The Gap 145

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YOutube Science Pop — Alles verstehen in 7 Minuten The Jogging / Nazar / Post–ironie 145 Magazin für Glamour und Diskurs. MONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN, P.B.B. GZ 05Z036212 M, Nº145, August 2014

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Risse im Beton. Spoon. Banks. Fka Twigs. 22 Jump Street. Diana Al Hadid. Louie. Schein. Nadine Kegele. 10 Jahre departure. Wie der Wind sich hebt. Nature Theater of Oklahoma.

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21. – 22. November 2014

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Leitartikel von Thomas Weber.

Sendungsbewusst   Am 23. Mai 2015 wird sich zeigen, ob Wien wirklich anders ist. Wie aber soll sich Österreich bzw. der ORF »der Welt« den Austragungsort am Abend des Song Contest wirklich präsentieren? Ein Plädoyer für eine Positionierung als Bollwerk.

S

Nimmt der ORF seine Aufgabe als Organ der Aufklärung also ernst, dann hat er Wien sanft, aber bestimmt als Bollwerk der Queer Culture und gegen rückwärtsgewandte Spießbürger auszurichten. Hier hat Wien seit dem Life Ball sogar Tradition. Wir sind glaubwürdig. Auch auf einer anderen Ebene sollte der ORF Flagge zeigen und fortschrittlich agieren: Ein durch und durch zertifiziertes Green Event würde europaweit neue Maßstäbe setzen wenn es um die ökologische Ausrichtung von Großveranstaltungen geht. Doch auf die Frage, ob der Song Contest auch ganz offiziell zum öko-zertifizierten Green Event wird, weicht man beim ORF eher aus: »Nachhaltigkeit spielt beim Eurovision Song Contest auf jeden Fall eine Rolle – und Nachhaltigkeit hat auch bei der Host-City-Entscheidung eine Rolle gespielt. Etwa gute öffentliche Anbindung und Erreichbarkeit der Venue, Freifahrt für alle Delegierten und akkreditierten Journalisten …« Das spricht für den Status Quo, keine Frage. Eine Vision hört sich allerdings anders an. Dabei hätte Wien auch mit Green Events Tradition. 2006, als Österreich den Ratsvorsitz der Europäischen Union über hatte, tagten in der Hofburg internationale Event-Experten zum Thema »Greening Events«. 2008, als in Österreich und der Schweiz die Fußball-Europameisterschaft ausgetragen wurde, versuchte sich der damalige Vizekanzler und Lebensminister imageträchtig als Europameister der Green Events zu etablieren. Wenn von alldem tatsächlich nichts bleibt, wenn nichts davon weitergedacht wird, dann kommt das leider einem klaren Rückschritt gleich. Eurovision, Oida! Bild Vorname Nachname

strapazieren – sondern ein modernes Bild Österreichs präsentieren.« Gut, ein Fokus auf Fiaker und Rieserand wäre auch eine echte Niederlage gewesen. Dass der ORF hier Zeichen setzen kann timmt schon: Den Song Contest und sendungsbewusst agieren sollte braucht kein Mensch. Aber »jetzt hat uns – wie er das allein durch Kathrin Zechners Nominierung von Conchita Wurst die den Schas gewonnen« (Andi Knoll), ja bereits getan hat – steht allerdings also sollten »wir« versuchen, aus der Veranstaltung etwas Sinnvolles zu machen. spätestens seit Analyse des diesjährigen ESC-Abstimmungsverhaltens fest. Diese Wobei mit die die singende Drag Queen zeigt nämlich, dass ein Riss durch Europa Conchita Wurst gemeint ist während geht – ein Riss, wenn es um die Toleranz das Wir gemäß dem zuletzt gebrauchten gegenüber anderen als konservativen und Werbeslogan dem ORF obliegt. »ORF wie althergebrachten Lebensentwürfen geht. wir« – die Ausrichtung des Eurovision Während, grob zusammengefasst, die OstSong Contest (#ESC15) hat die öffentlicheuropäer eher für eine auf pralle Brüste rechtliche Sendeanstalt über. und traditionelle Rollenbilder setzende Man mag den bemühten Charakter (»Eurovision«) der Veranstaltung belächeln, Gruppe votierten und der österreichischen Teilnehmerin tendenziell weniger bis repräsentativ ist sie allemal. Dass ihr Symbolgehalt nicht zu unterschätzen ist, hakaum Punkte gaben, war es in den westlichen und liberaleren nördlichen Ländern ben nicht zuletzt die Reaktionen auf den Entscheid des Votings für eine Drag Queen Europas genau umgekehrt. Wenn also ein gezeigt. Wir erinnern uns: Ein rechtsradiMarketingexperte in der Presse meint, dass kaler russischer Polit-Rambo hatte sogar die Positionierung Wiens als tolerant und bedauert, dass die Russen Österreich nach modern »für eine westliche Demokratie dem Sieg über Hitler und nach Ende der ungefähr so ist, wie wenn ein Autobauer Besatzung nicht weiter okkupiert gehalten damit werben würde, dass seine Autos hätten. vier Räder haben«, dann mag das stimmen. Zurecht wird deshalb seit dem Triumph Was dabei aber vergessen wird: Dass es Conchitas auf allen Ebenen spekuliert und beim ESC weniger um die Positionierung diskutiert: wer das Event moderieren darf, Wiens geht, sondern vielmehr um die soll oder keineswegs sollen dürfte; welRolle, die Wien bei der Positionierung ches Bild von Österreich in den Trailern, Europas spielen kann. Und wer glaubt, Inserts und während der Übertragung »der dass Europa ein Hort der Weltoffenheit Welt« transportiert werden solle – eher ist, braucht gar nicht erst nach Ungarn modern oder doch prunkvoll und traditiblicken. Still und heimlich ist die viele onell, urban und »frech« oder doch besser tausende Mitglieder zählende Facebookstaatstragend; ob die Sache in Wien, InnsGruppe jener Österreicher verschwunden, bruck oder Graz über die Bühne gehen soll. die sich vor dem heurigen Song Contest Fragen über Fragen – wobei zumindest öffentlich dafür genierten, von einer Drag über den Ort entschieden wurde. Die WieQueen repräsentiert zu werden. Sogar ner Stadthalle wird für die Veranstaltung der Veranstalter der größten heimischen im großen Stil umgebaut und moderniRock-Festivals war Mitglied der Facebooksiert. Über das Wie und Was will man sich Gruppe gegen Conchita Wurst. (Auch beim ORF aber noch nicht ganz festlegen. wenn er das heute vielleicht leugnen mag Aus dem Büro des zuständigen ORF-Unterund schon am Tag nach ihrem Sieg wieder haltungschefs Edgar Böhm heißt es nur: ausgetreten ist: Ich habe einen Screenshot »Wir werden nicht die gängigen Klischees als Beleg.)

Thomas Weber Herausgeber weber@thegap.at @th_weber

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The Jogging Das Internet hat seine eigene Logik und seine eigenen Regeln. Auch was Kunst betrifft. »The Jogging«, ein Tumblr-Blog, hat sich in den letzten Jahren als richtungsweisendes Medium für Kunst, die nur im Kontext des Internets funktioniert, etabliert. An den richtigen Orten zu schauen und das Gefundene zu verbreiten, ist längst wichtiger geworden als selbst zu schaffen. »The Jogging« ist ein Beispiel dafür, wie das Internet jeden zum Kurator machen kann.

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Magazin Science Pop 014 —— Pop trifft Wissenschaft – Wo? Natürlich auf Youtube, wo sich Bildungskanäle gerade großer Beliebtheit erfreuen. Wir erklären, wie man in 7 Minuten alles verstehen kann. Golden Frame: Diana Al-Hadid 018 —— Caspar David Friedrich wäre stolz auf Diana Al-Hadids Ruinen. Über Apokalyptisches mit Gegenwartsbezug in der Secession. The Jogging 020 —— Kunst für, von und über das Internet. Wie der Kunst-Tumblr »The Jogging« jeden zum Kurator macht. Post-Ironie 022 —— Was ist das eigentlich und kann das wieder weg? Über ein Phänomen, das vielleicht gerade erst in der Popkultur sichtbar wird. Normcore-Theater 024 —— Performance: ewig lang, unerträglich, aber ziemlich lustig. Über das Nature Theater of Oklahoma beim Steirischen Herbst. Maulwurf Kunst 026 —— Ein verstecktes Kinderzimmer in der U-Bahn-Station. Der verantwortliche Künstler im Gespräch über das Projekt und seine Absichten. Louie 028 —— Der Komiker Louis C.K. bringt Stand-up ins Serienformat. Lachen und Weinen liegen nah beisammen.

warum heisst der

Nazar 030 —— Sich beugen – wozu? Nazar, der erfolgreichste Rapper Österreichs, vertritt im Interview klare Ansichten zu Hetze und Heuchelei. Risse im Beton 033 —— Ex-Knacki im Film, stilles Wasser im Interview. Zu einem ungewöhnlichen Weg raus aus den alltäglichen Schiebereien rät Murathan Muslu aber doch. Banks 034 —— Jillian Banks ist das wahrscheinlich schlaueste Beispiel dafür, wie Pop-Promo heute funktioniert. Die Sängerin hat mit ihrem ersten Album alles richtig gemacht. FKA Twigs 035 —— Die atemberaubende Musikerin FKA Twigs stammt von einem anderen Stern und singt auf ihrem ersten Album bevorzugt von finsterer Liebe. Ein unheimlich perfektes Debüt. Local Multiplayer 036 —— Dank einiger Indie-Studios bekommen wir etwas zurück, das längst verloren schien: gemeinsamen Spielspaß. Schein 037 —— Wir zeichnen den Weg des ungewöhnlichen und wunderschönen Rätsel-Plattformers »Schein« von der Idee bis zur Veröffentlichung nach. Nadine Kegele 038 —— Leid und Kummer, serviert mit Verve. Der Debütroman von Nadine Kegele, die im Vorjahr beim Bachmann-Wettlesen mit dem Publikumspreis ausgezeichnet wurde. 10 Jahre departure 039 —— Wiens Kreative haben seit zehn Jahren ihre eigene Agentur und jetzt auch eine neue Chefin. Über die neue Organisation und das neue Geld.

bloss so? bloss so.

hans.thegap.at

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FKA Twigs Unheimlich, fragil, unantastbar. So klingt eines der stärksten Alben des Jahres. FKA Twigs hat scheinbar von einem anderen Stern aus R’n’B revolutioniert. So einzigartig wie sie hat noch niemand die Balance zwischen Freiheit und Abhängigkeit vertont. Ein Album wie ein schwerer Liebeszauber. Schwarze Magie: extrem wirkungsvoll.

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Rubriken Leitartikel 003 Inhalt 004 Editorial 006 Editorial / Porträts / Impressum 006 Fondue 009 Unbezahlter Anzeiger 011 Splitter 012 Workstation: Hilde Dalik, David Dempsey und Christine Gaigg 040 Prosa: Linus Volkmann 046 Reviews 048 Termine 058

Bild der Ausgabe Wenn man sich ehrlich ist, saßen bei einer Redaktionssitzung -Emojis früher nur Männer. Da gab es noch keine Hashtags, und Instagram. Gut, dass sich die Zeiten ändern.

Kolumnen 010 066

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Fabula Rasa Know-Nothing-Gesellschaft

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Du willst jetzt sicher einen Leserbrief schreiben — Hallo, ich bin seit [______] Jahren treuer The Gap-Leser und hab mich zwar immer wieder über die Fehler in der [______] geärgert, aber euer [______] Magazin schon geschätzt. Besonders die [______]-Reviews haben es mir angetan. Aber wie, ihr seid jetzt wohl völlig [______]? Wo sind die hin? Sorry, aber damit ist The Gap für mich [______] und völlig austauschbar geworden. Da kann ich doch gleich Neon / Intro / Kronehit lesen. Schon klar, die ganzen Gesichter aus dem [______]-Bereich schalten bei euch grad keine Anzeigen mehr, dann null Presseförderung und vielleicht ist eine Premiere von [______] oder so [______]-Clickbait auch viel easier für euch, aber gefallen muss mir das deshalb noch längst nicht. Da klick ich doch lieber auf ein paar Banner von Facebook / Bored Panda / beliebiger Multi-Milliarden-Konzern und geb ihnen meine Telefonnummer, Gesprächsaufzeichnungen und [______] als euch weiterhin die [______]-tausend Euro für ein Magazin-Abo, das sich nicht mal automatisch verlängert, zu überweisen. Ich bin wütend und traurig über eine Gegenwart, die ich nicht verändern kann. Viel Glück noch, euer [______]. Stefan Niederwieser niederwieser@thegap.at @the_gap

kontribut

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Erli Grünzweil

Gabriel Roland

Hoch Komma Cola — Er ist kein ganz neues Gesicht bei uns – letzten Sommer schon schmückte Erli die Seiten von The Gap als Grafikant. Und da wir Menschen, die österreichische Musik lieben und falsche Anführungszeichen hassen, bei uns besonders schätzen, haben wir ihn jetzt noch einmal für länger zurückgeholt. Erli sagt von sich selbst, er findet nicht immer die richtigen Worte, um seine Gedanken auszudrücken. Wer seine Fotos und Arbeiten kennt, findet das aber auch gar nicht nötig, denn die sind richtig ausdrucksvoll. Nebenbei filmt und fotografiert der Mühlviertler noch Konzerte. Die Resultate dieses Schaffens könnt ihr auf www.earlier.at bestaunen. Wie er das übliche Fan-Gekreische ob seiner Verachtung für überschwenglichen Optimismus aushält, wissen wir nicht so genau. Jedenfalls dürfen wir Erli bald wieder mit einem Cola in der Hand bei uns im Büro begrüßen. Dabei könnt ihr euch sicher sein: solltet ihr doch noch einmal ein falsches Hochkomma bei uns im Heft finden: er ist nicht schuld. Nur vielleicht an dem seltsamen Schmäh, der dann gemacht wurde.

Tumblrs, Things, Textiles — Er hasst das Wort »Spannungsfeld« und jeden, der es benutzt. Man braucht eben klare Richtlinien im Leben. Klare Schnittmuster könnte man in Gabriels Fall auch sagen. Denn er ist nicht nur Bachelor in Textildesign, sondern macht auch bald den passenden Master an der University of Derby. Textildesign, das ist nicht das mit dem Gwand, sondern das mit Stoffen und Mustern. Früher, da hat er als Archäologe altes Textil, Geschirr und Nadeln im Boden gesucht und durfte beim Prospektieren gar kein Metall anhaben. Das war auch das einzige Mal in seinem Leben, dass er eine Jogginghose an den Beinen hatte. Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Dieser Satz könnte von ihm sein, vielleicht ist er auch von Karl Lagerfeld. Man braucht jedenfalls klare Richtlinien. Details sind wichtig. Dass er im aktuellen Heft trotzdem einen Artikel über The Jogging geschrieben hat, finden wohl nur Leute ironisch, die auch Jogginghosen anhaben. Denn The Jogging ist ein Tumblr über Kunst, Mode, Design und irgendwie auch alles andere. Also quasi dasselbe wie sein eigener, hiermit schwer empfohlener Tumblr A Rough Outline Of Things. Hilfsbereit und verlässlich ist er obendrein. Ein echt tolles Spannungsfeld, das dieser Typ da also hat.

TEXT Teresa Havlicek BILD privat

TEXT Stefan Niederwieser

BILD Martin Prechelmacher

Impressum

HERAUSgeber Thomas Weber chefredaktION Martin Mühl, Stefan Niederwieser Redaktion Ranya Abd El Shafy, Niko Acherer, Benjamin Agostini, Amira Ben Saoud, Josef Berner, Sandra Bernhofer, Manuel Bovio, Ivo Brodnik, Stephan Bruckner, Johannes Busching, Ann Cotten, Lisa Dittlbacher, Andreea Dosa, Juliane Fischer, Holger Fleischmann, Philipp Forthuber, Manuel Fronhofer, Miriam Frühstück, Barbara Fuchs, Carola Fuchs, Daniel Garcia, Yannick Gotthardt, Manfred Gram, Dominique Gromes, Philipp Grüll, Julia Gschmeidler, Andreas Hagenauer, Jan Hestmann, Magdalena Hiller, Christoph Hofer, Sebastian Hofer, Peter Hoffmann, Michael Huber, Reiner Kapeller, Jakob Kattner, Sophie Kattner, Markus Keuschnigg, Michael Kirchdorfer, Kristina Kirova, Stefan Kluger, Michaela Knapp, Markus Köhle, Christian Köllerer, Alexander Kords, Christoph Kranebitter, Rainer Krispel, Michael Bela Kurz, Philipp L’Heritier, Franz Lichtenegger, Artemis Linhart, Gunnar Landsgesell, David Mochida Krispel, Christiane Murer, Nuri Nurbachsch, Dominik Oswald, Ritchie Pettauer, Stefan Pichler, Johannes Piller, Stefanie Platzgummer, Christoph Prenner, Teresa Reiter, Werner Reiter, Kevin Reiterer, Martin Riedl, Tobias Riedl, Gabriel Roland, Georg Russegger, Stefan Schallert, Joachim Schätz, Peter Schernhuber, Bernhard Schmidt, Nicole Schöndorfer, Werner Schröttner, Tanja Schuster, Richard Schwarz, Katja Schwemmers, Katharina Seidler, Wolfgang Smejkal, Lisa Stadler, Cornelia Stastny, Roland Steiner, Gerald C. Stocker, Johanna Stögmüller, Peter Stuiber, Werner Sturmberger, Denise Helene Sumi, Yasmin Szaraniec, Asha Taruvinga, Hanna Thiele, Horst Thiele, Franziska Tschinderle, Erwin Uhrmann, Jonas Vogt, Luise Wolf, Maximilian Zeller, Martin Zellhofer, Barbara Zeman PRAKTIKUM Franz Lichtenegger, Yasmin Szaraniec termine Manuel Fronhofer, Stefan Niederwieser AUTOREN Georg Cracked, Michaela Knapp, Michael Lanner, Moriz Piffl-Percevic, Jürgen Wallner, Martin G. Wanko fotografie Florian Auer, Lukas Beck, Stephan Doleschal, Andreas Jakwerth, Georg Molterer, Ingo Pertramer, Kurt Prinz, Karin Wasner, Michael Winkelmann Illbilly-illustration Jakob Kirchmayr COVER Annemarie Sauerbier auf Basis von Illustrationen von Kurzgesagt ART DIRECTION Annemarie Sauerbier DESIGN Elisabeth Els, Annemarie Sauerbier, Thomas Wieflingseder, Manuel Fronhofer Lektorat Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer web Super-Fi, m-otion anzeigen Herwig Bauer, Thomas Heher, Wolfgang Hoffer, Micky Klemsch, David Kreytenberg, Martin Mühl, Thomas Weber (Leitung) Distribution Martin Mühl druck Ferdinand Berger & Söhne GmbH, Pulverturmgasse 3, 1090 Wien geschäftsFÜHRung Martin Mühl PRODuktion & MedieninhabERin Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6 / III, 1040 Wien kontakt The Gap c/o Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6/III, 1040 Wien; Tel. +43 1 9076766–41; wien@thegap.at, www.thegap.at, www.monopol.at, office@thegap.at bankverbindung Monopol GmbH, easybank, IBAN AT77 14200 20010710457, BIC EASYATW1 abonnement 10 Ausgaben; Inland EUR 15, Europa EUR 35, Rest der Welt EUR 42 HEFTPREIS EUR 2 erscheinungsweise 8 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1040 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.

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the temporary Wednesday club for art lovers & friends

16/7 Ken hayaKaWa

6/8 boleK & loleK

23/7 rss disco

13/8 anna leiser und JoJa

(S c h รถ nbrunner p er l en/ V Ie )

(p r a SS el b a nd e/ V Ie )

( M Ir eI a / hh )

3 0/7 cher monsieur ( w up w up/ V Ie )

(beb o p r o d e o) // ( V a r e/ neSS)

27/8 mooGle und laminat

22/8 etepetete (GrZ)

(beb o p r o d e o/ V Ie )

eintr it t fr ei!

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Spähaugen und Schnappschützen aufgepasst: The Gap freut sich immer über bemerkenswerte Momentaufnahmen, optische Querschläger und belichtete Kuriositäten. Einsendungen an fondue@thegap.at

Wieherst du noch oder lebst du schon?

Kein Problem, lassen sie mich nur rasch die Sturmhaube in meinem Geigenkasten hier verstauen …

Hacklerpolet.

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Fuck rechts, Shit links. Und Piss gleich direkt an der Ecke? So sieht’s zumindest aus.

Wie dämlich! Bei Lakaien darf man sich ja mal verschreiben, aber bei Schwanz …

Wenn man sich das so ansieht, dürfte das für dieses spezielle Leben sicherlich zutreffen.

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»This is god city, this is love parade, this is mister fuckers last ride.« (Soulside) Die Fußball-WM ist vorbei, der Sommer kann endlich richtig beginnen. Wenn man auf der Schattenseite der Straßen bleibt und immer wieder in die kühle Dunkelheit von Lokalen und Geschäften einkehrt, ist die Hitze der Sonne gut erträglich; selbst in der Mittagszeit. Die Menschen, Touristen und Schüler lächeln, kaufen Eis und fühlen sich behütet und geborgen. Ihre Kleidung ist bunter und leichter, die Gesichter und Gefühle sind leichter, die Seelen schweben. Die Stadt strahlt in klaren, leuchtenden Konturen, als wäre sie von innen beleuchtet. Es weht eine schwache Brise um die Mauern und durch die Bäume und vertreibt den Schweiß der Menschen, Hunde und Fahrzeuge. Der Sommerregen wäscht allabendlich den Staub von den Häusern und Straßen und wenn sich die Menschen zur ersten Dunkelheit wieder hinaus in die Gastgärten wagen, wischen die Kellner die Tische und Stühle trocken und der Wirt schaltet die Beleuchtung in den Bäumen und Terrassen ein und im Hintergrund über allem leuchten die Sterne in unendlicher Klarheit. Heute stirbt keiner. Nicht an Tagen wie diesen. »I’m not happy when I try to fake it.« (Commodores) Es sollte keinen Unterschied machen, aber es ist so: Ein toter Vogel im Garten zerstört den ganzen Kindergeburtstag. Ein unüberlegtes Fahrmanöver und tausende Menschen verschwenden Lebenszeiten im Stau. Einmal abgelenkt sein und ein Radfahrer rammt einen Fußgänger und der hat für immer nagende Schmerzen. Einmal ungeschützen Sex gehabt. Einmal das Falsche gegessen. Einmal die falsche Antwort gegeben. Einmal den Wecker nicht gestellt. Einmal verkehrt abgebogen. Nur einmal die falsche Entscheidung getroffen. Es ist, als ob man die ganze Zeit mit einem geladenen, gespannten Revolver am Kopf herumläuft. Und dennoch, alle sind zufrieden so gut sie können, versuchen weiterzukommen so gut sie können, wollen glücklich sein, koste es was es wolle. Alle sind mit ihrem Vermögen so unzufrieden wie mit ihrem Verstand zufrieden. Aber nun ist die Fußball-WM vorbei und es ist immer noch Sommer und für eine kurze Zeit gelten andere Regeln. Powered by Nick Cave & Warren Ellis, Brahms und Asche & Spencer.

Tickets: HAUS DER MUSIK, Seilerstätte 30, täglich 10 - 22 Uhr, www.hdm.at 002-017_Splitter.indd 10

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Es gibt Dinge da draußen, die sind so gut, die sind Segnungen für die Menschheit, echte Hits der Warenwelt, für die machen wir freiwillig Werbung.

Clean Fun

Schlüsseldienst

Fluchtachterl

Duschen wird mit der Zeit eben auch langweilig. Bevor man es aber ganz lässt und seine Mitmenschen endgültig vergrault, gibt es noch verschiedene Möglichkeiten, wieder etwas Pepp in die Angelegenheit zu bringen. Dieser »Nose Gel Dispenser« ist zwar etwas ekelhaft, macht aber wie die meisten ekelhaften Dinge Spaß. Darüber hinaus macht man sich dabei nicht mal dreckig, sondern sogar sauber. www.amazon.de

Ja, es ist jetzt soweit, bereits an die 50 Prozent der Menschen geben an, keine 24 Stunden ohne Smartphone auskommen zu können. Ok, Amerikaner halt. Aber das Digitale lauert jetzt auch schon im Analogen. Vor deiner Tür. Vielleicht, weil du dir unbedingt diese Matte kaufen musstest. Nein, natürlich hast du nicht wirklich versucht, mit dem Fuß drüberzuwischen und deine Tür so aufzusperren. Natürlich nicht. www.amazon.de

Wo den Sprit verstauen? Gerade im Sommer fallen die Weinflaschen und Tetrapacks, die man sich unters Shirt steckt, eher unangenehm auf, besonders dem Türsteher deines Vertrauens. Diese Tasche schafft Abhilfe: Einfach Wein einfüllen und dann stilecht portionieren. Eisfach gibt’s auch, wenn’s einmal ein Weißer sein darf. Oder Wodka. Weil endlich jemand erkannt hat, dass Flachmänner zu klein sind. www.wantist.com

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AM RAD

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Vanessa Spanbauer (Fresh Magazine)

TOP 10

ÜBERFLÜSSIGSTE DINGE, DIE DAS FERNSEHEN ZU BIETEN HAT

01 Die 50. Wiederholung von »Malcom mittendrin« 02 Dauerwerbesendungen für Schlager-CDs 03 Reportagen aus dem Marchfelderhof 04 Mario Barth & Co. 05 Romanverfilmungen inspiriert von Rosamunde Pilcher 06 Harald Glööckler 07 Das Wetter-Panorama 08 Fashion TV 09 Frauentausch 10 Lehrsendungen wie »Telekolleg Mathematik«

TOP 5

DIE GANZ SICHER UNVERZICHTBARSTEN MUSIKVIDEOS

01 Flo Rida ft. Pitbull - Can't Believe It 02 IceJJFish - On The Floor 03 Mördan - Schatz, ich kann nicht mehr warten 04 Paris Hilton - Come Alive 05 für den Österreich-Anteil: Bambi – Princess of Love (warum wurde es nur gelöscht?)

auch nicht schlecht: Money Boy

www.thegap.at/gewinnen »House Of Cards« Staffel 2

Yasmin Szaraniec (The Gap/ Was ich bin)

TOP 10

BÜCHER ÜBER BRÜSTE

01 Brustvergrößerung durch Selbsthypnose 02 The Little Book of Boobs 03 The Great Stone Tit: A Photographic Study 04 Things Better Than Boobs 05 Whose Boobs are These? 06 Tit Heaven 07 If These Boobs Could Talk 08 Peek-a-Boob Too 09 When Good Boobs Turn Bad 10 Beautiful Breasts Forever

TOP 5

POLNISCHE FILME, DIE DICH ZUM STAUNEN BRINGEN

01 Henryk Szaro – Mocny Człowiek (Der starke Mensch, 1929) 02 Roman Polański – Nóź w wodzie (Das Messer im Wasser, 1966) 03 Andrzej Wajda – Człowiek z Marmuru (Der Mann aus Marmor, 1977) 04 Stanisław Bareja – Miś (Der Bär, 1980) 05 Krzysztof Kieślowski – Przypadek (Der Zufall möglicherweise,1981)

auch nicht schlecht: Ulrich Seidl

In der zweiten Staffel von »House Of Cards« nutzt Francis Underwood seine Macht als Vize-Präsident – und muss sich wie schon am Ende der ersten Staffel einen steten Machtkampf mit dem Unternehmer Raymond Tusk liefern. Dazu kommen weitere neue und alte Probleme. Aber nichts, das Frank ernsthaft aus der Ruhe bringen würde, oder? Wir verlosen 2 Blu-Ray- und 2 DVD-Staffelboxen.

»Planet der Affen« Seit 7. August ist »Planet der Affen« im Kino zu sehen und der neue Teil der Serie wird von allen Seiten zurecht gelobt. Die Menschheit wird von einem Virus dezimiert und die Affen organisieren sich unter Ceasars Führung in ungeahntem Ausmaß. Wir verlosen bunte Goodie-Pakete aus Mousepads, Wasserflaschen, »Planet der Affen – Prevolution Blu-Ray« oder auch Filmplaketen.

»Vikings« Staffel 1 »Vikings« ordnet sich oberflächlich in jene Serien über vergangene Zeiten, die von Zusehern in erster Linie deswegen geschaut werden, weil sich hier so ungeniert nicht mehr angebrachte Verhaltensweisen feiern lassen. Blut und so. Doch die Serie ist differenzierter und die Handlung interessanter. Ragner Loothbrook! Wir verlosen 3 Blu-Ray-Boxen der ersten Staffel.

»The Americans« Staffel 1 Nicht nur der Soundtrack von »The Americans« versetzt gekonnt in eine vergangene Zeit: Die Story spielt Anfang der 80er Jahre und im Mittelpunkt steht ein Paar das vorgibt, ein klassisches US-Vorstadtleben zu leben, während sie tatsächlich KGB-Spione sind. Wir verlosen 3 DVD-Boxen der ersten Staffel.

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Migrazija yeah yeah

Kunst, Kultur und Aktion Ästhetisch, kämpferisch, kontrovers, lustig, politisch, radikal, sozial … 12.–28. September 2014 www.wienwoche.org facebook.com/wienwoche twitter.com/wienwoche

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Edutainment auf Youtube — Pop trifft Wissenschaft an der Video-Universität

Love The Way You TeacH Hast du schon einmal die Geschichte von wirklich ALLEM in 7 Minuten gesehen? Die Leute von »Kurzgesagt« haben genau das gemacht. Dabei sind sie mit ihren äußerst aufschlussreichen Videos im deutschen Sprachraum die absolute Ausnahme. Warum eigentlich? Hinter dem Münchener Science Animation Vlog »Kurzgesagt« stecken Menschen, die sich als Informatik-Design-Kollektiv bezeichnen. Animatoren, Journalisten, Musiker, Programmierer. Sie haben eine Leidenschaft: Wissen so zu vermitteln, als würden wir tatsächlich das 21. Jahrhundert schreiben. In ihren animierten Videos zeigen sie uns, wie die Welt funktioniert. Nicht mit irgendwelchen Diagrammen, Zahlen und Fadesse vorne wie hinten. Sondern mit Fragen, die Menschen tatsächlich interessieren. In knackigen, farbenfrohen und relativ kurzen Videos erklären sie Dinge so, dass wir sie verstehen, gerne zuhören und dann hoffentlich auch merken.

Es muss nicht immer Porno sein Bücher sind in den letzten Jahren irgendwie schwerer geworden. Man hat sich daran gewöhnt, im Netz nachzusehen. Wikipedia hilft. Aber Artikel dort sind oft lang und geben nicht immer die Antwort, die man sucht. Sie listen Wissen auf, aber sie erzählen nichts und erklären oft nicht überzeugend. Die Antwort heißt wie so oft Youtube. Selbst wenn all die Katzen- und Baby-Videos eher nicht dazu beitragen, dass die Plattform einen exzellenten Ruf hat, für die Passivität eines durchschnittlichen Menschenhirns ist Youtube ideal. Man muss dazu nur relativ ruhig sitzen, liegen oder rumhängen. Video an, Hirn irgendwie auch. Wenn es um Videos im Netz geht, müssen es eben nicht immer Videos von süßen Tieren und Pornos sein. 2009 wurde auf Youtube der Education Channel gelauncht. Zuerst fanden sich dort Inhalte von über 100 Universitäten auf einem Kanal mit den Kategorien »Primär- und Sekundärbildung«, »Universität« und »Lebenslanges Lernen«. Dass die Wegbereiter aus den Vereinigten Staaten kommen, liegt auch an der Art, wie Online-Lernen in den Alltag US-amerikanischer Universitäten eingebunden ist.

Teach Me, Baby Nicht zufällig ist das Internet an Universitäten geboren worden. Im World Wide Web kann Wissen vernetzt und verkreuzt werden. Informationen sind für jeden abrufbar. Vor allem die großen, angesehenen US-Universitäten wie Harvard oder mit stellten ihre Lehrveranstaltungen früh online. Aber auch Unternehmen witterten ihre Chance. Profitorientierte Onlinekurse wie Coursera oder Udacity wurden gegründet. Video kann nun aber eigentlich mehr leisten. Der ehemalige Finanzanalytiker Salmon Khan etwa stellt mit seiner nicht-kommerziellen »Khan Academy« für mittlerweile 1,7 Mio. Abonnenten kostenlosen Zugang zu Bildung bereit. Mit einem einfachen Grafik-Tablet kritzelt er mathematische Formeln auf ein virtuelles, schwarzes Brett und erklärt dabei ganz locker, was er gerade macht. Und die Leute lieben es. Es müssen also nicht unbedingt aufwendige Videos gedreht werden, um Massen zu begeistern. Auch die Talks der TED-Konferenzen können kostenlos angesehen werden. Keine Frage, auch sie sind äußerst erfolgreich. Vor allem deren lokale Ableger – TEDx – wurden dabei immer wieder für ihre pseudowissenschaftlichen Vorträge und ihre Fortschrittsfrömmigkeit kritisiert. Dass sich in den USA und im UK trockene Wissenschaft auch außerhalb der traditionellen Medien stärker verbreitet, liegt auch an der Medienlandschaft, kommentiert Oliver Lehmann, Vorsitzender des österreichischen Klubs der Bildungsund Wissenschaftsjournalisten. Wenn große Blätter wie New York Times, Wall Street Journal und Washington Post – die sogenannten Legacy Media – sparen müssen, fallen Wissenschaftsressorts oft als Erste weg, vor allem bei kleineren Medien, die nicht dieser Legacy angehören. Wissenschaftsexperten müssen also auf andere Ressorts umsteigen, werden Lehrende oder Presseleute von Forschungseinrichtungen, so Lehmann. Das führte dazu, dass sich in den usa und Großbritannien eine Blogger-Sphäre etabliert hat – und dazu gehört auch Youtube.

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»Warum Karbon eine Schlampe ist«

Schlauer jeden Tag, in wenigen Minuten Bei »Minute Physics« erklärt uns Henry Reich, Master-Absolvent in Physik, komplizierte physikalische Phänomene. Die Relativitätstheorie oder die Frage, ob man schneller nass wird, wenn man gemütlich im Regen spaziert oder rennt, solche Dinge werden mit Stift und Papier in Stop-Motion-Videos kurzweilig besprochen. Begonnen hatte die Zeichnerei der putzigen Striche aus Lust und Laune. Mit 2,5 Millionen Abonnenten ist »Minute Physics« jetzt einer der beliebtesten Science-Vlogs auf Youtube. Auch im deutschen Sprachraum gibt es einige Stars in der Wissenschaft. Auf Youtube fehlt von ihnen allerdings jede Spur. Seit 1994 werden in Österreich jährlich die »Wissenschafter des Jahres« gekürt. Dazu gehört beispielsweise Renée Schroeder, die 2002 für ihre Forschung in der Mikrobiologie ausgezeichnet wurde. Gemeinsam mit der Journalistin Ursel Nendzig veröffentlichte sie »Die Henne und das Ei. Auf der Suche nach dem Ursprung des Lebens«, das zum Wissenschaftsbuch des Jahres 2012 gewählt wurde. Auch der Mathematiker Rudolf Taschner nahm den Preis entgegen. Sein Buch »Rechnen mit Gott und der Welt« wurde zum Buchliebling 2010 erkoren. Scheint, als würde sich einiges tun. Im europäischen Vergleich wären wir jedoch eines der wissenschaftsfeindlichsten Länder, so Jörg Wipplinger, Medizinjournalist an der Donau-Uni Krems. Das bestätigt auch die Eurobarometer Spezialumfrage aus dem letzten Jahr, in denen 53% der Österreicher angaben, über wissenschaftliche oder technologische Themen weder informiert noch daran interessiert zu sein. Außerdem hätten wir in der Wissenschaft keine Diskussionskultur – hier wird Kritik nicht mit Argumenten begegnet, sondern mit Intrigen, kritisiert Wipplinger weiter.

»Bei uns gibt es eine andere Tradition von Wissensvermittlung. Das Lesen eines Textes hat einen höheren Stellenwert als der Vortrag«, so Peter Purgathofer, Professor für Informatik an der TU Wien. Der Karriereweg eines US-Amerikaners würde ihn vor allem mittels der Kunst des Vortragens an die Spitze bringen. Die rethorische Kultur sei viel stärker ausgeprägt als im deutschsprachigen Raum. US-amerikanische Wissenschaftler möchten ihr Wissen möglichst weit verbreiten. Bei uns jedoch herrsche in vielen Bereichen immer noch die Einstellung: Wer unverständlich ist, sei auch kompetent. Das würde sich aber allmählich verbessern. Jörg Wipplinger meint durchaus kritisch, wer versucht, Wissen unterhaltsam und verständlich zu transportieren, läuft schnell Gefahr, nicht ernst genommen zu werden. Dass Humor und Expertise zusammenpassen können, ist uns eher fremd. Komplett hinterher ist man hierzulande allerdings nicht. Die »Science Busters« versuchen der Öffentlichkeit Wissenschaft mit Witz zu vermitteln. Die Physiker Heinz Oberhummer und Werner Gruber tun das gemeinsam mit dem Kabarettisten Martin Puntigam auch auf Bühnen, im Fernsehen und im Radio recht erfolgreich. Heinz Oberhummer glaubt aber, dass es vor allem Copyright-Gründe schwierig machen würden, Vlogs zu verwirklichen. Er selbst hatte das Bildungsprojekt »Cinema and Science« (cisci) mithilfe von EU-Förderungen gestartet. Szenen aus populären Filmen sollten dort auf ihre Realisierbarkeit in der echten Welt hin untersucht werden. Die Lizenzkosten für die Filmszenen waren allerdings sehr hoch. Man hätte selbst professionelle Videos produzieren müssen, um ein Publikum zu erreichen. Es scheitere am Geld, erklärt Oberhummer.

Crazzahy Science Slams Die Medizinstudentin Giulia Enders hat es mit ihrem Vortrag »Darm mit Charme« geschafft, auf dem Freiburger »Science-Slam« einen YoutubeHit zu landen. Auch ohne anspruchsvoller Videoproduktion. Der Inhalt war ausschlaggebend. Bei den Kurzvorträgen geht es darum, das Publikum zu unterhalten. Seit 2010 findet auch der »Science Slam Vienna« statt. Auf Servus-TV gab es Versuche, wie mit dem Magazin »TM Wissen«, das jedoch Ende Juni dieses Jahres eingestellt wurde. Wer kann dann Schwung in den Science Pop bringen? Impulse müssen von der Generation Y kommen, die mit Youtube aufgewachsen ist. Dafür braucht es Zeit und gute Ideen. Die Aussichten sind laut Jörg Wipplinger – der selbst mit seinem Blog diewahrheit.at nicht zum Super-Science-Star aufsteigen konnte – eher suboptimal. Ob es auf Deutsch überhaupt funktioniert, ist fraglich, da die englischsprachige Konkurrenz sehr groß sei. Auch wenn man sich seit Kurzem mit Youtube verpartnern und darüber ein wenig Geld einnehmen kann, sollte man dafür schon recht bekannt sein. Außerdem spräche das wissensinteressierte Publikum ohnehin gut Englisch. Fast zu gut, glaubt auch Purgathofer. Alles in allem sei die Schwelle bei uns deutlich schwerer zu nehmen. Allerdings bewegt sich etwas. In Mitteleuropa passieren Dinge eben oft näher an der staatlichen Zitze. Durch Mäzene, Stiftungen, öffentlichrechtliche Journalisten etwa. Dafür ist Youtube nicht gemacht, aber dass es geht, beweist der Kanal »Kurzgesagt«, der uns wie viele andere hilft, aus unserer selbst verschuldeten Unmündigkeit hinauszugehen. Wenn über eine Milliarde Menschen sich monatlich auf Youtube bewegt, warum dann nicht Bildung einen Klick entfernt anbieten. Die Möglichkeit der Verpartnerung mit Youtube gibt es in Österreich seit cirka einem Jahr. Mehr unter youtube.com/features. Die Science Busters sind am 5., 6. und 7. Oktober im Theater Rabenhof zu sehen. Am 1. November findet die TedxVienna im Volkstheater statt.

Text Stefan Niederwieser Bild Yasmin Szaraniec

Dort zählen neben Glaubwürdigkeit natürlich vor allem Klicks. Graue Vorträge und angestaubte Texte eher nicht. Die usa schaffen es besonders gut, in jedem Bereich ihre Celebrities zu kreieren. Das ist in der Wissenschaft nicht anders. Auf Youtube hat man im Idealfall ein bisschen Humor, viel Fachwissen und zeigt, dass man auch »Star Trek«, »Herr der Ringe« oder Kim Kardashian kennt. Wie die VlogBrothers Hank und John Green von »Crash Course«. Die zwei Brüder präsentieren uns Biologie und Physik mit Analogien wie »Warum Karbon eine Schlampe ist«. Diese Videos sind nun ganz unterschiedlich gemacht. Die Monologe vor der Kamera werden mit Archivmaterial aufgepeppt (besonders bei Geschichts- und Kulturthemen), mit Fotos oder alten Karten. Interviews mit Experten gehen ebenso durch wie Experimente, die natürlich sehr effektvoll sein können, garniert mit Nahaufnahmen und Zeitlupen. Am eindrucksvollsten und gleichzeitig am aufwendigsten sind Animationen oder Zeichnungen. Gute Musik dazu, schon hat man etwas Herzeigbares. Ein einfacheres Rezept gibt es aber wohl nicht. Ein einprägsamer Titel, eine eigene Story, eigener Stil und Charme und nicht zu viel Respekt vor den universitären Gepflogenheiten sind wohl am wichtigsten. Welche Vorteile Videos gegenüber einer gewöhnlichen Lehrveranstaltung haben? Man kann Pause drücken, zurückspulen, eigene Listen anlegen, natürlich immer wieder darauf zugreifen und bekommt unmittelbare visuelle Eindrücke. Nachteile? Viele Videos sollen Spaß machen und sind deshalb nicht unbedingt zum Lernen geeignet. Zudem ist nicht sicher, ob das Gesagte auch wirklich dem entspricht, was in der Wissenschaft als gesichert gilt. Dafür gibt es die Möglichkeit Feedback zu geben – dadurch können die Macher ihren Content optimieren.

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1. »Kurzgesagt« Die Videos sind mittels Adobe Illustrator und After Effects aufwendig animiert und mit dazu passenden Jingles unterlegt. »Kurzgesagt« schafft es, uns in wenigen Minuten zu erklären, was Zeit ist oder wie unsere Erde funktioniert. Der deutschsprachige Kanal ist mittlerweile ausgelagert.

4. »Ted-Ed« Arbeitet hauptsächlich mit Animationen aus unterschiedlicher Hand. Mutterschiff ist die TED-Organisation, die hier mit den visualisierten Kurzvorträgen auf ein eher jüngeres Publikum zielt. Mundarten, ganz persönliche Storys und Superhero-Wissenschaften sind beliebte Subkanäle.

»Fracking Explained: Opportunity or Danger« – Views: 1,4 Mio.

»Questions No One Knows The Answers To – Chris Anderson« – Views: 1,7 Mio.

2. »Minute Physics« Hier liegt die Würze in der Kürze. Henry Reich erklärt komplizierte, physikalische Phänomene in wenigen Sekunden. Mit einem Blatt Papier und Edding wird sehr dicht erzählt, schlicht gezeichnet, gefilmt und zu Stop-Motion-Videos verarbeitet. Aus derselben Feder stammt auch der Kanal »Minute Earth«.

5. »Veritasium« Themen von Atom bis Astrophysik werden mit Experimenten oder ExpertenInterviews verständlich gemacht. Vor allem aber stellt Veritasium einige dieser ewigen Fragen: Kann man durch Stille verrückt werden? Wird das hier schneller als Licht? Oder: Was ist das rundeste Objekt der Welt?

»Immovable Object vs. Unstoppable Force – Which Wins?« – Views: 9,2 Mio.

»World’s Roundest Object!« – Views: 8,6 Mio.

3. »Crash Course« Hank und John Green stopfen ihre für Youtube-Verhältnisse relativ langen Vorträge mit Pop-Pointen voll und erzählen in einfacher Sprache von Geschichte, Literatur, Psychologie und Ökologie. Garniert mit süßen Animationen, überraschenden Zitaten und charmanten Schmähs finden sie den richtigen Ton zwischen Ironie, Fakten, Ideologien und plötzlich auftauchenden Mongolen.

6. »Khan Academy« Mit einem Tablet, einem Zeichenprogramm und einem Bildschirmaufnahmeprogramm dreht Salman Khan relativ spontane Videos und erörtert dabei, was er gerade macht. In der »Khan Academy« ist man dem sehr nahe, was früher klassisches Tele-Learning war. Zehn Millionen Menschen nutzen die Gelegenheit, monatlich etwas über Welt zu lernen. Die Bill Gates Foundation, Google oder der mexikanische Milliardär Carlos Slim unterstützen mittlerweile das Projekt.

»The Agricultural Revolution: Crash Course World History #1« – Views: 2,5 Mio.

»Basic Addition« – Views: 2,3 Mio. [eigentlich: »Salman Khan Talk at TED 2011« – Views: 3,7 Mio.]

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7. »CGP Grey« Dass die Animationen relativ schlimm sind, macht nichts. Große Karten, Pfeile, Texte und Fotos helfen, das Gesagte zu verstehen. Vor allem aber werden komplexe (historische) Zusammenhänge hier einleuchtend aufgelöst. Oder Dinge erklärt, von denen man nicht wusste, dass sie viel komplizierter sind, als man denkt. Neben einigen Pointen aus der Popkultur sind es vor allem diese ungewöhnlichen Themen, die diesen Kanal interessant machen.

9. »Wisecrack« Unterteilt sich derzeit noch in zwei Kategorien. In »Thug Notes« stellt ein »Gangster« im passenden Slang literarische Zusammenfassungen und Analysen vor »Mr. Ewell slaps that bitch raw«). »8-Bit Philosophy« handelt von Retro-Videospielen, in denen philosophischen Fragen nachgegangen wird. Geplant ist »Behind The Genius« über unbekannte, berühmte Persönlichkeiten.

»The Difference Between the United Kingdom, Great Britain and England Explained« – Views: 6,1 Mio.

»To Kill a Mockingbird – Thug Notes Summary and Analysis« – Views: 830.000

8. »Engineer Guy« Warum hat sich VHS und nicht das technisch überlegene Betamax durchgesetzt? Mit rotem Hemd gekleidet nimmt der Engineer Guy sich Geräte vor, legt sie auseinander und erklärt nebenbei Technikgeschichte. Grafiken und Diagramme unterstützen die Videos. Zudem arbeite er für das staatliche US-Radio und schreibt Bücher, die mitunter jeweils zweitverwertet werden.

10. »Sixty Symbols« In jedem Video wird eine physikalische oder astronomische Frage gestellt, die von einem Experten oder Wissenschafter beantwortet wird. Für jede Frage gibt es ein Symbol, 60 sind mittlerweile überschritten. Der Kanal kooperiert mit der University of Nottingham.

»LCD Monitor Teardown« – Views: 960.000

»Putting Your Hand in the Large Hadron Collider« – Views: 800.000

Weitere empfehlenswerte Kanäle sind: Zefrank1, Numbexrphile, ASAP Science, Bill Nye The Science Guy, Big Think, Philip Scott Johnson, Spoken Verse, Common Craft, YouTube Edu

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Diana Al-Hadid baut Ruinen, auf die Caspar David Friedrich stolz w채re. Als syrische K체nstlerin entwickeln ihre apokalyptischen Arbeiten auch Bez체ge in die Gegenwart. 018

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golden frame — Diana Al-Hadid – »Nolli’s Orders«, 2012

From: Aleppo To: Aleppo Ruinenartige Gebäude greifen in den Raum, Körper hängen ausladend zwischen den Stockwerken, Füße rinnen von einem Sockel, Rinnsale auf einer Leinwand laufen zu einem geometrischen Gebilde zusammen, ein vorhangartiges Gebilde windet sich über eine monumentale graue Landschaft, gigantische, miteinander verbundene Türme stehen auf Wurzeln, ein Raumschiff aus Bienenwaben scheint startbereit. Diana Al-Hadids Atelier befindet sich im New Yorker Stadtteil Bushwick, derzeit ein Hotspot der Kunstszene. Dort malt sie auf nassem Gips, lässt Figuren aus Wachs und Bronze schmelzen und schafft riesige Gebilde des Verfalls. Sie verwendet Blattgold, Stahl, Holz, Plexiglas, Kunststoff, Pigmente, Acryl, Kohle und Papier. Al-Hadids Arbeiten sind fast immer eine Verschmelzung von Skulptur und Malerei. Einerseits wirken sie wie post-apokalyptische Landschaften, andererseits verkörpern sie in ihrer Ausführung etwas Archaisches. Ihre Skulpturen haben den Touch des Meisterlichen vergangener Jahrhunderte. Ein Blick auf die Arbeit des italienischen Bildhauers Medardo Rosso (1858–1928), welchen die Künstlerin als Inspirationsquelle anführt, lässt rasch die Parallelen und die kunsthistorischen Bezüge AlHadids erkennen. Die raumgreifenden Arbeiten stellen vor allem Bezüge zu Architektur-Ruinen und untergehenden Zivilisationen her. Damit ist die Künstlerin mit syrischen Wurzeln bei einem äußerst aktuellen weltpolitischen Thema angelangt. In ihrer Geburtsstadt Aleppo sieht sie die Fußspuren unterschiedlicher Zivilisationen wie hellenistische Ruinen. In den vergangenen drei Jahren wurde die Stadt aber auch selbst in einem der schlimmsten Bürgerkriege dieses Jahrtausends zur Ruine verwandelt. Ihre Skulpturen haben Landschaftscharakter, ebenso wirken sie wie lebendige Körper und referenzieren auf die griechische oder die arabische Mythologie. In ihrer Farbgebung und Dramatik erinnern sie an die Arbeiten des deutschen Künstlers Anselm Kiefer. Wie bei Kiefer laden die Titel, die neben Mythologischem und enigmatischen Fragestellungen auch Kosmologie und Physik einschließen, das Werk zusätzlich mit starker Bedeutung auf, diese lauten etwa: »Portal to a Black Hole«, »The Tower of Infinite Problems«, »Edge of Critical Density«, »Gradiva’s Fourth Wall«. Im Unterschied zu Kiefer aber wirken Al-Hadids Gebilde lebendiger, luftiger und haben stark organischen Charakter. Diana Al-Hadid ist 1981 in Aleppo, Syrien, geboren und in Ohio, USA, aufgewachsen, wo sie auch Kunst studiert hat. Spätestens seit ihrer Ausstellung »The Vanishing Point« in der Marianne Boesky Gallery wurde sie zur Senkrechtstarterin in der Kunstmetropole New York. Ihren frühen Ruhm verdankt Al-Hadid wohl auch ihrer Galeristin, die Talent und Ambitionen der Künstlerin einmal als »schockierend« bezeichnet hat. Nächste Einzelausstellung »The Fates« ab 11. September in der Wiener Secession. www.secession.at

Text Erwin Uhrmann Bild Image courtesy of the artist and Marianne Boesky Gallery © Diana Al-Hadid; Foto: Dennis Harvey

Diana Al-Hadids Kunstwerke sind dramatisch, apokalyptisch, rätselhaft, philosophisch. Sie wirken wie eine dunkle Prophezeiung. Im Detail ihres Verfalls liegt aber gerade ihre Schönheit.

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Text Gabriel Roland Bild Tumbrl

»The Jogging« ist das bestmögliche Beispiel, wie Kunst und Internet heute zusammenspielen. Mit Kollaboration, Kooperation, Kuratierung, Niederschwelligkeit, Selbstreferenzialität und Atemlosigkeit. Alles quasi. Wie das Internet. 020

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The Jogging — Kunst für, von und über das Internet

Heute ist ja schon jeder Kurator Kennst du »The Jogging«? Nein? Vielleicht verwendest du das Internet falsch. Dort findet man nämlich Kunst, wenn man sie am wenigsten erwartet. »Kunst ist überall« – eine schon fast unerträgliche Plattitüde, die uns an die Seidenmalereiästhetik gewisser Weltverschönerer erinnert. Aber abseits dieses Souvenirstils breitet sich Kunst tatsächlich an Orten aus, an denen man sie nicht vermutet: Neben dem Journalismus ist die Kunst einer der Bereiche, in dem das Internet als innovatives Medium gerade besonders intensiv verhandelt wird. Es wirkt, als ob an jeder virtuellen Ecke jemand dazu aufrufen würde, Facebook mit Kunstwerken zu erobern und Projekte wie Hennssey Youngmans »Art Thoughtz« und Casey Jane Ellisons »Touching the Art« haben es sich zur Aufgabe gemacht, dem ignoranten Internet die hohe Kunst näherzubringen. Offlinekunst ist im Internet durch Seiten wie Artnet, die Webpräsenz von Auktionshäusern und Online-Portfolios schon gut etabliert. David Hockney malt auf einem iPad? Wie Hockney Technologie verwendet war immer schon interessant, mit Internetkunst hat das aber nichts zu tun, solange die Resultate ausgedruckt in einer Galerie hängen. Selbst wenn man die Gemälde auf Hockneys Website betrachtet bleibt klar, dass sie nach den Regeln der Offline-Welt entstanden sind. Das Internet aber hat seine eigene Logik.

Asymmetrischer Kunstaggregator Am anderen Ende des Spektrums stehen Kunstprojekte wie »The Jogging«, bei denen sehr schnell klar wird, wie eng ihr Verhältnis zur Funktionsweise des Internets und den Gepflogenheiten der Leute, die es intensiv verwenden, ist. The Jogging ist ein Kunstaggregator oder vielleicht eine Online-Galerie, die Tumblr dazu nutzt, einen nicht abreißenden Strom an Bildmaterial zu posten. Das 2009 von Lauren Christiansen und Brad Troemel gegründete Projekt ist dezidiert kollaborativ: Es besteht aus einem Kern an Mitarbeitenden, ein großer Teil des Materials sind aber Einreichungen anderer. Diese asymmetrische Konstellation aus Portal, Content-Producern und Öffentlichkeit ist eines der Erfolgskonzepte des Internets. Der Stil von The Jogging ist atemlos, hyperdigital und selbstreferentiell. Brad Troemel hat dafür den Begriff »athletic aesthetics« geprägt – eine Kunst, die nie haltmacht, immer auf der Suche nach dem Neuesten ist und auf der Welle der Internetaufmerksamkeit reitet. Das endlose Bildermeer von Tumblr ist der ideale Hintergrund für so eine Praxis. Die Posts von The Jogging gehen in diesem Meer auf; sie sind darauf ausgelegt, auch außerhalb des Kontextes ihrer »Galerie« zu funktionieren. Hier wird das Haschen nach Aufmerksamkeit, das von b auf 4chan bis zu den Facebook-Newsfeeds das Internet prägt, zur künstlerischen Methode. Bei Werken wie »Butter#2«, »Cruzing«, »Truthe« oder »#mumbleporn« hat man nicht das Gefühl, dass sie irgendwo anders außer im Internet sein wollen. So wirklich funktionieren sie wohl auch nur dort: Ohne den Kontext von Tumblr, ohne die Zahl der Notes darunter und ohne der durch kryptische ascii-Zeichen anonymisierten Links zu den Websites der Künstlerinnen und Künstler ergäbe das alles viel weniger Sinn. Eine Offlineausstellung mit Werken von The Jogging müsste aus Screenshots bestehen. The Jogging, das ist Kunst im Internet, durch das Internet, über das Internet und für das Internet.

Am besten zufällig The Jogging ist am besten Weg, ein weitreichendes Phänomen der Kunstwelt zu werden, ist aber natürlich keineswegs das einzige Format, das Internetkunst kennt. Interaktiver Content ist einer der Pfeiler des Internets. Mittlerweile haben sich die Berührungsängste zwischen Kunst, Literatur und Spiel deutlich reduziert. Im Kunst-Mainstream ist das zwar noch kaum angekommen, aber für Internet-User ist es eine Selbstverständlichkeit. Das Flash-Animations-Portal Newgrounds

zum Beispiel gehört zu den Urgesteinen des Web 2.0. Und selbst dort finden sich im Dauerfeuer der Belanglosigkeiten hier und da sowohl formal als auch inhaltlich innovative Perlen. Genauso wie bei The Jogging, dessen Kunst in die Content-Verwertungsmaschinerie von Tumblr entlassen wird, bezieht Internetkunst den Kontext, in dem sie sich befindet, mit ein. Paradoxerweise gehört es bei Internetkunst oft dazu, dass sie nicht als Kunst erkannt wird. Anderswo finden die interaktiven Werke von Autorinnen und Autoren wie Nina Freeman, die sich in ihren Spielen autobiografisch mit dem Erwachsenwerden und Sex beschäftigt, und David Oreilly, dessen Krypto-Spiel »Mountain« kürzlich für Verwirrung sorgte, kritische Anerkennung. Die Bandbreite reicht hier von Positionen wie dem experimentellen »Façade« von Michael Mateas und Andrew Stern bis zu der epischen Serie »Homestuck« von Andrew Hussie, die sich sicher nicht als Kunst im engeren Sinne versteht, sondern im Überschneidungsbereich zu Jugendliteratur und Internetsubkultur zuhause ist. Weil sie selten in Reinform vorkommt, ist Kunst im Internet oft nicht leicht zu erkennen und meistens ist es schwer, nach ihr zu suchen – am besten, man findet sie zufällig. Die Niederschwelligkeit des Internets hat all diese Projekte möglich gemacht und ist die größte Stärke und Chance für Kunst im Internet. Das sollte uns an eines der Grundprinzipien des Internet erinnern, dass es nämlich in beide Richtungen funktioniert. In der Jugend des Netzwerks war das noch eine Selbstverständlichkeit. Für die militärischen und wissenschaftlichen Anwendungen und die Usenet-Communities der 70er und 80er war das Internet noch ein utilitaristisches Werkzeug, das eine kleine Gruppe eingeschworener User mehr oder weniger gleichberechtigt verwendete. Die Trennung zwischen Produzenten und Konsumenten hat sich online erst in den 90ern mit der benutzerfreundlichen Browser-Oberfläche des World Wide Web durchgesetzt. Heute erwartet das Internet von seinen Digital Natives, dass sie Experten im Finden, Filtern und Weiterreichen von Informationsbruchstücken sind – von contenant trouvé sozusagen. Das Entdecken und publikumswirksame Verteilen des frischesten und viralsten Contents ist inzwischen als Sport und als Geschäft beinahe so angesehen und viel verbreiteter, als das Schaffen neuer Inhalte. Jeder ist ja heute Kurator. Nichtsdestotrotz ist die Schaffenskraft des Internets ungebrochen. Seine Funktionalität als Werkzeug zum Austausch, niederschwellige Publikationsmethode und Kanal zur direkten und kollaborativen Reflexion ist zu grundlegend, als dass sie so einfach vergessen werden könnte. Die anarchische Kreativität, die immer wieder aufblüht, und auch die Kuratorenmentalität selbst sind Zeichen dafür, dass das Internet ein Ort der User bleibt. The Jogging ist ein wunderbares Beispiel, bei dem all diese Faktoren zusammenspielen.

Das bestmögliche Internet Was auf jeden Fall immer wichtiger wird, ist aus dem, wie der mitWissenschaftler Ethan Zuckerman es nennt, homophilen Internet auszubrechen, das einem nur Dinge zeigt, die man eh schon kennt, Inhalte, die man sowieso mag und die man ohne viel Anstrengung konsumieren kann. Ein Beispiel dafür ist Facebook, das großen Aufwand betreibt, uns mittels Algorithmen einen Newsfeed zu präsentieren, der uns durchwegs gefällt. Stattdessen gilt es, so wie The Jogging das vormacht, die Wand zwischen Produzieren und Konsumieren nicht zu dick werden zu lassen und das Internet durch das Ansehen (und Produzieren) des bestmöglichen Contents zum bestmöglichen Internet zu machen. So nimmt Kunst dann auch das Netz ernst. www.thejogging.tumblr.com 021

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Post-Ironie — Ein Kulturphänomen re- und previsited

Ist das dein »Ernst«?

Text Amira Ben Saoud illustration Thomas Albdorf Bild BEC LORRIMER

Was ist eigentlich diese Post-Ironie und warum kann man ihretwegen mit Ehrlichkeit Geld verdienen? Ein Erklärungsversuch.

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Bieber-Songs und »Call Me Maybe« – »I just met you, this is crazy« – natürlich grölt man mit nach dem dritten Bier, mit den ebenso zynischen Freunden in der Großraum-Disco, weil es eben lustig ist. Zu Hause hängt vielleicht ein Poster von Justin Timberlake aus den 90ern wegen der grauenhaften Frisur. »Candy Crush Saga« spielt man, so aus Spaß am Blöden. Man kennt das. Aber irgendwann findet man »Call Me Maybe« dann doch super, ehrlich super, verwendet lol wieder als völlig ernstgemeinte Beifallsbekundung und man hat sich eingestanden, dass »Baby« ein richtig gutes Lied ist. Und bei »Candy Crush« ist man jetzt auch schon auf Level 530. Die ironische Begeisterung für das, was einem früher als Trash galt oder man richtig mies fand, ist zu echter Begeisterung geworden. Verkehrte Welt. Post-Ironie, voila. Zumindest trifft dieses plakative Beispiel am ehesten, was Urban Dictionary, Ansprechpartner für alle popkulturellsprachlichen Belange des Lebens 2.0, unter »post-ironic« versteht. 83 Däumchen zeigen für die Definition nach oben, gar nicht so viel, der Eintrag erfolgte schon 2010 – es schaut also nicht so aus, als wäre ein neues Zeitalter der Post-Ironie eingeläutet worden, als müsste man diesem Phänomen, so es denn eines ist, besondere Beachtung schenken. Nichts verpasst.

Jetzt komm das »aber« Aber vielleicht haben wir ja doch etwas verpasst: Sieht man sich nämlich »Künstler« wie die »Rapper« Kitty Pryde oder Yung Lean an, fällt auf, wie schwer es fällt, sie einzuordnen. Oder überhaupt damit klar zu kommen. Das hat ausnahmsweise nichts mit der berühmten Genregrenze zu tun, sondern eher mit der beliebten Frage, wie »authentisch« das jetzt ist. Die Anführungszeichen sagen schon alles: Man ist sich nämlich nicht so sicher, was Pryde und Lean da tun, was sie sind, was sie sein wollen und ob das eigentlich ihr – genau – Ernst ist. Antwort gibt es keine. Mit der Urban Dictionary-Definition im Hinterkopf kann man sich das aber ganz gut vorstellen, dass das zwei junge Menschen sind, die sich Gangsta-Rap angehört haben, das irgendwie witzig fanden, imitiert, adaptiert und dann ernst gemeint haben, daraus aufrichtig ihr eigenes Ding gemacht haben.

Aufrichtigkeit Das Schlagwort Aufrichtigkeit führt zu einer zweiten, schwierigeren und anderen Variante von Post-Ironie. Dort spricht man eher vom Ende der Ironie und damit von einer Rückkehr zur Ehrlichkeit oder besser Aufrichtigkeit. Bei ihr geht es nicht darum, aus einer zynischen Haltung heraus ein ehrliches Interesse an etwas zu entwickeln – sondern ganz im Gegenteil, sich ganz gegen diese zynische Art der Ironie zu stellen. Post-Ironie meint hier das Ende von Ironie und die Rückbesinnung auf Ehrlichkeit. Sie wird auch gerne mit »New Sincerity« gleichgesetzt – einem Begriff, der von Musik bis zu Philosophie schon seit den 80ern in allerlei Bedeutungsfacetten herumgeistert, in jüngerer Zeit auf Musiker wie Conor Oberst und Cat Power oder Regisseure wie Sofia Coppola und Mika Kaurismäki angewendet wurde – der also durchaus flexibel verwendet wird und schön vermarktbar klingt. Jetzt gerade gilt der junge Autor Tao Lin, dessen Schlüsselroman »Taipei« gerade ins Deutsche übersetzt wurde, als Posterboy der New Sincerity-Bewegung. Post-Ironie in der Bedeutung »Ende der Ironie« wird gern mit einer Passage aus »E Unibus Pluram«, einem 1993 erschienenem Aufsatz von David Foster Wallace, in Zusammenhang gebracht. Dort skizziert Wallace, wie er sich eine neue Generation US-amerikanischer Autoren vorstellt: Literaten, die die Welt wieder ernst nehmen und normale, alltägliche Dinge beschreiben. Die einen Schlussstrich unter den hippen, narzisstischen Selbstekel setzen. Autoren, die dadurch rebellisch sein werden, dass sie keinen Schock provozieren, sondern bei ihren Lesern ein Gähnen und Augenrollen hervorrufen. Autoren, die dermaßen too sincere sind, dass sie Opfer des Spotts ironischer Kritiker werden. Kein Wunder, dass einige Stimmen diese »Prophezeiung« genau 20 Jahre später mit Lins »Tapeil« erfüllt sehen. Passagen wie die folgende lassen das leicht glauben: Als der Hauptcharakter Paul einem Freund von seiner Begeisterung für die Band Rilo Kiley erzählt, glaubt sein Freund, dass es sich um einen Witz handle. Worauf Lin über seinen Protagonisten schreibt: »Paul said he wouldn’t pretend he liked something, or make fun of liking something, or like something ironically.«

Kitty Pryde

Too sincere? Von Spott ist bei »Taipei« eher wenig zu spüren, »Tapei« erhielt durchwegs gute bis euphorische Kritiken und es sagt viel aus, dass 50.000 US-Dollar im Vorhinein auf den Tisch gelegt wurden, damit Lin dieses Buch überhaupt schreibt. Die Zahl bedeutet, dass ein Verlag nicht nur hofft, sondern davon ausgeht, dass sich mit dieser neuen Ehrlichkeit, dieser recycelten »New Sincerity«, gutes Geld verdienen lässt. Auf inhaltlicher Ebene tut sich im Roman nicht viel – eine spannende Handlung, interessante Charaktere, wiederkehrende Motive oder unerwartete Wendungen sucht man vergeblich. Natürlich ist das gut geschrieben und dem jungen Autor ist eine viel imitierte, große stilistische Ausdruckskraft nicht abzusprechen – der Grund, warum sich das verkauft, ist aber eben genau die »Sincerity«. Das lieben Slate, Buzzfeed, Vice oder das Complex Magazine, die alle den Roman zu ihren Favoriten wählten. Bret Easton Ellis nennt Lin in einem Tweet den interessantesten Prosaiker seiner Generation, obwohl er das Buch für äußerst fad hält.

Ehrlichkeit ist hip geworden Denn neben all der neuen Ehrlichkeit sind der hippe Selbstekel, die ironische Egozentrik – also all das, wovon Wallace prophezeite, dass sich die Autoren abwenden würden – genau Lins Themen. Folgen Sie auch Lena Dunham, schlägt Twitter vor, auf Basis von dessen Account. Denn ja, es ist zwar eine neue Autorengeneration auf den Plan getreten, die über alltägliche Dinge schreibt, nur besteht der Alltag dieser Generation eben aus dem Internet mit all seinen Katzenvideos, Ok Cupid und einer großen Portion Ironie. Lins »Taipei«, Dunhams »Girls«, Kitty Pryde und Yung Lean – das ist alles in seiner Ironie ehrlich und in seiner Ehrlichkeit ironisch, in jedem Fall aber sehr schwer zuzuordnen. Ja, die Ehrlichkeit kam zurück. Aber eben nicht in der Form, wie sich David Foster Wallace das vorgestellt hat. Ehrlichkeit ist hip geworden, genau das, was vorher schon Ironie war: ein Instrument der Popkultur, eine Chiffre. Sich neue Namen für Phänomene ausdenken, das machen Menschen seit jeher. Und es passiert heute oft, dass schon beim leisesten Hauch von etwas Neuem ein schicker Name mitgeliefert wird. PostInternet, Post-Dubstep, Post-you-name-it. Post-Ironie gibt es in allen möglichen Varianten schon lange, doch es wird sich immer noch ausgemacht, was das genau ist und was das sein könnte: Ein Raum, in dem Ehrlichkeit und Ironie miteinander verschmelzen und weder Künstler noch Kritiker so recht wissen, was Ernst und was »Ernst« ist. Ein Raum, der sich jetzt erst öffnet, ausgelotet und gestaltet wird. Post-Ironie könnte der Raum sein, in dem großartige Dinge entstehen. So wie Casey Jane Ellisons Webserie »Touching The Art«, die sich genau mit Fragen wie »Was ist eigentlich dieses Post-Internet?« beschäftigt. In der letzten Folge stellte Ellison ihrem all female panel dazu die Frage: »If the internet is over, how did I just tweet?« Ist das nun satirisch, naiv? Ironie oder völliger Ernst? Egal. Es ist jedenfalls eine interessante Frage, und als solche oft die einzig richtige Antwort. Falls diese Post-Ironie uns also helfen kann, solche Fragen überhaupt zu stellen, ist sie wohl ehrlich gut. Im schlimmsten Fall war Post-Ironie halt nur das Schlagwort, das zu einer bestimmten Zeit ein Lebensgefühl auf den Punkt gebracht hat. »Taipei« von Tao Lin ist am 20. August in deutscher Übersetzung (»Taipeh«) bei Dumont erschienen. Der Autor liest am 18. September in der Hauptbücherei Wien daraus, echt jetzt. 023

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Nature Theater of Oklahoma — New Yorker Normcore beim Steirischen Herbst

Mega unspannend Äh, okay, also ich fang dann mal an. Im September kann man beim Steirischen Herbst eine ewiglange, ziemlich lustige Performance anschauen von einer Truppe aus New York, Nature Theater of Oklahoma. Die machen so Ur-Normcore-Theater.

Text Magdalena Hiller Bild Nature Theater Of Oklahoma

Zu Papier gebrachte, gesprochene Sprache ist schwer zu ertragen. So gesehen macht die New Yorker Performance-Gruppe Nature Theater of Oklahoma unerträgliches Theater. Basis für ihre Stücke bilden Telefongespräche, die eins zu eins auf der Bühne nachgesprochen werden, Füllwort für Füllwort, Äh für Äh, und das gerne und oft stundenlang.

Zwänglerisches Zufallstheater Entstanden ist diese Theatertechnik, die zum Alleinstellungsmerkmal taugt, aus einer Not heraus: Nachdem die Gründer und Masterminds der Truppe, Kelly Copper und Pavol Liska, mehrmals daran scheiterten, ein ordentliches Script für ihre nächstes Stück zu fabrizieren, riefen sie Freunde an und baten diese um eine spannende Story. Am Ende hatten die beiden mehr als hundert Stunden Telefonmaterial beisammen. Sie filterten die absurdesten Geschichten heraus und begannen mit Hilfe eines Spielkartendecks, den einzelnen Kapiteln drei Bewegungsmuster und dreizehn Spielszenarien zuzulosen. Eines dieser Muster war inspiriert von wildem Discofox, ein anderes von den Gesten, welche die ausschließlich slowakisch sprechende Mutter von Pavol Liska verwendete, wenn sie versuchte, sich im Ausland verständlich zu machen. Zusätzlich musste jeder Schauspieler in einem anderen, schwer verständlichen Akzent sprechen. Das Endprodukt hieß »No Dice«, dauerte fast vier Stunden und wurde 2007 zum großen Hit am Off-Off-Broadway. So zufällig dieses Stück entstanden war, so sehr beharrte das Regie-Ehepaar auf Einhaltung des Regelwerks:

Während der Vorstellungen wurde die Akteure permanent über Headset korrigiert, besonders wurde auf die exakte Nachahmung von Tempo und Duktus der Aufzeichnungen geachtet.

Survival-Tipps von John Cage Auch die Verbindung zu den von John Cage entwickelten ZufallsKompositionsmethoden drängt sich auf: Cage begann in den 60er Jahren, Stücke unter anderem mit Hilfe eines chinesischen Orakelbuchs oder mit Münzwerfen zu schreiben. Dieser Konnex wird vom Nature Theater of Oklahoma auch immer wieder betont. So wurde etwa bei den ersten Aufführungen von »No Dice« lange Passagen eines Gesprächs von Cage mit seinem Freund und Kollegen Morton Feldmann abgespielt. In dieser dreistündigen Konversation beschäftigen sich die beiden großen Komponisten unter anderem mit der Frage, wie man dem allgegenwärtigen Lärm der damals neuen Transistorradios beikommen könne. Cages Lösungsansatz war so simpel wie genial: »Wie ich mich mit dem RadioLärm arrangiert habe? (...) Ich hab einfach ein Lied mit Radios komponiert. Wann immer ich jetzt eines höre, denke ich mir bloß ‚Sie spielen meinen Song!‘« Dem Alltagslärm entkommen, indem man ihn sich zu eigen macht – eine weitere Parallele zwischen dem Jahrhundertkomponisten und dem New Yorker Theaterensemble. Die intimen Geständnisse des UBahn-Sitznachbarn, die dieser mittels Freisprecheinrichtung oder, auch ganz super, via iPad-Face-Time-Telefonat in die Welt hinausträgt, künstlerisch zu verwerten – das ist eine urbane Überlebensstrategie, die man sich zweimal anschauen sollte.

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Zur Spitze getrieben hat das Nature Theater of Oklahoma – der Name stammt übrigens aus Franz Kafkas unvollendet gebliebenem Roman »Amerika« – dieses Konzept mit ihrer 2009 begonnenen Reihe »Life and Times«. Die ursprüngliche Idee war, ähnlich der von »No Dice«, die via Telefon erzählten Autobiografien mehrerer Menschen zu dramatisieren. Doch nachdem die erste Probandin, Kollegin und Ensemblemitglied Kristin Worrall, nach mehr als zwei Stunden Gesprächszeit noch nicht einmal mit der Schilderung ihrer Kindergarten-Anekdoten fertig war, modifizierten Liska und Copper ihre Ursprungsidee: Die beiden entschlossen sich, ausschließlich mit der Biografie Worralls zu arbeiten. Am Schluss brauchte Kristin 16 Stunden und zehn Telefon-Dates, um 34 Jahre Revue passieren zu lassen. Es ist das Leben eines Durchschnittsmenschen, wie wir es fast alle sind, gefüllt mit Erfahrungen, die wir fast alle gemacht haben: Spielzeugneid im Kindergarten, Liebeskummer und Leistungsdruck in der Oberstufe, später Existenzängste, Versagensängste, you name it.

hat man es dann, wenn weder Betrachter noch Betroffene feststellen können, ob man die Birkenstocks nun trägt, weil sie hässlich-cool sind oder weil sie einem wirklich gefallen. Dieses Prinzip nutzen die Performances des NTO: Kristin Worrall hat absolut nichts Spannendes zu erzählen, und das gibt Liska und Copper die Freiheit, mit der Form zu experimentieren. In jedem Teil werden die Telefongespräche Wort für Wort, gnadenlos über einen anderen Duktus gebügelt: Episode 1 ist im Stil eines Pfadfinder-Erlebnis-Seminars gestaltet, es wird viel gesungen und getanzt. Episode 2 führt einen in die Welt eines (sehr, sehr langen) 80er-Jahre-Disco-Musikvideos. Teil 3 und 4 geben vor, ein Edgar WallaceDetektivspiel zu sein. Teil 4.5 geht noch weiter: Ein 30-minütiger ComicFilm, Bild für Bild selbst gemalt, fühlt der Katzenliebe der Protagonistin nach. Nummer 5, die bisher letzte vollendete Episode, ist ein im mittelalterlichen Stil gehaltenes Kamasutra-Buch (die Mischung macht’s!), das jeder der Zuschauer für sich alleine lesen muss – die empfohlene Lesedauer beträgt exakt 44 Minuten und 27 Sekunden.

Normcore – Nirvana

Familienaufstellung mangels Sicherungskopie

Dass das Leben eines Normalos ins Zentrum einer Bühne rückt, ist Auch beim sechsten Teil, der im Herbst beim Steirischen Herbst letzte Konsequenz einer nun schon mehrere Jahrtausende andauern- zur Uraufführung kommen wird, wäre es mit Sicherheit stilistisch den Abwärtsspirale der dramaturgischen Zugangsschranken: Lockten bunt weitergegangen mit der milden Lebensbeichte, doch bei den am Anfang der Antike nur mythische Gestalten die Menschen in die Vorbereitungen kam es schließlich zur Katastrophe: Die Aufzeich(Amphi-)Theater, müssen die Protagonisten mittlerweile weder adelig, nung, die die Studienzeit Kristins behandelte, ging aufgrund eines noch männlich, reich, heldenhaft, berühmt oder schön sein, um im Mit- technischen Gebrechens größtenteils verloren. Notgedrungen wurde telpunkt einer Erzählung stehen zu können. Und seit »Life and Times« das Konzept ein weiteres Mal adaptiert und so wird in Episode 6 nun braucht man nicht einmal mehr etwas Spannendes zu erzählen, um Resümee gezogen: Waren die letzten sechs Jahre für die einzelnen die Zuschauer auf den Stühlen zu halten. Wozu auch? Das aufregen- Ensemblemitglieder gewinnbringend? Soll das Projekt fortgeführt de Leben hatten ja schon die Eltern, die Nachfolgegeneration versucht werden, und wenn ja, wie? Diesen Fragen wird im Rahmen einer sich bloß im Dschungel der zu vielen Möglichkeiten zurechtzufinden. performativen Familienaufstellung im Radioshow-Format nachgeHeutzutage muss man nicht mehr um die eigene Individualität kämp- gangen, Ausgang ungewiss. Nur eines ist sicher: Das Leben geht weifen, man muss ihr entkommen. Sich frei machen vom Streben nach ter, wie wahnsinnig normal es auch sein mag. Einzigartigkeit, um eine ganz neue Art von Unabhängigkeit zu erlangen, Das Festival Steirischer Herbst findet von 26. September bis 19. das ist das neue Ding. Der passende Hashtag für den Hipster-Buddhismus wurde letzten Oktober in und um Graz statt. Die Vorstellungen von »Life and Times Herbst von der New Yorker Trendagentur K-Hole geprägt: Normcore. – Episodes 4.5 – 5 - 6« sind von 2. bis 4. Oktober im Grazer Mumuth zu Auf dem Weg ins Trend-Nirvana hat man die normale Masse schon sehen. Außerdem führen Kelly Copper und Pavol Liska so oft überrundet, dass man am Ende mit ihr verschmilzt. Geschafft ein Produktionstagebuch unter randnotizen.steirischerherbst.at 025

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Text Franz Lichtenegger Interview Stefan Niederwieser Bild Mole Room

»Mole Room« — Das versteckte Kinderzimmer in der U-Bahn-Station

Maulwurf-Kunst im Wiener Untergrund Kann ein unterirdisches Kinderzimmer in einer Wiener U-Bahn-Station tatsächlich existieren, ohne dass es jemand merkt? Offenbar ja. Der verantwortliche Künstler im Gespräch über das Projekt und seine Absichten. Mitten in einem ungenutzten Betriebsraum der Wiener Linien, in einer Station der U3, wurde vor zwei Jahren ungeachtet der Öffentlichkeit ein komplettes Kinderzimmer eingerichtet, dokumentiert und anschließend abgeschlossen. Seitdem wurde es nicht wieder von den bisher unbekannten Verantwortlichen aufgesucht. Ob es gefunden und von den Wiener Linien verschwiegen wurde, ob es unentdeckt bleibt oder ob es gar ein Fake ist, bleibt erst einmal offen. Ein Video zeigt unkommentiert den vermeintlichen Weg zum Zimmer und das Rauminnere. Gemütlich sieht anders aus. Die anonyme Person hinter dem Projekt spricht im

Interview über die Auswahl des Raums, mögliche Illegalitäten und Andeutungen auf die tragischen Entdeckungen, die in den vergangenen Jahren in Österreich gemacht wurden. Wie lange hast du nach dem Raum gesucht und auf welche Kammern und Gänge bist du darüber hinaus gestoßen? Über einen Zeitraum von ca. drei Monaten haben immer wieder Exkursionen in den Untergrund stattgefunden. Schnell war klar, dass die Arbeit im Bereich der U-Bahn realisiert werden muss. Die Kanalisation ist auch faszinierend, wäre aber als Ort zu abstrakt gewesen. Die U-Bahn hingegen ist ein vertrauter Ort, den man zu kennen meint.

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Das Projekt hinterfragt diese Vertrautheit, indem es die Betrachter mit einer Situation konfrontiert, die man dort so nicht erwarten würde. Da der größte Teil des Wiener U-Bahn Netzes noch sehr jung ist, gibt es kaum »vergessene Schächte« wie in Paris oder New York. Leerstehende Kammern ließen sich nur sehr schwer finden. Entsprechend frustrierend war die Suche. Warum ausgerechnet ein Kinderzimmer? In Österreich haben Kinder, die unter der Erde in abgeschlossenen Räumen leben, ja nicht die beste Presse. Ein Kinderzimmer unter der Erde ist natürlich ein schwieriges Thema. Das Zimmer einer erwachsenen Person würde ein eindeutigeres Bild abgeben, dies galt es aber zu vermeiden. Gerade die Ambiguität eines unterirdischen Kinderzimmers reizte mich. Es ging neben der Frage nach prekärer Nutzung von Räumen und der Verschiebung der Grenzen des öffentlichen Raums auch darum, Geschehnisse zu bearbeiten, die in Österreich in den vergangenen Jahren aufgedeckt wurden. Abgesehen davon ist ein unterirdisch gelegenes, fensterloses Kinderzimmer – auch ohne die Assoziationen, die in Österreich vermutlich hervorgerufen werden – ein interessantes Bild. Es muss nicht zwangsläufig als eine Form von Gefangenschaft verstanden werden. Es kann auch als Versteck in einem Endzeit- oder Fluchtszenario interpretiert werden. Man kennt Geschichten aus Bukarest, New York oder Rio über Menschen, die in den Schächten und Kanälen von U-Bahnen leben. Weißt du, ob es in Wien auch Mole People gibt? Abseits der dicht besiedelten innerstädtischen Bereiche Wiens finden sich in Nischen, unter Brücken und auf Brachen immer wieder Lager von Menschen, die offensichtlich längerfristig dort wohnen. In den Tunneln der Wiener U-Bahn deutet jedoch nichts darauf hin, dass dort bereits Menschen leben. War da wirklich niemand mehr seit 2012 dort? Nachdem das Zimmer fertig eingerichtet und dokumentiert war, wurde der einzige Zugang zum Raum mit einer Konstruktion aus Holzplatten versperrt. Es ist zwar sehr verlockend, aber der Ort wurde nicht mehr aufgesucht. Natürlich kann in der Zwischenzeit viel passiert sein. Möglicherweise wurde der Raum entdeckt und stillschweigend geräumt. Ich habe unzählige Szenarien durchdacht, wie es seit 2012 weitergegangen sein könnte. Nachdem fast zwei Jahre verstrichen sind und nirgends eine Meldung dazu aufgetaucht ist, habe ich beschlossen, das Projekt auf diesem Wege einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen. Eventuell wird der Raum sogar erst dadurch »aktiviert«. Warum sind die Kommentare beim Video gesperrt? In der Projektbeschreibung wird eine wichtige Information vorenthalten: Wo sich das Zimmer genau befindet. Wer sich jedoch die Mühe macht, das Bild zu Beginn des Videos an der richtigen Stelle zu stoppen, kann aus einer verschwommenen Beschriftung ableiten, wo das Zimmer liegt. In den Kommentaren wäre diese Information dann sicher gleich zu Beginn gepostet worden. Dadurch hätte das Projekt meiner Meinung nach einen Teil seiner Stärke verloren, denn es gehört zur Idee, dass sich das Zimmer überall in Wien befinden könnte. So bleibt diese Frage zumindest an dieser Stelle ungeklärt und jede bzw. jeder Interessierte kann selbst Recherche betreiben. Jetzt mal ehrlich, warum ein Kinderzimmer? Wenn es um soziale Ungleichheit geht, müsste man nicht eher ein Minibordell oder einen Boiler Room oder einen bürokratischen Warteraum nachbauen? Wie beschrieben geht es bei der Arbeit auch darum, auf die Entdeckungen, die in Österreich vor einigen Jahren gemacht wurden, Bezug zu nehmen. Das war damals sehr schockierend und hat sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Seitdem setzten sich Künstler in verschiedenen Medien mit dieser Thematik auseinander. Dies ist meine Weise, mit dem Thema umzugehen. Eine künstlerische Intervention vor Ort hat eine andere Präsenz als ein medial gefilterter Ansatz wie etwa eine rein filmische Aufarbeitung. An diesem Raum gehen Tag für Tag hunderte Menschen vorbei. Das ist eine real existierende Situation, nur eine Handbreit entfernt vom Alltag der Menschen in Wien – kein Filmstudio. Es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben, den Ort kritisch zu bespielen. Ein Kinderzimmer bietet aber einen sehr scharfen Kontrast zur Betonarchitektur des Raumes. Es ist freundlich eingerichtet und bildet so einen naiven Kontrapunkt zur bedrückenden Ästhetik der Umgebung. Der Anblick des Raums ist gerade

deshalb so aufwühlend, weil die Installation die Fremdbestimmung aufgreift, die ein Kind durch Erwachsene tagtäglich erfährt. Warum eigentlich die ganz Geheimniskrämerei um dich oder euch? Das lädt doch ein, »Fake« zu schreien? Das Projekt wurde als Experiment im Bereich der Wiener Linien »ausgesetzt«. Der Versuch, Kunst jenseits von ihren Repräsentationsräumen stattfinden zu lassen, bedingt künstlerische Praktiken, die auf Tuchfühlung mit den Grenzen zur Illegalität gehen. Im Vergleich zu anderen künstlerischen Ansätzen kann ein solches Projekt nicht von Anfang bis Ende durchgeplant werden, da viele äußere Faktoren Einfluss üben können. Angesichts des zunehmenden Kontrollwahns öffentlicher Stellen ist die Reaktion der Wiener Linien nachvollziehbar. Einen Raum dieser Art über zwei Jahre in den eigenen Betriebsräumen nicht zu bemerken, stellt die Wiener Linien in kein gutes Licht. Wenn der Raum doch entdeckt wurde, so ist damit zu rechnen, dass das Schweigen über dessen Existenz durch Ermittlungstätigkeiten begründet ist. Geheimniskrämerei wird zumindest in Bezug auf den Ort der Installation nicht konsequent betrieben. Auch wenn die Wiener Linien bereits alles beseitigt haben sollten, wird man zumindest den Raum – den man bereits aus dem Video kennt – vorfinden. Das Projekt spielt mit der Möglichkeit eines »Fake«, bietet den Betrachtern aber zugleich die Chance, der Sache auf den Grund zu gehen. In diesem Sinne kann das Projekt ein außergewöhnliches Publikum anlocken und eine Form der Rezeption von Kunst abseits ausgetretener Pfade ermöglichen.

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Text Stefan Schallert Bild Annemarie Sauerbier


»Louie«, »Maron« und »Legit« — Stand-up-Comedy im Serienformat

Wenn Lachen weh tut Die Comedy ist tot, lang lebe die Comedy. Louis C.K. bringt Stand-up ins Serienformat. Oder umgekehrt. Auf jeden Fall muss man dabei lachen und weinen.

»Zwei Kannibalen essen einen Clown. Meint der eine: Schmeckt irgendwie komisch.« – Noch einer gefällig? »Wie nennt man einen Boomerang, der nicht zurückkommt? Stock.« Es ist offensichtlich, dass auf Befehl lustig sein nicht jedem liegt und das professionelle Bespaßen sowieso eine Kunst für sich ist. Und zwar eine Kunstform, die im Begriff ist, sich neu zu erfinden. Beziehungsweise hat sie das schon getan. Die Galionsfigur der Comedy-Renaissance ist Mitte 40, die paar Haare, die noch an seinem Haupt kleben, sind feuerrot, er ist dick, er schwitzt, er grunzt und er wirft schamlos mit Vulgaritäten um sich. Louis C.K. ist eigentlich schon ein alter Hase in der US-amerikanischen Comedy- und Stand-up-Szene – er schrieb für alle, für Conan O‘Brien, David Letterman, Chris Rock, spielte in zahlreichen Filmen mit und ist in den vergangenen 14 Jahren mit fünf Stand-up-Programmen getourt. Der wahre Grund aber, warum man ihn kennen sollte, heißt »Louie« und wird seit 2010 bei FX ausgestrahlt.

Integrität, Authentizität und kein Schamgefühl Spätestens seit »Seinfeld« sollte das Format ja bekannt sein. New Yorker Comedian in seinen 40ern, geschieden, zwei Kinder, hadert mit persönlichen Macken und dem Leben an sich. Dargestellt wird das Ganze in einer Sitcom mit lustigen kleinen Episoden, die nur vage zusammenhängen. Als Zuckerguss gibt es pro Episode noch einen Live-Gag aus dem eigenen Comedy-Repertoire als Stand-upEinlage. Was »Louie« nun eine eingeschworene Fangemeinde, einen Emmy und den ganz eigenen Status »Dark Comedy« gebracht hat, ist die gnadenlose Authentizität der Sendung. Ist man sonst von Amerika-Importen eine flauschige, in rosa Watte gepackte oder zynisch überzeichnete Wirklichkeit gewohnt, serviert Louis C.K. seine Kost roh und teils schwer verdaulich. So wie das Leben halt manchmal spielt. Seine Stand-up-Programme sind gefüllt mit Obszönitäten und einer schmerzhaften Selbstironie. »Louie« zeichnet sich durch die kleinen Dämonen, die in jedem täglich schlummern und die unausgesprochenen Grausamkeiten des Daseins aus. Der Charakter Louie ist Mensch ohne Maske, hat sich von Coolness längst verabschiedet und kämpft mit der Moral und dem inneren Schweinehund. C.K. Ist dabei nicht primär auf den schnellen Lacher aus. Er stellt auf absurde Weise Etikette in Frage und wirft Zweifel an Alltäglichkeiten auf. Manchmal zieht es in der Magengegend, manchmal schämt man sich fremd, oft wird die Komödie tragikomisch. Louie produziert dabei keine Gags, sondern vielmehr sehr gekonnte Aphorismen des Lebens. Es ist dabei äußerst system- und selbstkritisch. Der Humor ist dabei nicht das Ziel des Ganzen, eher entschärft er die Bösartigkeit es Lebens.

»Narrenfreiheit« Als Schreiber, Regisseur, Hauptdarsteller und Produzent der Sendung genießt C.K. völlige künstlerische Freiheit und nur unter dieser Bedingung war er bereit, seine Idee zu verwirklichen. Seine völlige Handlungsfreiheit wird nur durch C.K.s Integrität gegenüber der Kunst begrenzt, dementsprechend werden die Genre-Grenzen auch ausgelotet: Zeitstränge werden beliebig über den Haufen geworfen, Besetzungen können heimlich wechseln und der Sprung ins Surreale ist oft nicht weit. Um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen – OscarPreisträger Murray F. Abraham spielt einen Voyeur und Ehemann in Staffel Zwei. Derselbe Abraham spielt in der folgenden Staffel Louies

exzentrischen Onkel Excelsior, der ihm rät, sein Verhältnis zu seinem Vater auf die Reihe zu bekommen. In Staffel Vier schlüpft er selbst in die Rolle des Vaters aus Louies Kindheit. Louis C.K. verschmilzt Standup und Fiktion erstmals auf eine Art miteinander, die es ihm gelingen lässt, Inhalte und Stimmung auf der Bühne zu visualisieren und mit einer Geschichte zu versehen. Plotlinien, Logik und auch das zeitliche und räumliche Verständnis ordnen sich dabei dem Kontext unter.

East Coast X West Coast Nun kommt eine gute Idee selten alleine und so haben sich auch andere etablierte Stand-Up Kollegen an dem Format semi-biografischer Sitcom versucht. Sowohl Marc Maron (»Maron«) als auch Jim Jeffereys (»Legit«) porträtieren sich selbst als weniger erfolgreiche und überspitzte Versionen ihrer selbst und erzählen ähnlich wie Louis C.K. Geschichten aus dem tragischen Leben eines Versagers / Komikers. Diese sind gefüllt mit lustigen Einzeilern, Gastrollen der Comedy-Prominenz und Referenzen auf das Business und sogar sich gegenseitig. »Maron« feiert dabei die persönliche Selbstaufgabe und die Entwicklung zum Grumpy Old Guy, »Legit« die Angst des Mitt-30ers vor dem Erwachsenwerden. Sind die Konzepte von der Theorie her sehr ähnlich, so unterscheiden sich die Umsetzungen. »Maron« und »Legit« sind Comedy-Serien, wie sie uns bekannt sind, im sonnigen Kalifornien, mit ulkigen Charakteren, großartigen Sagern und nicht allzu viel Irritation und Überraschung. Das New York von »Louie« wirkt im Gegenzug viel farbloser, besticht mehr durch Situationskomik als durch Personen und verzichtet auf Hollywood-Flair. Nichtsdestotrotz sind alle drei Formate bissig, stimmig und für US-amerikanische Verhältnisse überaus selbstkritisch.

Dunkelziffer Eine wirkliche Neuerung wäre es, das Format mit einer Frau als Star aufzuziehen, vielleicht sogar mit einer, die nicht weiß und nicht Middle Class ist. Die Frauenquote ist die traurige Dunkelziffer der Comedy. Natürlich gibt es die Sarah Silvermans und Amy Poehlers da draußen. Die Branche ist aber fest in männlicher Hand. Was Comedy betrifft, steckt Emanzipation einerseits noch in ihren Kinderschuhen, andererseits sind es genau die peinlichen, persönlichen Themen, die das Publikum anziehen und den Frauen aufgrund von falschen Erwartungshaltung oder schlichtweg Verklemmtheit verschlossen bleiben – zumindest auf den großen Bühnen. Die traurige Wahrheit ist wohl, dass es schwierig ist, sexy, lustig und smart unter einen Hut zu bringen, der den Zuschauer nicht gänzlich einschüchtert. Das Problem ist keinesfalls US-amerikanisch, man erinnere sich an dieser Stelle kurz an österreichische Kabarettistinnen. Und wenn wir schon dabei sind, wie schaut es generell mit der österreichischen Szene aus? Ein Hader schafft das vielleicht noch, lakonisch die geliebte Kleinbürgerlichkeit, den Bauchspeck und zahnlose Politik anzusprechen. Wäre aber die jugoslawisch-stämmige Soziologin mit ihrem fünfzehn Jahre jüngeren Liebhaber und Hämorrhoiden eine Figur für die TV-Comedy-Nacht? Ob Österreich überhaupt dafür bereit ist, sei bei all dem grantigen Humor einfach mal in Frage gestellt. Louis C.K., Marc Maron und Jim Jeffereys können aber Vorbilder sein. Es handelt sich um Kunst und sollte für nichts Geringeres gehalten werden. Gerne mehr davon, auch hierzulande. »Louie« und »Legit« werden auf FX und »Maron« auf IFC bzw. ab September auch bei uns über Netflix ausgestrahlt. 029

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Juden zu beleidigen ist immer das Einfachste der Welt gewesen. Mit dem Begriff »Alibi-Moslem« hat Rapper Nazar ins Schwarze getroffen. In seinem neuen Box-Set ist außerdem ein Falco-Feature, ein überfälliger H.C. Strache-Diss und eine Nachricht an all die Heuchler da draußen versteckt. Auch im Interview macht er klar: Sich beugen – wozu?

Nazar hat so ziemlich alles erreicht. Respekt, Auszeichnungen und ja, auch ein The Gap-Cover. Sein neues Album wird jetzt noch größer. Major-Label, Plakatwände, Ö3, der ganze Wahnsinn. Von Wien aus ist er in den deutschen Charts mindestens so erfolgreich. Trotzdem bleibt er hier. Gut so, denn hier hat er eine Aufgabe zu erfüllen. Nazar ist ein Sprachrohr für, na ja, er würde wohl sagen, all die Kanaken hier. Er selbst kam in jungen Jahren als Kriegsflüchtling nach Wien, kombiniert seine Erfahrungen mit seinem Talent und reißt vor allem in Interviews die Klappe weiter auf als alle anderen. Letztens sogar gegen »Alibi-Moslems« auf Facebook, was für ziemlichen Wirbel gesorgt hat. Spätestens seit seinem Diss-Track »Rapbeef« gegen den Rechtspopulisten H.C. Strache sind die Fronten klar. HipHop kann soziale Probleme aufmachen und den Zeigefinger dabei ruhen lassen, das ist heute natürlich sehr selten geworden. Nazars Stil balanciert dabei elegant zwischen Straße und Ballade. Mal aggressiv, mal nachdenklich, aber immer technisch versiert. Er teilte sich das Mic mit Chakuza, raf, Sido und nun sogar Falco posthum. Sein Filmstudio Nazar Films produzierte Videos für Kollegah, Farid Bang, RAF und natürlich ihn selbst. Dafür gab‘s 2013 den Amadeus Award. Und jetzt? Nummer 1, das fehlt noch. Du wirkst eigentlich so, als wärst du schwer aus dem Konzept zu bringen. Welche Frage zum neuen Album hat das dennoch geschafft? Ich bin leichter aus dem Konzept zu bringen als du denkst. Weil ich oft nicht dran denke, was ich auslösen kann. Es gab da dieses Interview bei allgood.de, das einen riesigen Shitstorm verursacht hat. Darin hast du einige Rapper als »Alibi-Moslems« bezeichnet. Farid Bang hat ja auf Facebook zurückgeschossen. Er hat selbst bald ein Album draußen. Habt ihr telefoniert? Nein. Ich habe ja keinen einzigen Namen erwähnt bei den Interviews. Mich daraufhin öffentlich zu beleidigen war also schon sehr dumm, weil es zeigt, dass er sich angesprochen fühlt. Es ist natürlich seine Berechtigung, das zu tun. Denn ich habe mir dieses Recht ja auch herausgenommen. Ich hab öfter mit ihm über Beef geredet. Seinen Sido-Diss hat er damals für das Video rausgenommen, weil ich gut mit Sido befreundet bin und das sonst nicht gemacht hätte. Er hat mich noch vor ein paar Tagen angerufen, ob ich nicht sein neues Video in Düsseldorf drehen möchte ... Ich geh mal davon aus, daraus wird nichts mehr (lacht). Du würdest das wieder so sagen oder doch anders? Nein, genau so, weil es sonst verlogen wäre. Farid ist einer der größten Rapper in Deutschland und Meinungsmacher. Dass dann aber so extrem viele Leute mit ihren Kommentaren hinter mir gestanden sind, war nur möglich, weil es endlich mal gesagt werden musste. Woher kommt es, dass so viele den »Alibi-Moslem« raushängen lassen? Hat das mit Israel-Gaza zu tun? Kuck mal. Dieses Israel-Gaza-Thema ist eine Dauerschleifen-Scheiße, die alle fünf Jahre mal wieder passiert. Ich find‘s krass, dass viele Rapper es gerade jetzt auf Facebook so extrem öffentlich machen. Ich wurde da angerufen, dass sie nicht mehr wissen, wie sie ihr Album promoten sollen. Ich kann aber doch nicht reinen Gewissens etwas pushen, wovon ich zu wenig Ahnung habe. Du bist ein krasser Heuchler, wenn du auf Facebook zum Moschee-Gang aufrufst, dann im nächsten Track wieder Mütter fickst und dann mit irgendwelchen Gewaltvideos aus Palästina den Hass schürst. Juden zu beleidigen ist immer das Einfachste der Welt gewesen. Natürlich, wer bin ich, jemandem zu sagen: »Hör auf, über deinen Glauben zu posten«? Ich bin ja selber Moslem. Ich find es aber gefährlich, wenn du anfängst, über Themen wie Religion und Kriege zu sprechen, und dann vulgäre, Gewalt verherrlichende Musik machst. Und manche Rapper tun das eben, um bei Jugendlichen im Gespräch zu bleiben. Kommen wir zum Album. Universal investiert 500.000 Euro, damit ist es die größte österreichische Produktion bis dato. Wie geht sich das aus? Das ist natürlich ein unfassbar hohes Budget. Dabei geht’s ja nicht nur um die CD an sich. Videos, Promo, Plakate ... Man kommt schon auf einen Weg, das wieder einzuspielen. Wir verkaufen allein cirka

» »Du bist ein krasser Heuchler, wenn du auf Facebook zum Moschee-Gang aufrufst, dann im nächsten Track wieder Mütter fickst.«

Bild Michael BReyer TRANSKRIPT Philipp Grüll Interview Stefan Niiederwieser

Nazar – »Camouflage« — Rap mit Rückgrat und klaren Ansichten zu Hetze und Heuchelei

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5.000 Stück von den Boxen um 40 Euro. Es ist also kein Wahnsinnsrisiko. Die Jungs im Büro sitzen nicht da und schwitzen. (lacht) Fühlst du dich mit dieser Mammut-Produktion jetzt auch in Österreich angekommen? Teils. Es gibt Interviews wie mit euch, wo man merkt, dass ihr das macht, weil ihr es wollt. Und dann gab es Leute, bei denen man merkt: Okay, die können das Nazar-Interview nicht absagen, weil sie auch eins mit Robbie Williams kriegen wollen. Das Popfest war sowieso ein unvergesslicher Moment in meinem Leben. Ob die Akzeptanz wirklich da ist? Wird man nach dem Album sehen. Ob ich dann Möglichkeiten bekomme, wie sie Gabalier oder Stürmer bekamen? In Amerika haben Rapper ihre eigene Wodka-Marke und machen Werbung für Mercedes und Chrysler. Davon sind wir Welten entfernt. Das will ich. Oder wenn ich in eine Talkshow komme und von dem Wichser der dort sitzt nicht mit »Yo Yo Yo!«, sondern mit Respekt begrüßt werde – dann kommen wir ansatzweise dorthin. Wie bist du eigentlich an die Falco-Spuren gekommen? Angeblich über Popfest-Kurator Wolfi Schlögl? Nicht angeblich, Tatsache. Der gute Wolfi – der übrigens mit mir nur Kontakt haben darf, weil seine Frau auch Iranerin ist (lacht) – hat mich im Studio besucht, um mich zu überreden, beim Popfest zu spielen. Da sind wir auf Falco gekommen. Er hat das alles in die Wege geleitet. Wieso die große Vielfalt an Produzenten auf »Camouflage«? Dieses Mal sind es tatsächlich 15 oder 16. Der Sound vom letzten Album war cool, aber eintönig. Den Produzenten O.Z. hab ich damals in der Schweiz entdeckt. Kam mit dem rosa Laptop seiner Schwester und hat darauf seine Beats gemacht. Heute macht er Zeug für P.Diddy, Jay-Z, Drake ... und der Typ ist bei mir einfach mal so unter Vertrag. Ich hab damals ja auch als einer der Ersten mit dem Trap-Sound angefangen, viel Kritik dafür geerntet. Heute will ich aber einen anderen Sound. Heut bin ich woanders. Und wo bist du? Das Album ist sehr ausgewogen. Hier mal ein Insider: Ich hab Max Herres »Unplugged«-Album zu Tode gehört, in der Dusche gesungen, bis die Nachbarn angeklopft haben. Ich wollte auch so was machen. Daraus wurden dann nur drei Nummern, ich hab mir da zu viel zugetraut. Außerdem noch viele Instrumentals, Live-Einspielungen, tiefe und böse Synths.

Wo siehst du dich bei diesem Gedisse zwischen Straßen-Rap vs. Hipster-Rap? Ich hab immer versucht, vielseitig zu sein, sowohl aggressive Kanaken-Musik und auch Themen-Songs und Balladen. Und ich hab auch gar nichts gegen Hipster oder deren Musik. Ich hab auch als einer der ersten Cro öffentlich gut gefunden. Nicht nur, weil das Geld bringt, sondern wegen der Musik. Hier in Wien krieg ich von dieser ganzen Hipster-Szene auch kaum was mit. Gibt es die überhaupt? Ich kenn da eigentlich nur dich ... (Gelächter, auch aus dem Hintergrund) Ok, ganz was anderes. Was hältst du denn vom Elkegate? Seither werden ja mehr österreichische Musiker auf Ö3 gespielt. Echt? Dann find ich das gut. Schade nur, dass es auf ihrem Rücken ausgetragen wird. Auf sehr vulgäre Art. Ja, Elke, eigentlich müssten all die Musiker zu dir kommen und dich lecken! Untenrum bisschen befriedigen. (Gelächter, auch vom Promo-Team im Hintergrund) Auf »Camouflage« widmest du Ibrahimovic einen Track. Fußball ist für dich schon ein richtig wichtiger Bezugspunkt? Wichtigster Bezugspunkt überhaupt! Da kann ich neben Filmen komplett abschalten. Vielleicht hab ich da einen Komplex, weil ich wegen meiner Verletzung aufhören musste. Und Ibrahimovic ist der Chef für mich. Ich sehe mich in vielen Dingen wie er. Er ist ein Mensch, der manchmal in der Öffentlichkeit Dinge tut, die für ihn Konsequenzen haben. Aber er scheißt einfach drauf. Er verstellt sich nicht. Und David Alaba? Der Junge wurde in eine Position gerückt, in der er schon in jede Kamera grinsen muss. Als wäre er der beste Mensch der Welt. Ich find’s einfach heuchlerisch von den Medien, dass sie Arnautovic als Beispiel eines schlechten Kanaken hinstellen und den David als Musterjungen. Die dachten sich: »Gut, zeigen wir, wie tolerant wir sind und machen den zum Kapitän.« Und vorm Stadion sind 70 Prozent Sauproleten, die am Würstelstand noch gegen die Scheißkanaken schimpfen, und dann »ihrem David« zujubeln. Was ist los mit euch? Fußball ist also ein überraschend gutes Spiegelbild der Integration in Österreich? Auf der ganzen Welt! Du siehst ja auch, in Italien gibt’s ein sehr rassistisches Publikum. Das sind die Ärgsten. Teilweise beleidigen die ihre eigenen Spieler. Im Normalfall würde das nur gegen die gegnerischen Spieler gehen. Wir haben das bei Austria und Rapid genauso. Man sieht, wie wichtig es ist, wie ein Mensch präsentiert wird. Wie in meiner Kindheit dieser Satz: »Bist eh a leiwanda Tschusch«. So wie der Strache meint, er hat nur was gegen die »kriminellen« Ausländer. Und einige meiner eigenen Fans glauben dem sogar. Hat der Bastard das wirklich geschafft? Das ist richtig gefährlich! Du wohnst ja immer noch in Favoriten – kriegt man das dort besonders nah mit? In den ganzen Kanakenbezirken ist die fpö ja besonders aktiv. Und ich bin stolz, dass sich der 10. noch nicht hat brechen lassen. Strache hat dort aber für extrem viele Probleme gesorgt, zwischenmenschlich. Wer in den Gemeindebauten in die Waschküche darf, warum es im Stiegenhaus nach Kebab stinkt, das hat sich dadurch verschlimmert. Es ist natürlich meine Homebase. Ich hab viel für den Bezirk getan. Und ich muss und will der Erste sein, der am Reumannplatz seine Unterschrift und seine Fingerabdrücke hat – nachdem es der Mundl schon nicht war. Stichwort FPÖ. Du hast Maximilian »Ausländerklassen« Krauss ja schon kennengelernt … (lacht) Ja, das war krass. Es war so ein Gespräch mit Vilimsky, Kurz und einer Grünen bei Puls 4. Dann steht so eine Wurst mit einem billigen C&A-Anzug im Publikum auf und sagt: »Ja aber Tschuldigung, Herr Kurz, kann man einem Menschen wie dem Nazar nicht die Staatsbürgerschaft entziehen?« Dachte mir schon, der soll nur warten, bis die Kameras ausgehen. (grinst) Dann hab ich rausgefunden, dass der irgend so ein kleiner Burschenschaftlerlappen ist. Und dann wird er echt stellvertretender Stadtschulratspräsident in Wien. Hab dann erfahren, was der da vorhat mit den Ausländerklassen. Und ich danke Michi Häupl, dass er das nicht zugelassen hat. »Camouflage« von Nazar erscheint am 22. August via Universal Austria.

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» Studiert Politikwissenschaften, integriert euch, werdet Lobbyisten, geht in die Politik und macht genau das Gegenteil von dem, was die Mehrzahl der Politiker heute macht.«

»Risse im Beton« — Interview mit Murathan Muslu zu Umut Dags Film »Risse im Beton«

Werdet Lobbyisten Murathan Muslu, der den Ex-Knacki in Umut Dags neuem Kinofilm »Risse im Beton« spielt, ist beim Interview ein stilles Wasser. Zu einem ungewöhnlichen Weg raus aus den alltäglichen Schiebereien rät er aber doch. »Ich bin voll nervös. Ich hasse solche Interviews, am liebsten würde ich überhaupt keine geben – das kannst du ruhig schreiben.« Wie reizend. Dabei war »Risse im Beton« schon auf der 64. Berlinale zu sehen. Murathan Muslu (Aqil) war früher bei Sua Kaan, rappt heute aber nicht mehr, sondern ist Schauspieler und Drehbuchautor. Wir sind die ersten, mit denen er über den Film spricht, also auch über Jugendliche mit Problemen und auch ein bisschen über den Knast.

Text Yasmin Szaraniec Bild © Filmladen Filmverleih

Bewegung mit Stillstand In der Eröffnungsszene schlägt eine Frau einem Mann mehrfach ins Gesicht. Er lässt es zu. Sie ist eine Mutter. Ihr Sohn wurde von Ertan (Muslu) totgeschlagen. Dafür saß er zehn Jahre im Gefängnis. Wieder draußen, versucht er zu leben, aber auch seinem eigenen 15-jährigen Sohn Mikail (Alechan Tagaev) näherzukommen. Der Schauspieler Murathan Muslu nimmt diese Rolle mühelos ein. Er kennt zwar Leute, die eingesessen sind, sogar jemanden, der dort starb, war aber nie selbst drin. Also wollte er sich für zehn Tage einsperren lassen, um die Enge am eigenen Leib zu spüren. Gesetzlich war das leider nicht möglich. Sich selbst sieht er als Laienschauspieler, absichtlich, damit er am Boden bleibt. Außerdem ist für ihn jeder Mensch ein Schauspieler. Was ihn allerdings mit Ertan verbindet, ist das Gefühl der Trauer – nicht zwischen Vater und Sohn, sondern zwischen ihm und seinem Vater. Was er damit genau meint, erklärt er nicht weiter. Überhaupt möchte Murathan seine eigene Vergangenheit nicht aufrollen. Er war nicht gerade der bravste Schüler. Trotzdem hat er seinen Weg gefunden. Im Gegensatz zu Ertan, der versucht, nach vorne zu kommen, aber stillsteht und immer wieder in Situationen gerät, die ihn daran hindern, mit ihr abzuschließen.

»Sag nicht Migrationsfilm dazu« Man könnte glauben, dass der Regisseur hinter dem Film, Umut Dag, einen Faible für Geschichten mit Migrationshintergrund hat. In »Kuma« und »Papa« waren es Figuren mit türkischen Wurzeln. In »Risse im Beton« sind es u.a. Tschetschenen. Wie universell er aber dieses Mal im Film die Probleme von Jugendlichen darstellt, erkennt man schon an der Umwelt. In Wien gedreht, sieht man Straßen, dunkle Ecken, Schulhöfe, an denen sich die Gewalt und Dealerei abspielen. Rap kann ein Ausweg sein, das glaubt zumindest Mikail. Natürlich schrillen da die Klischee-Alarmglocken, aber Umut Dag setzt die Story mit Feingefühl um. Fremd wirken darin höchstens linksliberale Figuren wie der Bewährungshelfer oder die Sozialarbeiterin. Beide, Murathan und Dag, drehen auch sonst gern miteinander, »Copstories« etwa. Mittlerweile kennen sie sich gut, was die Arbeit erleichtert. In »Risse im Beton« sind nun alle jungen Darsteller keine professionellen Schauspieler. Viele von ihnen haben eigene Erlebnisse in ihre Rollen mit eingebracht. Diesem Teufelskreis, der sich immer wieder schließt, ist nur mit einer guten Ausbildung entgegenzuwirken, oder mit Sport, damit die Kids nicht auf der Straße herumlungern, kommentiert Murathan. Obwohl er nicht mehr aktiv rappt, wird er oft von jungen Leuten nach Feedback gefragt. Mit einem sympathischen Schmunzeln rät er den jungen Leuten: »Studiert Politikwissenschaften, integriert euch, werdet Lobbyisten, geht in die Politik und macht genau das Gegenteil von dem, was die Mehrzahl der Politiker heute macht.« Vom Vorhof der Hölle in die Filmindustrie. Damit meint er seinen eigenen Werdegang oder vielleicht auch den der Darsteller im Film. »Risse im Beton« läuft ab 19. September in den österreichischen Kinos. 033

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Banks – »Goddess« — Der perfekte Popstar

She’s a goddess, you always got this Jillian Banks war schon ein Star, bevor sie ihren ersten Auftritt hatte. Sie ist das wahrscheinlich schlaueste Beispiel für Pop-Promo heute. Nun erscheint ihr erstes Album »Goddess«. 1 – Sohn, 2 – Shlomo, 3 – Kaytranada, 4 – Mom. So ähnlich könnte Jillian Banks Schnellwahlliste auf ihrem Handy aussehen. Die 26-jährige Kalifornierin ist die beste Freundin der It-Produzenten und ließ sich in ihren Songs jeweils ein wenig anders modellieren. Darunter auch von Tim Anderson, Totally Enormous Extinct Dinosaurs, Lil Silva und Jamie Woon. Sohn durfte auf dem Album sogar zweimal ran. Beide gehören wohl zu den ungewöhnlichsten Pop-Phänomenen der letzten zwei Jahre.

Text Nicole Schöndorfer Bild Youtube

Machtspielchen spielen Spätestens als Banks‘ »London EP« herauskam, fingen stilprägende Medien wie bbc, mtv, Spin und Vogue an, um die Wette zu jubeln. Vorab zum Album veröffentlichte sie in schöner Regelmäßigkeit eine Latte von acht Songs, dazu sieben Musikvideos, die ihr dieses dunkle LolitaImage von Anfang an auf den zierlichen Leib schneidern sollten. Sie wirkte dabei stets unnahbar. Und tieftraurig. Ihre Songs handeln von (verlorenen) Liebschaften, Machtspielchen und Einsamkeit, manchmal ist sie gar missgünstig und gemein. Ein bisschen wie bei Lana Del Rey, nur ohne Retro und Daddy Issues. Die schöne Banks hat etwas erlebt, will sie ihren Hörern sagen. Mal tut sie das mit Nachdruck und Bass, mal in Ruhe und mit Piano. Oft sind ihre Videos in Zeitlupe, mit vielen Blenden, kristallin, mit Oberflächen voller Details, ein bisschen chic, ein bisschen teuer, schwarz sowieso. Die Welt ließ sich schnell auf das Hype-Spielchen ein, wartete geduldig auf jedes neue Kapitel von Banks‘ kathartischen Liebesgeschichten. Immer wieder wurden

die Zuseher sanft in die Rolle des Voyeurs gedrängt. Sie beobachteten sie beim Leiden und Kämpfen, fühlten mit, fassten neuen Mut oder eben auch nicht. Banks‘ Songs haben keine Moral zum Abschluss, geben nicht vor zu wissen, wie man es hätte besser machen können. Am Ende wird nicht alles gut. Und genau das macht ihre Intensität aus. Sie ist der perfekte Popstar – fragil und stark.

Alles richtig machen Dass nun das Album kommt, ist wohl eine Erleichterung, eigentlich aber nicht mehr als eine notwendige Konsequenz in einem Marketingplan. Das waren Alben immer schon. Nur selten so konsequent wie hier. Der Erfolg ist bereits Realität, die Fans auch. »Goddess« ist ein erstes Sammelwerk. Jetzt geht es darum, die Fanbase zu erweitern. Große Überraschungen gibt es dementsprechend keine, von 14 Stücken sind nur sechs neu, alle anderen haben mittlerweile zwischen 400.000 und drei Millionen Views auf Youtube, wurden für Unterwäsche-Werbespots entdeckt und von plumpen britischen Girlbands als eigener Song präsentiert. Die neuen Songs fügen sich aber ins Gesamtbild. Mit der Ballade »You Should Know Where I’m Coming From« hat sich Banks einen der besten Momente sogar noch aufgespart. Und das unverkennbar von Sohn produzierte »Alibi« ist ohnehin ein äußerst stimmiger Opener. Die Welt kann aufatmen. Banks hat trotz fehlendem Happy End alles richtig gemacht. ’Cause she’s a goddess, you always got this. »Goddess« von Banks erscheint am 9. September via Harvest Records.

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FKA Twigs - »LP1« — Alt R‘n‘B am schmalen Grat zwischen Freiheit, Sex und Verletzlichkeit

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Dummy Glaub es einfach. Da ist kein schlechter Song drauf, kein einziger, nicht ansatzweise. Ja, die haucht ja dauernd, klingt schwierig und ist gerade überall. Aber sie ist von einem anderen Planeten, tanzt wie eine Marionette an ihren Fäden und bringt dir Liebe in all ihren strahlendsten und finstersten Momenten. Früher hatte man das viele Stöhnen, Seufzen, Kieksen und Schnauben einmal Melisma genannt. Das ist wie Schreien nach innen. Hier muss das so sein, weil einfach zu viel Soul in den Worten steckt. Nicht immer, denn manchmal singt die jamaikanisch-englisch-spanische Britin wie eine Heilige, dann wieder mit all dem Nachhall der Kirche des Körpers. Zwei Jahre nach Frank Ocean, Autre Ne Veut oder Kelela muss man das hoffentlich nicht mehr rundum erklären. Alt R‘n‘B wäre das Schlagwort. Wir flicken uns ein Nest aus Gefühlen, Likes und Dating Apps, machen uns ein bisschen krank und füttern damit gleichzeitig die Seele. Und draußen tobt der echte Krieg, in der Ukraine, in Ferguson, im Irak. Wie soll man sich da nicht wie in der besten aller Zeiten, in der schlimmsten aller Zeiten fühlen? Noch nie waren so viele Menschen auf der Welt Teil der Mittelklasse und konnten sich statt ums Fressen um ihr Glück scheren. Und du machst dich high wie ein Motherfucker zwischen diesen Schenkeln und lässt dich von all der Scheiße heilen. Das Letzte, das sind fast genau ihre Worte. Bei ihr ist der Körper die Droge und natürlich geht das nie nur gut oder nur schlecht aus.

Trip Hop ist damit auch irgendwie wieder da. Die Unruhe wurde damals oft auf die Jahrtausendwende geschoben, die Pre-MilleniumTension, nicht wissend, was hinter der nächsten großen Schranke kommt. FKA Twigs ist auch finster, betörend und ertrinkt in schweren Rauchschwaden. Aber während damals noch alles transatlantisch groovte und der Bass rollte, holpert heute der Rhythmus, synthetische Sounds klackern, die Stimmen sind digital verfremdet und in schizoide Schichten gelegt. Die Bilder dazu wurden am Rechner gebürstet und poliert. Das macht man heute so, und sie macht es eben besonders gut. Denn so einzigartig wie FKA Twigs hat noch niemand die Balance zwischen Freiheit und Abhängigkeit vertont, von den Umständen, von den anderen und den eigenen Neigungen. Sie schlafwandelt über diesen schmalen Grat. Verletzlichkeit ist der stärkste Zustand, sagt sie in einem Interview. »LP1« ist ein Album, mit dem man verlässt, betrogen wird, sich abklopft, wächst und später einmal genau an diesen Moment, in diesem Jahr, in diesem Sommer denkt. War sie das aus dem Video, war sie das aus dem Video? Du lügst, du lügst, du lügst. Da stockt das Tempo kurz vor dem Refrain, weil die Welt gerade zusammenbricht. »LP1« ist voll von solchen Momenten, voller schwarzer Magie. Es ist mehr als nur ein Album des Jahres. »LP1« von FKA Twigs ist bereits via Young Turks erschienen.

Text Stefan Niederwieser Bild Dominic Sheldon

Du machst dich high zwischen diesen Schenkeln und lässt dich von der Scheiße heilen. Niemand vertont so einzigartig die Balance zwischen Freiheit und Abhängigkeit. Ein unheimlich perfektes Debüt.

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Local Multiplayer — Gemeinsam vor der Kiste

Gemeinsam sind wir Spaß Dank einiger Indie-Studios bekommen wir etwas zurück, das längst verloren schien: Local Multiplayer.

Text Stefan Kluger Bild Gute Fabrik / Matt Makes Games

In den vergangenen zehn Jahren wurde Online-Gaming so stark, dass alle anderen Spielarten zurückgedrängt wurden. Jahr für Jahr kamen Spiele als Online-Multiplayer heraus, die für sich genommen doch eigentlich eine typische Einzelspieler-Erfahrung darstellten. Und während Solospieler hier eben nur verständnislos mit den Achseln zucken konnten, hatten andere Gamer ein viel größeres Problem, verlor doch ein anderes Element überraschend schnell seine Bedeutung: der Lokale Mehrspieler-Modus. Und auch heute noch muss das »local« genau ausgewiesen werden; traditionelles Spielen in der (lokalen) Runde ist zweitrangig geworden. Dabei war genau jenes Element maßgeblich an der rasanten Entwicklung und steigenden Popularität der Videospiele beteiligt. Ein wichtiger Bestandteil der Videospiel-Geschichte also, der im Laufe der Jahre zu verschwinden drohte. Dass Nintendo – einst die Spaßbringer schlechthin und verlässlicher Lieferant zugänglicher Spiele – wirtschaftlich angeschlagen und seit Jahren ohne große Ideen ist, macht die Misere nicht besser. Und der Mainstream-Hype rund um die Wii gerät langsam aber sicher in Vergessenheit – im Nachhinein eher ein Ausreißer denn langelebiges Phänomen des Zusammenspielens. Um den lokalen Multiplayer am Leben zu erhalten, müssen die Indies in die Bresche springen und es ist bei näherer Betrachtung wenig verwunderlich, dass das Verlangen danach in kleineren Studios größer ist als sonst wo, arbeiten dort doch Entwickler einer Generation, die mit »Mario Kart« (SNES, N64) und »Goldeneye« (N64) aufgewachsen ist. Aktuelle (lokale) MultiplayerIndie-Games greifen in gewisser Weise den Spirit dieser Klassiker auf und machen etwas völlig Neues daraus.

»Nidhogg« (Messhof; PC/Mac) ist ein kleines feines Eins-gegen-Eins-Spiel mit Atari-Ästhetik. In schweißtreibenden Fechtduellen wird versucht, den Gegner zurückzudrängen und den einen tödlichen Treffer zu landen.

»TowerFall« (mattmakesgames; PS4/PC/Ouya) ist ebenfalls ein süchtig machendes, minimalistisches Game: Auf nur einem Screen kämpfen die Spieler mit Pfeil und Bogen um den Sieg – in feinster Bitmap-Optik, die an selige 16-Bit-Zeiten erinnert. Auch hier gibt es nur lokalen Multiplayer und das ist gut so. »Jeder Treffer tötet«, sagt »TowerFall«-Erfinder Matt Thorson. Dadurch ist das Spiel von der ersten Sekunde an spannend. Der Bruchteil einer Sekunde kann also den Unterschied ausmachen, über Sieg oder Niederlage entscheiden; auch die beste Internetverbindung kann dieses Gameplay nicht mit Sicherheit adäquat umsetzen.

»Sportsfriends« (Die Gute Fabrik; PS4, PS3, bald auch für PC/Mac/Linux) beinhaltet einige wirklich originelle Offline-Multiplayer-Spiele – allen voran »Johann Sebastian Joust«. Es ist so designt, dass Spieler miteinander interagieren müssen, nicht mit dem Screen. In einem tanzartigen Wettstreit um Balance, Bewegung und Reflexe hält jeder der bis zu sieben Spieler seinen Move-Controller mit extremer Sorgfalt – wie ein Ei, das auf einem Löffel balanciert. Die Aufgabe: Schubsen und Drängeln, während der eigene Controller stabil bleibt. Gewinner ist, wer das am längsten schafft. Auch die Finanzierung ist interessant, wurde der Titel doch direkt von Sony gesponsert. Das gibt Hoffnung, dass in Zukunft vielleicht andere kleine Teams ebenfalls große Unterstützer finden. Neben dem pragmatischen Grund der Größe einer Entwicklung ist Nostalgie sicher für viele Triebfeder gewesen, dieses Revival einzuleiten. Mark Essen, der Erfinder von »Nidhogg«, erinnert sich an seine ersten Spielerfahrungen: »Wir saßen in der Gruppe um Computer oder TV herum, spielten gegeneinander oder zusammen und gaben die Joypads weiter.« Und Matt Thorson (»TowerFall«) hat sein Spiel so gestaltet, dass es seinem zwölfjährigen Ich gefällt, das mit »Smash Bros«, »GoldenEye« und »Bomberman« aufwuchs. Wie schön es doch sein kann, gemeinsam zu spielen – sich im gleichen Raum auszulachen, zu schimpfen und zu rempeln. »Nidhogg», »TowerFall« und »Sportsfriends« sind bereits erschienen.

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»Schein« — Spielentwicklung mit Hindernissen

Vom Schimmer zum Schein In dem ungewöhnlichen und wunderschönen Rätsel-Plattformer »Schein« vom Wiener Studio Zeppelin stecken Jahre harter Arbeit und jede Menge Eigeninitiative. Wir zeichnen den Weg von der Idee bis zur Veröffentlichung nach.

Master-Projekt Die Geschichte von »Schein« geht zurück bis ins Jahr 2011. Zwei der Köpfe hinter dem Spiel, Michael Benda und Philipp Schäfer, studierten damals Game Engineering und Simulation am Technikum Wien. Für eine Projektarbeit im zweiten Semester erdachten sie zusammen mit zwei Kommilitonen das Konzept eines Plattformers, der auf dem Einsatz von Licht basiert – »Schein« war geboren. Unter der Aufsicht von Lev Ledit, einem nicht nur in Wien bekannten Game-Designer, trieb das vierköpfige Team die Entwicklung voran, schrieb eine eigene GrafikEngine, eine Story und versetzte dem Gameplay erste Feinschliffe. Ganz nebenbei kümmerten sie sich um das Marketing und die Erstellung von Business-Plänen. Denn spätestens, nachdem das Technikum »Schein« mit dem Award Of Excellence 2012 auszeichnete, war klar: Das Spiel musste das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Um dem ambitionierten Plan ein professionelles Fundament zu geben, gründeten Benda und Schäfer Anfang 2013 das Zeppelin Studio.

des Spiels zu erhalten. Zum anderen schaffte es die Demo von »Schein« nicht, von der Online-Spieleplattform Steam grünes Licht zu bekommen. Sprich: Bei Steam Greenlight erhielt der Titel nicht genügend Userstimmen, um sich für einen weltweiten Vertrieb zu qualifizieren. Doch was auf den ersten Blick aussah wie das Ende für das ambitionierte Projekt, stellte sich rückblickend als Anschub heraus. Tiare Feuchtner, seit August 2012 die Marketing-Managerin vom Zeppelin Studio, erinnert sich: »Während der Crowdfunding-Kampagne wurde ‚Schein’ mehr als doppelt so oft in der Fachpresse erwähnt als vorher, außerdem hatten wir doppelt so viele Besucher auf unserer Homepage – und das ohne jegliche Werbung.« Noch dazu rückte das Team in der intensiven Zeit näher zusammen und knüpfte wertvolle Kontakte. Auch an der Öffentlichkeitsarbeit wurde gefeilt. »Wir sind mit einem aufpolierten Image zurückgekommen, haben viel Zeit in einen neuen Trailer investiert, eine komplett neue Online-Präsenz gebastelt und alle Texte kürzer und knackiger gestaltet«, so Feuchtner.

Preisträger

Fehlende Unterstützung

Dass letztlich doch die finanziellen Mittel für die Fortsetzung der Arbeit zusammenkamen, lag an der Qualität des Spieles selbst. »Schein« gewann im Juli 2013 den Microsoft Imagine Cup und holte sich Ende des Jahres den Newcomer-Award beim Deutschen Entwicklerpreis – mitsamt reichhaltigen monetären Unterstützungen. »Viele Leute wissen gar nicht, dass man auch mit Prototypen Preise gewinnen kann«, sagt Feuchtner im Zusammenhang mit dem Umstand, dass »Schein« zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht fertiggestellt war. Mitte dieses Jahres wurde das Spiel finalisiert, bis zum Schluss bastelte ein Team aus lediglich vier Programmierern und Grafikdesignern daran. Nur der Soundtrack stammt aus fremder Hand, nämlich von den Leipziger Musikspezialisten von leed:audio. Und im zweiten Versuch gelang »Schein« soeben über Greenlight auch der Sprung in den Steam-Store.

Nur wenig später musste das junge Unternehmen die ersten Rückschläge hinnehmen. Zum einen scheiterte im Juni 2013 der Versuch, über Crowdfunding einen Betrag von 20.000 Euro für die Weiterentwicklung

»Schein« ist seit einigen Wochen unter anderem auf www.scheingame.com erhältlich.

Text Alexander Kords Bild Zeppelin Studio

Planlos durchstreift ein Mann einen düsteren Sumpf. Auf der Suche nach seinem Sohn muss er sich zunächst mit der trostlosen Umgebung vertraut machen. Plötzlich hört er eine weibliche Stimme und folgt ihr. Er stößt auf eine grün schimmernde, schwebende Flamme, die alles um sie herum in eine blühende Landschaft verwandelt. Neugierig nimmt er das Irrlicht mit und lässt sich von ihm Plattformen zeigen, die er mit bloßem Auge nicht erblicken würde. So sieht das Setting von »Schein« aus, dem Erstlingswerk des Zeppelin Studio aus Wien. Mitte Juli dieses Jahres wurde das Rätsel-Jump’n’Run veröffentlicht, sorgte aber schon zuvor für einiges Aufsehen in der Spieleszene.

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Nadine Kegele – »Bei Schlechtwetter bleiben Eidechsen zu Hause« — Debütroman der Bachmann-Preisträgerin

Schwanz ab!

Text Juliane Fischer Bild Pamela RuSSmann

Im Vorjahr wurde Nadine Kegele beim BachmannWettlesen in Klagenfurt mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Das dort vorgelesene Exzerpt ist zum Debütroman gewachsen. Leid und Kummer, serviert mit Verve. »Schreiben ist laut denken auf Papier«. So steht es auf Nadine Kegeles Website unter der Kategorie Leben. Wenn man ihren Debütroman »Bei Schlechtwetter bleiben die Eidechsen zu Hause« liest, wird einem klar, was die 34-Jährige, die zurzeit Stadtschreiberin in Klagenfurt ist, damit meint: Das Assoziative beherrscht die Storyline. Kegeles Debüt scheint aus Konzentraten durchkomponierter Früchte zu bestehen. Es gibt Tagebuchelemente und Teile mit Traumcharakter. Eingekocht in eine Prosa wird das Wichtige nur andeutend als Gewürz verwendet. Vielleicht muss man aufhören, die Narration zu suchen. Das Rätselhafte entsteht durch das Spiel mit der Sprache, die aus sich herausschlüpft, als wolle sie selbst Protagonistin sein. Menschen tragen Tiernamen, Dinge wie Fingernägel oder die Yogamatte werden personifiziert und zu stark überzeichneten Metaphern. Dabei klingt es durchaus etwas holprig und uninspiriert, wenn ständig die Haare der Füchsin, so der Name einer der Figuren, am Kopf lodern. Den Kosenamen erhält die Füchsin übrigens im zweiten Roman der Tetralogie, an der Kegele derzeit schreibt. Der inhaltliche Rückgriff wird zwei andere Protagonistinnen in den Fokus rücken, verrät die Autorin im Gespräch über das künftige Projekt.

Frauenfreundschaften und Kindheitstrauma Doch zurück in die Gegenwart. Wie man schon aus dem Titel enträtseln könnte, ist Nadine Kegeles Erstling ein Schlechtwetterroman. Kein zu Hause spüren, kein zu Hause bieten können, unglückliche Lebenskonstellationen, scheiternde Beziehungen am Laufband – all das klingt nicht ganz angenehm. Umso erstaunlicher wirken die Frauenfreundschaften in diesem Buch. Sie schlagen mühelos Brücken zwischen unterschiedlichen Herkunftsbecken und man fragt sich, woher

sie sich kennen. Sektimperiumstochter, Ausbildungslose, Yoga-Hausfrau treffen zum kritischen Tratsch zusammen. Gegen schubladisiertes Sozialschichtendenken sind auch sie nicht gefeit. Neid auf die jeweils andere Herkunft und Lebensbedingung modert zwischen den Zeilen. Gemein haben sie alle: Tod und Geburt stehen nahe aneinander. Das Leben dazwischen ist mühsam. Kümmern und Kummer sind zwei Seiten einer Medaille. Die Kindheiten der Protagonistinnen waren mehr verkümmert als unbekümmert. Ungeliebtsein, das man erfahren hat, gibt man weiter. Wenn auch nur in grausamen Gedankenspielen. An den titeltragenden Eidechsen etwa fasziniert Nora, eine der Hauptfiguren, der Selbsterhaltungstrieb des Schwanzabwerfens, wenn Gefahr droht. Dass der Schwanz nachwächst als wäre nichts gewesen, scheint ihr eine großartige Möglichkeit, um sich zu verteidigen und die Verletzung nicht ewig mit sich zu schleppen. »Bei Schlechtwetter bleiben Eidechsen zu Hause« handelt von der Gewalt und Aggression, die während des Kindseins eingepflanzt wurde. Das ist lustig wie der Notstandsbescheid bei der Sozialtafel für Haustiere. Freud hätte seine Freud gehabt: Todestrieb, Pädophilie ... alles da. Boulevardschlagzeilen, wie man sie aus schmissigen Blättern kennt und wie sie in nachdrücklicher Form Gustav Ernst in »Beste Beziehungen« ausarbeitet. Die in Vorarlberg aufgewachsene Kegele sieht ihren Debütroman übrigens als Plädoyer für eine unbekümmerte Kindheit, für Feminismen, für Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. Ein Exzerpt daraus wurde im Vorjahr beim Bachmannpreis mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Nadine Kegeles Roman »Bei Schlechtwetter bleiben Eidechsen zu Hause« ist im Czernin Verlag erschienen und wird am 22. September am Wiener Badeschiff präsentiert – bei jedem Wetter.

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Links Oben: Gerhard Hirczi, Geschäftsführer Wirtschaftsagentur Wien, Links Unten: Elisabeth Noever-Ginthör, Abteilungsleiterin departure, Rechts:: Performance-Künstlerin Marina Abramovic im Jahrhundert des Betts (Thema des heurigen Curated By).

Wirtschaftsagentur Wien — Neue Chefs, neue Organisation und neues Geld nach zehn Jahren departure

Lebt und arbeitet im Bett 1997 wurde sie erfunden, die Kreativwirtschaft, von Tony Blair und der britischen Labour Party. Das sagt zumindest Wikipedia. Wien hat dann noch ganze sieben Jahre gebraucht, um auf den Zug aufzuspringen. Genau vor einem Jahrzehnt wurde nämlich departure, die Kreativagentur der Stadt Wien, gegründet. Sie unterstützt all jene, die einen Förderantrag verstehen können und trotzdem auch etwas machen, das im weitesten Sinn kreativ ist und Geld einbringt. 11 Milliarden Euro, so viel wird mit der Kreativwirtschaft allein in Wien jährlich umgesetzt, schätzt man. Im Vergleich dazu wirken die vier Millionen, die departure jedes Jahr verteilen darf, wie ein amtlicher Scherz. Aber darum geht es nicht. Sondern darum, etwas zu würdigen. Denn dieses eine total tolle Projekt mit den aufwendigen, selbstgemachten Videos und den handkolorierten Vinyls war natürlich eigentlich eine völlig überzogene Idee und konnte niemals funktionieren. Aber Leute müssen eben die Scheuklappen hochfahren. Wie soll Wien denn sonst seinen Titel als eine der smartesten Cities der Welt behalten? Bettina Leidl stand nun zwei Jahre an der Spitze von departure. Das gilt für eine größere Institution gerade mal nicht als gescheitert. Als sie gleichzeitig mit dem Leiter der Technologieagentur zit abging, wurde das System vereinfacht. Weniger Schnittstellen, weniger Komplexität waren die Ziele. Bettina Leidl hatte Pläne, die Förderstrukturen umzustellen. Das wurde gestoppt. Die neue Leitung soll eigene Ideen einbringen können, Ende des Jahres will man mehr wissen. Drei Millionen an Projektförderung jährlich wird es aber wie bisher geben, so viel ist sicher. Die neue Leitung, das ist Elisabeth

Noever-Ginthör, die fast schon seit der Gründung bei departure ist. Sie braucht kein Jahr, um sich einzuarbeiten, hat bereits schwerpunktmäßige Calls betreut oder Curated by entwickelt, ein Projekt, das jedes Jahr im Herbst die Wiener Galerienszene einen Monat lang bündelt. Wenn sie davon redet, wie heuer die Schnittstelle Kunst und Architektur behandelt werden soll, oder wie sich an unseren Betten im letzten Jahrhundert allerlei historische Entwicklungen abzeichnen, vom Freud’schen Divan über nomadische Hippie-Experimente bis hin zur heutigen Sendestation, in der man lebt und arbeitet, dann spürt man, dass hier jemand mit viel Sachwissen arbeitet. Wenn man nach der Shareconomy fragt, einem der großen Schlagworte der letzten Jahre, hört man von höheren Auslastungsgraden, die man etwa über Shared Infrastructure an den Wien Life Sciences oder in der Seestadt Aspern erreicht, davon, dass die Pipeline größer gemacht und die Nutzungsgruppen erweitert werden soll. Co-Working, Co-Fabric, Wien als Paradestadt der kmus, eben all die schönen Worte, die Menschen im Thema so gerne verwenden. Weil man sich ohnehin an Menschen im Thema richtet. Was Wiens Kreativen aber sicher blüht, ist Wirtschafterei. Sie sollen die Industrie besuchen und sie beschnuppern können. Die Sprache sei eine andere, auch wenn oft beide Seiten dasselbe wollen. An etwas arbeiten, das sie interessiert zum Beispiel, und das klingt ja doch ziemlich gut. Am 16. September feiert departure den ersten runden Geburtstag, also zehn Jahre, im Volksgarten. Dabei werden auch die Gewinner des Ideenwettbewerbs »City Hype« bekannt gegeben. Curated by: The Century Of The Bed eröffnet am 2. Oktober.

Text Stefan Niederwieser BILD Wirtschaftsagentur Wien; Curated by

Wiens Kreative haben seit zehn Jahren ihre eigene Agentur. Gerade sind sie näher an die klassische Wirtschaftsförderung gewachsen, mit neuer Chefin. Die kennt sich schon aus.

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bild Michael Winkelmann dokumentation Stefan Kluger

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Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ

Hilde Dalik, 36, Schauspielerin & Regisseurin

Am liebsten arbeitet sie mit vielen anderen Menschen an einem Projekt. Das kann ein Film sein, ein Theater- oder Radiostück. Bisher vorwiegend Schauspielerin, ist Hilde Dalik nun das erste Mal Regisseurin: »Ich inszeniere ›Romeo und Julia‹ – Freestyle.« Mit jungen Darstellern, großteils aus Afghanistan, und mit Profis. Die Idee entstand bei einem Theaterpädagogik-Workshop für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. »Nach kurzer Zeit war klar: die Jungs wollen selber auf die Bühne.« Sie mag das Gemeinschaftsgefühl bei ihrer Arbeit, »... und dass Menschen mit unterschiedlicher Vergangenheit aufeinander treffen, das finde ich schön und lehrreich.« Wenn es darum geht, ihre Lebenseinstellung zu erklären, greift sie gern auf Worte ihres ehemaligen New Yorker Schauspiellehrers zurück: »Giving is the most important thing in life. Diesen Satz hab ich stets in meinen Ohren.« Das Stück feiert übrigens am 5. September im Dschungel Wien Premiere.

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Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ

David Dempsey, 45, Morningshow-Host und Journalist bei FM4

Früher einmal war er Creative Director bei einem Internet-Unternehmen. Bis die dot.com-Blase platzte und David Dempsey mit all seinen Kollegen auf der Straße stand. Darauf stießen sie an und er sagte zum Mann einer Kollegin, der bei FM4 arbeitete, er habe nun genug vom Internet und dass er schon immer zum Radio wollte. Tatsächlich: Acht Monate später ging Dempsey zum ersten Mal on air als Abendmoderator für »Sleepless«. Es ist buchstäblich einer seiner Traumjobs, erzählt der Morningshow-Host und FM4-Journalist. »Ich wuchs mit Community- und College-Radio auf, und die Shows, denen ich lauschte, zeigten mir die musikalische Welt außerhalb meiner Midwest-Stadt.« Angst hat er nur vor zwei Dingen: Höhen und Clowns. »Being forced to do a tandem skydive with a clown would be pretty terrifying.« Finden wir eh auch.

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Christine Gaigg, 54, Choreografin

Sie können nicht ohne einander, aber noch besser miteinander. Als Leiterin der Technik-Abteilung am Tanzquartier Wien hat Monika Gruber (groß rechts) alle Kabel in der Hand. Seit vielen Jahren arbeitet sie mit den KünstlerInnen und ChoreografInnen der Theaterszene, gleich ob in Wien, Salzburg oder New York. Für die aktuelle Produktion von Christine Gaigg (groß links), die Anfang Oktober beim steirischen herbst zur Uraufführung kommt und im Dezember auch im Tanzquartier Wien zu sehen sein wird, unterstützt sie die Choreografin und die TänzerInnen der Kompanie 2nd nature, wo sie nur kann. In »Maybe the way you made love twenty years ago is the answer?« beschäftigt sich Gaigg mit dem Begehren. Laszive Erotik, die aus dem alltäglichen Miteinander zusehends verschwindet, findet hier einen Zufluchtsort im Miteinander des Theaterraums. Momente von anregend bis verstörend, von banal bis bizarr werden in Form eines Bühnenessays mit unberechenbarem und sexuell aufgeladenem Verhalten kombiniert. In Echtzeit, ohne mediale Filter. Diese Seite ist Teil einer bezahlten Kooperation.

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Prosa von Linus Volkmann

journalist, autor und trash-hoheit linus volkmann lässt seinen super-lupo auf seine schinken-omi treffen. es folgt ein schlüpfriges zipfeltreffen im zeichen des eierlikörs, bis die gilf-alarmglocken klingeln.

Zipfeltreffen Super-Lupo schläft mit Schinken-Omi

In den 90er Jahren hatte Super-Lupo alles auf eine Karte, alles auf Grunge gesetzt, er wollte der coolste Slacker überhaupt werden. Auf der einen Seite war ihm das auch gelungen, auf der anderen Seite hieß das jetzt Hartz IV. Und der Begriff des Slackers hatte es ja nicht mal ins neue Jahrtausend geschafft. Mittlerweile war man nicht mehr der Allergrößte, wenn man den ganzen Tag bloß Musik hörte, faul rumlag und Selbstgedrehte rauchte. Aus dem studentischen Flaneur wurde der Bummelstudent mit Wanst und aus jenem wiederum wurde der Flaschensammler, der von den verschulten Modul-Champions und punktebesessenen Selbstorganisierern nur noch hart gemobbt wurde. Was hätte er in seinen Lebenslauf auch schreiben sollen? »Nicht bereit für neue Herausforderungen«? »Kein Interesse an einem quirligen Team«? »Nutzlos in flexiblen Strukturen, die sich den Anforderungen einer neuen Ökonomie stellen«? »Hüftleiden«? »Null Belastbarkeit bei temporären Arbeitsspitzen«? »Fick dich Innovation und fick dich neoliberales Schweinesystem«? Alles klar. Das las Herr von Thyssen-Krupp sicher nicht so gern. Oder wen man halt sonst anschrieb, wenn man sich bewarb. Erst waren jedenfalls die Raucherecken im Fachbereich der nutzlosen Geisteswissenschaften geschlossen worden, dann der ganze Trakt. Statt Altphilologie studierten die aufgepeitschten Turbo-Abiturienten heute Netzwerk-Administration und Content-Management und Super-Lupo war vom geilen Loser zum normalen Loser runtergerechnet worden. Nicht mal BAföG gab es mehr im 24. Semester (Urlaubssemester und jene, in denen er verpasst hatte, sich zurückzumelden, nicht eingerechnet). Super-Lupo musste husten, seine Knochen

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fühlten sich wund, er selbst sich schwach an. Warum gab es eigentlich keine Warnhinweise auf Tiefkühlpizzen wie auf Zigarettenschachteln? Kaum ernährte man sich zehn Jahre nur davon, fielen einem die Haare aus und man verdoppelte sein Gewicht. Vom schlaksigen Prinz zur bleichen Tonne. Danke, bofrost*! Es wurde Zeit für einen Ortswechsel. Die Reise sollte gehen in die Kurstadt Bad Orb. In jener lebte die geheimnisvolle »Gertrude81«, in die sich Super-Lupo gestern auf elitepartner.de verknallt hatte. Für den teuren Premium-Account auf dieser neoliberalen Scheißseite (Elite!) hatte er kein Geld, daher wollte er sie wie der ganz klassische Gentleman einfach persönlich stalken. So hatte er seinen schönsten Cordanzug von KiK eingepackt, belegte Brote zubereitet, Kaffee getrunken und vom letzten BAföG (wie er Hartz IV aus Scham nannte) eine Fahrkarte nach Bad Orb gekauft. Dort lebte also jene Vollblut-Frau Gertrude81. Bad Orb? Klang ja nicht so cool. Konnte man das irgendwie gentrifizieren? Sicherlich, Super-Lupo selbst war seit Neustem versehentlich Hipster und wenn er nach Bad Orb zöge, kämen noch mehr so Leute wie er und dann die Galerien. Nach einem halben Jahr sähe es hier vermutlich aus wie in Brooklyn. Auf das Dankesschreiben des Oberbürgermeisters konnte er sich quasi jetzt schon mal freuen. Auf dem Bahnhof des Kurstädtchens kaufte Super-Lupo eine Schachtel Pralinen und einen Strauß Blumen. So lief das. Das konnte man auch wissen, wenn man keine Ahnung hatte. Gertrude81’s Anwesen war ein größeres Wohnheim, wahrscheinlich für Studenten, er hatte es bereits auf Google Earth angesehen. Ziemlich gemütlich. Statt Halfpipe gab’s ein Kneipp-Bad, statt Sperrmüll gab’s Parks. Hier in Bad Orb konnte man sicher gut chillen – und schlecht obskure Import-Platten von Aphex Twin kaufen. Konnte sich doch eh keiner leisten. SuperLupo leckte sich die Hände, um damit seine

Haare zu richten, oder besser: zu glätten. Dann klingelte er. Gertrude81 ließ ihn hochkommen, er übergab Blumen und Pralinen. Mmh, die 81 schienen wohl nicht für ihr Geburtsjahr sondern eher für ihr Lebensalter zu stehen. Aufregend! Verstohlen schaute er auf ihren grauen Undercut, den Rollator voller Bandaufkleber und sah in ihre sexy milchigen Augen. Doch dann, ja, dann war erst mal nicht so gut. All die Selbstverständlichkeit des Chats war fort, kein Gesprächsthema überdauerte mehr als paar Sätze. Sie saßen auf der Couch und aßen Torte, hörten Platten von Enrico Caruso (wer war das nochmal?) und schwiegen viel. Irgendwann ging Gertrude81 an ein kleines Schränkchen, entnahm eine Likörflasche. Alkohol, der Spinat des SozialabsteigerPopeye! Es konnte nur besser werden. Super-Lupo trank gierig ein volles Wasserglas Baileys. Ganz schön süß. Gertrude81 neben ihm auf der Couch sah ihn an und ... gähnte. Oh, nein. Höchststrafe. Jetzt konnte er sich die Flasche Likör streng genommen nur noch über den Kopf schlagen. Am besten wäre es, sofort zu gehen. Wenn man wen langweilt, liebt der einen auch nicht. Außer vielleicht, man war 20 Jahre zusammen, dann war’s aber auch schon wieder egal. Gertrude81 streckte weiter gähnend beide Arme von sich. Ist ja gut, dachte Super-Lupo, will sie’s mir jetzt noch reindrücken, oder was? Sie ließ ihre Arme nach dem Räkeln sinken und Super-Lupo spürte: Ihr linker lag nun um seine Schulter. Wow, wie kam das denn jetzt? Da hatte er ja doch echt Glück gehabt, dass sie so gähnen musste. Oder ... war das ein Trick gewesen? Krass! Super-Lupo fühlte ihren Arm in seinem Nacken, er wurde sofort erregt. Klar. Doch wollte das noch nicht preisgeben, legte vielmehr eine Zeitung auf seinen Schoß, tat unbeeindruckt. Soweit das mit einem rot pulsierenden Kopf und überhöhter

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Ad Personam

Linus Volkmann, 41, ist eine Müllhalde popkulturellen Wissens und obendrein mit einer kräftigen Portion Witz gesegnet. Den beweist er in nicht nur in seinen journalistischen, sondern auch in seinen unterhaltungsliterarischen Texten, angesiedelt im Helge-Schneider-Heinz-Strunk-Kosmos. Mit Anarcho-Schmäh und Neusprech-Persiflagen werden die Löcher der Hoffnungslosigkeit gefüllt. Da ist auch sein mittlerweile siebtes Buch »Lies die Biber« (Ventil) keine Ausnahme. Darin finden sich übrigens die »13 schönsten Geschichten der Welt«, und in denen gibt es ein Wiedersehen mit dem Figureninventar des Kölners: King Hörnchen, King Cobra, Super-Lupo und Schinken-Omi. Ein großer Spaß, der sich sauschlau durch den Stumpfsinn der Gegenwart blödelt. Jo Henker

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Schweißproduktion zu leisten war. Dann sahen sie im TV »Unter Uns«, »Alles was zählt« und »Gute Zeiten, Schlechte Zeiten«. Gertrude81 hatte sehr laut gemacht. Das Prinzip kannte Super-Lupo dabei eher von seinen Lieblingsplatten. Aber formatübergreifend bedeutete Lautstärke eben Dringlichkeit. Und die bestand zweifelsohne Hier und Jetzt. Nachdem der Baileys leer war, reichte die Gastgeberin Bananenlikör. Ebenfalls eine echte Alternative zum ewigen Beck’s. Oder zumindest zu jenen Biermarken, die SuperLupo sich leisten konnte. Er spürte leichtes Sodbrennen und dachte dennoch, wie sehr sich die Fahrt nach Bad Orb und der in den Abend übergegangene Nachmittag gelohnt hatten. Doch das war noch nicht alles. Gertrude81 zog ihn in ihr Schlafzimmer und zeigte ihm Sachen, die er noch nie gesehen hatte. Zum Beispiel ihren Busen und ihre Scheide. Doch eigentlich war es mehr metaphorisch gemeint. Gertrude81 hatte unkonventionelle Sachen drauf, verlangte, dass er sie beim Akt »Schinken-Omi« hieß. Ihr sexuelles Repertoire schien endlos. In ganz Disneyland zusammen waren die Fahrgeschäfte nicht so abwechslungsreich. Super-Lupo kam und kam. Irgendwann war es ihm selbst schon peinlich. Aber dann erfüllte ihn ein tiefes Gefühl von Stolz. Wie liebesfähig und liebenswürdig er doch war. Der Liebe würdig! Bad Orb, meine Schatzstadt. Um Mitternacht tranken sie einen Nierentee und teilten sich einen Teller Königsberger Klopse. Knaller. Dann allerdings hieß Gertrude81 Super-Lupo zum Gehen an. Konnte er gar nicht verstehen. Nach all dem? »Ich darf hier keinen Übernachtungsbesuch haben.« »Aber ...«, versuchte er es noch. Dann stand er auch schon vor der Tür. Halb schob sie ihn, halb sank er hin. Vor der Eingangstür ihres Appartements schlüpfte Super-Lupo in seine Jeans, legte sich Kapuzenpulli und Mantel an und verließ das Wohnheim. Der Pförtner der Einrichtung »Schattige Pinie« grüßte misstrauisch. Draußen war es saukalt. Aber immerhin konnte Super-Lupo rauchen. Auch ohne Ahnung, Smartphone oder Fahrplan durfte er sicher sein, dass von dem Bahnhof dieser Stadt nach Mitternacht kein Zug mehr fuhr. Schon gar nicht in die Favelas einer bekannten Millionenstadt, wo Super-Lupo zu wohnen pflegte. Zum Glück hatte er vorhin die einzige Flasche Schnaps, die Gertrude81 besaß (Stroh-Rum 80, »Zum Backen!«) in die großen Taschen seines Parkas gesteckt. Warum, wusste er auch nicht, oder vermutlich doch. Egal. Die würde ihm sicher noch gute Dienste leisten diese Nacht. Allerdings, um sich wirklich zu bedauern, fehlte Super-Lupo nun doch die Motivation. Hey, er hatte gefickt! Wie noch nie! Das war doch nicht nichts! Das sollten ihm Tocotronic, Die Sterne und Ja, Panik erst mal nachmachen ...

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#20: Mobilize / Get Mobilized Nie zuvor war es einfacher, Millionen und Abermillionen Menschen mit Kampagnenbotschaften zu erreichen. Für eine Online-Kampagne benötigt man vergleichsweise wenig Budget. Auf der technischen Ebene braucht es tatsächlich nicht viel mehr als einen Internetanschluss, um zu mobilisieren bzw. selbst Teil einer derart mobilisierten Menschenmenge zu werden. Wer selbst schon mal versucht hat, Gleichgesinnte zu finden, die ein Anliegen unterstützen, weiß wie schwierig das in der Praxis ist. Noch schwieriger ist es, wenn der „Call to action“ auf etwas abzielt, das weiter entfernt ist als einen Mouseclick. Das nächste twenty.twenty geht der Frage nach, wie sich der „Kampagnenraum Internet“ in den nächsten Jahren entwickeln wird und welche Mobilisierungsstrategien erfolgversprechend sind.

ViennaOpen 2014 16.10.14 – 02.11.14 Mobiles Stadtlabor / Karlsplatz / 1040 Wien Paradocks / Marxergasse 24 / 1030 Wien

Festival für Open Design, postdigitale Strategien und eine offene Gesellschaft.

Mi., 17.09.2014 – Empfang 18:30 Uhr – Start 19:00 Uhr The Hub Vienna, vienna.the-hub.net Wien 7., Lindengasse 56 / Top 18 –19 Die Veranstaltungsreihe twenty.twenty widmet sich als offene Diskussionsplattform Zukunftsszenarien einer Welt 2020. Denn: Zukunft kann nicht gepredigt oder verordnet werden. Sie gehört diskutiert und gestaltet.

www.twentytwenty.at | www.facebook.com / exploring2020 | www.twitter.com / exploring2020

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AB HIER: REZENS ONEN

145 Spoon They Want My Soul (Anti)

Her mit deiner Seele Kleine Anleitung, wie man als Gitarrenband im Jahr 2014 relevant bleibt: das neue Spoon-Album hören und genau so nachmachen. Ach ja, vorher bitte 20 Jahre Erfahrung sammeln. Mehr als 20 Jahre krächzt Britt Daniel schon ins Mikro, die Stimme wird mit jedem Album kratziger, die Songs damit aber nur mitreißender. Spoon, Helden des Indie-Rock, veröffentlichen mit »They Want My Soul« ihr achtes Studioalbum, Relevanz haben sie über die Jahre dabei keine verloren. Ja, das kann man ruhig hervorheben, ich schau zu euch, liebe Strokes, Interpol, Cat Power, Wilco. Nach dem großen Konsenswerk »Ga Ga Ga Ga Ga« stellte sich 2010 mit dem nicht ganz so gut aufgenommenen »Transference« zwar eine kreative Flaute ein, die vierjährige Bandpause danach aber haben sie gebraucht, denn »They Want My Soul« kehrt zu gewohnt Gutem zurück. Soul haben die Texaner auf jeden Fall, weniger im engeren Sinn, mehr in ihren Instrumenten und ihrem Auftreten. In »Rent I Pay«, dem Albumopener, kracht das Schlagzeug, Daniels Stimme ist kurz vorm Überschlag und die Gitarren sind beißend und minimalistisch. So intensiv wird es das restliche Album zwar nicht mehr, die Aufmerksamkeit ist aber da. »Do You«, ihre erste Singleauskopplung, ist dagegen ein Haufen Zuckerwatte, so süß ist der Refrain und so luftig der Verse. »Someone get popsicles / someone's gotta do something 'bout this heat / cause it's late in October / and tar's still melting in the streets.« Und dann immer das tänzelnde KopfstimmenDo-do-do-do-do. Ein kleiner Verschnaufer auf dem sonst so dichten und ernsten Album. »They Want My Soul« macht alles richtig, was von einem klassischen Indie-Rock-Album erwartet wird. Filler gibt es kaum, dafür mindestens einen Tanzflächenfüller (»Rent I Pay«), die Hooks bleiben im Ohr und die Texte sind klug ohne prätentiösen Ausrutscher. Dafür sind Spoon zu altehrwürdig. Das Garden-State-Bashing in »Outliers« setzt dem Ganzen noch das Krönchen auf: »And I remember when you walked out of Garden State / ’cause you had taste, you had taste / you had no time to waste.« Es wird nicht auf billige Nostalgie gesetzt. Spoon wissen, wo ihre Stärken liegen und haben sich dieses Mal darauf konzentriert.

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8/10 Benjamin Agostini

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Trümmer Trümmer (Pias)

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Rustie Green Language (Warp)

Nix mit Euphorie

Ace Of Bass

Magazine, geistesverwandte Musiker und Fans sowieso waren sich einig: Trümmer sind das neue Ding. Nur scheitern die Drei an den Vorschusslorbeeren und: auch an sich selbst.

Der schottische Bass-Prinz ist in den letzten Jahren zum Aushängeschild, ja gar zur Gallionsfigur eines, nein unzähliger Genres aufgestiegen.

Gentrification is everywhere. Besonders in Hamburg, besonders in St. Pauli, wo ganze Blöcke neuen, profitablen Bauten weichen mussten und müssen. Nahe der Reeperbahn wollen schließlich alle wohnen. Ein besonders bekannter dieser alten Blöcke wird nun ausgeräumt, die Esso-Häuser. Ganz in der Nähe wohnt auch Paul Pötsch, Sänger der Gruppe Trümmer. Auch sein Haus soll abgerissen werden, seine Wohnung, die so vielen namhaften Bands der letzten Monate teilweise Zuhause, Probe- und Lebensraum war. Die Nerven, Messer, Sex Jams haben hier genächtigt und gespielt. Und natürlich ist auch das selbstbetitelte Debütalbum von Trümmer vom Geiste des Widerstands geprägt. »If you want to fuck the system / you have to fuck yourself«. Vorschusslorbeeren haben Trümmer relativ schnell eingeheimst, auch Andreas Spechtl himself war begeistert. Die optische Ähnlichkeit von Pötsch und Ikone Jochen Distelmeyer ließ Trümmer der Einfachkeit halber »die neuen Blumfeld« heißen. Auch Freunde des gepflegten Indierocks konnten sich freuen, fehlte der Band doch von Anfang an der diy-Mief von Die Nerven oder Messer. Mit »Trümmer« entfernt sich die Dreierformation aber doch ein gehöriges Stück von alldem. Das Album lässt nur wenig von dem erahnen, was in der Band steckt. Beweisstück A: Die erste Single »Wo ist die Euphorie«. Noch Ende April, als Teil des Labelsamplers »Keine Bewegung!«, wird ein schön post-punkiger Rocksong veröffentlicht, der wenig später als »Alternative Version« abgekanzelt wird und als sphärisches BlocParty-Songmuster seinen Weg aufs Album und vermutlich in die Heavy Rotation findet. Beweisstück B: Manchmal klingt Pötsch nach Oliver Gottwald, dem Sänger von Anajo. Pötsch lässt insbesondere in der ersten Albumhälfte einiges an Aggressivität, die der Band ihren Status erst einbrachte, vermissen. Aber es gibt auch gute Nachrichten: Die Singleversion von »Der Saboteur«, der bis dato stärkste Trümmer-Song, wurde fürs Album nicht modifiziert und setzt den Auftakt für eine kleine Zwischenoffensive, eine kurze Tempoverschärfung, die mit allerhand kreiskyesker Stadt-Planet-Metaphorik pulsiert und danach wieder abflaut. Am Ende bleibt ein fahler Nachgeschmack, weil Trümmer sich in vorauseilendem Gehorsam gleich selbst gezähmt haben. Beim nächsten Mal dann, Jungs. Ich glaub an euch. 07/10 Dominik Oswald

Alles von Anfang an: Mit seinem Album »Glass Swords« zeigte Russel Whyte im Herbst 2011 schon ziemlich genau, wohin sich sowohl Underground als auch Mainstream in den nächsten Jahre bewegen werden. Noch präziser war dann allerdings sein Essential Mix für die BBC im April 2012. Dort präsentierte er nicht nur eine Vielzahl an Acts, die heute schwer von den Festival-Line-ups wegzudenken sind, allen voran Cashmere Cat und TNGHT, erstmals einer größeren Community, sondern noch viel mehr, er nahm den Hype um Trap bzw. Baauer – dessen Track »Harlem Shake« wurde später u.a. #1 der US-Billboard Charts – vorweg und ebnete so den Weg für diese anfängliche Nerd-Musik auf die irren EDM-Bühnen dies- und jenseits des Atlantiks. Rustie füttert gezielt den Mainstream, während er sich im nächsten Augenblick wieder in den Untergrund begibt und dort seine nächsten Visionen ausarbeitet. War die letzte EP eher ein Appetizer, schickt er sich jetzt an, mit seinem zweiten Album »Green Language« kleinere und größere Plattenverschiebungen auszulösen. Allerorts glitzert es und die Keys flirren hyperaktiv, als gäbe es kein Morgen – am besten Nachzuhören bei den Vorabtracks »Raptor« und »Attak«. Als Gegenpol dazu traf Rustie durchaus bewusst die Entscheidung, mehrere TemposchwellenTracks einzubauen. Dort, wo man glaubt, im Regenbogenfarben-Meer seiner Cutting-Edge-Beats unterzugehen, nimmt er mit Glockspiel und gemäßigten Bongo-Arrangements gezielt den Drive heraus. Darin besteht wohl Rusties größte Stärke. Einige Tracks haben Großraum-Disse-Feeling, seine aufgeräumte und tighte Produktionsweise schlägt dem aber ein Schnippchen und passt dann im nächsten Augenblick auch wieder in den versifften Glasgower Untergrund. Obwohl »Green Language« vom unersättlichen Genre-Mix lebt, dort wo Dirty South HipHop auf Grime trifft und nach dem nächsten Atemzug schon wieder eine Trance-Klimax ins Haus steht, fehlt dann irgendwie der letzte spannende Plot-Twist. Aber muss diese Frage bei einem Künstler, der sich und seine Musik so konstant weiterentwickelt, ohnehin nicht beantwortet werden? Mit ziemlicher Sicherheit sogar. 8/10 Kevin Reiterer

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Pop, Bass, Hop

Und anderes Musikalisches dazwischen und darüber hinaus. Kuratiert (haa!) von Amira Ben Saoud.

Alt J This Is All Yours (Pias)

Nara, am Ende der Welt Wir alle kennen diese Stimme: Dezent nasal, sich windend wie eine Natter. Sie singt auf dem zweiten Album von einer Reise in das mysteriöse »Nara«. Und plötzlich singt Miley. Dass ihr Bandnamen damals den Zeitgeist mitten in sein unberechenbares und kurzlebiges Herz traf, war vorprogrammiert: Alt J, ein Dreieck also am Mac-Keyboard, ist das ziemlich sicher langweiligste Zeichen, das sich eine Bewegung jemals auf den Arm tätowiert hat. Das war ein schöner Hype, nichts aber im Vergleich zum Debüt »An Awesome Wave«: Voll bis zum Rand mit noch selten zuvor so clever gebautem Indie-Pop. Verschnörkelte Math RockInstrumentalstrecken, schwere Beats und Bässe und darüber ganz viel verschrobenes A Capella. Das Englisch klang manchmal fast Asiatisch. Inzwischen ist das Quartett zum Trio geschrumpft, was kaum auffällt. Alt J ist ohne Zweifel eine der beliebtesten britischen Bands der letzten Jahre, nur eben ohne den üblichen Fame und Glamour. Wirklich wichtig war ja immer nur diese Stimme: leicht nasal, sich zwischen Höhen und Tiefen windend wie eine zischende Natter. In »Hunger Of The Pines« singt plötzlich Miley Cyrus I’m a Female Rebel, die es ja laufend schafft, coolen Indiepop mit sich selbst zu perforieren. Immer wieder zu R’n’B– Beats und säuselnden Stimmen hört man ein Sample aus dem Song »4x4«, eine traumhafte Fortsetzung von »An Awesome Wave«, dessen Motive sich auf der Platte verteilen wie die Farbkleckse am Cover. Und doch, man hat noch nie so intime und zerbrechliche Songs von Alt J gehört. Wann hatte Pop zuletzt Zeit für vierminütige Blockflöten-Quartette? Mit »Warm Foothills« beweist man seine neue Liebe für Folk à la Feist und Angus Stone. »Nara« ist schwermütiger Pop für die Christmette mit Latein-Litaneien und cleveren Beats. Das wildere, aufmüpfigere Album wird aber immer der Erstling bleiben. Statt sich aus wie damals mit »Fitzpleasure« aus dem Fenster zu lehnen, lässt man es diesmal die meiste Zeit aus Angst vor Zugluft geschlossen: Viele Songs haben etwas Andächtiges, halten feierlich an, ohne mit großen Motivbrüchen zu spielen. In den Tod entschlafen muss sich anfühlen wie »Arrival in Nara«. Ist das der Himmel? Ist das Weltmusik von ganz Oben? It is all yours. 08/10 Franzsika Tschinderle

Redinho Playing With Fire (Numbers) — Es gibt sie, Menschen, die Alben machen, die nach Weltall, dem Auto aus »Drive« oder Laufstegen klingen. Meistens nehmen sie dafür ein paar saftige Bässe, lustige Synths, und No-Brainer-Lyrics. Redinho ist auch so einer, nur kann er das irgendwie besser und smoother als die meisten – mit Liebe zum Detail eben. Da wird so sachte an den Sounds geschraubt, dass sie wie Referenzen, aber gleichzeitig aktuell klingen. Redinhos Debüt hat die Feuertaufe jedenfalls bestanden. Lil Silva Mabel EP (Good Years) — Banks’sches Gegurre geht mittlerweile auf Albumlänge; wer das Schlafzimmer aber auch mal verlassen will, dem sei Lil Silva ans Herz gelegt, der die amerikanische Sirene für zwei Songs seiner EP engagiert hat. Die sind zwar genauso aufreizend und sexy wie erwartet, »Mabel« hat aber eben auch noch schnellere Beats in petto und zeigt in aller Kürze, was Lil Silva kann: »Party, After-Party und Hotel-Lobby«. Eine gelungene »Fiesta« also. Shabazz Palaces Lese Majesty (Sub Pop) — Egal ob man’s experimentell oder kreativ nennt, es geht hier jedenfalls um eine besondere Variante von HipHop, wie man sie selten hört. Die Vocals stehen neben wohl strukturierten, aber atmosphärischen Soundgewölben, versinken und verlieren sich darin, tauchen ab und wieder auf. »Lese Majesty« ist eine Reise in eine schwere­lose Parallelwelt, in einen Traum. Die 18 (!) Stücke mit ihren unzähligen Schichten verlocken dazu, gar nicht mehr aufwachen zu wollen. Sophie Lemonade / Hard EP (Numbers) — Viel weiß man über Sophie nicht, außer dass die Nummer »Bipp« 2013 alle ziemlich unvorbereitet vom Sessel gehauen hat. Jetzt legt Sophie mit einer zwei Tracks starken EP nach. Das »Neue« ist weg, die Qualität aber geblieben. Auch wenn man nicht so genau weiß, was man da hört – man hört jedenfalls, dass jemand sehr viel Spaß hatte, das zu produzieren. Dieser überträgt sich auch sofort und ziemlich »hard« auf die Hörer. Craig David Cold [Single] (Universal) — Obwohl Craig David nie so wirklich weg war, klingt »Cold« so, als hätte er die längste Zeit in einem Keller gesessen, in dem nicht mitzubekommen war, dass Autotune 2014 eben nicht mehr so cool ist. Das ist aber egal, denn auf »Cold« wurden sämtliche Unmöglichkeiten (von Scratch-Geräuschen bis zur obligaten MDMA-Referenz) nach strengstem Pop-Hit-Setzkastenprinzip übereinandergelegt, bis es irgendwann richtig gut klang. Bitte jetzt noch ein Artful-Dodger-Comeback!

Und auSSerdem natürlich:

FKA Twigs – LP1 (Young Turks) Den hohen Erwartungen mehr als gerecht. Flying Lotus – You’re Dead (Warp) Überdosis LSD für die Öhrchen. Dicht. Vessel – Punish, Honey (Tri Angle) Auf Albumlänge schwächelt’s. Aber »Red Sex« ist alles. 051

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Pop. Was?

Für den Fetischcharakter und für die Regression des Hörens. Ausgewählt von Stefan Niederwieser. Kiesza Giant In My Heart So gut wie für »Hideaway« war die Video-Idee nicht. Alte Transen in New York sozialrealistisch abfilmen reicht allein noch nicht. Dafür dann die Musik. Wir haben es ja befürchtet, all die schrecklichen Dancefloor-Sounds der 90er können mit den richtigen Signalen und Kniffs plötzlich umkodiert und gut werden. Natürlich wird mit dem 90s-House-Revival auch wirklich viel Schwachsinn produziert, aber Kiesza ist eben die Ausnahme. Was ist Liebe? Das. Joshimizu MDMA (Indipendenza) — »Zodiak« war Bombe. Dort war Joshi auf der Hälfte aller Tracks zu hören und bildete mit Raf und Chakuza die Trinität der ausgewanderten österreichischen Rapper. Joshi war der Affe. Auf »MDMA« ist er wohl der coole Nerd. Natürlich mit engen Jeans und Gefühlen, vor allem aber mit den neuesten Konsolen, Lapdances und Drogenrausch in Tokio. Deutschen Rap 2014 trifft das ziemlich genau mitten ins limbische System. Dark Sky Imagin (Monkeytown) — Moderat haben ein Händchen dafür, neue Acts für ihr Label zu finden, die auf eine interessante Art wie sie selbst klingen. Dark Sky schreiben elektronisches Liedgut, das all die Raffinessen ausreizt, die digitale Sounds heute mit sich bringen können. Das Trio aus London holt alles aus den Boxen raus. Dabei ist das ihr Debüt. Sie mischen Club- mit deepen Tracks. Lieber Jon Hopkins, dir wurden soeben die Ohrwascheln gehörig lang gezogen. Mapei Hey Hey Bitte lasst Mapei nicht wieder ein Opfer eurer Industrie werden. Angel Haze, Chloe Howl, Thumpers oder Wolf Alice, sie alle mussten ihre Debüts immer wieder verschieben, wegen letzten Feilereien und Seilschaften. Dabei ist das Album fertig. Die US-Sängerin macht darauf schwedischen Pop in Reinform, mit Haltung, Refrains, verspieltem Bass und feinstem Blech. Irgendwo zwischen Charli XCX und Lorde, da wird bald auch ein Platz für Mapei in deinem Herzen frei. Bald. Odesza In Return (Ninja Tune) — Eigentlich haben wir die chillwavigen Chipmunk-Vocals und Instagram-Filter-Beats die letzten drei Jahre viel zu oft und viel zu ähnlich gehört. In zehn Jahren wird man Listen mit voll zu Unrecht vergessener Dream-Step-Musik mit Odesza, Giraffage, Stumbleine, Slow Magic oder Tycho füllen. Aber hey, auf diesem Festival heuer, als die Sonne aufging, da spielte dieses Duo aus Seattle drei ganze Songs, echte Songs, die man so von den anderen noch nie gehört hatte.

Und auSSerdem natürlich:

RL Grime – Void (Wedidit) Album macht Krater in dein Wohnzimmer. November. Julian & der Fux – Unglaublich (Motsa Remix) Noch besser als der Alt-J Remix. Hirn-, Bauch- und Beinmusik im besten Sinn. The New Pornographers – Brill Bruisers (Matador) Warum nicht einfach einmal total klassischer Indiepop?

Ariana Grande My Everything (Universal))

The Emancipation of Bambi Ariana Grande wird derzeit mit aller Gewalt zum neuen Megastar aufgebaut. »My Everything« soll nun mit A-ListProduzenten als sachgerechtes Pop-Manifesto dienen. Im letzten Jahr tauchte auf unseren Schirmen plötzlich ein kleines Rehkitz mit der Stimme von Mariah Carey auf und servierte tadellose 90s-R’n’B-Realness auf einem Silberteller. Das war eigentlich ganz gut, wirklich picken blieb Ariana Grandes Debüt »Yours Truly« jedoch nicht und mehr als Mini-Mariah war sie am Ende auch nicht. Das soll sich mit dieser Monsterproduktion ändern. »Problem« war nicht zuletzt wegen Pop-Chef Max Martin Arianas großer Moment. Das Iggy Azalea-Feature dürfte auch nicht geschadet haben, und Big Sean flüstert inkognito eine von gefühlten 37 Hooks in dem Song. So geht das. Im zweiten bereits bekannten Titel, »Break Free« mit Zedd, verschlägt es Bambi zwar ein bisschen zu sehr in Richtung Großraumdisko, aber im Zweifelsfall einfach fest an Robyn denken. Dieses Album ist ein wahres Feature-Fest. Childish Gambino, Sample von Diana Ross, The Weeknd, Darkchild, A$AP Ferg, Harry Styles, Cashmere Cat. Was ist hier eigentlich los? Ist Ariana Grande jetzt noch Teenie Star oder chillt sie inzwischen lieber mit Nicki Minaj? Das Mädel kommt aus dem Kinderfernsehen, trägt plötzlich Lackstiefel und macht einen auf Lolita, bekommt dann aber die besten Gastrapper für ihr Album und lässt ein Boyband-Mitglied Songs für sie schreiben. Das wirkt vielleicht schizophren, ist aber durchdacht. Sie wirkt noch immer greifbar für die Nickelodeon-Fans aus ihrer Anfangszeit und ist gleichzeitig cool genug für die schweren Jungs. Diese Art Popstar setzt sich heute immer mehr durch. Die Grenzen zwischen cool und uncool lösen sich auf. Und ein cleveres Produkt ist sie schon, und eines, das funktioniert noch dazu. Der Umbruch vom scheuen Bambi zur emanzipierten Raubkatze ist holprig, aber vielleicht ist sie es genau deshalb eben doch. Eine zweite Britney wird sie, wie schon so oft behauptet, sicher nicht. Vorübergehend hätte sie sich mit diesem Album allerdings ein Krönchen verdient. Denn mal wippt der Kopf mit, dann wird betrogen, dazwischen ein Piano-Balladen-Totalausfall, dann muss es wieder laut. Ein perfektes Album ist das in Anbetracht der Größenordnung nicht, um Ariana Grandes Status als nächste Pop-Prinzessin zu zementieren, reicht es jedoch allemal. 07/10 Franz Lichtenegger

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Neigungsgruppe Indie

Schöner Lärm, betörende Stille, alles dazwischen und natürlich die obligate Ausnahme. Ausgewählt von Manuel Fronhofer.

Klangkarussell Netzwerk (Universal)

Sonnentanz, unser Nothing Else Matters Dem geilen Saxofon eins hinterher schieben? Klangkarussell machen stattdessen ein relativ deepes Album. Ultraista als Supergroup zu bezeichnen ist eigentlich etwas überzogen. Wenn sich Leute wie Nigel Godrich (Produzent von Radiohead oder Paul McCartney) und Joey Waronker (Szene-Drummer von Beck, R.E.M. oder Atoms For Peace) zusammentun und mit der Künstlerin Schrägstrich Sängerin Laura Bettinson eine Band gründen, geht das mit zugedrücktem Auge schon als Supergroup durch. Soundseitig und erfahrungstechnisch sind die Musiker sowieso mit sämtlichen Wassern gewaschen. Es wundert also kaum, dass der Output nicht nur hochmusikalisch, sondern auch fortschrittlich geraten ist. Ultraista machen Jetztmusik. Die Band verschmiert Genres und Ästhetiken wie Hauntology, 2 Step, Techno, Afrobeat, Synthie-Pop oder Krautrock zu einem dichten Klanggemälde. Soundmalerisch verschwägert ist man mit Acts wie Four Tet, Caribou oder auch so manchem Post-Dubstep-Projekt. Dass Broken Beats, krautige Electronica und verhallter Dreampop aktuell für unzählige Electronic-Acts zum guten Ton gehören, ist kein Geheimnis. Viele hübschen ihre Popmusik derzeit mit diesen Sounds auf. Ultraista drehen ihre Tracks aber weiter als andere und geben sich nicht mit diesem ästhetischen Standard zufrieden. Hinter jeder Synthie-Fläche und hinter jedem Beat zwiebeln sich Unsummen an Geräuschen, Effekten und minimalistisch eingesetzten Instrumenten hervor. Das zeichnet neben den loopartigen und poppigen Gesangsparts und den gefinkelten Beat-Texturen die Musik von Ultraista aus. Die Tracks sind auf einem hohen produktionstechnischen Niveau unaufgeräumt, aber trotzdem nicht überladen. Sie überfordern das Ohr nicht und bleiben so auch für an Pop gewohnte Hörer konsumierbar. Darin liegt die Stärke dieser Musik. Ein bisschen mehr Pomp hätte dem Album teilweise nicht geschadet. Trotzdem kann man Ultraista nicht übertriebenes Understatement vorwerfen. Ein breit aufgestelltes, spannendes Popalbum zu machen, ist die Königsdisziplin in Sachen Produzententum. Nigel Godrich, Joey Waronker und Laura Bettinson haben sich mit diesem Debüt bereits gekrönt. 07/10 Stefan Niederwieser

The Wytches Annabel Dream Reader (Heavenly) — »Voodoo« ist auf dem Post-it vermerkt, das der Kollege auf der Promo-CD der Wytches angebracht hat, gleich unter »räudig«. Und ja, die Band aus Brighton scheint tatsächlich unter dem Einfluss schwarzer Magie zu stehen. Kristian Bells ungezähmter Gesang legt selbst in den ruhigen Momenten eine gewisse Besessenheit nahe und verleiht der düsteren Psychedelik auf diesem Debüt etwas Gefährliches, das einwandfrei mit dem garagigen Sound und den Surf-Einflüssen zusammengeht. King Creosote From Scotland With Love (Domino) — Der Mann hat ein Händchen für Kooperationen: zuletzt »Diamond Mine«, gemeinsam mit Jon Hopkins eingespielt und immerhin für den Mercury Prize nominiert, und jetzt dieser Soundtrack zur gleichnamigen, aus Archivmaterial bestehenden Doku von Virgi­ nia Heath. Die Songs – es gibt vor allem sanften Folk und fein ausarrangierten Chamber-Pop – erzählen Geschichten, für die die Videoaufnahmen als Inspiration dienten. Eine oft herzerwärmende und jedenfalls gelungene Auftragsarbeit. Generationals Alix (Polyvinyl) — Mit »Put A Light On« hat das Duo aus New Orleans auf seinem letzten Album einen echten Pop-Hit versteckt, den die Welt aber nicht hören wollte und daher auch nicht verdient hat. »Alix« hat gleich mehrere davon im Angebot. Luftig-leichte Songs, unaufdringlich, aber eingängig. Organisches und Elektronisches in Harmonie. Die orange­ farbene Sonne am Horizont. Später dann: Falsettgesang unter der sich langsam drehenden Discokugel. Bleibt zu hoffen, dass die Welt aus ihren Fehlern lernt. Deers Demo [Single] (Lucky Number) — Ana Garcia Perrote und Carlotta Cosials haben mit »Bamboo«, der A-Seite dieser Single, ein wunderbar holperndes Stück Musik vorgelegt. Ein Kleinod, das es sich zwischen Lo-Fi- und Sixties-Pop gemütlich macht und bei dem eine gewisse Mühelosigkeit locker mitschwingt. Die B-Seite »Trippy Gum« lotst die Gitarren – ähnlich entspannt – Richtung Psych-Pop. Dazu auch hier das intuitive Wechselspiel der Stimmen der beiden Spanierinnen. Bitte bald mehr davon! The Very Pleasure Kongress der Unvernunft (Geco Tonwaren) — FM4-Sumpfist Fritz Ostermayer und Oliver Welter von Naked Lunch betreiben seit zehn Jahren dieses gemeinsame Projekt. Seit 2005 unter Mitwirkung von Hans Schabus am Korg MS20. Auf »Kongress der Unvernunft« geben Coverversionen (Lee Hazlewood, Daniel Johnston, John Cale, Procol Harum, …) die Stimmung vor. Die Eigenkompositionen tragen Schmalz und Schmerz aber genauso dick auf. Würdevoll oder jämmerlich? Kategorien, die sich hier in Auflösung befinden.

Und auSSerdem natürlich:

Alvvays – Alvvays (Transgressive) Indie-Pop, mit dem der Sommer in die Verlängerung geht. Spoon – They Want My Soul (Anti) Nach über 20 Jahren längst auf höchstem Niveau. Various Artists – A Tribute To Nils Koppruch & Fink (Trocadero) Würdevolles Gedenken an einen ganz Großen. 053

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Planet der Affen – Revolution (von Matt Reeves; mit Jason Clarke, Andy Serkis, Keri Russell) — Es ist eines der berühmtesten Schlussbilder der Filmgeschichte: Die Überreste der Freiheitsstatue, vor denen Charlton Heston in »Planet der Affen« zu Boden sinkt. Ein starkes, ein fulminantes Ende, doch keine verblüffende Wendung. Die Erkenntnis, dass der Planet der Affen und die Erde ident sind, ist lediglich die Bestätigung der in jeder Phase des Filmes überdeutlichen Botschaft: Die Affen sind nicht die sogenannten Anderen, sind nicht das binäre Gegenstück zur modernen westlichen Gesellschaft. Sie sind ihr Spiegelbild. »Planet der Affen – Revolution« führt diesen Gedanken konsequent fort, indem er von Anfang an den Blickpunkt der Affen einnimmt. Der Schimpanse Caesar (Motion-Capture-Gott Andy Serkis) führt in den Wäldern eine Kolonie von Primaten an. Diese verfügen über einen hochentwickelten Intellekt, Resultat eines Experiments, das zugleich fast die gesamte Menschheit ausgerottet hätte. Einige menschliche Überlebende sind jedoch just von der Stromerzeugung eines Dammes abhängig, der sich in Caesars Revier befindet … Der Film thematisiert konsequent den menschlichen Hang zu Missgunst, Gewalt und Völkermord. Die Stimmen, die auf beiden Seiten zu einem harmonischen Miteinander aufrufen, gehen im Toben des anbrechenden Kampfes um die Vorherrschaft unter. Es ist ein bildgewaltiger, sehenswerter Kampf. Während Caesar und die Primaten überwältigend in Szene gesetzt, von Serkis und Co. mit einem Mix aus unbändiger Kraft und messerscharfem Verstand gespielt werden, schwächeln die nicht-animierten Darsteller leider ein wenig. Und ja, ein bisschen vermisst man dann doch ein gewaltiges Schlussbild, wie es das Original vor 50 Jahren geboten hat. 07/10 Leo Dworschak Dido Elizabeth Belle (von Amma Asante; mit Gugu Mbatha-Raw, Matthew Goode, Tom Wilkinson) — Elizabeth Belle ist 18, als sie erkennt, dass sie gleich zweifach unfrei und die Welt barbarisch ist. Sie ist eine Frau und sie ist schwarz und hat im England des 18. Jahrhunderts somit weder Rechte noch Ansehen. Eine Welt, in der Menschen als »Fracht« gehandhabt werden und es eine »Mulattin« am besten getroffen hat, wenn sie einer »aristokratischen blonden Göre die Haare bürsten darf«. Aber bei Elizabeth Belle (Gugu Mbatha-Raw) ist etwas anders: Sie ist eine Adelige, die erste adelige Schwarze, die man in England jemals in ein Korsett gezwängt hat. Sie ist die Tochter des englischen Offiziers John Lindley und einer afrikanischen Sklavin. Aus schlechtem Gewissen, viel mehr aber aus Liebe holt sie ihr Vater nach England in die Obhut eines strengen, aber herzensguten adeligen Ehepaars. Mit »Belle« hat Amma Asante einen bewegenden Historienfilm inszeniert, frei nach wahren Begebenheiten vor dem Hintergrund eines wegweisenden britischen Rechtsstreits, der das Ende des Sklavenhandels heraufbeschwören sollte: 123 Sklaven ertrinken auf dem Weg von Afrika nach Westindien, nicht durch einen Unfall, sondern beabsichtigt, um die Versicherung zu kassieren, wie einige junge, liberale Studenten im Zuge des Prozesses aufdecken können. Mittendrin: Elizabeth Belle, gespalten zwischen ihrer wirklichen Herkunft, ihrer Rolle als Adelige und einer großen Liebe, für die sie alle diese diktierten Werte zurücklassen wird. Eine tabubrechende Biografie der vielleicht vornehmsten Revoluzzerin der Geschichte.

Film

22 Jump Street (von Phil Lord & Chris Miller; mit Channing Tatum, Jonah Hill, Ice Cube)

Frat Boys Die besten Buddy-Cops seit »Lethal Weapon« sind zurück. Schmidt und Jenko ermitteln dieses Mal am College-Campus. Knallbunte Actionkomödie, hervorragendes Sequel. Michael Mann exerzierte mit »Miami Vice« vor, wie man 80er-TV-Kult stilecht im Kino wiederbeleben kann. Was in der Serie grell und bunt war, ersetzte er durch Düsternis (immer in Mode), den Plot verwandelte er in ein zeitloses Drogen- und Beziehungsdrama. Phil Lord und Chris Miller wählten für ihre Verfilmung der Serie »21 Jump Street« – ebenfalls aus den 80ern, ebenfalls über Drogenfahnder – eine völlig andere Herangehensweise. Greller, bunter, schräger lautete ihre Devise, rotzfrech stopften sie den Plot mit kurzlebigen Popkultur-Referenzen voll. Und es gelang! Gemeinsam mit dem kongenialen Darsteller-Duo Hill / Tatum hoben sie »21 Jump Street« in den Olymp der Buddy-Action-Komödien. Die entsprechend hohen Erwartungen an »22 Jump Street« werden in den ersten Minuten des Films unter einem Berg an No-Gos aus dem reichhaltigen Fundus verpatzter Hollywood-Sequels begraben. Die Krönung der Schändlichkeiten: Ein Krankamera-Schwenk über ein ins Licht der Dämmerung getauchtes Parkhausdeck, der einem feuchten Traum Michael Bays entsprungen sein könnte. Doch spätestens als Schmidt (Jonah Hill) und Jenko (Channing Tatum) über Budget-Erhöhungen und das Verfallen in erprobte Muster zu diskutieren beginnen, ist klar, dass es sich bei »22 Jump Street« keineswegs um einen plumpes, uninspiriertes Sequel handelt. Von Anfang an spielt der Film mit dem Konzept, Teil zwei der Actionkomödie zum Klon seines erfolgreichen Vorgängers zu machen. Wie in »21« müssen Schmidt und Jenko eine tödliche Droge aus dem Verkehr ziehen. Wieder entfremden sie sich voneinander und scheitern schließlich. Wieder müssen sie ihre Freundschaft retten, um den Fall am Ende zu lösen. »22 Jump Street« ist ein klassisches Sequel – die Witze sind extremer, die Explosionen größer, die Action gewaltiger. Zugleich ist der Film aber auch ein Meta-Sequel, eine brüllend komische Abrechnung mit den Peinlichkeiten des Fortsetzungswahns. Ein hervorragendes Skript, tolle Regie (erneut Lord / Miller, siehe auch »The Lego Movie«) und das beste Buddy-Duo seit Riggs und Murtaugh machen den Streifen zu einem perfekten zweiten Teil. Eine ähnlich hohe Halbwertszeit wie Manns »Miami Vice« ist ihm aufgrund seiner Verankerung in der kontemporären Popkultur nicht vergönnt, im Hier und Jetzt ist »22 Jump Street« aber einsame Spitze. 09/10 Leo Dworschak

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Film

Wie der Wind sich hebt (von Hayao Miyazaki)

Abflug zum Abschied Auch in seinem finalen Werk setzen sich der Pioniergeist und Ideenreichtum von Anime-Altmeister Hayao Miyazaki fort. Ein wehmütiger und doch überdauernder Schlusspunkt seines Schaffens. Wer war Jiro Horikoshi? Wem dieser Name ein Begriff ist, der weiß, dass der Herr vornehmlich an der Entwicklung der im Zweiten Weltkrieg eingesetzten Jagdflugzeuge beteiligt war. Lose an dessen Biografie orientiert setzt die nicht weniger bekannte Koryphäe des Animationsfilms Hayao Miyazaki dem Flugzeugkonstrukteur ein Denkmal. Jiro, ein kleiner Junge in der japanischen Provinz, möchte, wenn er denn mal groß ist, fliegen. Doch seine Augen sind nicht jene eines Piloten und so entdeckt er eben die Welt des Flugzeugbaus. Durch eine Anstellung bei Mitsubishi erfüllt sich nicht ganz ohne Widerstände sein Traum, Flugzeugkonstrukteur zu sein. Dann ist da noch Naoko, der er mitten im Erdbeben des Jahres 1923 erstmals begegnet, sie aus den Augen verliert und Jahre später wieder trifft – jedoch nicht ohne einer die Liebe herausfordernden Tragik. Am Ende ist es scheinbar nur ein Traum, der sich zwar erfüllt, aber mit dem Wind ebenso wieder vergeht. Während der Chronologie des beruflichen Werdegangs Horikoshis zumeist korrekt gefolgt wird und diese somit den roten Faden des Films bildet, erlaubt sich Miyazaki in der privaten Biografie künstlerische Freiheit und auch für ihn eher ungewöhnliche autobiografische Töne. In diesem Film geht es aber auch weniger um getreue Reüssierung des Lebens eines Flugzeugkonstrukteurs, als vielmehr um den Traum und das Erfinderstreben eines kleinen Jungen, die letztendlich der eigenen und der fremden Skepsis zum Trotz bis ins Alter bestehen bleiben. In der für ihn typischen ästhetischen und farbkompositorischen Tradition erzählt Hayao Miyazaki in leichtfüßiger Manier wieder von Unzulänglichkeiten des Realen und scheinbar verdeckten Sehnsüchten des Wundersamen, die das große Ganze ergeben – diese eine einzige Welt, die von sich aus ist, und durch uns und unser Vorstellungsvermögen noch mannigfaltiger wird. Nichts anderes kann man sich von diesem Regisseur erwarten. Angeblich schickt Miyazaki mit »Wie der Wind sich hebt« die Zuseher auf die letzte Reise, denn es ist sein Abschiedswerk. Und mit eben diesem wird ein großes Erbe an Fantasmen, die mit Realem ein unglaubliches Bündnis eingehen, in der Welt des Animationsfilms hinterlassen. Auch wenn Miyazaki uns keine neuen Welten mehr eröffnen sollte, so sind die bisher von ihm geschaffenen ein Trost, der andauern wird. 08/10 Miriam Frühstück

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Helmut Kaplan, Edda Strobl, Simon Häußle (Hrsg.) Once Upon/Tonto (avant-verlag)

Clive Barker, Mark Miller, Haemi Jang Clive Barker’s Next Testament 01 (Boom! Studios) — Wenn jemand dem Klischee des rachsüchtigen Gottes aus dem Alten Testament neue Farbe geben kann, dann ist es Großmeister Clive Barker. Gott nennt sich Wick und ist bösartiger und skrupelloser als es die schlimmsten Passagen der Bibel vermuten lassen würden. Der spirituelle Wahn eines grenzenlosen Megalomanen mündet in die Rückkehr von Wick auf der Welt der Menschen. Auf groteske Weise schelmisch taucht Wick in Farben und Glanz gehüllt auf und verspricht eine neue Welt. In neo-biblische Details von Haemi Jang gehüllt und von der Skriptmagie Mark Millers gefüttert, entfaltet sich »Clive Barker’s Next Testament« als gekonnter blutrünstiger abrahamitischer Psychothriller. 07/10 Nuri Nurbachsch Warren Ellis, Jason Howard Trees 02 (Image Comics) — Unser liebster böser Onkel Ellis schießt zur Zeit aus vollen Rohren. Für Marvel Comics verpasst er der mentalen Verwirrtheit von Moon Knight einen cineastischen, zeitgemäßen neuen Anstrich. Dem wohl meistdiskutierten Superman-Klon der frühen 2000er, Supreme, verschafft er einen Neustart bei Image. Und auch bei Image dreht er nebenbei mit seinem Stock am Rad des »Alien Horror«-Genres. Trees wirft uns in eine Zukunft, in der Aliens auf der Erde gelandet sind. Ihre riesigen Raumschiffe – zumindest werden sie dafür gehalten, keiner weiß, was sie wirklich sind – stehen wie gigantische Weltallbäume überall auf der Welt, ragen kilometerweit in die Höhe. In ihrem Schatten verändert sich Politik und Gesellschaft der Menschen. Manchmal lösen sie ökologische Katastrophen aus. Aber in allem scheinen sie kein Interesse an den Menschen zu haben. Es gibt keinen Kontakt, niemand weiß, wie die Besucher aussehen, was sie wollen. Hier setzt Ellis an. Geschickt schildert ein beinahe banales Leben nach einem Event, das eigentlich kataklysmisch hätte sein sollen. Es aber nicht wirklich war. Die Auswirkungen schleichen unbeachtet heran. Ellis erzeugt mit Hilfe der direkten, eleganten visuellen Umsetzung von Jason Howard eine gruselige Stimmung herannahenden, unbestimmten Unheils. 08/10 Nuri Nurbachsch Conor Stechschulte The Amateurs 03 (Fantagraphics) — Horror kann vielerlei Dimensionen annehmen. Manchmal ist es der Terror eines Monsters, manchmal nur die Gefahr bevorstehenden Unheils. Manchmal ist es auch nur die Andeutung geheimer Zusammenhänge und undurchschaubarer Ereignisse. Wir wollen hinter den Vorhang blicken. Unsere Fantasie geht mit uns durch. Plötzlich wird aus einem harmlosen Haarband eines jungen Mädchens das Symbol eines infamen Kultes. Conor Stechschulte webt die beinahe slapstickartige Story zweier unter Amnesie leidender Fleischhauer in lose Tagebuch-Erinnerungen an einen verstörenden Sommer. Während wir uns fragen, was mit Jim und Winston los ist, ob sie tot sind, warum sie sich an nichts erinnern oder warum ihr Laden leer ist, taucht Stechschulte immer wieder in die beunruhigenden Aufzeichnungen der Anne Nemeth ein. Über The Amateurs liegt eine andersartige, unheilschwangere Stimmung, über die auch die komischsten Elemente nicht hinwegtäuschen. Grandioses alternatives Horrordebüt von Stechschulte. 09/10 Nuri Nurbachsch

C o m ics

Es war einmal Tiere, Zwerge, Pilze. Eine Sexdurststrecke am Mars. Oder Feminismus in der Wüste. Die Bandbreite, die von der ComicPlattform Tonto abgedeckt wird, birgt viel Entdeckenswertes. »Once Upon« ist die neueste Manifestation der sich immer wieder neu erfindenden »Plattform für experimentelles Comic« namens Tonto. Tonto lässt im Titel gerne viel anklingen und viel offen. »Once Upon« suggeriert mit seinem Titelbild, das eine Art Zelltierchen darstellt, mehr als nur Vergangenes und Märchenhaftes – es geht um eine Vergangenheit, die durch die Evolutionsstufen hindurch noch immer Teil von uns ist und auf uns einwirkt. Michael Jordan versetzt uns in eine matriarchalische Frühwelt, in der Frauen exotische Pflanzen zerhacken und als Architektinnen einer komplexen Symbiose aus Kultur und Natur auftreten. Sie sind eins mit dieser Welt, insbesondere im Bild »Damenrunde«, in dem sie nackt auf einer weichen Membran liegen. Die Männer scheinen sich von dieser Welt entfremdet zu haben. Man muss ihnen sagen, was zu tun ist – muss sie Holztragen schicken. Ohne diese liebevoll-funktionale Einbindung sind sie verloren, irren umher in Wäldern, deren Formen an das Innere eines Lebewesens erinnern ... Sehen wir vielleicht nicht die Vergangenheit, sondern die Zukunft nach dem materiellen und psychischen Zusammenbruch des Patriarchats? Anke Feuchtenberger will »Once Upon« radikal verstehen und holt das ins dunkle Vergessen gehüllte Vergangene wieder zum Vorschein – eine Ur-Schnecke erscheint vor einem Agrarsilo, ein Kind schwebt über einem Teich, eine schwarze Kugel erleuchtet den nackten Körper einer Frau auf einem Industriegelände. Das verharmlosende »Es war einmal« aller Märchen bricht hier mitten in eine nichtsahnende Welt und stellt uns vor das dunkle Mysterium unseres eigenen Ursprungs. Von einfachen Formen des Lebens wimmelt es im Whirlpool eines mexikanischen Reiseberaters. Edda Strobls »Prairie Sex Sketches« nehmen uns mit auf eine Entdeckungsreise zweier Frauen, die ebenso naiv wie abgebrüht sind. Die sexuelle Belästigung des Reiseberaters wird kurzerhand dazu benutzt, um die eigenen Reisepläne umsetzen können – eine kleine Erpressung und schon dürfen die jungen Frauen ihren Wagen bei ihm abstellen. Ein verwegener Feminismus ist hier am Werk, der es Frauen quasi per Fernbedienung ermöglicht, sich aus der Opferrolle in eine wunderbare Vorstellung weiblicher Freiheit hineinzuzappen. Helmut Kaplan berichtet von der Vergangenheit der Zukunft, einer Reise am Mars, bei der es laut Titel um Sex gehen soll. Wenn damit die Szene gemeint ist, in der eine Marspflanze ihr klebriges Sekret auf den Schutzhelm einer Astronautin entlässt, dann ist »Sex on Mars« ein absurdes und leidenschaftsloses Ereignis. Es löst dennoch einige Irritation bei den beiden männlichen Astronauten aus, die ihre attraktive Kollegin wohl schon etwas zu lange durch die endlose Landschaft begleiten. Die Erkundung des Mars als sexuelle Durststrecke. 08/10 Alexander Kesselring 01

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G a m es

Der erste Weltkrieg im Spiel Das allgemeine Erinnern an den Beginn des ersten Weltkriegs wird mit »Valiant Hearts« um ein höchst interessantes Spiel ergänzt. Ein Adventure voller Geschichtsbewusstsein und Liebe zum Detail. Weltkriege und Games gehören schon lange zusammen. Auch wenn dies häufig den WWII betrifft. Da werden in Egoshootern brutale Auseinandersetzungen als spannungsgeladene Szenarien präsentiert und nicht nur die beiden immer noch immens erfolgreichen Spielserien »Call Of Duty« und »Medal Of Honor« haben hier ihren Ursprung. »Valiant Hearts« macht beinahe alles anders. Das Adventure wurde von Ubisoft entwickelt und erregt gerade zurecht einiges an Aufsehen. Die Grafik ist liebevoll, reduziert – aber nicht harmlos. Echte Brutalitäten werden zwar ausgespart, so richtig lieblich geht es hier aber auch nicht zu. Als Spieler übernimmt man die Steuerung verschiedener Figuren und hat in angenehm kurzen Abschnitten verschiedene Aufgaben zu erledigen. Nicht selten gilt es dabei – quasi als permanente Nebenaufgabe – gegnerischem Feuer auszuweichen. Der als böse inszenierte Gegner ist natürlich ein Deutscher, generell wird aber vermieden, einfache Muster zu stricken und etwa gegen »die Deutschen« Stimmung zu machen. Eine der Hauptfiguren selbst ist der Deutsche Karl. Die Level sind kurz und abwechslungsreich, die Rätsel meist schaffbar. Interessierte können in jedem Abschnitt verschiedenste Hintergrund-Informationen nachlesen und auch nachvollziehen, wie sich die Entwickler für bestimmte Abschnitte und Szenen von historischen Fakten haben beeinflussen lassen. »Valiant Hearts« ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich, besticht mit absolut gelungenem Design und schafft gekonnt die Balance zwischen tragischer Geschichte und Spielspaß. 08/10 Martin Mühl

Valiant Hearts – The Great War (Ubisoft); Xbox One getestet, Xbox 360, PS3, PS4, PC; valianthearts.ubi.com 057

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Steve McCurry – Unguarded Moment

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TEXT Franz Lichtenegger BILD Steve McCurry, Martin Gostner, Art Evans © Katharina Grosse und Bildrecht, Jérôme Fino, Chieh-Jen Chen, Bildrecht – Kunst/Geschichten, Katrin Hornek

Anders als sein Name vermuten lässt, ist Steve McCurry kein leckerer Burger, sondern einer der renommiertesten Fotojournalisten unserer Zeit. Die Arbeiten, die ab August in der Salzburger Leica Galerie ausgestellt werden, unterstreichen das. Als sein Markenzeichen gelten bewegende, ungeschönte Momentaufnahmen aus Kriegsgebieten und imposante Farben. Große Bilder, die große Geschichten erzählen. Eröffnung: 7. August, 17.00 Uhr; Dauer: bis 27. September Salzburg, Leica Galerie

TERMINE KULTUR

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TERMINE

KULTUR

Martin Gostner – Matrix 1914

TEXT Franz Lichtenegger BILD Steve McCurry, Martin Gostner, Art Evans © Katharina Grosse und Bildrecht, Jérôme Fino, Chieh-Jen Chen, Bildrecht – Kunst/Geschichten, Katrin Hornek

100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs wird in der Steiermark ein Denkmal gesetzt. In Knittelfeld entstand damals das zweitgrößte Gefangenenlager Österreichs, ein Kunstwerk von Martin Gostner soll jetzt daran erinnern. Ausgehend von dem Gedanken des immerwährenden Vorhandenseins soll die aus Watte bestehende »Matrix 1914 (Der Krieg über mir)« zum Gedenken und Vorausschauen anregen. Eröffnung: 31. August Knittelfeld, Friedhof

Katharina Grosse – Wer, ich? Wen, du? Schon seit den 90ern macht Katharina Grosse ihrem Namen alle Ehre und zählt mittlerweile zu den bedeutendsten Künstlerinnen ihrer Generation. Heute hat sie offenbar noch sehr viele Fragen und haut für »Wer, ich? Wen, du?« ordentlich auf den Putz. Hier wird nicht mit Farbe gespart. Ein skulpturaler Schleier legt sich auf die übermalten Räume und Objekte. Die Ergebnisse kommen wunderbar bunt daher. Dauer: bis 12. Oktober Graz, Kunsthaus

Jérôme Fino – Open Jack Der Franzose Jérôme Fino ist ein schlauer Fuchs. Über das gesamte Museumsquartier verstreut will er Soundinstallationen verstecken und so das Areal in einen überdimensionalen Klangkörper verwandeln. Als Besucher sollte man also aufmerksam sein, man könnte jederzeit vor, unter oder auf einem Lautsprecher stehen. Das Ganze geschieht sinnvollerweise im Rahmen des MQ Summer of Sounds. Dauer: bis 28. September Wien, Street Art Passage/MQ

Chieh-Jen Chen Im Zuge des diesjährigen Ars Electronica Festival wird im Lentos ein echter Zungenbrecher gezeigt: Die Videoinstallation »Realm of Reverberations« von Chieh-Jen Chen befasst sich mit der Unwirtlichkeit von Städten und den davon betroffenen Opfern. Im Mittelpunkt stehen vier sehr unterschiedliche Frauen und ihre Leben, die vom Losheng Sanatorium für Lepra-Kranke in Taiwan beeinflusst werden. Dauer: 5. September bis 14. September Linz, Lentos Kunstmuseum

Kunst / Geschichten Zahlen, bitte: 230 Werke von 44 Künstlern aus 19 Ländern. Vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart soll Geschichte anhand von Kunst aufgebaut werden und so neue Sichtweisen auf historische Ereignisse eröffnen. Das Medienspektrum ist dabei ähnlich breit gehalten wie der Künstler-Kader, von Malerei über Fotografie und Video bis hin zu Installationen und Textilarbeiten ist wirklich alles dabei. Dauer: bis 26. Oktober Salzburg, Museum der Moderne

Plein Air Gemeinsame Interessen können zu Freundschaft führen, oder eben zu dialogischen Ausstellungen. Im Fall von Eva Engelbert und Katrin Hornek verbindet sie eine Vorliebe für Natur- und Sehnsuchtsbegriffe, die beide Künstlerinnen in eigenständigen Arbeiten auf unterschiedliche Weise ausdrücken und kommunizieren. Freilichtmalerei meets Konzeptkunst, Nationalpark meets Nordbahnhof, Eva meets Katrin. Eröffnung: 3. September, 19.00 Uhr; Dauer: bis 11. Oktober Innsbruck, Neue Galerie 059

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und Gesellschaft

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Kunsthalle Wien T ermine

G a lerien

»Das Haus«, Video, 2014

Aglaia Konrad

Tina Ribarits

Die österreichische Künstlerin Aglaia Konrad hat eine ganz eigene Sprache in ihrer Fotografie entwickelt. In ihren Arbeiten setzt sie sich häufig mit urbanen Räumen und der Globalisierung auseinander. Im Fotohof Salzburg wird ihre neue 16-mm-Videoarbeit, »Das Haus«, aufgenommen im Haus des Architekten Julian Lampeens, präsentiert. Sie zeigt ein Wechselspiel von Ecken und Kanten inmitten skulpturaler Architektur, in der die Kamera bzw. das Kino zum Spiegel und Fenster wird. Darin erforscht sie, ob man mittels rein visueller Erfahrungen auch eine körperliche Wahrnehmung erzeugen kann. bis 13. September Fotohof, Salzburg

In ihren Bildern und Installationen spielt die 1981 geborene österreichische Künstlerin mit der Faszination des Unheimlichen. Dabei nimmt sie Anleihen an die viktorianische Literatur des 19. Jahrhunderts und deren Hollywood-Verfilmungen der 30er und 40er Jahre. Zum Beispiel Alfred Hitchcocks »Rebecca« und seinem beklemmenden Landhaus Manderley, das als Schnittstelle zwischen der Schönheit der Natur und ihrer Bedrohlichkeit fungiert. Eine weibliche Stimme rezitiert Texte, entführt in eine vor-feministische Zeit, während die ausgestellten Bilder voll Nebel hängen. bis 18. Oktober Galerie Reinthaler, Wien

Kärnten

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Steiermark

Welten Galerie Judith Walker, Schloss Ebenau, Weizelsdorf bis 14. September

Der private Blick – Brus in Privatsammlungen Neue Galerie, Graz bis 26. Oktober

Niederösterreich

Tirol

Daniel Spoerri – Neue Werke Ausstellungshaus Daniel Spoerri, Hadersdorf am Kamp bis 2. Oktober Richard Kaplenig – Malerei, Nadja Hlavka – Bilder Galerie Gut Gasteil, Prigglitz bis 31. August

Oberösterreich

TEXT Carola Fuchs BILD Fotohof Salzburg, Galerie Reinthaler

»Tara«, Filmstill, 2014

Nicole Six & Paul Petritsch – Das Meer der Stille Landesgalerie am OÖ Landesmuseum, Linz bis 14. September Wunder Katze Galerie der Stadt Wels bis 12. Oktober

Salzburg

Die Tätigkeit des Zeichnens Galerie 5020, Salzburg bis 27. September Alfred Kubin Galerie Seywald, Salzburg bis 27. September Stuhl und/oder Sessel – Vom Hocker zum Fauteuil Galerie im Traklhaus, Salzburg bis 13. September Top Of Art – Von Christo bis Warhol Galerie Weihergut, Salzburg bis 12. September

Jakob Gasteiger Artdepot, Innsbruck bis 18. September Sculpture Unchaperoned – Contemporary International Positions Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Innsbruck bis 20. September

Wien

Andreas Perkmann Berger Artbits Galerie bis 15. September Armin Göhringer Galerie Hrobsky bis 25. Oktober Bernard Ammerer Galerie Frey bis 13. September Benjamin Hirte Galerie Emanuel Layr bis 1. Oktober On paper – Curated by Sepp Auer Christine König Galerie bis 27. Oktober Unicorn Is More Than Nation Knoll Galerie bis 20. September Unframed – Kunst außerhalb des Rahmens Galerie Raum mit Licht bis 20. September

Museumsquartier Neue WeGe NIcHtS Zu tuN 27/6 – 12/10 2014 #Nothing „I would prefer not to“ – Ausgehend von der freundlichen Verweigerungshaltung von Bartleby dem Schreiber widmet sich die Ausstellung Neue Wege nichts zu tun mit mehr als 20 internationalen Positionen der kreativen Verweigerungshaltung in der zeitgenössischen Kunst. Sie stellt vor allem Arbeiten von Künstler/innen in den Fokus, bei denen das „Nichtstun“ ein eigenes Potenzial in Hinblick auf die Anforderungen (und Zumutungen) einer auf Aktivität und Produktivität konzentrierten Gesellschaft entfaltet. Alle Infos zu Ausstellung und Programm unter: www.kunsthallewien.at Kunsthalle Wien Museumsplatz 1, 1070 Wien, Austria kunsthallewien.at blog.kunsthallewien.at facebook.com/KunsthalleWien twitter.com/KunsthalleWien instagram.com/KunsthalleWien

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TERMINE

FESTIVALS

4 Fragen an Markus Keuschnigg (Slash Filmfestival) Slash feiert fünfjähriges Jubiläum. Was hast du gelernt, was habt ihr verbessert? Bei einem Festival, das sich innerhalb von nur wenigen Jahren von der Besucherzahl her mehr als verdoppelt hat, muss man sehr darauf achten, dass die Seele nicht verloren geht. Wir professionalisieren uns natürlich in einigen essenziellen Feldern, andererseits muss der DIY-Spirit, der uns schon im ersten Jahr angetrieben hat, bestehen bleiben. Ihr startet das 1. Österreichische Forum des Fantastischen Films in Koop mit dem Filminstitut. Worum geht es dabei? Ein Filmfestival soll sich im besten Fall auch mit der jeweiligen Filmbranche vernetzen. Gerade in Österreich gibt es noch wahnsinnig viel Halbwissen und kaum Erfahrungen, wenn es um das Handwerk, das zum Realisieren eines Fantastischen Films notwendig ist, geht. Insofern ist es unser erstes Ziel, mit dem Forum mehr Gäste nach Wien einzuladen, die sich dann mit österreichischen Filmkreativen austauschen können. Wie passt das Anime »Die Legende von Prinzessin Kaguya« zum Horrorfilm-Programm? Bei uns findet alles seinen Platz, was sich, vereinfacht gesagt, nicht der naturgesetzlich geregelten Wirklichkeit verpflichtet fühlt. Die Bandbreite ist da natürlich enorm und gerade an den Außenrändern dieses Universums finden sich oft die spannendsten Arbeiten. Auf welche Specials darf man sich freuen? Neben etlichen Festival-Partys, darunter auch ein Live-Auftritt der Synth-Punk-Ikone Kurt Dirt aus Manchester, und dem bereits traditionellen Zombie-Walk wird heuer Christian Fuchs im Celeste-Keller in das von ihm sehr geschätzte Universum des Super-8-Films einführen. Wir werden gemeinsam zu einer Nachtführung nach Schönbrunn aufbrechen und Nesterval wird für uns eine Schnitzeljagd im Narrenturm inszenieren. Es gibt viel zu tun, viel zu erleben, viel zu sehen. Im Zentrum werden aber immer die Filme stehen. Slash Filmfestival 18. bis 28. September Wien, Filmcasino; www.slashfilmfestival.com

Dumpstern mit Würde, einfache Zeichen für Abfallverwerter, damit beschäftigt sich das Designteam von Kollektiv Kultúrgorilla aus Budapest.

Vienna Design Week Blau ist Markenfarbe der diesjährigen Vienna Design Week. Neben Ästhetik und blau als Nuance sollen Fragen des Social Design und des urbanen Lebens in der Zukunft diskutiert werden. In Workshops erarbeitet man Smart-City-Projekte. Im Labor des Festivals wird dem Publikum ein direkter Einblick in Designprozesse genehmigt. Auch bietet die VDW Vermittlungsprogramme für Kinder und Jugendliche an. Das Gastland Ungarn wird sein experimentelles Kunstwerk »Soundweaving« präsentieren. Ein Musikautomat, dessen Lochkarten und Stahlzungen in ungarische Kreuzstickmotive umgewandelt wurden, die dann zu Melodien werden. Und Kollektiv Kultúrgorilla beschäftigt sich damit, wie sich Dumpstern möglichst menschenwürdig gestalten lässt. 26. September bis 5. Oktober Wien, verschiedene Locations

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TERMINE

FESTIVALS Die Eröffnung macht der WKR-Ball: Tanzbein-Schwingen gegen Rassismus und Homophobie.

70 … Modeschöpfer werden insgesamt bei der diesjährigen Vienna Fashion Week zu Gast sein.

TEXT Yasmin Szaraniec BILD Hanna Pribitzer, Kollektiv Kultúrgorilla, Wienwoche / Lisbeth Kovacic, Martin Hieslmair

Wienwoche Die »Wienwoche« ist ja auf dem Dünger der Wiener Grünen gewachsen und setzt sich auf unterschiedlichen Ebenen mit Migration auseinander. Aber auch ein queerer WKR-Ball funktioniert als Kampfansage an die Angstmacherei der Wiener FPÖ. Stattdessen die guten Seiten der Migration feiern. Die Themen werden auch künstlerisch in Dokumentationen, auf der Bühne, in StreetArt, historisch in Museen oder musikalisch auf der »Migrationale« behandelt. 12. bis 28. September Wien, verschiedene Locations

Vienna Fashion Week Mit Touchy wird der Mensch zur Kamera. Nur wenn eine andere Person den Träger berührt öffnen sich die Klappen. Und nach 10 Sekunden Kontakt wird ein Foto gemacht.

Eröffnet wird die VFW vom Berliner Star-Designer Michael Michalsky, der nicht nur Kleidung, sondern mit seinem Design Lab auch Stores, Kostüme oder Bühnen kreiert. Unter den Designern finden sich österreichische Modeschöpfer wie die Manufaktur Herzblut – die auch Bekleidung für Hunde entwirft – Elfenkleid oder Susanne Bisovskys moderne Trachtenmode. 8. bis 14. September Wien, Modequartier21

Pink Lake Festival

Velden ist im Sommer nicht nur weiß, sondern auch rosa. Im Casino, auf einer Yacht oder bei der Almdudler Trachtenparty ist jeder willkommen, sich zu geben, wie er möchte und zwischen TravestieKünstlern und DJs aus der Szene oder mit den Berliner Dirndl-Queens Melli & Mataina zu feiern. 28. bis 31. August Velden, Wörthersee

Bestoff Styria

Ars Electronica Die Ars Electronica ist immer noch Österreichs oberstes Festival für digitale Kunst und Zukunftsmusik. Von Robotern, die die elektronische Musik bereichern sollen, über »Device Art«, in der sich unsere alltäglichen Gerätschaften zu Kunstobjekten emanzipieren bis hin zum »Salon Dada«, wo auf der Bühne der Dadaismus mit der technologischen Gegenwart verbunden wird. 4. bis 8. September Linz, verschiedene Locations

Im Rahmen der Theaterfeste der Regionen wird in der Steiermark beim »Bestoff Styria – Festival der Freien Theater« nicht nur klassisch auf der Bühne gespielt. Die Off-Szene-Stücke bieten Aufführungen im Wald oder in einer Konditorei. Übergeben wird der Theaterlandpreis an eine Produktion, die das freie Theaterschaffen auf besondere Weise repräsentiert. 9. bis 13. September Graz, verschiedene Locations 063

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LIVE @ RKH

TERMINE

MUSIK

ÖSTERREICHS CLUBSZENE IM RADIOKULTURHAUS

BO CANDy & HIS BROKEN HEARTS + THE SADO MASO GUITAR CLUB

16.09.2014

KARTEN UND INFOS: http://radiokulturhaus.ORF.at

The Sado Maso Guitar Club © Beatpop Records

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Tocotronic & Cosima von Bonin Das Wiener Mumok widmet der in Mombasa geborenen und in Köln ansässigen Künstlerin Cosima von Bonin eine Personale, im Rahmen derer auch auf Sound und Musik als wesentliche Bestandteile ihrer Arbeiten eingegangen wird. Ihrem regen Austausch mit Dirk von Lowtzow ist es geschuldet, dass dieser Aspekt auch ganz konkret in Form von Konzerten behandelt wird. Rund um die Eröffnung der Ausstellung wird dessen Band Tocotronic ihr einziges Österreichkonzert des laufenden Jahres geben. Am 18. November folgt dann außerdem ein Auftritt von Phantom Ghost, von Lowtzows gemeinsam mit Thies Mynther betriebener Zweitband, für die von Bonin mehrere Cover-Artworks gestaltet hat. 4. Oktober Wien, Mumok

Film, Motion-Design & mehr www.facebook.com/nkedfilm www.nked.at

Zwar noch immer kein Album, aber wenigstens ein Konzert in Sicht: Azealia Banks

Azealia Banks p o o l b a r. a t /s h o p

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Wann bzw. ob Azealia Banks’ Debütalbum »Broke With Expensive Taste« je erscheinen wird, weiß wohl nur der liebe Gott. Nachdem die Platte mittlerweile schon zwei Jahre lang verschoben wird und noch immer kein Release-Datum feststeht, konnte sich Azealia endgültig von ihrer bösen Plattenfirma befreien und tourt jetzt erstmal durch Europa. Die aktuelle Single »Heavy Metal And Reflective« samt zugehörigem Video lassen stark hoffen, dass das Album eines Tages dann doch noch das Licht der Musikwelt erblickt. Bei ihrem WienGig darf dieses Anliegen übrigens gerne vorgetragen werden. 5. Oktober Wien, Arena

TEXT Manuel Fronhofer, Franz Lichtenegger BILD Mumok, Brooke Nipar, Skalar Music, Siluh Records, Arena Wien, Danielle St. Laurent, Sony Music

Anlässlich der Cosima von Bonin-Personale bereit fürs Museum: Tocotronic

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MUSIK

highlights Warpaint

So. 31.08. // 20:00 Pop

Blumfeld

Dust Covered Carpet Auf »Pale Noise« zeigen sich Dust Covered Carpet in guter Form: Dringlichkeit in stillen Momenten, Indie-Hit-Potenzial in jenen mit etwas mehr Druck dahinter, das Ganze vielfältig instrumentiert und arrangiert. Zur Albumpräsentation ist die Band auf Tour durch Österreich. 4. September Graz, Forum Stadtpark — 5. September Wien, Flex — 10. September Innsbruck, P.M.K. — 11. September Lustenau, tba

Bild: Buback Tonträger

Indie-Rock, der nicht bloß Indie-Rock sein möchte – oder dem Genre zumindest etwas abzugewinnen versucht, das man sich heutzutage trotz »OK Computer«-Zeitenwende nicht immer erwarten darf: mehr Offenheit, weniger Berechenbarkeit. Durchzogen von einer verhallten Melancholie ist der selbstbetitelte Zweitling der Band dabei von beachtlicher Schönheit. 4. September Wien, Arena

Di. 16.09. // 20:00 Kabarett

Severin Groebner: Servus, Piefke!

Mi. 17.09. // 20:00 LiteraturSalon

Dragan Velikić: Bonavia

Mo. 22.09. // 20:00 House / Techno

Austra

Trentemøller live

Vor zwei, drei Jahren waren Austra – das sind Katie Stelmanis, Maya Postepski und Dorian Wolf – schwer angesagt. Der Hype ist längst abgeflaut, die Band aus Toronto jedoch um keinen Deut schlechter als damals. Musik zwischen Dark Wave und Electro-Goth. Club-, aber nicht zwingend tanzflächentauglich. 9. September Wien, Arena — 10. September Salzburg, Rockhouse

Wolf Haas: Brennerova

Blondie Dass die verbliebenen drei Mitglieder der Originalbesetzung nicht mehr die Jüngsten sind, ist kaum abzustreiten. Dass der New-Wave-Sound von Blondie immer noch mehr Bands beeinflusst, als man spontan aufzählen kann, aber genauso wenig. Die Tour zum 40-jährigen Bühnen­ jubiläum führt Debbie Harry & Co nun auch aufs Open-Air-Gelände der Wiener Arena. 11. September Wien, Arena

Sa. 27.09. // 20:00 LiteraturSalon

Bild: Verlag Hoffmann und Campe

TEXT Manuel Fronhofer, Franz Lichtenegger BILD Mumok, Brooke Nipar, Skalar Music, Siluh Records, Arena Wien, Danielle St. Laurent, Sony Music

TERMINE

Mi. 01.10. // 20:00 Kabarett

Gunkl: So Sachen – Ein Stapel Anmerkungen

Mi. 08.10. // 20:00 Wavepop / Indie

Future Islands

Pharrell Williams Drei der größten Hits des vergangenen Jahres (»Get Lucky«, »Blurred Lines«, »Happy«) gehen auf die Kappe von Pharrell Williams. Die logische Konsequenz daraus war, mal eben ein eigenes Album rauszuhauen und sich von Namen wie Justin Timberlake, Alicia Keys und Miley Cyrus aushelfen zu lassen. Damit jetzt auf Tour zu gehen, erscheint ebenso schlüssig. 18. September Wien, Marx Halle

Fr. 10.10. // 20:00 Physical Theatre

Sabine Molenaar (NL): That’s It!

Sa. 11.10. // 20:00 Musikkabarett

Christoph & Lollo

So. 12.10. // 20:00 Pop

Wallis Bird / Anna Katt

Mo. 13.10. // 20:00 Indierock

Beatpatrol Festival

Blumfeld

Haus der Musik Homecoming

Anfang des Jahres musste man schon ein wenig bangen, als über ein mögliches Ende des Beatpatrol spekuliert wurde. Umso größer war die Freude, als bekannt wurde, dass es nicht nur stattfindet, sondern obendrein auch mit exklusiven Österreich-Shows von internationalen Größen wie Dead­mau5, Paul Kalkbrenner und DJ Fresh auf­ wartet. The Beat goes on! 30. August, St. Pölten, VAZ

Kein Zweifel: Mit Blumfeld hat 2007 eine der wichtigsten und stilprägendsten deutschprachigen Bands der so genannten »Hamburger Schule« ihr Ende bekanntgegeben. Anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums ihres Meisterwerks »L’etat et moi« steht nun eine Reunion-Tour in Originalbesetzung an. Es dürfte nostalgisch werden. Und gut. 30. August Wien, Arena — 31. August Linz, Posthof

Dass Musik im Haus der Musik eine große Rolle spielt, liegt auf der Hand. Dass das in den letzten Jahren verstärkt auch für Live-Musik gilt, ist besonders erfreulich. Beim Herbstfest des Klangmuseums kommt diese von vier heimischen Acts zwischen feingeistigem Pop, Indie-Rock und samplefreudigem Edel-Trash: Garish, Gin Ga, Velojet und Kurt Razelli. 20. September Wien, Haus der Musik

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Maximo Park

Sa. 18.10. // 20:00 Indiepop

Die Sterne

Das komplette Programm gibt’s auf www.posthof.at POSTHOF – Zeitkultur am Hafen, Posthofstraße 43, A – 4020 Linz Info + Tickets: 0732 / 78 18 00, www.posthof.at

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Know-Nothing-Gesellschaft von Illbilly The K.I.T.T.

Praktisch

illustration Jakob Kirchmayr

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ein Notizbuch ist verloren. Alles, was mir irgendwie wichtig erscheint, spreche ich daher die letzten Tage in die Voice-Recorder-App meines Handys. Eine berechtigte Frage, die sich hier nun aufdrängt, könnte vielleicht so lauten: »Warum kauft er sich denn kein neues Notizbuch? Ein feines Moleskine vielleicht, oder was anderes, billigeres von gleicher, wenn nicht sogar besserer Qualität?« Nun, ich kann die Antwort gerne geben. Ich hab sie nämlich in mein Handy gesprochen. Hier die dazu gehörende Stelle, die ich fast 1:1 transkribiert habe. Damit ein jeder gleich weiß, öha, jetzt wird mit harten Dokumenten gearbeitet, will ich diese Passage kursiv wiedergegeben. Warum kauf ich mir denn kein neues Notizbuch? Ein feines Moleskine vielleicht, oder was anderes, billigeres von gleicher, wenn nicht sogar besserer Qualität? Schon mal was von Nachhaltigkeit und bewusstem Konsum gehört? Ich muss die Zeit abwarten, die es benötigt hätte, das verlorene Notizbuch zu füllen. Erst dann kann ich mir gestatten, ein neues zu kaufen. Damit Mutti Natur schön im Gleichgewichti bleibt. Hochinteressant ist, was mir beim Transkribieren aufgefallen ist. So wie ich oft meine Schrift nicht entziffern kann, verstehe ich beim Abhören der Sprachaufzeichnung streckenweise kein Wort. Meine Klaue geht beim Medienwechsel nahtlos in Lalle über. Für die 63 Worte oben brauchte ich glatt 43 Minuten. Das ist mir – mit Verlaub – nicht zumutbar, weswegen ich gleich einmal eine Praktikantin angefordert habe. Zum Abtippen. »Hipness nicht von Nöten, schickt mir was Bäuerliches, Kuhäugiges«, deponierte ich per Depesche in der Chefredaktion, die meinem Wunsch prompt Folge leistete. Tja, die feinen Herrn dort oben wissen halt, dass ein derart edler Geist wie meiner gehegt, umsorgt, ja gepampert gehört, auf dass es nur so aus ihm raussprudle. So, und weil sich edle, feine Geister auch mal kleine Auszeiten gönnen müssen, hab ich der Praktikantin gesagt, sie soll meine Audiodateien nicht nur transkribieren, sondern gleich auch eine Kolumne schreiben. Sie starrte mich zwar fassungslos an aus ihren feuchten Kuhaugen, aber ich versicherte ihr, dass ihre begrenzten

Fähigkeiten sicherlich ausreichen, um Tagebucheinträge auf Papier zu bringen. Ist wie Facebook oder twittern, nur dass es unterm Strich eh keiner liest, beruhigte ich das unerfahrene Ding mit meinem Medieninsiderwissen. 1. Praktikumstag: »Augen zu und durch, er ist ein wenig schwierig, aber du schaffst es«, gab man mir mit auf den Weg und stellte mich um 9.30 Uhr im Büro des Kolumnisten ab. Der tauchte erst zwei Stunden später auf. Verkatert. Nuschelnd und stotternd stellte er sich vor und tat sich schwer mit Augenkontakt. Immerzu starrte er mir ins Dekolletee. Schwierig? Schmierig trifft es wohl eher. Um Punkt zwölf ging er auf Mittag, kam um 15 Uhr wieder und gab mir dann frei. Witzig: er wollte gar nicht wissen wie ich heiße, fragte nur nach meinem Studium. Als ich Austria Studies sagte, lachte er lang, laut, freudlos und hieß mich, ihn ab nun zu siezen. 2. Praktikumstag: Heute kam er gut gelaunt schon um zehn in sein Kämmerchen, begrüßte mich mit »Na, Miss Austria, des nächtens auch so gut gebumst wie ich?!« und bat mich danach, die Audiodatei »schwanzis.wav« zu transkribieren, mit dem Hinweis, dass es ruhig länger dauern kann. Es ist ein schmaler Grat zwischen vermeintlichem Charme und sexueller Belästigung. Gegen 13 Uhr ging er wieder zu Mittag und kam um 16 Uhr wieder. Dann schickte er mich heim. 3. Praktikumstag: Die Datei »schwanzis.wav« ist schrecklich und voll mit störenden Hintergrundgeräuschen. Mein Vorgesetzter sitzt darin in einem Taxi und nuschelt Absurdes ins Telefon: Wenn in einer Sauna in Prag nach einem Aufguss ein Typ zusammenklappt und dann am Rücken liegt und dieser Typ hat wegen einer Laune von Mutti Natur zwei Schwänze, denkt sich jeder, »Ahh, kafkaesk!«. Wenn derselbe Typ mit zwei Schwänzen in einer Wiener Sauna am Rücken liegt, kommt sofort der Freud’sche

Penisneid ins Spiel. Ich frage, was das soll, hätte aber besser den Mund gehalten. Er spielt weiter zu folgender Stelle: »Penisneid auf Typen mit zwei Schwänzen ist wohl sicher nicht mehr allein ein Mädchending. Zumindest kenne ich keine einzige Frau, die statt einer Scheide lieber zwei Penisse hätte. Bei Männern bin ich mir da nicht mehr ganz so sicher. Zumindest las ich einmal über einem Pissoir den schönen Spruch: ‚Ich wünscht ich wär’ ein Löwe, dann hätte ich zwei Schwänze, einen schöb’ ich halb dir rein, den anderen zur Gänze‘. Der zusammengeklappte, zweischniedelige Saunabesucher ist in Wien also eine Art Daddy Issue Deluxe. Wenn man jetzt in Betracht zieht, dass Kafka eine gut dokumentierte, sehr komplexe Beziehung zu seinem alten Herrn hatte, bleibt eigentlich nur ein Schluss: Kafkas Vater hatte zwei Penisse. Ergo sind Wien und Prag miteinander eng verwandt.« »Was gibt es da nicht zu verstehen?«, blaffte er mich an, ging zu Mittag (Rückkehr 16.30 Uhr) und schickte mich dann heim. 4. Praktikumstag: So hab ich mir die Medienwelt nicht vorgestellt. So nicht. Dummerweise erwähnte ich beim Transkribieren der Datei »einkaufsliste.wav«, dass ich Probleme habe, Klopapier zu kaufen. Er schlug mir sofort einen Deal vor. Folgender Dialog entspann sich: »Ich hol deine Toilettenrollen und du Miss Austria besorgst mir im Drogeriemarkt Schwämme und Einweghandschuhe?« »Warum? Wollen Sie nicht, dass man glaubt, Sie putzen selbst?« »Nein, ich will nicht, dass man glaubt, ich bau mir daraus Taschenmuschis.« Danach zeigte er mir auf Youtube ein Video, wie man aus Schwämmchen und Einweghandschuhen einen Masturbator bastelt. Dann schickte er mich heim. Der hat sie ja nicht mehr alle. Beim Gehen kündigte ich an, dass ich über meine Praktikumszeit bei ihm auf immanuelaprakticunt.blogspot. com schreiben werde.

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