburg statt. Es wurde mit „Tiger Peter“ eröffnet. Zwölf Darstellerinnen und Darsteller standen damals auf der Bühne, die Musik für die Inszenierung wurde, so steht es zumindest auf dem Programmzettel, im DEFA-Musikstudio Babelsberg unter Mitwirkung des DEFA-Sinfonieorchesters produziert. ­­   Insgesamt 26 Produktionen kamen zur Aufführung, von den Ensemblepuppentheatern Naumburg und Gera, Bautzen, Dessau und Zwickau, Berlin, Dresden und Halle, aber ebenfalls von freien Bühnen wie der von Peter Kaye aus Salzwedel oder Felix Lorenz aus Großröhrsdorf und von Peter Waschinsky, damals schon. Auch Ensem-bles aus Warschau, Warna und Tallinn gastierten.    Das Festival, als Wettbewerb konzipiert, lobte Preise aus, die mit 3000 Mark für den ersten Preis im Ensemblewettbewerb und mit 1500 Mark für die beste Solistenleistung dotiert waren. Vergeben wurden die ersten Preise allerdings nicht. Die Darbietungen genügten offenbar nicht. „Der Sonderpreis des Ministeriums für die Uraufführung eines zeitgenössischen Werks blieb ebenfalls in der Schublade. Es war keines da“, heißt es in einer Bilanz des Festivals – ein Zeichen mangelhafter Resonanz auf kulturpolitische Anreizsetzung.

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1979 dann das II. Nationale Puppentheaterfestival, wieder in Magdeburg. Berichtenswert ist hier das Gastspiel von Sergej Obraszow und dessen Moskauer Ensemble: Für Bühne und Requisiten musste ein Eisenbahnwaggon organisiert werden, die Gastspielcrew bestand aus 50 Mitarbeiter*innen. Es folgten 1982 – die erst drei Jahre zuvor gegründete und bald legendär werdende Gruppe Zinnober wurde hier bereits mit einem Förderpreis ausgezeichnet – und 1987. Aus jenem Jahr stammt die Beobachtung: „Unser IV. Festival in Magdeburg. Man wird den Eindruck nicht los, es sei das erste. Mag uns die Stadt nicht? Aufsteller und Hinweise im Stadtbild sind spärlich, lieblos.“ Das V. Festival wurde dann in Erfurt ausgetragen – und zum Vorläufer für das ab 1992 regelmäßig veranstaltete Festival Synergura vom Theater Waidspeicher. 1989: erste Zäsur Der Mauerfall sorgte für eine Zäsur. Theater auf ehemaligem DDR-Gebiet verlor seine Interpretationshoheit. Die Kunst des Zwischen-den-Zeilen-Lesens war nicht mehr vonnöten, weil ja alles gesagt werden konnte. Dass es auch auf das Gehört-Werden ankommt, merkten manche erst später. Das Magdeburger Puppentheater immerhin reagierte schnell. 1991 schon folgte das erste Festival der neuen Zeitrechnung, die Puppentheaterwoche. Damaligen Kritiker*innen galt „Pinocchio“ vom Teatro del Drago aus Ravenna als künstlerischer Höhepunkt. Von den Ensemblepuppentheatern waren Erfurt, Halle und Neubrandenburg vertreten, internationale Gäste kamen aus Ungarn, Estland, Spanien, Italien und Mexiko. Ferner gastierte das Figurentheater Fadenschein aus der niedersächsischen Nachbarstadt Braunschweig in dieser ersten Ausgabe nach der Grenzöffnung. Es muss ein Festival des Auf- und Umbruchs, des Suchens und Neu-Orientierens gewesen sein. Enttäuscht zeigte sich ein Rezensent allerdings über die Beiträge der langjährigen Partner aus Ungarn und Estland. Der Blick in Magdeburg hatte sich geweitet, manches Vertraute hielt nicht mehr stand.    1993 übernahm Frank Bernhardt die Organisation der jetzt von Thomas Riedel (Puppenspieler und damaliger künstlerischer Leiter) kuratierten Puppen-


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theaterwoche, an der sich erstmals Künstler*innen aus den Niederlanden und der Schweiz, aus Frankreich und Italien beteiligten, zudem einer, der heute als Meister seines Faches gilt: der ungarisch-italienische Objekttheaterkünstler Gyula Molnár.    Einen bedeutsamen Impuls für seine ästhetische Orientierung in der internationalen Festivallandschaft setzte Bernhardts Begegnung mit dem von Damiet van Dalsum verantworteten Microfestival in Dordrecht im Jahr 1993. „Wichtig für mich waren aber ebenso die Festivals in Silkeborg und natürlich in Charleville-Mézières.“ Die Zusammenarbeit mit van Dalsum wurde intensiviert, auch auf der Ebene von Workshops und Inszenierungsarbeit, um vor allem dem Ensemble neue künstlerische Impulse zu geben. „Wir begannen damals zu verstehen, welches Potenzial in der szenischen Erforschung der eigenen biografischen Schichten liegen kann. Das war eine ganz andere Herangehensweise als die, die an der Berliner Hochschule gelehrt wurde.“    Diese Verzahnung von Festival und alltäglicher Arbeit am Repertoire macht rückblickend Sinn. Üblich war sie in deutschen Theaterlanden zur damaligen Zeit aber nicht. An der Berliner Schaubühne begann Thomas Ostermeier erst ab 2000, mit dem Festival FIND nicht nur neue Ästhetiken punktuell im Festivalfenster an das Haus zu holen, sondern mit dort aufgefallenen Künstlern auch Koproduktionen und gemeinschaftliche Projekte zu initiieren. Einzig die Volksbühne unter Frank Castorf holte sich bereits in den 90er Jahren über Festivals sowie die Nebenspielstätte Prater neue Ästhetiken ins Haus, die dann auch – mehr oder weniger stark – die Arbeiten auf der Großen Bühne beeinflussten. Das Puppentheater Magdeburg kann also durchaus als Vorreiter betrachtet werden – ein wenig beachteter freilich, weil dem gesamten Genre gemeinhin viel weniger mediale Aufmerksamkeit gewidmet wird.    Das 1995er Festivalprogramm stellte Bernhardt erstmals selbst zusammen. Auf eine heute kaum vorstellbare Weise übrigens. „Das Problem war ja: Wir hatten zwar den Anspruch, ein internationales Festi-

val zu machen. Aber wir kannten doch recht wenig von der internationalen Szene. Und die Kommunikation war damals auch schwieriger. Es gab noch kein Internet, man stand stundenlang am Faxgerät. Geld, Zeit und Mitarbeiter*innen waren knapp. (...) Aber diese Umstände hatten zugleich etwas Gutes. Man musste aus der Beschränkung eine Tugend machen und etwas möglichst Optimales für den Augenblick kreieren.“ Eingang ins Programm fanden dann viele Theater aus den (westlichen) Hochburgen in Belgien, den Niederlanden, Dänemark und Frankreich. Die Puppentheaterwoche wuchs künstlerisch – und auch logistisch. Ein Blick in die Ablaufpläne von 1995 zeigt, dass an einem Festivaltag durchaus 26 (sic!) Stunden durchgetaktet sein können.    Das Festival 1997 wurde, Statistiker*innen wird es freuen, noch größer, noch bedeutsamer. Die Nachrichtenagentur ADN meldete: „Mit rund 6000 Gästen hat die vierte Internationale Puppentheaterwoche in Magdeburg einen neuen Publikumsrekord aufgestellt.“ 2000 Zuschauer*innen mehr als beim letzten Festival! Das Festival war nun endgültig in der Stadt etabliert, seinen eigentlichen Entwicklungsschub hatte es aber noch vor sich.    Denn dann kam UNIMA 2000, der Weltkongress der internationalen Theaterorganisation UNIMA – Union International de la Marionnette – mit dem Weltpuppentheaterfestival nach Magdeburg. Ein für die schnelle und engagierte Unterstützung des Festivals durch die Stadt Magdeburg vielleicht nicht unwichtiger Aspekt, nachzulesen in einem Interview mit Intendant Michael Kempchen in der „Volksstimme“ im Juni 2000: Die Stadt und das Land, die damals mit rechtsradikalen Tendenzen zu kämpfen hatten, als weltoffen und international ausgerichtet zu präsentieren. Es gelang. UNIMA 2000 wurde ein Erfolg. Dazu beigetragen hatten nicht zuletzt auch die klassischen Kulturförderer. Claus Mangels, damals Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Magdeburg, erinnert sich noch heute mit Freude an die Vorbereitungstreffen für UNIMA 2000. Nachhaltige Folgen zeitigte die Ausrichtung des Weltpuppenfestivals vor allem für das Festival des Hauses in Magdeburg selbst.


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2000: zweite Zäsur „UNIMA 2000 war für uns der Game Changer. Ich war zwar nicht in der Programmkommission, aber ich habe das Festival erleben dürfen und Theater gesehen, das mich umgehauen hat. Ich war fasziniert von der formalen Vielfalt und der teils provokanten Ästhetik, aber auch vom Mut des Erzählens und generell davon, was man mit Texten und Objekten alles machen kann“, schildert Bernhardt seine Eindrücke.Vieles nahm er als „unvorstellbar neu“ wahr. Und wurde nun als Kurator des eigenen Festivals radikaler. „Wir haben gesehen, was möglich war. Die Magdeburger waren gekommen, hatten selbst ungewöhnlichste Inszenierungen angenommen und mir war klar, dass wir in Zukunft die ganze Breite des Genres zeigen mussten. Die Zuschauer wollten und sollten zwingend mit Neuem konfrontiert werden“, sagt er. „Nicht umsonst galt das Puppen- und Figurentheater schon damals als die innovativste darstellende Kunstform.“ Für das Neue wurde ein neuer Titel erfunden: Blickwechsel hieß ab 2003 das Festival.    Ein ganz besonderes Unterfangen bei der Neuausrichtung des Festivals: „La Notte“, die große Eröffnungsinszenierung im Freien. „Eine damals extrem risikoreiche Idee. Wir hatten so etwas noch nie gemacht und durchfinanziert war es auch nicht“, erinnert sich Bernhardt. Hinzu kam die Angst vor dem Wetter. „Es hatte den ganzen Tag vorher geregnet. Und es regnete am Tag der Eröffnung. Wir verschoben die Künstlereinweisung, verzweifelt ob des andauernden Regens – und ganz plötzlich kam die Sonne heraus, die Vögel fingen an zu singen“, beschreibt er die Situation. Es muss ein magischer Moment gewesen sein. Magisch wurde dann auch der Abend. Mehr als 4000 Besucher*innen kamen allein zur „ersten La Notte, sahen eine Umgebung, die sie gut kannten – den Klosterbergegarten – von Bühnen-Licht und Theaterkunst verzaubert“. Und Bernhardt sah sich in seinem riskanten Tun belohnt.    Seitdem entstanden weitere einmalige, unwiederholbare Eröffnungsprojekte, vielen Gästen bis heute lebhaft in Erinnerung als außergewöhnlich intensive Begegnung mit Kunst und Künstler*innen. Mehrmals wurde

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„La Notte“ von der Kulturstiftung des Bundes gefördert.    Der Erfolg dieses Veranstaltungskonzepts kreierte allerdings ein Problem: „Die Leute waren so begeistert, dass sie in der Folgezeit ‚La Notte‘ für das Festival hielten. Wir mussten immer wieder argumentieren: Nein, das Festival ist das, was auf den Bühnen stattfindet“, kommentiert Bernhardt die ambivalente Situation. „Dennoch gewann das Theater mit diesen Inszenierungen im öffentlichen Raum unzählige neue, begeisterte Zuschauer.“    Nach einer weiteren Festivaleröffnung im Klosterbergegarten wagte das Puppentheater Magdeburg 2007 wieder etwas Neues. „La Notte“ bespielte den Buckauer Engpass, das Altstadtviertel ganz in der Nähe des Theaters. Ein vergessenes, nahezu verlassenes Areal, das sehr verwahrlost wirkte. Das Theater küsste nun die Häuser, Läden und Wohnungen wach, verwandelte sie, schälte Geschichten aus den Wänden mit den abgeblätterten Tapeten. Diese Veranstaltung hat zweifellos dazu beigetragen, dass sich das Viertel inzwischen sichtbar erholt hat.    2009 ein neuer Ort: das Schiffshebewerk. Ein gigantisches Projekt: 60 Mitwirkende, 300 Zuschauer*innen pro Abend, die erst in den stählernen Trog des Schiffsfahrstuhls stiegen, gen Himmel gehoben wurden und im zweiten Teil ins Räderwerk dieses überwältigenden Funktionsbaus starrten. Inszeniert wurde die Show von den Pyromantikern Berlin.    2011 ging es zum Wissenschaftshafen – der sich als zu groß erwies. Zwei Jahre später sollte dann das Gelände rings um das Theater zum Ort von „La Notte“ werden und erstmals Bühnenprogramm und Auftaktevent nicht logistisch voneinander getrennt sein. Hochwasser bringt Rhythmuswechsel Doch das Elbehochwasser machte einen Strich durch die Rechnung. „Ein Albtraum. Alle starrten auf die Pegelstände. Aus den Vierteln, in denen wir wohnten, wurden wir evakuiert, als das Wasser einen Zentimeter unterhalb des Damms stand. Du denkst erst, nein, ich gehe doch nicht weg. Aber wenn dann der Lautsprecherwagen durch die Straßen fährt, dann packst du


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schnell einen Koffer, steckst ein paar Dokumente ein und nimmst noch die Katze mit“, erinnert sich Bernhardt. Unter solchen Bedingungen war kein Festival zu machen. „Auch unsere Stammbesucher hatten anderes zu tun, als ins Theater zu gehen.“ Das Festival wurde abgesagt. Die Gruppen hatten dafür Verständnis, sie verzichteten auf Erstattung der Kosten, die ihnen in der Zwischenzeit entstanden waren.    Im darauffolgenden Jahr wurde das Festival nachgeholt, erfolgreich und noch größer als zuvor geplant. „Binnen eines Jahres sind viele neue spannende Produktionen herausgekommen, die wir dann natürlich einladen wollten“, sagt Bernhardt. Über den Wechsel in den Rhythmus der geraden Jahre ist er nicht unglücklich, als Vorteil nennt er die dadurch gewonnene zeitliche Distanz zum wichtigen Festival Mondial in Charleville-Mézières.    Mittlerweile ist Blickwechsel eine Institution. Von 2003 bis 2019 waren 302 Theater und Solist*innen aus 23 Ländern mit 364 Inszenierungen, davon 69 deutsche Erstaufführungen und in 33 Festivalproduktionen zu Gast im Blickwechsel und begeisterten genau 63 637 Festivalbesucher*innen. Nicht alles fand eindeutig positive Resonanz. Das „Elbetheater“ von Warner & Consorten im Jahr 2005 spaltete das Publikum. „Die Künstler luden zu einem poetischen und spielerischen Kunstparcours in die Landschaft der Rotehorn-Insel ein – ohne lesbare Narration. Ein Teil der Zuschauer war begeistert, der andere Teil verwirrt …“    Generell konstatiert Bernhardt, dass das Magdeburger Publikum mit dem Festival gewachsen sei, dass es experimentellere Ansätze im Repertoire mehr und mehr zu schätzen wisse. Zudem habe das Festival auf das Ensemble abgefärbt, Mut gemacht, Lust auf Neues erzeugt.    In einer Hinsicht gibt es allerdings noch Luft nach oben: Gerade das im regulären Spielplan und früher auch im Festival so bedeutsame Programmsegment Kinderpuppentheater findet in der Stadtgesellschaft zurzeit weniger Zuspruch als beim zahlreich anreisenden Fachpublikum. Bei denen, die über den Festivalbesuch von Kindern entscheiden, bestehen laut Bernhardt

noch immer Vorbehalte gegenüber ungewohnten Formen und Stoffen. Um nicht in einen Anspruchsspagat zu geraten, habe man das Festivalangebot für Kinder reduziert. Schade. Einige herausragende Beispiele für das weltweit hohe Niveau von Puppentheater für (sehr) junges Publikum finden sich aber weiterhin auf jedem Blickwechsel-Festival. Austausch und Inspiration Die Festivalausgaben Blickwechsel 2016 und 2018 waren von neuartigen programmatischen Schwerpunkten geprägt: dem Symposium „Aufbruch“ und einer Masterclass. „Aufbruch“ versammelte die ostdeutschen Ensemblepuppentheater zu einer Bestandsaufnahme. Defizite wurden benannt, Vorurteile kamen auf den Tisch, Ärgernisse wurden artikuliert, aber auch Hoffnungen ausgedrückt. Der strukturell bedingte Mangel an Experimentiermöglichkeiten in den städtischen Ensemblepuppentheatern – von den Symposiumsteilnehmer*innen einhellig bedauert – stellte sich als eine Ursache für die ebenfalls beklagte Unlust der Studierenden heraus, an die festen Häuser zu gehen. Viele Probleme offensiv anzugehen, erwies sich als Qualität von „Aufbruch“. Die Kommunikation mit den Hochschulen in Berlin (Studiengang Zeitgenössische Puppenspielkunst an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch) und Stuttgart (Studiengang Figurentheater an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst) verbesserte sich, Studierende suchen in der ostdeutschen Provinz wieder verstärkt eine berufliche Zukunft, weil man sich an den Häusern besser auf die Absolvent*innen eingestellt hat. Im Kontext des Festivals 2018 entwickelte das „Aufbruch“-Team eigene Instrumente zur Schaffung experimenteller Räume: Die Masterclass Regie brachte Regie-Studierende verschiedener Hochschulen für Intensiv-Workshops mit international Lehrenden der Puppentheaterregie zusammen; in Laboratorien erprobten Ensemblemitglieder aus Magdeburg, Bautzen und Chemnitz gemeinsam mit freien Künstlern und Künstlerinnen neue Arbeitsweisen. Masterclass und


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Laboratorien wurden als innovativ gelobt. Bleibt die Frage der Fortsetzung: in einer Akademie, wie sie das Puppentheater Magdeburg plant, oder in landesweiten oder gar länderübergreifenden Forschungsresidenzen?    Auf jeden Fall ist die Saat aufgegangen: internationale Kunst nach Magdeburg zu holen – zur Freude des Publikums, aber auch zur permanenten Weiterentwicklung und Inspirationen der am Haus arbeitenden Künstler und Künstlerinnen. Nachtrag: Das Festival 2020 hatte Frank Bernhardt unter das Motto „Beste Freunde“ gestellt und lang-

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jährige Weggefährt*innen eingeladen. Aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie musste diese Ausgabe, wie alle größeren Kulturveranstaltungen im Frühjahr und Sommer 2020, abgesagt werden. Das 13. Blickwechsel-Festival soll im Sommer 2021 nachgeholt werden. To m M u stro p h ist Theaterkritiker und hat die letzten Ausgaben des Blickwechsel-Festivals besucht. Für diesen Beitrag warf er einen langen und tiefen Blick ins Theaterarchiv und sprach Ende 2019 mit Frank Bernhardt, dem künstlerischen Leiter des Festivals.

Ljubljana Puppet Theatre (SLO) Open the Owl/Festival Blickwechsel 2018. Foto Jesko Döring


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SECHS TAGE D I E (V ER MU T L ICH) Rückbl ick auf We lt- Fe stiva l und -Kongr ess UNIMA 2000 Ger d Taube

DA S

P U P PEN THEATER

MAG D E B U R G

Das Puppentheater Magdeburg hat ein über Jahrzehnte gewachsenes Publikum, das sein Theater schätzt und liebt. Man sagt, dass das Theater die Wendejahre nur überstanden habe, weil das Publikum zu seinem Theater gestanden und weder eine Abwicklung noch eine Eingliederung in die Städtischen Theater zugelassen habe. Und schon 1991 wurde mit der biennalen Internationalen Puppentheaterwoche ein Festival ins Leben gerufen, mit dem nicht nur dem Magdeburger Publikum internationale Puppenspielkunst zugänglich gemacht wurde, sondern man sich auch künstlerische Impulse für die Arbeit des Magdeburger Ensembles ins Haus holte. Fenster aufstoßen Bei der Eröffnung der dritten Ausgabe dieses Festivals im Herbst 1995 war ich, zu der Zeit Vorsitzender des UNIMA-Zentrums der Bundesrepublik Deutschland, zu Gast und wurde vom damaligen Magdeburger Kulturbürgermeister, Dr. Rüdiger Koch, angesprochen, ob es nicht möglich wäre, das große UNIMA-Weltfestival des Puppentheaters nach Magdeburg zu holen. Er versprach sich davon kulturpolitischen und künstlerischen Rückenwind für die weitere Entwicklung des Hauses und kulturelle Strahlkraft für die Stadt. Die Frage überraschte mich, weckte aber auch meinen Ehrgeiz. Denn ich hatte gut zehn Jahre zuvor das UNIMAFestival in Dresden erlebt, das meinen Blick auf die Theaterform des Puppentheaters erheblich erweitert und den letzten Ausschlag dafür gegeben hatte, dass ich mich während meines folgenden Studiums der Theaterwissenschaft auf dieses Gebiet spezialisiert habe. Doch vor allem erinnerte ich mich an die internationale Atmosphäre dieses Festivals, das in der geschlossenen Gesellschaft der damaligen DDR ein Fenster aufgestoßen und für ein paar Tage die Luft der weiten Puppentheaterwelt hereingelassen hatte.

VERÄNDERTEN


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Ich erklärte also dem Kulturbeigeordneten, dass die Bewerbung um die Ausrichtung des Weltfestivals nur von einem nationalen UNIMA-Zentrum gemeinsam mit einer Kommune eingereicht werden könne und meine Bereitschaft, das Anliegen dem UNIMAVorstand vorzutragen. Der Vorstand stimmte unter der Bedingung zu, dass Magdeburg für die Finanzierung sorgt, und kurz darauf entschied der Stadtrat der Landeshauptstadt, dass Magdeburg die Bewerbung des deutschen UNIMA-Zentrums unterstützen und bei Erfolg das Festival finanzieren würde. Gerade noch rechtzeitig konnte nun die Bewerbung für die Ausrichtung des Weltkongresses und Weltfestivals des Puppentheaters im Jahr 2000 abgegeben werden.    Ein Jahr darauf überzeugte die eindrucksvolle Präsentation des deutschen UNIMA-Zentrums und der Landeshauptstadt Magdeburg den UNIMA-Kongress in Budapest: Die Mehrheit der Delegierten stimmte für Magdeburg als Austragungsort von UNIMA 2000. Und dann begann die vierjährige Arbeit der Vorbereitung für dieses kulturelle Großereignis.    Ich wurde nach der Durchführung des Festivals UNIMA 2000 in einem Interview mit der Bemerkung einer anonym gebliebenen „Organisatorin internationaler Großereignisse“ konfrontiert, die mit Blick auf das Programm von UNIMA 2000 gesagt haben soll, dass man ein solches Weltfestival in Ostdeutschland frühestens in 20 Jahren organisieren könnte. Zu dem Zeitpunkt hatten wir es aber schon organisiert und ich denke heute, die Frau muss aus dem Westen gewesen sein. Ostdeutschland wurde und wird immer noch unterschätzt.    Natürlich war es nicht einfach, UNIMA 2000 Wirklichkeit werden zu lassen. Aber nicht, weil wir auf eine ostdeutsche Landeshauptstadt gesetzt hatten, sondern weil wir uns auf strukturelle Konstruktionen eingelassen haben, mit denen die großen Herausforderungen nur unzureichend bewältigt werden konnten.    Dass das Festival letztlich doch stattgefunden hat, dass an 26 Veranstaltungsorten im ganzen Stadtgebiet

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68 Theater aus 24 Ländern beachtliche 72 Inszenierungen in 158 Vorstellungen im Haupt- und OffProgramm zeigten und 18 Ausstellungen präsentiert wurden1, dass daneben ein Meeting von Amateurpuppentheatern aus sieben Ländern durchgeführt wurde und täglich der Jahrmarkt der Puppenspieler auf dem Ulrichplatz die Magdeburger und ihre Gäste begeisterte, war nur möglich, weil sich alle Beteiligten, die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die ehrenamtlichen Organisatorinnen und Organisatoren aus dem UNIMA-Vorstand und der Auswahlkommission sowie die hauptamtlichen Veranstalter und Veranstalterinnen aus Magdeburg immer wieder zusammengerauft hatten, um die Herausforderungen zu bewältigen.    In der persönlichen Rückschau überwiegen meine Erinnerungen an all die ungelösten, unlösbar erscheinenden und dann doch irgendwie gelösten Probleme. Ich erinnere mich an chaotische Zustände bei der Vergabe der Tickets und der Betreuung der internationalen Besucher. Oder an die Überforderung der Gastronomie der Stadt durch den multikulturellen Ansturm von Gästen aus aller Welt. Aber wenn ich mir noch einmal das ausgewählte Programm und die gezeigten Gastspiele in Erinnerung rufe, dann sehe ich, dass UNIMA 2000 auch ein Fenster aufgestoßen hat. Die frische Luft, die da hereinströmte, wurde aber nicht von allen so unumwunden wohltuend wie beim Festival UNIMA 1984 in Dresden empfunden, sondern eher als irritierend, spaltend gar. Künstlerische Standortbestimmung Dabei wurde mit dem Festivalprogramm so umfassend wie bei keinem anderen Festival in Deutschland vorher in einer derartigen ästhetischen Breite der Standort der Kunst des Theaters mit Puppen, Figuren, Objekten und Dingen bestimmt und die vielfältigen künstlerischen Richtungen in dieser Kunst repräsentiert. Da war das Open-air-Ritual „Das Gedächtnis des Wassers und der Traum vom Gras“ von Hoichi

1 Programmheft UNIMA 2000. XVIII. Weltfestival des Puppentheaters. Kongress * Festival * Ausstellung


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Okamoto und seinem Dondoro Theater aus Japan, das in der spätabendlichen Dämmerung am Ufer des Magdeburger Adolf-Mittag-Sees gezeigt wurde. Oder der Blick in die afrikanische Mythologie mit Erzählkunst, Puppentheater und Musik in der Inszenierung „Et on la Nomma Aguessi“ von der Groupe Artistiques de Marionnettes Akitan aus Togo. Die belgische Objekttheaterkünstlerin Agnès Limbos erzählte poetisch-böse „Petites Fables“ und der virtuose italienische Handpuppenspieler und Sänger Salvatore Gatto ließ mit seinem Pulcinella Theater eine jahrhundertealte Theatertradition lebendig werden. Ob mit dem chinesischen Schattenspiel aus der Provinz Shaanxi, Hamster Damms Wassertheater-Maschine oder dem traditionellen Marionettentheater der Familie KressigDombrowsky und dessen Genoveva-Dramatisierung – das Programm überschritt die Grenzen der Kontinente, der Künste und der Jahrhunderte.    Nicht erst im Rückblick ist klar, dass die fünfköpfige Auswahlkommission für das Festival unerschrocken und entschlossen war, ein mutiges Programm zusammenzustellen, das sich ganz bewusst gegen jene Erwartungshaltungen richtete, die das Puppentheater als eine Theaterform mit festen Regeln und Grenzen begriffen haben und heute noch begreifen. Aber das Theater der Dinge, das in Magdeburg zum ersten Mal international in dieser Größenordnung erlebbar wurde, ist ein Theater, das diese vermeintlichen Regeln verletzt und Grenzen überschreitet.    Das Internationale und das Interdisziplinäre haben sich in diesem Festival die Hand gegeben und einen Teil des Publikums, das Puppentheater von altem Schrot und Korn erwartete, verstört und enttäuscht. Diesen Teil des Publikums konnte auch die SpezialReihe „Meister des Puppenspiels“ nicht versöhnen. Doch das Festival wollte das Puppentheater (oder wie immer man es nennen will) nicht als eine sich selbst immer wieder reproduzierende oder gar konservierende Kunstform zeigen, sondern als eine moderne Kunst des 21. Jahrhunderts, deren Grundlage Pluralismus ist und die nicht auf Konsens und Konformismus aus ist, sondern auf Debatte und Kontroverse.

Nachhaltige Spuren Das Fenster war also geöffnet. Und es konnte auch von denen nicht wieder geschlossen werden, die wenig später den UNIMA-Vorstand abgelöst haben, der sich, ebenfalls mutig, hinter die inhaltlichen Schwerpunkte des Festivals gestellt hatte. In Magdeburg jedenfalls hat die frische Luft eines Weltfestivals, das zeigte, welchen Wandel die Kunst des Puppentheaters in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchgemacht hat und welche künstlerischen Entwicklungen für das 21. Jahrhundert prägend sein würden, nachhaltige Spuren hinterlassen. Aus der Magdeburger Internationalen Puppentheaterwoche wurde das Festival Blickwechsel, das biennal dafür sorgt, dass das Fenster zur Welt und zu den anderen Künsten offenbleibt. Alle zwei Jahre schenkt das Puppentheater Magdeburg sich und seinem Publikum sechs Tage, die mit künstlerischem Weitblick immer wieder neue Inspirationen nach Magdeburg bringen. Aber auch ein junges Ensemble, internationale Regisseure, die kontinuierliche Zusammenarbeit mit den Ausbildungseinrichtungen für Puppen- und Figurenspieler in Berlin und Stuttgart und Gastspielreisen in alle Welt sorgen dafür, dass die zeitgenössische Puppentheaterkunst in Magdeburg ein festes Zuhause hat.    Man könnte im Rückblick und im Vergleich der Zeit vor dem Jahr 2000 und der Zeit danach auf die Idee kommen, dass UNIMA 2000 ein Schlüsselmoment für die inhaltlich-ästhetische und strukturelle Entwicklung des Puppentheaters Magdeburg gewesen sein könnte. Richtig ist sicherlich, dass die faszinierenden und verstörenden Impulse des Weltfestivals zu Beginn des neuen Jahrtausends verpufft wären, wenn es am Puppentheater Magdeburg nicht eine visionäre Theaterleitung gäbe und wenn dort nicht künstlerisch ambitionierte Theatermenschen am Werk wären. Sie haben trotz der widrigen Umstände, der organisatorischen Schwierigkeiten und der Grenzen des Machbaren, die auch zu UNIMA 2000 gehörten, die künstlerische Ausstrahlung dieses Festivals in der eigenen Arbeit reflektiert.    UNIMA 2000 hatte eine Art prophetisches Festivalprogramm nach Magdeburg gebracht, das in der


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damaligen Puppentheaterrealität weltweit aufgespürt hatte, was in den folgenden Jahren die Entwicklung dieser Kunst nicht nur in Magdeburg prägen würde. Vielleicht ist es streitbar, ob UNIMA 2000 ein Schlüsselmoment oder die Initialzündung für die weitere Entwicklung des Puppentheaters in der sachsen-anhaltinischen Landeshauptstadt war – Fakt ist jedenfalls, dass das Puppentheater Magdeburg heute zu den erfolgreichsten Ensemblepuppentheatern Deutschlands gehört. Nicht nur die künstlerische Arbeit des Ensembles mit Puppen, Figuren und Objekten, sondern

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auch die Kombination eines Theaterbetriebs mit einem Theaterhaus mit zwei Bühnen, einem Museum mit Figurenspielsammlung, einer Jugendkunstschule und einem Theatercafé machen es zu einem außergewöhnlichen Stadttheater für Kinder und Erwachsene. Einzigartig in Deutschland. P ro f. D r. G e r d Ta u b e ist Leiter des Kinder- und Jugendtheaterzentrums der BRD. Beauftragt von der UNIMA Deutschland war er Vorsitzender des Vorbereitungskomitees für das Festival UNIMA 2000 in Magdeburg.

Gyula Molnàr Unaussprechlich QKWZVA//Festival UNIMA 2000. Foto Viterbo Fotocine


Puppentheater mit cafĂŠ p. und villa p., 2013. Foto Jesko DĂśring


EXPA N S I O N

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Exponate der Sonderausstellung Mephisto, 2016. Foto Jesko Döring Seite128 oben: Rekonstruktion des großen Saales nach Abriss, 2002. Foto Ronald Erdmann Seite 128 unten: Umbau der Rayonvilla für die FigurenSpielSammlung, 2011. Foto Jesko Döring Seite 129 oben: Große Bühne nach Umbau, mit Bühnenbild Die verzauberte Marie, 2002. Foto Ronald Erdmann Seite 129 unten: Kleine Bühne, Blick auf die Zuschauertribüne, 2016. Foto Jesko Döring


Blick in die ständige Ausstellung der FigurenSpielSammlung. Foto Jesko Döring Seite 132 oben: Installation zu La Notte … Buckauer Fantasie am Puppentheater/Festival Blickwechsel 2016. Foto Jesko Döring Seite 132 unten: Hof des Puppentheaters mit Bestuhlung für Hofspektakel, 2012. Foto Jesko Döring Seite 133 oben: Hofspektakel 2020, Bauphase. Foto Sven Nahrstedt Seite 133 unten: Ein Spätsommernachtstraum, Hofspektakel 2020. Foto Viktoria Kühne




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L EB EN UND A RBEITEN Fra gen an Ja na S chnei d e r, L ei ter i n des Kü n st l er i schen B et r i ebsbüros

I N VE RÄ N D E R U N G

E xpansion (Umbau 3)

Du bist seit mehr als 30 Jahren am Puppentheater Magdeburg engagiert und hast viele Entwicklungsprozesse des Theaters begleitet, vielleicht auch mitgeprägt. Wie verlief dabei dein persönlicher Entwicklungsweg? Ich habe im Februar 1988 mit der Arbeit im Puppentheater begonnen, zunächst mit einer Halbtagsstelle als Kassiererin. Nach und nach arbeitete ich mich in die Aufgaben des Künstlerischen Betriebsbüros und des Besucherservices ein und als meine Kollegin Evelyn Semrau Anfang der 90er Jahre in den Ruhestand ging, übernahm ich die Leitung des KBBs als Vollzeitstelle. Da meine Stärken schon immer eher im organisatorischen Bereich lagen als im technischen oder gar im künstlerisch-darstellerischen, interessierte mich dieser Teil der Theaterarbeit von Anfang an besonders. Die Arbeit im KBB gibt mir die Möglichkeit, mit allen Kolleg*innen des Theaters eng zusammenzuarbeiten, Einblick in alle Abläufe zu haben und engen Kontakt zu den Gästen zu pflegen. Du hast die gesamte Nachwende-Entwicklung des Hauses, seine Neuorientierung und Umprofilierung miterlebt. Wie gestaltete die sich aus deiner Sicht? Was bedeutete sie für dein Verständnis von Theaterarbeit und für deinen Job? Die „Wende“-Zeit war in der Tat eine große Herausforderung. Zunächst war da viel Unsicherheit: Ob und wie geht es mit dem Theater – und also auch mit mir weiter? Seitens der Stadt gab es durchaus Überlegungen einer Abwicklung. Dazu passierte eine gewaltige Umstellung, was das Publikum anging. Zu DDR-Zeiten kamen sämtliche Magdeburger Kindergärten und Schulen und auch zahlreiche Einrichtungen aus dem Umland regelmäßig ins Puppentheater. Das hörte nach der „Wende“ schlagartig auf. Es fanden Umstrukturierungen in den Einrichtungen, Schließungen, auch eine Änderung des kompletten Schulsystems statt. Nicht zuletzt entstanden eine Vielzahl anderer kultureller und Freizeit-Angebote und nicht zu unterschätzen: Die Geburtenzahlen gingen drastisch zurück. Das zog natürlich nach sich, dass völlig neu gedacht werden musste – den Spielplan betreffend. Um die Gunst des Publikums zu erhalten, musste das Angebot breiter aufgestellt werden. Es mussten unter anderem mehr Neuproduktionen entstehen, Inszenierungen wurden schneller abgespielt und das Angebot für ein erwachsenes Publikum musste deutlich er-


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weitert werden. Das bedeutete nicht nur für Intendanz, künstlerische Leitung, Verwaltung, Ensemble, Technik und Ausstattung gestiegene Anforderungen, sondern natürlich auch für mich.    Hinzu kam ein anderer Aspekt: Als ich im Theater anfing, existierte ein festes Ensemble, dessen Mitglieder zum größten Teil nach Berufsabschluss bzw. später dann nach absolviertem Puppenspielstudium an das Magdeburger Puppentheater gingen und dort oft bis zur Rente blieben. Ab etwa Mitte der 90er Jahre verließen einige Puppenspieler*innen das Ensemble, um sich bis dahin unbekannten Herausforderungen zu stellen. Neue Kollegen und Kolleginnen wurden engagiert, viele von ihnen sahen aber das Puppentheater Magdeburg nur als eine Station ihrer künstlerischen Laufbahn und blieben nur wenige Spielzeiten am Haus. Dadurch nahm die Zusammenarbeit mit Gästen, die sich in meinen Anfangsjahren größtenteils auf den Regie- und Ausstattungsbereich beschränkte, immens zu und es wurde von Jahr zu Jahr schwieriger, einen Spielplan unter Berücksichtigung von Verfügbarkeiten zu gestalten.    Allerdings wurde die Arbeit gleichermaßen spannender und interessanter. Ich konnte mich völlig neuen Themen widmen und den Blick über den Tellerrand auf die ganze Welt ausweiten, die Zusammenarbeit mit Künstler*innen aus aller Herren Länder wurde möglich. Besonders gefreut habe ich mich darüber, dass ab 1991 ein internationales Figurentheaterfestival in Magdeburg etabliert wurde. Die Festivals zählen bis heute für mich zu den Höhepunkten meiner Arbeit, da es Frank Bernhardt zu jeder Ausgabe schafft, ein interessantes, vielschichtiges Programm zusammenzustellen, mit Künstler*innen und Theaterformen, die mir bis dahin unbekannt waren. Du warst seit 1995 organisatorische Mitarbeiterin im Festivalteam, hattest also unmittelbaren Einblick in die konzeptionelle und organisatorische Vorbereitung der Gastspiele bzw. hast diese auch verantwortet. War für dich vorstellbar, welch großen Innovationsschub diese Festivals für das Haus, das Publikum, für dich mitbringen würde?

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Nein, das war für mich in dem Umfang zunächst nicht vorstellbar. Vor allem mit der Etablierung der Eröffnungsveranstaltungen „La Notte“, erstmalig 2003, bekamen die Festivals eine ganz andere Dimension. Der Zuspruch des Publikums war überwältigend und in dem Maße für uns neu. Erfreulich war, dass diese Aufmerksamkeit sich nicht auf die eine große Open-airVeranstaltung beschränkte, sondern auch auf das sich anschließende Bühnenprogramm übertragen wurde. Und das von Jahr zu Jahr mehr. Für mich war und ist zudem das stetig steigende Interesse in- und ausländischer professioneller Festivalbeobachter*innen eine Bestätigung dafür, wie sehr sich der Aufwand gelohnt hat und nach wie vor lohnt. In der Nachwendezeit, vor allem unter der künstlerischen Leitung von Frank Bernhardt, hat auch die Gastspieltätigkeit des Hauses enorm zugenommen. Was bedeutete das für das KBB, für dich? Das war und ist oftmals kein einfaches Feld für mich. Große Herausforderungen sind vor allem Gastspielreisen ins nicht europäische Ausland, mit der dazugehörigen Abwicklung von Pass- und Zollformalitäten. Eine andere Schwierigkeit ist, in Abstimmung zwischen Veranstaltern und Theater so zu planen, dass bei der Einrichtung einer Inszenierung am Gastspielort genug Zeit bleibt, um dem Ensemble einen technischen Durchlauf auf der fremden Bühne zu ermöglichen. Die bisher größte Herausforderung dieser Art war für mich die Organisation der Frankreich-Tournee mit den Inszenierungen „König Richard III“ und „Der kleine Onkel“, da in beiden aufgrund massiver Veränderungen im Ensemble größtenteils Gäste beschäftigt waren, die man erst mal alle unter einen Hut bekommen musste. Du selbst hast auch Gastspiele begleitet. Vermutlich auch ein Arbeitsgebiet mit speziellem Erfahrungspotenzial? Oh ja!! Im Herbst 2002 zum Beispiel waren wir auf Vermittlung der Deutsch-Italienischen Gesellschaft zu einer Gastspielreise in die Toskana und nach Genua


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eingeladen, im Gepäck hatten wir die Inszenierungen „Die drei Schweinchen“ und „Däumelinchen“. Den Transport von Menschen und Ausstattung sollte ein lokales Busunternehmen durchführen. Früh morgens am Tag der Abreise – gegen Mittag sollte es losgehen – rief mich unser damaliger technischer Leiter Wolfgang Krebs an: „Jana, du musst sofort kommen! Hier steht der Bus der Mainzelmännchen!“ Ich habe zugesehen, dass ich ins Theater kam. Dort stand ein sehr kleiner Reisebus, der sich allenfalls für eine Gruppenfahrt ins nähere Umland eignete, in dem wir aber nie im Leben alle Mitreisenden plus zwei Ausstattungen unterbekommen hätten. Nach einer hitzigen Diskussion wurde dann entschieden, zusätzlich den theatereigenen Kleintransporter einzusetzen. Irgendwie haben wir es tatsächlich geschafft, alles Gepäck und uns selbst in die Fahrzeuge zu falten, und die Reise konnte losgehen. Der technische Leiter hatte allerdings während der gesamten Fahrt das Haus der drei Schweinchen mehr oder weniger auf dem Schoß. Und ich selbst hatte zur Strafe für mein gutgläubiges Vertrauen in die Zusagen des Busunternehmens den Platz entgegengesetzt zur Fahrtrichtung einzunehmen.    Ich habe noch einige andere Gastspiele im Inund Ausland begleitet. Das war immer spannend und ich kam so an Orte, an die es mich privat nie verschlagen hätte. Das exotischste war ein Gastspiel in Tokio im Dezember 1996, wo wir uns mit den Veranstaltern – mangels passender Fremdsprachenkenntnisse auf beiden Seiten – nur mit Händen und Füßen oder über das Aufmalen von Dingen verständigen konnten. Da war Kreativität gefordert … Die Welt war ja für uns gelernte DDR-Bürger in dieser Zeit voll neuer Erfahrungen … Du beschreibst, wie tiefgreifend sich die nach der „Wende“ vollziehenden Veränderungen nicht nur in jeden einzelnen von uns, sondern auch in jede Kunst bzw. Theater produzierende Institution einschrieben. Für dich muss dieser Prozess besonders intensiv gewesen sein, betraf er doch nicht nur Jana Schneider persönlich, auch als Leiterin des KBBs musstest du dich den sich vollziehenden Entwicklungen

permanent stellen, diese begreifen und letztlich kreativ anwenden. Zudem fand ja auch eine permanente Erweiterung deines Arbeitsbereichs statt … … und das sehe ich absolut positiv, kamen doch neben den Änderungen in der Arbeit, die unmittelbar mit dem Theaterbetrieb zu tun hatten, auch ganz neue Aufgaben auf mich zu. Da war zum einen das bereits erwähnte Figurentheaterfestival, zum anderen die Angliederung der Jugendkunstschule an das Puppentheater 2004. Auch spannend, da ich vorher kaum mit kunstpädagogischer Arbeit in Berührung gekommen bin und von der Vielfalt und der Qualität der Angebote fasziniert war. Aus dieser Zusammenarbeit resultierte dann auch die Etablierung der KinderKulturTage, die erstmals 2007 stattfanden und seither biennal durchgeführt werden. Allein die beinhalten schon eine Menge an Herausforderungen.    Schon als ich 1988 im Puppentheater anfing, existierte die Idee, eine ständige Puppen- und Figurenausstellung in Magdeburg zu etablieren. Das blieb allerdings lange Zeit nur ein Traum, da es an geeigneten Räumlichkeiten mangelte. Umso mehr habe ich mich gefreut, als dieser Traum dann doch wahr wurde und im November 2012 die FigurenSpielSammlung in der villa p. eröffnete – in Zeiten, in denen Theater und andere Kulturbetriebe eher verkleinert oder ganz geschlossen werden, durchaus keine Selbstverständlichkeit. Und für mich eine neue Möglichkeit, dazuzulernen und mein Aufgabenspektrum zu erweitern. Die Fragen an Ja n a Sch n e i d e r zu ihrer langjährigen Arbeit als Leiterin des Künstlerischen Betriebsbüros und in der Festivalorganisation stellte Silvia Brendenal.


Blick ins Foyer des Puppentheaters, 2020. Foto Anjelika Conrad

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M ACH BAR ? !

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DA S I ST

Januar 1990: Dem Wunsch der Intendantin Elke Schneider, neues Mitglied einer intakten Theaterfamilie in einem Haus voller Charme zu werden, leistete ich gern Folge. Zunächst bestand meine Aufgabe darin, mich hauptsächlich um das Licht zu kümmern, später übernahm ich die Verantwortung für die gesamte Bühnentechnik. Ein geschwungener Schriftzug aus den 50er Jahren, am Abend von Leuchtstoffröhren illuminiert, zeigte an: Dies ist der Eingang zum Puppentheater. In einem kleinen Foyer versammelten sich jeden Morgen und jeden Nachmittag die Kindergartengruppen oder Schulklassen, gelegentlich am Wochenende auch das erwachsene Publikum. Im Foyer diente eine kleine Luke in der Wand als Kasse und die Garderobe bestand aus einem langen, an der Wand befestigten Brett, daran hingen in der Theaterwerkstatt gebaute, gebogene, schwenkbare Metallrohre.    Problematisch wurde es, wenn zu viele der kleinen Gäste gleichzeitig eintrafen. Das Foyer bot nicht für alle Platz. Ungeduldige Erzieherinnen machten, wenn sie draußen mit ihren Kindergruppen warten mussten, dem Einlasspersonal zusätzlich die Arbeit schwer. Im Saal fungierten rote, hölzerne Klapppolstersessel für 198 Zuschauer als bequeme, allerdings angejahrte, entsprechend knarrende und quietschende Sitzgelegenheiten. Die Wände schienen mehr gelblich als weiß, was durch das warme gelbe Licht der Wandlichter noch verstärkt wurde. Die fest installierte Vorbühne, halbrund und genau 70 Zentimeter hoch, war fest verbunden mit dem Bühnenportal. Das machte sie erst einmal zu etwas Besonderem, später allerdings zum Hindernis für Inszenierungen in anderen Spielweisen.    In den späten 90er Jahren wurde die Vorbühne dann herausgesägt und durch ein flexibles, dreiteiliges Podest ersetzt. Nun konnte auch auf ebenem Boden gespielt werden Der Weg von d e r Gu ck - – was allerdings die Notwendigkeit einer Zuschauertribüne, die Bodensicht erlaubte, nach sich zog. Zunächst wurde jedoch die Tontechnik auf einen moderkas t enbühne zu m nen Standard gebracht, gleich danach die Lichttechnik. Bis dahin steuerten wir die Bühnenbeleuchtung manuell durch ein Bordoni-Stellwerk mit zwei Walzen, m oder nen T hea te r welche durch Drahtseile mit Stelltransformatoren auf dem Dachboden verbunden waren. Der neu angeschaffte Lichtcomputer erleichterte uns die Arbeit und ermöglichte den Regisseuren Varianten der Lichtgestaltung, die diese erst einmal Wo l fgang Kre b s entdecken mussten. Oft blickte ich in ungläubige Gesichter, wenn ich ihnen einen Vorschlag zur Lichtgestaltung machte. „Das ist machbar?!“, lautete dann meist die Frage. Häufig bedeutete das „Ja“ für mich, nach der Probe – sei es am Abend oder in der Nacht – die Technik noch soweit vorzubereiten, dass ich am nächsten Morgen den funktionierenden Beweis liefern konnte.    Es existierte nun ein Zaubergerät in der Beleuchtung, die Vorbühne war flexibel. Technische Boliden wie das Bühnenbild zu „Nussknacker und Mausekönig“ oder zu „Der Zauberer der Smaragdenstadt“ waren jetzt möglich und alle Kreativen im Bereich Ausstattung reagierten auf die neuen Gegebenheiten wie eine Katze auf Baldrian. Nach wie vor hinderlich: Die Höhe vom Bühnenboden bis zur Bühnendecke betrug nur dreieinhalb Meter und lediglich drei Rohre dienten als Aufhängung für die Kulissen. Die in den Werkstätten hergestellten, rollenden Stative aus den 50er Jahren erwiesen sich nach und nach als überflüssig, da die in der Vergangenheit üblichen Stabpuppen und damit die alles verdeckende Spielleiste nur noch selten genutzt wurden. Hinzu kam, dass die Probebühne, nicht größer als ein Wohnzimmer, viel zu klein war und es im Haus kein Lager gab. Oft sind wir mit allen Kulissen umhergezogen – mal in eine angemietete Wohnung, mal in eine Halle am Hafen.


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Ende der 90er Jahre war es dann soweit: Die ständigen Bemühungen von Michael Kempchen, nunmehr seit fast zehn Jahren Intendant des Theaters, trugen Früchte. Ein Anbau mit Lager und Probebühne wurde genehmigt, was aber auch Umbauten im Foyer notwendig machte. Zu unserem Leidwesen fiel das Lager kleiner aus als gewünscht, da auch noch ein Parkplatz entstehen musste. Und an zu bedenkenden Vorschriften konnte selbst Frau Hinz vom Hochbauamt, langjährige innovative, verständnisvolle Partnerin in Sachen baulicher Veränderungen, nichts ändern. Aber dafür erfüllten sich alle anderen Wünsche. Im Zuge des Umbaus wich allerdings der geschwungene Schriftzug „Puppentheater“ über dem Eingang dem durch gelbe Säulen gestützten Vordach. Große Verbesserung: Eine Rampe erleichterte nunmehr Rollstuhlfahrern und Fahrradfahrern den Weg auf den Hügel. (Bis dahin trugen noch die Techniker Besucher und Besucherinnen, die einen Rollstuhl nutzten, die Treppen hinauf!) Auch gab es jetzt für das Publikum genügend Platz im Foyer, in das zudem eine kleine selbstbetriebene Bar passte, und die Mitarbeiterinnen der Kasse konnten in ihrem mit einer Glasfläche abgegrenzten Raum wie in einem Terrarium bei ihrer Arbeit beobachtet werden. Die neue Probebühne ermöglichte, dass auf der großen Bühne für unser Publikum gespielt und parallel dazu geprobt werden konnte. Ein spielplantechnischer und wirtschaftlicher Vorteil, hatten zuvor Proben und technische Einrichtungen das Theater immer wieder für mehrere Wochen blockiert und den Spielbetrieb verhindert. Wie sich zeigte, konnte die Probebühne außerdem gut für kleine Kabinettstücke genutzt werden und eignete sich offensichtlich sehr für Aufführungen, die eine eher wohlige, intimere Atmosphäre brauchten.    Diesen Umbau würde ich als einen wirklich großen Selbstbehauptungsschritt für das Theater bezeichnen, welches einige Male vor der Abwicklung stand. Expansion und Engagement aller Beteiligten – über das normale Maß hinaus – retteten das Puppentheater immer wieder vor der Schließung. Dazu kam, allein durch das Nutzbarmachen neuer Ressourcen, das deutlich spürbare Interesse innovativer Künstler und Künstlerinnen an unserem Haus. Sie fanden hier das Potenzial, ihre

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künstlerischen Visionen umzusetzen. Das einst um seine künstlerische Anerkennung ringende Puppentheater in Magdeburg erhielt nach und nach mehr Respekt und Akzeptanz – nicht nur in der Puppentheaterszene.    Im Jahr 2000 dann ein Höhepunkt in unserer künstlerischen und kulturpolitischen Entwicklung: Das Puppentheater war gemeinsam mit der Stadt Magdeburg und der UNIMA Deutschland Gastgeber für den Weltkongress und das Weltfestival der UNIMA. Das ist sowas wie der G8-Gipfel der internationalen Figurenspielszene, nur mit mehr Teilnehmern und ohne Protestaktionen.    Allerdings änderte auch dieses Event nichts daran, dass die Bühne immer noch zu klein und zu niedrig war und es noch immer keine automatischen Bühnenzüge gab. Es hieß also jahrelang Anträge schreiben, Klinken putzen, mit spekakulären Leistungen Existenzberechtigung nachweisen – dann fand schließlich das Ersehnte statt: Zuschauerhaus und Bühne wurden umgebaut. Eine flexible Zuschauertribüne, ein Bühnenturm mit elektrisch angetriebenen Bühnenzügen, ein um mehrere Meter veränderbarer Bühnenausschnitt standen auf der Wunschliste ebenso wie begehbare Beleuchterbrücken und neueste digitale Licht- und Tontechnik. Alle meine Wünsche und Pläne wurden, soweit sie machbar waren, Realität. Doch zuvor richteten wir die alte Feuerwache als Ausweichspielstätte ein, damit wir unserem Publikum weiterhin ein anspruchsvolles, kreatives und unterhaltsames Programm bieten konnten. Ein Jahr sollte dieses Provisorium währen. Denn der Umbau des Theaters nahm Züge eines Neubaus an. Es blieben nur drei Außenwände stehen, die wurden aufgestockt; dort, wo einst die Bühne war, wurde eine neue gebaut, größer, vier Mal höher und mit elektrischen Zügen ausgestattet. Ein Höchstmaß an Flexibilität im Zuschauerraum, auf der Bühne, im gesamten Haus war damit erreicht.    In kurzer Zeit entwickelte sich das Puppentheater von der kleinen Guckkastenbühne zu einer der modernsten Figurentheaterbühnen Europas und: Ich war dabei. Wo l fg a n g K r e b s begleitete als technischer Leiter von 1991 bis 2011 diverse Umbauten des Puppentheaters Magdeburg.


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ETWAS DAS F ÜR MIC H Tops und Fl ops e in e s A u s st at t ungsle ite rs

DA S

BILD A u s ei nem Ge sp rä ch m i t S ven N ahrste d t

AUF L ÄDT

Ausstattungsleiter zu sein am Puppentheater Magdeburg heißt, dass man sich um die Umsetzung der Wünsche aus den Bereichen Bühnenbild, Puppen- und Kostümgestaltung kümmert. Und zwar für die Inszenierungen, die am Haus stattfinden, egal, ob das eigene Ausstattungen sind oder die von Gästen. Das Spezielle hier am Haus ist also, dass man mit Puppen zu tun hat. Das bedeutet allerdings nicht, dass ich die Puppen selbst baue, sondern ich sorge dafür, dass Entwürfe realisiert werden bzw. wenn nötig, ein externer Puppenbauer oder eine Puppenbauerin beauftragt wird. Bei „König Kolossal“ hatten wir zum Beispiel die Situation, dass die Puppen im 3D-Druckverfahren hergestellt werden sollten – sie verkörperten nämlich Doppeldoppeldoppelgänger. Die Kontakte mit den Konstrukteuren, den Druckgeräteherstellern etc. liefen dann über mich. Es gab die Skizzen der Ausstatterin, also die Figurinen, die ich dann gemeinsam mit der Konstrukteurin in ein 3D-Modell übertragen habe, für den Prototyp. Dieser wurde dann gedruckt, gemeinsam mit dem Regisseur und der Ausstatterin begutachtet und es wurde festgestellt, worauf wir achten müssen, was machbar war und was nicht. Im Ergebnis ist schließlich eine ganze Serie von 3D-Puppen entstanden, aus Plaste natürlich. Bemalt und ausgestattet wurden sie dann bei uns im Atelier. (…) Mein Weg zum Puppentheater verlief nicht ganz gerade. Ich habe zuerst Architektur und Design studiert – also Architektur abgebrochen, Design angefangen. 2002 habe ich bei einer Veranstaltung Frank Bernhardt und Michael Kempchen getroffen. Die erzählten mir, dass sie im Jahr darauf etwas unter dem Titel „La Notte“ veranstalten wollten, im Klosterbergegarten, zur Eröffnung des Blickwechsel-Festivals. Und sie fragten mich, ob ich mir vorstellen könne, den Eingangsbereich zu gestalten. Das habe ich dann gemacht. Es war die erste Festivaleröffnung im Klosterbergegarten und es hieß, es würden wohl ungefähr 1000 Besucher kommen. Na ja, es waren schlussendlich ein paar mehr – so etwa


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4000. Deshalb hat vieles zwar hinten und vorne nicht funktioniert wie gedacht, auch meine poetische Eingangsinstallation konnte diesen Ansturm nicht bewältigen: Die meisten Besucher liefen drum herum, statt mittendurch, um möglichst schnell aufs Festivalgelände zu kommen. Dennoch – am Ende war es toll, auch für mich eine tolle Erfahrung. Und meine erste mit dem Puppentheater Magdeburg.    Daraus entstanden Folgeaufträge als freier Mitarbeiter für die Festivals – damals war ich noch am Magdeburger Schauspielhaus beschäftigt. 2007, bei „La Notte – Schöne Aussicht“ im Buckauer Engpass, war ich dann schon freischaffend. Das war ein sehr besonderes Projekt: Ensemblemitglieder, Gastkünstler und -künstlerinnen haben die leerstehenden Häuser bespielt, aber auch Läden und Gärten von Leuten, die noch im Viertel wohnten. Eingelassen in die bespielte Straße, die wirklich Engpass heißt, wurde das Publikum am Vorstellungsabend durch ein großes, sehr theatral wirkendes Portal. Den Abschluss des Parcours bildete eine mit Gaze bespannte zehn Meter hohe Gerüstkonstruktion an einem Wendehammer, auf die ich riesige Videoprojektionen werfen ließ.    In demselben Jahr fanden die ersten KinderKulturTage statt, unter der Leitung von Marianne Fritz. Auch dafür habe ich den Außenbereich mitgestaltet – den Platz vor der Jugendkunstschule und den Weg von dort hinunter zur Elbe habe ich in einen Freiluftgarten verwandelt. So gings weiter und weiter mit kleineren und größeren Projekten, bis ich gefragt wurde, ob ich mir auch vorstellen könne, fest am Puppentheater zu arbeiten. Ich habe sozusagen als „Praktikant“ angefangen, und über den Hausausstatter bin ich zum Ausstattungsleiter geworden. (…) Nicht immer ging es nur darum, Entwürfe und Ideen von anderen umzusetzen, regelmäßig waren auch meine eigenen Gestaltungsvorschläge gefragt. Und dabei gab es „Tops and Flops“ für mich. Ein Flop war die „La Notte … zu neuen Ufern“ im Wissenschaftshafen 2011.

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Ich wurde das erste Mal mit der Aufgabe betraut, ein ganzes Gelände zu gestalten. Nach dem kleinen Klosterbergegarten, den man gut überschauen konnte, und dem Schiffshebewerk im Jahr zuvor, das ebenfalls ein begrenzter, strukturierter und ohnehin sehr spezieller Ort war, ging es diesmal auf ein riesengroßes Areal. Da musste man immer wieder neu denken und neu gucken – auch logistisch überlegen: Hier findet dies statt, dort das – wie stellt man das sichtbar in Zusammenhang? Schließlich habe ich einen roten Faden gefunden, der sich durch das ganze Gelände bis hinein ins Hafenbecken zog: Luftballons. Ich hatte 10 000 weiße Luftballons besorgt. Die Wiese zwischen Fußweg und Elbufer hatte ich mit 1000 weißen Luftballons bestückt, die alle an einem Band hingen, mit Helium gefüllt – und in den 1000 Luftballons waren kleine LED-Lampen angebracht. Mein Plan: Abends um halb zehn schalten wir die alle an. Doch gerade als wir losgehen wollten, begann ein Unwetter. Man hörte nur einmal, ganz kurz, ein Geräusch wie eine Maschinengewehrsalve. Das waren die Hagelkörner, die sämtliche Luftballons zerplatzen ließen. Ein Trauma. Woraus ich immerhin gelernt habe, dass man mit gewissen Sachen definitiv nicht open air arbeiten kann. Wir können mittlerweile darüber schmunzeln, damals wars nicht lustig, eher zum Weinen.    „Top“, also eine der schönsten „La Notte“ für mich, war die, die 2016 auf dem Gelände des Theaters stattfand. Dafür verkleidete ich die vorhandene Architektur mit Fassadenkonstruktionen aus Pappe, gestaltete sie so um, dass die Eingangsbereiche und Innenhöfe sich in etwas wie acht eigene Bühnenbilder oder Bühnenräume verwandelten. Dann zu erleben, wie Menschen im Innenhof vor der Villa sitzen und die Atmosphäre genießen; sie sagen zu hören: „Man fühlt sich hier wie in Frankreich“ – und sie wissen nicht, dass der, der dafür verantwortlich ist, neben ihnen sitzt – das macht Freude.    Oder 2018: „La Notte – ein Mitternachtspicknick“ am Salbker See, das war eine schwere Geburt. Hier brauchte ich lange, um die Gestaltungsidee zu finden. Das Problem war gar nicht mal die Größe des


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Geländes, es war ja nicht so riesig, aber komplett leer, ein See mit Strand, Rasenflächen und einer Insel. Das ist das Spannende an meinem Job in diesem Theater: Man setzt nicht nur ein Bühnenbild um, sondern man ist auch sowas wie Landschaftsarchitekt bzw. Architekt oder Designer. (…) Ach ja, der „Grasraum“, der dir so gefallen hat – in dem Jahr fand ich es spannend, dass die Besucher sich auf dem ganzen Theatergelände frei bewegen konnten. Es reizte mich, jede Ecke, auch die abgelegene, die nicht wirklich schöne, so zu gestalten, dass man dort, wo man eigentlich nur schnell durchgehen wollte, um den Weg abzukürzen, unwillkürlich einen Moment verweilen musste. Zum Beispiel der abgeschlossene kleine Innenhof, in dem eine Eiche steht. Ich saß da irgendwann und dachte: Wenn hier eine Wiese wäre! Und ein Film mit den schönsten Liebesszenen liefe! Genau das habe ich dann geschaffen, indem ich sämtliche Flächen mit Rollrasen ausgelegt, Möbel gebaut und ebenfalls mit Rollrasen verkleidet habe. Das Ganze wurde dann mit rotem Samt eingefasst und: Eine Projektion lief darin. Dieser so entstandene Raum, in dem alle Geräusche durch die Rasenverkleidung stark gedämpft waren, erwies sich als perfekter Rückzugsort für diejenigen, die Stille bewusst genießen wollten. (…) Durch den Umbau der alten Rayon-Villa neben dem Theater, also die Einrichtung der villa p. und die damit verbundene Ausstellungstätigkeit ergaben sich einige Veränderungen, auch hinsichtlich der Arbeitsbedingungen. Diese haben sich verbessert, denn es gibt nun mehr als Büros und Werkstätten nutzbare Räume. Zudem sind viele Figuren, die bei uns im Fundus lagerten, als Teil der ständigen Ausstellung in die villa p. gewandert – nicht dass deshalb im Fundus wirklich mehr Platz wäre, aber es ist ein bisschen „luftiger“.

Mit der Realisierung der öffentlich zugänglichen Sammlung in der Villa stellte sich auch eine neue Daueraufgabe: die Pflege der Figuren und der Ausstellung. Wir haben einen Mitarbeiter, der sich intensiv darum kümmert. Dazu kommen regelmäßige Sonderausstellungen, die wir begleiten und für die ich gemeinsam mit der betreuenden Dramaturgin die Ausstellungskonzeptionen gestalte. Für die Sonderausstellung „Paul Klee – Die Puppe wird frühstücken“ wurde dann erstmals eine externe Ausstellungsgestalterin engagiert.    Die Einrichtung der Villa selbst war ein Riesenakt. Zunächst war ein Wettbewerb ausgeschrieben worden. Das Gestalterduo, das den Zuschlag erhielt, lieferte recht spät die Entwürfe für die Objektträger sowie thematische und unterschiedliche Epochen abbildende Raumausstattungen. Ich war mit dafür verantwortlich, dass die Objektträger entsprechend den Entwürfen umgesetzt wurden. Das bedeutete, geeignete Firmen zu finden, weil dies in unserer Werkstatt nicht zu schaffen war. 18 Räume waren zu gestalten – und parallel dazu galt es noch, den normalen Spielbetrieb zu bewältigen. Das Theater war ja während des Umbaus und der Einrichtung der Sammlung nicht etwa geschlossen. Den ersten Ausstellungsraum nahmen wir im Februar 2012 in Angriff, die Eröffnung der villa p. fand im November 2012 statt! Innerhalb von zehn Monaten wurde also die komplette Dauerausstellung ausgestattet und mit mehr als 1200 Theaterfiguren eingerichtet. Natürlich musste bis zur letzten halben Stunde vor der Eröffnung hier noch ein Bändchen befestigt und dort noch ein Schildchen geklebt werden.    Bei mir lag die Verantwortung für alles, was nicht in der technischen Abteilung gefertigt werden konnte. Ob das die Beschriftungen waren, die Präsentation der Fotos, die farbliche Gestaltung, Auftragsvergabe und Materialbeschaffung … Wie gesagt: neben dem laufenden Spielbetrieb. Das war ein Wahnsinnskraftakt. Sowas steht man nicht alle Jahre durch, glaube ich. Ich kann froh sein – und jetzt spreche ich von meiner Abteilung –, dass es ein Team gab und gibt, das richtig Lust auf diese Arbeit hatte. Dass mal geflucht wurde, gehört natürlich dazu, dass man mal sagte: „Ist doch egal, ob die Puppe


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zwei Zentimeter nach links oder nach rechts rückt! Wir müssen fertig werden!“, ist auch normal. Aber wir alle – ob Schneiderin,Tischler,Theatermaler oder Techniker – agierten mit Leidenschaft, sonst hätten wir das Ganze schlicht nicht geschafft. Mal eben hier was nähen, da noch was ausprobieren – und trotz des Drucks die Sache noch ruhig angehen. Also: relativ ruhig (lacht). Ich glaube, in den zehn Monaten habe ich mehr Zeit im Theater verbracht als zuhause, Schlaf eingerechnet. Es ist aber ohnehin abartig, zu versuchen, Kunst und Kreativität in Stunden zu pressen. Neo Rauch sagt ja auch nicht nach acht Stunden: „Ich schmeiß meinen Pinsel jetzt hin!“ Es bleibt eine Krux im Theater: Man kann nicht nach normalem Stundensoll arbeiten. Aber man arbeitet ja auch nicht mit „normalen Menschen“ im Theater.

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Eine besondere Inszenierung wurde für mich „Wo die wilden Kerle wohnen“ nach Maurice Sendak, weil ich da was ganz Persönliches einbringen konnte. Ich hatte zu meiner Freundin gesagt, für die „Wilden Kerle“ muss ich mit dir an die Ostsee fahren, ich muss das Meer mit dir zusammen aufnehmen, in seinen unterschiedlichen Stimmungen. Am Ende waren die Projektionen dieser Meeresbilder tatsächlich auf der Bühne zu sehen. Natürlich kann man sich solche Bilder auch durch Unterlagen erarbeiten, aber wenn ich für eine Sache verantwortlich bin, dann brauche ich diesen gewissen Moment, den ich darin sehen möchte … jenes etwas, das für mich das Bild auflädt. Ich habe schon immer versucht, bewusst oder unbewusst, bei der Gestaltung eines Raums auch mit persönlichen Gefühlen und Situationen zu arbeiten.

(…) Hofspektakel, unsere Sommer-Open-Airs, haben mir immer Spaß gemacht. Du sitzt draußen, guckst dir das Theatergelände an und suchst nach einer passenden Bühnenidee für diesen Ort und das anstehende Stück. Die Probenzeit im Freien hat jedes Mal eine ganz eigene Atmosphäre. Gespielt wird das Hofspektakel dann den ganzen Juli hindurch. Gelegenheit, ein bisschen Luft zu holen, die Spielzeit sacken zu lassen, da man in dieser Zeit nur Abendschicht hat. Also, ich mag Sommer-Open-Air, das „Offene“ – das berührt ja auch mein Thema: Wie geht man mit der Umgebung um, wie bezieht man sie in das Spiel ein?

Das Gespräch fand im Oktober 2019 statt. Zu diesem Zeitpunkt war Sve n Na h r ste d t noch Ausstattungsleiter am Puppentheater Magdeburg. Zum Spielzeitende 2019/20 hat er seinen Vertrag aufgelöst, weil er findet, dass 17 Jahre 150 Prozent reichen – und er nicht gern noch ein paar Jahre mit 90 Prozent ranhängen will, sondern lieber erstmal Luft holen und sich dann einer neuen Aufgabe widmen, wieder mit 150 Prozent. Er bleibt dem Puppentheater verbunden – direkt nach seinem letzten Arbeitstag ist er am 1. September 2020 dem Förderverein des Puppentheaters Magdeburg beigetreten. Aufzeichnung und Zusammenstellung: Anke Meyer

La Notte … vor Anker im Schiffshebewerk/Festival Blickwechsel 2009. Foto Jesko Döring


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D ra m at urgi e a l s int erdi szi p lin ä re

PLÖT ZL I CH

A uf gabe

K U RATORI N

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Miria m L o cke r

Im Frühjahr 2018 unterschreibe ich einen Vertrag als Dramaturgin am Puppentheater Magdeburg. Darüber freue ich mich sehr, denn Puppentheater ist eine spannende Kunst, an und mit der es noch viel für mich zu entdecken gibt. Als Dramaturgin werde ich im besten Fall Stücke lesen, Texte schreiben und Regisseuren und Regisseurinnen als Gesprächspartnerin zur Verfügung stehen. Dann erfahre ich vom Intendanten, dass ich auch für die Betreuung einer Figurenspielsammlung und die inhaltliche Konzeption regelmäßiger Sonderausstellungen verantwortlich sein werde. Ausstellungen? An einem Theater? Ungewöhnlich! Ich habe in meinem Leben noch nie Ausstellungen betreut und konzipiert und sehe mit einem gewissen Respekt in meine Arbeitszukunft.    Noch bevor ich meinen neuen Job antrete, besuche ich die FigurenSpielSammlung in der dem Puppentheater angeschlossenen villa p. In der ständigen Ausstellung wird mit etwa 1200 Theaterpuppen und Objekten die Geschichte des Figurentheaters aufgeblättert, chronologisch strukturiert, immer vor dem Hintergrund der jeweiligen gesellschaftlichen Systeme. Ich laufe durch 13 Räume von der Antike in die Gegenwart. Es ist viel, es ist eng, es ist dicht. Ich entdecke Puppen und Figuren, die mich auf unterschiedliche Weise beeindrucken, lerne Neues über das Medium, fühle mich aber auch erschlagen von der Fülle und habe Fragen an die historische Herangehensweise und den Umgang mit Authentizität. Dass es insgesamt vier Puppen gibt, die unkommentiert „Neger“ heißen, irritiert mich. Und überhaupt: Wie ist das Puppentheater zu diesem Museum gekommen? Oder das Museum zum Puppentheater? v i l l a p. Im Sommer 2006 beschloss der Stadtrat Magdeburgs, dem Puppentheater Magdeburg ein schönes, altes Fachwerkhaus, das 1884 als Rayon-Villa gebaut wurde, zu übergeben. Die Villa steht unter Denkmalsschutz, sie war vor den Weltkriegen Wohnort eines Großindustriellen, später beherbergte sie eine Fachschule für Kindergärtnerinnen, den Rat des Bezirkes und eine Beschäftigungsgesellschaft. Seit 2012 heißt das dreistöckige alte Haus nun villa p.; im zweiten Stock und unterm Dach gibt es Räume für Sonderausstellungen und Workshops sowie schicke Büros für Intendanz und künstlerische Leitung, für das KBB, die Dramaturgie und die Presseabteilung. Über Souter-


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rain, Erdgeschoss und ersten Stock erstreckt sich eben jene bereits erwähnte FigurenSpielSammlung.    Die Idee, ein Puppenmuseum aufzubauen, das mit dem Theater ein Zentrum für Puppenspielkunst bildet, gab es schon lange. Für meine Kolleginnen und Kollegen ging also ein lang gehegter Traum in Erfüllung, als sie 2010 endlich die geeigneten Räume zur Verfügung hatten und beginnen konnten zu planen, zu kuratieren, zu entwerfen, zu bauen, zu sichten, zu sammeln, zu räumen und aufzubauen. FigurenSpielSammlung Im Herbst 2012 war es dann endlich soweit: Die FigurenSpielSammlung Mitteldeutschland öffnete ihre Pforten. Seitdem entführt sie ihre Besucherinnen und Besucher in die Vielfalt der Kunstform Puppentheater, verschafft ihnen Begegnungen mit Puppen jeglicher Bauart und Ästhetik. Ob für Kinderinszenierungen oder für den Abendspielplan, für Tragödie, Jahrmarktsvergnügen oder Politpropaganda – alles ist vertreten, mit Schwerpunkt auf den Inszenierungen des Hauses. Dem Anspruch, Zusammenhänge zwischen der Kunstform Puppentheater, Zeitgeschichte und gesellschaftspolitischen Entwicklungen herzustellen, versucht die Ausstellung gerecht zu werden, indem sie originale Exponate (und bei deren Fehlen auch Repliken), von den Ursprüngen des Puppenspiels bis zum Theater mit Puppen und Objekten nach der Jahrtausendwende, chronologisch präsentiert. Indem sie Geschichte und Gesellschaft interpretiert, vergangene Welten illustriert, Objekte und Figuren, Bühnenbilder und Szenenanweisungen in Kontexte stellt, Theaterpuppen in ihrer jeweiligen Historie verortet.    Seit der Eröffnung sind sieben Jahre vergangen, mittlerweile haben knapp 50 000 Menschen die Sammlung besucht, in den letzten Jahren werden es auffallend weniger. Die Geschichte bewegt sich fort, viel passiert, Themen, Dringlichkeiten, Diskurse werden andere. Darauf reagieren auch Kunst, Kultur, Theater. Zeit also, die FigurenSpielSammlung neu zu überdenken, zu erweitern, umzustrukturieren, zu modernisieren. Das wird eine Herausforderung.

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Dass drei Räume der villa p. für wechselnde Sonderausstellungen zur Verfügung stehen, war von Anfang an Teil des Konzepts. Der gemeinsame Nenner dieser Sonderausstellungen ist, dass sie Puppen und Figuren in der Kunst, im Theater, in den Medien, im Leben der Menschen ins Zentrum stellen. Seit es die villa p. gibt, konnten die Besucherinnen und Besucher hier schon Ausstellungen zu der Bühnenfigur Mephisto, der Puppentheaterdynastie Schichtl oder den Salzburger Marionetten erleben.    Es ist 2019, das Jahr, in dem die berühmte Kunstschule Bauhaus ihren 100. Geburtstag feiert. Wir feiern dieses Jubiläum mit einer Sonderausstellung, die sich auf Bauhauskunst bezieht. Zwei große Deals dafür wurden bereits von meiner Vorgängerin Katrin Gellrich und den Kollegen eingefädelt: Von den Erben des Künstlers Paul Klee in der Schweiz sollen Puppen geliehen werden, die Klee für seinen Sohn Felix geschaffen hat. Und der Puppengestalter Günter Weinhold baut für die Ausstellung eine Bühne nach, die im Wohnzimmer der Familie Klee stand und von Felix Klee bespielt wurde. Paul Klee, einer der, wie ich finde, interessantesten, vielseitigen und poetischen Künstler der Moderne, war zehn Jahre lang Lehrmeister am Bauhaus. Den Puppen Raum geben Ein Ausstellungskonzept muss nun weiterentwickelt und umgesetzt werden. Von mir, einer neuen Kollegin mit keinerlei Erfahrung im Kuratorischen! Dass man mir dieses Vertrauen schenkt und mich machen lässt, erstaunt mich und spornt mich gleichzeitig an. Ich beschließe, die Klee-Puppen ins Zentrum der Ausstellung zu stellen und die anderen Objekte nach ihnen auszurichten, die drei Räume mit den fünf Puppen und dem, was sie erzählen, zu akzentuieren – und den Puppen dabei so viel Raum wie möglich zu geben. Wichtig erscheint mir, dass die Ausstellung sich nicht nur inhaltlich, sondern auch in ihrer Gestaltung am Bauhaus orientiert: in klar und geometrisch strukturierten hellen Räumen. Ich kann Paula Gehrmann, eine bildende Künstlerin aus Leipzig, die bekannt ist für modulare


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Rauminstallationen, für die Gestaltung dieser Räume gewinnen. Gemeinsam sichten, entwerfen, sammeln, räumen, schreiben und bauen wir. Paula Gehrmann entwickelt als Ausstellungsträger ein Baukastensystem aus roten und gelben Kuben und Treppen. Wir entscheiden, offen damit umzugehen, dass wir zwar die originalen Puppen aber keine Originalbilder ausstellen werden. Das gibt uns zum Beispiel die Freiheit, Paul Klees Malereien und Zeichnungen großformatig auf Stoffe zu drucken, die wir mit roten Bändern an Heizungsrohre knoten. Im Herbst 2019 eröffnet die PaulKlee-Ausstellung „die puppe wird frühstücken“ in der villa p. Die Resonanzen sind gut, ich habe meine erste kuratorische Arbeit erfolgreich hinter mich gebracht und bin nun ein wenig Paul-Klee-Spezialistin, konnte erforschen, welche Spuren das Puppentheater in der bildenden Kunst hinterlassen hat – und andersherum. Dank meiner Arbeit als Dramaturgin am Puppentheater Magdeburg.    Weiter gehts! Im März 2020 eröffnen wir die nächste Sonderausstellung „Ohne Vorwarnung!“ mit Werken der renommierten belgischen Objekttheatermacherin Agnès Limbos. Für den Winter ist eine Ausstellung für Familien geplant, mit Puppen, die viele Menschen – im besten Fall weltweit – kennen. Eine zusätzliche Facette: Das Programm „nah dran – Theater im Museum“. Für dieses Format setze ich mit der Puppenspielerin Freda Winter eine Collage zu Rosa Luxemburg in Szene. Theater also, das in einem Ausstellungsraum stattfindet und auf ihn zugeschnitten ist.    Dramaturgin sein am Puppentheater Magdeburg heißt: interdisziplinär arbeiten. Spannend! M i r i a m L ocke r ist Dramaturgin am Puppentheater Magdeburg und fühlt sich auch in den Ausstellungsräumen der villa p. heimisch.

die puppe wird frühstücken – Paul Klee. Puppen. Grafik. Bauhaus, 2019. Foto Anjelika Conrad


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EIN IMPROMPTU ÜB ER TH EATER „ D i e Hoffnung a u f Ge n u ss i s t fast so sü ß , a ls sch o n e r f ül lt e Hoffnu n g .“ Wi l l i a m S ha ke speare

M arlis Hirche

CAFÉ & GEN USS

Es ist Montag im Puppentheater Magdeburg – da bleibt die Küche des wunderbaren Theatercafés leider kalt. In der Pause kaue ich lustlos auf meinen mitgebrachten Broten herum und trinke lauwarmen Kaffee aus der Thermoskanne – Genuss sieht anders aus … Ich träume von Pasta, von Spinat mit Spiegelei und einem guten heißen Cappuccino.    Aber zumindest auf der Bühne wird das Feuer entfacht: Hier fliegen die Fetzen, der Schweiß fließt in Strömen … Spielend, singend, slapstickend und auch philosophierend genießen wir den Augenblick der Probe – kosten alles aus, was möglich ist und verwerfen auch wieder.    Endlich Dienstag! Während sich auf der Bühne Kasper und Teufel kloppen, macht sich in meinem Kopf die Lust breit, auf einen großen Windbeutel mit frischer Sahne. Zufällig wurde ich heute Zeuge beim Dekorieren der einzigartigen Glasvitrine des Theatercafés mit feinstem Backwerk. Bei der Gelegenheit habe ich auch einen Blick auf die Mittagskarte geworfen. Sein Lieblingsessen sollte man besser vorbestellen, da es schnell vergriffen sein kann. Gerne mischen sich auch Gäste aus Magdeburg unter die Künstler im Café. Sie schätzen die Nähe zu den Theaterleuten und natürlich mögen sie auch die Speisen und das schöne Kaffee- und Kuchenangebot. Während in der Küche die Pasta abgeschreckt wird, dringen die Künstler auf der Bühne ganz unerschrocken vor in den noch unerforschten „Dschungel“ des neuen Theaterprojekts.    Was für ein Genuss – mit Gleichgesinnten immer wieder den Spielraum offener Möglichkeiten zu entdecken. Wie wunderbar ähnlich sind sich doch die Theaterarbeit und das Zubereiten einer schönen Mahlzeit.    Das café p. ist das Drehkreuz des Puppentheaters Magdeburg. Alle Wege führen durch das luftige Café: zum Theatersaal, auf den charmanten Innenhof zum Hofspektakel oder zur FigurenSpielSammlung in der villa p. Letztendlich bis unters Dach zur Intendanz, zur künstlerischen Leitung und Dramaturgie des Puppentheaters. Das Schönste aber ist: Im Café trifft man sich auch ohne vorherige Verabredung. Die Puppenspieler und alle Mitarbeiter des Theaters, ja sogar die


E xpansion (Umbau 3)

Theaterhunde sind dort willkommen – eine Agora im wahrsten Sinne des Wortes …    Es ist Sonnabend – der Tag der Premiere. Das ganze Theater vibriert vor Aufregung. Ich sitze im Café und beruhige mein Lampenfieber mit einem frischen Cappuccino. Mitfühlend lächelt mich der Kellner an. Immer wieder fällt mein Blick auf die Bildschirmuhr, wo „Standard Time“ läuft, in der 70 Arbeiter in Echtzeit aus Holzbrettern eine vier Mal zwölf Meter große, fortlaufende digitale Zeitanzeige synchron fertigen – eine für das Theater sehr passende Videoarbeit.    Noch eine ganze Stunde bis zum Beginn. Die ersten Zuschauer betreten das Theater. Sie sind rechtzeitig da und kommen von der Kasse ins Café, um bei einem Glas Wein oder Sekt die besondere Atmosphäre vor der Vorstellung zu genießen. Sie sind erwartungsfroh und gespannt wie alle im Theater. Schnell huschen noch Blick ins café p., 2020. Foto Anjelika Conrad

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Mitarbeiter mit Programmheften und neuen Spielplänen durch das Café. Dann ist es soweit: Die Premiere beginnt – ein Werk aller, die mit viel Herz und Verstand, mit einer großen Portion Fantasie und Leidenschaft über Wochen einer Idee gefolgt sind. Wird es funktionieren?    Ich gehe als Letzte in den ausverkauften Theatersaal. Das eben noch brechend volle café p. bleibt allein zurück.Während der Vorstellung zaubern die Mitarbeiter das Premierenbuffet für die Feier danach.    Es geht immer um den Zauber des Augenblicks – im Theater, in der Küche, im Café. In den Begegnungen vor und nach der Vorstellung, in den Gesprächen. M a r l i s H i rch e , Schauspielerin, Puppenspielerin, Regisseurin, führte gemeinsam mit Oliver Dassing mehrfach Regie am Puppentheater Magdeburg.




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EPILOG A g n ès Li m bos

Epilog

un espace, un acteur, un objet

Il y a la respiration longue ou brève de l‘acteur déplaçant l‘objet d‘un endroit à un autre.

L‘acteur regarde l‘objet, puis regarde le public en projetant une émotion ouverte et essentielle.

Mettre en scène en collaboration avec Freda et Florian:

Le focus n‘est ni sur l‘acteur, ni sur l‘objet. Agnès Limbos, belgische Objekttheaterkünstlerin und Gründerin der Brüsseler Cie. Gare Centrale. Anfang 2020 inszenierte sie am Puppentheater Magdeburg.

Mais comment ensemble ils renvoient une interrogation dans l‘imaginaire du spectateur.


Epilog

ein Raum, ein Darsteller, ein Objekt

Es gibt den langen oder kurzen Atemzug des Darstellers, während er das Objekt von einem Punkt zum anderen bewegt.

Der Darsteller schaut auf das Objekt, dann schaut er ins Publikum und sendet dabei ein offenes, elementares Gefühl aus.

Inszenieren in Zusammenarbeit mit Freda und Florian:

Der Fokus liegt weder auf dem Darsteller noch auf dem Objekt. Sondern darauf, wie sie gemeinsam eine Frage in die Vorstellungswelt der Zuschauer zurückschicken.

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Florian Feisel in Novecento. Die Legende vom Ozeanpianisten, 2004. Foto Willi Filz


Maurice Voß, Anna Wiesemeier, Freda Winter, Richard Barborka, Lennart Morgenstern, Florian Kräuter in Struwwelpeter Hofspektakel 2019. Foto Viktoria Kühne


ANHANG


IN SZE NIERUNGSCH R O NI K 1958 BIS 2020

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Inszenierungschronik

1958–1970 Der gestiefelte Kater (1958) von Gerhard Diezmann Regie: Gustel Möller Bühne/Puppen: Jutta Balk Ein aufregender Geburtstagsmorgen (1958) von Rudi Zilling Regie: Gustel Möller Bühne/Puppen: Lothar Keil/Jutta Balk Die Zaubergalosche (1959) von Jutta Balk nach G.G. Matwejew Regie: Jutta Balk Bühne/Puppen: Jutta Balk Der Flug ins Pfefferland (1959) von Gerhard Diezmann Regie: Jürgen Baron Bühne/Puppen: Jutta Balk Trombis Erdenreise (1960) von Inge Borde Regie: Gustel Möller Bühne/Puppen: Jürgen Baron/Jutta Balk Fips auf Bärenfang (1960) von Inge Borde nach einer Idee von Kurt Rübener Regie: Jürgen Baron Bühne/Puppen: Jürgen Baron Die lustigen Bärenkinder (1960) von G. Poliwanowa, deutsche Fassung Jutta Balk Regie: Kollektiv Balk Bühne/Puppen: Jutta Balk Ein ungewöhnlicher Wettlauf (1960) von Jutta Balk nach Jewgeni Speranski Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Jutta Balk Frau Holle (1960) von Inge Borde nach den Brüdern Grimm Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Jutta Balk Die drei Proben (1961) von Elsbeth Schulz Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Jutta Balk /Harry Bellmann

Wer fängt Hugo (1961) von Inge Borde Regie: Gustel Möller Bühne/Puppen: Hans-Otto Rieck Das Lieserl (1961) von Alina Tomasova, übersetzt von Traude Mai Regie: Gustel Möller Bühne/Puppen: Jutta Balk Die Schneekönigin (1961) von Inge Borde nach Hans Christian Andersen und Jewgeni Schwarz Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Hans Haupt Drei goldene Schlüssel (1962) von Irmela Hadelich-Nauck Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Hans Haupt Kummer um Scharik (1962) von Hans-Otto Rieck/Dieter Peust Regie: Dieter Peust Bühne/Puppen: Jutta Balk Wie die Bürger von Hadersdorf den Drachen besiegten (1962) ˇ übersetzt von Otto Markus, von Bedrich Svaton, bearbeitet von Jutta Balk Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Hans Haupt Das ungehorsame Entchen (1962) H. Diezmann nach Gernet-Gurewitsch Regie: Gustel Möller Bühne/Puppen: Jutta Balk Das Märchen vom Glaser und dem Kaiser (1962) von Zofia Nawrocka, übersetzt von Oskar Roth, bearbeitet von Peter Becker, Regie: Gustel Möller Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Hans Haupt Geschichte vom Hündchen und vom Kätzchen (1962) ˇ von Juri Kaliba nach Josef Capek Regie: Gustel Möller Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Jutta Balk Die vier Jahreszeiten (1962) von Inge Borde nach Samuil Marschak Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Jutta Balk

Däumelinchen (1961) von Alexandra Bruschtein, übersetzt und bearbeitet von Jutta Balk Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Jutta Balk

Der vergessene Weihnachtsauftrag (1962) von Peter Pillep Regie: Margot Wisgalla Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Hans Haupt

Klein Weißohr (1961) von Jan Welzl, übersetzt von W. Habelt, bearbeitet von Jutta Balk Regie: Dieter Peust Bühne/Puppen: Gerda und Hans Haupt/Jutta Balk

Kalif Storch (1963) von Dieter Peust nach Wilhelm Hauff und Gertraude Röhricht Regie: Dieter Peust Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Hans Haupt

Susis Traum (1961) von Christa Erhardt Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Hannelore Bues/Gretchen und Walter Später

Die Bremer Stadtmusikanten (1963) von Gertraude Röhricht nach den Brüdern Grimm Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Hans Haupt


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Inszenierungschronik

Neues vom Hündchen und vom Kätzchen (1963) von Dieter Peust Regie: Gustel Möller Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Jutta Balk Der Kupferkessel (1963) von Georg Birk nach einem chinesischen Märchen Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Georg Birk Lachen und Weinen (1963) von Sergej Michalkow, übersetzt von Ellen Walden Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Hans Haupt Was Hündchen und Kätzchen noch erlebten (1963) von Dieter Peust Regie: Gustel Möller Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Jutta Balk Peter Petz (1963) von Werner Toelcke Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Jutta Balk Familie Morgenwind (1964) von Inge Borde Regie: Dieter Peust Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Hans Haupt Die Hasenschule (1964) von Pentscho Mantschev, deutsche Fassung Dieter Peust Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Jutta Balk Harlekin und Colombine (1964) von Günther Rücker Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Hans Haupt Frau Holle (1964) von Inge Borde nach den Brüdern Grimm Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Hans Haupt

Der Schneejunge (1965) von Inga Diezmann-Köhler nach einem bulgarischen Märchen Regie: Inga Diezmann-Köhler Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Gertraud Töpfer Die Himmelfahrt der Galgentoni (1966) von Egon Erwin Kisch Regie: Walter Bechstein Bühne/Puppen: Wilhelm Höpfner Das Märchen von der alten Straßenbahn Therese (1966) von Jan Gerstel und Hans-Dieter Schmidt nach Ota Hoffmann Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Gertraud Töpfer Das Fenster und das Pferd (1966) von Ilona Molnar, deutsche Fassung Gustel Möller Regie: Gustel Möller Bühne/Puppen: Burow, Harry Bellmann/Hans Haupt Wie der Elefant zu seinem Rüssel kam (1966) von G. Wladyshina nach Rudyard Kipling, deutsche Fassung Hans-Dieter Stäcker und K. Berndt Regie: Veska Fikowa Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Gertraud Töpfer Schneewittchen und die sieben Zwerge (1966) von Nina Stoytschewa, deutsche Fassung Stojan Stojantschew/Dieter Peust Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Gertraud Töpfer und Peter Bruckner Die vorwitzigen Weihnachtswichtel (1966) von Eva Laue Regie: Gustel Möller Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Gertraud Töpfer

Onkel Pantelei in Afrika und auf dem Nordpol (1968) von Slavka Matowa/Veska Fikowa, deutsche Fassung Dieter Peust Regie: Veska Fikowa Bühne/Puppen: Irmgard Synowitz Caroline und der Schneemann (1968) von Veska Fikowa, deutsche Fassung Dieter Peust Regie: Gisela Reyer Bühne/Puppen: Gertraud Töpfer Aladin und die Wunderlampe (1969) von Gustel Möller Regie: Gustel Möller Bühne/Puppen: Irmgard Synowitz Wenn jemand eine Reise tut (1969) von Dieter Peust Regie: Hartmut Lorenz Bühne/Puppen: Konstanza Kavrakova-Lorenz Nussknacker und Mausekönig (1969) von Gisela Reyer nach E.T.A. Hoffmann Regie: Veska Fikowa Bühne/Puppen: Konstanza Kavrakova-Lorenz Aschenputtel (1970) von Dieter Peust nach den Brüdern Grimm Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Irmgard Synowitz Der himmelblaue Peter (1970) von Lewitt-Him-Urban, deutsche Fassung Inga Köhler Regie: Dieter Peust Bühne/Puppen: Irmgard Synowitz Dr. Dolittle (1970) von Wadim Korostylow nach Hugh Lofting, deutsche Fassung Thomas Brasch/Sanda Weigl Regie: Margareta Niculescu Bühne/Puppen: Mioara Buescu/Ella Conovici Der kleine Prinz (1970) Koproduktion mit den Bühnen der Stadt Magdeburg von Dieter Peust nach Antoine de Saint-Exupéry Regie: Veska Fikowa/Rolf Kabel Bühne/Puppen: Iwan Zonew

Zar Wasserwirbel (1965) von Jewgeni Schwarz, deutsche Fassung Hans Bergmann Regie: Gustel Möller Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Hans Haupt

Bilder einer Ausstellung/ Die Nacht auf dem kahlen Berge (1967) Szenarium von Veska Fikowa/Irina Maritschkowa mit der Musik von Modest Mussorgski Regie: Veska Fikowa Bühne/Puppen: Irina Maritschkowa

Einer geht baden (1965) von Claus Ulrich Wiesner Regie: Hans-Dieter Stäcker Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Hans Haupt und Harald Kretzschmar

Die Hasenferien (1967) von Dieter Peust Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Jutta Balk und Gertraud Töpfer

Das tapfere Schneiderlein (1970) von Edith Bergner nach den Brüdern Grimm Regie: Hartmut Lorenz Bühne/Puppen: Konstanza Kavrakova-Lorenz

Das Beutelchen mit den zwei Hellern (1965) von Vioricu Filipiu, deutsche Fassung Ingeborg Allihn/ Dieter Peust Regie: Inga Diezmann Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Jutta Balk

Alarm beim Weihnachtsmann (1967) von Dieter Peust Regie: Gustel Möller Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Gertraud Töpfer

Schneewittchen (1971) von Veska Fikowa, deutsche Fassung Dieter Peust Regie: Veska Fikowa Bühne/Puppen: Irmgard Synowitz

Däumelinchen (1965) von Alexandra Bruschtein, deutsche Fassung Jutta Balk Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Hans Haupt

Die seltsame Geschichte vom Pfefferkuchenmann Knusperle (1967) von Dieter Peust Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Gertraud Töpfer

Die Bremer Stadtmusikanten (1971) von Hartmut Lorenz nach den Brüdern Grimm Regie: Hartmut Lorenz Bühne/Puppen: Konstanza Kavrakova-Lorenz

Zwerg Nase (1965) von Hans-Dieter Stäcker nach Wilhelm Hauff Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Harry Bellmann/Hans Haupt

Onkel Müll (1968) von Prokowjewa, deutsche Fassung Jutta Balk Regie: Gustel Möller Bühne/Puppen: Irmgard Synowitz

1971–1980

Die Abenteuer des kleinen Löwen (1972) von Hana Sekyrkova, deutsche Fassung Hartmut Lorenz Regie: Gisela Reyer/Reinhard Kuhnert Bühne/Puppen: Gertraud Töpfer-Stojantschew


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Dornröschen (1972) von Gisela Reyer Regie: Konstanza Kavrakova-Lorenz Bühne/Puppen: Konstanza Kavrakova-Lorenz

Inszenierungschronik

Das Puppenspiel vom Doktor Faust (1977) von Carl Schröder nach Christopher Marlowe u.a. Quellen Regie: Carl Schröder Bühne/Puppen: Carl Schröder

1981–1990 Die Regentrude (1981) von Gisela Reyer nach Theodor Storm Regie: Veska Fikowa Bühne/Puppen: Irina Maritschkowa

Die göttliche Komödie (1972) von Isidor Stock, übersetzt und eingerichtet von Dieter Wardetzky Regie: Veska Fikowa/Dieter Roth Bühne/Puppen: Iwan Zonew

Das verlorene Lied (1977) von Alecou Popovici, deutsche Fassung Gisela Reyer Regie: Margareta Niculescu Bühne/Puppen: Mircea Nicolau/Mioara Buescu

Herr Neumann weiß so schöne Sachen, die allen Kindern Freude machen (1973) von Elisabeth Graul Regie: Elisabeth Graul Bühne/Puppen: Gertraud Töpfer-Stojantschew

Bier und Puppen – ein Hans Sachs Abend (1977) von Dieter Peust/Margareta Niculescu Regie: Margareta Niculescu Bühne/Puppen: Mircea Niculau/Mioara Buescu

Bimmeljule (1981) von Heinz Kruschel Regie: Hans-Dieter Stäcker Bühne/Puppen: Antje Hohmuth

Sechse kommen durch die ganze Welt (1973) von Reinhard Kuhnert Regie: Dieter Peust Bühne/Puppen: Irmgard Synowitz

Rotkäppchen (1977) von Mati Unt/Rein Agur, deutsche Fassung Viktor Sepp Regie: Rein Agur Bühne/Puppen: Jaak Vaus

Vom Aberheiner (1982) von Ingrid Hahnfeld Regie: Rainer Gerlach Bühne/Puppen: Irmgard Lieske

Der goldene Vogel (1973) von Veska Fikowa/Slavka Matowa nach Iwan Radojew, deutsche Fassung Dieter Peust Regie: Veska Fikowa Bühne/Puppen: Iwan Zonew

Puppenzirkus (1978) von Veska Fikowa/Dieter Peust Regie: Veska Fikowa Bühne/Puppen: Vesselin Nedelschew

Die Prinzessin auf der Erbse (1982) von Atanas Ilkow nach Hans Christian Andersen Regie: Veska Fikowa Bühne/Puppen: Volkmar Förster

Dornröschen (1978) nach dem Ballett von Peter Tschaikowsky ˇ ˇ Ríha Regie: Josef Krofta/Zdenek Bühne/Puppen: Petr Matásek

Buckauer Hofspektakel I (1982) von Elke Schneider/Magdeburger Autorenkollektiv Regie: Karl-Friedrich Zimmermann Ausstattung: Irmgard Lieske/Volkmar Förster/Hendrik Kürsten/Wolf Müller

Rumpelstilzchen (1973) von Reinhard Kuhnert nach den Brüdern Grimm Regie: Gisela Reyer/Reinhard Kuhnert Bühne/Puppen: Helga Borisch Tiger Peter (1974) von Hanna Januszewska, übersetzt von Lotka Svarcova, bearbeitet von Peter Beckert Regie: Veska Fikowa Bühne/Puppen: Irmgard Lieske (Synowitz) Das Beutelchen mit den zwei Groschen (1975) von J. Gheliuc nach Ion Creanga, übersetzt von Ute Harz Regie: Gisela Reyer Bühne/Puppen: Gertraud Töpfer-Stojantschew Stelldichein der Spaßmacher (1975) von Veska Fikowa/Dieter Peust Regie: Veska Fikowa Bühne/Puppen: Iwan Zonew Die drei Schweinchen (1975) von Esther Toth, deutsche Fassung Dieter Peust Regie: Dieter Peust Bühne/Puppen: Irmgard Lieske (Synowitz) Schusterjunge Zwirnchen (1976) von Maria Kownacka, deutsche Fassung Susanne Böhmel/Dieter Peust Regie: Gisela Reyer Bühne/Puppen: Irmgard Lieske

Das Geschenk der Totems (1978) von Inge Borde Regie: Gustel Möller Bühne/Puppen: Iwan Zonew Der Wolf und die sieben Geißlein (1978) von Peter Ensikat nach den Brüdern Grimm Regie: Dieter Peust Bühne/Puppen: Irmgard Lieske Die Zensurenschlacht (1979) von Reinhard Kuhnert Regie: Gisela Reyer/Reinhard Kuhnert Bühne/Puppen: Paul Schönhoff Die geheimnisvolle Schublade (1979) von Julius Wolski Regie: Veska Fikowa Bühne/Puppen: Irmgard Lieske Timbu-Limbu und die Schneemüller (1979) von Elke Schneider nach einem estnischen Märchen Regie: Dieter Peust Bühne/Puppen: Irmgard Lieske

Die Geschichte von den zwei kleinen Tigern (1976) von Nina Cassian, deutsche Fassung Ingrid Fischer Regie: Gisela Reyer Bühne/Puppen: Gertraud Töpfer-Stojantschew

Die Nachtigall und die Rose/ Der glückliche Prinz (1980) von Jordan Todorov nach Oscar Wilde, deutsche Fassung Dieter Peust Regie: Slati Slatew Bühne/Puppen: Iwan Zonew

Das Geheimnis des Entenhauses (1976) von Gyula Urbán, deutsche Fassung Dieter Peust Regie: Dieter Peust Bühne/Puppen: Irmgard Lieske

Die Zaubergalosche (1980) von Jutta Balk nach G.G. Matwejew Regie: Dieter Peust Bühne/Puppen: Irmgard Lieske

Abrakadabra (1981) von Elke Schneider/Bernd Götz Regie: Karl-Friedrich Zimmermann Bühne/Puppen: Volkmar Förster

Die Geschichte vom Mäuschen (1982) von Hans Günther Regie: Gisela Reyer Bühne/Puppen: Jürgen Banse/Irmgard Lieske Der Froschkönig (1982) von Elke Schneider nach den Brüdern Grimm Regie: Hans-Dieter Stäcker Bühne/Puppen: Antje Hohmuth Geh, ich weiß nicht wohin, bring, ich weiß nicht was (1983) von Milan Pavlik ˇ Regie: Zdenek ˇ Ríha Bühne/Puppen: Jaroslav Dolezal Der Rabe (1983) von Richard Leising nach Carlo Graf Gozzi Regie: Karl-Friedrich Zimmermann Bühne/Puppen: Barbara und Günter Weinhold Die Schneekönigin (1984) von Dietmar Müller nach Jewgeni Schwarz Regie: Hella Müller Bühne/Puppen: Irmgard Lieske Armer Ritter (1984) von Peter Hacks Regie: Karl-Friedrich Zimmermann Bühne/Puppen: Irmgard Lieske Der Teufel mit den drei goldenen Haaren oder Das Glückskind (1984) von Frieder Simon/Horst Günther Regie: Karl-Friedrich Zimmermann Bühne/Puppen: Hendrik Kürsten


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Inszenierungschronik

Wie man eine Prinzessin heiratet (1984) von Juhan Saar, deutsche Fassung Viktor Sepp Regie: Rein Agur Bühne/Puppen: Rein Lauks Der Vogelkopp (1985) von Albert Wendt Regie: Karl-Friedrich Zimmermann Bühne/Puppen: Hendrik Kürsten/Heide und Jürgen Popig Das Sternchen (1986) von Ludwig Streda, übersetzt von Julia Lichtenberg, bearbeitet von Elke Schneider Regie: Elke Schneider Bühne/Puppen: Irmgard Lieske Leute nehmt die Wäsche ab – Hofspektakel II (1986) von Elke Schneider/Geoffrey Chaucer/Harry Bellmann/ Horst Günther Regie: Elke Schneider Bühne/Puppen: Irmgard Lieske Rumpelstilzchen (1986) von Elke Schneider nach den Brüdern Grimm und einer Spielidee von Paul R. Olbrich Regie: Elke Schneider Bühne/Puppen: Irmgard Lieske Ich habe dich zum Fressen gern (1986) von Aini Teufel Regie: Horst Günther Bühne/Puppen: Atelier des Puppentheaters Magdeburg Die wilden Schwäne (1987) von Václav Ctvrtek nach Hans Christian Andersen, übersetzt von Hildburg Zschiedrich, deutsche Bearbeitung Elke Schneider/Rainer Mette Regie: Antonín Bašta Ausstattung: Milan Plítek La Mandragola (1987) von Niccolò Machiavelli Regie: Stefan Töpelmann Bühne/Puppen: Irmgard Lieske Gulliver im Lande Lilliput (1987) von Mieczysław Antuszewicz nach Jonathan Swift, deutsche Fassung Wolf Müller Regie: Elke Schneider Bühne/Puppen: Irmgard Lieske Die unbekannte Schöne (1987) von Martin Morgner Regie: Uli Hoch Bühne/Puppen: Andreas Bartsch/Gerald Gutschke Lucie und Karl-Heinz (1987) von Ingo Hetsch nach Franz Zauleck Regie: Ingo Hetsch Bühne/Puppen: Irmgard Lieske

Ameley, der Biber und der König auf dem Dach (1989) von Tankred Dorst Regie: Antonín Bašta Bühne/Puppen: Irmgard Lieske Schneewittchen (1989) von Horst Günther nach den Brüdern Grimm Regie: Uli Hoch/Peter Bruckner Bühne/Puppen: Irmgard Lieske Revue: Seid lustig, verdammt nochmal! (1989) von Elke Schneider Regie: Elke Schneider Bühne/Puppen: Kristina Biedermann/Gerald Gutschke Kasper und das Lebenswasser (1989) von Horst Günther Regie: Horst Günther Bühne/Puppen: Matthias Engel

Der kleine Vampir (1992) von Dieter Peust nach Angela Sommer-Bodenburg Regie: Dieter Peust Bühne/Puppen: Irmgard Lieske Der Josa mit der Zauberfidel (1992) nach Janosch Regie: Horst Günther Bühne/Puppen: Axel Jirsch Grimms Erotikum zur Nacht – Hofspektakel IV (1992) von Dieter Peust Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Irmgard Lieske Die Bärendienst GmbH (1992) von Matthias Engel/Ines Lacroix nach Martin Karau Regie: Peter Wittig Bühne/Puppen: Thomas Rohloff/Christoph Kunzmann

Dussel und Schussel (1989) von Ad de Bont Regie: Rainer Mette Bühne/Puppen: Inszenierungsteam

Aschenputtel (1992) von Peter Bruckner nach den Brüdern Grimm und Charles Perrault Regie: Peter Bruckner Bühne/Puppen: Antje und Jürgen Hohmuth

Das kleine wilde Tier (1990) von Med Reventberg Regie: Elke Schneider Bühne/Puppen: Irmgard Lieske

Macbeth (1993) von Ronald Mernitz nach William Shakespeare Regie: Therese Thomaschke Ausstattung: Marita Bachmaier

Mäuseken Wackelohr (1990) von Peter Brasch nach Hans Fallada Regie: Gruppenprojekt Bühne/Puppen: Olaf Randel

Der Däumling (1993) von Peter Wittig/Elke Schettler/Peter Bruckner nach den Brüdern Grimm Regie: Peter Wittig Bühne/Puppen: Irmgard Lieske

Frau Holle (1990) von Brigitte Tanneberger nach den Brüdern Grimm Regie: Brigitte Tanneberger Bühne/Puppen: Irmgard Lieske Rotkäppchen oder von der Freundlichkeit der Welt (1990) von Paul Olbrich nach den Brüdern Grimm Regie: Peter Wittig Bühne/Puppen: Irmgard Lieske

1991–2000 Peter und der Wolf (1991) nach Motiven von Sergej Prokofjew Regie: Karl Huck/Matthias Engel Bühne/Puppen: Sven Winter/Dominique Windisch Traum(A)land – Hofspektael III (1991) von Elke Schneider Regie: Elke Schneider Bühne/Puppen: Irmgard Lieske

Die Henker sind unter Euch – Hofspektakel V (1993) von Elke Schneider Regie: Elke Schneider Bühne/Puppen: Irmgard Lieske Der kleine August (1993) von Pavel Kohout Regie: Pavel Möller-Lück Ausstattung: Alf Schwilden Die Sache mit dem Heinrich (1993) von Gabriele Grauer/ Rainer Mette/Thomas Mette nach Mira Lobe Regie: Rainer Mette Ausstattung: Irma Fuchs/Thomas Mette und Christoph Kunzmann Die Wolke mit den Katerbeinen (1994) von Bernd Götz nach Ingeborg Feustel Regie: Bernd Götz Bühne/Puppen: Piet Letz/Christin Wolff

Max und Milli (1988) von Volker Ludwig Regie: Elke Schneider Bühne/Puppen: Irmgard Lieske

Die Geschichte von Noah und seiner Arche (1991) von Gerhild Reinhold/Horst Günther/Thomas Riedel Regie: Horst Günther Bühne/Puppen: Irmgard Lieske

Das kalte Herz (1994) von Ronald Mernitz nach Wilhelm Hauff Regie: Antonín Bašta Bühne/Puppen: Irmgard Lieske

Skizze zu einem Akt (1988) von Traugott Krischke Regie: Uli Hoch Bühne/Puppen: Andreas Bartsch/Gerald Gutschke

Der kleine Muck (1991) von Dieter Peust nach Wilhelm Hauff Regie: Gisela Wahlberg Bühne/Puppen: Irmgard Lieske

Der kleine Häwelmann (1994) von Horst Günther nach Theodor Storm Regie: Horst Günther Bühne/Puppen: Michael Geweniger


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Inszenierungschronik

Der Wunderflummi (1994) von Frank Bernhardt nach Reinhardt O. Cornelius-Hahn Regie: Frank Bernhardt Bühne/Puppen: Irmgard Lieske

Königskinder (1996) von Therese Thomaschke nach Luise Rinser Regie: Therese Thomaschke Bühne/Puppen: Maria Thomaschke

Der Froschkönig (1998) von Andrea Kurmann nach den Brüdern Grimm Regie: Andrea Kurmann Bühne/Puppen: Beata Hundertmark

Die Schneekönigin (1994) von Therese Thomaschke nach Hans Christian Andersen Regie: Therese Thomaschke Ausstattung: Peter Koppatsch

Sonnenkind (1997) von Alexei Leliavski nach einer slawischen Sage Regie: Alexei Leliavski Bühne/Puppen: Sascha Vakhramejev

Der Schäfer und die Elfen (1998) von Elke Schneider nach Motiven englischer Märchen Regie: Elke Schneider Bühne/Puppen: Olaf Randel/Holger Köhler

Alle Mäuse lieben den Käse (1995) von Peter Bruckner nach Gyula Urbán/Hans-Dieter Stäcker Regie: Peter Bruckner Bühne/Puppen: Irmgard Lieske

Der Sonne und die Mondmädchen (1997) von Alejandro Ramón/Peter Koppatsch nach einem Maja-Mythos Regie: Peter Koppatsch Ausstattung: Alejandro Ramón/Peter Koppatsch

Das Vakuum – mit Dank an Otto (1998) Open-Air-Performance von Rob Maaskant Regie: Flup und Ju Bedrijf Ausstattung: Flup und Ju Bedrijf

Buckau Olé – Hofspektakel VI (1995) von Elke Schneider nach einer Idee von Peter Bruckner Regie: Elke Schneider Ausstattung: Jan Dvorák/Irmgard Lieske Tierische Träume (1995) Koproduktion mit dem Poppentheater Damiet van Dalsum von Damiet van Dalsum/Ensemble Regie: Damiet van Dalsum Ausstattung: Damiet van Dalsum/Charlotte Puyk-Joolen/ Menashe Kadishman Die Eisprinzessin (1995) von Friedrich Karl Waechter Regie: Ines Lacroix/Matthias Engel/Thomas Riedel Bühne/Puppen: Ines Lacroix/Matthias Engel Ladislaus und Annabella (1995) von Simone Trieder nach James Krüss Regie: Elke Schneider Bühne/Puppen: Siegfried Rennert Nussknacker und Mausekönig (1995) von Therese Thomaschke nach E. T. A. Hoffmann Regie: Therese Thomaschke Ausstattung: Eberhardt Keienburg Puppen: Marita Bachmaier und Christian Werdin Das tapfere Schneiderlein (1996) von Horst Günther nach den Brüdern Grimm Regie: Horst Günther Bühne/Puppen: Horst Günther Der Nibeljunge (1996) von Rudolph Herfurtner Regie: Ronald Mernitz Bühne/Puppen: Kristine Stahl Andersen Meer Jungfrau (1996) Koproduktion mit der Schaubude Berlin vom Inszenierungsteam nach Hans Christian Andersen Regie: Peter Koppatsch Bühne/Puppen: Kerstin Schmidt

Taro, das Drachenkind (1997) von Therese Thomaschke nach Myoko Matsutani Regie: Therese Thomaschke Bühne/Puppen: Meyke Schirmer Märchenreise (1997) nach einer Idee von Therese Thomaschke Regie: Therese Thomaschke/Peter Koppatsch/ Hans Scheibner Ausstattung: Olaf Randel/Meyke Schirmer/ Hans Scheibner/Nadja Saleh/Peter Koppatsch/ Alejandro Ramón/Bernd Liebl Hofsommernacht: ein Traumspektakel (VII) – 20 Jahre Hofspektakel (1997) frei nach William Shakespeare Regie: Elke Schneider/Therese Thomaschke/Peter Wittig Ausstattung: Olaf Randel/Miroslav Tretnjar Der zerbrochne Krug (1997) nach Heinrich von Kleist Regie: Hans-Jochen Menzel Bühne/Puppen: Christian Werdin Das Mädchen mit den Schwefelhölzern (1997) von Martin Thoms/Janette Harendt nach Hans Christian Andersen Regie: Martin Thoms/Janette Harendt Ausstattung: Martin Thoms/Jeanette Harendt Amal und der Brief des Königs (1997) von Rabindranath Tagore, übersetzt von Martin Kämpchen, bearbeitet von Matthias Engel, Helmut Geffke, Ines Lacroix Regie: Helmut Geffke Bühne/Puppen: Ines Lacroix/Matthias Engel Hänsel und Gretel (1997) von Therese Thomaschke nach Engelbert Humperdinck Regie: Therese Thomaschke Bühne/Puppen: Marita Bachmaier/Christian Werdin

Warum Spinnen in dunklen Ecken sitzen (1996) von Hans Scheibner/Nadja Saleh nach afrikanischen Märchen Regie: Hans Scheibner/Therese Thomaschke/ Elisabeth Richter Bühne/Puppen: Hans Scheibner

Feenmond (1998) von Gerhild Reinhold nach einem altfranzösischen Märchen Regie: Horst Günther Bühne/Puppen: Sylvia Graupner

Pinocchio (1996) von Elke Schneider nach Carlo Collodi Regie: Elke Schneider Bühne/Puppen: Olaf Randel

Lord Pech (1998) von Damiet van Dalsum Regie: Damiet van Dalsum Bühne/Puppen: Damiet van Dalsum

Dornröschen (1998) von Peter Bruckner nach den Brüdern Grimm Regie: Peter Bruckner Bühne/Puppen: Antje und Jürgen Hohmuth Pastorale (1998) nach Tytus Czyzewski Regie: Krystian Kobylka Bühne/Puppen: Andrzej Czyczyło Pu der Bär (1998) von Alexei Leliavski nach Alan Alexander Milne Regie: Alexei Leliavski Bühne/Puppen: Sascha Vakhramejev Falle Fälle (1999) von Daniil Charms, bearbeitet von Frank Soehnle Regie: Frank Soehnle Bühne/Puppen: Frank Soehnle Die Brüder Löwenherz (1999) von Eva Sköld nach Astrid Lindgren, bearbeitet von Roland Mernitz Regie: Damiet van Dalsum Bühne/Puppen: Toto/Olaf Randel Der Zauberlehrling (1999) von Hendrikje Winter nach Johann Wolfgang von Goethe Regie: Hendrikje Winter Bühne/Puppen: Beata Hundertmark Die letzte Nacht – eine Sehnsuchtsrevue – Hofspektakel VIII (1999) von Elke Schneider Regie: Elke Schneider Bühne/Puppen: Toto/Olaf Randel Der Zauberer der Smaragdenstadt (1999) von Ronald Mernitz nach Alexander Wolkow Regie: Damiet van Dalsum Bühne/Puppen: Toto/Olaf Randel Zwerg Nase (1999) von Hans Thoenies nach Wilhelm Hauff Regie: Martin Bachmann Bühne/Puppen: Barbara und Günter Weinhold Die Schöne und das Tier (2000) von Anne Frank nach Jeanne Marie Leprince de Beaumont Regie: Anne Frank Austattung: Anne Frank/Barbara und Günter Weinhold


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Inszenierungschronik

Der König und der Rest (2000) von Roel Adam/Uwe Dethier nach „Der König stirbt“ von Eugène Ionesco Regie: Marc Maillard Ausstattung: Marc Maillard/Moniek Jacobs Das samtene Kaninchen (2000) nach einer Idee von Saskia Janse Regie: Damiet van Dalsum Bühne/Puppen: Meyke Schirmer Das Traumfresserchen (2000) von Sabine Schramm frei nach Michael Ende Regie: Damiet van Dalsum Bühne/Puppen: Meyke Schirmer Ikarus! oder der Himmel ist blau (2000) von Josee Hussaarts, übersetzt von Monika Thé Regie: Damiet van Dalsum Bühne/Puppen: Toto/Damiet van Dalsum Frau Holle (2000) von Anne Frank nach den Brüdern Grimm Regie: Anne Frank Bühne/Puppen: Harald Jahn/Barbara und Günter Weinhold

2001–2010 Geschichten aus 1001 Nacht – eine Fantasie im Bad (2001) von Andrea Kurmann nach „Die Erzählungen aus den tausendundein Nächten“ Regie: Andrea Kurmann Bühne/Puppen: Toto/Christian Werdin Ottos Welt oder wie man Kaiser wird (2001) von Kay Wuschek Regie: Martin Bachmann Bühne/Puppen: Olaf Randel Buckauer Bankett – Hofspektakel IX (2001) Idee: Frank Soehnle, Text: ZABO Regie: Frank Soehnle Bühne/Puppen: Mary Sharp, Frank Soehnle Ein Apfel für Oma (2001) von Saskia Janse Regie: Damiet van Dalsum Ausstattung: Onny Huisink/Saskia Janse Die wilden Schwäne (2001) von Therese Thomaschke nach Hans Christian Andersen Regie: Therese Thomaschke Bühne/Puppen: Eberhard Keienburg Der gestiefelte Kater (2001) von Peter Bruckner nach den Brüdern Grimm Regie: Peter Bruckner Bühne/Puppen: Karin Pas/Barbara und Günter Weinhold Die Geschichte vom Wolf und den drei kleinen Schweinen (2002) von Frank Alexander Engel nach einem englischen Volksmärchen Regie: Frank Alexander Engel Ausstattung: Frank A. Engel/Kerstin Schmidt

Das blaue Pferd (2002) nach Maria Clara Machado, bearbeitet von Marco Süß Regie: Marco Süß Bühne/Puppen: Marita Bachmaier/Heidrun Warmuth

Schweinchen Julchen (2003) von Therese Thomaschke nach Ingeborg Feustel Regie: Therese Thomaschke Bühne/Puppen: Claudia Tost/Ulrike Tost

Max und Moritz und so weiter (2002) von Elke Schneider nach Wilhelm Busch Regie: Inszenierungsteam/Elke Schneider Bühne/Puppen: Ingo Mewes

Die verzauberte Marie (2003) von Frank Alexander Engel nach dem russischen Märchen „Zar Wasserwirbel“ Regie: Frank Alexander Engel Ausstattung: Kerstin Schmidt/Frank Alexander Engel

Vakuum III – Die Rückkehr. Ein Fest(ungs)spiel (2002) Koproduktion mit Het Bedrijf von Wolfgang Krebs/Rob Maaskant/Christien Schop Regie: Wolfgang Krebs/Rob Maaskant Ausstattung: Rob Maaskant Rumpelstilzchen (2002) von Hans-Jochen Menzel nach den Brüdern Grimm Regie: Pierre Schäfer Bühne/Puppen: Christian Werdin Wunderbär (2002) von Elke Schneider nach „Pippelu der kleine Bär“ von Annie M.G. Schmidt Regie: Elke Schneider Bühne/Puppen: Meyke Schirmer Däumelinchen (2002) von Therese Thomaschke nach Hans Christian Andersen Regie: Therese Thomaschke Bühne/Puppen: Holger Vandrich/Therese Thomaschke Schneewittchen (2002) von Therese Thomaschke nach den Brüdern Grimm Regie: Therese Thomaschke Bühne/Puppen: Marita Bachmaier/Christian Werdin Pinguine können keinen Käsekuchen backen (2003) von Jojo Ludwig nach Ulrich Hub Regie: Jojo Ludwig Bühne/Puppen: Filou-Fox-Theater/Mechtild Nienaber In 80 Tagen um die Welt (2003) von Joachim Torbahn nach Jules Verne Regie: Joachim Torbahn Ausstattung: Norbert Götz Das Rheingold – Ein Mythos auf Achse – Hofspektakel X (2003) von Christian Fuchs nach Richard Wagner Regie: Christian Fuchs Bühne/Puppen: Christoph Fischer/Katja Kriegenburg

Kleine Geschichten über Liebe (2004) von Alexei Leliavski nach Marit Törnqvist Regie: Alexei Leliavski Ausstattung: Sascha Vakhramejev Novecento – Die Legende vom Ozeanpianisten (2004) von Markus Joss nach Alessandro Baricco Regie: Markus Joss Ausstattung: Florian Feisel Manege frei (2004) von Günter Staniewski Regie: Martin Bachmann Bühne/Puppen: Cécile Legrand Hans mein Igel (2004) von Waltraud Dießner nach den Brüdern Grimm Regie: Waltraud Dießner Bühne/Puppen: Peter Koppatsch Im weißen Rössl – Hofspektakel XI (2004) von Ralph Benatzky/Hans Müller-Einigen/Erik Charell Regie: Frank Alexander Engel Bühne/Puppen: Kerstin Schmidt/Frank Alexander Engel Wahnsinnsfrau Anne Sexton (2004) von Gerhild Reinhold/Frank Soehnle nach Texten von Linda Gray Sexton und Anne Sexton Regie: Frank Soehnle Ausstattung: Frank Soehnle/Meyke Schirmer Die Schatzinsel (2004) von Wieland Jagodzinski nach Robert Louis Stevenson Regie: Wieland Jagodzinski Ausstattung: Frank Alexander Engel Aschenbrödel oder Der gläserne Schuh (2004) von Therese Thomaschke nach Jules Massenet Regie: Therese Thomaschke Bühne/Puppen: Holger Vandrich/Maria Thomaschke Ferdinand Ameise (2005) ˇ Sekora von Pierre Schäfer nach Ondrej Regie: Pierre Schäfer Bühne/Puppen: Peter Lutz/Melanie Sowa und Mario Hohmann

Träume vom Träumen oder Wer hat Angst vor Sigmund Freud (2003) Koproduktion mit dem Figurentheater Anne-Kathrin Klatt und dem FITZ Stuttgart von Jutta Schubert nach Antonio Tabucchi Regie: Jutta Schubert Aussstattung: Anne-Kathrin Klatt

Das Spiel vom Rotkäppchen, dem Wolf, der Großmutter, dem Jäger und der Mutter Rose (2005) von Frank Alexander Engel nach den Brüdern Grimm Regie: Frank Alexander Engel Bühne/Puppen: Frank Alexander Engel

Der kleine Prinz von Dänemark (2003) von Therese Thomaschke nach Torsten Letser Regie: Inszenierungsteam Bühne/Puppen: Therese Thomaschke/Holger Vandrich

Elbetheater (2005) Festivalproduktion des Puppentheaters Magdeburg mit Warner & Consorten und babelfish-company Berlin Regie: Warner van Wely Ausstattung: Inszenierungsteam


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Tom Sawyers Abenteuer (2005) von Waltraud Dießner nach Mark Twain Regie: Waltraud Dießner Bühne/Puppen: Waltraud Dießner Das Odin-Prinzip (2005) Koproduktion mit dem Figurentheater Paradox, dem Theater Fusion und dem FITZ Stuttgart Fassung: Inszenierungsteam Regie: Markus Joss Bühne/Puppen: Marita Bachmaier/Christian Werdin Meine Schwester Marylin (2005) Koproduktion mit dem wonderfool theater und dem FITZ Stuttgart von Christian Glötzner Regie: Vanessa Valk Ausstattung: Sabine Ebner/Christian Glötzner Hänsel und Gretel (2005) von Andrea Czesienski nach den Brüdern Grimm Regie: Frank Alexander Engel Bühne/Puppen: Kerstin Schmidt/Frank Alexander Engel Wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen (2006) von Melanie Sowa nach Kathrin Schärer Regie: Melanie Sowa Bühne/Puppen: Mario Hohmann/Peter Lutz Der Herr aus San Francisco (2006) von Nino Sandow nach Iwan Bunin Regie: Nino Sandow, Ausstattung: Eberhard Keienburg Puppen: Christian Werdin Der Teufel mit den drei goldenen Haaren (2006) von Elke Schneider nach den Brüdern Grimm Regie: Elke Schneider Bühne/Puppen: Jens Hübner/Olaf Randel und Sybille Wredenhagen Die Kuh Rosemarie (2006) von Andri Beyeler nach Frauke Nahrgang und Winfried Opgenoorth Regie: Pierre Schäfer Bühne/Puppen: Melanie Sowa/Mario Hohmann Pension Schöller – Hofspektakel XII (2006) von Hans Gnant nach Carl Laufs und Wilhelm Jakoby Regie: Frank Alexander Engel/Nino Sandow Bühne/Puppen: Toto/Frank Alexander Engel Amor und Psycho (2006) Koproduktion mit dem SepTeMBer Figurentheater und Theater PassParTu von Jutta Schubert Regie: Jutta Schubert Ausstattung: Cécile Legrand/Thomas Zotz Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel (2006) von Jutta Schubert nach Cornelia Funke Regie: Martin Bachmann Bühne/Puppen: Cécile Legrand/Mechtild Nienaber Die Geierwally (2007) von Walter Bockmayer Regie: Christian Fuchs Bühne/Puppen: Gisa Kuhn/Peter Lutz

Inszenierungschronik

Robin Hood (2007) Koproduktion mit dem Anhaltinischen Theater Dessau von Verena Joss und Günter Staniewski Regie: Martin Bachmann Bühne/Puppen: Cécile Legrand

Prinz Rosenrot und Prinzessin Lilienweiß (2008) von Frank Alexander Engel nach Franz Graf von Pocci Regie: Frank Alexander Engel Bühne/Puppen: Thilo Schimentz/Kerstin Schmidt

Der Wunschengel (2007) von Gudrun Jäger nach Bärbel Mohr Regie: Gudrun Jäger Ausstattung: Christof von Büren

Burattino oder die Suche nach dem goldenen Schlüsselchen (2008) von Marco Dott nach Alexej Tolstoi Regie: Marco Dott Bühne/Puppen: Kerstin Schmidt/Barbara Weinhold

Firma Himmel GmbH (2007) Ein Stück Theater für die Straße Walkact (Maske) ohne Text Regie: Jana Novakova Ausstattung: Sylvia Wanke Der Raub der Sabinerinnen – Hofspektakel XIII (2007) von Curt Goetz nach Franz und Paul von Schönthan, bearbeitet von Fank Alexander Engel Regie: Frank Alexander Engel Bühne/Puppen: Kerstin Schmidt/Frank Alexander Engel Der Wolf und die sieben jungen Geißlein (2007) von Frank Alexander Engel nach den Brüdern Grimm Regie: Frank Alexander Engel Ausstattung: Frank Alexander Engel Peterchens Mondfahrt (2007) von Jutta Schubert nach Gerdt von Bassewitz Regie: Martin Bachmann Ausstattung: Sylvia Wanke Schneewittchen (2008) von Frank Alexander Engel nach Franz Fühmann Regie: Frank Alexander Engel Bühne/Puppen: Frank Alexander Engel

Scrooge – eine Geistergeschichte zur Weihnachtszeit (2008) von Pierre Schäfer nach Charles Dickens Regie: Pierre Schäfer Bühne/Puppen: Josef Schmidt/Peter Lutz Die Geschichte des schneeweißen Hasen Purzel (2009) von Waltraud Dießner nach Friedrich Wolf Regie: Waltraud Dießner Ausstattung: Waltraud Dießner Die Sieben Todsünden (2009) von Bertolt Brecht (Libretto) und Kurt Weill (Musik) Koproduktion Kurt Weill Fest 2009 mit dem Anhaltischen Theater Dessau und dem Puppentheater Magdeburg, in Kooperation mit der Hochschule für Schauspielkunst Berlin, Abt. Puppenspielkunst, Musikal. Leitung: Golo Berg Inszenierung: Frank Alexander Engel Bühne/Puppen: Kerstin Schmidt und Frank Alexander Engel/ Frank Alexander Engel, Barbara und Günther Weinhold Der kleine Angsthase (2009) von Regina Wagner nach Elisabeth Shaw Regie: Regina Wagner Bühne/Puppen: Matthias Hänsel/Mechtild Nienaber

Das letzte Hemd – eine Leiche packt aus (2008) von Hans-Jochen Menzel Regie: Hans-Jochen Menzel Bühne/Puppen: Ingo Mewes/Suse Wächter und Barbara Weinhold

Corpus Delicti (2009) von Juli Zeh Regie: Moritz Sostmann Bühne/Puppen: Klemens Kühn/Atif Hussein

Oskar und die Dame in Rosa (2008) von Éric-Emmanuel Schmitt Regie: Frauke Jacobi Bühne/Puppen: Frida Leon Beraud/Frauke Jacobi

… vor Anker (La Notte 2009) von Marlis Hirche/Oliver Dassing Regie: Marlis Hirche/Oliver Dassing Ausstattung: Kraut Hills/Sven Nahrstedt

Die Schildkröte hat Geburtstag (2008) von Pierre Schäfer nach Elisabeth Shaw Regie: Pierre Schäfer Bühne/Puppen: Lutz Großmann

Reineke Fuchs – eine Vergangenheitsforschung (2009) nach Johann Wolfgang von Goethe Regie: Nis Søgaard Ausstattung: Nis Søgaard, Puppen: Barbara Weinhold

Moby Dick – der weiße Wal (2008) von Alexei Leliavski nach Herman Melville Regie: Alexei Leliavski Bühne/Puppen: Tatsiana Nersisian Frau Luna – Hofspektakel XIV (2008) von Christian Fuchs nach Paul Lincke Regie: Christian Fuchs Bühne/Puppen: Gisa Kuhn Konfetti – Revue nach Art des Hauses (2008) von Frank Alexander Engel/Elke Schneider Regie: Frank Alexander Engel/Elke Schneider Bühne/Puppen: Claudia Naumann/Kerstin Schmidt und Barbara Weinhold

Heidi (2009) von Thomas Birkmeir nach Johanna Spyri Regie: Frank Alexander Engel Bühne/Puppen: Frank Alexander Engel/Kerstin Schmidt und Peter Lutz Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt (2010) von Pierre Schäfer nach Hannes Hüttner Regie: Pierre Schäfer Bühne/Puppen: Ingo Mewes/Frank Alexander Engel Pünktchen und Anton (2010) von Ronald Mernitz nach Erich Kästner Regie: Lars Frank Bühne/Puppen: Sven Nahrstedt/Barbara Weinhold


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Inszenierungschronik

Ich bin nicht lustig! – Hofspektakel XV (2010) von Hans-Jochen Menzel Regie: Hans-Jochen Menzel Bühne/Puppen: Sven Nahrstedt/Peter Lutz und Stefan Spitzer

Das Theater der Vampire präsentiert: Das Haus des Wurdalak (2012) nach Alexej Tolstoi Regie: Frank Alexander Engel Bühne/Puppen: Kerstin Schmidt/Kathrin Stock

Marleni – preußische Diven blond wie Stahl (2010) von Thea Dorn Regie: Frank Alexander Engel Ausstattung: Frank Alexander Engel und Kerstin Schmidt, Puppen: Kattrin Michel

Dr. Faustus reorganisiert (2012) nach dem alten Puppenspiel und Johann Wolfgang von Goethe Regie: Astrid Griesbach Bühne/Puppen: Franz Zauleck/Barbara Weinhold

Die fürchterlichen Fünf (2010) von Stephanie Rinke nach Wolf Erlbruch Regie: Stephanie Rinke Bühne/Puppen: Sven Nahrstedt/Barbara Weinhold Christine und das Wolkenschaf (2010) von Frank Alexander Engel nach Fred Rodrian Regie: Frank Alexander Engel Bühne/Puppen: Frank Alexander Engel Frau Holle (2010) von Pierre Schäfer nach den Brüdern Grimm Regie: Pierre Schäfer Bühne/Puppen: Josef Schmidt/Frank Alexander Engel

2011–2020 König Richard III (2011) von William Shakespeare, deutsch von Frank Günther Regie: Moritz Sostmann Bühne/Puppen: Christian Beck/Atif Hussein Video: Hannes Hesse Früher war mehr Puppe – eine Erklärshow über das Figurentheater (2011) von Tim Sandweg/Susanne Søgaard Regie: Tim Sandweg/Susanne Søgaard Ausstattung: Tim Sandweg/Susanne Søgaard Odysseus (2011) von Kim Norrewig nach Homer Regie: Alexei Leliavski Bühne/Puppen: Sascha Vakhramejev Die Geschichte vom kleinen Onkel (2011) nach Barbro Lindgren-Enskog Regie: Nis Søgaard Bühne/Puppen: Sven Nahrstedt/Barbara Weinhold Die Glücksfee (2011) nach Cornelia Funke Regie: Frank Alexander Engel Ausstattung: Frank Alexander Engel Rumpelstilzchen (2011) von Pierre Schäfer nach den Brüdern Grimm Regie: Pierre Schäfer Bühne/Puppen: Kerstin Schmidt/ Barbara Weinhold Die Meerjungfrau in der Badewanne (2012) von Tim Sandweg nach Koos Meinderts Regie: Frank Bernhardt Ausstattung: Frank Alexander Engel

Die Olsenbande dreht durch – Hofspektakel XVI (2012) von Peter Dehler nach Erik Balling/Henning Bahs Regie: Nis Søgaard Bühne/Puppen: Sven Nahrstedt/Barbara Weinhold Theater zur Nacht I: Liebe nach Rezept. Nur in kleinen Dosen (2012) von Claudia Luise Bose/Tim Sandweg Regie: Tim Sandweg Bühne/Puppen: Sven Nahrstedt/Inszenierungsteam Die Bremer Stadtmusikanten (2012) von Susanne Søgaard nach den Brüdern Grimm Regie: Nis Søgaard Bühne/Puppen: Franz Zauleck/Barbara Weinhold Objekte: Laura Sanwald Theater zur Nacht II: Der Untergang des Hauses Usher (2013) von Marianne Fritz nach Edgar Allan Poe Regie: Marianne Fritz/Frank Bernhardt Ausstattung: Marianne Fritz Kaltes Herz. Ein Thriller über schnelles Geld und echte Kohle (2013) von Gabriele Hänel nach Wilhelm Hauff Regie: Moritz Sostmann Bühne/Puppen: Sven Nahrstedt/Marita Bachmaier und Christian Werdin Zum Glück gibt‘s Freunde (2013) von Pierre Schäfer nach Helme Heine Regie: Pierre Schäfer Bühne/Puppen: Ingo Mewes/Mechtild Nienaber Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen (2013) von Grazyna Kania nach James Krüss Regie: Moritz Sostmann Bühne/Puppen: Christian Beck/Melanie Sowa und Mario Hohmann, Video: Hannes Hesse König Hirsch – Hofspektakel XVII (2013) von Carlo Graf von Gozzi, Fassung: Frank Alexander Engel Regie: Frank Alexander Engel Bühne/Puppen: Frank Alexander Engel/Kerstin Schmidt und Barbara Weinhold Teddy Brumm (2013) von Pierre Schäfer nach Nils Werner Regie: Pierre Schäfer Bühne/Puppen: Kerstin Schmidt

Sternthaler (2013) von Astrid Griesbach nach den Brüdern Grimm Regie: Astrid Griesbach Bühne/Puppen: Franz Zauleck/Lisette Schürer Der kleine Lord (2013) von Pierre Schäfer nach Frances Hodgson-Burnett Regie: Pierre Schäfer Bühne/Puppen: Josef Schmidt/Peter Lutz Der Untertan (2014) von Astrid Griesbach nach Heinrich Mann Regie: Astrid Griesbach Bühne/Puppen: Stefanie Oberhoff/Karin Tiefensee Jojo am Rande der Welt (2014) von Stéphane Jaubertie Regie: Moritz Sostmann Bühne/Puppen: Klemens Kühn/Melanie Sowa und Mario Hohmann Ivan Olsen, der Gummiheld (2014) von Nis Søgaard nach Ole Lund Kirkegaard Regie: Nis Søgaard Bühne/Puppen: Sven Nahrstedt/Magdalena Roth Oscar – Hofspektakel XVII (2014) von Claude Magnier Regie: Moritz Sostmann Bühne/Puppen: Sven Nahrstedt/Atif Hussein Die Schneekönigin (2014) von Alexei Leliavski nach Hans Christian Andersen Regie: Alexei Leliavski Bühne/Puppen: Ludmila Skitovitsch Wilde Reise durch die Nacht (2015) von Walter Moers, bearbeitet von Tim Sandweg Regie: Nis Søgaard/Konzept: Ensemble Bühne: Florian Kräuter Video-Animation: Krauss & Feigl Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer (2015) nach Michael Ende Regie: Pierre Schäfer Bühne/Puppen: Ingo Mewes/Mechtild Nienaber Die wilden Kerle (2015) von Dave Eggers/Maurice Sendak Regie: Moritz Sostmann Bühne/Puppen: Sven Nahrstedt/Franziska Hartmann Der Geizige – Hofspektakel XIX (2015) von Molière Regie: Astrid Griesbach Bühne/Puppen: Lisette Schürer Das blaue Licht (2015) von Leonhard Schubert und Florian Kräuter nach den Brüdern Grimm Regie: Leonhard Schubert Bühne/Puppen: Jonathan Gentilhomme/Janusz Debinski Der kleine Muck (2015) von Frank Alexander Engel nach Wilhelm Hauff Regie: Frank Alexander Engel Bühne/Puppen: Engel-Schmidt-Produktionen


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Die zweite Prinzessin (2016) von Gertrud Pigor Regie: Frank Bernhardt Bühne/Puppen: Sven Nahrstedt/Frank Alexander Engel M – eine Stadt sucht einen Mörder (2016) von Roscha A. Säidow nach dem Drehbuch zum Fritz-Lang-Film Regie: Roscha A. Säidow Bühne/Puppen: Julia Plickat/Magdalena Roth

Inszenierungschronik

Cinderella oder Der gläserne Schuh (2017) von Frank Alexander Engel nach Charles Perrault Regie: Frank Alexander Engel Bühne/Puppen: Frank Alexander Engel/Kerstin Schmidt Licht aus. Licht an. Ein Stier (2018) von Florian Kräuter frei nach Munro Leaf Regie: Florian Kräuter Bühne/Objekte: Florian Kräuter/Christian Sasse

Das Katzenhaus (2016) von Moritz Sostmann nach Samuil Marschak Regie: Moritz Sostmann Bühne/Puppen: Sven Nahrstedt/Mario Hohmann

Der Schimmelreiter (2018) von Frederik Laubemann nach Theodor Storm Regie: Leonhard Schubert Bühne/Puppen: Jonathan Gentilhomme

Viel Lärm um nichts – Hofspektakel XX (2016) von William Shakespeare Regie: Moritz Sostmann Bühne/Puppen: Christian Beck/Franziska Hartmann

Mozart – Hofspektakel XXII (2018) von Roscha A.Säidow Regie: Roscha A. Säidow Bühne/Puppen: Julia Plickat/Jonathan Gentilhomme

Siegfried (2016) von Florian Kräuter nach dem „Nibelungenlied“ Regie: Florian Kräuter Bühne/Puppen: Florian Kräuter/Janusz Debinski Schneewittchen (2016) von Pierre Schäfer nach den Brüdern Grimm Regie: Pierre Schäfer Bühne/Puppen: Ingo Mewes/Peter Lutz Die drei Räuber (2017) von Tomi Ungerer Regie: Leonhard Schubert Ausstattung: Jonathan Gentilhomme Die Legende vom Anfang (2017) von Astrid Griesbach Regie: Astrid Griesbach Ausstattung: Lisette Schürer Niemand heißt Elise (2017) von Alvaro Solar/Karin Schröder/Andreas Goehrt Regie: Claudia Luise Bose Ausstattung: Jonathan Gentilhomme Don Quichotte (2017) von Frank Alexander Engel nach Miguel de Cervantes Regie: Frank Alexander Engel Bühne/Puppen: Frank Alexander Engel/Kerstin Schmidt Gott – Hofspektakel XXI (2017) von Woody Allen Regie: Moritz Sostmann Bühne/Puppen: Klemens Kühn/Barbara Weinhold Der Froschkönig (2017) von Pierre Schäfer nach den Brüdern Grimm Regie: Pierre Schäfer Bühne/Puppen: Sven Nahrstedt/Mechtild Nienaber Meet me in Moskau (2017) von Roscha A. Säidow Regie: Roscha A. Säidow Bühne/Puppen: Julia Plickat/Gildas Coustier

Nur ein Tag (2018) von Martin Baltscheit Regie: Nis Søgaard Bühne/Puppen: Jana Barthel/Magdalena Roth Der gestiefelte Kater (2018) von Roscha A. Säidow nach den Brüdern Grimm Regie: Roscha A. Säidow Bühne/Puppen: Julia Plickat/Jonathan Gentilhomme Froh ist der Schlag unsrer Herzen (2019) von Jana Weichelt/Hans-Jochen Menzel Regie: Hans-Jochen Menzel Ausstattung: Jana Weichelt Die wahre Geschichte von King Kong (2019) Libretto: Roscha A. Säidow, Musik: Jeffrey Ching Regie: Roscha A. Säidow Bühne/Puppen: Julia Plickat/Magdalena Roth und Kerstin Schmidt Peter Hase und seine Freundin Beatrix (2019) von Marianne Fritz nach Beatrix Potter Regie: Frank Bernhardt Ausstattung: Christian Werdin/Frank Bernhardt Video: Oliver Feigl Die fabelhaften Drei (2019) von Marlis Hirche/Oliver Dassing Regie: Marlis Hirche/Oliver Dassing Ausstattung: Klemens Kühn Struwwelpeter – Hofspektakel XXIII (2019) von The Tiger Lillies/Julian Crouch/Phelim McDermott Regie: Hans-Jochen Menzel Bühne/Puppen: Christian Werdin/Jonathan Gentilhomme König Kolossal (2019) von Nis Søgaard nach Mitsumasa Anno Regie: Nis Søgaard Bühne/Puppen: Jana Barthel Der Räuber Hotzenplotz (2019) von Otfried Preußler Regie: Leonhard Schubert Bühne/Masken: Jonathan Gentilhomme/ Magdalena Roth

Gummienten Ahoi! (2020) von Agnès Limbos Regie: Agnès Limbos Ausstattung: Agnès Limbos Ein Spätsommernachtstraum – Hofspektakel XXIV (2020) von Moritz Sostmann nach William Shakespeare Regie: Moritz Sostmann Bühne/Puppen: Sven Nahrstedt/Hagen Tilp Schonzeit (2020) von Andreas Jungwirth Regie: Nis Sogaard Bühne/Puppen: Nis Sogaard und Simon Bukhave/ Simon Bukhave und Lili Laube


167

19 58 BI S 2 0 2 0

E N SE MB LEM IT GLI E D E R

Ensemblemitglieder

Jutta Balk

Alejandro Ramón

Richard Barborka

Gerhild Reinhold

Claudia Luise Bose

Gisela Reyer

Peter Bruckner

Dieter Reyer

Hannelore Bues

Thomas Riedel

Manfred Daehne

Nadja Saleh

Frank Alexander Engel

Elke Schettler

Matthias Engel

Roselotte Schmidt

Gabriele Grauer

Reinhard Schneider

Elisabeth Graul

Anne-Christiane Schneider

Peter Hadelich

Leonhard Schubert

Margit Hallmann

Sabine Schramm

Hans Haupt

Nis Søgaard

Raimund Jurack

Susanne Søgaard

Angelika Jedelhauser

Hans-Dieter Stäcker

Florian Kräuter

Andreas Steinke

Franziska Kriebisch

Alexander Szallies

Ines Lacroix

Brigitte Tanneberger

Pascal Martinoli

Rodrigo Umseher

Linda Mattern

Claudia Tost

Thomas Mette

Holger Vandrich

Rainer Mette

Gisela Wahlberg

Lennart Morgenstern

Jana Weichelt

Horst Nitsche

Anna Wiesemeier

Vera Pachale

Freda Winter

Dieter Peust

Margot Wisgalla


Die Herausgeberinnen Anke Meyer studierte Sprach- und Literaturwissenschaft, arbeitete als freie Theaterschaffende, war 1995 bis 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin des Deutschen Forums für Figurentheater und Puppenspielkunst und ist Redakteurin des Magazins für Puppen-, Figuren- und Objekttheater „double“. Diverse Lehraufträge, u. a. an der Universität Hildesheim und der Ruhruniversität Bochum, seit 2011 Dozentin am Studiengang Figurentheater der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart. Silvia Brendenal studierte Theaterwissenschaft, arbeitete als Redakteurin, Kritikerin,Theater- und Festivalleiterin.Von 1992 bis 1997 war sie Direktorin des Deutschen Forums für Figurentheater und Puppenspielkunst und künstlerische Leiterin des internationalen Figurentheaterfestivals FIDENA, von 1997 bis 2017 künstlerische Leiterin der Schaubude Berlin und zahlreicher von dem Theater veranstalteter Festivals des Theaters der Dinge.

IMPRESSUM Ensemble in Bewegung Wie sich das Puppentheater Magdeburg stetig neu erfindet Herausgegeben von Anke Meyer und Silvia Brendenal Ein Gemeinschaftprojekt von Theater der Zeit mit dem Puppentheater der Stadt Magdeburg www.puppentheater-magdeburg.de – www theaterderzeit.de © Theater der Zeit, 2020 Titelabbildung: Freda Winter, Nis Søgaard, Lennart Morgenstern in Doktor Faustus reorganisiert, 2012. Foto Jesko Döring Texte und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich im UrheberrechtsGesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeisung und Verarbeitung in elektronischen Medien. Verlag Theater der Zeit Verlagsleiter Harald Müller Winsstraße 72, 10405 Berlin, Germany www.theaterderzeit.de Lektorat: Erik Zielke Layout: Robert Voss Umschlagabbildung: Jesko Döring Printed in Germany ISBN 978-3-95749-298-2 (Paperback) ISBN 978-3-95749-339-2 (ePDF) Dieses Buch wurde ermöglicht durch eine Förderung des Landes Sachsen-Anhalt



Das Puppentheater Madgeburg ist eines der ganz wenigen Stadttheater in Deutschland mit Schwerpunkt Figurenspiel für Kinder und Erwachsene. „Ensemble in Bewegung“ richtet den Blick auf die große Lust am künstlerischen und strukturellen „Umbau“, die das Puppentheater der Stadt Magdeburg vor allem in den letzten drei Jahrzehnten prägte und weiterhin prägt. Zugleich eröffnen Beiträge von Regisseur*innen, Spieler*innen und Mitarbeiter*innen aus den verschiedenen Abteilungen, kulturpolitische Rückblicke sowie Interviews mit dem aktuellen Leitungsteam ganz unterschiedliche Perspektiven auf das Haus. Daraus ergibt sich ein lebendiges Bild dieses in der Stadtgesellschaft fest verwurzelten und zugleich international vernetzten Puppentheaters – und eines ungewöhnlichen Ensembles.


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